Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 65: An Deck - Ankommen ------------------------------ Tancred [[BILD=8258113.jpg]] Als Kieran wieder an Deck trat, war das Schiff bereits dabei abzulegen. Mit 20 Rudern unter Deck wurde das Schiff kurz darauf aus dem Hafen manövriert, ehe die Segel gelöst wurden und der Wind das Schiff förmlich aus dem Hafen blies. Tancred stand am Steuerrad während Kieran langsam zu ihm hinaufstieg und die rege Betriebsamkeit um sich beobachtete. Die Männer huschten von dort nach dort, arbeiteten Hand in Hand und machten das Schiff im gleichen Atemzug auch gefechtsbereit. Tancred war sehr zufrieden. "Sie sind gute Männer. Jeder von ihnen kennt seinen Platz und seine Stellung hier an Deck. Du bist neu und meine Männer brauchen keinen Arzt und eigentlich wollen sie auch keinen. Aber genau deswegen bist DU auf meinem Schiff." Er fing lieber gleich mit Klartext an. Hier hatte der Hof keinen EInfluss und er hatte keine Lust auf viel Gerede drumherum. "Hier kannst du am ehesten etwas lernen, das dir für dieses Gewerbe etwas bringt. Hier wird dir vorerst niemand für das danken, das du tust. Sie werden nicht einmal zu dir kommen, wenn sie sich verletzen. Du musst deinen Platz hier in dieser Mannschaft finden. Sie beobachten, wie sie arbeitet, sie kennen lernen. Du fängst am unteren Ende dieser Hierarchie an und wirst sehen müssen, wie weit nach oben du aufsteigen kannst. Aber das ist letzten Endes das, was dir helfen wird, über dich hinauszuwachsen." So klang es gut. Nicht nach: Ich will dich unbedingt auf meinem Schiff haben, weil ich neugierig auf dich bin. "Wir werden einfache Manöver versuchen. Wir verschießen nur Schwarzpulver und Steine, keine echten Kanonenkugeln. Viel zu teuer so viel Eisen ins Meer zu blasen. Wir werden sehen, wie lange wir das machen, vielleicht fahren wir über Nacht, vielleicht nicht. Es entscheidet sich spontan, ob wir über Nacht im Hafen ankern oder in einer geschützten Bucht.. generell ist es dir freigestellt, auf dem Schiff zu schlafen, wenn du möchtest. Ansonsten gibt es nichts zu beachten.. außer: Steh niemals im Weg." Und das war wohl so ziemlich das Schwerste auf einem Schiff, auf dem sich die Männer gegenseitig auf die Füße traten. Kieran [[BILD=8207701.jpg]] Als er die Treppe hinauf zum Steuerrad ging, beobachtete er die Männer. Und mit einem Mal wurde ihm klar, warum es sich so heimelich anfühlte. Das Treiben an Deck, damit das Schiff auslief, war nicht anders als das Treiben, wenn seine Familie an einem Veranstaltungsort ankam. Jeder wusste, was er zu tun hatte, und jeder arbeitete vor sich hin. Jeder hatte seine Position, seinen Rang, seine Aufgaben. Und man konnte deutlich beobachten, wer wem auswich, wer die Befehle an wen gab, weiterreichte oder befolgte. Er trat zu Nadim hin und dieser erklärte ihm sogleich unverblümt, was er zu erwarten hätte. Erst wusste Kieran nicht, wie er mit so viel Ehrlichkeit umzugehen hatte, war er sie ja kaum mehr gewohnt. Doch dann war er eigenlich ganz froh. Letztlich konnte er da nur dankbar dafür sein. Schließlich wusste er nun, was auf ihn zukam. Er nickte auf die Worte hin und blickte auf das Schiff. Er musste sich also hocharbeiten, wenn ihm das hier wirklich etwas bringen sollte. Kieran dachte gerade wieder mit Sehnsucht an sein Bett zu Hause und die Bettdecke, die so verlockend erschienen, doch dann schob er den Gedanken beiseite. Sicher, zu erfahren, dass man unerwünscht war, tat nicht besonders gut, aber er war keiner, der sich davon abschrecken ließ. So war er definitiv ncht. Er stellte sich Herausforderungen und er kniff nicht. Er würde das Beste geben und sehen, was passieren würde. Nur der Umstand, dass wieder einmal jemand augenscheinlich nur das Beste für ihn wollte, ließ ihn schmunzeln. Mal sehen, ob dem wirklich so war, oder ob mehr hinter der Tatsache stand, dass er ausgerechnet hier gelandet war. Sei es, weil Nadim das so hatte haben wollen, sei es, weil Nico ihn darum gebeten haben konnte, sei es Zufall. Er lauschte den Ausführungen des anderen und entnahm daraus für sich, dass er nichts würde planen können. Kein Besuch bei seiner Familie, kein Besuch zu Hause - nun er würde dann halt schreiben müssen. Sie fuhren gerade aufs offene Meer hinaus und Kieran musste sich an der Reling festhalten. Er war sportlich, aber aus der Form. Und an das sichere Bewegen an Deck würde er sich gewöhnen müssen. Als Tancreds letzte Anweisung kam, sah er ihn an, nickte und lächelte. "Ich werde es versuchen", sagte er auf die Anweisung, nicht im Weg zu stehen, und blickte Nadim an. "Und Ihr... Du hast die unmögliche Aufgabe bekommen, aus diesen steifen britischen Soldaten, eine kampftaugliche Marine zu machen? Wie soll das funktionieren? Die Briten haben sich doch schon immer darauf verlassen, auf ihrer blöden Insel unerreichbar zu sein. Im Vergleich zu deinen Leuten sind die Briten auch viel zu förmlich, als dass diese Betriebsamkeit aufkommen könnte, die bei dir herrscht. Und deine Mannschaft scheint mir nicht sonderlich geduldig zu sein. Führt ihr die anderen in den Manövern vor? Oder schult ihr sie auch an Land für die See?" Tancrèd [[BILD=8258113.jpg]] Die Strömung direkt hinter dem sicheren Hafenbecken war aufgewühlt und die eben noch so ruhige Fahrt wurde dann doch etwas schaukeliger. Gut, hier an Deck würde Kieran nie mit Übelkeit zu kämpfen haben, die aus Seekrankheit herrührte. Hier waren die Männer maximal zu betrunken. Sie nahmen weiter Fahrt auf und Tancred wählte einen Kurs an der Küste entlang, in schnellem Gewässer. Das Schiff drehte sich recht flink zum Wind und der Bug schnitt in die aufgewühlte See. Tancreds Herz blühte richtig auf, wenn er das fühlte. Wasser schwappte durch die Stückpforten und floss wieder aus ihnen hinaus, das Schiff ächzte und seufzte, so als freue es sich ebenfalls wieder auf der See zu tanzen. Kieran neben ihm fand langsam seine Sprache wieder und Tancred musste unweigerlich schmunzeln, als Kieran zunächst wieder höfisch ansetzte und sich dann korrigierte. "Ja, diese Aufgabe habe ich bekommen. Hab zu viel Spanier versenkt, da wurde man leider auf mich aufmerksam. Und weil ich meine Mannschaft gerne bezahle und spanische Kriegsschiffe nicht wirklich reich mit Gold beladen sind, bin ich auf den Handel eingegangen. Man kann die Schiffe nur schlecht schleppen und verkaufen. Auf dem Meer kann man sie nur versenken, sonst kommt das nächste und versenkt dich, während du noch das erste schleppst... eine schlechte Sache. Man verdient nur Schutzgeld von Händlern und das lohnt auch nicht. Die englische Krone zahlt gut, also sind wir hier solange sie zahlt... Dass ich mich dabei mit Engländern plagen muss, stört mich nicht sonderlich." Er grinste schief. "Einige von ihnen können meinen Ansprüchen immerhin genügen." Die Zweideutigkeit dieser Worte musste er wohl kaum besonders betonen. "Sie sind ja nicht mal so schlecht, wenn es um ihre Schiffe geht. Aber es sind eben Landratten. Sie wollen nicht zu weit hinaus segeln, sie begnügen sich damit, die Insel zu verteidigen, und das reicht dem König nicht mehr. Sie hochseetauglich zu machen, ist schwer, aber sie lernen dazu. An den Kanonen sind sie schon wesentlich besser geworden, aber das liegt vor allem daran, dass meine Kanoniere zweimal laden, bis sie den ersten Schuss abfeuern können. Es ist ein Wettbewerb und der drillt sie besser als jeder Kommandant. Sie wollen gegen Ausländer kein schlechtes Bild abgeben..." Er grinste und korrigierte leicht den Kurs, während die Kanonen auf der Seeseite in die Stückpforten geschoben wurden, ohne dass er etwas sagen musste. "Und natürlich führen wir sie vor. Denkst du meine Männer bleiben ernst bei diesem Affentanz? Sicher nicht. Aber sie geben sich Mühe, sie zu motivieren, das ist wichtig." Die erste Salve löste sich krachend vom Bug und hüllte das Meer in dichten Rauch. "An Land schulen wir nur die wenigsten. Es sind ein paar Sachen, das Entern und so etwas... Man muss es lernen, sonst fällt man zwischen den Schiffen in die See. An Tauen zu schwingen oder über Enterbrücken zu balancieren, ist an sich nicht schwer, aber wenn von der anderen Seite Männer mit Säbeln nur darauf warten, dass du kommst, und einem die Kanonenkugeln um die Ohren pfeifen, dann darfst du dich nicht mehr auf deine Füße konzentrieren. Du wirst es auch lernen. Als Arzt bist du Teil dieses Schiffes und du wirst es genauso wie alle anderen verteidigen müssen. Deswegen bist du auch hier. Die anderen bringen den Ärzten sicher kaum etwas bei und kommen wegen jeden Wehwehchen zu ihnen. Hier wirst du lernen, wie man die Verletzungen zufügt, die du später behandelst. Es wird dir gefallen, da bin ich sicher." Kieran würde sich hier einfügen, daran bestand kein Zweifel. "Über das Wochenende hast du noch Schonfrist, habe ich den Männern eingebläut. Ab Montag musst du dann auf eigenen Beinen stehen. Das kriegst du doch hin, oder?" Schmunzelnd warf Tancred einen Seitenblick auf Kieran, der schon sehr sicher auf Deck stand. Ein guter Anfang, definitiv. Tancred entschied an diesem Abend, nicht mehr nach Portsmouth zurückzukehren, und auch an den darauf folgenden Tagen nicht. Er hatte die See vermisst und seinen Männern ging es nicht anders, so dass die Tage auf dem Meer einfach gut taten. Sie kreuzten ein wenig, übten sich an den Geschützen und am Kampf auf Deck, brachten das Schiff einfach mal wieder ordentlich in Fahrt und als sie auf ein weiteres Schiff trafen, sich selbst auch wieder in Gefechtsbereitschaft. Es war beinahe, als würde man aus einem tiefen Schlaf erwachen, zumindest kam es Tancred so vor. Kieran [[BILD=8207701.jpg]] Es war kein unbekanntes Gefühl für ihn, auf einem Schiff zu sein. Er hatte ein gutes Gleichgewichtsgefühl allein schon deshalb, weil das früher für ihn und ihre Show entscheidend gewesen war. Daher machte es ihm nicht wirklich etwas aus, dass das Schiff auf den Wellen tanzte, und er brauchte nicht lange, um sich daran zu gewöhnen... Der Wind, der Wellenschlag gegen den Rumpf des Schiffes, es fühlte sich in diesem Moment alles so viel besser an, als in London zu sitzen und zu grübeln. Daher ließ er sich bereitwillig darauf ein und die Bettdecke, die ersehnte, verschwand von Minute zu Minute aus seinem Kopf. Den Ausführungen des anderen hinsichtlich dessen, wie es dazu gekommen war, dass er nun hier in England stationiert war, lauschte er mit Interesse, zeigte ihm doch das, was er schon vermutet hatte. Er hatte es hier mit einem Mann zu tun, der schon viel gesehen hat, viel bereist und erlebt hat. Und Kieran konnte nicht anders, als solche Menschen in irgendeiner Form 'anziehend' zu finden. So war er eben. Dennoch spürte er, dass mehr dahinter steckte, dass jener spanische Kriegsschiffe versenkte. Kieran fragte nicht nach, denn dafür war er nicht in der Position. Aber wenn jener offenbar ohne Flagge fuhr, hatte er das eigenmächtig getan und nicht für Frankreich. Und warum versenkte man Schiffe? Sicher schickte man nicht hunderte Menschen aus Spaß in den Tod. So schätzte er Tancred zumindest nicht ein... Er war ihm sympathisch, wirkte ehrlich und in sich ruhend. Oder täuschte das? Aber zunächst würde die Zeit, die er hier an Deck wohl haben würde, durchaus interessant für ihn werden. Die Zweideutigkeit hinsichtlich dessen, dass er ihm auch genügte, bedachte Kieran mit einem Lächeln. "Wobei ich mich nicht wirklich als Englädner sehe. Ich habe hier nur einige Zeit meines Lebens verbracht, so dass es etwas wie meine Heimat geworden ist", erklärte er daraufhin. Dann hörte er weiter zu, während Tancred ihm erklärte, wie er die Engländer ausbildete. Es machte Sinn, was er erfuhr und er nickte dazu. Ja, diese Mannschaft würde mit ihm genauso wenig erbarmen haben, wie mit den anderen Schiffen, wie mit allen, die versuchen würden, bei ihnen Fuß zu fassen. Aber es war gut zu wissen, dass sie fair waren, dass sie ihnen eine Chance gaben. Als die Kanonen feuerten, zuckte er automatisch ein wenig zusammen. Er hatte das schon gehört, an Land, in Deutschland. Und dennoch war es immer wieder ein wenig erschreckend für ihn.Sie benutzten Schwarzpulver in ihrer Show, um sie spektakulärer zu machen, aber hier wurde es verwendet, um zu zerstören und letztlich auch, um zu töten. Und das war etwas, woran er sich wohl nie wirklich gewöhnen können würde. Die weiteren Ausführungen des anderen, machten das nicht besser. Ja, er würde wohl Teil der Mannschaft werden, irgendwie. Und allein bei der Arbeit an Deck verletzte man sich leicht genug. Aber würde er auch "mitkämpfen" müssen? Kieran ahnte, dass er im Falle eines Falles keine Wahl haben würde. Wenn es ums Leben ging, war sich jeder selbst der nächste. Aber schmecken tat ihm das nicht. Und ob es ihm gefallen wird, jemanden zu verletzen? Nun, da war sich Kieran nicht so sicher, wie es Tancred war. Er würde es auf sich zukommen lassen. Sicher, das ganze war letztlich nur ein Spiel, bei dem der Adrenalinkick sicher nicht zu verachten war. Aber Kieran hoffte inständig, dass er niemals wirklich bei einer Schlacht auf See oder sonst wo zugegen sein musste. "Ich bin gespannt, was da auf mich zukommt", sagte er daher wahrheitsgemäß. "Und ich bin froh, wenn ich keine Wehwehchen verarzten muss. Ich kann Selbstmitleid nämlich nicht ausstehen." Da hatte er in London schon genug zu tun mit diesen Menschen, denen man am liebsten sagen würde, dass sie sich nicht so anstellen sollten. Dass er über das Wochenende eine Schonfrist erhalten sollte, ließ ihn kurz lachen. "Auf eigenen Beinen stehen?", überlegte er. "Hm, das habe ich ja noch nie gemusst. Das wird schwierig. Ich hab niemanden, der mir den Hintern abwischt? Oje..." Wieder lachte er leicht. Er hatte definitiv keine Angst davor, sich hier irgendwie zu behaupten. Sein ganzes Leben hatte er das doch letztlich machen müssen, oder? "Deine Leute werden schon nicht schwieriger sein, als diese Schlagengrube bei Hofe." Wenn er an Dr. Sullivan dachte, wurde ihm noch immer schlecht. Doch er schob den Gedanken wieder weg. Der Hof war weit weg ud nichts anderes vermittelte ihm Nadim. "Ich bin letztlich in einer Gruppe großgeworden, die wahrscheinlich deiner Mannschaft nicht unähnlich ist. Ich werde da durchaus auf eigenen Beinen stehen können. Und wenn nicht, kann ich ganz gut auch auf meinen Händen stehen." Er grinste leicht. Seine Vergangenheit wird ihm hier sicher helfen, das wusste er. Kieran ahnte, dass Tancred nachfragen würde, woher er kam. Und hätte er es nicht erzählen wollen, dann hätte er das nicht erwähnt. Und daher erzählte er dem anderen, dass er in einem Trupp von Schaustellern großgeworden war, der Europa bereiste und aktuell hauptsächlich in London gastierte. Er ezählte ihm von ihrer Show, seinem Beitrag dazu und umriss, wo sie schon in Europa gewesen waren. Letztlich waren das belanglose Dinge, die er erzählte. Zu persönlich wurde er nicht. Dafür kannte er Nadim zu wenig. Doch wärehnd er erzählte nutzte er die Gelegenheit, sich die Crew genauer anzusehen, was von hier oben nun mal am besten ging. Und es dauerte nicht lange, bis er ein paar der Strukturen durchschaute. Und er hatte auch recht schnell denjenigen gefunden, der in der Hirarchie eher ziemlich weit unten anzusiedeln war. Ein junger Mann, jünger sogar als er, vielleicht 18 oder 19 Sommer würde er wohl zählen. Er war offensichtlich eher für die undankbaren Aufgaben zuständig, das Schiff sauber zu halten, die Abfälle und Exkremente zu entsorgen und in der Küche dem Koch zu helfen. Der Koch selbst war ein mürrischer, eher schweigsamer Mann. Der, der hier nach Kadmin das Sagen hatten, war ein großer Mann, ein Araber, der sich gerne reden hörte. Wenn Kieran seinen Namen richtig verstand, hieß er Iskander. Dann gab es noch die spanischen Brüder oben im Krähennest, Meister des Degens und freundliche Männer. Sie hießen Tulio und Miguel. Der Deutsche - Joseph - war schon etwas älter. Zumindest könnte sich Kieran mit ihm in einer Sprache unterhalten, die er gut konnte. Zafir - auch ein Araber - bildete mit Redar ein Geschutzengespann, wobei Kieran auffiel, dass die beiden sehr eng miteinander verbunden waren. Redar schien krank zu sein und Zafir entlastete ihm, so gut es ging und so sehr es Redar überhaupt zuließ. Kieran verabschiedete sich schließlich von Tancred mit den Worten, dass er sich umsehen wolle, und tat das auch. Den Tag verbrachte er damit, sich auf dem Schiff umzusehen, vorsichtig, um niemandem auf den nichtvorhandenen Schlips zu treten, und sich mit den Räumlichkeiten - viele waren es ja nicht - bekannt zu machen. Als er sich abends zum Essen zu den anderen dazusetzte, setzte er sich bewusst in die Nähe von dem jungen Mann nieder, der eigentlich Mohammed hieß, aber von allen nur "Jamahl" genannt wurde. Wahrscheinlich, weil es einige Mohammeds hier gab und man sie irgendwie unterscheiden musste. Also wurde der hübsche junge Mann eben so genannt. Kieran hatte ein Stück Seil in seinen Händen und versuchte sich an den Knoten, die er heute beobachtet hatte. Er merkte, dass er von Jamahl beobachtet wurde, auch andere schauten zu ihm hinüber, gingen aber nicht darauf ein. Derjenige, der die Chance hatte, jemanden endlich auch mal zu belehren, nahm diese jedoch wahr und rutschte schließlich näher. "Das geht so", sagte er mit einem Ton der Abfälligkeit, der ihm definitiv nicht stand und ihm auch nicht so einfach von den Lippen ging, weil er nicht ihm selbst entsprach. Und so kamen sie ins Gespräch und Kieran bat ihn, ihm ein wenig zu helfen, sich zurecht zu finden. Der Junge fühlte sich geschmeichelt und half ihm tatsächlich. Und am nächsten Tag begleitete er ihn durch den Tag, machte genau die gleiche Arbeit wie er und bemühte sich, niemandem im Weg zu stehen. Er packte mit an und half und tat auch sonst alles, nur nicht irgendwie heraushängen lassen, dass er eigentlich Arzt war. Es wirkte fast so, als wolle er hier anheuern und nicht als Arzt tätig werden. Manche spotteten ein wenig, witzelten, indem sie Dinge sagten wie: "Hat der Hübsche noch einen Kleinen dazubekommen." Aber Kieran störte sich da nicht dran. Dafür kam er mit den Leuten leichter ins Gespräch, die ihn wohl einfach nicht als Fremdkörper empfanden, sondern als jemanden, der sich integrieren würde. Das Falscheste wäre wohl an seiner Stelle gewesen, hier den Studierten, den Gelehrten heraushängen zu lassen. Aber da sich Kieran selbst sogar nicht als einen Höhergestellten sah, war ihm das ohnehin fern. Bei anderen Studenten würde es das sicher nicht so einfach gehen... Auch der Koch, der Nassir hieß oder genannt wurde, war zufrieden mit ihm. Er hatte so viel seiner Mutter beim Kochen geholfen, dass er da geüt und versiert war. Und als er Nassir auch noch Kräuter gab, die jenem ausgegangen waren, hatte er einen Stein bei ihm im Brett. Wieder ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Sie waren nun schon den drei Tage unterwegs, als sie eines der anderen Schiffe der brittischen Flotte sahen. Kieran hatte mittlerweile ganz gut gelernt, sich auf dem Schiff zu bewegen, beim Setzen der Segel, beim Rudern zu helfen, auch wenn er noch immer ziemlich auf der Hut war, nicht am falschen Fleck zur falschen Sekunde zu stehen. Er bemühte sich, was nicht einfach war. Und wenn er abends im Bett lag, tat ihm alles weh. Er war echt nichts mehr gewohnt. Seine Hände waren schwielig, aber das war nicht der Rede wert. Letztlich fühlt er sich so frei und in sich ruhend, wie schon lange nicht mehr. Die körperliche Arbeit, die ihm so sehr fehlte, tat seiner Seele gut. Man gab Zeichen, dass man das Treffen mit dem anderen Schiff nutzen wolle, um zu üben und Kieran war gespannt, was auf sie zukäme. Hier merkte er, dass er definitiv noch viel lernen musste. Er war nicht flink genug, nicht geübt genug, um dem Gegner wohl immer einen Schritt voraus zu sein, und das wurmte ihn ein wenig. Als sie abends dann endlich einmal wieder nach Portsmouth zurückkehrten, hatte Kieran das Gefühl, in der Mannschaft bereits zumindest akzeptiert worden zu sein. Da die Mannschaft freibekam, nahm er sich die Zeit, an Land zu gehen, um nach Niamh zu sehen und zwei Briefe, einen an John, einen an seine Mutter, aufzugeben. Dann kehrte er an Deck zurück, die Ruhe genießend, die dort herrschte, da die Besatzung ausnahmslos in die Tavernen geströmt war. Er saß auf der Reling und blickte hinaus auf das Meer und überschlug in Gedanken die Ereignisse der letzten Tage. Er hatte wirklich wenig Zeit gehabt, an Nico zu denken. Doch jetzt musste er wieder einmal. Er hatte Post erhalten, von John, der ihm mitteilte, dass morgen die Lieferung in Portsmouth eintreffen würde. Von Dominico war keine Nachricht gekommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)