Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 60: London 2 - Stadtarchiv ---------------------------------- Rodrego Fernale [[BILD=8222599.jpg]] Schlag um Schlag hämmerte Rodrego auf das glühende Eisen ein, wieder und wieder und wieder. Kurz hielt er inne, hob das glimmende Metall hoch, um es genau zu betrachten. Erneut folgten Schläge, bis er zufrieden war und es unter dampfendem Zischen ins kalte Nass beförderte. Rodrego wischte sich die Stirn, streckte kurz sein Kreuz. Seit Tagen war er dabei, Pferd um Pferd zu beschlagen, Rüstungen zu fertigen oder Werkzeug zu erneuern. Es war ja nicht so, dass er im Winter untätig gewesen wäre, aber just im April schienen alle erst zu merken, was sie brauchten. Und so arbeitete er hart. An solchen Tagen erinnerte er sich gern an die ruhigen Tage zwischen den Jahren, die er intensiv mit Alessio verbracht hatte. Täglich dachte er daran schon allein wegen des Werkzeuges, das er damals geschenkt bekommen hatte... und er freute sich, denn morgen würde er Zeit finden, sich mit Alessandro zu treffen. Rodrego war überrascht, als an diesem Abend ein Bote kam, um ihm einen Brief zu überreichen. Noch bevor er richtig fragen konnte, von wem dieser Brief kam, eilte der Bote allerdings schon weiter. Rod war sich sicher, dass er ohnehin keine Antwort erhalten hätte. Der Brief enthielt nur eine Uhrzeit und die Worte „Zugang zum Archiv“ und “eine Stunde“ – Rod war unschlüssig, was er damit machen sollte. Jener Brief lag so lang zurück! Warum jetzt plötzlich?Eigentlich hatte er, wann immer er Alessandro in seinem Arm hielt, beschlossen, diesen Brief zu vergessen, ihn zu ignorieren, und sich vielleicht doch einfach damit abzufinden, dass seine Eltern gestorben waren, unabhängig davon, wer diese Intrige gegen ihn eingefädelt hatte. Und das Resultat dieser Entscheidung waren ruhige Nächte, in denen er zwar letztlich nicht viel, aber immerhin so entspannt wie schon lange nicht mehr geschlafen hatte. Und doch war es nun wieder ein seltsames Gefühl, diesen Hinweis in den Händen zu halten. Ob er hingehen sollte? In das Stadtarchiv kam man nicht so einfach hinein. Und was würde er dort finden? Unterlagen zu den Verhandlungen? Zu den Richtern? Denen, die das Urteil gefällt hatten? Und es beschäftigte ihn doch noch eine andere Frage: Ganz offensichtlich war Alessio damals doch zu spät gekommen, aber zu was? An diesem Abend war Alessio auf dem Anwesen nicht vorzufinden und so verbrachte Rod den Abend alleine nachdenklich und abschätzend. Am nächsten Morgen ritt er nach London. Er hatte entschieden, zumindest zu sehen, was er dort finden würde. Anschließend würde er überlegen, ob er weitermachen würde oder nicht. Und so traf er zu besagter Zeit am Archiv ein und er bemerkte gleich, dass das Archiv nicht bewacht wurde. Neugierig geworden, trat er ein und auf den zentralen Schreibtisch in der Mitte des runden Zimmers zu, auf dem einige Papiere lagen. Darunter auch eine Rolle und ein ihm mittlerweile recht bekannter Brief – zumindest von seiner Aufmachung her. Er öffnete erst den Brief. „Lieber Rodrego, es freut mich, dass Du beschlossen hast, der Wahrheit auf den Grund zu gehen, auch wenn diese wahrscheinlich ziemlich schmerzhaft für Dich sein wird. Einen so engen und guten Freund zu haben, der ohne zu zögern das Todesurteil Eurer Mutter unterschrieb, schmerzt Euch wahrscheinlich sehr. Das Gefühl von Verrat ist ein heftiges, es durchstößt einem das Herz. Und man beginnt sich zu fragen, ob jede Freundlichkeit, jedes nette Wort Lügen gewesen waren. Lügen, hinter denen das hämische Grinsen eines skrupellosen Mannes stand. Nichts von dem, was gewesen ist, scheint nun noch echt gewesen zu sein. Nichts scheint ohne Absicht getan worden zu sein. Doch wie kann man einem solchen Mann jemals wieder unter die Augen treten, ihn richtig behandeln? – Ich sage Dir, es geht nicht. Ein solches Verbrechen muss gesühnt werden. Aber übereilt nichts! Der Schmerz, den der andere empfinden soll, will wohl überlegt sein. Verhalte dich ganz normal, als sei nichts gewesen. Und im richtigen Augenblick werden wir zuschlagen und dafür sorgen, dass der Mord an eurer Mutter nicht ungestraft bleibt. Sei so vertraut wie immer, ein Freund. Ich werde euch helfen, ihm zu zeigen, dass man nicht leichtfertig mit Menschenleben umgeht, dass man nicht aus reinem Eigennutz Freunde verrät. Ich melde mich! Hochachtungsvoll Ein wahrer Freund Rodregos Miene war verdunkelt. In ihm kam ein Gefühl hoch, das ihn erzittern ließ. Die Worte, die er gelesen hatte, erschreckten ihn. Ein Freund soll ihn verraten haben? Er hatte nicht viele echte Freunde, hatte nur Dominico und Alessandro. Einer von diesen hatte ihn verraten? Er merkte, wie seine Hand zitterte, als er zu der Papierrolle griff. Sie war schon angestaubt – klar, es waren 5 Jahre vergangen. Sein Herz schlug ihm hart gegen die Brust, während er das Siegel durchbrach und langsam die Rolle öffnete. Es war das Todesurteil einer 'Hexe', seiner Mutter, Leonora Fernale, angeklagt mit dem Teufel im Bunde zu sein, weil sie den Teufel beschworen hatte, ihren Mann zu rächen. Unterzeichnet von – Alessandro Sforza. Rodrego hatte das Gefühl, ihm drehe sich gleich der Magen um. Die körperliche Reaktion war heftig, er zitterte, ihm wurde schwindelig, er war nicht mehr Herr über sich. Gleichzeitig überschlugen sich seine Gedanken doch letztlich war er nur zu einem einzigen Gedanken fähig: Ich habe eine Liebesbeziehung mit dem Mörder meiner Mutter! Er wusste später nicht mehr so recht, wie er aus dem Archiv gekommen war, wie er nach Hause gefunden hatte. Er war völlig neben der Spur und saß nun vor seinem Haus. Er hatte die Rolle mitgenommen, sie gut verwahrt. Nun hielt er den Brief in Händen, der ihm irgendwie Halt gab. Dennoch war er ratlos. Er hatte keine Ahnung, wie er sich verhalten sollte. Das Gefühl von tiefem Hass breitete sich mehr und mehr in ihm aus und gleichzeitig wurde er immer ruhiger. Und langsam begann er klar zu sehen. Seine Einschätzung Alessandros gegenüber war richtig gewesen und das, was er die letzten Monate sehen durfte, einmal mehr eine perfekte Charade gewesen. Sicher lachte sich Alessandro innerlich über ihn tot. Er fickte denjenigen, dessen Familie er zerstört hatte. Rodrego konnte es noch immer nicht fassen, wie ein Mensch zu so etwas in der Lage war. Dabei hatte er wirklich geglaubt, dass jener Nähe brauchte. Wie ging das zusammen? War dem anderen nicht mehr bewusst, was er ihm angetan hatte? Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken, und doch war ihm klar, dass es genau der Punkt sein würde, an dem er ansetzen musste. Wenn er Alessandro Sforza zeigen wollte, wie man sich fühlte, jemanden sehr Wichtigen zu verlieren, dann durfte er sich nicht anmerken lassen, dass er von dessen Todesurteil von seiner Mutter wusste. Er würde ihm zeigen, wie es war – aber dazu würde er dem anderen erst einmal die Nähe schenken müssen, die jener angeblich so sehnlichst vermisste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)