Fünf Jahre von Juju ((K)eine Freundschaft für immer) ================================================================================ Kapitel 20: Nächste Frage ------------------------- Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Herr Kugo nach draußen und holte die fünf Schüler zurück in das Büro. Erneut nahmen sie auf den Stühlen Platz und Kari wartete gespannt, was nun passieren würde. Herr Hirai warf einen Blick auf seine Notizen, bevor er sich an die fünf wandte. „Shun und Nintaro, ihr erhaltet eine Verwarnung. Euer Klassenlehrer wird mit euch noch einmal über die Sache mit der Wette sprechen.“ Er wandte sich an Shinji. „Shinji, du bist für den Rest der Woche vom Unterricht ausgeschlossen und erhältst einen Tadel, weil du einer Mitschülerin während einer Schulveranstaltung Alkohol gekauft hast und anschließend intime Fotos von ihr an Mitschüler geschickt hast. So ein Verhalten ist an unserer Schule nicht geduldet. Über die genaue Bedeutung des Tadels wird dein Klassenlehrer dich aufklären.“ Nun wandte er sich an T.K. und Kari. „Takeru, deine Suspendierung ist hiermit aufgehoben, doch den Aufsatz über Gewalt wirst du trotzdem schreiben und zwar sieben Seiten. Auch Schlägereien sind an dieser Schule nicht geduldet. Hikari, du erhältst eine schriftliche Ermahnung und deine Eltern werden informiert. Außerdem wirst du einen fünfseitigen Aufsatz über die Gefahren von Alkoholkonsum schreiben.“ Kari nickte langsam. Mit dieser Strafe konnte sie leben. Und T.K. durfte den Unterricht wieder besuchen, Shinji dafür nicht. Alles in allem war sie zufrieden mit diesem Ergebnis. Alle bis auf Shinji durften anschließend das Büro verlassen und wurden gebeten, nach Hause zu gehen. Sicher bekam Shinji noch einige Informationen zu seiner Suspendierung und seinem Tadel. Kari war heilfroh, dass sie dieses Gespräch hinter sich hatte und nun wieder nach Hause gehen konnte. Gemeinsam mit T.K. verließ sie das Schulgebäude, ohne sich noch einmal nach Shun und Nintaro umzudrehen. Schweigend liefen sie nebeneinander her. Vermutlich hing auch er seinen Gedanken nach. Sie kamen zu der Wegkreuzung, von welcher sie eigentlich in unterschiedliche Richtungen gehen mussten, doch Kari ergriff die Initiative. „Möchtest du vielleicht noch mit zu mir kommen?“, fragte sie. T.K. musterte sie überrascht und machte Kari verlegen, da er nicht sofort antwortete. „Naja, meine Mutter will bestimmt unbedingt wissen, wie es ausgegangen ist und... dann kannst du ihr das einfach erklären und ich muss das nicht machen“, stammelte sie und betrachtete dabei eingehend ihre Füße. Was redete sie da eigentlich? „Ähm... okay?“, erwiderte T.K. und Kari spürte, dass sie rot anlief. Was redete sie hier eigentlich? Während des Weges nach Hause redeten sie beide nicht sonderlich viel. Kari fragte sich, was sie eigentlich dazu gebracht hatte, T.K. zu sich nach Hause einzuladen. Wahrscheinlich war ihre Mutter noch nicht einmal da. War sie tatsächlich nicht. Die beiden betraten die Wohnung und wurden von Stille begrüßt. „Tja, also, wir müssen wohl noch ein bisschen warten“, stellte Kari fest, doch T.K. zuckte nur mit den Schultern. Er folgte ihr in die Küche, wo sie ihm ein Glas Wasser gab und sich an den Küchentisch setzte. „Hör mal, T.K.“, fing sie an, woraufhin er langsam auf dem Stuhl ihr gegenüber Platz nahm, an seinem Wasser nippte und sie abwartend ansah. „Danke, dass du dich so für mich eingesetzt hast.“ Überrascht hob er die Augenbrauen. „Ich dachte, dir gefällt es nicht, dass ich ihm die Nase gebrochen habe.“ „Tut es ja auch nicht. Aber ich weiß ja, dass du das für mich gemacht hast und... ja. Ich hab' mich noch gar nicht dafür bedankt“, murmelte sie und sah ihm in die Augen. „Also danke.“ T.K. lächelte sanft. „Keine Ursache. Danke, dass du zum Schulleiter gegangen bist und die Sache erklärt hast.“ „Dafür gibt’s nichts zu danken“, antwortete Kari bestimmt. „Ich kann doch nicht zulassen, dass du wegen mir bestraft wirst und das nur, weil du mir helfen wolltest.“ „Aber es war dir so unangenehm“, erwiderte T.K. Unangenehm war noch sehr vornehm ausgedrückt für das, was Kari empfunden hatte, doch nun war dieses Gespräch vorbei. „Egal“, sagte Kari abwinkend. „Nun haben alle eine Strafe bekommen und es ist vorbei.“ T.K. nickte und wieder schwiegen sie für einige Sekunden. Kari starrte ihre Hände an, die auf der Tischplatte lagen, und versuchte zu realisieren, dass sie hier zum ersten Mal seit langem in Frieden mit T.K. saß und alles zwischen ihnen einigermaßen okay war. Nun ja, eigentlich nicht. „T.K., ich habe deine Briefe gar nicht gelesen“, platzte sie einfach heraus. Einerseits, um die Stille zwischen ihnen zu beenden, andererseits, um von sich aus dieses Thema anzusprechen. Vielleicht wurde es doch langsam Zeit, diese Sache zu klären und aus der Welt zu schaffen. „Das dachte ich mir inzwischen“, meinte T.K. trocken. „Aber ich habe angefangen, sie zu lesen, als du wieder gekommen bist“, sagte Kari. „Zwei fehlen noch.“ „Dann war das Armband, das du zum Ball getragen hast, wirklich das, was ich dir geschenkt hab'?“, fragte er nach und Kari nickte. „Und das heißt, du bist jetzt doch bereit, mit mir zu reden?“ Sie fing seinen Blick auf und zuckte mit den Schultern. „Wir können es ja versuchen.“ Er lächelte leicht. „Warum hast du die Briefe nicht weggeworfen, wenn du sie schon nicht gelesen hast?“ „Keine Ahnung. Sie waren irgendwie... eine Verbindung zu dir, obwohl ich dir nicht geantwortet habe“, antwortete sie langsam. „Ich konnte sie einfach nicht wegschmeißen.“ Sie sah auf. „Warum hast du mir erst einen Tag vor eurer Abreise erzählt, dass du wegziehst?“ „Ich... wollte nicht, dass die letzten Wochen, die ich mit dir verbringe, von Abschied geprägt sind und dann die ganze Zeit schlechte Stimmung in der Luft hängt. Ich wollte noch ein paar normale Wochen mit dir verbringen, so wie vorher eben“, antwortete er. „Das war ein bisschen egoistisch, ich weiß. Und es tut mir auch Leid, dass ich dir nicht eher Bescheid gesagt habe.“ „Wolltest du mit deiner Mutter nach Paris ziehen?“, fragte Kari weiter. „Nein“, sagte T.K. sofort. „Natürlich nicht. Mein Französisch war nicht so gut und ich kannte keinen in meinem Alter in Frankreich, bis auf meine Cousine. Es hat mich echt geschockt, als meine Mutter mir eröffnet hat, dass sie mit mir nach Paris ziehen will.“ „Warum bist du nicht bei deinem Vater und Matt geblieben?“ „Wird das hier ein Verhör?“ T.K. lächelte schief. „Ich wollte das meiner Mutter nicht antun. Sie hatte ja schon meinen Vater und Matt verloren, da wollte ich wenigstens bei ihr bleiben, auch wenn ich dann nach Paris gehen musste.“ „Und der Grund, warum deine Mutter nach Paris wollte, war ein Mann?“, hakte Kari nach. T.K.s Miene verfinsterte sich. „Mhm. Jean.“ Kari runzelte die Stirn. „Was hat es denn mit Jean auf sich?“ T.K. zögerte und wandte den Blick von ihr ab. Anscheinend dachte er nach. „Er war eben ihr damaliger Freund.“ „Und jetzt nicht mehr?“ „Nein.“ „Weshalb haben sie sich getrennt?“ T.K.s Blick wurde abweisend. „Nächste Frage.“ „Okay“, sagte Kari verwirrt. „War die Trennung der Grund, dass sie wieder zurück wollte?“ „Ja, aber nicht der alleinige. Sie vermisste Japan.“ Kari nickte. „Warum bist du mit Matt zerstritten?“ T.K. seufzte. „Nächste Frage.“ Kari hob eine Augenbraue. „Seit wann bist du mit ihm zerstritten?“ T.K. dachte kurz nach. „Seit ungefähr einem Jahr, glaube ich.“ „So lange?“ Kari konnte sich nicht im Geringsten vorstellen, für so eine lange Zeit nicht mehr mit Tai zu reden. Sie würde ihn schrecklich doll vermissen. T.K. antwortete nicht, sondern sah sie abwartend an. „Noch mehr Fragen?“ „Ja. Warum hast du mir weiter Briefe geschrieben, obwohl ich nicht geantwortet habe?“, fragte sie. „Ich schätze, weil ich gehofft habe, dass du antwortest, obwohl ich schon beim zweiten Brief nicht mehr daran geglaubt habe“, antwortete er. „Und außerdem wollte ich dir eben zum Geburtstag gratulieren und...“ „Und?“, fragte Kari, als er nicht weiterredete. „Und es hat sich dadurch so angefühlt, als hätte ich noch Kontakt zu dir“, murmelte er. „Ich hab' dich schon ziemlich vermisst.“ Kari biss sich auf die Unterlippe, antwortete aber nicht. Sie wollte ihm jetzt nicht sagen, dass sie ihn auch schrecklich vermisst hatte. „Glaubst du, wir könnten... irgendwie... wieder von vorn anfangen?“, fragte T.K. nach einer Weile. „Als wäre nichts gewesen?“ Kari seufzte. „Keine Ahnung. Ich glaube nicht, dass ich so tun kann, als wäre das nicht passiert, wenn ich ehrlich bin.“ T.K. nickte, ohne sie anzusehen. Sein Blick wirkte trüb. „Aber... ich werde versuchen, das hier irgendwie hinzukriegen. Ich meine, vielleicht habe ich ja auch ein bisschen übertrieben oder so. In der letzten Zeit. Damit, dass ich dich so ignoriert habe. Du weißt schon.“ Und wieder war sie verlegen. Irgendwie wurde das zu ihrem Dauerzustand. Nun sah T.K. sie wieder an und lächelte leicht. „Ach was. Ich weiß nicht, wie ich an deiner Stelle reagiert hätte. Ich denke, ich wäre auch ganz schön sauer geworden.“ Kari zuckte mit den Schultern und wollte etwas erwidern, doch in dem Moment hörte sie, wie der Schlüssel im Schloss der Wohnungstür herumgedreht wurde. Wenig später stand ihre Mutter in der offenen Wohnküche. „Oh, hallo ihr beiden“, sagte sie und wirkte erfreut. Auf einmal schien sie viel freundlicher als in den letzten zwei Tagen zusammen, in denen Kari ihr kaum hatte begegnen wollen. „Soll ich euch etwas zu essen machen?“ Kari beobachtete, wie T.K. schon nach einer Ausrede suchte und beschloss, ihm zu helfen. „Danke, Mama, T.K. muss gleich los. Aber vorher will er dir was erzählen“, sagte sie und sah T.K. auffordernd an, der ihren Blick verwirrt erwiderte. Yuuko wandte sich mit fragendem Blick an ihn. „Ja, also... ähm...“, stammelte er. „Konntet ihr was in der Schule erreichen?“, fragte Yuuko, als er nicht weitersprach. „Ja, T.K. ist nicht mehr suspendiert, aber dafür Shinji“, antwortete Kari an T.K.s Stelle. „Aber dafür hat Kari jetzt eine Strafe abbekommen“, fügte T.K. in bedauerndem Ton hinzu. „Oh, ehrlich? Das freut mich für dich, T.K. Und was hat Kari für eine Strafe bekommen?“, fragte sie an T.K. gewandt, obwohl Kari mithörte. Für einen Augenblick fühlte sie sich ein wenig übergangen. „Sie muss einen Aufsatz über Alkoholkonsum schreiben“, antwortete er und sah dabei Kari an, die zustimmend nickte. Yuuko warf ihrer Tochter einen mürrischen Blick zu. „Sie hätten dir ruhig eine härtere Strafe verpassen können. Das hättest du verdient.“ Kari verzog das Gesicht und sah ihre Mutter entgeistert an. Hatte sie da gerade richtig gehört? Was sollte das denn? „Es war nicht Karis Schuld“, sprang T.K. zu Karis Verteidigung ein. „Sie wurde verwettet und abgefüllt. Sie hatte nur Pech, dass Shinji es ausgerechnet auf sie abgesehen hatte.“ „Oh, ich bezweifle, dass sie gezwungen wurde, Alkohol zu trinken“, erwiderte Yuuko und verschränkte die Arme vor der Brust. Kari verdrehte die Augen und schaltete ab. Ihre Mutter übertrieb es langsam. Hoffentlich bekam sie sich bald wieder ein, denn Kari fand es ein wenig verletzend, wie sie sich benahm. Schließlich konnte sie ihren Fehler nun nicht mehr rückgängig machen. T.K. und ihre Mutter unterhielten sich noch eine Weile über die Strafen, die die anderen drei Jungen bekommen hatten, bevor T.K. schließlich verkündete, dass er nun nach Hause müsste. „Jetzt haben wir so lang geplaudert, da hätte ich euch doch noch was kochen können“, sagte sie und stemmte die Hände in die Hüften. „Beim nächsten Mal dann aber wirklich.“ „Ja“, sagte T.K. langsam und stand auf. Kari begleitete ihn zur Tür und seufzte, als sie außer Hörweite ihrer Mutter waren. „Du brauchst mich nicht vor meiner eigenen Mutter verteidigen“, murmelte sie beschämt. „Das kriege ich allein hin.“ „Sorry“, meinte T.K. schulterzuckend. „Ich wollte dir nur helfen.“ Unschlüssig standen sie sich gegenüber und keiner von ihnen schien zu wissen, was für ihre derzeitige Beziehung zueinander ein angemessener Abschied wäre. Verbeugung? Umarmung? Lächeln? Nicken? „Tja ähm... dann bis morgen in der Schule“, sagte Kari. „Jetzt darfst du ja wieder kommen.“ T.K. lächelte amüsiert. „Ja. Jetzt muss ich wieder kommen ist wohl passender.“ „Oh, entschuldige, dass ich dir deine Ferienwoche vermiest habe“, antwortete Kari sarkastisch. T.K. lachte leicht. „Bis morgen.“ Ein letztes Lächeln, dann drehte er sich um und ging. Kari stand noch so lang in der offenen Wohnungstür, bis sie seine Schritte nicht mehr hörte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)