Happy End von Myokardinfarkt-chan ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Beide gingen wir schweigend den holprigen Pfad entlang, ohne Worte und ohne sich groß anzusehen. Wenn wir sprachen dann über nebensächliche Dinge, wie das Wetter, was sie in der Taverne essen wollten oder wie weit es wohl zur nächsten Stadt sei. Es war sowas von albern! Eigentlich sollte doch jetzt das Happy End folgen mit allem drum und dran. Und stattdessen? Smalltalk und kühle Blicke! Ich hätte mich dafür ohrfeigen können. Aber egal was ich tat, egal was sie sich einredet, es half nichts. Jedes Mal wenn ich versuchte ihm in die Augen zu sehen, tauchte ein Bild vor mir auf, wie er und Morrigan sich nackt auf einem Feldbett tummelten. Und dann verspürte ich jedes Mal erneut die Wut und hatte Lust ihren Stab zu nehmen und ihn Morrigan in ihren viel zu perfekten, kleinen… „Solona?“ Aus den Gedanken gerissen sah ich von dem Teller mit Eintopf auf, in den ich wohl schon zu lange verbissen gestarrt hatte. „Ähm, ja? Was gibt es?“ „Du hast deine Suppe angeknurrt.“ "Sie war versalzen" Ungläubig starrte mich Alistair an und öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch in diesem Augenblick kam die Bedienung und nahm unsere Teller weg um anschließend um die Bezahlung zu bitten. Etwas widerwillig schloss Alistair den Mund wieder und sah von mir aus zu dem etwas schäbig gekleideten Mädchen um ihr das Geld zu geben. Ich war froh, dass er nun nicht mehr dazu gekommen war etwas zu sagen. Vor allem, da ich die Frage kannte, aber keine Idee hatte, wie ich sie beantworten sollte. Dieses kleine Spiel ging so schon seit Tagen. Schließlich verließen wir die kleine Taverne und machten uns wieder auf den Weg. Wir hatten beschlossen, die Nacht durchzulaufen, damit wir das Schiff nach Highever auch gewiss erreichen würden. Noch nie, seid den eineinhalb Jahren seit denen ich den Turm verlassen hatte, hatte ich mir so sehr gewünscht auf eine Horde Hurlocks oder wenigstens einen Oger zu treffen. Irgendwas, dass diese verdammte Stille durchbrechen würde! Wie immer ging ich etwas voran und Alistair folgte mir. Er ließ sich schon fast automatisch von mir führen und ich war froh darüber. So musste ich nicht seinen Gesichtsausdruck sehen. Diesen vermutlich enttäuschten und traurigen Hundeblick, bei dem ich wahrscheinlich laut losgeheult hätte. So aber konnte ich mir nur vorstellen wie er mich ansah. Nach gefühlten 24 Stunden beschloss ich, die Stille zu durchbrechen. „Ziemlich laue Nacht. Es wird wohl bald Frühling.“ Grandiose Idee! Als wäre das Wetter nicht das Gesprächsthema, dass jeder Verzweifelte ansprach, wenn er nichts Besseres zu sagen hatte. Von Hinten kam nur ein undeutliches Brummen. „Ja. Ganz angenehm. Was ist eigentlich los mit dir?“ Ohne mich umzudrehen antwortete ich: „Nichts. Ich bin erschöpft, das ist alles.“ Was bitte hätte ich sagen sollen? Die Wahrheit? Sollte ich etwas fragen: Na, welche Stellung habt ihr ausprobiert? War es gut?! Beim Erbauer, war ich unfair… Wir liefen noch mehrere Stunden weiter, nur ab und zu unterhielten wir uns über das weitere Vorgehen in Highever und über die Grauen Wächter. Nicht besonderes, nur ab und zu mal ein paar Sätze und dann wieder betretenes Schweigen. War das das Happy End welches in den dicken Romanen der Bibliothek des Zirkels immer beschrieben wurde? Wenn ja, dann hatte man mich gründlich angelogen. Selbst im Kampf mit dem Erzdämon war die Stimmung besser gewesen. Ich war so froh gewesen als alles vorbei war und er noch am Leben war. Und ich war es auch noch gewesen! Alles war gut gewesen. Und dann wurde mir plötzlich klar, dass Alistair, den Mann den ich über alles Liebe, dass er mit Morrigan geschlafen hatte. Und sie erwartete nun ein Kind von ihm. Mir würde dieses Glück für immer verwehrt bleiben und sie bekam ein Kind! Sie, die als Mutter in etwa so geeignet war wie ein hungriger Oger, bekam ein Kind von Alistair. Dabei konnte sie ihn noch nicht einmal leiden. Immer wenn ich daran dachte, und meine Gedanken wanderten fast ständig zu jener Nacht, fühlte ich die Zorn in mir hoch kommen. Gleichzeitig fühlte ich mich furchtbar. Was war denn die Alternative gewesen? Ihn sterben lassen? Selbst zu sterben? Manchmal wünschte ich mir, ich hätte Letzteres gewählt und auch dabei fühlte ich mich schlecht. Sollte ich doch eigentlich froh sein, überlebt zu haben…die Chancen hatte ja nicht gerade rosig gestanden. Genau genommen hatte ich eine ähnliche Lebenserwartung wie die einer Gans zu den Feiertagen gehabt. Und doch, ich hatte es zugelassen, ja war für kurze Zeit froh gewesen über diese Möglichkeit. Wir beide waren am Leben, wir würden den Rest unseres Lebens miteinander verbringen können! Und doch, der Sex mit Morrigan und das Kind gaben dem ganzen doch einen fahlen Beigeschmack. „Wir rasten hier am Besten. Ein wenig Ruhe täte uns Beiden wohl ganz gut.“, meinte Alistair schließlich. Ich konnte nicht umhin den enttäuschten Unterton in seiner Stimme vernehmen. Sofort bildete sich ein Klos in meinem Hals, den ich mit Gewalt runterschluckte. „Eine sehr gute Idee!“, sagte ich viel zu euphorisch und setzte mich. Erst jetzt nahm ich meine Umgebung richtig wahr. Wir lagerten auf einem kleinen, erhöhten Hang über einem weiten Kornfeld. Am Tage war hier wohl ein herrlich goldener Schimmer in der Luft, jetzt im Dunklen hatte es etwas Betrübtes an sich. Ich sah hinüber zu Alistair. Er hatte seine Armschützer und die schwere Rüstung abgelegt und lehnte sich an einen Baum. Als er merkte, dass ich ihn beobachtete sah ich rasch weg. Trotzdem konnte ich immer noch seinen Blick auf mir spüren, das leichte Stirn runzeln, den verletzten Ausdruck in seiner Augen, weil ich mich benahm wie ein Zwerg in der Pubertät… “Ich werde mal etwas Feuerholz sammeln gehen.“, meinte ich hastig und stand auf, aber Alistair war schneller. Er sprang auf und hielt mich am Handgelenk fest. „Was ist los?“. „Nichts, nichts weiter, ich sagte doch schon, ich bin…“ „Behaupte nicht du wärst müde! Irgendwas stimmt nicht.“ Jetzt sah er mir direkt in die Augen und ich konnte nicht länger auf meine Füße starren. Traurig sah er mich an. „Bitte sag mir, was los ist? Habe ich etwas falsch gemacht?“ Ich schüttelte den Kopf und biss mir auf die Unterlippe. Jetzt nur nicht durchdrehen. „Nein, nein du hast nichts falsch gemacht. Es ist nur…Ich bin…Verdammt, du hattest Sex mit Morrigan!“ Jetzt war es raus. Es hätte ihn wohl nicht härter treffen können. Wie hatte ich mir das auch vorgestellt? Es zu verdrängen, bis es einer vergaß? Es ignorieren wie einen Pickel oder einen schmerzenden Rücken? Er stand da, wie vom Blitz erschlagen. Ein paar Mal öffnete sich sein Mund, aber anscheinend brachte er wohl kein Wort raus. Schließlich fragte er verständnislos: „Was?“ Ich spürte bereits, wie mir die Tränen in die Augen schossen. So viel hatte ich erlebt und jetzt musste ich weinen. „Du hattest Sex mit Morrigan und…ich dachte ich komme damit klar. Aber das tue ich wohl nicht.“ Alistair ließ mein Handgelenk los. Hastig sprach ich weiter, aber etwas sagte mir, dass ich bereits zu viel gesagt hatte. „Ich fühle mich schrecklich. Alles was ich wollte war bei dir zu sein, ich wollte dass du lebst! Aber dann…es lässt mich einfach nicht los, diese Nacht zwischen euch. Und dann das Kind. Andauernd denke ich darüber nach und muss es mir vorstellen. Es tut mir so leid.“ Alistair sah mich weiterhin an und sagte kein Wort. Langsam senkte ich den Blick. „Es tut mit leid.“, wiederholte ich. „Ich wollte dir nie Vorwürfe machen. Gott, ich bin so egoistisch. Wegen so etwas…und dabei weiß ich gar nicht gegen wen sich meine Wut richtet! Gegen Morrigan…oder gegen mich.“ Der Klos im Hals machte es mir schwer weiterzureden, trotzdem tat ich es. Einfach nur um die verhängnisvolle Stille heraus zu zögern, die bald eintreten würde. „Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen. Es tut mir so leid.“ Da war sie. Verhängnisvolle Stille. Mein Blick war immer noch gesenkt. Ich starrte auf Alistairs Stiefel, Lederstiefel, schon etwas abgenutzt aber robust, aus einem dunkelbraunen Leder gefertigt. Dieses Detail an ihm war mir bisher noch nie aufgefallen. Ich spürte noch, wie mir die Tränen die Wange runter liefen und ab und zu musste ich schniefen. Das klang dann in etwa so, wie ein kleines Kind mit Erkältung. Dann endlich durchbrach Alistair die Stille. „Solona…“ Ich machte mich auf das Urteil bereit. Wie spät es wohl war? Ich wusste es nicht…vielleicht 3 Uhr morgens? 4 Uhr? Ich dachte an das letzte Mal als ich geweint hatte. In der Nacht vor meiner Läuterung. Aus Angst. Eine aus meinem Schlafsaal hatte mir erzählt, es würde ein Kampf auf Leben und Tod werden, mit einem widerlichen Wesen. Schuppig und geifernd und mit blutroten Augen. Und selbst wer es schaffte, wenn zu viel Zeit verging würde man von den Templern geköpft werden. Danach hatte ich nicht mehr geweint. Meine Wange musste mittlerweile ganz verschmiert sein. Immer noch liefen mir die Tränen die Wange herunter, aber mit einem Mal wurde sie von etwas warmen aufgefallen, dass meine Wange berührte und mir die Tränen wegwischte. „Solona. Hör doch mal…“, fing Alistair an, während er mir mit der Hand die Tränen wegwischte. „Glaubst du…Denkst du, das war einfach für mich?“ Ich schluckte nur und schüttelte heftig den Kopf. Nein, das hatte ich wirklich nicht geglaubt. „Aber es war der einzige Weg. Das wusste ich. Niemand hat behauptet, dass es danach einfach werden würde.“ Doch, die Gebrüder Grimm. „Und das Kind?“ Jetzt sah ich auf. Alistair sah mich an und ich sah diesen Hauch von Hilflosigkeit in seinen Augen, den auch ich die ganze Zeit über verspürt hatte. „Das Kind?“ , widerholte er langsam und schloss für kurze Zeit die Augen. „Ich weiß es nicht.“, murmelte er schließlich. „Ich weiß es nicht. Ich will kein Kind von ihr. Aber so ist es jetzt nun Mal. Vielleicht werde ich es irgendwann suchen. Aber jetzt kann ich das nicht. Und ich will es auch nicht.“ Er nahm mein Gesicht in seine Hände und sah mich eindringlich an. „Ich liebe dich. Ich mache dir keine Vorwürfe, dass du wütend warst…irgendwo kann ich das verstehen. Aber glaube mir, für mich war es auch nicht einfach. Krieg mal bei dem Gesicht einen hoch.“ Darauf war ich nicht gewappnet gewesen und musste laut loslachen. Anscheinend war genau das beabsichtigt gewesen, denn jetzt sah er mich wieder glücklich und erleichtert an. „Erzähl mir bitte wie es passiert ist. Vielleicht ist es dann einfacher, es zu vergessen.“, bat ich ihn und wir setzten uns. Alistair erzählte mir alles und mit jedem Bild, dass nicht mehr meiner Fantasie überlassen war, fühlte ich mich leichter. Nicht, dass ich gerne zuhörte, aber nun wusste ich wie es gewesen war. Ich brauchte es mir nicht mehr vorzustellen. Außerdem gab es ohnehin nicht allzu viel zu erzählen, da Alistair „sowieso die ganze Zeit die Augen geschlossen hatte, sonst wäre eh nichts zustande gekommen.“ Schließlich küssten wir uns, wieder richtig, so wie an dem Tag an dem er mir die Rose geschenkt hatte. Dann gingen wir weiter. Ich war ein Narr gewesen. Ein Happy End konnte es nicht geben, denn es war kein Ende gewesen. Wegen eines besiegten Erzdämon würde eine Beziehung noch lange nicht einfach werden. Denn wahre Prüfungen enden ein Leben lang nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)