Fünf Jahre von Juju ((K)eine Freundschaft für immer) ================================================================================ Kapitel 47: Hochzeitsbrunch --------------------------- „Scheiße!“, fluchte Sora leise, als sie am nächsten Morgen nackt neben Matt aufwachte. Was hatte sie sich denn bloß dabei gedacht? Ja, sie hatten beide Alkohol getrunken, aber das war keine Entschuldigung. Jetzt hatte sie nicht nur ihren Freund betrogen, sondern auch mit ihrem Ex geschlafen, der anscheinend noch Gefühle für sie hatte. Und was hatte sie für Gefühle? Sie liebte Fabio, das wusste sie. Aber was war mit Matt? Sie beobachtete ihn beim Schlafen. Er lag auf der Seite, sein blondes Haar verdeckte teilweise seine geschlossenen Augen. Sie legte den Kopf schief und betrachtete das Tattoo, das seinen kompletten rechten Oberarm bedeckte. Es war ihr in der Nacht schon aufgefallen, doch zu diesem Zeitpunkt hatte sie dem keine besondere Beachtung geschenkt. Nun stellte sie fest, dass es ein wirres Gebilde war, das sich aus vielen einzelnen Motiven zusammensetzte. Sie konnte eine Gitarre und Noten erkennen, einen Totenschädel, Flammen, so etwas wie Dornenranken und einen Papierflieger mit dem Schriftzug „always on my mind“, eindeutig seine Handschrift. Sora schlug sich eine Hand vor den Mund. Sie wusste sofort, was es bedeutete. Damals, wenige Monate vor ihrer Trennung, hatte er ihr genau diesen Papierflieger während einer langweiligen Unterrichtsstunde gebastelt und ihr quer durch den Raum zugeworfen. Er war genau auf ihrem Tisch gelandet. Der Schriftzug war eine Stelle aus einem Lied, das er für sie geschrieben hatte. Sie wusste, dass er die Aktion mit dem Papierflieger nur zum Spaß gemacht hatte, doch sie hatte es unglaublich romantisch gefunden. Das Original bewahrte sie noch immer in ihrer Schreibtischschublade in Mailand auf. Dass nun genau dieser Papierflieger auf seinem Arm verewigt war, konnte eigentlich kaum falsch gedeutet werden. Was hatte sie nur getan? So leise sie konnte kletterte sie aus dem Bett und schlich zu ihrem Morgenmantel, der genau dort lag, wo sie ihn in der Nacht fallen gelassen hatte. Sie schlüpfte hinein und zog das Band fest zu. Vielleicht konnte er sich ja nicht mehr an die Nacht erinnern. Yolei würde vielleicht blöd gucken, wenn sie sich jetzt auf einmal in ihr gemeinsames Zimmer schlich. „Sora?“ Wie angewurzelt blieb sie auf dem Weg zur Tür stehen, drehte sich aber nicht um. Es vergingen einige unendliche Sekunden, dann hörte sie ihn leise seufzen. „Schon okay.“ Nun drehte sie sich doch um und warf ihm einen hilflosen Blick zu. „Matt, hör mal, das mit heute Nacht, das war...“ „Geh einfach“, unterbrach er sie und wandte den Blick ab. Er hatte sich aufgesetzt und starrte nun die Bettdecke an. „Es tut mir...“ „Ich will's nicht hören.“ Für einige Sekunden stand sie wie ein begossener Pudel dort mitten im Raum und wusste nicht, was sie sagen sollte. Seine Stimme klang ruhig, doch das hatte er schon immer gut gekonnt. Sie konnte sich nur ungefähr vorstellen, wie es in seinem Inneren aussah. Mit Tränen in den Augen verließ sie das Zimmer. _ „Ich kann nicht mit zum Brunchen kommen.“ „Du kommst mit!“ „Mimi, ich kann mich nicht mal bewegen.“ „Komm schon! Wer trinken kann, der kann am nächsten Tag auch brunchen.“ „Was ist das denn für 'ne Logik?“ „Hör auf zu diskutieren und steh endlich auf!“ Sie bewarf ihn mit einem Kissen, woraufhin er gequält stöhnte und sich noch ein wenig mehr zusammenrollte. Sein Kopf schmerzte und er hatte sich in den wenigen Stunden, die er jetzt in der Hochzeitssuite verbracht hatte, schon drei Mal übergeben. Wenn er nur daran dachte, gleich etwas essen zu müssen, drehte sich ihm der Magen um. Mimi hatte jedoch wenig Mitleid. Sie war vor über einer Stunde aufgestanden und duschen gegangen. Nun stand sie wieder in normalen Klamotten, ungeschminkt und mit noch feuchten Haaren vor ihm und musterte ihn mit strengem Blick. Der Zauber des gestrigen Tages war erloschen. „Tai, wir haben nur einmal in unserem Leben die Chance auf einen Hochzeitsbrunch. Die werde ich mir nicht entgehen lassen und du ebensowenig!“, sagte sie drohend. „Boah, nerv nicht, Tachikawa“, grummelte Tai und schloss die Augen. „Yagami, wenn ich bitten darf“, korrigierte sie ihn sofort. Er öffnete die Augen, sah sie an, so gut er eben konnte, und brachte ein schiefes Lächeln zustande. „Der Nachname macht dich leider nicht weniger nervig.“ Mimi verengte die Augen zu Schlitzen und setzte sich direkt vor ihn auf den Boden. „Ich glaube, ich werde zum Frühstück ein wenig Fisch essen. Mit Mayonnaise. Vielleicht schmiere ich mir noch eine Schicht Nutella oben drauf. Oh, und auf Spiegeleier hätte ich irgendwie auch Lust. Ich mag es, wenn das Eigelb noch ganz weich ist und verläuft, wenn man die dünne Haut mit der Gabel anpikst. Und auf das Spiegelei werde ich ein wenig Zucker streuen und...“ Tai unterbrach sie mit einem angewiderten Laut und hielt sich die Ohren zu. „Hör auf! Das ist selbst für eine Schwangere abgedreht. Ganz zu schweigen von jemandem mit Kater.“ „Und den Fisch mit der Mayonnaise und der Nutella werde ich dann in das Zuckerspiegelei einwickeln und das ganze als Wrap essen! Und bevor ich rein beiße, werde ich es noch in eine Mischung aus Ketchup, Wasabi, Öl und Leberpastete dippen!“ Tai konnte sich nur noch eine Hand vor den Mund halten, aufspringen und ins Badezimmer flüchten. _ Der Brunch fand im Festsaal statt, jedoch war die Sitzordnung aufgelöst und die Tische umgestellt worden, da nicht mehr alle Gäste anwesend waren. Kari war als eine der Ersten erschienen. Sie hatte ohnehin kaum schlafen können, da T.K. wieder einmal ihre Gedanken eingenommen hatte. Auch er war zeitig zum Brunch erschienen. Nun saßen sie nebeneinander, aßen und unterhielten sich mit den Gästen, die noch anwesend waren, als Tai und Mimi den Saal als Letzte betraten. Alle wandten die Blicke zu den beiden um und applaudierten, dass sie es endlich geschafft hatten, zu erscheinen. Tai sah aus wie der Tod persönlich. Er war blass, seine Augen waren vom Schlaf verquollen und seiner Körperhaltung nach zu urteilen schlief er innerlich noch. Er verzog das Gesicht, als er sich ohne Essen an den Tisch setzte und nach einem Glas Wasser griff. Mimi warf ihm nur gelegentlich einen bösen Blick zu. „Was ist denn mit dem passiert?“, fragte Yolei, die an Karis anderer Seite saß, und ihr intensives Gespräch mit Masaru für einen Moment unterbrochen hatte. „Ich glaube, er ist einfach nur verkatert“, antwortete T.K., der Tai belustigt musterte. „Jap“, stimmte Kari ihm zu. „Kein Wunder nach allem, was wir gestern sehen mussten“, mischte Matt, der an T.K.s anderer Seite saß, sich nun grinsend in das Gespräch ein. Kari hob die Augenbrauen und nickte. Tai war in der Nacht noch wie ein Wilder über die Tanzfläche gesprungen, hatte einen kleinen Striptease hingelegt und seine Krawatte am Ende um den Kopf getragen. Kari konnte es kaum erwarten, die Fotos der Hochzeit zu bewundern. Als sie Matt ansah, fiel ihr ein, dass sie und T.K. ihn und Sora zusammen im Park gesehen hatten, wo sie anscheinend für eine ganze Weile geblieben waren. Und auch, nachdem sie wieder zurück im Festsaal waren, hatten sie aneinander geklebt wie Kaugummi. Jetzt jedoch saßen sie an verschiedenen Enden des Tisches und Kari hatte Sora schon ein paar Mal dabei erwischt, wie sie Matt heimliche Blicke zugeworfen hatte. Dieser jedoch sah nicht in ihre Richtung. Yolei hingegen schien es irgendwie geschafft zu haben, Masaru für sich zu begeistern. Schon in der Nacht hatte sie die beiden zusammensitzen und reden sehen und auch jetzt unterhielten sie sich die ganze Zeit, wobei jedoch Yolei eindeutig den größeren Teil zum Gespräch beitrug. Kari war gespannt, was sich da noch entwickeln würde. Matt schob seinen Stuhl zurück und stand auf. „Ich muss jetzt los. Habe nachher mit der Band noch einen Pressetermin“, sagte er an Tai und Mimi gewandt. „Ich bringe dich noch raus. Tai ist ja nicht in der Lage, sich überhaupt zu bewegen“, verkündete Mimi spitz in Tais Richtung und stand ebenfalls auf. Matt verabschiedete sich von den anderen Gästen, die seinen Gruß im Chor murmelnd erwiderten, und machte sich mit Mimi auf den Weg nach draußen. Plötzlich sprang Sora auf. „Ich muss auch los. Muss noch packen. Für morgen und so.“ Sie eilte Matt und Mimi hinterher und Kari blickte ihr verwundert nach. _ „Oh, du gehst auch schon?“, fragte Mimi und sah Sora aus großen Augen an. Zu dritt standen sie draußen vor dem Hotel. „Ja, ich muss“, erwiderte Sora. „Ich kann heute Abend noch mal bei euch vorbeikommen, wenn du möchtest.“ „Das wäre schön.“ „Tja, also, ich hab's eilig. Mach's gut, Mimi. Erholt euch gut von gestern“, sagte Matt und schloss Mimi in die Arme. „Sieh zu, dass Tai wieder ein Mensch wird.“ „Das werde ich“, antwortete Mimi mit einem Unterton in der Stimme, der Sora einen schwierigen Tag für Tai vermuten ließ. Matt drehte sich um und ging. „Also dann bis heute Abend“, sagte Sora hastig und umarmte Mimi ebenfalls. „Mach's gut.“ Und schon eilte sie Matt hinterher. Sie musste einfach mit ihm reden, auch wenn Mimi sie heute Abend garantiert auf ihr seltsames Verhalten ansprechen würde. „Matt, warte mal“, rief sie und brachte ihn dazu, stehen zu bleiben. Er hielt tatsächlich an und sah sie ausdruckslos an. „Was denn?“ „Können wir nicht darüber reden?“, fragte Sora eindringlich. „Worüber?“ „Du weißt schon. Heute Nacht.“ Er zuckte mit den Schultern. „Fang an.“ Sora kratzte sich unschlüssig im Nacken. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich wollte dich nicht verletzen. Es war nur so, dass gestern Abend... ich weiß auch nicht, es war so schön mit dir.“ Sie sah ihm in die Augen, doch er erwiderte nichts, sondern sah sie nur abwartend an. Nach ein paar Sekunden redete sie schließlich weiter. „Ich schätze, es sind ein paar alte... Erinnerungen hoch gekommen, die mich überwältigt haben. Du bedeutest mir sehr viel, weißt du?“ „Anscheinend nicht genug“, entgegnete er kühl, sodass Sora unwillkürlich eine unangenehme Gänsehaut bekam. „Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Ich hätte nicht bei dir auftauchen sollen, das weiß ich. Ich meine, ich bin vergeben und ich hatte eigentlich vor, für immer mit Fabio zusammen zu bleiben, aber...“ „Schon gut, daran brauchst du nichts ändern“, unterbrach Matt sie. „Von mir wird er nichts erfahren.“ Er drehte sich um und ging weiter, doch sie lief ihm nach und stellte sich ihm in den Weg. „Aber anscheinend ist das nicht die richtige Lösung, wenn ich mir überlege, was letzte Nacht passiert ist“, beendete sie ihren Satz. Er hob die Augenbrauen. „Und was soll das heißen?“ Sie druckste herum, trat von einem Fuß auf den anderen und spielte mit ihren Fingern. „Ich wollte nur, dass du weißt, dass das nicht bedeutungslos war, okay?“ Er seufzte leise, schüttelte den Kopf und wandte den Blick von ihr ab. „Klar.“ Er wollte an ihr vorbeigehen, doch wieder stellte sie sich ihm in den Weg. „Ich sehe doch, dass es nicht okay für dich ist“, sagte sie und suchte seinen Blick. Er stöhnte genervt auf und fuhr sich durch die Haare. „Mein Gott, was willst du jetzt von mir hören? Was?“, fuhr er sie an, sodass sie zusammenzuckte. „'Klar, kein Problem. Ich halte gern für die Befriedigung deiner nächtlichen Gelüste her, solange du nicht zu deinem Macker kannst. Das machen alle Kerle für ihre Ex-Freundin, wenn sie noch verdammte Gefühle für sie haben.' Gefällt dir das besser?“ Sie starrten sich gegenseitig in die Augen und Sora schluckte hart. „Gefühle?“ „Ja, verdammt nochmal! Ich liebe dich, verstehst du das? Ich habe nie damit aufgehört! Ich vermisse dich jeden Tag so sehr, dass es weh tut! Wann immer ich ein Lied schreibe, denke ich dabei an dich! Deswegen kann ich auch schlecht nein sagen, wenn du mitten in der Nacht splitternackt in meinem Zimmer aufkreuzt!“ Sprachlos starrte sie ihn an und er starrte noch ein paar Sekunden zurück, bevor er an ihr vorbeiging. Diesmal hielt sie ihn nicht auf. _ Der Brunch war durchaus ein würdiger Abschluss für eine gelungene Hochzeit, auch wenn Tai zwischendurch ab und an eilig den Saal verlassen musste. Allgemein herrschte jedoch gute Stimmung und das Essen schmeckte allen. Anschließend machten sich alle nach und nach auf den Weg nach Hause. Schließlich hatte sich auch der harte Kern, alle der Freunde bis auf Matt und Sora, und die Eltern des Brautpaares draußen versammelt. Tai und Mimi verabschiedeten sich und machten sich auf den Weg in ihre gemeinsame Wohnung. Sie würden noch den Tag damit verbringen, all die Geschenke, mit denen sie überhäuft wurden, vom Festsaal zur Wohnung zu transportieren und sie dort unterzubringen. Mimis Eltern begleiteten sie. Der Rest verabschiedete sich nun voneinander und alle überlegten, wann sie sich das nächste Mal sehen würden. „Wir sehen uns morgen“, verabschiedete Kari sich von Davis und Ken und ging weiter zu Yolei. „Und wir?“ „Ich weiß nicht, aber wir müssen uns unbedingt öfter treffen. Du fehlst mir, Kari.“ „Du mir auch.“ Sie umarmten sich und Kari nahm sich vor, tatsächlich öfter mit Yolei Kontakt aufzunehmen. Sie verabschiedete sich auch von Joe und seiner Freundin, Izzy und Cody. Dann gesellte sie sich wieder zu T.K. „Hach, du wirst mir so fehlen. Wir sehen uns erst morgen wieder“, sagte sie gespielt dramatisch und warf ihm einen übertrieben traurigen Blick zu. „Was soll ich nur so lang ohne dich machen?“, ging er auf sie ein. „Aber mal im Ernst: Hast du heute Abend schon was vor?“ Überrascht hob Kari die Augenbrauen. „Nein, wieso?“ Er zuckte mit den Schultern. „Wir könnten uns treffen und du kannst meine Langeweile vertrieben.“ „Okay, klar. Gern.“ Sie lächelte. „Und wo treffen wir uns?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)