Fünf Jahre von Juju ((K)eine Freundschaft für immer) ================================================================================ Kapitel 19: Kartoffelsaft gegen Therapiegruppe ---------------------------------------------- Wie verabredet stand T.K. vor dem Schulgelände und wartete, als Kari kam. Neben ihm stand Aya und hatte ihn in ein Gespräch verwickelt. Als sie Kari sah, machte sie eine abweisende Miene und ging in Richtung Schulgebäude davon. „Mein Gott, was hat die nur immer?“, murmelte Kari und blickte Aya verärgert hinterher. T.K. zuckte mit den Schultern. „Ist halt speziell. So wie du.“ Kari gab einen zischenden Laut von sich, fragte sich aber, ob er wohl wirklich an Aya interessiert war. Gemeinsam gingen auch sie ins Schulgebäude und steuerten direkt das Büro des Schulleiters an. Sie nickten kurz Ken und Nana zu, die im Foyer standen und ihnen verwunderte Blicke zuwarfen. Ein wenig Mitleid für Davis kam in Kari auf. Ob Ken wusste, dass Davis in Nana verliebt war? T.K. und Kari gingen ins Sekretariat und fragten nach dem Schulleiter. Die Sekretärin hob eine Augenbraue. „Was wollt ihr denn von ihm? Der Unterricht fängt doch gleich an.“ „Es ist wichtig“, antwortete Kari bedeutungsvoll. Die Sekretärin ging nach nebenan in das Büro des Schulleiters und kam kurz darauf zurück. „Ihr könnt rein.“ Herr Hirai saß gerade an seinem Schreibtisch und schrieb etwas. Geduldig warteten Kari und T.K., bis er fertig war und aufsah. Sein Blick wurde finster. „Du hast hier nichts verloren“, sagte er zu T.K. „Es war nicht seine Schuld“, sagte Kari schnell, bevor T.K. etwas erwidern konnte oder Herr Hirai ihn sofort rausschmeißen konnte. „Sondern meine.“ „Aber soweit ich weiß, hast nicht du dich zwei Mal an einem Tag mit einem Schüler geprügelt, sondern er“, entgegnete Herr Hirai mit gerunzelter Stirn. „Shinji hat mir alkoholische Getränke auf dem Frühlingsball bestellt, bis ich betrunken war. Dann hat er Fotos von mir gemacht und sie in der Schule herumgeschickt. Deswegen hat Takeru sich mit ihm geprügelt“, sprudelte es aus Kari heraus. Sie hoffte, dass Herr Hirai alles verstanden hatte, damit sie es nicht noch einmal erzählen musste, doch er machte nur ein verwirrtes Gesicht und stützte die Ellbogen auf der Tischplatte auf. „Jetzt mal langsam. Du hast also Alkohol getrunken auf dem Frühlingsball?“ Kari nickte ungeduldig. „Und Shinji hat ihn für dich bestellt, weil du noch nicht volljährig bist, richtig?“, hakte Herr Hirai nach. „Ja“, antwortete Kari ruhig. „Und was ist dann passiert?“ „Ich bin... ich war...“, stammelte Kari. Sie konnte es nicht aussprechen. „Sie ist zum Gegenstand einer Wette zwischen Shinji und zwei anderen Jungs geworden“, kam T.K. ihr zu Hilfe. „Und was war das für eine Wette?“, fragte Herr Hirai weiter. Er musterte sie beide interessiert. Nun gaben weder T.K. noch Kari eine Antwort. Das war kein Thema, das man mit seinem Schulleiter besprach. Nach einigen Sekunden der Stille nickte Herr Hirai wissend. „In Ordnung. Und was das für Fotos sind, wollt ihr sicherlich auch nicht sagen.“ Kari warf T.K. einen verstohlenen Seitenblick zu. Sie wusste ja nicht, um was für Fotos es sich handelte, er schon. „Keine Fotos, die man irgendjemandem schickt“, antwortete er, ohne ihren Blick zu erwidern. „Jedenfalls ist es meine Schuld. Bitte ziehen Sie die Suspendierung für ihn zurück und geben Sie sie stattdessen mir“, bat Kari, als Herr Hirai keine Antwort gab. Auf seiner Unterlippe herumkauend machte Herr Hirai sich ein paar Notizen, bevor er den Blick wieder hob und Kari und T.K. ansah. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte sie eindringlich. „Ich kann das nicht jetzt entscheiden. Ich möchte euch bitten, nach dem Unterricht noch einmal in mein Büro zu kommen. Dann werden wir ein Gespräch mit allen Beteiligten führen und noch einmal entscheiden“, erklärte er. Dann wies er Kari an, in ihre Klasse zu gehen und schickte T.K. vorerst wieder nach Hause. Dass T.K. nicht da war, war natürlich jedem aufgefallen. „Er wurde suspendiert?“, fragte Nana entgeistert. „Spinnt Herr Hirai? Das ist doch total unfair. Shinji, Shun und Nintaro sollten suspendiert werden!“ „Vielleicht werden sie es ja nach dem Gespräch heute Nachmittag“, überlegte Davis. „Aber vielleicht werden sie auch alles abstreiten. Kari bräuchte einen Beweis“, entgegnete Ken nachdenklich. „Was denn für einen Beweis? Soll sie Hirai etwa diese blöden Fotos zeigen?“, fragte Davis mit gerunzelter Stirn. „Nein, auf keinen Fall“, sagte Nana entschieden. „Es wird ihm doch wohl reichen, wenn wir alle bestätigen können, dass Shinji Kari Alkohol bestellt hat. Allein das ist ja schon verboten. Und wenn wir bezeugen, dass er Fotos von ihr durch die Gegend geschickt hat, wird er uns das schon glauben.“ „Aber du kriegst vielleicht auch eine Strafe“, sagte Ken an Kari gewandt. „Immerhin hast du den Alkohol angenommen.“ „Ich weiß, aber das ist mir egal. Ich will eigentlich nur, dass T.K. nicht als Einziger so eine harte Strafe bekommt und alle anderen ungeschoren davon kommen“, antwortete sie leise. „Also Shinji, Shun und Nintaro dürfen auf keinen Fall ungeschoren davon kommen“, sagte Nana hitzig. „So eine Wette ist wirklich das Allerletzte.“ Davis und Ken nickten zustimmend und auf Nanas Gesicht schlich sich ein Grinsen. „Mensch, Kari, das sind ja mal ganz neue Töne von dir“, sagte sie und hob eine Augenbraue. „Überhaupt nicht!“, protestierte Kari. „Ich will nicht, dass irgendjemand wegen mir bestraft wird, egal ob T.K. oder sonst wer. Und außerdem... bin ich ja auch selbst schuld an der Situation.“ „Was?“ Davis sah sie verwirrt an. „Warum? Du bist doch nicht schuld daran, dass jemand dich verwettet.“ „Ich wollte unbedingt dieses Mauerblümchen-Image loswerden“, erklärte Kari. „Deswegen habe ich mich doch auf diese Sache eingelassen.“ Nun sagten die anderen drei nichts mehr, sondern sahen sie nur nachdenklich an. Zum Gespräch am Nachmittag kam T.K. zurück in die Schule und auch Shinji und die anderen beiden Jungen fanden sich im Büro des Schulleiters ein. Auch Herr Kugo und der Klassenlehrer der drei Jungs gehörten zu der Runde. Sie alle verteilten sich auf Stühlen und saßen nun im Kreis mitten im Büro. Ein wenig kam Kari sich vor wie in einer Therapiegruppe. Dann musste sie noch einmal erzählen, was genau passiert war. Als sie fertig war, wandte Herr Hirai sich an Shinji. Dessen Nase war mit einem Pflaster beklebt und seine Augen waren durch den Bruch dunkel unterlaufen, sodass es aussah, als hätte er seit Tagen nicht mehr geschlafen. „Stimmt es, dass du Hikari an diesem Abend alkoholische Getränke bestellt hast?“, fragte er ruhig. Kari wusste, dass es für Shinji keinen Sinn machte, diese Tatsache zu leugnen. Es gab einige Menschen, die das bezeugen konnten. „Sie hat danach gefragt, sonst hätte ich sie ihr nicht bestellt“, antwortete er mit finsterer Miene. „Also hast du ihr welche bestellt?“, hakte Herr Hirai unbeeindruckt nach. „Ja, aber nur, weil sie wollte“, murrte Shinji. „Und dann hast du sie bei dir übernachten lassen“, fuhr Herr Hirai fort. „Vorher hat er versprochen, dass er sie nach Hause bringt“, mischte T.K. sich ein. „Sonst hätte ich ihn nicht gehen lassen.“ „Was willst du eigentlich?“, fauchte Shinji. „Sie war total voll und mein Zuhause war näher als ihres.“ Kari schloss für einen Moment die Augen und wünschte sich, sie könnte sich schnell ein Loch im Boden buddeln und hineinkriechen. „Sie war nur voll, weil du sie abgefüllt hast“, konterte T.K. wütend. „Beruhigt euch“, sagte Herr Kugo. „Und wie kam es dazu, dass du Fotos von Hikari gemacht hast?“, fuhr Herr Hirai seine Befragung an Shinji gewandt fort. Unschlüssig saß Shinji auf seinem Stuhl und schien zu überlegen, was er antworten sollte. Als er nichts sagte, machte Herr Hirai weiter. „Worum ging es bei der Wette, die Hikari und zwei andere Mädchen ohne deren Wissen mit einschloss?“ Wieder antwortete Shinji nicht und auch Shun und Nintaro gaben keinen Ton von sich. „Es ging darum, wer zuerst eines der drei Mädchen flachlegt“, antwortete nun T.K. ohne Umschweife und Kari fasste sich mit der Hand an die Stirn. Sie konnte sich keinen Ort auf dieser Welt vorstellen, an dem sie in diesem Moment weniger gern wäre als hier im Büro des Schulleiters. „Darum ging es doch gar nicht!“, rief Shinji. „Ach ja? Dann können wir ja noch ein paar andere aus dem Basketballteam befragen. Und die Nachricht, die ich von dir bekommen habe, erzählt auch was anderes“, entgegnete T.K. „Was ist dein Problem, Mann? Halt' doch mal die Klappe!“, rief Shinji und starrte T.K. wütend an. Kari sah aus den Augenwinkeln, wie T.K. die Hände zu Fäusten ballte und aussah, als würde er jeden Moment aufspringen und Shinji erneut verprügeln. Sie sah ihn direkt an, was ihn wieder ein wenig zu beruhigen schien. „Mäßigt euch“, sagte Herr Kugo streng. „Hikari, du kannst dich nicht erinnern, was bei Shinji passiert ist?“, fragte Herr Hirai nun an Kari gewandt, die nur den Kopf schüttelte. „Dann könnte unter Umständen eine Vergewaltigung vorliegen, also solltest du besser erzählen, was passiert ist, Shinji.“ Bei dem Wort Vergewaltigung wurde Kari fast schwindelig. So hatte sie die Sache noch nicht betrachtet. Vielleicht war sie so im Delirium gewesen, dass sie nicht mehr ansprechbar gewesen war und dann konnte man tatsächlich von einer Vergewaltigung reden. „Ich hab' sie nicht vergewaltigt! Sie war wach und hat sich nicht gewehrt!“, widersprach Shinji heftig, dem dieser Vorwurf anscheinend genauso wenig gefiel wie Kari. „Kannst du das beweisen?“, fragte Herr Hirai. „Ja, kann ich“, antwortete Shinji und holte sein Handy aus seiner Hosentasche. Kari ahnte, was jetzt kam und musste dem Drang widerstehen, aus dem Raum zu rennen. Selbst den berühmtberüchtigten Kartoffelsaft ihrer Mutter würde sie jetzt lieber trinken als das hier mitzumachen. „Hier ist das Foto. Sie ist eindeutig wach“, sagte Shinji und drückte Herrn Hirai sein Handy in die Hand. Herr Hirai saß neben T.K. und so konnte auch Kari einen kurzen Blick auf das Foto werfen, woraufhin sie leise stöhnte und den Blick wieder abwandte. Es zeigte sie, wie sie in einem Versuch lasziv zu lächeln in die Kamera blickte. Auch war deutlich zu erkennen, dass sie nackt war. „Darf ich bitte gehen?“, fragte sie und stand auf. „Warte bitte noch ein paar Minuten“, antwortete Herr Hirai und gab Shinji das Handy zurück. Deprimiert setzte Kari sich wieder hin und vergrub das Gesicht in den Händen. „Dieses Foto hast du also von Hikari gemacht und an mehrere Mitschüler geschickt“, fuhr Herr Hirai fort. „Ja“, antwortete T.K. an Shinjis Stelle. „Ja, okay, ich hab's gemacht“, sagte Shinji genervt. „Und ihr habt euch auch an der Wette beteiligt“, sagte Herr Hirai an Shun und Nintaro gewandt, die nickten. „Also hast du, Shinji, auf jeden Fall wiederholt Alkohol für eine Minderjährige bestellt, Fotos von ihr gemacht und sie an Mitschüler verschickt“, fasste Herr Hirai zusammen. „Ja, schön, das ist aber kein Grund, mir die Nase zu brechen!“, rief Shinji wütend und funkelte T.K. an. „Ich möchte euch fünf jetzt bitten, draußen zu warten. Wir wollen beratschlagen, was nun zu tun ist“, sagte Herr Hirai. Alle fünf standen eilig auf und liefen aus dem Raum. „Wieso rennst du zum Schulleiter? Reicht dir das hier nicht?“, rief Shinji draußen im Flur und deutete auf seine Nase. T.K. setzte gerade zu einer Entgegnung an, doch Kari kam ihm zuvor. „Das war er nicht. Das war ich.“ Shinji stöhnte genervt und wandte sich von ihr ab an Shun und Nintaro. Kari drehte sich zu T.K. um und sah ihn vielsagend an. „Ich nehme dir die Suspendierung ab. Ich kann mich hier eh nie wieder blicken lassen.“ „Jetzt gib dir nicht die Schuld an der Sache. Du kannst nichts dafür, dass er solche dämlichen Wetten abschließt“, antwortete T.K. trocken. „Ist doch mittlerweile egal, wer schuld ist. Hast du die Fotos gesehen? Gut, der Leiter meiner Schule nämlich auch“, murmelte sie düster. Darauf schien er auch keine Antwort zu haben, denn er atmete nur hörbar aus und lehnte sich gegen die Wand. „Tut mir echt Leid.“ Kari ließ den Kopf hängen und versuchte, sich vorzustellen, wie sie an einer Sportschule im Ausland aufgenommen wurde und nie mehr hierher zurückkehren musste. Diese Vorstellung machte es ihr ein wenig leichter, zu warten und nicht sofort wegzurennen. Hosted by Animexx e.V. 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