Fünf Jahre von Juju ((K)eine Freundschaft für immer) ================================================================================ Kapitel 62: Retter in der Not ----------------------------- Was war in den letzten zwei Minuten nur passiert? Wie war es soweit gekommen, dass Kari erst einem gutaussehenden Fremden die Tür geöffnet hatte und sich jetzt in seiner Gewalt mit einer Waffe am Kopf wiederfand? Sie war starr vor Angst. Ihr ganzer Körper hatte sich versteift. Sie traute sich kaum zu atmen und konnte nur an die Pistole denken, die ihr gegen die Schläfe gepresst wurde. Was, wenn er jetzt abdrückte? Das konnte sie nicht überleben. Sie wäre wohl auf der Stelle tot. Kalter Schweiß auf ihrer Haut. Seine Hand zerrte schmerzhaft an ihrem Haar. Ihr Blick war angsterfüllt auf T.K. gerichtet, der wie angewurzelt stehen geblieben war und sich keinen Millimeter mehr rührte. Er erwiderte Karis Blick und sah mindestens genauso geschockt aus, wie sie sich fühlte. Sie sah, wie sich sein Mund öffnete, als wollte er etwas sagen, doch er schien sich doch noch anders zu entscheiden. „Wo ist Natsuko?“, fragte Jean nun wieder an T.K. gewandt. Kari sah, wie er die Zähne zusammenbiss. „Arbeiten“, knirschte er. „Lass' sie los.“ „Ruf' sie an“, verlangte Jean. „Was?“ T.K.s Blick wurde hilflos. „Ruf' sie an!“, bellte Jean nun und zog Karis Kopf ruckartig noch weiter nach hinten, sodass sie hörbar nach Luft schnappte. Die Lauf der Pistole bohrte sich mit mehr Druck gegen ihre Schläfe. Ihr Sichtfeld verschwamm und Tränen liefen ihre Wangen herunter. Ihre Atmung hatte sich beschleunigt und sie konnte sich selbst schluchzen hören, ohne wahrzunehmen, dass sie weinte. T.K. trat einen Schritt zurück und hob die Hände. „Ich muss mein Handy aus meinem Zimmer holen, okay?“ „Geh'!“ Ohne Jean und Kari aus den Augen zu lassen, ging T.K. in sein Zimmer. Es waren nur ganz wenige Sekunden, die Kari mit Jean allein war, doch sie musste sich zurückhalten, nicht nach T.K. zu schreien. Sie hatte große Angst. Sehr große Angst. Momentan sah sie in T.K. ihre einzige Hoffnung, aus dieser Situation wieder herauszukommen, auch wenn sie keine Ahnung hatte, was er machen würde oder sollte. Wenn er tatsächlich seine Mutter anrief und ihr die Situation erklärte, würde diese sofort herkommen und wer wusste schon, was dann passieren würde. Wenn T.K. seine Mutter nicht anrief, würde Jean Kari wahrscheinlich töten. Töten! Kari kniff die Augen zusammen. Konnte nicht irgendwer kommen und ihnen helfen? Zufällige Polizisten, die gerade routinemäßig unterwegs waren? Irgendein Nachbar, der etwas vorbeibringen wollte und auf das Geschehen aufmerksam wurde? T.K. kam aus seinem Zimmer zurück, mit seinem Handy in der Hand. „Ruf' sie an!“, forderte Jean erneut. T.K.s Hände zitterten, als er auf seinem Handy herumtippte. Das konnte Kari selbst durch ihren Tränenschleier erkennen. Seine Hand zitterte auch, als er das Handy an sein Ohr führte. Er wartete, dann schien Natsuko am anderen Ende der Leitung ranzugehen. „Hi, Mama.“ „Sag ihr, sie soll sofort herkommen“, befahl Jean. „Hör' mal, es gibt ein Problem. Kannst du vielleicht nach Hause kommen?“, fragte T.K. mit einem Zittern in der Stimme. Dann herrschte kurz Ruhe. „Jean ist hier.“ Wieder Ruhe, dann legte er auf. „Sie kommt.“ „Gut“, brummte Jean. „Und jetzt lass' sie los“, forderte T.K. und sein Blick war nun hasserfüllt. „Nein. Erst, wenn Natsuko da ist“, erwiderte Jean scharf, lockerte jedoch endlich den Griff in Karis Haar ein wenig. „Warum? Du hast doch jetzt, was du wolltest.“ T.K. spuckte die Worte förmlich aus. „Lass' sie endlich los. Sie hat damit nichts zu tun.“ „Erst, wenn Natsuko da ist“, beharrte Jean. „Dann nimm wenigstens die Waffe runter“, fauchte T.K. „Halt' die Klappe! Halt' endlich die Klappe! Das ist dein größtes Problem, du Wichtigtuer. Du kannst einfach nicht die Klappe halten!“, fuhr Jean ihn an und verstärkte dabei den Griff in Karis Haar wieder, sodass diese leise wimmerte. Sie traute sich nicht, auch nur ein Wort zu sagen aus Angst, Jean würde sie sofort erschießen. Sie oder T.K. Dieser erwiderte nichts, sondern schwieg und starrte nur beide an. Kari konnte es in seinem Kopf arbeiten sehen. Sie hoffte, dass ihm ein rettender Einfall kam, wie er sie beide hier herausholen konnte, ohne dass jemand zu Schaden kam. In diesem Moment konnten sie jemanden hören, der vom Hausflur aus vorsichtig die Wohnung betrat. „T.K.? Die Tür stand offen. Ich komme einfach rein, okay?“ Das war Matts Stimme. Natürlich, Matt! Er wollte ja vorbeikommen. Jean wirbelte herum und zerrte Kari mit sich, die vor Schmerz aufschrie. Nun konnte sie Matt sehen, dessen Augen sich weiteten, als er die Szene erfasste, die sich ihm bot. Sein Blick huschte fassungslos von Kari zu Jean zu T.K. und wieder zurück. „Matt!“, rief T.K. „Du Schwein, lass' sie los!“, polterte Matt, ließ den Beutel fallen, den er in der Hand hatte, und stürmte auf Kari und Jean zu. Sie sah ihn auf sich zukommen, merkte, wie Jean unsicher rückwärts stolperte und mit wirren Rufen versuchte, Matt aufzuhalten. Ihr Kopf wurde brutal nach hinten gezerrt, dann ertönte ein Schuss, ein Schrei, von dem sie nicht wusste, zu wem er gehörte, und dann wurde ihr schwarz vor Augen. Der Aufprall auf den Boden ließ Kari schmerzhaft wieder zu sich kommen. Ihr Kopf schmerzte und sie kniff die Augen zusammen. Für einen Moment wusste sie nicht, was passiert war, doch dann sah sie Matt vor sich liegen. Blut sickerte aus seiner Brust und färbte sein helles Sweatshirt rot. „Matt!“, rief Kari mit erstickter Stimme und kroch auf ihn zu. Dann erinnerte sie sich daran, dass sich ja Jean mit einer Waffe in der Hand im Raum befand, hielt inne und drehte sich um, um nach ihm zu suchen. Was sie sah, hatte sie nicht erwartet. Jean stand noch immer am gleichen Fleck, den Blick starr auf Matt gerichtet. Seine Hände zitterten. Die Pistole befand sich in T.K.s Händen. Er hatte die Arme ausgestreckt und zielte auf Jean. „Du...“, fing er an, seine Stimme bebend vor Wut, der Blick hasserfüllt. „T.K., nicht!“, rief Kari verzweifelt. „Du hast auf ihn geschossen!“, polterte T.K. „Und du wolltest auf sie schießen!“ „Nein, ich wollte nicht...“, stammelte Jean, wurde jedoch von T.K. unterbrochen. „Halt' den Mund! Nenn' mir einen Grund, warum ich nicht das Gleiche mit dir machen sollte!“, brüllte T.K. Jean erwiderte nichts, schien starr vor Angst und unfähig, auch nur den Blick von Matt abzuwenden, der sich noch immer nicht wieder gerührt hatte. T.K.s Gesicht unterdessen war wutverzerrt und Kari bekam fast schon Angst vor ihm. „Antworte!“, schrie er. „I-ich wollte nicht...“, wiederholte Jean nur, wobei seine Stimme immer leiser wurde. „Du sollst mir einen verdammten Grund nennen, hab' ich gesagt!“ T.K. ging einen Schritt auf ihn zu, die Waffe direkt auf seinen Kopf gerichtet. „I-ich... ich... i-i-ich...“ „T.K.“, wimmerte Kari vom Boden aus. Schwerfällig stand sie auf und wankte auf ihn zu. „Hör' auf damit.“ „Allein für das, was du meiner Mutter angetan hast, sollte ich dich umbringen!“, rief T.K., ohne auf sie zu achten. Umbringen. In Karis Kopf drehte sich alles. T.K. wollte doch nicht tatsächlich diesen Mann erschießen. Nein, das könnte er nicht. Das würde er nicht. Oder doch? Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals beim Anblick seines hasserfüllten Blicks. Ganz langsam drehte Jean sich zu T.K. um und hob die Hände. „Bitte, ich wollte nicht...“ „Was wolltest du nicht? Sie schlagen? Ihr Angst machen? Ihr das Leben zur Hölle machen?“ Er ging noch einen weiteren Schritt auf Jean zu, der rückwärts stolperte und gegen die Wand stieß. Nun konnte er nicht mehr weiter nach hinten ausweichen und T.K. kam so dicht an ihn heran, dass die Waffe fast seine Stirn berührte. Kari sah, wie er am ganzen Körper bebte. Endlich kam sie bei ihm an und legte eine Hand auf seinen Arm. Tränen liefen ihr über die Wangen. „Bitte hör' auf. Leg' die Waffe weg“, flüsterte sie. „Geh' aus dem Weg!“, fuhr er sie an. „Das ist meine Sache!“ „T.K. Du bist nicht bei Verstand. Hör' auf damit“, schluchzte sie und verstärkte den Druck ihrer Hand auf seinem Arm. Sie suchte seinen Blick, doch er hatte ganz und gar Jean fixiert. Sie war sich nicht einmal sicher, ob er sie überhaupt sehen konnte. Seine Augen blitzten nur so vor Hass. Sie hatte Angst. Angst, dass er tatsächlich schießen würde. Das würde er sich selbst niemals verzeihen können, das wusste sie. „Leg' die Pistole weg“, murmelte Kari mit erstickter Stimme. „Leg' sie weg.“ Langsam fuhr ihre Hand seinen Arm entlang. Dabei konnte sie spüren, wie sehr er zitterte. Jeder Muskel in ihm schien sich angespannt zu haben. Sie konnte Muskelstränge auf seinen Unterarmen erkennen. „T.K., es reicht“, versuchte sie es weiter, während ihre Hand langsam weiter über seinen Arm zu seiner Hand wanderte. Die Fingerknöchel traten weiß hervor, so fest war sein Griff um die Pistole. Jean stand der Angstschweiß auf der Stirn. Sein Blick war fest auf den Lauf der Pistole vor sich gerichtet. „Leg' die Pistole weg“, wiederholte Kari leise, aber eindringlich. Vorsichtig legte sie eine Hand auf den Lauf der Pistole und die andere auf T.K.s Hand. Sie versuchte, seinen Griff zu lockern und seine Finger zu öffnen. Zuerst tat sich gar nichts und er blieb steif, doch dann, ganz langsam, öffneten sich seine Hände und er ließ die Arme sinken. Jean atmete aus und seine Anspannung fiel ein wenig von ihm ab. Im selben Moment, in dem T.K. die Pistole auf den Boden fallen ließ, stürmten plötzlich mehrere Polizisten mit Helmen und Schutzwesten die Wohnung und richteten ihrerseits Waffen auf T.K., Kari und Jean. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)