Fünf Jahre von Juju ((K)eine Freundschaft für immer) ================================================================================ Kapitel 50: Jungenprobleme -------------------------- „Mann, Kari, was hast du mit Ken gemacht?“, fragte Nana vorwurfsvoll am nächsten Morgen in der Schule. „Er ist echt komisch drauf heute. Irgendwie abweisend.“ „Er weiß das mit Davis“, murmelte Kari. Sie und Nana saßen vor der ersten Stunde zusammen und werteten den gestrigen Tag und den Morgen aus. „Was?“ Verwundert sah Nana sie an. „Davon hat er mir gar nichts gesagt.“ „Naja, ich habe ihm gestern gesagt, dass du es auch weißt“, gestand Kari. „Oh, achso.“ Nana verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Ist er sauer deswegen?“ „Auf mich, ja, weil ich es dir erzählt habe, aber nicht ihm“, seufzte Kari und ließ den Kopf hängen. „Ich muss mich echt bei ihm entschuldigen.“ „Wieso hast du ihm das überhaupt gesteckt? Wir hätten uns doch einen schönen Plan ausdenken können und Ken hätte nie herausgefunden, dass wir es wissen“, erwiderte Nana und schüttelte den Kopf. „Aber was für einen Plan hättest du dir denn ausgedacht?“, fragte Kari und sah sie schief an. „Ich meine, es ist wirklich eine schwierige Situation. Würdest du dich denn von Ken trennen, damit die Freundschaft zwischen ihnen nicht kaputt geht?“ Zu Karis Überraschung legte Nana den Kopf schief und schien nachzudenken. Eigentlich hatte sie erwartet, dass Nana sofort „nein“ sagen würde. „Ehrlich gesagt weiß ich es nicht“, antwortete sie. „Ich meine, ich hätte natürlich erst mal auf anderen Wegen versucht, die beiden wieder einander näher zu bringen, aber wenn alles nichts gebracht hätte... vielleicht würde ich mich von ihm trennen.“ Verdutzt sah Kari sie an. „Ich meine, ich will nicht schuld sein, dass ihre Freundschaft zerbricht, verstehst du? Ich liebe Ken wirklich. Er ist so süß, sieht so gut aus, ist so schlau. Aber ich weiß, wie unglücklich ihn diese Sache mit Davis macht und wie schlimm es für ihn wäre, wenn diese Freundschaft ganz vorbei wäre“, erklärte sie und wandte den Blick aus dem Fenster. „Ich würde einfach nicht der Grund dafür sein wollen.“ Das Läuten der Schulglocke ließ Kari sich nach vorn drehen, wo Herr Kugo gerade erschien und mit dem Unterricht begann. In der nächstbesten Pause eilte Kari Ken hinterher. Sie musste einfach mit ihm reden. Sie holte ihn ein und lief stumm neben ihm her auf den Schulhof inmitten der Menge fröhlich schnatternder Schüler. „Ken?“, fing sie vorsichtig das Gespräch an und sah ihn an. „Ja?“, erwiderte er. Sie blieben an einer Stelle stehen, an der sich nicht viele Schüler befanden, um ein wenig Ruhe zu haben. „Es tut mir echt Leid, dass ich dir nichts gesagt habe“, sagte sie nun mit reuevoll gesenktem Kopf. „Ich wollte die ganze Sache wirklich nicht noch komplizierter machen, als sie sowieso schon ist.“ „Schon gut“, erwiderte Ken und als Kari den Kopf hob, sah sie ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen. „Mir tut es Leid, dass ich gestern einfach so abgehauen bin.“ „Nein, nein, du hattest allen Grund dazu“, widersprach Kari und hob die Hände. „Das war schon richtig so.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich werde auch noch mit Davis reden und ihm sagen, dass ich sein Geheimnis ausgeplaudert habe“, meinte Kari nun demütig. „Hinterher wird er mich wahrscheinlich hassen.“ Ken nickte langsam. „Wahrscheinlich schon, aber trotzdem wird er mit dir eher wieder reden als mit mir.“ Mitleidig musterte sie Ken. Da hatte er wahrscheinlich Recht. Als sie ihn ansah, fiel ihr wieder ein, was Nana vor der ersten Stunde zu ihr gesagt hatte. Dass sie sich unter Umständen von Ken trennen würde, um nicht der Grund für die zerbrechende Freundschaft zwischen ihm und Davis zu sein. Aber würde das wirklich helfen? Sollte das etwa eine Lösung für dieses Problem sein? Es würde Nana definitiv unglücklich machen und Ken mit Sicherheit auch. Außerdem konnte es kein Dauerzustand sein, dass Ken Single blieb, nur um Davis nicht zu verletzen. Kari erschien diese Lösung wenig sinnvoll. Sie schüttelte leicht den Kopf. „Was hast du jetzt vor?“, fragte sie. Ken zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. So lange auf ihn einreden, bis er wieder mit mir spricht?“ Kari zog skeptisch die Augenbrauen zusammen. „Ja, ich weiß, das wird wahrscheinlich nicht klappen“, räumte Ken ein. „Vielleicht solltest du ihm einfach etwas Zeit geben, mit sich selbst ins Reine zu kommen. Ich bin sicher, er weiß auch nicht, was er machen soll. Vielleicht braucht er einfach nur ein wenig Zeit für sich und ist hinterher wieder normal“, überlegte Kari. „Normal?“ „Naja, ich meine, schwul, aber wieder der alte Davis.“ Ken seufzte. „Mir ist total egal, ob er hetero, homo oder sonstwas ist. Ich hätte einfach nur gern Davis zurück.“ Den ganzen Tag dachte Kari über Davis und Ken nach. Beim Training konnte sie sich kaum konzentrieren und machte ständig Fehler, weshalb Nobuko sie schließlich für eine kurze Pause in die Umkleide schickte. Sie verließ die Halle, setzte sich in der Umkleidekabine auf die Bank und stützte die Ellbogen auf den Knien ab. Wie sollte das nur alles weitergehen? Sie sehnte sich zu den sorglosen Tagen und Nächten zurück, die sie mit Davis und Ken verbracht hatte. Sie drei waren einfach Freunde gewesen, die über alles reden konnten und immer viel Spaß hatten. Verliebtheit war zwischen ihnen nie ein Problem gewesen. Kari interessierte sich für keinen der Jungs, genauso wie sich keiner der Jungs für sie interessierte. Es war fast wie eine Art stummes Abkommen gewesen, dass sie alle die Finger voneinander ließen. Nie hätte sie gedacht, dass es nun zwischen den Jungs zu einem solchen Streit kommen könnte. Wie sollte das gelöst werden? Und wie würde die Geschichte zwischen Ken und Nana ausgehen? Sollten sie sich tatsächlich trennen, um alles wieder ins Lot zu bringen? Sie seufzte, fuhr sich über das Haar und stand auf, um zurück in die Halle zu gehen. Die Jungs fegten über ihr Basketballfeld und Kari wünschte sich, bei ihnen mitmachen zu können. Momentan war ihr auch mehr nach rennen als nach tanzen zumute. Nach dem Training in der Umkleidekabine sprach Nana sie auf ihr Verhalten an. „Hast du irgendwelche Probleme mit Takeru oder denkst du immer noch über Ken und Davis nach?“ „Letzteres“, murmelte Kari. „Vielleicht solltest du dich einfach raushalten und den Dingen ihren Lauf lassen“, schlug Nana sachlich vor. „Aber ich bin ihre Freundin. Ich habe das Gefühl, ich sollte mich um sie kümmern“, erwiderte Kari nachdenklich, während sie aus ihrer Sportkleidung schlüpfte. „Kannst du ja auch“, sagte Nana. „Wenn sie das wollen.“ Fragend sah Kari sie an. „Naja, sie sind doch beide alt genug und werden sich schon melden, wenn sie Hilfe brauchen, meinst du nicht? Ich finde es keine so gute Idee, sich ihnen aufzudrängen, weil es eine Sache ist, die nur sie betrifft“, erklärte Nana schulterzuckend und zog sich ihre Schuluniform an. „Aber du wolltest sie doch auch wieder zusammenbringen“, entgegnete Kari verwirrt. „Ich habe meine Meinung eben geändert.“ Kari runzelte die Stirn und musterte Nana von der Seite. Sie fragte sich, was sie wohl gerade dachte. Plante sie womöglich schon eine Trennung? „Vielleicht solltest du mal mit Ken reden, jetzt, da er ja weiß, dass du es weißt“, schlug Kari vor. „Das werde ich wohl müssen“, murmelte Nana und erhob sich von der Bank. Auch Kari zog sich schnell die Schuhe an und stand dann ebenfalls auf. Langsam schlenderten sie über den Schulhof, jede in ihre eigenen Gedanken vertieft. Dann jedoch blieb Kari abrupt stehen. „Ach, Mist, mein Mathebuch ist noch im Schließfach. Warte nicht auf mich, wir sehen uns morgen, okay?“ Nana verdrehte die Augen. „Ich hatte schon fast wieder vergessen, dass wir noch Mathehausaufgaben aufhaben. Na dann mach's gut und viel Spaß.“ „Danke, ebenfalls“, grummelte Kari und eilte ins Schulgebäude. Es war leer und verlassen und leichter Geruch von Putzmittel lag in der Luft. Aus der oberen Etage hörte sie das Klappern eines Eimers und Wasserplätschern. Die Reinigungskräfte waren also schon zu Gange. Kari lief zu ihrem Spind, öffnete ihn und kramte darin herum, bis sie ihr Mathebuch fand. Sie schlug die Seite auf, die sie brauchte und überflog, was zu erledigen war. Eindeutig zu viel. Seufzend schlug sie die Tür ihres Spinds zu und erschrak fast zu Tode. T.K. hatte sich unbemerkt an sie herangeschlichen und erst jetzt bemerkte sie ihn, da die Tür ihn nicht mehr verdeckte. „Bist du wahnsinnig?“, krächzte sie und presste eine Hand auf ihren Brustkorb. „Mann, hab' ich mich erschrocken.“ „Sorry“, erwiderte er schief lächelnd. „War nicht meine Absicht.“ Kari stopfte ihr Mathebuch in ihre Schultasche. „Sag mal, spionierst du mir nach?“ „Möglich.“ Sie schulterte ihre Tasche, verschränkte die Arme vor der Brust und hob eine Augenbraue. „Du musst zugeben, es ist ein wenig unheimlich, Mädchen in einem leeren Schulgebäude aufzulauern.“ Er zuckte lässig mit den Schultern und lehnte sich gegen die Schließfächer. „Ich habe nie etwas anderes behauptet.“ Kari zog die Augenbrauen zusammen und musterte ihn. Sein Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. Ein wenig spöttisch. Machte er sich etwa über sie lustig? „Ich wollte dich eigentlich nur fragen, was Ken gestern mit dir gemacht hat, dass du den ganzen Tag ein Gesicht machst, als bräuchtest du bis morgen einen Plan gegen den Klimawandel“, erklärte er schließlich. „Ken? Ähm... nichts“, stotterte Kari. „Alles in Ordnung.“ Nun war es an T.K., einen skeptischen Gesichtsausdruck aufzulegen. „Klar.“ „Ich kann nicht drüber reden, okay?“, sagte Kari bedauernd. „Verstehe“, erwiderte er. „Ich hoffe nur, du machst dich nicht wegen irgendetwas fertig, das du entweder nicht ändern oder nicht allein schaffen kannst.“ Kari sah ihm in die Augen. Jetzt wirkte er ernst, von Spott keine Spur mehr. Machte er sich etwa Sorgen um sie? Sie räusperte sich und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Also... hast du heute noch was vor? Wir könnten... wir könnten noch ein bisschen am Projekt arbeiten. Und du könntest mir mit Mathe helfen. Falls du willst.“ Er öffnete den Mund, doch bevor er etwas sagen konnte, wurde er unterbrochen. „Takeru, kommst du? Ich bin soweit.“ Er drehte sich um und Kari spähte an ihm vorbei, nur um Aya im Flur zu entdecken, die Kari keinerlei Beachtung schenkte. Sie spürte einen Stich im Herzen. „Klar.“ Er wandte sich wieder an Kari. „Wir sehen uns.“ Der Anflug eines Lächelns, dann ging er zu Aya, um mit ihr gemeinsam das Schulgebäude zu verlassen. Kari blieb wie versteinert stehen und starrte ihm nach. Der Stich in ihrem Herzen hatte sich in einen kalten Klammergriff verwandelt, der es nach unten zu ziehen versuchte. Er traf sich also noch immer mit Aya? Nach allem, was zwischen ihm und Kari gewesen war? Und er sagte ihr noch nicht einmal etwas davon. Nicht einmal auf ihre Frage hatte er wirklich geantwortet, sondern war einfach mit einem dämlichen „Wir sehen uns“ verschwunden. Wir sehen uns. Karis Hände verkrampften sich, sie biss die Zähne zusammen, presste die Lippen aufeinander. Sie kam sich vor wie der letzte Trottel. Erst, als sie bemerkte, dass eine Putzfrau gerade die Treppe wischte und sie dabei argwöhnisch beobachtete, setzte sie sich endlich in Bewegung, um das nun auf einmal noch düsterere und einsamere Schulgebäude zu verlassen. Dieser Tag war einfach nicht ihr Tag. Schlecht gelaunt kam Kari zu Hause an und setzte sich an ihren Computer, um sich in ihren falschen Facebook-Account zu loggen. Vielleicht hatte ja schon jemand angebissen und sie konnte den Nachmittag damit verbringen, wie eine Zwölfjährige zu chatten. Nichts. Enttäuscht loggte sie sich in ihren normalen Account und überflog ihre Startseite. Mimi und Tai hatten ihren Beziehungsstatus von „vergeben“ zu „verheiratet“ geändert, was etwa hundert Leuten gefiel. Zudem hatte Mimi noch einige Hochzeitsbilder hochgeladen und dabei unter anderem auch Kari verlinkt. Neugierig klickte sie sich durch die Fotos und entdeckte ein paar, auf denen auch sie abgebildet war. Ein Foto zeigte zum Beispiel Mimi und ihre drei Brautjungfern und hatte die Beschreibung „die besten Brautjungfern überhaupt!“ bekommen. Auf einem anderen Foto waren Sora und Mimi zu sehen, wie sie sich in den Armen hielten und in die Kamera strahlten. Mimi hatte als Beschreibung lediglich ein Herz hinzugefügt und Sora hatte in den Kommentaren mit einem Herz geantwortet. Anscheinend war sie also heil wieder in Mailand angekommen, denn der Kommentar stammte von vor einer Stunde. Kari stöberte weiter und fand ein Foto von sich und T.K., wie sie am Tisch saßen und sich unterhielten. Sie sahen sich an, T.K. sagte etwas und Kari lächelte nur, den Kopf auf einer Hand abgestützt. Keiner von beiden schien mitbekommen zu haben, dass sie fotografiert worden waren, wodurch das Bild natürlich wirkte. Wären es zwei fremde Menschen, die Kari gerade anschaute, dann würde sie vermuten, dass es zwischen ihnen knisterte. Vielleicht war es die Art, wie sie sich ansahen, das Lächeln auf den Lippen des Mädchens, der schelmische Ausdruck in den Augen des Jungens. Aber das waren keine Fremden. Es handelte sich hier um sie selbst und den Jungen, der sie vor einer Stunde in der Schule hatte stehen lassen, um den Nachmittag mit einer anderen zu verbringen. Wieder spürte Kari den kalten Klammergriff um ihr Herz und klickte das Foto weg. Von der Party selbst hatte Mimi nur unverfängliche Fotos hochgeladen und dabei anscheinend darauf geachtet, dass niemand einen albernen Gesichtsausdruck machte, denn alle sahen unglaublich gut aus. Das Vibrieren ihres Handys lenkte sie vom Computer ab. Sie öffnete eine SMS, die sie soeben erreicht hatte. Ich hoffe, es ist alles okay. Sorry, dass ich dich vorhin so stehen gelassen habe. Kari verzog das Gesicht, nicht wissend, was sie davon halten sollte. Und sollte sie überhaupt etwas antworten? Sie entschied sich dagegen, warf ihr Handy auf ihr Bett und packte lustlos ihr Mathebuch aus. Wenn sie schon allein war und nichts zu tun hatte, konnte sie auch Hausaufgaben machen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)