Fünf Jahre von Juju ((K)eine Freundschaft für immer) ================================================================================ Kapitel 58: Post von der Juilliard ---------------------------------- Als Kari am nächsten Morgen aufwachte, huschten ihre Gedanken sofort zurück in die Nacht. Jetzt fühlte es sich an, als wäre es nur ein Traum gewesen. Wie eine verschwommene Erinnerung. Vielleicht hatte sie ja wirklich nur geträumt? Nein, sie war nackt. T.K. neben ihr war ebenfalls nackt, hatte ihr den Rücken zugedreht. Er schien noch zu schlafen. Das Wetter draußen war trüb, der Himmel grau und es nieselte. Genau das richtige Wetter, um den ganzen Tag im Bett zu bleiben und nichts zu machen. Kari kuschelte sich an T.K.s Rücken, küsste ihn auf das Schulterblatt und schloss die Augen. Es fühlte sich unbeschreiblich an, genau jetzt genau hier neben ihm zu liegen und einfach an nichts denken zu müssen. Sie schlief nicht noch einmal ein, rührte sich aber auch keinen Zentimeter von der Stellte. Ihre Stirn berührte seinen Rücken und sie sog seinen Duft ein. Sie hatte keine Ahnung, wie lang sie so dort gelegen hatte, doch irgendwann rührte sich T.K. und drehte sich zu ihr um, sodass sie die Augen öffnete. „Morgen“, murmelte er mit kratziger Stimme. Kari lächelte. „Hast du gut geschlafen?“ Er nickte. „Und du?“ „Mhm“, machte Kari. Es war das erste Mal, dass sie wieder miteinander geredet hatten. In der vergangenen Nacht hatten sie beide kein einziges Wort gesprochen, als hätten sie ein Abkommen getroffen. Doch es waren auch keine Worte nötig gewesen. „Wie geht’s dir? Ist alles okay?“ Sein Blick war ernst, sogar ein wenig besorgt. „Könnte nicht besser sein“, antwortete sie wahrheitsgemäß und lächelte. „Sicher?“ „Ganz sicher.“ In den nachfolgenden Wochen hatte Kari das Gefühl, ein perfektes Leben zu haben. Sie schwebte im siebten Himmel und verbrachte so viel Zeit mit T.K., wie nur irgendwie möglich war. Nana zog sie bereits damit auf, dass Kari nur noch von T.K. redete. T.K. hier, T.K. da. Doch Kari war das egal. Sie war einfach glücklich. Davis hatte zwei Wochen lang nicht mit ihr geredet, doch dann hatte er ihr schließlich doch verziehen. Er hatte verstanden, dass sie es nicht böse gemeint hatte und nur helfen wollte, auch wenn die Hilfe nichts genützt hatte. Er und Ken waren noch immer auf Abstand und redeten nicht miteinander. Auf das Plakat und ihren Vortrag dazu hatten T.K. und Kari die volle Punktzahl erhalten. Alle hatten interessiert zugehört und am Ende sogar tiefergehende Fragen über Akihito gestellt. Und zudem waren T.K. und Kari einfach das perfekte Team. Er hatte den größten Teil des Redens vor der Klasse übernommen, während sie mehr bei der Plakatgestaltung gearbeitet hatte. So konnten sie beide ihre Stärken nutzen und vereinen. Das Projekt hatte sich also als völliger Erfolg erwiesen. Nachdem sie ihren Vortrag beendet hatten und die Klasse applaudierte, hatten sie einen zufriedenen Blick miteinander getauscht. Inzwischen hatte in der Schule jeder mitbekommen, dass sie ein Paar waren. Auch Aya, mit der T.K. sich nachwievor hin und wieder traf, zu Karis Leidwesen. Jedes Mal, wenn sie wusste, dass die beiden zu zweit irgendwo unterwegs waren, wurde sie fast wahnsinnig. Sie konnte nicht sagen, warum es ihr schwer fiel, ihm zu vertrauen, dass zwischen Aya und ihm niemals mehr laufen würde. Wahrscheinlich, weil sie Aya kannte und sich vorstellen konnte, wozu diese in der Lage war. Und außerdem durfte sie ihm genau genommen keinen Vorwurf machen, da auch sie sich weiterhin mit Davis traf, was T.K. wiederum missfiel. Irgendwann würde sie ihm diese Situation erklären, damit er einsehen konnte, dass Eifersucht hier sinnlos und völlig fehl am Platz war. Hin und wieder verbrachte Kari außerdem an den Wochenenden Zeit bei Tai und Mimi, um ihnen mit allen möglichen Dingen zu helfen. Ende Oktober waren sie in eine Dreiraumwohnung umgezogen. Die Zimmer waren zwar alle nicht sonderlich groß, doch immerhin bekam der Kleine nun ein eigenes Zimmer. Und außerdem war der Weg von den Yagamis zu Tai und Mimi nun nicht mehr ganz so weit. Kari, Davis, T.K., Matt und beide Elternpaare hatten beim Umzug geholfen. Mimi war zu dieser Zeit bereits im achten Monat schwanger und durfte nicht allzu viel helfen, weshalb ihre Aufgabe darin bestanden hatte, Essen und Getränke für alle bereitzustellen und Anweisungen zu geben. Besonders Letzteres beherrschte sie sehr gut. In den Wochen danach half Kari immer wieder mal dabei, Sachen für das Baby auszusuchen, ein paar Möbel aufzubauen oder kam einfach nur zum Plaudern vorbei. Alles in allem war Kari also sehr zufrieden. Dann jedoch geschah etwas, was ihre Laune noch mehr steigern sollte. Es war Anfang Dezember und Kari kam gerade gemeinsam mit T.K. vom Tanztraining nach Hause, als Yuuko ihr schon entgegenlief. „Kari, du hast Post bekommen“, rief sie aufgeregt. „Hallo, T.K.“ Sie drückte Kari einen großen, braunen Umschlag in die Hand, den diese drehte, um den Absender lesen zu können. „Von der Juilliard!“ Ihr stockte der Atem. Ein großer Umschlag. Das konnte eigentlich nur eines bedeuten. „Mach' schon auf“, forderte Yuuko ungeduldig. Kari schlüpfte aus ihren Schuhen, hing ihre Jacke auf und ging ins Wohnzimmer, während sie den Umschlag öffnete. Mit zittrigen Fingern zog sie einen Bogen weißen Papieres heraus. Mitten im Wohnzimmer blieb sie stehen und starrte auf die Schrift. „Lies schon vor“, drängte Yuuko sie. Sie und T.K. sahen ihr von links und rechts über die Schulter. „'Sehr geehrte Hikari Yagami, wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass sie an der Juilliard School im Studiengang Tanz im ersten Bewerbungsverfahren angenommen sind. Weiterhin haben Sie sich für ein Stipendium in Höhe von 50.000 $ qualifiziert.'“ Den Rest des Briefes konnte sie nicht mehr laut lesen, da ihr Mund aufgeklappt war. Es wollte kein Ton mehr ihrer Kehle entweichen. Yuuko stieß einen Schrei aus und fiel ihr um den Hals. „Ich bin so stolz auf dich! Du hast es tatsächlich geschafft! Ich rufe gleich Papa an!“ Sie huschte davon auf der Suche nach ihrem Handy. Es dauerte einen Moment, bis Kari sich aus ihrer Starre lösen und zu T.K. umdrehen konnte, der sie breit angrinste. „Glückwunsch!“ Er drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Du hast es verdient. Ich wusste, dass du das schaffst.“ „Danke“, stammelte Kari und kippte den restlichen Inhalt des Umschlags auf den Tisch. Informationsbroschüren zum gelingenden Studienstart und einige Formulare zum Ausfüllen und Zurückschicken. „Ich kann's nicht glauben.“ Sie verbrachten den Nachmittag in Karis Zimmer auf dem Bett sitzend und sich die Broschüren ansehend. Eine davon war allein den Wohnheimen gewidmet, in welchen die Studenten untergebracht waren. Sie befanden sich auf dem Campus und sahen sauber und modern aus. Man konnte sogar wählen, ob man in einem Doppel- oder einem Einzelzimmer untergebracht werden wollte. Es gehörten auch Annehmlichkeiten wie Grillplätze, Waschkeller und Gemeinschaftsräume zum Wohnheim dazu. Auch drei Mahlzeiten am Tag waren für jeden Studenten vorgesehen. Eine andere Broschüre informierte über die Einführungskurse und den allgemeinen Semesterablauf. Ende August würde Kari ins Wohnheim einziehen, Anfang September würde das Semester beginnen. Alles fühlte sich an wie in einem Traum. Es war so unwirklich. In neun Monaten würde sie schon in New York wohnen und anfangen zu studieren. Sie würde in New York wohnen! New York! Mit einem Schwindelgefühl im Kopf fasste Kari sich an die Stirn. „Mann, das hört sich echt alles super an. Was ist denn? Geht's dir nicht gut?“ Fragend musterte T.K. sie. „Doch, ist nur alles gerade sehr viel auf einmal“, murmelte Kari mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen. „Ich kann mir das alles noch nicht vorstellen.“ „Naja, hast ja auch noch ein paar Monate Zeit, dich daran zu gewöhnen.“ „Das ist echt unglaublich“, nuschelte Kari mit einem Blick auf die Broschüren, die auf ihrem Bett ausgebreitet waren. „Ja, ist es wirklich“, stimmte T.K. ihr zu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)