A loving Girls World von Susuri ================================================================================ Kapitel 5: Like the Caged Bird ------------------------------ Ein letztes Mal schleifen meine Finger über meine hölzerne Zimmertür. Splitter bohren sich in mein Fleisch, doch ich ignoriere sie. Meine Augen füllen sich vor Wut mit Tränen und ich hole aus, um der Tür einen kräftigen Tritt zu verpassen. Doch in genau dem Moment, in dem mein Fuß eigentlich das Holz treffen sollte, öffnet sich die Tür. Jaulend und fluchend geht der junge Mann vor mir zu Boden. „Musste das wirklich sein?“, mit zusammen gekniffenen Augen blickt er zu mir hoch, während er sich das Schienbein reibt. „Willst du mich jetzt jedes Mal so begrüßen, Serena?“ Würdevoll und mit einer gewissen Schadenfreude im Blick betrachte ich sein schmerzverzerrtes Gesicht, in das seine langen dunkelbraunen Haare hängen. „Willst du dir denn nie die Haare schneiden?“, antworte ich, ohne auf seine Bemerkung einzugehen. „Bald siehst du aus wie ich, Claude!“ Wirsch streicht er sich die Strähnen aus dem Gesicht und es ist offensichtlich, dass er um Fassung ringt. „Serena, ich verstehe nicht warum Ihr nicht endlich einsehen wollt, dass es hier für Euch am sichersten ist!“, entgegnet er, ohne auf meine Stichelei einzugehen, sich aber hoffentlich seines Standes wieder bewusst werdend. Einen kurzen Moment blicke ich ihn noch an, wende mich dann aber mit einem trotzigen Schnauben von ihm ab und trotte zu meinem Sessel am anderen Ende meines Zimmers. „Serena, können wir nicht einmal normal miteinander reden? Ihr wisst, dass es mich meine Anstellung kosten könnte, wenn Ihr nicht endlich Euren Wunsch nach draußen aufgebt!“ Demonstrativ ihn ignorierend greife ich neben mich und ziehe mir „Die Geschichte Dystopias“ auf die Knie, in der ich momentan lese. Mein Augen überfliegen die Seite, auf der ich neulich hängen geblieben war. Das Ende der Stolen-Dynastie, steht da in dicken Lettern als Überschrift. Ich seufze. „Vater hat sie beendet...“, murmele ich unbewusst und ziehe damit die Aufmerksamkeit meines Kammerdieners wieder auf mich. Claude lächelt mich fürsorglich an. „Euer Vater hätte nicht gewollt, dass ich Euch in diese Welt hinauslasse, Serena!“, sagt er leise und beschwichtigend. Seine Worte wollen mich überreden, doch wie feine, kleine Messerschnitte bohren sie sich in mein Fleisch. Meine Augen verengen sich zu Schlitzen und ich starre ihn böse an. „Musst du wieder davon anfangen, Claude? Ich sitze hier fest und du und ich wissen am besten, dass ich aus diesem Turm niemals entkommen kann, niemals. Aber trotzdem will ich dir eins sagen: Die Dunkelheit der Nacht, der Nebelschleier am Morgen, die Flammen, die sich in mein Herz brennen und das Licht, dass am Ende der Straße auf mich wartet. Ich habe so viel davon gelesen, wieso darf ich das nicht auch erleben, Claude?“, rufe ich und werfe die Enzyklopädie auf meinen Knien in seine Richtung. Oder zumindest versuche ich es. Schlitternd gleitet der Wälzer über den Boden und bleibt gut einen halben Meter von ihm entfernt liegen. Er beugt sich hinab und hebt das Buch auf. „Serena, ich wünschte ich dürfte Euch erlauben, Euer Zimmer zu verlassen, aber vor dem Tod Eures Vaters versprach ich ihm, Euch hier zu behalten, Euch niemals die Welt da draußen zu zeigen. Eine Welt, in der eine Dystopie herrscht, die sich vor einem Jahrhundert niemand hätte ausmalen können.“ Ich ziehe meine Knie an die Brust und funkele Claude über sie an. „Alles wäre mir lieber, als dieser Raum, ich will die Welt nicht nur durch ein kleines Viereck betrachten müssen, ich will durch die Wiesen rennen, in kühlen Gebirgsbächen baden und zwischen den Ruinen der Schlachtfelder spazieren gehen. Ich will die Pfade erkunden, auf denen Vater ums Leben kam, das alles, nur nicht hier eingesperrt sein! Jetzt: raus!“ Das letzte Wort schreie ich in tiefer Verzweiflung. Einen kurzen Moment lang blickt er mich nachdenklich, dann verbeugt er sich kurz und verlässt mit einem kurzen: „Ja, meine Lady, verzeiht!“ den Raum und lässt die Tür sanft ins Schloss fallen. „Ich will hier raus...“, murmele ich leise und lasse mich in die Ohren meines Sessels fallen. Die Müdigkeit übermannt mich und ich gebe mich ihr widerstandslos hin.   Schweißgebadet schrecke ich hoch. Mein Zimmer ist in eine unangenehme Dunkelheit gehüllt, diese Art von Dunkelheit, die einem jedes kleinste Geräusch unglaublich laut erscheinen lässt. Eine Windböe raschelt durch meine Gardinen und erschrocken blicke ich mich in meinem Zimmer um. Schaudernd schleiche ich zu meinem Fenster, um es zu schließen. Als mein Blick auf die Welt fällt, die sich vor mir erstreckt, bleibt mir der Atem stocken. Die mir so wohl bekannten Hügel, Weiden und Berge haben sich in ein funkelndes Meer aus Laternen, Glühwürmchen und glänzenden Flüssen verwandelt. Staunend betrachte ich die Schönheit vor mir – dann fasse ich einen Entschluss. Ich lehne mich aus dem Fenster und betrachte die Wand meines steinernen Gefängnisses. Die Ranken, die sich daran festhalten sehen nicht sonderlich stabil aus, doch einen Versuch ist es wert. Vorsichtig klettere ich auf das Fensterbrett, als ich plötzlich hinter mir einen lauten Schrei höre. „Serena!“, ich drehe mich um und sehe Claude keuchend in der Tür stehend. „Bis du wahnsinnig geworden?!“ Er rennt zu mir, schlingt seine Arme um meine Hüften und zieht mich vom Fenster weg. Strampelnd versuche ich mich zur wehr zu setzen, doch sein Griff ist erbarmungslos. „Lass mich los, Claude!“, fauche ich und versuche mich ihm zu entwinden. Doch er dreht mich nur um, drückt mich an sich und zieht mit einer Hand mein Kinn zu sich hoch, so dass ich gezwungen bin, ihm in die Augen zu blicken. „Wolltest du dich etwa umbringen, Serena?“, er hat jegliche Förmlichkeit verloren, seine Stimme bebt vor Wut, doch in seinen Augen sehe ich vor allem Sorge und Angst. Um mich?, überlege ich. Er schüttelt mich, ohne auf eine Antwort zu warten. „Mach das nie wieder, wir werden einen Weg finden, dass du irgendwie manchmal aus deinem Turm kommst, doch bitte nimm dir nicht dein Leben!“ Ich starre in seine dunkel braunen Augen und zum ersten Mal bemerke ich, dass er wirklich nicht viel älter als ich sein kann, vielleicht zwei Jahre oder auch nur eins. Meine Kehle fühlt sich trocken an und ich muss mich räuspern, bevor ich ihm antworte. „Verzeih, Claude... Es sah draußen einfach so wunderschön aus...“, ich versuche ihn anzulächeln, doch es gelingt mir nicht. „Du... Idiotin!“, schimpft er leise und blickt mich traurig an. „Du hättest sterben können!“ Ich ertrage den Blick in seinen Ausdruck nicht mehr und beschließe etwas zu tun, was ich schon so lange vor hatte. Langsam beuge ich mich zu ihm hoch und gebe ihm einen leichten Kuss auf seine Lippen. „Entschuldige, Claude“, murmele ich an seinen Lippen. Als ich merke, was ich da eben getan hatte, weiche ich erschrocken zurück und starre ihn überrascht an. „Tut.. tut mir leid, das, was ich da gerade getan habe, ich... vergiss es einfach!“, stottere ich und versuche ihn von mir zu schieben. Einen kurzen Moment lang blickt er mich noch perplex an, dann lächelt er. „Ganz sicher nicht, meine Prinzessin“, lacht er und drückt mir kurz seine Lippen auf die meinen. Beschwingt wünscht er mir noch eine gute Nacht und verlässt dann mein Gemach. Verwirrt stehe ich in der Mitte des Raumes. Meine Hand wandert langsam zu meinem Lippen und ein Lächeln stielt sich über mein Gesicht, als ich an unsere beiden Küsse, aber auch an sein Versprechen, denke. Ich werde die Welt sehen, ich werde sie entdecken und ich werde sie lieben. Aber vor allem werde ich nie mehr allein sein, da bin ich mir sicher.  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)