Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 22: Ostern in Cambridge - Erkenntnisse 2 ------------------------------------------------ Kieran Ein leises, nicht wirklich ernst zu nehmendes Grollen entwich seiner Kehle, als Dominico sich auf der Zunge zergehen ließ, dass er ihm versprochen hatte, "Ihm zu gehören". Aber dem Grollen ging ein Grinsen einher, zumal Dominicos folgende Worte, ihm noch einmal bestätigte, dass auch jener die Realität kannte. Als Dominico sich von ihm löste, fühlte es sich mit einem Mal so kalt an. Er säuberte sich noch restlich mit dem Tuch, das Dominico vorhin auch schon verwendet hatte, und richtete sich auf, als er überrascht aufsah. Der andere vermisste ihn schon jetzt? Wow, heftig. Er schluckte. So etwas sollte Dominico lieber nicht sagen. Solche Worte schmerzten und verwirrten. Aber Kieran wischte es weg. Es war nur für diese eine Nacht, mehr nicht. Und da würden sie so tun, als wäre das normal, so etwas zu sagen. Eine Nacht, in der sie einfach zusammen waren, einfach nur zusammen. Kierans Füße berührten den kalten Boden und ja, er Vermisste die Wärme des anderen auch irgendwie. Er wäre lieber mit diesem einfach liegengeblieben. Kieran betrachtete den schönen Rücken des anderen, der zum Kamin getreten war, und ihm nun versprach, etwas zu essen zu holen, während er sich Wein einschenkte. Die Entfernung zum anderen kam ihm in diesem Moment so groß vor und einen Moment hatte er das dringende Bedürfnis, zum anderen zu gehen, ihn zu umarmen, ihn auf diesen schönen Rücken zu küssen. Doch er zögerte, ob der Worte, die er vorhin gehört hatte. Es ging ihm zu nah, es berührte ihn zu tief. Es würde schwer werden, wenn er morgen ging. Das Zögern dauerte zu lange, denn in diesem Moment warf ihm Dominico seine Klamotten zu und verließ den Raum. "Danke dir", sagte er noch, blickte dem anderen hinterher, der in diesem Moment sich noch einmal umdrehte. Und dann kam der vernichtende Schlag. Ungläubig starrte er auf die Tür, die sich hinter dem anderen schloss. Er schluckte. Die ganze Nacht ist zu kurz um jemandem wie dir auch nur ansatzweise gerecht zu werden. Kieran ließ sich aufs Bett sinken und schloss die Augen. "Verfluchter Mist!", flüsterte er leise. Warum tat Dominico das? Warum sagte er ihm so etwas? Und warum tat es so grässlich weh, wo er sich doch eigentlich so sehr darüber freute. Er schluckte, schüttelte den Kopf. Dann stand er auf und zog die Klamotten an, die ihm etwa zu groß waren. Die Hose saß zu locker, das Hemd rutschte ihm von der Schulter. Aber es störte ihn nicht. Sollte Alessandro Sforza sich doch eins und eins zusammenzählen... Er verließ das Zimmer und die kühle Luft, die ihm entgegenschlug, tat ihm gut, den Kopf wieder klar zu bekommen. Während seine Füße sich den Weg in Richtung des Gästezimmers bahnte, in dem Finley untergebracht war. Er glaubte nicht, dass Alessandro ihm tatsächlich etwas antat. Aber dennoch wusste er nicht so genau, was ihn wohl in diesem Zimmer erwarten würde. Er hoffte auf einen schlafenden Finley, der durch sein Elixier ein wenig zur Ruhe gekommen war. Er klopfte an und wartete einen Moment. Die Stimme von Alessandro Sforza bat ihn einzutreten. Und das tat er. Alessandro Sforza saß am Bettrand und betrachtete den blonden Mann, der nun aus dem Schlaf hochschreckte.. Offenbar kurz verwirrt blickte er zu ihm, dann lächelte ihn Finley an – ein gutes Zeichen. Zu sehen, dass der Kardinal Finley wohl tatsächlich Ruhe gegönnt hatte, tat gut. "Entschuldigt, eure Eminenz", murmelte er halblaut und versuchte ein Lächeln. "Ich hatte versprochen, nach Finley zu sehen, aber ich sehe, dass es ihm ganz gut zu gehen scheint." Er hob die Augenbrauen. "Ja,... ich geh dann mal wieder..." Und damit wandte er sich ab und verließ das Zimmer, seinen Koffer mit Arzneien mitnehmend. Es war wohl besser, er würde ihn bei sich haben. Wer wusste, was heute Nacht noch geschah. Und wenn Dominico so weitermachte... dann würde er fliehen, aus reinem Selbstschutz. Die ganze Nacht ist zu kurz, um jemandem wie dir auch nur ansatzweise gerecht zu werden. Die Worte hallten noch immer in ihm wieder. Finley Erschrocken zuckte Finley zusammen, als es mit einem Mal klopfte. Das Gesicht des Arztes, Kieran, kam zum Vorschein. Der Rebell hatte völlig vergessen, dass dieser noch einmal nach ihm sehen wollte und auch, wenn er sich von dem Mann zuvor im Stich gelassen gefühlt hatte, war er doch froh, dass dieser immerhin sein Versprechen gehalten hatte. Also lächelte Finley ihn so gut es ging an, um zu zeigen, dass es ihm zurzeit durchaus nicht schlecht ging. Allerdings wollte er lieber auch nicht zu gut aussehen. Man wusste schließlich nie, was noch geschehen würde. "Danke, dass ihr nach mir gesehen habt", fügte er hinzu und beobachtete die Überraschung im Blick des Arztes und folgte dessen Blick zu Alessandro, der neben ihm saß. Schnell blickte er wieder zur Tür. Die letzten Worte kamen ihm in den Sinn. Er hoffte, dass sie Alessandro nicht wieder aufgreifen würde…. Und so folgte ein etwas unsicheres Lächeln, während er Kieran genauer ins Auge fasste. Dieser hatte seine Kleidung gewechselt. Doch sie wirkte zu groß. Auch sein Haar schien durcheinander, sein Gesicht etwas gerötet und in seinen Augen schien etwas zu funkeln, was er hin und wieder auf ähnliche Weise in den Augen anderer Männer gesehen hatte. Wenn auch nicht oft. Kaum, dass Kieran wieder verschwunden war, entstand eine kleine, seltsame Stille. Finley überlegte, ob er aussprechen sollte, was er zu sehen geglaubt hatte, doch er hielt es kaum für angemessen. Alessandro hatte sicher genug Erfahrung, um dieses Erscheinungsbild zu deuten und der Rebell wollte Kieran nicht bloßstellen, falls dem nicht so war. Also hielt er einfach den Mund. Abgesehen davon, schämte er sich nun tatsächlich etwas dafür, dass er zunächst um Hilfe gerufen hatte. Auch wenn er immer noch nicht genau wusste, ob der Zeitpunkt nicht kommen würde, dass er erneut nach Hilfe rufen musste. Alessandro Als es klopfte hob Alessio nicht mal den Kopf. Der ranghöchste Mensch, der hier eintreten konnte, war sein Bruder und in der Regel klopfte der nicht, wenn er etwas von ihm wollte. Gut, eine willige Cecile die zu dieser späten Stunde noch nichts Anderes gefunden hatte, würde wohl auch klopfen, doch das würde ihn auch nicht dazu bringen, seine Position zu ändern. Und es war, wie er vermutet hatte, ein überfürsorglicher Kieran, der es tatsächlich noch mal über sich brachte, hier aufzutauchen... und auch noch in der Kleidung seines Bruders. Alessio musste ein höhnisches Auflachen und einen hämischen Kommentar doch sehr unterdrücken und es gelang ihm kaum. Naja, manchmal spielte das Leben eben so. Kieran sah nach Fin, ohne das Alessio sich wegbewegte und er ging auch wieder, sehr schnell. Offenbar war ihm die ganze Sache peinlich und genau das sollte sie auch sein. Wobei es Fin wohl noch peinlicher sein sollte, immerhin hatte er um Hilfe geschrien. Als die Tür ins Schloss fiel gluckste Alessio leise. "Soso.. erst schreist du danach, dass er dich nicht mit mir allein lässt, und jetzt wo er heroisch kommt, um dich vielleicht aus meinen folternden Händen zu retten, kriegst du keinen Ton heraus. Er muss sich ganz schön veräppelt vorkommen, meinst du nicht?" Finley Was allerdings dann aus dem Mund des Kardinals kam, ließ Finley erstarren. Diese Bitterkeit und gleichzeitig der Hohn. Alessandro war gefährlich. Und alles an dem Verhalten des Kardinals zeigte von Wut. Finley blickte noch kurz zur Tür. Er erinnerte sich gut an das, was der andere gesagt hatte, bevor er weggenickt war… Er hatte sich darüber gewundert, dass Alessandro tatsächlich seine Pläne verriet. Krampfhaft überlegte er, wie er dies nach außen würde tragen können. Das beklemmende Gefühl in seinem Magen breitete sich langsam zu Übelkeit aus. Wie hatte er so ein verdammter Idiot sein können, zu glauben, dass dieser Mann ihm und seinen Freunden nur Gutes wollte, nur weil er hier saß und ihn hatte pflegen lassen? Finley steckte in der Zwickmühle. Er würde nicht plaudern. Die Umstände waren durch ihn schon schlimm genug. Und seine Freunde? Würden sie diesem ungeheuerlichen, unsagbar gemeinen Trick glauben, er habe gesungen? Er hoffte es nicht, doch es gab sicher einige, die mit der Favorisierung Ralphs nicht einverstanden gewesen waren und ihm sicher alles zu trauten. Und er hatte nicht mal die Möglichkeit, sie zu warnen. Etwas Falsches zu erzählen, würde auch wenig nutzen. Er und seine Freunde saßen in der Patsche. Finley überlegte, ob er so tun sollte, als wisse er nicht mehr, wovon vorhin die Rede gewesen war. Aber der durchdringende Blick, dem er versuchte auszuweichen, verriet ihm, dass er durchschaut war. „Warum siehst du mich so an?“ , zischte er genervt und wohl auch überfordert von der Sackgasse, in der er sich befand. Das spöttisches Lächeln auf den Lippen des Kardinals verriet ihm, dass er den falsche Weg nahm. "Ihr werdet die Rebellen niemals klein bekommen!", wisperte er resignierend und verfiel automatisch in das alte Muster. "Es wird immer Menschen geben, die den Adel stürzen sehen wollen! Und es wird immer Rebellion geben. Und eines Tages werden wir auch siegen, auch wenn wir nicht wissen, was wir mit unserem Sieg anfangen! Und außerdem sind die Straßen voller wütender Menschen. Sie wollen Anne nicht. Und solange diese... diese Person, auf diesem Thron sitzt, wird es keinen Frieden mit dem König und den Bürgern dieser Stadt geben. Ich hörte, selbst der Adel würde sie nicht ausstehen können! Was versprichst du dir davon, ein paar arme Seelen an den Galgen zu bringen, Alessandro?!" fauchte er und vergaß nun völlig, in welcher Situation er sich befand. Finley war schon immer ein Hitzkopf gewesen und seine Mutter hatte ihm damals schon gesagt, seine große Klappe würde ihn eines Tages noch in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Alessandro Alessandro wusste nicht, wieviel der andere von seinen letzten Worten mitbekommen hatte. Aber die Reaktion auf seine Nähe und seine Anwesenheit, das Ausweichen des Blickes, das unruhige Hin- und Herumrutschen des anderen, verriet ihm, was er wissen musste. Und so dauerte es nicht lange, bis Finley seine Stimme wiedergefunden hatte und lospolterte. "Ein paar arme Seelen?" Da zeigte sich wohl doch noch einiges an Kampfgeist in Finley... naja, Alessio griff ja auch gerade diese heilige "Sache" an. "Woher weißt DU schon, was Gerechtigkeit ist? Du hast doch keine Ahnung davon." Fin konnte sich nicht wirklich von ihm wegbewegen, also drehte Alessio sich einfach, so dass er dem kleinen Möchtegernrebellen in die Augen sehen konnte. "Du weißt gar nichts über den König und über Anne Boleyn. Du weißt auch nichts über Katharina von Aragon oder über Giulia Sforza und all die anderen Frauen die in seinem Bett gelegen haben. Du weißt nichts über Macht und Einfluss des Adels und darüber, was wir über EUCH denken." Er griff nach dem Weinbecher um ihn erneut zu füllen, trank aber nicht. "Du spuckst hier große Töne, du hast doch keine Ahnung! Und nicht mal Ralph hatte irgendeine Ahnung! Ihr seid kleine Leute, ihr seid niemand. Wenn ich will, dann hängen deine Freunde noch heute Nacht und es wird sich niemand darum scheren. Denn hätte Ralph Kontakte nach ganz oben gehabt: ich wäre längst vergiftet, oder ich wäre jetzt an seiner Stelle tot, weil er nicht allein und betrunken auf mich gewartet hätte, sondern vorbereitet und mit Verstärkung. Aber nein, er war allein und warum war er allein? Weil er sich in diesem Fall auf niemanden hätte verlassen können. Niemand hätte mitgezogen und erst recht niemand seiner vielleicht doch vorhandenen einflussreichen Freunde. Denn wenn ihr Freunde seid von Katharina von Aragon, dann wird keiner den Mord an einem katholischen Kardinal unterstützen, weil Katharina Katholikin ist! Hast du dir bei all deinem Drang nach Freiheit und dem Sieg über etwas, von dem du nicht einmal weißt, was es ist, Gedanken darüber gemacht, um was es überhaupt geht? Nein, hast du nicht. Dass man dabei Opfer bringen muss, das ist keinem von euch bewusst. Was habt ihr schon getan? Einen jungen Hüpfer wie dich in eine Kirche eingeschleust, wofür? Du warst nicht überzeugend, du bist aufgefallen und das war schlecht. Will man spionieren bleibt man unsichtbar, und du hättest auffälliger nicht sein können. Ralph konnte sicher kaum hoffen, Informationen von einem Mann zu bekommen, der sein Tagewerk damit verbringt, kleinen Verrätern und Männern, die die Kirche unterwandern, das Handwerk zu legen. Du in meinen Fingern war das letzte, was er hat wollen können, und doch bist du bereitwillig in meine Arme gesprungen - ein weiteres Zeichen für eure Inkompetenz. Ein so unorganisierter Haufen macht nur unsinnigen Ärger. Er erreicht nichts und steht im falschen Moment im Weg, also muss er aufgelöst und zerstreut werden, mehr habe ich davon nicht und mehr brauche ich davon auch gar nicht. Ich frage mich wirklich, wie du ohne den Blick für die wesentlichen Probleme in dieser Gemeinschaft, in der du dich herumgetrieben hast, überhaupt so lange hast überleben können. Ein Rebell.. gib den Leuten da draußen ein bisschen Kurzweil und ein Jahr ohne Steuern und sie werden für ihren König in jeden Krieg ziehen. Diese Menschen sehen alle zu ihrem König auf und halten ihm die Treue, du brauchst ein ganzes Land und mehr als einen verlorenen Krieg, um dieses Vertrauen zu erschüttern." Finley Der Kardinal hatte sich vor ihn geschoben, sodass dieser ihm nun genau in die wütend funkelnden Augen blicken konnte. "Und woran liegt es, dass ich nichts weiß? Dass wir nichts wissen? Weil ihr uns nicht am politischen Leben teilhaben lasst! Wir dürfen nur winken und 'Hurra' schreien, aber niemanden interessiert es, wie es uns geht, was wir tun und wie arm wir sind, solange rechtzeitig die geforderte Menge Getreide und Holz und was weiß ich da ist! Wie soll es mich interessieren, wen der König heute vögelt und wen er gestern gevögelt hat, wenn ich nicht weiß, ob ich den morgigen Tag überlebe? Das einzige was das Volk sieht, ist Anne Boleyn und dass die Kirche Dinge predigt, an die sich alle halten sollen, aber jeder mit Geld und Macht hat augenscheinlich das Recht, zu tun und zu lassen, was er will!" Finley schnappte nach Luft und bemühte sich, sich zu beruhigen. Das hier war nicht der richtige Moment, um aus der Haut zu fahren und ganz abgesehen davon, war er auch nicht in der richtigen Verfassung. Schon jetzt spürte er, wie seine Gliedmaßen bei seiner lauten Stimme erzitterten und seine geballten Fäuste pulsierten leicht vor Schmerz. "Ich weiß, dass wir nicht gerade die Tempelritter sind", knurrte Finley und schloss für einen Moment die Augen, um nicht wieder laut zu werden. "Ich weiß, dass du uns alle hängen lassen kannst und es würde dir wahrscheinlich nicht mal ein schlechtes Gewissen, geschweige denn einen Alptraum bescheren. Ich weiß, dass wir dir alle egal sind und dass es dich nur interessiert, dass es dir selber gut geht. Aber kannst du nicht zumindest verstehen, wie trist unser Leben ist? Wie ermüdend und kalt. Wie verdammt unsicher unser bloßes Überleben ist? Wir mögen ein Haufen Stümper sein, die wie kleine Kinder ein Abenteuer spielen, aber wir spielen zur Hölle nochmal eine Rolle! Einzeln mögen wir leicht zu beseitigen sein, doch ich will, dass die Menschen begreifen, dass sie wichtig sind. Jeder von ihnen, als Individuum. Und dass wir zusammen etwas erreichen können." Finley verstummte einen Moment. Er hatte so viel gesagt, was ihm wichtig war. Und das diesem Mann, der Recht hatte, in allem, was er da sagte, doch der in seinem goldenen Palast wohl ebenso wenig zu verstehen schien, wie Finley diese fremde Welt begreifen konnte. "Ich weiß, ich kann dich nicht aufhalten, Gerüchte zu verbreiten oder jemanden zu hängen, aber falls du vorhast, mich gesund werden zu lassen, dann bitte ich dich, mich danach unbehelligt gehen zu lassen. Wie du bereits gesagt hast, werde ich ohnehin keine Rebellion anzetteln können, selbst wenn ich wollte. Und ohne meine alten Freunde werde ich erst einmal Fuß fassen müssen, um weiter überleben zu können." Der Rebell war sich nicht sicher, ob Alessandro zustimmen würde. Er konnte diesen Mann ganz und gar nicht einschätzen und vielleicht würde es besser sein, ihm aus dem Weg zu gehen. Dieser Mensch schien ihn immer abwechselnd zu retten und in Schwierigkeiten zu bringen, doch er war nicht sicher, ob Alessandro nicht auch für die Schwierigkeiten verantwortlich war. Ein Gähnen schlich sich Finleys Kehle empor und er schaffte es nicht, sich rechtzeitig den Mund zu verdecken, da ihm die Arme schmerzten. Die gesamte Situation schwächte ihn, es war so hoffnungslos. Der Gedanke, was kommen würde... er fühlte sich so unendlich müde... er wollte schlafen, einfach nur schlafen und schlafen und schlafen... und am besten nie wieder aufwachen. Alessandro Eigentlich hatte er Fin für wesentlich weniger beschränkt gehalten. Gut, er hatte sich äußerst verdächtig verhalten, als er ihn das erste Mal getroffen hatte, doch diese Verdachtsmomente waren vor allem daraus entstanden, dass Alessio gewusst hatte, worauf er achten musste. Für alle anderen war Fin einfach nur eine Ausgeburt von Frömmigkeit gewesen und der Diebstahl von Münzen aus den Beuteln war keine Seltenheit. Viele bereicherten sich an diesen Spenden, auch wenn Fin es vielleicht ein wenig übertrieben hatte. Gut, auch im Bett war er etwas wankelmütig und viel zu "pflichtbewusst" gewesen, doch Alessio war sich eigentlich recht sicher, dass Finley einen Sinn für Realität hatte. Das was gerade aus seinem Mund kam war so realitätsfern, dass Alessio es in einem Theaterstück als Posse mit lautem Beifall bedacht hätte. Der junge Rebell, zusammengeschlagen auf dem Bett, war einfach nicht zur Vernunft zu bringen.. Alessio schüttelte den Kopf ehe er sich erhob und den zeternden Fin einfach im Bett liegen ließ, während er alles Spitze und Gefährliche aus seiner Reichweite räumte. Nicht dass der Junge noch auf dumme Gedanken kam, die er offenbar ohnehin schon die ganze Zeit hatte. Schließlich konnte er doch nicht anders und musste bei den Ausführungen über Individualismus lachen. An den Bettpfosten gelehnt sah er zu Fin hinab. "Man im Ernst, daran glaubst du nicht wirklich, oder? Ein jeder ist wichtig, das Individuum zählt? Gemeinsam sind wir stark? Du bist ein größerer Idiot als ich dachte wenn du das wirklich für bare Münze nimmst. Du wirfst mir vor ich würde mich um mein eigenes Wohlergehen sorgen - ist das nicht das Individuum das zählt? Aber lass dir eines gesagt sein, es geht hier nicht um mich. Dass ich ein kleines Flittchen wie dich durch mein Bett schubse, interessiert niemanden. Dass du es heraus posaunst - von mir aus. Hier in Cambridge kann mir niemand etwas, der Vatikan wird mich dafür vielleicht tadeln und ich bete einfach ein paar Vater Unser mehr, aber passieren? Passieren wird gar nichts. Die Sorge gilt nicht mir, meinem Ruf oder meiner Person, sondern MEINEM König, und diesem Land das ich inzwischen neben meiner Heimat als das meinige ansehe. So wie du angeblich loyal und treu gegenüber deinem Ralph gewesen bist, so bin ich loyal zu Henry, meiner Familie und dem Vatikan. Wenn ich also jetzt meine Boten in die Stadt schicke um dafür zu sorgen, dass bei Sonnenaufgang Leichen auf dem Marktplatz hängen, dann weil ich mich Sorge - um das Wohl Englands. Nur mal angenommen eine Gruppe wie ihr hätte Erfolg, was würde passieren? Ein neuer König würde kommen, ich habe es dir bereits gesagt. Mit einer größeren Armee, mit mehr Druck und falschen Versprechungen. Und wieder würdest du im Dreck kriechen, am unteren Ende der Gesellschaft. Du wärest weiterhin nichts, deine Revolution im Sande verlaufen. Das Volk ist nicht bereit, die Macht mit zu tragen, weil sie sie gar nicht wollen. Selbst die verhungernden Bettler sehen zu dem König auf, wenn er ihnen Essen verspricht. Anne hat gar nichts damit zu tun. Sie ist nur eine Frau von vielen und wenn der König sie heiraten will, wird er das tun. Er hat das katholische Frankreich bereits zum Feind, was will Italien tun, was will Spanien tun? Niemand von ihnen wird die Insel angreifen, dafür haben sie nicht die Mittel und dafür ist die Armee des Königs zu groß. Das Schlimmste, das Henry dabei passieren kann, ist, dass die Gelder nicht mehr fließen, dass er vom Papst exkommuniziert wird, und dass die Kirche seine Ehe mit Katharina nicht scheiden wird - aber was kümmert es den König, was ein alter Mann hunderte Meilen von ihm entfernt auf einem Stuhl zu sagen hat? Gar nichts. Und du willst mir ernsthaft sagen, du hast keine Ahnung von all diesen Dingen? Du hast anklingen lassen eine christliche Erziehung genossen zu haben, du sagtest du habest begonnen Jura zu studieren - all diese Dinge müsstest du wissen, wenn du nur halb so gescheit wärest, wie du tust. Aber du bist einfach nur ein Träumer, der sich durchfüttern lässt von den willigen Männern, denen du deinen Arsch hinstreckst - ohne jeden Sinn für reale Ambitionen, die dich dorthin bringen könnten, wo du Einfluss hast. Individuen haben Macht. Die Macht, selbstständig etwas aus sich zu tun. Die Gelegenheiten gibt es. Man muss sie nur erfreuten!" Er winkte ab und wandte sich zur Tür. "Wenn du gesund bist werde ich dich der Stadtwache übergeben. Sollen die mit dir anstellen, was ihnen gefällt." Damit zog er die Türe auf, um zu gehen. Er hatte geglaubt, mehr in Finley zu erkennen, doch da im Bett lag ein kleines Kind, das im Grunde schon begriff, dass man etwas tun musste, um im Leben mehr zu haben als nur Eintönigkeit, aber nicht erkannte, dass dieser Weg eben nicht durch Freiheit und Brüderlichkeit zu bewerkstelligen war. Finley Wut, Abscheu und Hass begannen in Finley zu brodeln und wie heißes Wachs durch seine Eingeweide zu kriechen. Das Verlangen kam in ihm auf, diesen Mann zu Boden zu reißen und so lange diesen verbohrten Kopf auf dessen blankgeputzten Fußboden zu hämmern, bis sein Gehirn zu Brei geschlagen war und er keine dieser hässlichen, niederträchtigen Worte mehr gebrauchen konnte. Doch stattdessen blieb ihm nichts anderes übrig, als die Hände in die Bettlaken zu krallen und den stechenden Schmerz, der sich zwischen seinen Rippen ausbreitete, zu ignorieren. "Es wundert mich, dass du dich morgens noch im Spiegel ansehen kannst, mit deiner gespaltenen Zunge und deinen Worten voller Gift! Erst stellst du dich großzügig, bezahlst einen Arzt und setzt dich zu einem verwundeten Gauner ins Bett. Tust so, als wären wir alles Idioten, die keine Ahnung von dem weisen, netten, allseits besorgten Adel hätten. Wir, die wir im Dreck der Straße kriechen und euren Wohlstand finanzieren, hätten in der Politik nichts verloren. Du sagst es mit ruhigen Worten, mit einer Stimme, so weich wie Honig, aber ich wusste von Anfang an, dass man dir nicht trauen kann! Du bist so lächerlich! Derjenige, der nicht versteht, bist du! Hörst du dir eigentlich manchmal selber zu? Du redest von Güte und Liebe und Gnade und Wissen, doch nichts davon meinst du, wie du es sagst! Das ist der Grund, warum du nicht verstehst und niemals verstehen wirst, wovon ich rede! Denn ich meine, was ich sage, auch wenn ich es nicht umsetzen kann, so werde ich doch frei sein. Brech ruhig deine Versprechungen, häng mich ruhig an den Galgen! Ich habe von dir nichts anderes erwartet und dennoch lass dir gesagt sein - auch wenn du es mir nicht glauben wirst - dass ich in der kurzen Zeit, in der mein Geist frei war, glücklicher war, als du jemals im Leben sein wirst mit all deinem Gold, deiner Macht und deiner verfluchten Politik!" Wie sehr konnte man sich in einem Menschen täuschen? Finley hatte geglaubt, Verständnis und einen Hauch des gleichen Geistes in diesem Mann erkennen zu können, doch er war wohl verblendet oder zu hoffend gewesen. Alessandro war nichts weiter als ein Adeliger, der sich durch Wohlstand und Macht profilierte und der jeden, der anderer Meinung war oder ihm im Wege stand, aus dem Weg räumen würde. Und das, wie er es so schön geschildert hatte, wahrscheinlich auch noch mit Genuss. Was auch immer dieser Mann sich von seinem Besuch und der geheuchelten Fürsorge versprochen hatte, er hatte es wohl nicht bekommen. Und doch blieb die Übelkeit in ihm, als die Tür hinter dem Kardinal schwer ins Schloss fiel. Alessandro Ja, es war wirklich sinnlos gewesen, einen Arzt zu bezahlen. Alessio hatte es nicht einsehen wollen, doch als er jetzt sein Schwert gürtete und den Dolch auf der anderen Seite in den Gürtel steckte, wusste er, dass dieses Geld, von dem er nicht einmal wusste, ob Kieran es wollen würde, vergebens gewesen war. Was auch immer er geglaubt hatte in Finley zu sehen, es war nicht da. Die Tür knallte hinter ihm, als er hinaustrat und sie mit sich ins Schloss riss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)