Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 52: London 2 - Gedanken an Weihnachten ---------------------------------------------- John [[BILD=8207697.jpg]] Es war etwas stickig in London und die Wärme der letzten Tage nervten John irgendwie. Es war Herbst! John mochte das kalte, feuchte, neblige Wetter der Stadt eigentlich gerne. Vielleicht, weil es so oft seine Stimmung widerspiegelte… Wahrscheinlich war er aber vor allem deshalb genervt, weil er - seit Kieran in Spanien war und nicht mehr für seinen Vater zur Verfügung stand - alles übernehmen musste, was dieser eigentlich arbeitete. Und er wunderte sich jeden Tag aufs Neue, wie Kieran das alles normalerweise so scheinbar mühelos schaffte. Dass Kieran nicht auf den Kopf gefallen war, war ihm klar. Aber dennoch. Es war wirklich bewundernswert, wie der kleine Kerl das alles bewerkstelligt hatte, während er ja auch deutlich Liebeskummer gehabt und unter diesem Idioten gelitten hat, der ihn doch nur von vorne bis hinten verarschte. John war nicht dumm und konnte eins und eins zusammenzählen. Und auch wenn Kieran nie einen Namen hatte fallen lassen, war ihm durchaus klar, mit wem er ein Verhältnis gehabt hatte. Aber er war auch klug genug, nichts in der Richtung zu sagen. Bei Menschen von diesem Stand hatte man schneller einen Dolch im Rücken oder eine Dosis toxicum im Essen, als man Amen sagen konnte. Da würde er sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen... John musste oft an die Nächste denken, in denen dieser schöne Körper neben ihm im Bett gelegen hatte, in denen Kieran neben ihm unruhig schlief, seine Nähe gesucht hatte und sie erhalten hatte, wenn er alptraumgeplagt aufschreckte. Und John war sich überlegte, ob Kieran und er wohl mittlerweile zueinandergefunden hätten, wenn Dr. Chambers ihn nicht nach Spanien abkommandiert hätte. John ärgerte sich darüber. Allerdings war es auch kein guter Anfang für eine Beziehung, wenn man gerade erst von dem einen abserviert worden war.... Er wollte Kieran - wenn überhaupt - nur ganz. Und so hoffte er, dass jener aus Spanien zurückkehrte und Dominico Sforza hinter sich gelassen hatte. Allerdings stand diese Hoffnung auf Messers Schneide, schließlich hatte John mittlerweile bei Hofe erfahren, wer diese Reise überhaupt leitete: kein geringerer als Dominico selbst. Und da konnte er so gar nicht abschätzen, was sich entwickelt hatte oder eben nicht. Nun, er würde abwarten müssen. So sehr er sich sonst nahm, was er wollte, wann er es wollte, so sehr konnte er abwarten,w enn ihm etwas wirklich bedeutete. Und das tat Kieran. Er bedeutete ihm viel. Kieran war seit langem einmal wieder ein Mann, den er gerne wirklich an seiner Seite wissen wollte. Er war seit langem der einzige Mensch, dem er sich überhaupt öffnete... Und egal was die Spanienreise bringen würde: er würde geduldig sein müssen. Zum einen bis sich Kieran wirklich von Nico losgesagt hätte: denn, was nützte ihm Kierans Körper, wenn sein Geist bei jemand anderem war? oder eben zum anderen: wenn Kieran und Nico doch noch zusammen wären. Denn so sehr er ihn gerne als Lebensgefährten hätte, so wichtig war ihm seine Freundschaft. Kieran ganz zu verlieren und nicht nur an Dominico, wollte er nicht riskieren. Und letztlich war ihm ja eigentlich nur eine Sache wichtig: dass Kieran glücklich war und wertgeschätzt wurde. Er musste geduldig sein. Es war Sonntagabend und sein Vater blickte nachdenklich aus dem Fenster, während er die Konsistenz der Salbe überprüfte, die sie gerade gemeinsam angesetzt hatten. Auch sein Vater vermisste Kieran, den er wie einen Sohn in sein Herz geschlossen hatte und den er als Arzt an seiner Seite schätzte. Kieran war ihm zu dem Sohn geworden, den er nie gehabt hatte. John hatte kein Problem damit. Er wusste, dass er seinem Vater nicht genügte, aus diversen Gründen. Er hatte nie eine Chance bei ihm gehabt, obwohl er es wirklich versucht hatte. Er genügte ihm nicht, weil er kein guter Arzt war, weil er war, wie er war, weil er aussah, wie er aussah... So war es halt, da gab es nichts daran zu beschönigen. Dafür half er ihm in der Drogerie und kredenzte seine Medikamente. Darin war er unschlagbar und nicht angreifbar. Es gab in ganz London niemandem, der ihm in diesem Punkt das Wasser reichen konnte. Zumindest darauf konnte er vielleicht ein wenig stolz sein. Die Tür, die unten ging, ließ sie beide sich ansehen, dann hörten sie Schritte auf der Treppe. Sein Vater stand auf und trat hinaus in die Stiege, bevor sein verlorener Sohn einfach an ihrer Wohnung vorbei ins Dachgeschoss hätte entkommen können. „Kieran!“, begrüßte er ihn und schloss ihn in die Arme. „Wir haben dich schrecklich vermisst“, hörte er seinen Vater sagen und lächelte darüber. Sein Vater löste die Umarmung wieder und sah den anderen an. „Du siehst braungebrannt aus, gar nicht mehr britisch“, stellte er fest und Kieran zuckte mit den Schultern. „In Spanien hat man keine andere Wahl“, erklärte dieser und sah nun John an. Das Lächeln und die Freude in den Augen des anderen war ehrlich, aber der Blick trug noch etwas anderes in sich, Schuld vielleicht? John ahnte, was der andere ihm bald offenbaren würde. Nun, dann war es so. Hauptsache, er war glücklich und auch bei ihm. „Hey, Kleiner!“, begrüßt er nun seinerseits den anderen und schloss diesen in eine Umarmung. Hm, das tat gut. Ja, er hatte Kieran auch vermisst. Doch lange hielt die Umarmung nicht an, denn Kieran piekste ihn in die Seite und tadelte ihn mit einem. „Nenn mich nicht ‚Kleiner‘!“ Aber das ließ er sich nicht nehmen und Kieran hatte mal gesagt, dass er der einzige sei, bei dem er das dulden könne, auch, wenn er es nicht gut hieß. Und so hatte sich das ein wenig wie ein running Gag zwischen ihnen etabliert. „Schön, dass du wieder da bist“, fügte John an und half dem anderen die Sachen nach oben zu bringen. Der Abend wurde lang und Kieran erzählte von der Reise und was er für sie mitgebracht hatte und wollte wissen, wie es hier so allen ergangen sei, den Patienten, Mr. Forbes und dem Laden. Später verabschiedete sich sein Vater ins Bett und sie hatten Zeit, etwas vertrauter miteinander zu reden. „Im Stallion wirst du vermisst“, wechselte er das Thema. „Jenny fragt schon, ob sie dich buchen könne. Du würdest dann das Bier auch umsonst bekommen.“ Er grinste leicht. Kieran hatte bei ihrem letzten Besuch die Anwesenden damit amüsiert, dass er die Bedienung begonnen hatte zu unterstützen, weil es ihm nicht schnell genug mit ihrer Bestellung ging. Dass er dabei das ein oder andere kleinere Kunststück hat einfließen lassen, hatte einigen sehr gefallen. „Bloß nicht noch ein Job“, winkte Kieran ab und lachte. „Aber ausgehen wäre super.“ Kieran schien kurz zu zögern und John blickte auf und sah ihn fragend an. „Er möchte auch einmal mitkommen, sobald es ihm möglich sein wird...“ John hob zweifelnd die Augenbrauen. „Na da bin ich ja mal gespannt.“ Die Woche startete für sie beide mit viel Arbeit. In der Uni musste man sich in die Kurse eintragen und wenn Kieran vermeiden wollte, noch einmal mit Sullivan zu tun zu haben, würde er sich rechtzeitig bei Dr. Goyle einschreiben müssen. Kieran hatte dann noch alle Hände voll zu tun, Dr. Chambers gerecht zu werden, der ihn sogleich einspannte, obwohl sein Vater ja auch hoffte, endlich wieder Patienten an den Schwarzhaarigen abtreten zu können. Und so wunderte sich John von der Ferne einmal mehr, wie es der kleine Mann schaffte, sich so zu vierteilen, dass er allen gerecht wurde. Abends saßen sie dann da und unterhielten sich. Er war gespannt, was noch so geschehen würde, wenn der Sforza in Kierans Welt eintauchen würde. Er würde es mit einem amüsierten Lächeln herausfinden. Hauptsache, der Kleine sah so glücklich aus, wie es im Moment war. Kieran [[BILD=8212633.jpg]] Die erste Woche verging wie im Flug. Er hatte ja gewusst, dass die Arbeit ihn schnell wieder einholen würde. Und so legte er sich ins Zeug und war froh, beschäftigt zu sein. Er schaffte es in die Kurse, in die er wollte, übernahm wieder ein paar Patienten von Mr. Forbes und auch Dr. Chambers spannte ihn sogleich wieder ein, ihn in der Klinik zu unterstützen. Kieran fragte sich zwischenzeitlich manchmal, wie er es schaffen sollte, wenn ab der nächsten Woche die Vorlesungen wieder beginnen würden. Wirkliche Ferien hatte er nicht gehabt… bis auf die zwei Tage mit Nico in jener Hütte, an die er sich gerne zurückerinnerte… Dominico hatte er einen Brief geschrieben, in dem er sich sehr förmlich erkundigte, ob er am Sonntag auf die Ländereien kommen könne, um seine Stelle als Arzt anzutreten. Dass er hoffentlich noch Zeit für Nico haben würde, war natürlich der Hintergedanke… Doch so viel Zeit blieb zumindest an diesem Tag gar nicht. Kieran war in der Früh noch mit seinen Patienten beschäftigt und als er endlich am Anwesen eintraf, wartete da auch einige Arbeit auf ihn. Aber die Praxis, die er nun sein eigen nennen durfte, war phänomenal. Nicht nur, dass die Räumlichkeiten allen Komfort boten, die man als Arzt haben konnte, es gab einen perfekt angelegten Kräutergarten, der im nächsten Frühjahr sicher einiges zu bieten hatte, ein Labor, in dem es besseres Equipment gab, als in der Uni, und zudem eine ganze Sammlung an Büchern. Dass es sein Vorgänger hinterlassen hatte, wunderte ihn, freute ihn aber umso mehr. "Darf ich John einmal hierherbringen? Wenn der das Labor sieht, flippt er aus. Das würde ihm glaube ich einige Arbeit erleichtern." Dominico stimmte zu, auch wenn er etwas zu zögern schien. Nun, vermutlich würde es ohnehin erst im Frühjahr wieder Sinn machen, wenn die Kräuter wieder wuchsen. Bis dahin würde die Situation zwischen Nico und John hoffentlich geklärt sein… Es war später Nachmittag, als sie dann doch noch zum Baden kamen und Kieran nutzte die Gelegenheit, Dominico noch einmal auf die vergangene Woche anzusprechen, in der der andere nichts von sich hatte hören lassen. Dominico erzählte ihm davon, dass es aufgrund der Situation mit Henry immer mehr zu Spannungen bei Hofe käme und ein gewisser Cromwell versuche, die Situation für seine Zwecke zu nutzen und seine Position bei Henry zu festigen, während er versuchte die ausländischen Familien aus dem Land zu vertreiben. Kieran hörte zu, weil er merkte, dass es Nico belastete. Er fragte allerdings nur bedingt nach, weil er wusste, dass zu viel an solchem Wissen für ihn auch sehr schnell nach hinten losgehen konnte. Die Zeit verging wie im Fluge und auch der Sonntag war so schnell vergangen, dass Kieran das Gefühl hatte, dass die Uhr schneller lief, wenn er mit Dominico Zeit verbringen konnte. Als er schließlich nach Hause kam, stand ihm eine lange und anstrengende Woche in der Uni bevor, in der er sicher kaum Zeit haben würde, nachzudenken. Zum Einstieg ins Semester war es offenbar Brauch, dass sich die Studenten und Dozenten im größten Hörsaal trafen und das Semester mit einem kleinen Umtrunk starteten, bevor die Kurse, die man in dem Semester besuchen würde, genannt und Zeitpläne ausgehändigt wurden. "Ich bin nicht mehr bei Sullivan." Kieran seufzte erleichtert, als er den Zettel betrachtete, der ihm ausgehändigt worden war. Er entwand John den seinigen und las sie vergleichend. "Wir haben fünf Vorlesungen gemeinsam." Dann runzelte Kieran die Stirn. "Wieso darfst du zu Dr. Cabbage in den Kurs für fortgeschrittene Pharmazie und ich nicht?" John zupfte ihm den Zettel aus der Hand und grinste breit. "Ich hab mit ihm geschlafen", sagte dieser schulterzuckend und lachte dann, als er das kritisch zweifelnde Gesicht von Kieran sah. "Ich bin halt brillant, das weißt du doch", sagte er dann grinsend und Kieran musste grinsen. Nun, wo John recht hatte… Kieran sah deutlich, dass John sich über diese Anerkennung sehr freute. Ein Schmunzeln legte sich auf seine Lippen, als ein Raunen durch die Menge ging und der Dekan der Hochschule eintrat. Das neue Trimester wurde eröffnet und bis Weihnachten würde die Hölle los sein. Wieviel Zeit er da wohl für Dominico haben würde? Er seufzte innerlich. Aber es würde schon gehen… Alessandro [[BILD=8225131.jpg]] Die Woche verging wie im Flug. Charles kam am Donnerstagabend zu ihnen zum Essen und hatte ebenfalls einiges zu berichten. Das Bild das sich bei den drei Männern abzeichnete war alles andere als gut. Cromwells Intrigen zielten nicht darauf ab, ein wenig mehr Macht zu bekommen, nein. Er hatte das hier von langer Hand geplant und keiner konnte wirklich sagen, was noch auf sie zukommen würde. Doch weil die drei Männer sich lange genug kannten und alle drei aus den widrigsten Verhältnissen zu ihrem Stand gekommen waren, würde Cromwell an ihnen scheitern. Sie beschlossen gemeinsam Cromwell vorerst gewähren zu lassen während Alessio zusehen sollte, ihren Stand wieder zu festigen. In dieser Zeit würden Nico und Charles auf die offenen Provokationen eingehen, die sie beide gegeneinander aufhetzen sollten, um vor Cromwell so zu tun als ginge sein Plan auf. Sie mussten die Männer finden, die Cromwells Pläne ausführten, die er beeinflusste. Sie mussten Männer finden, die bereit waren gegen Cromwell auszusagen wenn es um ihr Leben und ihre Ehre ging - und leider war das ein äußerst langwieriger Prozess mit einem Wettlauf gegen die Zeit. Es war wie beim Schach.. viele Züge dienten nur dazu den Gegner zu verwirren, ihn kennen zu lernen und dafür zu sorgen, dass er Fehler machte. Alessio würde dafür sorgen, das Cromwell Fehler machte. Die Zeit spielte ihnen eigentlich in die Hände: Es würde bald Winter werden in London und erfahrungsgemäß geschah im Winter mehr in den Bankettsälen als auf den Turnierplätzen. Die Vorweihnachtszeit war auch in London etwas, das Henry äußerst ausführlich beging und vielleicht würden ihnen die Gottesdienste und kleinen Feste die Bühne geben, die sie brauchten, um ihre eigenen Pläne umzusetzen. Um sich selbst besser zu schützen, riefen die beiden Brüder auch ihre Angestellten zusammen. Mehr denn je sollten die Männer und Frauen darauf achten, nicht den falschen Leuten zu vertrauen und ungebetene Gäste erst gar nicht auf das Anwesen oder in das Haus hinein zu lassen. Im Gegenzug versprach Alessandro ein schönes Weihnachtsfest, gemeinsam in ihrem großen Saal. Es war eine Schande, dass Giulia nicht bei ihnen sein konnte, doch Dominicos Frau hatte Verpflichtungen in Rom. Dennoch hoffte Alessandro darauf, dass es ein paar besinnliche schöne Tage geben würde, die ihnen allen die Kraft gaben, gegen Cromwells Sturm zu bestehen. Außerdem wollte er noch etwas anderes genießen - Rodrego. Sie hatten sich nicht häufig gesehen in den letzten Tagen, da der Schmied sehr viel Arbeiten musste. Wenn sie sich allerdings gesehen hatten, dann waren sie einander nah gekommen und Alessandro genoss diese Ablenkung sehr. Er hoffte, dass Rodrego das ebenso sah wie er und Alessandro zum ersten Mal seit langer, langer Zeit ein Weihnachten nicht allein verbringen musste. Kieran [[BILD=8212633.jpg]] Der Nacken schmerzte, genauso wie der Kiefer. Ein fahler Geschmack im Mund zeigte davon, dass er mit offenem Mund eingeschlafen war. Kieran schreckte auf, als er spürte, dass er bewegt wurde. Müde blickte er John an, den er im Halbdunkel erkannte. "Du bist schon wieder über den Büchern eingeschlafen...", erklärte dieser, der seinen Arm über seine Schulter gelegt hatte, und ihn nun hochhob, um ihn in sein Bett zu bringen. Kieran schmiegte sich an den anderen, atmete verschlafen ein. "Und du riechst nach Kneipe und Sex", murmelte Kieran. Er merkte, dass John ihn kurz ansah, bevor er ihn ins Bett legte und ihm half, die Hose auszuziehen. "Kann ja nicht jeder so einen tollen Mann haben, für den es sich lohnt, abstinent zu leben", knurrte John und Kieran grinste. "Wo du recht hast..." Seitdem er aus Spanien zurückgekommen war, war Kieran glücklich. "Schade nur, dass du deinen Prof häufiger siehst als ihn..." Kierans Grinsen starb jäh. "Es hat seinen Grund", knurrte er und sein Blick tadelte John. Musste er immer darauf herumreiten? Ja, verdammt. Er würde Nico auch gerne öfter sehen, aber es ging nun mal nicht immer so, wie er es wollte. Wenn Kieran Nico sah, wirkte er angespanntund voll Sorge. Er erzählte ihm nicht viel, nur dass Intrigen gesponnen wurden, die ihnen alles nehmen könnten. Kieran wollte lieber nicht zu viel wissen. Es war gesünder... und er wusste, dass er umso mehr aufpassen musste, damit er für Dominico nicht zum Problem wurde. "Schon gut, entschuldige!", murmelte John und hob beschwichtigend die Hände. "Es ist nur so, dass ich es vermisse, mit dir unterwegs zu sein..." Kieran nickte. "Vielleicht im neuen Jahr, wenn das Trimester zu Ende geht. Im Januar sind Prüfungen. Und wenn ich Nico irgendwie überhaupt sehen will, muss ich abends lernen..." Anders ging es nicht. "Und vor Weihnachten wirst du aber auch noch kaum Zeit haben... Das Fieber, das umgeht, verbreitet sich immer schneller. Dein Vater braucht jeden, den er haben kann." John schnaubte, sagte aber nichts. Kieran runzelte die Stirn. Manchmal würde er gerne in Johns Kopf sehen können. Er verstand noch immer nicht, was Vater und Sohn für eine Beziehung hatten... Von Herzlichkeit war keine Spur zu sehen, aber ein offener Konflikt fehlte auch. John stand unschlüssig da. "Weckst du mich morgen?" Kieran nickte. "Klar!" John drehte sich um. "Gute Nacht, Kleiner!", sagte er noch, bevor er die Tür hinter sich schloss. Kieran mummelte sich ein und schlief ein. Schön wäre es, wenn John auch jemanden hätte... Aber der Kerl war so weit weg davon, sich auf jemanden einzulassen, wie Henry davon entfernt war, zu seiner Ehefrau zurückzukehren... Kieran seufzte, dann schloss er die Augen und schlief ein. In der Tat rückte Weihnachten unaufhaltsam näher. Und damit verbunden waren irgendwie neue Probleme, die Kieran so gar nicht auf dem Schirm gehabt hatte: Was sollte er Nico schenken? Hätten sie eine Chance, Weihnachten überhaupt gemeinsam zu verbringen? Nico hatte erklärt, dass Henry ein Bankett abhielt, zu dem seine Anwesenheit gewünscht war. Sollte er dann zu seiner Familie reisen? Und was war mit John? Irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, dass dieser einen netten Abend mit seinem Vater vor einem Weihnachtsbaum haben würde. Als er John einmal fragte, wie sie Weihnachten verbrachten, hatte er gesagt: "Wie jeden anderen Tag... Meistens haue ich nach dem Essen ab und hol mir meinen Nachtisch auswärts." Kieran fand das traurig, denn bei ihm in der Familie war es üblich, dass man das Fest gemeinsam beging, obwohl keiner von ihnen wirklich tief religiös war. Es war ein Familienfest...Als John sein Gesicht sah, lachte er leicht. "Mach dir keinen Kopf", sagte er und lächelte ihn an. "Ich lege darauf gar keinen Wert und es stört mich nicht!" Kieran glaubte ihm sogar, und doch machte es ihn traurig. Daher nahm er sich vor, den anderen zumindest mit einem Geschenk zu überraschen, und er hatte schon eine Idee... Wenigstens hatte er genug Geld, seitdem er so viel arbeitete... Es war ein willkommener Zufall, dass Kieran an einem der Tage, an denen er auf dem Hof war und sich um Nicos Belegschaft kümmerte, Alessandro traf. Er hatte wenig mit ihm zu tun und ihn seit ihrer Ankunft aus Spanien nicht gesprochen. Und umso angespannter war er, als er zu jenem trat. "Eure Eminenz", sprach er ihn vorsichtig an. "Entschuldigt, dass ich Euch störe, aber ich wollte Euch etwas fragen." Als jener ihn ansah und ihm andeutete, dass er sprechen solle, blickte sich Kieran kurz um. Nico sollte ihn nicht hören und jener hatte manchmal die Angewohnheit, plötzlich einfach irgendwo aufzutauchen. "Ich weiß, dass ihr über Weihnachten vermutlich ziemlich eingespannt seid. Aber ich würde Nico dennoch irgendwie gerne überraschen. Aber ohne Hilfe schaffe ich es nicht. Da er an Weihnachten beim König sein muss, mache ich mir gar keine Hoffnungen, dass ich ihn da irgendwie sehen kann. Aber vielleicht an den darauffolgenden Tagen? Könnt Ihr mir sagen, ob es da Möglichkeiten geben könnte?" Ob er da bei Alessio richtig war, wusste er nicht. Aber fragen konnte er ja, oder? Alessandro [[BILD=8225131.jpg]] Vielleicht war es seine Anwesenheit in London, vielleicht auch einfach nur die Tatsache, dass Dominico und Charles Brandon mehr und mehr auf die Provokationen Cromwells eingingen. In jedem Fall wurde es ruhiger am Hof und Alessandro gelang es zumindest, wieder ein wenig Fuß zu fassen und seine Kontakte spielen zu lassen. Cromwell hatte wirklich ganze Arbeit geleistet, doch ganz auf verlorenem Posten standen sie nicht und die Tatsache, dass Charles und Nico im Geheimen zusammenarbeiteten, würde dem ach so geflissentlichen Cromwell hoffentlich irgendwann einen Strich durch die Rechnung machen. Dominico jedenfalls nahm seine Rolle sehr sehr ernst und war oft am Hof anzutreffen, während Alessandro sich rar machte und nicht zu auffällig unter Henrys Augen trat. Es gab ein Kollegium, das sich mit der Frage befasste, wie man wohl mit dem Antrag des Königs umzugehen hatte, der vorsah, Henry zum alleinigen Oberhaupt der Kirche von England zu ernennen. Alessandro musste sich notgedrungen diesem Kollegium anschließen, doch er schaffte es bisher immer, seine Stimme neutral zu halten und eher dem Bestreben des Königs zuzustimmen, auch wenn das nicht seine Überzeugung war. Er wusste, was mit Gegenstimmen früher oder später passieren würde und er hatte nicht vor, all zu früh abzudanken. Daher waren seine Auftritte am Hofe eher in sehr schlichten Roben gehalten und er vermied es, dem König all zu nahe zu kommen. Wenn er ihm doch unter die Augen trat, blieb er übertrieben höflich und weltlich, ließ den Kardinal nicht all zu sehr heraushängen. Er hatte ohnehin kein offizielles Mandat in London und je mehr er "nur" der Bruder von Dominico war, desto besser. In ihrem Haus lag die Sache etwas anders. Dort war er Alessandro Sforza, Kardinal im Dienste Roms. Das war auch, was die Belegschaft von ihm erwartete und er unterhielt seine Korrespondenz mit Rom und seiner Familie ohne Unterlass. Er würde einen Weg finden, sie hier in London abzusichern und dabei noch so zu tun, als handle er im Interesse ihrer Familie und Roms.. dazu war er schließlich ausgebildet und erzogen worden. Da er selten im Palast unterwegs war, verbrachte er viel Zeit auf ihrem Landsitz. Er ritt viel, wenn er nicht gerade arbeitete und als er an diesem Tag aus dem Stall zurückkam, lief er Kieran über den Weg. Der junge Arzt war ein häufiger Gast in ihrem Hause geworden. Er kümmerte sich um ihre Belegschaft, um das Labor und auch um Dominico. Erstaunlicherweise hatte sich Kieran tatsächlich gewandelt. Der junge Mann der jetzt vor Alessandro stand, hatte nichts mehr mit dem frechen Schausteller gemein, den sie Anfang des Jahres in Camebridge getroffen hatten. Er hatte höfische Manieren gelernt, studierte inzwischen und kleidete sich standesgemäß der Mode entsprechend. Ja.. definitiv die bessere Investition, wie Alessandro erneut zugeben musste. Er hielt inne, als Kieran ihn ansprach und sah den Schwarzhaarigen an. "Ja..?" fragte er knapp, in der Annahme, es handele sich um eine Frage bezüglich ihres Personals. Was Kieran jedoch zu sagen hatte, ließ Alessandro leise auflachen. Er machte sich wirklich über WEIHNACHTEN Gedanken? Das war irgendwie niedlich. "Ihn überraschen? Wollt ihr euch eine Schleife umbinden und ihn in seinem Bett erwarten?", fragte der Kardinal frech, ehe er sich wieder zur Ordnung rief. "Komm mit, hier ist nicht der richtige Ort um das zu besprechen", erklärte er und deutete Kieran ihm in seine Gemächer zu folgen, in denen sie ungestörter sein würden. Da Kieran seinen Bruder bereits nackt gesehen hatte, waren Alessandros Skrupel nicht sehr groß und er begann seine verschwitzte Kleidung auszuziehen. "Es gibt tatsächlich einen Empfang beim König zu Weihnachten. Der ist allerdings am Vormittag und wird nicht lange dauern. Wir werden dem König im Namen unserer Familie ein frohes Fest wünschen und danach zügig verschwinden. Keiner von uns beiden hat Interesse der Veranstaltung lang beizuwohnen, zumal wir vorhaben HIER zu feiern, wie wir das immer tun. Was habt ihr euch gedacht, als ihr von einer Überraschung gesprochen habt?" Kieran [[BILD=8212633.jpg]] Die prompte Antwort des anderen, traf Kieran so unerwartet, dass er augenblicklich errötete. Nicht nur, weil der andere den Gedanken der „Überraschung“ offenbar amüsant fand, sondern weil er tatsächlich einen Moment darüber nachgedacht hatte, Nico so etwas in der Art zu schenken… Und in seinen Tagträumen sah er Nico, wie er die Schleife mit den Zähnen… Kieran zuckte zusammen, als der Kardinal ihn anwies, ihm zu folgen. Und etwas nervös folgte er ihm. Alessandro hatte zwar gesagt, dass hier nicht der richtige Ort sei, aber bis in seine Gemächer ihm zu folgen, machte ihn einfach nervös. Viellicht hätte er doch nicht fragen sollen… Kieran wusste nicht so recht, wohin er schauen sollte, während sich Alessandro entkleidete und umzog. Als er ihm offenbarte, dass Nico nur vormittags beim König sein würde und sie dann – wie gewohnt – gemeinsam hier feiern würden, senkte er den Blick. Gut, er hatte noch nicht mit Nico überhaupt darüber geredet, aber irgendwie fühlte es sich seltsam an, dass Nico ihn nicht fragte, ob er mit bei ihnen dabei sein wollte. Wobei? Warum sollte er auch fragen? Er könnte ja an Weihnachten einfach zu seiner Familie gehen… Und vermutlich war das auch sinnvoller, wenn sie die Gewohnheiten nicht durcheinanderbrachten. „Ich denke, ich werde dann an einem der Tage nach Weihnachten einfach vorbeikommen, und ihm ein Geschenk bringen“, sagte Kieran ausweichend und lächelte zaghaft. Er hatte zum einen noch nicht wirklich eine Idee gehabt, womit er ihn überraschen wollte, zum anderen würde es ja ohnehin nicht möglich sein, wenn Nico mit seinem Bruder feierte. Noch zwei Wochen… War ja auch nicht so wichtig, dass sie gemeinsam Weihnachten feierten. Sie konnten sich ja auch zwischen den Jahren sehen. „Ich überrasche ihn dann damit. Vielleicht habe ich ja Glück und sehe ihn zwischen den Jahren etwas.“ Wenn Nico ihn nicht an Weihnachten mit seiner Familie haben wollte, dann konnte er es verstehen… Die Situation war ja nicht so einfach. Vielleicht blieb er auch bei John. Der schien ja auch nicht wirklich ein Weihnachtsfest zu haben. Und wenn es weiter so kalt bliebe, war es auch nicht so einfach, zu seinen Eltern zu kommen. Der Boden war gefroren, es war rutschig und er war vorhin schon mehr gelaufen, als geritten, als er hierhergekommen war. Alessandro [[BILD=8225131.jpg]] Alessandro hatte nicht erwartet, mit seinem Vorschlag ins Schwarze zu treffen. Ob Kieran wirklich eine schöne Weihnachtsnacht mit Nico verbringen wollte, oder ob er nur unterschwellig daran gedacht hatte: Die Röte auf Kierans Wangen zeigte deutlich, dass der Kardinal den richtigen Riecher gehabt hatte. Während er sich umzog und eigentlich erwartete, eine Reaktion von Kieran zu erhalten oder eine Idee zu der Überraschung, die Kieran eben angesprochen hatte, bekam er eine sehr ausweichende Antwort. Alessandro hatte sich gerade ein frisches Hemd übergestreift, nach dem er sich ein wenig an einem Waschbecken frisch gemacht hatte und sah Kieran jetzt prüfend an. Der Mut, mit dem er ihn eben in der Halle noch angesprochen hatte, schien jetzt voll und ganz verflogen. "Wieso an einem anderen Tag..?" hakte er nach, ehe er abwinkte und in die frische Hose schlüpfte, die er schloss, kaum das er das Hemd hinein gestopft hatte. "Wir feiern hier mit der Familie, mit unseren Angestellten und den Leuten, die uns wichtig sind. Natürlich seid ihr genau so eingeladen, denn mein Bruder wird Weihnachten nicht ohne euch feiern wollen. Wenn er euch noch nicht gefragt hat, dann liegt es schlicht und ergreifend daran, dass er noch nicht die Gelegenheit hatte. Zu Weihnachten ist es immer recht ruhig in London, die Menschen gehen kaum aus dem Haus. Mag auch am Wetter liegen. Wir feiern hier, genießen die Wärme im Haus und bestes italienisches Essen. Wenn ihr euch also von eurer Arbeit bei Mr. Forbes losreißen könnt, so seid ihr uns hier sicher herzlich Willkommen. Aber ihr habt mir noch immer nicht gesagt, was für eine Überraschung ihr euch für meinen Bruder ersonnen habt.. es sei denn, es geht wirklich darum, eine Schleife um euch zu binden. Dafür müsste ich euch dann aber vielleicht an einen unserer Angestellten verweisen, denn ich bin auch nur ein Mann mit zweifelhafter Vergangenheit." Er zwinkerte Kieran zu und begann, seine lockigen Haare mit einem Kamm wieder etwas in Form zu bringen. Wieso er gerade so gut gelaunt war, konnte er selbst nicht sagen. Vielleicht hatte ihn das Reiten einfach auf positive Gedanken gebracht, oder aber das Thema ließ ihn einfach positiv denken: Er würde Weihnachten mit Rodrego verbringen und er hatte bereits ein Geschenk für seinen Schmied in Auftrag gegeben. Er freute sich schon jetzt darauf, es Rodrego zu übergeben und er hoffte, dass es ihm gefiel. Auch für Dominico hatte er etwas in petto und er freute sich bereits darauf, auch selbst Geschenke zu erhalten. "Also, was ist es? Und wie kann ich euch dabei behilflich sein?" Kieran [[BILD=8212633.jpg]] Dass er leicht zu durchschauen war, war ihm mal wieder bewusst, aber diesmal war er ganz froh darum. Denn Alessandro schien zu verstehen, worin das Problem bestand: Nico hatte ihn noch nicht eingeladen. Und er würde sich definitiv nicht selbst einladen. Und dass Alessandro ihm jetzt erklärte, dass er willkommen war, dass Nico ihn dabeihaben wollte, nur noch nicht dazu gekommen war, ihm das auch zu sagen, machte ihn glücklich. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen und seine Freude war ihm anzusehen. „Um die Schleife geht es auch…“, sagte er und die Röte in seinem Gesicht schien noch nicht gänzlich gewichen zu sein. Dennoch senkte er nicht den Blick. Er war mit Nico zusammen. Kein Grund sich dafür zu schämen, oder? Und auch nicht dafür, dass er unanständige Gedanken hatte, wenn er an ihn dachte… „Aber es ging mir einfach nur darum, ein wenig…. Weihnachten zu feiern…. Irgendwie.“ Er lächelte den anderen an. „Er hatte noch keine Zeit, mich einzuladen… Aber wenn Ihr euch sicher seid, dass ich willkommen bin, könnten wir das ja nutzen. Ich habe eine Kleinigkeit für ihn und ich fände es schön, wenn er wirklich überrascht wäre.“ Es war nichts Besonderes, aber vielleicht würde er sich dennoch darüber freuen, mit ihm zusammen Weihnachten zu feiern. „Wenn ich ihm also sagen würde, dass ich eben nicht an Weihnachten da wäre, sondern bei meiner Familie, dann könnte ich ihn wirklich überraschen.“ Der Plan, funktionierte nun mal nur, wenn er Verbündete hatte. Und deshalb war er zu Alessandro gekommen. „Was meint Ihr, wäre das möglich? Dann wäre ich einfach doch da, wenn ihr vom König nach Hause kehrt.“ Blöd wäre es eben gewesen, wenn er irgendwo umsonst warten würde. Erwartungsvoll blickte er den Kardinal an. Würde der andere ihm helfen, Dominico zu überraschen? „Und die Schleife kann ich mir übrigens auch selbst umbinden…“ Er grinste leicht. Nun, das hätte schonmal geklappt! Kieran ging glücklich und zufrieden an diesem Tag an die Arbeit. Auch von Nicos Belegschaft hatten sich ein paar erkältet, aber zum Glück hatte niemand das Fieber, das herumging. Weniger glücklich war er, als er später feststellte, dass er Nico an diesem Tag wohl nicht mehr sehen würde. Allerdings hieß das auch, dass er ihn nicht ins Gesicht würde schwindeln müssen, was wiederum ein Vorteil war. Denn wenn sie sich schrieben wäre es einfacher. Er hinterließ ihm einen Zettel am Schreibtisch. Ich vermisse dich! Hoffe auf ein bisschen Zeit zwischen den Jahren... Nun, damit hatte er schon angedeutet, dass er an Weihnachten keine Zeit haben würde. "Hey, Honigkuchenpferd!", hörte er John, der ihn aus seinen Tagträumen riss. "Schau mal raus!" Kieran blickte verwirrt zu John, dann hinaus. Weiße Flocken tanzten in Scharen vor dem Fenster. Überrascht sah er John an. "Es ist generell kälter geworden. Ist letztes Jahr auch schon so gewesen..." Kieran erinnerte sich. Sie waren letzten Winter an der Südküste Englands gewesen, am Meer, bevor sie weiter in Richtung Cambridge gezogen waren... Cambridge. Es wirkte so lange her... Kieran sah zum Kalender. Morgen war Weihnachten. Aber wenn es so schneite, wie sollte er dann hinaus kommen? Aber darüber würde er sich morgen Gedanken machen. Jetzt experimentierte er mit John an einem Kräuterelixier, das bei Erkältungen half, den Kopf und die Nase frei zu bekommen... das kleine Labor duftete nach Thymian, Salbei und Rosmarin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)