Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 33: London - Lehrstunde mit Dr. Sullivan ------------------------------------------------ Kieran [[BILD=8207709.jpg]] An diesem Morgen war Kieran bereits früh wach gewesen, um noch bei Dr. Chambers vorbei zu schauen, ob dieser womöglich einen Brief für ihn hatte. Da dieser am vergangenen Tag für ihn keine Zeit gehabt hatte, war gebeten worden, vor Vorlesungsbeginn vorbeizuschauen. Außerdem wollte Dr Chambers ohnehin noch die Meinung von ihm im Zusammenhang mit einem Patienten hören, der einen schweren, offenen Bruch erlitten hatte. Er war zugegebenermaßen enttäuscht, dass er keinen Brief erhielt, aber immerhin konnte er bei dem Patienten weiterhelfen. Durch Dr. Sullivan hatte er lernen müssen, dass er sich mit Schlussfolgerungen zurückhalten sollte. Bei diesem Dozent konnte er sich sicher sein, dass er grundsätzlich das Gegenteil von dem behauptete, was Kieran vorschlug, nur um ihn blöd dastehen zu lassen. Kieran gewöhnte sich daran, konterte mit Perfektion. Solange er sich keinen wirklichen Fehler erlaubte, konnte dieser aufgeblasene Affe ihm auch nichts. Wenn es wichtig war, ging Kieran dazu über, etwas Anderes, nicht ganz Perfektes zu sagen, in der Hoffnung, dass Sullivan dann das andere, richtige anordnete. Wie auch immer - es war wahnsinnig anstrengend. Gemeinsam trafen Chambers und er sich bei eben jenem Patienten und Kieran untersuchte ihn. Der Mann war im Halbdunkeln von einer Leiter gestürzt. Der Arm sah deformiert aus und die Wunde sah bereits so aus, als würde sie beginnen, sich von einer Stelle aus entzünden. Kieran vermutete, dass Fremdkörper in der offenen Wunde waren und dass der Arm geschient werden musste. Er hatte eine solche Schienung selbst noch nie durchgeführt, aber Dr. Chambers konnte das. Kieran sah Dr. Chambers ungläubig an, als dieser ihn bat, die Wunde selbst zu versorgendes die Schiene anzubringen. Kieran sah Dr. Chambers nervös an. "Ich hab noch Verpflichtungen an der Uni", erklärte er, auch wenn er sich gerne beweisen würde... Kurzerhand bewirkte Dr. Chambers, dass er von diesen so lange freigestellt wurde, bis der Eingriff beendet war. Es war Kierans erster komplizierter Bruch und er durfte nicht nur dabei sein, er durfte die Wunde von dem Fremdkörper befreien, den Arm nähen – etwas, was er sehr gut konnte und was sich schon herumgesprochen hatte – und er durfte den Arm unter Chambers Aufsicht sogar schienen. Als er schließlich fertig war, sich dir Robe wieder anzog, um zurück zu den Vorlesungen zu gehen, war es bereits später Vormittag. Ziemlich abgehetzt ging er durch die Korridore der Uniklinik, um sich an die Gruppe von Dr. Sullivan anzuschließen, der sicher einen blöden Kommentar nicht würde verkneifen können. Er merkte zwar, dass heute irgendwie alle nervöser wirkten und die Schwestern ein wenig wie aufgescheuchte Hühner herumliefen, aber womit das zusammenhing, wusste er nicht. Nun, zumindest bis er sich zu der Gruppe Studenten stellte, die an dem Bett eines jungen Mannes standen, der sich am vergangenen Tag bei der Arbeit im Sägewerk einen Finger abgeschnitten hatte. Kieran hatte ihn versorgt. Zielstrebig stellte er sich neben John, der kurz zu ihm blickte und grinste. „Du hast Blut an der Stirn“, sagte John trocken und blickte wieder zu Sullivan, der großspurig redete. Aber er redete gar nicht richtig zu den Studenten. „Was macht er?“, fragte Kieran seinen Freund und wirkte irritiert. „Er gibt schon seit einer Viertelstunde mit deinen Patienten an“, wisperte John. „Der König ist da, du Torfnase.“ Kieran begriff nicht ganz, doch dann sah er die Gruppe, die Sullivan gegenüber stand und erst jetzt begriff er, wer da stand. Doch sein Blick galt nicht unbedingt dem König, sondern vielmehr dem Mann, der neben diesem stand, lebendig und wahrhaftig. Ihre Blicke trafen sich und Kieran konnte nicht anders, als zu lächeln. Dann fiel ihm wieder die Bemerkung von John ein und er rieb sich hastig die Stirn sauber. Offenbar hatte er sich beim Nähen mit blutigen Händen an die Stirn gelangt. „Ist es weg?“, fragte er an John gewandt, als er die mahnende Stimme von Dr. Sullivan hörte. „Mr. Carney!“, sagte dieser mit der gewohnt herablassenden Unterton, der Kieran teilweise nachts verfolgte. „Nun kommt Ihr schon zu spät und dann stört Ihr auch noch in Eurer ganz eigenen Dreistigkeit sogar die Visite, die der König beiwohnt. Ihr habt wirklich keinen Anstand.“ Kieran merkte, dass ihn das Gerede jetzt, da Dominico dabei war, wesentlich mehr ärgerte, als sonst, doch er blieb gelassen, streckte etwas herausfordernd das Kinn,. „Entschuldigt“, sagte er, „ich wollte nur erfahren, worüber gerade gesprochen worden ist, damit ich Euch besser folgen kann.“ Dr. Sullivan lächelte nachsichtig. „Dann tretet doch vor und zeigt dem König und Eurem Mentor Patient Nummer 326.“ Gemeint war ein junger Mann, der wegen einer Verletzung an der Wade eingeliefert worden war, und wegen dem er sich am vorherigen Tag mit Dr. Sullivan in die Haare gekommen war. Er war der Meinung, dass der Mann Anzeichen einer Blutvergiftung zeigte und dringend die Wunde gebrannt hätte werden müssen, während Dr. Sullivan eine einfache Wundversorgung anordnete und der arme Mann mit einem Verband zufriedenstellen wollte. Kieran trat mit einem „Wie Ihr wünscht.“ hervor, blickte zum König und verneigte sich leicht. „Mein König, es ist schön, Euch so wohlauf zu sehen“, sprach er diesen nun direkt an. Er nickte in Richtung Dominico, um auch seinen „Mentor“ zu begrüßen. „Wenn Ihr mir folgen wollt, so zeige ich Euch den Patient.“ Doch weiter kam er nicht, als eine Schwester zu ihnen trat, sich vor dem König in echter Manier verneigte und Kieran wieder einmal zeigte, dass er es wohl nicht ganz passend bewerkstelligt hatte. Er sollte sich wirklich einmal Benimmunterricht geben lassen. „Dr. Sullivan, ein junger Mann ist gerade mit einer Schnittverletzung eingeliefert worden. Wir bräuchten Eure Hilfe.“ Dr. Sullivan lächelte zufrieden. Die Gelegenheit, sich als toller Arzt zu beweisen, war genau jetzt gegeben. „Ich werde mich diesem Fall annehmen. Wenn Eure Majestät wünscht, so könnt ihr der Behandlung ja beiwohnen. Gerade in einer Schlacht sind solcherlei Situationen ja sehr häufig.“ Kieran war zunächst wieder vergessen, was diesem sehr recht war. Vor Dominico vorgeführt zu werden, war das letzte, was er wollte. Und so ging der Trupp in Richtung Aufnahmestation, wo der Mann lag, der aus einer offenen Wunde am Oberschenkel blutete, die ihm ganz offensichtlich mit einem Schwert zugeführt worden war. Der Mann roch nach Stall und wirkte wie ein einfacher Bauer. Eigentlich mussten Ärzte ja einen Eid ablegen, alle Patienten gleich zu behandeln, aber Kieran hatte in den letzten Wochen genug mitbekommen, wie es wirklich lief. Dr Sullivan untersuchte die Wunde. „Sieht nicht sehr tief aus“, meinte er und wendete sich an die Studenten. Das Stichwort „nicht sehr tief“ verriet allen Anhängern, dass sie auf die Frage, wie behandelt werden sollte, mit „Bandagieren“ reagieren sollten. Doch Kieran hatte einen anderen Eindruck. Der Schnitt war zu lang und an einer ungünstigen Stelle, an der die Rundung des Oberschenkels beim Benutzen des Beines dafür sorgen würde, dass es sehr lange dauern würde, bis es wirklich zuheilt und beim Heilungsprozess jederzeit und immer wieder aufreißen würde, so dass eine fransige Narbe entstehen würde, wenn es der Patient ohne Blutvergiftung überhaupt schaffen würde. Und so war Kieran bis auf John, der sich grundsätzlich mit Prognosen zurückhielt, der einzige, der mit „Nähen“ antwortete. Dr. Sullivan schnaubte. „Mr. Carney, selbst vor dem König und dem Mentor schafft Ihr es noch immer das Gegenteil von dem zu sagen, was alle Studenten, die bereits wesentlich länger studieren. Unanhangig von den Ärzten, die diesen Beruf schon lange Jahre machen. Ich weiß nicht, Lord Sforza, ob das Geld, das ihr aufbringt, wirklich an der richtigen Stelle eingesetzt worden ist.“ Dominico [[BILD=8207703.jpg]] Nicos Suche nach Kieran war irgendwann abgelenkt worden durch die Wundversorgungen, die ihnen Dr. Sullivan vorstellte. Nun... ja, das sah jetzt alles recht gewöhnlich aus. Dass man Henry auch keinen halb aufgeschlitzten Menschen vor die Nase legte, war üblich, doch mit all den Dingen, die Dr. Sullivan sagte, konnte Henry ohnehin nichts anfangen. Ihm gefiel es viel mehr zu sehen, dass die Männer, die hier arbeiteten, offenbar wussten, was sie zu tun hatten, dass man ihm den nötigen Respekt erwies und dass Dr. Sullivan den Eindruck machte, alles unter Kontrolle zu haben. Henry merkte nichteinmal, dass ein weiterer Student den Saal betrat, weil er sich viel zu sehr auf die Wunde konzentrierte, von der er seine Augen kaum losreißen konnte. Einen Finger verlieren.. fasziniert verglich Henry die Hand mit der des Mannes vor ihm auf dem Bett. Die Wunde sah bereits sehr gut aus. Nico entdeckte Kieran allerdings und ihre Blicke trafen sich kurz - vor allem sah Nico das Blut auf Kierans Stirn. Oho, aus welchem Schlachthaus war der denn gekommen? Mit dem Ärmel der guten Robe !HALLELUJA! wischte Kieran das Blut ab. Nico hätte sich beinahe geräuspert, aber er schaffte es gerade noch, das Geräusch zu unterdrücken. Weil Kieran wohl hörbar schwatzte, wurde er von dem Arzt vorgebeten, den Nico längst als den Mann erkannt hatte, von dem Klagen über Kieran zu ihm gedrungen waren. Na da wollte man doch mal sehen, wie es jetzt weiter ging. Es begann schon bei der Verbeugung vor Henry. Weil der zum Glück immer noch mit der Wunde beschäftigt war, merkte er kaum, dass Kierans Verbeugung mehr als dürftig ausfiel. Nico merkte es sehr wohl und konnte nicht umhin, ein wenig missbilligend die Stirn zu runzeln. Respekt vor allem anderen war ihm egal, doch wenn es um Henry ging, konnte das ganz schnell nach hinten losgehen. Benimmunterricht war mehr als dringend nötig, auch wenn Kieran noch nicht viel mehr gesagt hatte. Henry wollte sich ihm gerade zuwenden, als die junge Schwester zu ihnen trat, die einmal mehr Henrys Aufmerksamkeit von Kieran ablenkte. Henry mochte nun einmal schöne Frauen, und der Augenaufschlag der jungen Helferin war mehr als nur aufreizend. Obwohl sie die Robe einer frisch in den Orden eingetretenen Nonne trug, schien sie das Feuer der Leidenschaft gut zu kennen und das Blinken in Henrys Augen deutete an, dass er es sehr wohl gesehen hatte. Er bedeutete der Dame vorzugehen und schloss sich dann Dr. Sullivan an, der mit seinen Studenten folgte. Dieser Pulk hatte in der Aufnahme kaum Platz, doch der wurde schnell frei geräumt. Der arme stinkende Kerl auf der Pritsche wäre vor Scham fast im Boden versunken, als er den König erblickte, eine Schwester hatte ihm schnell noch den gröbsten Dreck von Gesicht und Händen gewaschen, sein Gesicht glänzte noch feucht vom Wasser... die arme Socke. Nico betrachtete den Schnitt. Mit Kriegsverletzungen kannten er und Charles sich wirklich aus, Henry weniger, weil er kaum damit zu tun hatte. Die Wunde SAH tatsächlich nicht besonders tief aus, doch die Stelle an der sie saß wurde bei jeder Bewegung stark beansprucht. Sie würde nie richtig zusammenwachsen, wenn man sie nicht nähte. Zumindest nicht schnell und schmerzfrei, und die Entzündungsgefahr war sehr hoch. Doch Bandagieren war genau das, was Dr. Sullivan vorschlug, und das, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen nicht, weil es sinnvoll war, sondern weil dieser Mann in seinen Augen kaum eine bessere Behandlung verdiente. Schon jetzt warf Charles Nico einen fragenden Seitenblick zu, während Henry neugierig wie ein Kind einfach nur andächtig lauschte. Wie aus einem Chor tönte es kurz auf den Monolog des Arztes hin "Bandagieren" in den Raum.. nur Kieran musste natürlich "Nähen" herausposaunen. Nico musste sich nichteinmal umdrehen, um zu wissen, wer das gesagt hatte, und Nico konnte nicht anders als breit zu grinsen, während Charles die Augenbrauen hochzog. Auch in Henrys Gesicht zeigte sich eindeutig Überraschung über den jungen Mann in offenbar teurer Robe, der, zumindest schien es so, als einziger daneben gelegen hatte. Doch bevor Henry noch fragen konnte - der Kierans Gesicht aus Camebridge längst nicht mehr wieder erkannte - denunzierte Dr. Sullivan Kieran bereits vor dem König und Nico. Im Grunde war das noch kein Anlass zu reagieren, doch als Dr. Sullivan so offensichtlich seine Investition in Frage stellte, MUSSTE Nico reagieren, denn jetzt sah ihn auch Henry fragend und belustigt zugleich an. Nico sah den Mann an, der noch immer feuerrot auf der Pritsche lag, inzwischen halb saß und versuchte sich unsichtbar zu machen. Nico trat auf ihn zu und beugte sich über die Wunde, aus der noch immer Blut sickerte. Ohne auf den Arzt einzugehen wandte Nico sich an Henry. Wenn der Arzt beleidigen konnte, konnte Nico das auch. "Eure Hoheit, wir sind hier hergekommen, um uns zu vergewissern, dass unsere Verwundeten im Krieg gut versorgt werden, nicht wahr?" "Ihr wisst wieso wir hier sind, worauf wollt ihr hinaus Dominico?" Nico seinerseits klopfte dem Mann auf die Schulter, der dort lag und darauf wartete, dass die Erde sich auftat, um ihn zu verschlingen. "Dieser Bursche hier - macht er für euch nicht den Eindruck eines schwer arbeitenden jungen Mannes? Sein Arm scheint mir gut trainiert für ein Schwert und seine Schultern kennen harte Arbeit. Mit diesen Männern, Mylord, werdet ihr den Krieg führen und ich bin sicher dieser Mann würde sein Leben für seinen König im Feld geben, das würdet ihr doch, oder?" Nicos Tonfall ließ keine andere Antwort zu, aber dennoch nickte der Mann wie besessen. "Natürlich würde ich das, eure Hoheit!" Er verschluckte sich fast daran. "Jaja, das ist sicher so.. aber was wollt ihr damit sagen?" Henry wurde scheinbar ungeduldig, die hübsche Schwester war nämlich gegangen. "Nun, lasst es mich euch vielleicht besser ZEIGEN." Nico löste vor den Studenten, Charles und Henry, der inzwischen wirklich vor Lachen gluckste, den Bund seiner Hose, die ihm bis zu den Knien von den Schenkeln rutschte. Dass er damit halb nackt war, störte Nico wenig. Stattdessen deutete er mit dem Finger auf die lange Narbe an seinem Oberschenkel, die nicht unbedingt schön geworden war. Sie saß ungefähr an der gleichen Stelle. "Ihr wisst, Mylord, dass ich nicht umsonst für euch das Schwert ins Feld geführt habe. DIese Wunde hier wurde mir von einem Speer beigebracht am ersten Tag der Schlacht. Trotz ihrer zerfransten Wundränder MUSSTE sie genäht werden, Dr. Sullivan, und wisst ihr auch warum?" Seine Stimme wurde schneidender. "Weil ich ohne diese Naht nicht am zweiten Tag wieder hätte auf das Pferd steigen und für mein Land hätte kämpfen können. Also sagt mir doch bitte, Dr. Sullivan, warum ihr diesem Mann, der eines Tages Soldat seiner Majestät sein wird und für das Brot auf eurem Tisch den ganzen Tag lang schuftet, nur einen Verband anlegen wollt, der ihn wochenlang an das Bett fesseln wird?" Nico war unabsichtlich lauter geworden. Er war durchaus ein wenig angefressen wegen dieser offensichtlichen Beleidigung gegen seine Person, doch inzwischen war es wirklich still in der Aufnahme geworden und Henrys Lachen verstummte. Stattdessen wandte der König sich nun wieder an Dr. Sullivan, der in der dunklen Robe sichtlich blass geworden war. "Eure Majestät", setzte Nico nach, "wie geht es eurem Bein?" "Hervorr-" Jetzt fiel auch bei Henry der Groschen, der Kieran neben Dr. Sulivan während Nicos Monolog deutlicher in Augenschein genommen hatte. Henry war ja nicht dumm, er sah nur gern über Dinge hinweg, wenn sie ihm in Anbetracht eines anderen Reizes unwichtig erschienen. Jetzt jedoch war die Sache ganz und gar nicht mehr unwichtig und der König nahm unweigerlich Haltung an, während Nico sich die Hose wieder in Position zog. "Dr. Sullivan, die Herren Brandon und Sforza sind die besten der besten, die für mich mein Schwert in Kämpfe tragen, in die ich selbst nicht ziehen kann. Ich vertraue ihrem Urteil, denn sie kennen diese Verletzungen wesentlich besser als ich selbst. Wieso nur gewinne ich den Eindruck, es ist die Herkunft dieses kräftigen Burschen, die euch davon abhält, diese Wunde zu nähen? Was, wenn es nicht er wäre, sondern ich der dort läge, was dann?" Jetzt war Sullivan eindeutlig kreidebleich, zwang sich jedoch stotternd zum antworten. "I-ich w-würde euch nä-ähen, eure M-Majestät." Henry schnaubte. "Dann werdet Ihr diesen Mann auch nähen und alle anderen mit ähnlichen Verletzungen ebenfalls! Ich will nicht einen einzigen Mann hier sehen, dessen Wunde nicht vernäht und anständig behandelt wird, denn wenn meine Soldaten schwer verwundet hierherkommen, dann sollt Ihr gefälligst wissen, wie man Nadel unf Faden benutzt! Ihr werdet es jetzt tun und Ihr werdet es selbst tun! Und Lord Sforza, dessen Investition wohl die einzig sinnvolle hier in diesem Raum ist, wird so lange bleiben bis Ihr den letzten Stich gesetzt habt, habt Ihr mich verstanden?" Sullivan nickte. In Fällen wie diesen liebte Nico Henrys so aufbrausendes Gemüt. Auf dem Absatz machte der König kehrt und Charles beeilte sich, schulterzuckend ihm zu folgen, während Nico zurückblieb und dem Bauern auf die Schulter klopfte. "Bitte Dr. Sullivan - euer Patient." Kieran [[BILD=8208305.jpg]] Kierans Augen glommen vor Wut, als Sullivan Nico vorwarf, in ihm fehlinvestiert zu haben. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und am liebsten wäre er dem anderen an die Gurgel gesprungen, doch die Hand von John legte sich ihm auf den Rücken und mahnte ihn zur Ruhe. Er bemühte sich, ruhig zu atmen und über die Provokation hinwegzusehen. Sonst schaffte er das gut, aber in Nicos Anwesenheit? Der Mann schaffte es einfach, ihm jegliche Ruhe zu rauben. Doch nun reagierte Nico. Kieran war klar, dass er das nicht einfach so auf sich sitzen lassen konnte. Als Nico zu reden begann, entspannte sich Kieran nach und nach, und versuchte angestrengt, nicht zu grinsen. Der arme Bauer schien gar nicht recht zu wissen, wie ihm geschah, als Nico ihm die Worte in den Mund legte, jederzeit für den König in den Krieg ziehen zu wollen. Kieran tat der Mann leid. Er hatte Schmerzen, verlor Blut und hier wurde nur diskutiert... Doch Nico brachte mit seinen Worten zum Aussruck, dass jeder Mensch wichtig war, für ihren König und ihr Land. Und dass jeder die beste Versorgung verdient hatte. Es starben eh viel zu viele Menschen wegen Lappalien. Sullivan begriff das natürlich nicht. Und was nun folgte, ließ Kieran Nico ungläubig ansehen. Nico entledigte sich seiner Hose und zeigte die Narbe am Oberschenkel, die größte Narbe, die der andere hatte wie Kieran wusste. Ja, die Verletzungen waren wohl ähnlich, vermutlich aber eine andere Waffe, die Nico den Oberschenkel aufgerissen hatte. Kieran wusste nicht, wo er hinsehen sollte. Ein Raunen ging durch die Studentenschaft und irgendwie packte ihn das Bedürfnis, allen Anwesenden die Augen zuzuhalten. Das war SEIN Dominico, zumindest wenn er zugegen war - wie er fand. Gleichzeitig löste der Anblick Erinnerungen aus, kostbare, geheiligte Erinnerungen. Und hatte er erst noch Grinsen müssen, erstarb es mit den Worten des anderen, bis er wegsah, um dieses doch eigentlich so gut unterdrückte Gefühl der Sehnsucht nicht hochkommen zu lassen. Als Nico mit der Erzählung und der darin enthaltenen Anklage endete, herrschte Schweigen. Niemand rührte sich, jeder sah Sullivans Unsicherheit. Und dann kam eine Frage, mit der Kieran endgültig nicht gerechnet hätte. Überrascht sah er wieder auf und dann zum König. Jener hatte ihm vorhin keine wirkliche Beachtung geschenkt und ihn wohl nicht erkannt, was ihn auch nicht wunderte und was er nicht erwartet hatte. Doch als sich ihre Blicke nun trafen, sah er den Lichtschein der Erkenntnis in den Augen des Königs. Kieran merkte, wie ihm Röte ins Gesicht stieg. Die Situation war ihm denkbar unangenehm, auch wenn es letztlich seine Position festigen würde. Und nun trat Henry auf den Plan, führte Sullivan und auch den anderen Studenten vor Augen, was Nico eingeleitet hatte. Und allein dafür hätte Kieran Dominico am liebsten umarmt - und geküsst. Kieran war zwar klar, dass Sullivan sich nun hüten würde, seine Anwesenheit hier in Frage zu stellen, sicher aber nicht aufhören würde, ihn zu traktieren. Aber das war ihm in diesem Moment völlig egal. Viel zu sehr genoss er, dass Sullivan vom König selbst zurecht und in seine Schranken verwiesen worden war. Jener machte sich daran, von den Schwestern entsprechend Nadel und Faden zu erhalten, als die Glocken zur vollen Stunde läuteten. Die Studenten wurden unruhig bis Sullivan sie anwies, zu ihren Patienten zu gehen und die Visite noch abzuschließen, bevor es zu den Vorlesungen ging. Und so löste sich der Pulk an Studenten und Kieran nutze die Gelegenheit an Dominico heranzutreten. "Mylord Sforza", sagte er leise. Er wusste, dass Sullivan lauschen würde. "Mir ist bewusst, dass meine Unerfahrenheit bei Hofe mir immer wieder angekreidet wird. Ich möchte nicht, dass sich noch mehr Dozenten und Mitarbeiter daran stoßen und ich euch damit Sorgen machen. Wäre es möglich, dass Ihr mir da etwas unter die Arme greifen könntet? Oder jemand anderes, Ihr werdet sicher kaum Zeit dafür haben." Es war beklemmend dem anderen so nah gegenüber zu stehen und sich noch in diesem Ton mit ihm zu reden. Er hatte diesen Mann schon geküsst, ihn nackt gesehen, in höchster Lust bebend gespürt. Und jetzt? Diese Distanz zu wahren war schwer für ihn, aber es musste sein, es gab keine andere Möglichkeit. Dennoch wendete er den Blick ab, hin zu Sullivan, der sichtlich Probleme hatte, die Hand ruhig zu halten, so zitterte er. Kierans Blick wurde besorgt. Wenn Sullivan so versuchen würde zu nähen, könnte er es gleich sein lassen. Das wäre eine Tortur für den Bauern. Aber er konnte dazu auch nichts sagen, ohne sich den immerwährenden Hass Sullivans zuzuziehen. Dominico [[BILD=8207715.jpg]] Es waren seinerzeit Menschen wie Sullivan gewesen, die Nico das Leben in England massiv erschwert hatten. Und er hasste sie dafür, auch wenn Sullivan nur ein Beispiel und nicht der Hauptgrund war. Doch diesem Mann in den Hintern zu treten, vor Henry und vor allem vor Kieran, hatte mehr als gut getan und Nico ließ den Doktor nicht aus den Augen während der sich setzte um die Wunde zu nähen. Zwei Schwestern waren schon dabei gewesen, sie ordnungsgemäß zu säubern... allerdings sah Sullivan gerade nicht mehr so aus, als könne er in guter Verfassung nähen.. naja. beobachtet von all seinen Studenten, die gerade Zeuge geworden waren, wie ihr Dozent so denunziert worden war, war ja auch keine leichte Sache für Sullivans Ego. Deswegen war er wohl ebenfalls ziemlich erleichtert, als er sie fortschicken konnte, auch wenn ihm wohl am wenigsten gefiel, dass Kieran bei seinem Sponsor stehen blieb. Nico rutschte das Herz in die gerade erst wieder angezogene Hose, denn er hoffte inständig, dass Kieran auch hier die Form wahrte, selbst wenn sie leise miteinander sprachen. Vom Hof herauf klang Hufgetrappel und deutete an, dass Henry mit Charles gerade das Spital verließ und Nico entspannte sich etwas, da die unmittelbare Nähe zum König jetzt fehlte. Er beugte sich ein wenig zu Kieran, um ihn in der geschäftigen Aufnahme besser zu verstehen, auch wenn Sullivan gerade Ohren wie ein Elefant haben mochte... Der wollte sicher alles aufsaugen, was er jetzt erst recht gegen Kieran verwenden konnte, auch wenn er dabei sehr vorsichtig sein musste. "In der Tat könnten eure Umgangsformen wesentlich besser sein...", gab Nico zurück, zum einen weil es stimmte, und zum anderen, weil er Sullivan nicht das Gefühl geben wollte, er verhätschelte Kieran. Das schliff ja bekanntermaßen nicht den Charakter. "Mrs. Barham ist zur Zeit in London und heute Nachmittag wird sie bei mir zu Gast sein." Er sagte den Namen absichtlich laut - die Matrone war gefürchtet für ihre Perfektion in höfischen Umgangsformen und ihre Strenge, mit der sie diese den Kindern, die bei ihr unterrichtet wurden, durchsetzte. "Sie wird im nächsten Frühsommer meine Kinder unterrichten, wenn meine Frau mit ihnen wieder nach London kommt." Eigentlich wollte er daran gar nicht denken, doch es erschien ihm sinnvoll das einzuwerfen, falls sich woher auch immer bereits erneut Gerüchte gestreut hatten. "Kommt heute Nachmittag zu mir, Mr. Forbes wird auf Euch verzichten müssen. Wir werden einen Termin finden, an dem auch Ihr bei ihr ihren hervorragenden Unterricht besuchen könnt." Das schien Sullivan nun doch ein verhaltenes Grinsen zu entlocken. 'Wenn du nur wüsstest du dämlicher Bastard, was ich stattdessen mit ihm anstellen werde... also vielleicht...' setzte Nico in Gedanken dazu. Dennoch hatte Sullivans Zittern nochimmer nicht nachgelassen und Nico verdrehte genervt die Augen. "Sehe ich es richtig, Dr. Sullivan, dass Eure Ohren zur Zeit mehr Eurer Konzentration beanspruchen, als Eure Hände? Steht auf und lasst Mr. Carney diese Arbeit verrichten, der ganz offensichtlich mehr Erfahrung darin hat, als Ihr und dank dem der König selbst wieder auf beiden Beinen laufen kann. Soweit ich weiß, hattet ihr bisher noch nicht die Ehre, von seiner Majestät zu Rate gezogen zu werden und wenn ihr meine Geduld weiterhin so strapaziert, dann wird es auch niemals so weit kommen!" Nico war niemand, der gern seine Macht ausnutzte, doch in Situationen wie diesen, liebte er es. Sullivan errötete bis unter den Hut, den er trug, stand auf, die Zähne fest zusammengebissen, verneigte sich und stürmte dann aus dem Saal. Nico schnaubte und schüttelte missbilligend den Kopf, während die Schwestern mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Sorge um ihren Patienten darauf warteten, dass Kieran sich kümmerte. Nico beugte sich noch einmal zu ihm hinüber, so nah dass niemand hören konnte, was er ihm sagte. "Ich hoffe, deine Hände zittern nicht so sehr, nachdem du meine nackten Schenkel betrachten musstest..." Mit einem freundlichen Lächeln und dem üblichen Pokerface verließ nun auch Nico die Aufnahme, um zurück zum Palast zu reiten und Henry zu suchen... auch wenn er glaubte, den heute nicht mehr wieder zu sehen. Kieran [[BILD=8207701.jpg]] Dass Dominico ihn hinsichtlich seiner Umgangsformen deutlich ermahnen musste, das war Kieran klar. Aber es kränkte ihn nicht, schließlich war das alles hier ein Theaterspiel und Dominco wusste ja, dass er sich redlich bemühte, den Anforderungen gerecht zu werden. Und sicher würde dieser auch sein Gesuch als positiv werten. Er wollte sich bemühen, er wollte alles machen, um Dominico zum einen keine Schande zu bereiten, zum anderen, um irgendwann in dieser Liga mitspielen zu können. Er wollte doch wenigstens demjenigen nahe sein, dem er sich so sehr verbunden fühlte, auch wenn sie nie „eins“ werden würden. Es verwirrte ihn dann doch etwas, als Nico ihm erklärte, dass eine gewisse Frau Braham bei ihm an diesem Nachmittag sei, aber er ließ es sich nicht anmerken. Offenbar gab es in diesen Kreisen Leute, die andere dazu erzogen, in diesen Kreisen verkehren zu können. Na gut. Wenn ihm das half, würde er es machen, auch wenn er die Hoffnung, dadurch etwas Zeit mit Dominico verbringen zu dürfen, schwand. Aber es ging ja hier auch wirklich nicht darum, mit Dominico Zeit zu verbringen… Zumindest nicht hauptsächlich. Viel irritierender fand er außerdem die Aussage, dass Nicos Familie im nächsten Frühsommer in die Stadt kommen würde. Kieran nickte und wunderte sich, warum Nico ihm das erzählte. Wollte er ihn kränken? Das konnte er sich irgendwie nicht vorstellen. Oder bereitete er ihn einfach schon mal darauf vor, dann einfach gar nicht mehr für ihn verfügbar zu sein, auch nicht per Nachricht? Dass er das sagte, um es ins Gespräch bei anderen zu bringen, das begriff er in diesem Moment nicht. „Wie Ihr wünscht“, sagte er etwas tonlos und nickte, etwas abgelenkt auch durch Dr. Sullivan, der gleich den größten Fauxpas seines Lebens machen würde, wenn er nicht aufpasste. Und offenbar hatte auch Dominico bemerkt, dass der Arzt lieber keine Nadel in die Hand nahm, denn dieser ging nun zu jenem hinüber und wies ihn an, die Naht Kieran zu überlassen. War das jetzt gut, oder schlecht für ihn? Zumal Nico Sullivan nun auch zu verstehen gab, dass Kieran beim König bereits helfen konnte und ihn letztlich dadurch degradierte in seiner Stellung. Kieran wusste nicht, ob er sich wirklich freuen sollte, dass Nico so Partei für ihn ergriff, aber es machte ihn doch auch irgendwie glücklich. Sullivan sah Kieran nicht mehr an, sondern verließ den Raum. Gerade als Kieran sich umwenden wollte, um sich endlich dem armen Mann zuzuwenden, trat jedoch Nico noch einmal zu ihm heran, um ihm ins Ohr zu flüstern. Kieran biss sich unwillkürlich auf die Unterlippe, um das Grinsen zu verkneifen. „Ich werde mich bemühen, nicht die Fassung zu verlieren“, antwortete er trocken und blickte dem anderen nicht hinterher, als dieser ging. Innerlich schüttelte er den Kopf und musste lachen. Diese Anspielungen, diese kleinen Sticheleien in diese Richtung, traute er sich gar nicht so recht. Schließlich war es doch Dominico, der sich gegen eine „Beziehung“ entschieden hatte. Und doch kamen sie immer und immer wieder, auch in den Briefen. Kieran liebte diese Wortspielereien, aber gleichzeitig machten sie es ihm auch unmöglich, Dominico sich auf lange Sicht aus dem Kopf zu schlagen. Noch wollte er das nicht. Aber wenn er so weitermachte, würde er das nie können. Und einsam zu sterben, war auch irgendwie nicht das, was er sich für sich erhofft hatte. „Ich bin Kieran“, begrüßt er nun den Bauern, „ich werde mich um dich kümmern.“ Dann machte er sich mit der Hilfe der Schwester daran, die Wunde so gut wie nur irgendwie möglich zu versorgen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)