Stille Wasser von Ixtli ================================================================================ 23'58''31 --------- ~ Seit sie losgefahren waren, versuchte Norman krampfhaft, das immer wieder ins Stocken geratene Gespräch am Laufen zu halten. Das und die Tatsache, dass Norman einen längeren Umweg zum Bahnhof genommen hatte, ließ in Henrik irgendwann den Verdacht reifen, dass das nur eines bedeuten konnte: sein Bruder fürchtete sich davor, dass Henrik tatsächlich in Tränen ausbrechen würde, nur, weil er mal früher nach Hause sollte. "Lass gut sein." Henrik klopfte Norman beruhigend auf die Schulter, der den Blick schnell von der Straße ließ und seinen Nebenmann fragend ansah. "Was gut sein lassen?" Die Konzentrationslosigkeit. Die fahrigen Bewegungen. Die wie gehetzt von Henrik zur Straße und wieder zurück zu Henrik huschenden Blicke. "Du brauchst 'nen Kaffee", stellte Henrik fachmännisch fest. Norman stieß ein verblüfftes Lachen aus. "Hast du einen Fernkurs in Menschenkenntnis belegt, oder wie kommst du auf diesen Unsinn?" Sie hielten an einer roten Ampel und Norman nutzte die Zeit, seinem Bruder einen längeren Blick zuzuwerfen. Ehe er etwas sagen konnte, hatte Henrik das Wort ergriffen. "Ich bin kein Kleinkind mehr." Henrik seufzte schwer. "Es ist in Ordnung, wenn du mal keine Zeit für mich hast." Er sah zu Norman hinüber, der ihn noch immer stumm beobachtete und abzuwägen schien, ob Henrik auch meinte, was er sagte. "Gut", antwortete Norman dann knapp, obwohl er wirkte, als hätte er noch etwas hinzuzufügen. Er sah erleichtert aus. "So lange du nicht vergisst, Denny meine Nummer zu geben", ermahnte Henrik Norman, der sich die spitze Antwort verkniff, die ihm auf der Zunge lag, und losfuhr. Anstatt wie von Henrik befürchtet, diesen vor dem Bahnhof aus dem Auto zu lassen, suchte Norman einen Parkplatz und wartete zu Henriks Erstaunen geduldig, bis eine Lücke frei wurde. "Ich komme noch mit zum Bahnsteig." Ohne ein Okay abzuwarten, stieg Norman aus dem Auto. "Willst du dir sicher gehen, dass ich auch in den Zug steige?", neckte Henrik seinen Bruder, der ihm ohne Worte seine Reisetasche in die Hände drückte, die er noch nicht mal hatte auspacken können, so kurz war sein Aufenthalt dieses Mal gewesen. "Nächstes Mal bleibst du länger." Normans Mundwinkel verzogen sich zu einem minimalen Lächeln, das allerdings nicht seine Augen erreichte. "Das will ich hoffen." Henrik schwang die Tasche auf den Rücken und machte sich auf den Weg zur Unterführung. Norman kam tatsächlich mit, wenn auch zwei Meter hinter Henrik. Ihre Schritte klangen hohl von den Gewölbeartigen Wänden des Tunnels wider und verloren sich in der Menge der Geräusche der anderen Menschen, die ihnen entgegen kamen oder mit ihnen durch den flackernd beleuchteten Tunnel geschwemmt wurden, wie Treibholz. Es roch säuerlich nach Dingen, über die Henrik lieber nicht nachdenken wollte, und die zersprungenen Fliesen an den Wänden und dem Boden hatten auch schon bessere Tage gesehen. Und trotzdem schien das hier der schönste Platz zu sein, den Henrik sich gerade vorstellen konnte. Na gut, nicht unbedingt der Bahnhof oder seine schmutzige Unterführung, aber die Stadt im Allgemeinen. Denk an die Nummer, hatte Henrik gerade sagen wollen, als sich Normans Hand auf seine Schulter legte und er angeschoben wurde, als wäre Henrik ein liegengebliebenes Auto. "Was denn?", protestierte Henrik verblüfft. "Dein Zug fährt in fünf Minuten ab." "Dann nehme ich eben den nächsten." Norman schob ihn nur noch fester. "Der nächste kommt erst in zwei Stunden. Willst du so lange hier alleine herumsitzen?" "Ja und? Spielt es für dich eine Rolle, ob ich hier sitze?" Im gleichen Moment, in dem er diese Sätze von sich gegeben hatte, hätte Henrik sie am liebsten wieder ungeschehen gemacht. Gut, er war schon enttäuscht, dass er so früh gehen musste. Ausgerechnet jetzt, wo er sich ernsthaft Gedanken über das zu machen begann, was vor ihm lag und das, was vor ihm liegen könnte. Ausgerechnet jetzt, wo er sich sicher war, wirklich nichts anderes zu wollen. Ausgerechnet jetzt kam die Durchsage mit der Aufforderung, in den Zug einzusteigen. "Ich gebe Denny deine Nummer, keine Sorge." Dieses Mal drang Normans Lächeln bis in seine Augen vor, und Henrik fühlte sich wie der letzte Arsch. Er nickte schuldbewusst. Norman hob die Hand und Henrik wartete auf die obligatorische Kopfnuss, doch die blieb aus und wurde stattdessen zu einer Umarmung, die Henrik kurz irritierte. "Komm gut nach Hause. Und-" Henrik spürte Normans stockenden Atem an seinem Ohr. Und? Und was? "Und steig jetzt endlich ein, sonst ist der Zug weg", beendete Norman seinen Satz. Er gab Henrik frei, der ihn mit offenem Mund anstarrte. Da hatte Henrik nach dem unterbrochenen Und und der für Norman untypischen herzlichen Umarmung auf die Offenbarung gewartet und dann kam so etwas dabei heraus... Norman amüsierte sich über Henriks Mimik, die zwischen Lachen und beleidigt sein schwankte. "Du machst es mir echt nicht leicht", seufzte Norman immer noch lächelnd. "Gut so", entgegnete Henrik, nachdem er endlich wieder seine Fassung zurückgewonnen hatte. "Sag Denny einen schönen Gruß." Norman nickte. Henrik warf Norman einen letzten Blick zu und quetschte sich dann mitsamt seiner Reisetasche durch die Zugtür, die eben im Begriff war, sich zu schließen. Die Hände tief in den Hosentaschen vergraben stand Norman auf dem Bahnsteig und sah von draußen zu, wie Henrik drinnen hinter dem leicht verdunkelten Fenster nach einem freien Sitzplatz suchte. Er fand einen auf Höhe von seinem wartenden Bruder und wuchtete ungeschickt seine Reisetasche in die Gepäckablage. Dann überlegte er es sich wohl anders, denn er nahm die Tasche wieder runter, kramte darin herum und wuchtete sie schließlich ein zweites Mal nach oben. Erleichtert ließ sich Henrik auf den Sitz am Fenster fallen und winkte Norman mit seinem Handy zu, der draußen stand und mit dem Kopf schüttelte. Typisch Henrik, dachte Norman amüsiert. Verplant wie immer. Henrik hielt sich sein Handy ans Ohr und deutete mit dem Zeigefinger seiner freien Hand auf Norman. Norman verdrehte die Augen, nickte dann aber. Er sah, wie Henriks Lippen sich bewegten. "Himmel, Henrik, mach doch das Fenster auf", rief Norman von draußen. Henrik zuckte mit den Schultern. Was sagte Norman da? Das Fenster war zu und er verstand kein Wort. "Egal." Norman winkte ab. Noch einmal hielt Henrik sein Handy hoch und winkte damit. Norman kam sich vor wie in einer Comedyserie. Wie schaffte es sein Bruder nur alleine im richtigen Bahnhof ein und am gewünschten Ziel wieder auszusteigen? Ein plötzlicher Schmerz durchfuhr Normans Magengegend, als hätte er einen heftigen Faustschlag hinein bekommen. Seine Hände waren mit einem Mal eiskalt, obwohl sein Puls wie nach einem hundert Meter Sprint raste. Sein Hals war wie zugeschnürt und Norman räusperte sich, was es nicht besser machte. Jetzt saß Henrik für drei Stunden im Zug. Ein kurzer Impuls ließ Norman darüber nachdenken, zum Auto zu rennen, sein Handy aus dem Handschuhfach zu holen und Henrik anzurufen, um ihm zu sagen, dass er im nächsten Bahnhof aussteigen solle. Er käme ihn abholen und dann würden sie über alles reden. Henrik dürfte fragen, was er wollte und Norman würde alles beantworten, egal, wie schwer ihm das auch fiele. Auch über das halbe Jahr, über das Henrik gerne Bescheid wüsste, und über das Norman endlich reden wollte. Auch Henrik, der in diesem Moment aufsah, entging nicht der sich rapide wandelnde Gesichtsausdruck seines Bruders. Er setzte sich alarmiert auf und hätte wohl den Zug verlassen, wenn der sich nicht ausgerechnet in diesem Augenblick in Bewegung gesetzt hätte. Henrik setzte sich auf den freien Platz gegenüber, damit er Norman länger im Blick hatte, während der Zug langsam aus dem Bahnhof rollte und sich der Abstand zwischen ihnen unweigerlich zu vergrößern begann. Er hielt sich die Hand mit abgespreiztem Daumen und kleinem Finger wie einen Telefonhörer ans Ohr. Es wirkte wie eine Mahnung. Norman lächelte etwas gequält. Er zwang sich, eine seiner eiskalten Hände hochzuheben und zu winken. Zu spät, dachte Norman resigniert, während er kaum noch Henriks Gesicht in dem immer kleiner werdenden Zugfenster erkennen konnte. Was soll's, sein Handy war vermutlich sowieso leer. Und das fehlte noch, dass sich sein kleiner Bruder um ihn kümmern musste. Das wäre dann die Krönung dieses ganzen Theaters... Als der Zug um die letzte sichtbare Biegung fuhr und endgültig aus Normans Blickfeld verschwand, setzte der sich in Bewegung. Henriks Augen brannten, so lange hatte er den sich verkleinernden Punkt, der sein Bruder war, im Blick behalten. Irgendetwas war mit Norman los. Er hatte auf einmal ausgesehen, als wäre er am liebsten mitgefahren. Henrik sah auf sein Handy hinab und wartete darauf, dass ein Anruf einging. Von Norman. Wem sonst?! "Wartest du schon lange?" "Schon Okay." Denny ließ sich auf den Beifahrersitz fallen und erwiderte Normans Kuss. "Ich kenne ja den Grund." Seine Hand strich sachte über Normans Wange, der ihn zerknirscht ansah. "War es schlimm?" Norman zuckte leicht mit den Schultern und seufzte. "Eigentlich nicht. Ich schätze, er ist jetzt wirklich auf dem Weg zum normalen Menschen..." Denny lachte. "Hier, das soll ich dir geben." Denny nahm den Zettel entgegen, den Norman ihm in die Hand drückte, und faltete ihn auseinander. Henrik stand dort in Normans Handschrift notiert und dahinter eine Telefonnummer. Ein leichtes Lächeln huschte über Dennys Gesicht. Er nahm sein Handy und speicherte Henriks Nummer. "Das war die einzige Bedingung, damit er fährt." Norman ließ das Auto an und fädelte sich in den Verkehr ein. "Hast du es eilig?" "Nein, heute nicht." Denny wartete, bis die Nachricht als 'empfangen' gekennzeichnet wurde. Er hob den Blick und ließ ihn nachdenklich über die Menschen, Maschinen und Häuser gleiten, die draußen vorüberzogen. Die hatten es eilig. Er nicht. Er hatte alle Zeit der Welt. Von jetzt an bestimmte er seine Zeit alleine und nichts und niemand konnte daran etwas ändern. "Hunger?" Normans Frage ließ Denny wie aus einem Traum erwachen. Und genau wie nach einem Traum, musste er sich kurz orientieren. "Nein, nein danke. Oder, doch." "Denny?" Die Frage kam zögernd, unsicher. "Ja?" Kontrollierend sah Norman sah seinen Nebenmann von oben bis unten an. "Einen Moment dachte ich, Henrik sitzt wieder hier neben mir." Er lachte über Denny, der zuerst irritiert dreingesehen hatte und nach dem letzten Satz, die Augen verdrehte. "Du hast jeden Wurm und jeden Käfer, den er dir früher ins Bett gelegt hat, verdient", entgegnete Denny tadelnd und versuchte gleichzeitig, sich das Lachen zu verkneifen. "Jeden einzelnen davon..." Norman lachte nur noch lauter. Norman hatte Mühe, mit Denny Schritt zu halten, der die Treppe des Mehrfamilienhauses hinauf eilte und dabei immer zwei Stufen auf einmal nahm. Irgendwie schaffte er es die letzte Zeit, ständig zu spät zu kommen. Zuerst zum Bahnhof, dann zu Denny und jetzt hier. Mit dem Unterschied, dass sie hier richtig spät waren. Einen halben Tag, um genau zu sein. Es war kurz vor Mitternacht. Laute Musik dröhnte durch das Treppenhaus zu ihnen hinab. Der Lärm aus Musik und lachenden Menschen wurde immer wieder mal kurz lauter, wenn die Tür zur Dachterrasse geöffnet wurde. "René sitzt wegen euch schon auf glühenden Kohlen", rief eine junge Frau ihnen zu, die ihnen von oben entgegen kam. Sie hielt kurz an, um Denny und Norman zu begrüßen. "Leo ist auch schon da." "Hallo, Marie." Denny erwiderte die Umarmung. "Der sitzt vermutlich nicht wie auf glühenden Kohlen, oder?!" "Du kennst ihn ja." Marie zuckte kurz mit den Schultern und versuchte ein Lächeln. Sie gab Denny einen schnellen Kuss auf die Wange und machte sich wieder auf den Weg die Treppe hinab. "Wir sehen uns!" Dennys Blicke streiften Norman, der die Szene stumm beobachtet hatte. "Wie sie so schön sagte: ich kenne ihn ja." Denny beugte sich etwas zu Norman hinab, der eine Stufe tiefer stand als er. Sein Mund strich sachte über Normans Lippen, die sich unter der Berührung langsam zu einem verhaltenen Lächeln bogen. Norman seufzte leise. Er sah an Denny vorbei nach oben. Noch zwei Etagen. "Komm schon", Denny nahm Normans freie Hand in seine und drückte dessen kalte Finger, "es wird nur halb so schlimm. Wir sagen nur schnell Hallo und Auf Wiedersehen und das war's." Norman lächelte schief. "Klar", murmelte er leise. "Das Beste kommt zum Schluss!", empfing sie ein breit grinsender junger Mann, der im gleichen Atemzug Norman die Flasche aus der Hand riss. "Vorsichtig", protestierte Norman atemlos. "Das Teil hat gerade einen Marathon von sieben Etagen hinter sich." "Ja, ja, und drei Etagen mehr und ihr wärt zu spät gekommen." René machte sich daran, die Folie um den Verschluss der Sektflasche zu entfernen. "Warum seid ihr so spät? Es ist zwanzig vor Zwölf!" "Als ob du nächstes Jahr nicht auch noch Geburtstag hättest...", wandte Denny schmunzelnd ein. "Ach ja, stimmt ja. Alles Gute." Norman musste über Renés geschocktes Gesicht lachen. "Jetzt doch noch nicht, bist du verrückt? Das bringt Unglück!" Der Korken aus der Flasche in Renés Händen löste sich mit einem laute Plopp und eine Fontäne Sektschaum schoss in die Höhe. "Bedient euch. Ihr wisst ja, wo alles ist." "Ich werde mal schauen, was ich finde", witzelte Denny und ließ Norman und René stehen. Leo lächelte den jungen Mann vor sich an. "Kann man dich irgendwie erreichen?" "Tag und Nacht", war die knappe Antwort. "Nur wenn du nichts dagegen hast, die Nummer Zwei zu sein." Der junge Mann neigte sein Gesicht bis zu Leos Ohr hinab. "Hier, damit du nachher was zum Anstoßen hast." Mit tauben Fingern nahm Norman den Plastikbecher, den ihm René in die Hand drückte. Atemlos sah er, wie Leo, der sich mit jemandem unterhielt, den er noch nie gesehen hatte, aufstand und mit eben diesem wegging. "Bist du eingeschlafen?" Der leichte Schlag gegen seine Schulter ließ Norman das erste Mal wieder Atem holen. Sein Mund war völlig ausgetrocknet. "Wo ist Denny?", fragte er mit rauer Stimme. René sah Norman irritiert an. "Keine Ahnung. Warum?" "Nur so." Norman hob den Becher an die Lippen und trank ihn leer. "So ist es brav", kommentierte René den leeren Becher, während er nachfüllte. "Da ist ja mein Nummer Eins-Mann!" Leo legte seinen Arm um Dennys Schultern, der ihnen gerade über den Weg lief. "Wo warst du denn so lange? Ich bin schon seit zwei Stunden hier und langweile mich zu Tode." "Kann ich mir nicht vorstellen", entgegnete Denny leicht lächelnd, während er dem jungen Mann an Leos Seite zunickte. "Ich bin Denny", stellte er sich ihm vor, "vielleicht sehen wir uns ja später noch." "Wieso denn später?" Leo blinzelte unschuldig. "Wir wollten gerade gehen." "Da hätte ich ja beinahe das Beste verpasst", witzelte Denny. "Aber ganz knapp. Moment", Leo nahm seinen Arm von Dennys Schultern. Er griff in seine Gesäßtasche und holte ein Smartphone hervor, das er seinem Begleiter in die Hand drückte. "Hier, Großer, speicher dich mal unter Nummer Zwei-Mann, für den Fall, das Nummer Eins andere Pläne hat. Ich habe noch Verpflichtungen, wenn du verstehst..." Der Fremde neben Leo grinste und fing an, seine Nummer einzutippen. Leo legte wieder seinen Arm um Dennys Schultern. "Und jetzt? Was tun wir, bevor uns René wieder mit seinem Geburtstag auf die Nerven geht?" "Ich habe leider keine Zeit", lehnte Denny betont freundlich ab. "Keine Zeit? Für mich?" Verblüfft nahm Leo den hastigen Kuss entgegen, den ihm Denny gab. "Wo willst du denn hin?" "Ich habe auch Verpflichtungen, wenn du verstehst", antwortete Denny gelassen und winkte Leo im Weggehen knapp zu. "Ist das zu fassen?" Leo lachte und sah Denny nach, wie der zu René hinüber schlenderte. Oder wohl eher zu dem Typen neben René, der schon die ganze Zeit zu ihnen hinübergesehen hatte, und dessen dunkle Augen etwas von ihrer Traurigkeit verloren, als Denny sich ihm näherte. Hübsches Kerlchen, dachte Leo amüsiert. Ein bisschen mager. Den musste man wohl noch etwas füttern, damit er nicht in der Mitte auseinander brach. Vielleicht ja eine potentielle Nummer Drei? Denny und der Dünne verschwanden in der Menge, ohne dass sich Denny noch einmal zu Leo umgedreht hätte. "Ich würde sagen, du hast heute den Jackpot gewonnen, Großer", wandte sich Leo an seinen neuen Bekannten. "Ich bin ein echter Glückspilz", lachte der. "Dann warte mal ab, es wird noch besser." Unsicher sah Norman Denny entgegen, der lächelnd auf ihn zu kam, seine Hand nahm und ihn ohne anzuhalten mit sich zog. "Wer ist der Typ da bei Denny?" René drückte Leo einen Plastikbecher in die Hand. "Welcher Typ?" Die Zigarette in Renés Mundwinkel tanzte auf und ab, als er sprach. "Na der, der die ganze Zeit bei dir stand." Leo trank einen Schluck aus dem Becher. "Seit wann hast du so guten Sekt?" "Den hat Norman mitgebracht", antwortete René und goss den Rest aus der Flasche in Leos Becher. "Norman?" Ungeduldig sah Leo an René vorbei. Mist, jetzt hatte er sie aus den Augen verloren. "Ja, Norman, der, mit dem Denny gerade weg ist", René sah auf seine Uhr hinab. "Wo sind sie hin? In sechs Minuten bin ich ein Jahr älter." Leo ließ seine Blicke über die Tanzenden und Feiernden gleiten. Irgendwo dazwischen mussten Denny und Norman wieder auftauchen. "Siehst du, ich habe es dir doch gesagt, wir sagen Hallo und Auf Wiedersehen und dann gehen wir." Norman erwiderte Dennys Lächeln. Die ganze Zeit, während Denny bei Leo gestanden hatte, hatte er sich Mühe geben müssen, seinen panisch rasenden Puls einigermaßen zu beruhigen. Er hatte sich erst wieder normalisiert, als er Dennys Hand in seiner gespürt hatte. Und seitdem waren sämtliche Zweifel wie weggefegt. In Dennys Augen hatte eine Ruhe gelegen, die Norman nur von den Momenten kannte, in denen sie alleine waren, und eben diese Ruhe übertrug sich nun auch auf Norman. Norman legte seinen Arm um Dennys Taille und folgte ihm zum Rand des Daches. Hinter ihnen rief René irgendwas wegen Mitternacht, aber Norman hört nur das, was Denny zu ihm sagte. "Ich liebe dich." Norman legte beide Arme um Dennys Taille und neigte den Kopf zu diesem hinab. Dennys Kuss war wie Balsam und seine Hände in Normans Nacken waren der Halt, den Norman 23 Jahre vermisst hatte. Im Haus gegenüber ging ein Licht an. Ein Schemen lief an dem beleuchteten Fenster vorbei, ehe das Licht wieder erlosch. Hinter ihnen zählte René seinen dämlichen Geburtstags-Countdown, während die warme Sommerluft über ihre Gesichter strich und nach blühenden Bäumen und dem baldigen Regen roch, der noch weit hinter ihnen am Horizont hing. Norman sah in Dennys Augen, die genau das widerspiegelten, was Norman fühlte. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, Henriks Fragen zu beantworten. "Ich liebe dich auch", sagte Norman und verstärkte seinen Griff um Dennys Taille. Denny schloss die Augen. Er lächelte und in dem Moment, in dem Normans Lippen seine berührten, kippte er nach hinten weg und Norman mit ihm mit. Die Lichter der Häuser gegenüber wurden zu langen glühenden Schlieren, während sie fielen. Der scharfe Luftzug trieb Norman die Tränen in die Augen, doch er hielt sie tapfer offen und auf Denny gerichtet. Sein Herz hämmerte wie verrückt gegen seine Brust und Normans Finger verkrampften sich im Stoff von Dennys T-Shirt. Er würde ihn nicht loslassen. Keinen Millimeter würden seine Finger freigeben. Keinen einzigen. Und dann, kurz vor der Erde, auf die sie beide zurasten und taumelten wie zwei Papierflieger, die in einen Orkan geraten waren, da öffnete Denny die Augen und blickte Norman an und für den Bruchteil dieses Augenblicks war Norman erleichtert. * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)