Rain von kyouto ================================================================================ Kapitel 1: Melody ----------------- An jedem Abend an dem sie spielten, war auch sie da. Aber nur wenn sie spielten. Es war ein kleiner Klub mit einer Bühne für Nachwuchsbands und einer kleinen Theke, an der die verschiedensten Getränke angeboten wurden. An manchen Abenden für die Bühne auch für Karaoke oder Einmannbühnenshows genutzt. Doch interessierte sie sich nur für diese eine Band. Sie wusste selbst nicht, was sie so faszinierte. Waren es die Texte? Die Melodien? Das Zusammenspiel von beidem? Heute war es wieder so weit. Sie spielten wieder. Gewohnt gut, wie sie meinte. Seine Stimme ... sie veranlasste sie immer zum Träumen. Sie setzte sich gerne hin und schloss einfach die Augen und ließ die Stimme mit den rhythmischen Klängen der Gitarren und des Schlagzeugs auf sich wirken. Heute waren mehr Leute da. Von jedem Abend zu Abend wurden es mehr. Und sie kamen alle nur wegen den Vieren, die gerade auf der Bühne standen. Es freute sie. Sie bekamen endlich die Aufmerksamkeit, die sie verdienten. Sie hörte einige der Gäste tuscheln, wie gut die Jungs doch aussahen. Es fielen einige Namen, doch wusste sie damit nichts anzufangen. Sie wusste nicht, wie die Bandmitglieder hießen. Es war nicht relevant für sie. Schließlich war sie hier wegen der Musik und nicht wegen den Bandmitgliedern. Auch wenn sie sich wünschte, dass es bei den anderen Gästen auch so war, bezweifelte sie es immer mehr, je mehr sie die Leute hörte. Dennoch nahm es ihr nicht die Freude an den Liedern. Es steckten so viel Emotionen hinter ihnen, jedes Wort mit Bedacht gewählt. Jeder Takt sorgfältig überlegt. Oder klappte es bei ihnen von Anfang an? Mussten sie oft Proben, um so zu klingen, wie sie es jetzt tun, oder spielten sie einfach drauf los und die es stimmte von Anfang an? Die Auftritte kamen ihr immer viel zu kurz vor. Morgen würde sie wieder kommen. Morgen würde sie sie wieder spielen hören, wieder in Gedanken versinken beim Hören dieser Lieder, dieser Stimme. Diese nächtlichen Besuche gaben ihr Halt. Ihr Vater sah es nicht gerne, wenn sie nachts noch so spät draußen war, aber sie war alt genug, um auf sich aufzupassen. Er beschützte sie noch viel zu sehr, wie sie empfand. Doch nahm sie es ihm nicht übel. Er hatte nur sie und sie hatte nur ihn, doch war sie dankbar dafür. Er unterstützte sie, wo er nur konnte. Auch wenn es nicht immer leicht ist. Sie schaffte es sogar, ihn zu überreden einmal mitzukommen und sich die Band anzuhören. Er fand die Musik nicht schlecht, doch fragte er sie, ob es nicht langweilig wird. Irgendwann habe man doch alle Lieder gehört und kann sie auswendig. Sie lächelte nur. »Man hört jedes Mal etwas Neues. Sei es eine neue Interpretation oder einfach, weil man den Song neu auffasst durch neue Erfahrungen.« Ihr Vater wusste, was sie meinte, dennoch er teilte einfach ihre Leidenschaft für Musik nicht. Auch heute saß sie an ihrem gewohnten Platz in dem gewohnten Klub mit der gewohnten Musik. Seine Stimme, sie war so warm, so vertraut und doch versprühte sie einen kalten Unterton. Sie klang leicht verletzt, aber dennoch gestärkt. Sie wusste nicht, wie sie sie hätte anders beschreiben können. Es war einfach seine Stimme. Heute war ihr Opener Rain. Sie liebte den Song. Es war der Chorus vor allem, der es ihr antat. Regen ... Es war einer der Songs, den sie zu verstehen noch versuchte. Wie kann man jemanden vor Regen schützen? Wofür stand der Regen? Konnte man jemanden wirklich so verletzen und alleine lassen? Die Hintergründe, sie interessierten sie wirklich, doch würde sie, selbst wenn sie die Chance haben sollte, niemals danach fragen. Sie interpretierte ihn lieber selbst. Wenn sie wüsste, was es bedeutete, könnte sie dies nicht mehr. Es war die Pause zum nächsten Song. Der Sänger sah in ihre Richtung und sie sah weg. Sie mochte es nicht, wenn man sie ansah, auch wenn es nur Zufall ist. Dieselben Mädchen wie gestern waren wieder da. Wieder tuschelten sie über die Jungs. Hören die überhaupt diese wundervolle Musik? Oder wollen sie einfach nicht? Sie verstand es nicht. Diese Jungs machten so tolle Musik und alles, was die sahen, war das Aussehen. Aber es war deren Sache. Es war deren Sache, bis sie auf sie zukamen und sie darauf ansprachen, dass der Sänger zu ihr sah. Ob sie ihn kenne, ob sie was mit ihm hatte. Sie war überfordert mit diesen Fragen, sie war wegen der Musik hier, nicht wegen dem Sänger. Mehr als ein leises kichern, bekam sie für diese Antwort nicht. Der letzte Song klang aus und die Band machte sich auf den Weg nach draußen. Es war ungewöhnlich für sie noch hier zu sein. Normalerweise ging sie sofort nach dem letzten Song, doch dieses Mal wartete sie. Sie wartete, bis die Band auch ging. Sie wollte Gewissheit. War es Zufall, dass er sie ansah? Sie sah auf ihr Handy. Es war kurz nach Mitternacht. Sie musste nach Hause, ihr Vater machte sich bestimmt schon Sorgen. Normalerweise war sie jetzt bereits zu Hause. Sie tippte einige Worte in ihr Handy und sendete ihre Nachricht. Es wird ihn beruhigen, da war sie sich sicher. Sie erschreckte kurz, als jemand ihr auf die Schulter tippte. Der junge Mann entschuldigte sich dafür und lächelte. »Du kommst, jedes Mal, wenn wir spielen, und sitzt immer hier. Darf ich fragen warum?« Sogar wenn er sprach, hatte seine Stimme dieses gewisse Etwas. Der Rest seiner Kollegen schienen schon vorgegangen zu sein. Wie nett, dass sie nicht einmal auf ihn warteten. »Ich ... Eure Musik, sie ist einfach wunderschön. Da komme ich gerne her.« Sie lächelte zurück. Sie wollte aufstehen, doch drückte er sie sanft zurück. Er kam näher und flüsterte ihr eine Frage in das Ohr. Ihre Antwort ließ ihn noch mehr strahlen, als zuvor. Er bot ihr an sie nach Hause zu begleiten und sie nahm das Angebot gerne an. Sie redeten über alles, alles bis auf Musik. Ihr Vater wartete bereits. Er blieb auf, sie hatte es bereits erwartet. Er fragte sie, was passiert sei. Sie strahle so, wie er es ausdrückte. »Ich habe heute mit dem Sänger gesprochen. Er hat mich gefragt, ob ich weiß, wie er heißt.« Er fragte sie, was sie antwortete. »Ich habe Nein gesagt. Und ihn gefragt, ob das denn relevant ist, um ihre Musik zu mögen.« Sie bekam das Lächeln nicht aus ihrem Gesicht. Sie würde zum nächsten Auftritt wieder hingehen und auf ihrem gewohnten Platz, sich einfach zu der Musik treiben lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)