Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 42: Die Spanienreise - Die Entscheidung ----------------------------------------------- Dominico [[BILD=8207715.jpg]] Der König selbst war auch noch nicht da, damit beging Nico wenigstens keinen Affront. Er setzte sich zu einigen spanischen Händlern, die er schon länger kannte und die einfach nur unehrlich und profitgierig waren, doch diese Menschen konnte Nico wenigstens einschätzen. Er sah Kieran wieder bei den Ärzten und lächelte, ja damit hatte er zufrieden sein können, Kieran hatte sich wirklich gut gemacht. Keine Klagen über ihn waren an Nicos Ohren gekommen, er hatte sich immer tadellos verhalten und sich auch sehr gut informiert. Also war die Reise zumindest von diesem Standpunkt aus gesehen hervorragend gelaufen. Während sie alle auf den König warteten, wurde das Essen aufgetragen und kurz darauf kam Carlos, der das Bankett eröffnete. Sie speißten und tranken gemeinsam, und als dann wieder der Tanz auf dem Programm stand, wurde Nico von so ziemlich allen Frauen genötigt, mit ihnen zu tanzen. Eine spanische feurige Schönheit war ganz vorn mit dabei und Nico konnte nicht anders, als mit ihr zu kokketieren. Doch vor allem wurde ihm bald bewusst, dass diese Frau mehr war als bloß eine Dirne in einem Kleid. Dominico wimmelte die anderen ab und als sie kurz eine ungestörte Minute hatten, sprach sie Nico darauf an, ihr zu folgen. Sie sei eine Botin des Vatikans und hätte eine Botschaft, einen Brief, der eigentlich Henry erreichen sollte, aber abgefangen worden sei. Nico fragte nicht, woher sie ihn hatte, und auch nicht, wer sie damit beauftragt hatte, den Brief an ihn zu geben - er folgte ihr einfach. Manchmal musste man diese Dinge nehmen, wie sie kamen, und die Frau machte keinen besonders gefährlichen Eindruck. Viel eher war sie einfach etwas älter als die jungen Dinger bei Hofe, und wusste wie der Hase lief. Sie konnte sich gut auf diesem Parkett bewegen, weswegen es Nico nicht als Strafe vorkam, kurz mit ihr die Festlichkeit zu verlassen. Kieran [[BILD=8207709.jpg]] "Wegen eines Mittels für Gicht?", der junge Arzt, dem er erzählt hatte, wie er zu einem Studienplatz gekommen war, lachte. "Na dieses Mittel möchte ich auch haben!" Kieran lächelte. "Wartet, ich schreibe es Euch auf!" Es war die beste Gelegenheit, mal kurz raus zu kommen aus diesem Raum, in dem er ständig zu Dominico sehen musste, der mit diesem Superweib sich vergnügte. Kieran war so froh, dass das der letzte Abend sein würde, an dem er sich noch so erniedrigen lassen musste. Und so verließ er den Saal, um zu seinem Zimmer zu gehen, kurz den Kopf wieder frei zu bekommen. Warum nur fand er es so unerträglich, Nico so zu sehen? Lag es an dem Kuss, den der andere ihm noch gegeben hatte? Lag es an den Orten, an denen er gewesen war und an Nico denken musste, sich sogar dabei ertappt hatte, sich in seine Arme zu träumen, sich vorzustellen, dass jener bei ihm war, die Augen schließend sich eine Umarmung vorgestellt hatte. Er war ein Idiot! Und das wurde ihm gerade richtig bewusst. Für Dominico war er eine Freizeitbeschäftigung gewesen, eine Nummer. Aber jener hatte ihn glauben lassen, dass dem nicht so war, und das Machte ihn gleichermaßen wütend und traurig. Als er sein Zimmer betrat, fand er den Brief. Neugierig öffnete er ihn und las. Habibi bedeutete Liebling oder Liebster - er liebte dieses Wort. Dass es die Schreiberin verwendete, ließ ihn schließen, dass sie maurischen Ursprungs war. Und das erklärte natürlich, dass er eine Abfuhr bekam. Kieran war dennoch enttäuscht. Zugern hätte er ihr gedankt, aber er verstand auch, dass sie Angst hatte. Hier ging es um Ehre und manchmal sogar um Leben und Tod. Kieran schrieb die Rezeptur für das Gichtmittel auf und verließ gerade sein Zimmer, als er direkt in Dominicos Gesicht blickte, an dessen Arm die schöne Frau hing. Kieran schluckte und er wusste nicht, was ihn ritt, aber er hob die Hand und strich sich mit seinen Fingern am Kinn nach vorne, eine Geste, die der Italiener nur zu gut kennen musste, es war die Geste für 'Stronzo' - Schimpfwörter konnte man sich nunmal immer am besten merken. Kieran eilte weiter, sich selbst darüber ärgernd, die Kontrolle verloren zu haben, aber gerade wurde alles zu viel. Er kehrte noch immer aufgewühlt in den Saal zurück und versuchte sich zu sammeln. Und er versuchte alles, um nicht darüber nachzudenken, dass sich Nico nun mit dieser Frau vergnügte. Sollte er sie doch vögeln! Was ging es ihn an?! "Und was habt Ihr vorher gemacht?" Kieran konnte sich nicht recht konzentrieren, sonst wäre ihm bestimmt etwas Besseres eingefallen. "Ich war ein Akrobat." Der Arzt hob verwundert die Augenbrauen, dann lachte er. "Na dann habt Ihr euch aber ganz schön gemausert, wenn ihr vom Fahrenden Volk abstammt. Dass Ihr euch hier so gut zurechtfindet, ist ja fast bewundernswert." Kieran hätte in einer anderen Situation sicher gemerkt, dass es nicht böse oder abwertend gemeint war, und mit Ironie reagiert, aber er konnte gerade nicht. Daher reagierte er mit Sarkasmus. "Ja, wirklich ein Wunder, dass ich überhaupt lesen und schreiben kann, und auch noch ein wenig Anstand besitze, Tischmanieren beherrsche und überhaupt gesellschaftsfähig bin. Aber wisst Ihr, Doctore, wenn ich mich hier so umsehe, dann stellt sich mir die Frage, ob nicht meine Familie mehr Anstand besitzt, als alle hier Anwesenden." Seine Augen glommen vor Wut. "Ihr entschuldigt mich bitte!" Und damit ging er in sein Zimmer. Er hatte definitiv genug - von allem. Dominico [[BILD=8207703.jpg]] Nico und seine spanische Begleitung alberten gerade herum, als sie den Gang hinunterschlenderten und Kieran aus dem Zimmer trat. Nico wollte gerade eine standesgemäße Verbeugung andeuten, während die Dame neben ihm sogar knickste, als von Kieran nur diese Unverschämtheit zu erkennen war. Scheißkerl? Nico runzelte die Stirn, doch Kieran war schon wieder verschwunden und seine Schritte verhallten auf dem gebogenen Gang hinter ihnen. Neben ihm erklang ein seltsam aufgesetztes Lachen und sie zog an seinem Arm. "Na kommt, nur weil er etwas neben der Spur ist, der Gute..." Nico setzte sich langsam in Bewegung, seine Aufmerksamkeit galt aber nicht unbedingt Kieran. Warum waren sie hier? Im Trakt der Ärzte? Männer, die entweder auf dem Bankett waren, oder schon schliefen? Und die Räumlichkeiten der Damen lagen mit Sicherheit NICHT! hier. Erneut wurde er noch langsamer, um einen Wandteppich zu betrachten, und die Dame an seinem Arm wurde zusehends ungeduldiger.. nervöser? Entschieden löste sich Nico von ihr. "Mylady, ich kann das meinem Gefolge nicht durchgehen lassen. Geht schon vor, ich komme nach und lasse mir den Weg zeigen.. ich bin gleich wieder bei euch." Sie wollte intervenieren, doch Nico war schneller, machte auf dem Absatz kehrt und stürmte Kieran nach. Allerdings nicht, um ihm zu folgen. Einige Abzweigungen später traf er auf Amadeo, der ihm offensichtlich aus Sicherheitsgründen gefolgt war, und gemeinsam eilten sie zu Nicos Gemächern. Ein Nachtmahl war hergerichtet worden, das jetzt seine Bestimmung im brennenden Kamin fand und auch das Wasser floss alsbald die Fassade hinab, genauso wie der Wein, der auf dem Tablett stand. Sie diskutierten angestrengt - es musste sich einfach um einen Hinterhalt gehandelt haben. Nico ließ einen der Diener rufen, um frisches Wasser zu bestellen, und der Junge eilte los, um es zu holen, während sich Nico auf einem Stuhl niederließ und Amadeo bei der Türe an der Wand lehnte. "Aber wer? Ich verstehe es einfach nicht, ich kenne niemanden, der es gewesen sein könnte. Sie wirkte ganz normal, nur ich Idiot habe gar nicht gemerkt, wohin sie mich bringt. Eine Schande ist das...", fluchte Nico gerade vor sich hin. Außerdem war er allein wegen der Begegnung mit Kieran noch immer schlecht gelaunt, aber das stand vorerst hinten an. Es dauerte nicht lange, bis der Diener wieder kam, doch als er das Zimmer betrat wirkte er äußerst unsicher, schien immer wieder einen Blick in den Augenwinkel zu werfen. Nico, der sich erst hatte erheben wollen, blieb sitzen, Amadeo hinter der Tür zog sein Messer. "Stellt es grade dort ab." Der Diener wurde noch eine Spur weißer im Gesicht. Er kam einige Schritte in den Raum hinein und stellte das Tablett auf einen Hocker. Entweder war er so aufgeregt, dass er es nicht merkte, oder es war Absicht - Nico fixierte den Mann mit einem starren Blick und das Tablett landete schief auf dem Hocker und wäre beinahe gefallen - tat es aber nicht, weil die schwere Karaffe in der Mitte das Gewicht gerade so hielt. Scheinbar irritiert, das es nicht fiel, sah der Diener nach unten und dann brach die Hölle in dem Raum los. Ein Schrank von einem Mann stürmte durch die Tür. Er war offensichtlich allein, aber mit zwei Klingen bewaffnet. Weder trug er besonders teure Kleidung, noch machte er einen sehr zivilisierten EIndrcuk. Sein Körperbau sprach eher davon, dass er sich mit gewissen Aufträgen sein Geld verdiente und er kam auch gleich zur Sache, stieß den Diener weg - zufällig genau gegen Amadeo, dessen Angriff aus dem Hinterhalt damit scheiterte und stürmte auf Nico zu. Der riss seinen eigenen Dolch hoch und setzte sich sofort zur Wehr. Nico konnte immerhin kämpfen, doch ihm schlug rohe Gewalt entgegen und gegen Gewalt und Verzweiflung war jede Ausbildung im Nahkampf machtlos. Er schaffte es dennoch für den ersten Moment den Mann auf Distanz zu halten, der wohl nicht damit gerechnet hatte, dass sein Opfer sich so massiv wehrte. Leider nicht ganz ohne Nebenwirkungen für Nico, denn der Dolch seines Angreifers schnitt durch sein Hemd und die Jacke und schlitzte ihm ein Stück des Oberarms auf, den Nico so gedreht hatte, dass der Dolchangriff seine Schulter oder sein Herz verfehlte. Dann war Amadeo wieder einsatzbereit und sprang den Kerl von hinten an. Ihr "Gast" trug einen Panzer aus Leder, wodurch ein direkter Dolchstoß schwer war, doch Amadeo war ausgebildet in diesen Dingen und während Nico zum Gegenangriff ansetzte und der Kerl sich jetzt zwei Männern gegenüber sah, rammte Amadeo ihm sein Messer in die Achselhöhle. Mit einem Aufschrei ging der Mann zu Boden und Nico rammte ihm die Klinge durch den Hals, was den Schrei aprupt verstummen ließ. Sein Todeskampf dauerte Minuten und es waren Amadeo UND Nico notwendig, um ihn dabei unten zu halten. Doch es gelang ihnen und schließlich erschlafften die Bewegungen unter ihnen. Der Diener stand schlotternd noch immer in einer Ecke des Raumes und jammerte. Nico ließ den Dolch fallen und hielt sich den Arm, starrte zu dem Mann hinüber. "Ihr werdet jetzt gehen und Kieran Carney holen. Und gnade euch Gott, wenn er nicht an einem Stück in diese Räumlichkeiten findet." Schneller als Nico ihm nachsehen konnte, war der Mann aus dem Zimmer gestürmt. Amadeo derweil beschäfigte sich bereits mit der Frage, wohin man die Leiche am besten bringen konnte. Die Lösung war bald gefunden. Nicos Schlafzimmer hatte einen Balkon, der auf die Außenmauer des Palastes zielte. Darunter lag der breite Wassergraben, der die Palastanlage umgab und der erstaunlich tief war. So tief, dass auch größere Fische darin schwimmen konnten. Gemeinsam hievten Nico und Amadeo den Kerl gerade nach draußen und im Schutz der Dunkelheit über die Brüstung, ehe ein lautes "PLATSCH" ankündigte, dass er sein Ziel getroffen hatte. Schwer atmend und wegen des Blutverlustes langsam schwankend kam Nico zurück zum Bett. Amadeo hatte bereits ein Tuch geschnappt und half Nico einen festen Notverband um die Wunde zu legen, ehe Nico halb auf das Bett sank und den Arm in die Höhe streckte damit das Blut nicht all zu schnell hinauspulsierte. Seine Welt drehte sich noch immer, doch der Schock half ihm, sie langsam wieder gerade zu rücken. Als dieser Mann auf ihn losgestürmt war, hatte er Gregors Gesicht gehabt. Nico wusste, dass das unmöglich war, doch gerade rasten seine Gedanken. Warum die Frau? Wer steckte dahinter? War es nur ein Einzeltäter? Es lag nahe, denn sonst hätte man einen effektiveren Hinterhalt planen können. Man kannte Nico und wusste, dass er kein Stümper war. Aber warum? Die Frau musste dringend ebenfalls aus dem Weg geschafft werden.. SEHR SEHR dringend. Doch gerade konnte Nico das kaum bewerkstelligen. Amadeo schickte nach zwei ihrer Wachen, die kurz darauf erschienen - und zu Nicos großer Freude noch nüchtern waren. Sofort nahmen sie Aufstellung vor dem Raum und Nico konnte Amadeo losschicken, um sich dieses Problems anzunehmen. Und so sehr Nico auch versuchte, den Grund, das Warum für diese Tat zu finden, kreisten seine Gedanken um Gregors Gesicht und Kieran, der ihm, mit Sicherheit ungewollt, das Leben gerettet hatte. Weil er ihn beschimpft hatte und Nico deswegen gezögert hatte, was die Dame aus dem Konzept gebracht hatte und Nico erkennen ließ, dass etwas nicht stimmte. Und trotzdem, der Hass aus Kierans Augen hatte ihn unglaublich verletzt. Wieder dachte er an die Briefe.. DIE BRIEFE! Nico schoss nach vorn und stopfte Papier und Feder in eine der Schubladen des Schreibtisches - keine Sekunde zu früh, denn gerade als er sich wieder auf das Bett warf, klopfte es an der Tür. "Tretet ein...", erklang seine Stimme noch immer etwas zittrig von den Erlebnissen der letzten zwanzig Minuten. Kieran [[BILD=8207709.jpg]] Kieran begann in seinem Zimmer zusammenzupacken. Übermorgen würden sie aufbrechen und Kieran war froh, diesen Mist hier bald hinter sich zu haben. Er verstaute medizinische Gegenstände in einer Kiste, als ein Diener eintrat - kreideblass und zitternd, der ihn bat, ihm zu Dominico zu folgen. Das war ja schnell gegangen... Dominico konnte ihn letztlich nur aus zweierlei Gründen zu sich zitieren, beide gefielen ihm nicht: entweder würde er ihn wegen seines Verhaltens vorhin zur Rede stellen, oder aber es war etwas passiert. Er blickte den Diener fragend an. Irgendwas war seltsam, was ihn wachsam werden ließ. "Ist was passiert?", fragte er, seinem Gefühl folgend. Der Junge nickte blass. "Nehmt euren Koffer mit." Kierans Stirn verdunkelte sich und er beeilte sich, seinen Koffer zu holen und dem Diener in den Trakt zu folgen, in dem Dominoco wohnte. Die Wachen vor Nicos Tür ließen ihn nervös werden. Was war passiert? Sie wurden durchgelassen. Er erblickte Dominico, auf dem Bett sitzend, mit blutdurchtränktem, notdürftigem Verband. Kieran spürte, dass ihn Angst packte. Nico war angegriffen worden? Von der Frau? Oder jemandem anderen? Doch letztlich war das nicht das Entscheidende. Er trat zu Dominico ans Bett, öffnete in geübter Bewegung seinen Koffer und holte Blutwurz heraus, hochprozentigen Alkohol und saubere Tücher, dann öffnete er den Verband und machte sich daran, die Verletzung zu behandeln. Wahrscheinlich hätte er höflich sein müssen, ihn begrüßen, mit ihm reden, ihn fragen, was geschehen war, aber er konnte es nicht. Sein Hals war zugeschnürt, die Angst um den anderen ließ ihn verstummen und mechanisch handeln. Er wusste eh nicht, was er ihm hätte sagen sollen. Und er schaffte es auch nicht, ihn anzusehen. Und während er ihn versorgte, wurde ihm bewusst, dass, wenn der Angriff anders ausgegangen wäre, das letzte, was er zu Dominico gesagt hätte, 'Scheißkerl' gewesen wäre. Und das machte ihm wahnsinnig zu schaffen. Er würde sich mit dem anderen aussprechen müssen, bevor sie sich trennten, definitiv. Er hatte die Blutung gestoppt und die Wunde gereinigt. "Harter Mann oder nähen?", fragte er leise und seine Stimme fühlte sich so fremd an. Er sah Dominico flüchtig an und versuchte zaghaft zu lächeln. Er fühlte sich so verdammt schuldig. "Ich bevorzuge letzteres, weil Ihr unter Umständen den Arm so schnell wie möglich wieder brauchen könnt." Sorgsam fuhr er fort, den Wünschen des anderen entsprechend zu handeln. "Es tut mir leid", sagte er dann leise, "dass ich vorhin so ... unhöflich gewesen bin." Doch in diesem Moment trat Amadeo ein. Dominico [[BILD=8207705.jpg]] Nico streckte noch immer den Arm in die Höhe, eine der Wachen hatte ihm inzwischen Wasser organisiert und er trank gierig, vor allem um den Nebel in seinem Kopf zu vertreiben, der dort festsaß. Er musste dringend dringend nüchtern werden, einige Dinge planen - vor allem ihre morgige Abreise aus Madrid. Er würde keinen Tag länger bleiben, auch wenn es besondere Vorsicht im Umland erforderte. Doch hier war der Verschwörer auf bekanntem Boden, draußen war es offenes Feld. Sie würden sich dort besser formieren können und Nico würde ihm oder ihr nicht die Gelegenheit geben, ihn in diesem Palast zu ermorden. Als Kieran hereinkam, erwartete Nico beinahe ein triumphierendes Grinsen. Vielleicht hatte Kieran sonstwas erwartet, die Frau auf ihm oder sie beide verkeilt, krampfend, wie auch immer - doch anscheinend war der Diener bereits mitteilsam gewesen und als er in Kierans Gesicht sah, konnte er dort vor allem Sorge erkennen. Nico löste mit Kieran den Verband und der Schnitt blutete noch immer. Nico biss die Zähne zusammen als der Arzt die Wunde säuberte, während er bereits Instruktionen an die Soldaten gab. "Schickt nach den anderen. Holt sie vom Bankett, sie sollen packen. Ich bleibe keinen Tag länger hier... aber macht es nicht so, dass es einen Affront gegen den König wäre. Wir reisen ab, weil ich heute einen Brief erhalten habe, der sagt, dass das Wetter zur Zeit für eine gute Seereise spricht. Sagt ihnen das und sagt ihnen, dass sie bei Sonnenaufgang reisefertig sein sollen! Die Wache soll sich teilen, ich will, dass jeder Mann morgen so ausgeruht wie nur möglich ist. Bewaffnet auch die mitreitenden Diener und Leibwachen, ich will, dass jeder in der Lage ist, sich zu wehren. Noch haben wir keinen blassen Schimmer, wer diesen Anschlag plante, und es bleibt zu hoffen, dass es niemand ist, der mehr Einfluss hat und mehr Männer schicken kann. Also bleibt wachsam." Seine Stimme bebte, weil es schmerzte, doch Nicos Befehlston war geübt und die Männer folgten auf den Fuß. Während zwei zurückblieben, um die Türe zu sichern, ging einer anderer los, um die Befehle auszuführen und Nico wandte sich endlich an Kieran, der bereits fertig war. "Nähen, das ist doch die beste Wahl, nicht wahr?" Seine Stimme war so sanft wie er sie klingen lassen konnte in dieser Situation. Die Beleidigung hatte er ihm längst verziehen... vielleicht, so dachte er bei sich, sei es sogar wichtig Kieran zu sagen, dass es letztlich diese Beleidigung war, die ihn gerettet hatte. "Ich werde den Arm schon morgen brauchen. Kein Schmerzmittel, kein Schlafmittel, kein Holz. Näh einfach, ich halte das aus." Und er würde es aushalten, es war nicht die erste Wunde, die genäht wurde. Er hörte wie die Türe aufging und Amadeo eintrat, doch Nico ließ es sich nicht nehmen, Kieran noch einmal anzusehen. "Ich verdanke dir mein Leben. Hättest du uns nicht aufgehalten, wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass wir am falschen Ort für die Gemächer einer Dame sind. Vergeben und vergessen", meinte Nico nur noch knapp dazu, ehe er sich einem süffisant grinsenden Amadeo zuwandte, der einen Brief zwischen den Fingern hielt. Nico nahm ihn entgegen und sah den Mann fragend an. "Lei si divincolava come un pesce in acqua." Amadeos leiser Singsang ließ beinahe darauf schließen, er sei gerade wirklich fischen gewesen, doch sein selbstzufriedener Ausdruck sagte ihm eher, dass irgendwo in diesem Palast eine Lady erwürgt auf dem Boden lag. Die Nadel an seinem Arm stach und tat weh, doch es gelang ihm den Schmerz zu verdrängen und den Brief stattdessen zu entfalten. Es war keine Unterschrift darunter, doch die Sprache, in der der Brief gehalten war, reichte, um zu wissen aus welcher Richtung der Ärger kam.. Frankreich. Sicher nicht als direkter Angriff auf England, nein. Viel mehr schien Francis interesse daran zu haben, England und Spanien aufeinander zu hetzen. Kein dummer Schachzug, doch Nico würde nicht so einfach diesen Köder geben. Als die Wunde genäht war, verabschiedete sich auch Kieran, um zu packen und der Trakt, in dem sie alle untergebracht waren brodelte vor hektischer Betriebsamkeit. Amadeo packte mit Nico der allerdings sehr schwach war ihre Sachen und Amadeo "befahl" seinem Herrn besser ins bett zu gehen und zu schlafen. Doch Nico konnte nicht schlafen. Seine Gedanken kreisten um Kieran, um dessen Blick während er ihn genäht hatte, die zittrigen Finger... Kieran hatte Angst, entweder vor ihm, um ihn oder vor der Situation hier... also beschloss Nico noch einen letzten Brief zu schreiben, vor allem, weil in seinen Gedanken in den letzten Tagen ein Entschluss Gestalt angenommen hatte. Er würde Kieran sagen, von wem die Briefe stammten, aber nicht hier in Madrid. Doch in England oder auf dem Schiff würde er es auch nicht machen können, also blieb ihm nur die Reise nach Santander. Papier und Feder fanden noch einmal den Weg auf Nicos Schreibtisch ehe sie ganz verstaut wurden. Habibi, du hast heute so unsagbar traurig ausgesehen... oder war es Wut in deinem Blick? Ich hoffe, dein Ärger trifft nicht mich und es ist nicht, weil ich dir mein Gesicht nicht zeigen kann. Ich habe noch einen letzten Ort, der uns verbinden soll, einen letzten Punkt auf unserer gemeinsamen Reise, die wir doch nie gemeinsam unternehmen konnten. Wenn du zurückkehrst nach England, so bleibe in Santander noch einen weiteren Tag und suche die verlassene Capilla de la Virgen llora auf. Geh am Abend, Habibi, dann, wenn die Welt schlafen geht, und schau von der Kapelle aufs Meer hinaus. Behalte dieses Spanien in deinem Herzen, wenn du gehst, und nimm die Trauer nicht mit zurück in dein Leben in England. Darunter stand ein kurzer Abriss aus dem Hohelied Salomos, auf Spanisch und reichlich verziert: Unüberwindlich - so ist auch die Liebe, und ihre Leidenschaft brennt wie ein Feuer. Kein Wasser kann die Glut der Liebe löschen, und keine Sturzflut schwemmt sie je hinweg. Wer meint, er könne solche Liebe kaufen, der ist ein Narr, er hat sie nie gekannt! Kieran [[BILD=8212633.jpg]] Also tatsächlich ein Anschlag, sein Gefühl hatte ihn nicht getäuscht. Die Anweisungen, die Nico gab, waren deutlich. Sie würden Madrid so schnell wie möglich verlassen. Dann würde er diese schöne Stadt, wohl doch schneller hinter sich lassen, als geplant. Aber angesichts der Tatsache, dass es jemand auf Dominicos Leben abgesehen hatte, war das auch sehr gut zu verkraften. Da wäre es Kieran sogar lieber, wenn sie schon gestern gefahren wären. Ja, er merkte, dass ihm das mehr zusetzte, als er es sich eingestehen konnte. Die Tatsache, dass er jetzt auch hätte gerufen werden können, um den Tod des andren festzustellen, war erschreckend. Als er die so sanfte Stimme des anderen sah, blickte er ihn doch an. Konnte es sein, dass Dominico kein bisschen erzürnt war darüber, dass Kieran ihn so dämlich angegangen war? Er nickte über die Anweisungen. „Also harter Mann und dennoch nähen“, grinste er leicht und sparte es sich, Schmerzmittel und Holz herauszuholen. Er bereitete alles vor und begann dann fein säuberlich zu nähen, während Amadeo offensichtlich bei bester Laune hereinkam. Noch bevor die beiden Männer miteinander sprachen, entschuldigte Nico ihm sein Verhalten. Doch, dass er ihm sein Leben verdanke, war wohl ein wenig zu viel des Guten, oder? Zumal die Tatsache, dass Nico mit der Frau zu ihren Gemächern unterwegs gewesen war, nicht unbedingt das war, was er gern hören wollte. Kieran nickte dennoch. Es machte ihn verlegen und daher ging er nicht weiter darauf ein, sondern wechselte lieber das Thema. „Ist es dann auch verziehen, dass ich Dr. Lorenzo angeschnauzt habe?“, fragte er noch leise und schmunzelte leicht dabei. Amadeo reichte Dominico einen Brief und schien jenem etwas zu bestätigen. Kieran hatte alle Mühe, die Nadel ruhig zu halten, daher bemühte er sich nicht weiter, zu sehen, was da geschrieben stand. Tatsache war, dass die Furcht um den anderen, ihm die Hand zittrig werden ließ. ‚Reiß dich zusammen, du Hornochse!‘, tadelte er sich selbst und versuchte sich mit den Gedanken abzulenken, was er alles einpacken musste, um nicht mehr über die Dinge nachdenken zu müssen, die ihn belasteten. Und so nähte er den Schnitt sorgfältig zu, die Sorge um den anderen nicht ganz aus seinem Herzen vertreiben könnend und verließ den anderen recht zügig. Es wäre die reinste Folter gewesen, weiter bei ihm zu bleiben und aus medizinischer Sicht gab es auch keinen Grund dafür. Die Nähe, die er unverhofft zum anderen gehabt hatte, hatte wieder mal jeglichen Entschluss, Dominico zu verteufeln, zu vergessen und zu leugnen, zunichte gemacht. Er konnte es nicht! Er konnte diesen Mann einfach nicht so schnell vergessen. Er packte noch lange, hatte ja auch einiges an Kräutern getrocknet in seinem Zimmer hängen und ließ sich Zeit mit dem Packen. Er könnte ohnehin nicht schlafen, das wusste er. Wie konnte man nur so furchtbar besessen von einem anderen Menschen sein? Warum musste es unbedingt Dominico sein? Und wieso hatte er heute so deutlich gespürt, dass aller Zorn, den er auf den anderen gehabt hatte, sich in Nichts aufgelöst hatte, in dem Moment, indem er Angst hatte, Nico sei etwas passiert? Offenbar spürte man wirklich erst durch einen Verlust, was einem jemand bedeutete. Aber war das nicht dumm?! Und doch war dieser Erkenntnis ohne Zukunft. Er wusste doch, dass es keine Chance gab für sie, zumindest gab Nico ihnen keine. Er schlief über einem Buch gebeugt ein und richtete sich morgens fluchend auf, als er merkte, dass er im Schlaf gesabbert hatte und die Tinte in eben diesem Buch dadurch auf der Seite gelitten hatte. Es war eine der Abschriften des Königs, die er selbst handschriftlich ergänzte, verbesserte und vervollständigte. Und in diesem waren auch die Briefe, die er in den letzten Tagen erhalten hatte. Irgendwie wollte er sie nicht wegschmeißen, hing an ihnen, weil sie ihm das so schöne Madrid nahe gebracht hatten. Der Schaden war nicht groß und so ließ er das Buch noch liegen. Er würde es zuletzt einpacken. Als er sich im Zimmer umblickte, an welcher Stelle er weitermachen wollte, sah er einen neuen Brief. Stirnrunzelnd hob er ihn auf, dachte er doch, dass er keinen Brief mehr erhalten würde. Kieran öffnete ihn hastig und begann zügig zu lesen, während er sich aufs Bett sinken ließ. Ja, was war es gewesen – Wut oder Traurigkeit? Wahrscheinlich beides… Er musste matt lächeln bei dem Gedanken, die Trauer hier in Spanien zu lassen. Er würde sie unterwegs loswerden, wenn er über die Pyrenäen ritt und durch Frankreich. Spanien würde er definitiv in positiver Erinnerung behalten, auch wenn es das Land war, in dem er Dominico für sich verloren hatte. Die Kapelle zu besuchen klang verlockend, doch wenn es nach seinem Plan lief, dann würde er sich vorher vom Tross trennen und sich verabschieden. Andererseits wäre es doch ok, wenn er sich auch später trennte. Bevor Nico nicht gut auf dem Schiff war, würde er sich vielleicht Sorgen machen, oder? Kieran stutzte: Der Gedanke war absurd angesichts des Vorhabens, den Tross zu verlassen: würde er sich Sorgen machen Er merkte, dass der Wille, zu gehen, nachließ. Und dann kam dieser letzte Absatz. Kierans Stirn runzelte sich und er musste ihn zweimal lesen, bevor er meinte zu begreifen, was da stand. Er hatte mit den Worten kein Problem, aber der Inhalt machte ihm zu schaffen. Wie konnte eine wildfremde Person von einer solchen Liebe schreiben, wenn sie sich doch gar nicht kannten? Er empfand dieses Wort ‚Liebe‘ als ungeheuer mächtig. Es zu verwenden, sollte man genau überlegen. Aber wenn man sich nie getroffen hatte? Nein, so etwas schrieb man dann nicht. Besonders der letzte Satz ließ ihn zögern. Wer meint, er könne solche Liebe kaufen, der ist ein Narr, er hat sie nie gekannt! Irgendwie erinnerten ihn diese Worte augenblicklich an Dominico, der ihm doch so oft versichert hatte, dass er ihn mit allem, was er für ihn getan hatte, eben nicht kaufen und an sich binden wollte. Und noch ein Punkt passte mit einem Mal nicht ins Schema: Das war ein Bibelzitat, er kannte es aus der Sonntagsschule, in der nur Bibeltexte gelesen wurden. Er hatte so damals lesen und schreiben gelernt und er wusste, dass er diese Worte da schon einmal gehört und gelesen hatte. Sie hatten ihm gefallen. Aber wieso zitierte eine Frau, die vorgibt, arabischer Herkunft zu sein, aus der Bibel? In Kieran gärte ein Gedanke, den er fast nicht zulassen wollte. Er wollte gerade die anderen Briefe holen, um sie alle noch einmal zu lesen und eventuell neue Hinweise zu finden, doch in diesem Moment trat William ein und sah ihn an. „Du siehst scheiße aus. Was hast du heute Nacht getan?“ Kieran zuckte mit den Schultern. „Mit den Büchern geschmust“, sagte er knapp und steckte auch diesen Brief in das Buch. „Ich bin gekommen, um dir zu helfen. Die stressen alle ganz schön, aber es ist vermutlich besser so.“ Kieran nickte. „Du kannst schon mal die beiden großen Reisekoffer heruntertragen", sagte er, um William zu beschäftigen und vom Reden abzuhalten. Und während er packte und sie schließlich hinunter zum Tross ging, versuchte er Argumente zu finden, die seine Vermutung bestätigten. Doch bald verbat er sich, weiter darüber nachzudenken. Er verrannte sich schon wieder und würde am Ende nur enttäuscht sein, wenn dem nicht so war. Er hatte auch keine Idee, wie er das prüfen könnte. Aber wenn dem so war, würden sich alle Briefe ganz anders lesen. Dann hätte Dominico ihm seine Liebe… Nein, nicht verrennen, bloß nicht verrennen! Es würde zu sehr schmerzen, wenn dem nicht so war. Tag- und Nachtträume wurden nicht Realität! Sie brachen wirklich sehr bald auf und Kieran fand gerade noch Zeit, sich bei den Ärzten zu verabschieden, zu entschuldigen und zu bedanken. Kaum hatten sie Madrid ein gutes Stück hinter sich gelassen, konnte Kieran nicht anders, als Niamh am Wagen anzubinden und in eben diesen zu kriechen. Er suchte die Briefe heraus und las sie alle nochmal und nochmal und nochmal. Es machte schon Sinn, insofern, als dass der Schreiber/die Schreiberin ihn bewusst an Orte geschickt hatte, die er automatisch mit Nico verbinden würde. Aber das konnte auch nur Zufall sein. Kieran schloss genervt über sich selbst die Augen. Er hatte den Gedanken und er verselbstständigte sich. Ein Gedanke ist wie ein Virus, resistent, hochansteckend und die kleinste Saat eines Gedanken kann wachsen. Er kann jemanden aufbauen oder zerstören. Und Kieran wusste nicht, was dieser Gedanke mit ihm machen würde. Irgendwann schlief er im Wagen ein. Dominico [[BILD=8210279.jpg]] Nico hatte den Brief noch einmal seinem Boten gegeben, der angesichts der Sachlage gerade nicht begeistert aussah ihn zu überbringen, doch Nico gab ihm dafür noch eine Münze mehr. Vielleicht lehnte er sich mit diesem Brief jetzt zu weit aus dem Fenster, vielleicht war zu offensichtlich, was darin stand, aber dann würde er es am nächsten Morgen merken und bis dahin konnte er schlafen. Besonders ruhig war die Nacht nicht. Amadeo hielt Wache während Nico döste, aber keinen wirklich tiefen Schlaf fand. Alles war viel zu aufwühlend, zu nervenaufreibend gewesen. Nico fürchtete um seine Gruppe und absurderweise auch um Kieran, auch wenn es absolut unwahrscheinlich war, dass dieser ins Fadenkreuz eines Attentäters kam. Als die Sonne am nächsten Morgen über den Horizont kroch, stand Nico bereits angezogen im Stall. Die Wägen wurden bereits angespannt und die ersten Reisenden saßen auf ihren Plätzen. Kieran verabschiedete sich gerade noch von einigen der Ärzte wie William Nico berichtete, doch als die Glocken die achte Stunde schlugen verließ ihr Tross Madrid. Die Stadt schien noch nicht ganz erwacht zu sein, es war still und friedlich. Für Nico hatte diese Stille allerdings nichts friedliches, eher etwas bedrohliches. Sein Pferd tänzelte wegen Nicos Anspannung und wurde erst ruhiger, als sich auch sein Reiter entspannte, nachdem sie die Stadtore unbehelligt verlassen hatten. So langsam fing Nico an, tatsächlich an einen Einzeltäter zu glauben. Vielleicht ein Emporkömmling mit Kontakten der versucht hatte, sich durch einen so fingierten Triumph bei Francis einzuschmeicheln? Nico wusste es nicht, wusste nur, dass er mit dem Leben davongekommen war, weil er in seinem festen Plan, die Dame der Wahl zu vögeln, unterbrochen worden war und das ausgerechnet von dem Mann, den er versucht hatte mit genau dieser Tat zu vergessen. Nico brütete eine ganze Weile über dieser Tatsache und darüber, dass er dabei war, Kieran zu verlieren. Der Arzt hatte nichts zu ihm gesagt, doch er glaubte es zu spüren. Er hatte ihn verloren als er nicht aus diesem verdammten Zuber hatte steigen können, um Kieran in den Arm zu nehmen und zu halten, als sie es beide gebraucht hätten, aber er wollte nicht einsehen, dass es inzwischen vielleicht zu spät dafür war. Und doch konnte er jetzt sein Pferd nicht wenden, um mit Kieran zu reden, auch wenn es ihn danach verlangte. Seine Aufmerksamkeit galt der Straße und der Dinge, die da kamen. Jeder Wagen, jede Gruppe wurde von Nico gesondert in Augenschein genommen, doch niemand bedrohte sie und sie gelangten auch in keinen Hinterhalt. Dennoch bestand Nico darauf, einen geeigneten Lagerplatz für die Nacht auszusuchen. Sie fanden einen verlassenen maurischen Wachturm, der sich ganz gut dazu eignete, sich zu verteidigen. Da schon Steinräuber zu Gange gewesen waren, war der Turm nicht mehr in seiner vollständigen Höhe erhalten, doch das machte keinen Unterschied. Stein eignete sich nun mal hervorragend gegen Pfeil Bogen und Beschuss. Nico ließ die Wägen in einem Kreis um den Wachturm stellen und so lagerten sie größtenteils in Schweigen. Nach Spielen war niemandem zu Mute und auch Nico ging sehr schnell zu Bett. Sie hatten sich heute nicht damit aufgehalten, Zelte aufzubauen, jeder schlief in seiner Kutsche oder im Wagen. Nico und Amadeo hatten sich in ihrem Wagen einen Schlafplatz eingerichtet und Amadeo würde noch eine Weile Wache halten, vielleicht sogar auf dem Kutschbock schlafen. Nico lag in relativer Dunkelheit und sah hinauf zum spanischen Sternenhimmel, der an der hinteren Öffnung des Wagens zu sehen war. Kieran fehlte ihm. Er fehlte ihm in seinen Armen, fehlte ihm, um ihn festzuhalten und ihm etwas zu geben, wofür er floh. Zurück nach England, um sich wieder in den Tanz einzureihen? Wenn Nico in Situationen wie dieser war, wäre er lieber tot, als erneut in diesen Reigen einzusteigen. Doch für Kieran? Für Kieran würde es sich lohnen all das durchzustehen, oder besser: Es lohnte sich bereits, denn er musste ihn in Sicherheit bringen. Dass er das Wohl eines einzelnen Mannes über das der anderen stellte, gefiel ihm eigentlich gar nicht, doch anscheinend schien sein Kopf langsam zu begreifen, was sein Herz schon eine ganze Weile lang wusste. Schon seit er zu dem Dolch gegriffen hatte, der Gregors Kehle zerfetzt hatte. Er hatte einen letzten Brief geschrieben, der noch immer in der Innentasche seiner Jacke steckte. Ein letzter Brief für Kieran, in dem er wohl deutlich machte, von wem auch all die anderen gewesen waren, allerdings mehr unabsichtlich als absichtlich. Nico waren beinahe die Augen zugefallen und die Handschrift die anfänglich so schön geschwungen gewesen war, war nach und nach abgehackter und nicht mehr ganz so perfekt ausgefallen.. doch es würde reichen. Er wollte ja im Grunde, dass Kieran es erfuhr, wer der Schreiber war. ER wollte ihn in der Kapelle treffen und kein erfundenes maurisches Mädchen. Doch würde Kieran kommen? Vielleicht hatte er jetzt schon genug Neugierde um die Kappelle aufzusuchen? Nico fuhr sich über die Brust an der Stelle an der der Brief lag. Ich will dir das nicht aufbürden. Das hier.. hatte er zu ihm gesagt und Du verdienst besseres als das. Ja, Kieran verdiente mehr als eine 'Mätresse' zu sein. War es wirklich das, was Nico umtrieb? Je länger er in dem heißen Wagen darüber nachdachte, der auch in der Nacht kaum abkühlen wollte, wurde ihm klar, dass es nicht ganz so war. Ja, er wollte Kieran das nicht aufbürden, eine Affäre. Doch es war keine Affäre, die Nico wollte. Und alles andere konnte er zwar wollen, würde es aber kaum bekommen können. wenn er Kieran seine Gefühle offenbahrte, dann lief er Gefahr, verspottet zu werden. Auch wenn er Kieran richtig einschätzte und der sicher nicht der Mensch war, der andere verspottete für ihre wahren Gefühle, so bestand noch immer die Gefahr, dass es eben nur das war, das Kieran wollte: Hin und wieder Sex mit einem Mann, der ihm die Lust schenken konnte, die er wollte. Eigentlich wusste er, dass er sich allein für diesen "Vorwurf" schon selbst hängen konnte, denn Kieran war sicher niemand der es 'geil' fand, Sex mit einem hochrangigen Mann zu haben. Wenn dann war es wirklich er selbst, den er bevorzugte, aber Nicos höfisches Denken zwang ihn seine Gedanken auch in diese Richtung zu lenken, bevor er eine Entscheidung fällte, die sein Herz schon lange getroffen hatte. Mitten in der Nacht stieg er selbst aus dem Wagen und huschte im Schutz der Dunkelheit in die Herde angebundener Pferde. Es waren sehr viele, da sie auch die gekauften Tiere mitführten, doch Niamh war leicht zu finden, da sie bei den Wallachen und Kutschpferden stand als einzige Stute. Er strich ihr über die Nüstern und befestigte den letzten Brief, in dem er ihn in ihre Mähne flocht. Sie beäugte ihn kritisch, ließ das Schriftstück aber, wo es war und kein anderes Pferd konnte nah genug kommen, um den Brief abzunagen. Diesesmal enthielt der Brief keine Anrede, war auf englisch geschrieben und die Handschrift war zwar zu Anfang so wie in all den anderen Briefen, doch gegen Ende war sie deutlich gekippt. You are my lover You are my friend You are my life to the very end. You bring me comfort You keep me warm You give me hope, You make me strong. You take me away to a distant shore And it's with you that I want to stay forevermore. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)