Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 56: London 2 - Lästige Pflicht -------------------------------------- Tancred [[BILD=8256289.jpg]] Lobet den Herren, den mächtigen König der Ehren meine geliebete Seele, das ist mein Begehren. Kommet zuhauf, Psalter und Harfe wacht auf, lasset den Lobgesang hören! Die hohe Stimme des vielleicht gerade mal 8 Jahre alten Jungen hallte durch die Kathedrale wie der frühe Morgenwind, der durch die Segel der Raashno strich. Tancrèd war sicher, dass man in diesen Hallen jetzt hätte eine Stecknadel fallen lassen können und es hätte geklungen wie das Donnern der Kanonen auf See - doch niemand ließ etwas fallen, niemand rührte sich. Kein Stiefel kratzte über den Boden, kein Hüsteln, kein Räuspern, gar nichts. Vermutlich lag es daran, dass einfach niemand da war. Niemand außer dem vor dem Altar knienden König, einem Priester - nicht Wolsey - und dem kleinen Jungen, der mit erstaunlich fester Stimme in die Grabesstille der Kirche hineinsang. Tancrèd stand hoch oben auf der Empore, während sich Thomas Howard ebenso andächtig neben ihm auf einem Hocker kniete, um wohl ebenfalls zu beten. Tancrèd konnte nur mit Mühe ein Gähnen unterdrücken und ärgerte sich dabei über sich selbst. Es war zwar früh am Morgen, doch selbst für seine Verhältnisse war es bereits spät. Auf dem Schiff begann der Tag viel früher und wäre er jetzt noch in Portsmouth gewesen, dann wäre er bereits jetzt entweder auf dem Drillplatz oder aber auf dem Meer, am Steuerrad und Befehle über Deck brüllend. Das verdammte Morgengebet hätte Kadmin in seiner unvergleichlichen Art übernommen, die darin bestand im Krähennest zu stehen und für alle deutlich hörbar seinen eigenen Gott anzurufen: Allāhu akbar Ašhadu an lā ilāha illā llāh Ašhadu anna Muḥammadan rasūlu llāh Ḥayya ʿalā ṣ-ṣalāh Ḥayya ʿalā l-falāḥ Ḥayya ʿalā ḫayri l-ʿamal aṣ-ṣalātu ḫayrun mina n-naum Allāhu akbar Lā ilāha illā llāh Und dabei wäre der Großteil seiner arabischstämmigen Mannschaft auf Deck marschiert, hätte ihre Teppiche auf Deck ausgerollt und zumindest einmal am Tag gebetet. Solange sie vor Anker lagen, erlaubte Tancrèd diesen Brauch und er selbst empfand das innige Gebet zu Allah - der im Grunde für ihn nur eine andere Version von Gott war - auch als wesentlich intimer, als das von so viel Gehabe begleitete Gebet in einer christlichen Kirche. Sein ganzes Leben lang war er nach katholischen Regeln und Werten erzogen worden, war sogar für das Kreuz und Christus in den Krieg gezogen, doch so fundamentalistisch wie viele andere Ordensmitglieder war er nie geworden. Sein Verständnis von Gott war wohl ein gänzlich anderes als das, was der Vatikan predigte. Vielleicht lag es an der Belagerung auf Rhodos, oder von den Kämpfen auf dem Meer: Manchmal musste man einfach einsehen, dass Gott entweder weg sah oder den Menschen selbst überließ, die richtige Entscheidung zu treffen. Religiöser Fundementalismus widerstrebte ihm und es war ihm vielleicht auch gerade deswegen leicht gefallen, sich von seiner Familie abzuwenden. In seine Mannschaft hatten zwar Muslime gefunden, doch wenn es ums Überleben oder um Manöver ging, dann musste das Gebet eben warten. Sie alle waren der Meinung, dass Beten besser lebendig ging und man nicht auf einem Teppich kniend von der feindlichen Kanonenkugel von Deck geblasen werden wollte. Weil seine Männer ihm so entgegen kamen, erlaubte ihnen Tancrèd das Morgengebet, wenn es sich einrichten ließ. Wer auf seinem Schiff Christ war - und in seiner Mannschaft gab es Christen - der durfte Beten wann immer er Freizeit hatte und so spielte Religion auf ihrem Schiff keine wirkliche Rolle oder verursachte Reibereien. Die gab es meistens nur am Hafen, wenn andere Mannschaften durch das Rufen ihres arabischen Kameraden aus dem von Rum geschwängerten Tiefschlaf gerissen wurden. Engländer waren nicht nur mieserable Trinker, sie waren auch miserable Seefahrer und deswegen störten Tancrèd die wüsten Verwünschungen nicht, wenn ihr Ruf an Allah aus dem Krähennest tönte. Er hätte einiges dafür gegeben jetzt dort auf den vertrauten Planken stehen zu können und nicht hier. Zwar hatte er auch hier Holz unter den Händen, doch es war nicht seine Reeling, es duftete nicht nach Meer und Wind, sondern nach verdammtem Weihrauch! Lobe den Herren, was in mir ist, lobe den Namen. Alles was Odem hat, lobe mit Abrahams Samen. Er ist dein Licht, Seele, vergiß es ja nicht. Lobende, schließe mit Amen! Die finale Strophe, getragen von der anbetungswürdigen Stimme des Chorknaben, verhallte langsam in dem großen Bau und neben Tancrèd kam Leben in Thomas Howard, der sich wieder erhob und ihm deutete, nach unten zu gehen, wo sie den König treffen würden. Tancrèd richtete sich langsam und steif auf. An Deck trug er bequeme Hosen aus festem grobem Leinen, hohe Lederstiefel und meist kaum mehr als ein Hemd - hier war er gezwungen, höfischere Kleidung zu tragen. Auch wenn er es aus seiner Jugend mehr als gewohnt war. Er fühlte sich mehr als eingesperrt darin. Die breite Krempe des Hutes gab einen Ausgleich zu seinem blinden Auge, das er mit einer Klappe verdeckte. Die Hosen, die er trug, waren eng geschnitten mit einem goldenen Streifen an der Seite, das Hemd zwar weit, doch die Jacke darüber maßgeschneidert und mit einem Bewegungsspielraum von ungefähr 0. Die Pelisse über seiner rechten Schulter schien das ganze aufzulockern, doch für Tancèd war sie nur unnötiges Beiwerk, das im Falle eines Kampfes nur eine Behinderung darstellte. Sie erreichten den unteren Absatz der Treppe gerade, als Henry sich vom Gebet erhob, sich bekreuzigte und sich dann umwandte, um die Kirche direkt zum Palast hin zu verlassen. An der Türschwelle trafen die drei Männer aufeinander und Henry lud sie ein, ihm zu einem Frühstück zu folgen. Das war das einzige, das Tancrèd manchmal auf See vermisste: Obst! Er griff sich einen der Äpfel, als der König sie aufforderte, sich zu bedienen, und biss hinein. Howard starrte ihn an, als sähe er einen Wilden zum ersten Mal, Henry schmunzelte amüsiert, doch ablehnen kam für den Kapitän nicht in Frage. Nachdem er jetzt ja nicht direkt antworten konnte, berichtete Thomas Howard über die Fortschritte, die ihre Flotte machte, und Henry nickte begeistert und zufrieden. Als Tancrèd an der Reihe war, berichtete er ebenfalls von den wichtigen Manövern, die sie immer wieder übten und davon, dass man die Mannschaften bald soweit haben würde, in einem Verband eine ganz gute Figur abzugeben. Es war eigentlich eine Lüge, denn die Matrosen waren einfach keine Seefahrer. Doch irgendwann würde man sie in das kalte Meerwasser werfen müssen - und das Meer war Ende März wirklich noch sehr kalt. Jeder Mann auf See musste sich seinen Platz an Deck selbst verdienen und kein Kapitän war gut ohne eine gute Mannschaft. Deswegen kam es Tancrèd mehr darauf an, die Mannschaft zu schulen und sie aufeinander einzuschwören, ihnen die Angst zu nehmen.. und genau dabei gab es ein Problem. "Eure Majestät, wenn Ihr erlauben würdet eine bescheidene Bitte zu äußern." Der König winkte, gut gelaunt von guten Nachrichten seiner aufstrebenden Flotte - obwohl ihm eigentlich klar sein musste, dass man in drei Wochen keine Wunder vollbringen konnte. "Es fehlt uns an Ärzten eure Majestät. Eigentlich sollte jedes Schiff zumindest einen guten Schiffsarzt haben. Natürlich kann man an Deck oder mitten im Meer nicht viel erreichen, doch das Wenige, das man erreichen kann, das sollte man zumindest anbieten können. Euren Männern wäre wohler dabei und ich bin sicher, für eure zahlreichen Studenten ist das eine einmalige Herausforderung." Der König zeigte sich unglaublich begeistert von dieser Idee und versprach, gleich bei der nächsten Konferenz einen entsprechenden Aufruf an die Universität zu machen und auch einen Aufruf an seine Leibärzte, ihre Schüler in Sachen Seegefecht ausbilden zu lassen. Die Universität würde bald Semesterferien die freie Zeit füllen... Und immerhin konnte es nur all zu gut sein, dass auch Henry selbst in einer dieser Schlachten Hilfe brauchte. Innerlich verdrehte Tancrèd den Kopf. Der König von England würde vielleicht einmal dabei sein, wenn ein Schiff im Kanal eine Kanone auf ein französisches Schiff abfeuerte. Bei einer wirklichen Schlacht, bei rauer See, mitten in der Nacht auf offenem Meer? Niemals würde Henry das freiwillig auf sich nehmen, da war sich Tancrèd sicher. Dennoch bedankte er sich überschwänglich, lobte "seine Majestät" für die guten Einfälle und versprach mit Thomas Howard dafür sorge zu tragen, Henrys Namen auf dem Meer berühmt zu machen. Genau. Und danach würde er sich mit der Krone den Arsch abwischen. Aber was tat man nicht alles für ein geregeltes Einkommen?! Außerdem brauchte Tancrèd einen Rückzugsort oder einen Freibrief. Frankreich kam nicht in Frage, gegen die Spanier fuhr er selbst zur See - viel mehr blieb nicht als England. Zudem Henry verschwenderisch war, wenn es um seine Navy ging, also nutzte der Mann das aus. Schon eine sehr arbeitsreiche Woche in Portsmouth später erreichte Tancrèd eine Einladung in die Universität in London, wo er gemeinsam mit Thomas Howard geeignete Studenten in Augenschein nehmen konnte, die für den Dienst auf Schiffen einsatzfähig waren. "Schon wieder nach London?" Sein erster Maat hatte sich über Tancrèds Schulter gebeugt und las den Brief, während er seine Alkoholfahne in Tancrèds Nase bließ. Sie saßen alle in der Taverne in Portsmouth und aus irgendeinem Eck drang ein gegröltes "Marie hieß meine Braaaut" zu ihnen herüber, ehe der Kapitän den Brief wieder in die Tasche steckte. "Schon wieder London" bestätigte er mit einem beinahe schon genervten Tonfall. Sein erster Maat fiel neben ihm auf die Bank. "Ich begleite dich Kapitän! Drei Augen sehen besser als eins.." Tancrèds Hand traf den Mann am Hinterkopf. "Übernimm dich nicht. Die Huren in London sind teurer als hier." "Aber sie hüllen sich auch in edlere Stoffe", gab der Maat zurück, was Tancrèd nur zum Lachen veranlasste. "Was interessiert es dich, was sie tragen? Willst sie doch eh nur nackt sehen!" "Ich ziehe das Schiff aber lieber aus der rauen See als aus einem vermatschten Tümpel" erwiderte der Mann und Tancrèd musste ihm schmunzelnd Recht geben. "In Ordnung, begleite mich. Aber bettel mich ja nicht um Geld für deine Weiber an.. wir haben dort einen Auftrag und je früher wir Ärzte für diese Pussymatrosen auftreiben können, desto früher stechen wir wieder in See. Und du weißt, was das bedeutet." Der Araber mit dem dunkelroten Turban grinste breit "Das heißt fette Beute!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)