Danach von Sopschild (Ein Leben nach der Apokalypse) ================================================================================ Kapitel 1: Danach ----------------- Danach Die Gedanken und Gefühle zweier Menschen nach der Apokalypse Sie seufzt und blickt zum Himmel hinauf. Dunkle Regenwolken jagen unheilvoll über das Blau, als wollen sie den letzten Rest des vorrangehenden Herbstes verschlingen. Nur dann und wann blitzt ein heller Streif zwischen den Schwaben auf, noch nicht gewillt sich der Dunkelheit zu ergeben. Sie streicht sich eine Strähne ihres langen roten Haares, welches so unordentlich und wüst auf ihrem Kopf thront, hinter das Ohr und bemerkt, dass sie friert. Zitternd erhebt sie sich und schlingt ihre viel zu dünnen Arme um ihren mageren Körper, als könnte sie den wütenden Wind davon abhalten mit seinen kleinen Fäusten auf sie einzuschlagen und ihr die Wärme zu rauben. Sie beißt sich auf die vor Kälte zerschlagenen Lippen und blickt zum Horizont, wie die letzten Sonnenstrahlen des Tages sich ihren Weg durch die dunkle Wolkendecke suchen und stumpf wie durch schmutzverschmiertes Glas auf sie nieder scheinen. Die Sonne hat schon vor sehr langer Zeit ihren Glanz und ihre Schönheit verloren, nun ist sie grau, stumpf und von einem Mantel von Traurigkeit umhüllt wie alles in dieser sterbenden Welt. Ihre Füße schreiten durch den dreckigen Staub vergessener Geschichten und Leben und sie stellt sich vor wie hier einst Tausende von Menschen gelebt haben, am Höhepunkt der Zivilisation angekommen. Ein schwermütiges Lächeln legt sich auf ihr Gesicht. Alle vergessen, ihre Asche fortgetragen vom Wind der Zeit, der so unbarmherzig und grausam am Augenblick zieht. Nur ein einziges Mal in die Vergangenheit zurückreisen, einen Tag voller Glück und Freude genießen und das Leid um sie herum vergessen. Ihr Leben vor der Katastrophe kommt ihr so unwirklich vor, blass und fern, wie das Leben einer anderen. Vielleicht ist dem auch so. Vielleicht ist alles nur in ihrem Kopf. Eine Erinnerung an einen längst vergessenen Traum, voll von Sehnsucht nach einer anderen Welt. Sie versucht sich an den Moment zu erinnern, an die Sekunde, die Minute, die Stunde oder vielleicht auch nur den Tag, aber da ist nichts. Nur Stille, niemand antwortet ihr. Betrübt schließt sie die geröteten Augen und zweifelt. Mal wieder. Wie könnte sie auch nicht? Noch immer nach all den Jahren schweigen ihre Erinnerungen. Nur der Wind heult über die Ebene, pfeift laut und tosend, als wolle er sie retten. Retten vor dem Wahnsinn, dem sie schon lange verfallen ist. Vielleicht ist es auch besser so. Sie leidet nicht, oder nur bedingt. Sie wird lächelnd untergehen. Ein trauriges Lächeln, aber immerhin, ein Lächeln. Eine warme Hand umschließt ihrem Arm und lässt sie aufblicken. Sie blickt in die alten Augen ihres jungen Freundes, der schon viel zu viel Leid gesehen hat um noch ein Kind zu sein. Sie weiß nicht wie alt er ist, sie kennt nicht einmal seinen Namen. Namen sind bedeutungslos geworden. Wer kein Leben hat, der braucht auch keinen Namen. Er blickt ihr in das schmutzige Gesicht und schweigt. Sie wissen es beide, sie kennen sich zu gut und doch sind sie einander fremd. Sind eins und doch zwei. Er streckt seine Arme aus, zieht sie an seine Brust. Es bedarf keiner Worte, nur einer starken Schulter. Sie schämt sich, sie sollte stark für ihn sein, nicht umgekehrt. Mittlerweile ist es dunkel, die Finsternis hat gesiegt und eine einzige Träne sucht sich ihren Pfad ihre Wange hinunter. Er wischt sie weg und seine Hand hinterlässt eine brennende Spur. Ihr ist als stehe sie in Flammen und ein Ansatz eines Lächelns legt sich auf ihre Lippen. Es ist nur ein Ansatz und doch, es ist ein glücklicher Ansatz. „Du solltest schlafen.“, sagt er und ein Schauer jagt über ihren Rücken. Sie liebt seine Stimme fast ebenso sehr wie sein Schweigen. Sie weiß um die Gegensätzlichkeit, doch so ist sie nun mal. Sie lässt sich nicht in Schubladen stecken. Der Boden ist kalt und hart, sie hofft es würde keinen Frost geben. Ein Feuer brennt nicht, es wäre zu gefährlich. Es ist traurig in Zeiten in denen die Menschen zusammen halten sollten, fallen sie übereinander her. Wie die Tiere, oder doch nicht? Tiere weisen mehr Sozialkompetenz auf. Sie töten nicht zum Spaß. Wie die Vergangenheit zeigt ist doch der Mensch das wohl größte Raubtier. Anders als Tiere hungert der Mensch in seinem Herzen nach etwas was er nur mit Blut und Tränen zu füllen vermag. Wozu Macht besitzen wenn niemand mehr lebt mit dem es sie zu teilen lohnt? Nur die Toten kennen das wirkliche Ende des Krieges, doch liegen sie mit dem Gesicht zum Boden im Gestein unfähig zu sprechen. Sie zieht die Beine schützend an die Brust, doch wissend, sie ist der Dunkelheit ausgeliefert. Doch ihm kann sie vertrauen. Er würde sie niemals so ansehen, wie er die Räuber angesehen hatte, so voller Wut und Hass, ihr Blut zu seinen Füßen. Sie wusste es einfach, sie konnte ihm vertrauen. Vertrauen, ein seltenes Privilieg in diesen Tagen. Ihr Kopf ruht auf seinen Knien, er würde Wache halten. Doch sie findet keinen Schlaf, wälzt sich herum und sucht nach Antworten auf ihre ungestellten Fragen. Wieso? Keine Antwort, alles schweigt. Das Ende war schon lange Zeit vorauszusehen gewesen und doch hatte es alle überrascht. Seit Anbeginn der Zeit führt der Mensch Krieg gegen sich selbst. Aufgrund von Religion, politischer Einstellung, Ideale oder einfach nur um die Welt brennen zu sehen. Sie zittert und er reicht ihr seine alte dreckige Decke mit faulig riechenden Flecken, während der Wind um die alte halb eingestürzte Ruine zieht, die beide ihr Zuhause nennen. Zumindest für ein paar Tage, bis der Ruf des Überlebends sie weiter ziehen lässt. Zuhause. Ein Wort das ihr schon lange fremd ist. Die Knochen des Hauses liegen offen, wie der Brustkorb eines Kadavars, den Hyänen aufgerissen haben. Wer mag hier gelebt haben? Welche Geschichten mag dieses Haus erzählen? Sie weiß es nicht. Nur die alten Gebäude zeugten von einem Leben vor dem Ende. Ihr ist noch immer kalt, doch war es je anders? Sie scharrt mit den kalten klammen Fingern in der Erde, ihre Fingernägel sind abgefressen und brüchig. Ein Bild entsteht im Dreck um danach von ihr zerstört zu werden. Wie die Menschheit. Wenn es einen Gott gibt, waren die Menschen für ihn auch nur ein Bild, ein Spielzeug, ein Haustier dem er überdrüssig geworden ist? Sie bezweifelte das sie jemals eine Antwort auf ihr Frage finden würde. Gott hat diese Welt schon vor langer Zeit verlassen, wie die Vögel die ein letztes Mal über den Horizont geflogen sind, wie Ratten das sinkende Schiff verlassen. Hat seine Fehlkonstruktion ihrem Schicksal überlassen, wie ein Mechaniker, der einen kaputten Motor draußen im Schnee verrosten lässt. Ein gescheiterter Prototyp mehr war die Menschheit nicht. Einst predigte man von Liebe und Freundschaft, doch wofür? Nur Worte eines alten Mannes, verklangen und vergessen. Es beginnt zu regnen. Millionen von Tropfen fallen wie gefallene Engel auf die Erde nieder und waschen das getrocknete Blut der vergessenen Toten aus den Furchen. Das Dach ist undicht und so sind beide schon bald durchnässt. Sie wird diese Nacht wohl keinen Schlaf finden. Sie kuschelt sich an ihn, doch sie tut es nicht aus Liebe. Oder doch? Nein, die Liebe haben beide schon vor langer Zeit aufgegeben. Schade, es hätte etwas Licht in die Dunkelheit gebracht. Er und sie sind wie erblindet und manchmal ist es einfacher zu erblinden als zu sehen. Die Kälte schiebt sich wie eine Klinge durch ihre Glieder und doch nimmt sie sie dankend an. Solange sie friert und Schmerzen empfindet, weiß sie wenigstens noch, dass sie am Leben ist. Doch sicher ist sie sich da nicht. Wer sagt ihr denn, das sie nicht schon lange auf der anderen Seite ist, auf einem anderen Weg geht. Sie hat keine Angst vor dem was kommen wird. Wenn es Teufel und Gott gibt, so ist sie schon lange in dem was man im allgemeinen Hölle nennt gefangen. Wenn sie es nicht körperlich ist, so ist sie innerlich schon vor sehr langer Zeit gestorben. Sie spürt die Stoppel seines Bartes an ihrer Wange, als sie ihren Kopf auf seine Schulter legt. Seit wann trägt er Behaarung im Gesicht? Wieder kann sie sich selbst keine Antwort geben. Manchmal glaubt sie, dass sie die Welt nicht wirklich wahrnimmt. Sie tut es auch nicht. Ihre Realität ist eine andere. Ob Fluch oder Segen, wagt sie noch nicht abzuwägen. Er dreht leicht den Kopf, das er sie sehen kann. Sein Atem riecht nach Eukalyptus und etwas was sie nicht identifizieren kann. Sie schluckt schwer und schließt die Augen. „Morgen ziehen wir weiter.“, hört sie ihn in der Dunkelheit sagen. Die Finsternis ist nun so dick und schwer das sie nicht einmal ihre Hand vor Augen sieht. Alles ist in schwarzen Samt gehüllt. Sie ertrinkt in einem Meer dunkler Tinte, ohne nach Luft schnappen zu müssen. Trotz allem fürchtet sie sich nicht. Solange sie seine Wärme spürt ist ihr, als schimmere ein Licht in der Finsternis. Ein silberner Streif am Horizont. Manchmal fürchtet sie sich vor dem Verlassen. Sie stellt sich vor wie er gehen könnte, verschwinden, fort sein und nie wieder gesehen und es ist als könne sie nicht atmen. Als falle sie in ein Loch tausend Nächte schwer. So muss sich sterben anfühlen. Mit ihren dünnen Armen umklammert sie ihn, wie ein Ertrinkender einen Rettungsreif. Er ist das Einzige, was sie auf rauer kalter See am Leben hält. Sie spürt seine warmen Finger auf ihrem Rücken, wie sie beruhigend auf und ab streichen und sie die Welt vergessen lässt. Vergessen. Nichts anderes wünscht sie sich. Vergessenen wer sie ist, das sie ist. Sie will nicht mehr sein, hat ihr Mehr-sein verloren. Wieder ein Widerspruch: Sie wünschte sich die Vergangenheit zu kennen und die Zukunft zu vergessen. Es sollte anders herum sein. Sie horcht in die Dunkelheit, lauscht dem Klang seines Herzens, das leise im Takt des Regens schlägt. Es ist beruhigend wie bereitwillig es ihr antwortet, schweigt ihr eigenes doch schon seit Ewigkeiten. Es ist als klaffe in ihrer Brust ein Loch, tausend Nächte tief und schwärzer als der Abgrund der Welt. Diese Welt hat schon vor langer Zeit ihren Glauben und ihre Träume gemordet. Einst träumte sie von einer Familie, Kindern, einem kleinen Haus und Frieden. Einfach nur Frieden. Doch schon früh hat sie begriffen, das irgendwann jeder aufwachen muss. Sie zittert. Frieden. Sie kennt nicht einmal mehr seine Bedeutung. Nur noch ein Wort, Silben, Buchstaben. Der Krieg bringt Schmerz und Trauer, verschlingt das Glück und die Freude. Das Böse regiert. Das Böse. Selbst die kleinsten und reinsten aller Menschen, die Kinder wissen um seine Existenz und doch fehlt eine klare Definition. Wo beginnt das Böse? Wo endet das Gute? Der Gute und der Böse, beide sind sich sicher, glauben in ihrer Realität das Richtige zu tun. Es gibt nur die Anderen und im Augen des jeweiligen sind es immer die Bösen. Die Grenze ist fließend, schon lange verschwommen zu einem einheitlichen Meer aus grauem Morast. Sie denkt darüber nach auf wessen Seite sie gestanden hatte, bevor alles begann, doch sie weiß es nicht mehr. Sie weiß vieles nicht mehr. Amnesie. Und manchmal wenn sie seinen Geschichten lauscht, denkt sie darüber nach, welch ein Segen sie ereilt hat. Es hat aufgehört zu regnen. Die Luft schmeckt nun frisch nach nassem Erdreich und es ist ihr als hätte niemals zuvor jemand diese Luft gekostet. Sie schließt die Augen, atmet tief ein und aus und seit langem kann sie wieder frei atmen. „Riechst du das?“, fragt er. Natürlich. Der luftig schlüpfrigen Duft des Lebens, der wie eine Welle über ihr zusammenschlägt und ihr die Tränen in die Augen treibt. Sie steht auf, hüpft auf und ab und versucht die Kälte aus dem klammen steifen Gliedern zu vertreiben. Ihre Gelenkte knacken widerlich, wie die einer Marionette die zulange in der Kammer hing. Marionetten, Puppen, mehr sind die Menschen nicht. Doch wer ist der Puppenspieler? Die Machthaber der alten Zeit sind schon lange vergessen. Angst regiert diese Welt und sie ist ein grausamer Diktator. Sie durchkämmt ihr nasses Haar mit ihren Fingern, dann setzt sie sich wieder an seine Seiten und schweigt in die Dunkelheit, die sie noch immer umgibt, wie ein Ozean von Tränen, schon lange getrocknet auf ihrer blassen Haut. Sie wagt es nicht nach morgen zu fragen, fürchtet sich vor der Zukunft die im Morgengrauen liegt. Wo soll sie hin? Was soll sie tun? Sie ist wie ein Schaf, ein Lamm, das seinem Befehl folgt. Kann man es Befehl nennen? Es sind wohl eher Bitten, Ratschläge. Er würde niemanden Befehle erteilen, vor ihm brauchte niemand knien. Nichts ist gefährlicher als Menschen, die vor einem andern knien, nichts ist furchterregender. Er selbst würde nie kneien. Nicht mehr. Er weiß um die Grauen und Taten, die er begangen hat, weiß um die Fehler und er fragt sich ob dies nun die Strafe war. Dazu verdammt zu sein ewig zu Leben oder zumindest solang bis ihm sein Handeln bewusst wurde? Wie so viele andere war er sich stets sicher das Richtige zu tun. Heute weiß er wie sehr er sich getäuscht hat. Wie konnte es soweit kommen? Wie konnte er es nicht bemerken? Vorwürfe. Er ist der Einzige der sie ihm macht und doch, weiß er nicht wie lange er ihnen noch standhalten kann. Was wäre, wenn sie nicht wäre? Er weiß es nicht. Oder doch? Wenn sie nicht ist, was ist er dann? Ein Nichts, ein Sandkorn im Getriebe, würde vergehen wie die Gischt am Meer. Er kann sie nicht sehen doch ihr sanfter gleichmässiger Atem sagt ihm das sie nun endlich eingeschlafen ist. Was würde sie tun wenn sie wüsste? Wenn sie erinnern würde? Würde sie ihn verlassen? An seinen Händen klebt soviel Blut das er sich vor sich selbst ekelt. Am liebsten würde er sie sich abschneiden, diese ekelhaften blutigroten Hände, die soviel Leid und Schlechtes gebracht haben. Was gibt ihm das Recht weiterzuleben? Warum sitzt er hier an dieser Stelle in der Finsternis mit ihr an seiner Seite? Er ist kein guter Mensch, war es nie, würde es nicht sein. Es liegt nicht in seiner Natur. Er ist ein Killer, ein Mörder, ein Verbrecher. Damals nannte man ihn einfach Soldat. Wie konnte er sich von den silbernen Zungen der Dirigenten täuschen lassen? Er war einfach jung. Ist es noch immer, zumindest wenn man es körperlich betrachtet. Sie ist älter, er weiß nicht wie alt, doch sie ist älter. Auch wenn er sie nun in der Dunkelheit nicht sehen kann so weiß er doch um die kleinen Falten um ihre Augen, die ihm sagen, dass sie einst gerne gelacht hat. Er sehnt sich nach diesem Lachen. Auch wenn er es noch nie vernommen hat, weiß er es ist das Lachen eines Engels. Doch das Lachen ist verschwunden, wie könnte es auch nicht? Nun sind ihre Augen kalt, grau und stumpf und sie trägt namenlose Erschöpfung in ihrem Gesicht. Dunkle Ränder unter den Augen lassen sie alt wirken, die Sorge hat bereits einige graue Strähnen in ihre rote Mähne gepflanzt, doch trotz alldem ist sie die wohl Schönste aller Frauen für ihn. Er weiß nicht ob diese Annahme davon kommte, das er die letzte Frau noch während des Krieges begehrte, oder nicht. Er ist sich sogar sicher, sie in einer normalen friedvollen Welt nicht einmal anzusehen, und doch kann er es nicht mit Sicherheit sagen. Ist es nur seine vernachlässigte Libido oder ist da mehr? Er will nicht das dort mehr ist. Er hat beschlossen sie nur als Freundin zu sehen. Sie hat besseres verdient als jemanden wie ihn. Trotzdem kommt er nicht umhin seine Hand nach ihr auszustrecken und sanft ihre Gesicht zu berühren. Die Haut ist weich, viel weicher als er vermutet hat. Er hat mit einer rauen, stumpfen Haut gerechnet, trocken von Wind und Wetter welchem sie leider ausgesetzt ist. Doch sie ist weich, weich wie Seide und plötzlich hat er Angst sie könnte unter seinen Fingern zerbrechen. Sie ist einfach zu zerbrechlich. Niemals würde er etwas tun das ihr schaden könnte. Sie ist sein Anker, sein Fels in der Brandung und wieder fragt er sich wie jemand wie er jemanden wie sie verdient hat. Sie ist zu sanft, zu gut, zu zerbrechlich für diese Welt. Trotz der Finsternis die sie beide nicht nur in der Nacht umgibt, weiß er das sie sich immer noch an der Licht erinnert, auch wenn ihr Gedächtnis verschwunden ist. Sie greift immer noch nach den Sternen um ihm zu leuchten. Auch wenn er nie einen Ort gehabt hat, der es wert gewesen wär Heimat genannt zu werden, weder vor noch nach dem Krieg, so ist sie doch das was er zuhause nennt. Er versucht sich einzureden das er sie nicht braucht, das sie nur Ballast ist, doch wenn er ehrlich ist, so braucht er sie doch mehr als sie ihn. Sie sind voneinander abhängig. Vielleicht wäre es besser wenn es nicht so wäre, doch in Zeiten des Hasses und der Angst nimmt er jeden Funken von Liebe und Zuneigung dankend an, auch wenn er selbst sich sicher ist nicht lieben zu können. Jemandem wie ihm sollte es nicht erlaubt sein zu lieben, er hatte zuviel Lieben anderer zerstörrt und sich nicht einmal etwas dabei gedacht. Er hasste nicht die Menschen die er tötete, er tut es auch heute nicht, er hasst nur sich selbst, doch sie waren ihm schlichtweg egal und er befolgte einfach Befehle. Es war sein Job, mehr nicht, einen Job den er nicht gerne machten, aber auch nicht völlig verabscheute. Er zwang sich seine Opfer nicht als Menschen zu sehen, es war schlichtweg eine Arbeit die erledigt werden musste und wenn er es nicht getan hätte, so ein Anderer. Er lehnt den Kopf nach hinten und lauscht in das Schwarze. Er weiß nicht wie lange er schon vor sich hingrübelt und obwohl er weiß das er sie schon lange hätten wecken müssen, damit er selbst schlafen kann, lässt er sie ruhen. Er würde keinen Schlaf finden. Er weiß nicht wann genau er die Augen geöffnet hat oder wer es war der ihm geholfen hat, doch nun ist er froh um seine eigene Seelenpein. Es sollte schlimmer sein. Oft genug hat er sich ausgemalt wie es sein würde sie fortzuschicken, oder selbst zu gehen, doch er ist zu egoistisch. Er will ihre Nähe genießen, auch wenn er sie mit seiner beschmutzt. Für jemanden wie ihn ist es unverständlich das ihm jemand Wärme schenkt und das tat sie ohne Zweifel. Er sollte einfach vergehen ohne sie, doch sie bleibt und das obwohl sie schon lange hinter seiner Maske geblickt hat. Warum bleibt sie? Er weiß es nicht, er will es nicht wissen, auch wenn sein Herz nach dieser Frage hungert. Der Verstand sollte immer über das Herz regieren, doch ist er ganz ihrem und seinem Herzen ausgeliefert. Langsam spürt er wie sie sich regt und sich aufsetzt. Wie lang hat sie geschlafen? Sie sollte länger schlafen, sie braucht mehr Schlaf. Doch er sagt nichts. Er sieht sie einfach nur an, wie sie den Schlaf aus den Augen blinzelt, und ihn dann anlächelt. Womit hat er dieses Lächeln verdient? Er spürt wie er dahinschmilzt. „Die Sonne geht bald auf.“ Am Horizont hat sich ein goldener Streifen sichtbar gemacht. „Ja, die Sonne geht wirklich auf.“, er lächelt, während sich sein Herz schmerzhaft zusammenzieht und laut hämmernd gegen seine Brust schlägt. Schweig still, du verräterisches närrisches Herz! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)