Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 78: London 3 - Dinge gerade rücken ------------------------------------------ 9 Dinge gerade rücken Kieran [[BILD=8264587.jpg]] Kieran ergriff Dominicos Handgelenk und zog ihn wortlos und mit festem Griff mit sich zur Praxis. Dort angekommen drückte er ihn auf die Liege, die er für Untersuchungszwecke hatte. Dann suchte er alles heraus, was er brauchte, füllte eine Schüssel mit kaltem Wasser und kehrte zu Nico zurück. Er sprach kein Wort, wusste ohnehin nicht, was er sagen sollte. Er brauchte einfach ein bisschen Zeit. Seine Hand hob Nicos Kinn so an, dass er die Nase in der richtigen Position hatte. Sein Blick war bewusst nur darauf gerichtet. Er konnte dem anderen gerade nicht in die Augen blicken. Seine Finger tasteten über die Nase. John hatte ganze Arbeit geleistet. Er legte beide Hände an und mit einer überraschenden, schnellen Bewegung richtete er sie wieder gerade. Ein Knacks, ein neuer Blutschwall und Nicos Aufstöhnen bestärkten ihn in dem Wissen, dass es wieder passte. Kieran nahm einen der Lappen, die er ins kalte Wasser gelegt hatte und hielt sie Nico unter die Nase, wartet, bis das Blut aufhörte zu fließen. Es war an ihm zu reden, das wusste er. Aber Nico würde sich gedulden müssen, bis das hier fertig war. So wusch er dem anderen schließlich das Gesicht, schmierte etwas abschwellendes auf die Nase und wusch sich die Hände. Schließlich blickte er endlich Nico in die Augen und wie er geahnt hatte, spürte er wieder, wie ihm die Tränen kamen. Seit wann war er eigentlich so nah am Wasser gebaut? Vermutlich seit er seit Monaten versuchte, sich seinen Kummer nicht anmerken zu lassen... "Es tut mir leid", begann er leise und seine Stimme zitterte. "Es tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe, dass ich nur an mich gedacht habe, dass ich dich nicht irgendwie unterstützt habe, dass ich gezweifelt habe und dich gedanklich verflucht habe, während ich im Selbstmitleid gebadet habe. Entschuldige bitte!" Er schluckte, versuchte die Tränen zurückzuhalten. "Aber...", fing er an und musste sich noch einmal kurz sammeln. "Aber dein Verhalten hat mich sehr verletzt. Ich habe zu lange gebraucht, um es zu begreifen. Ich war zu weit weg und wusste nur, dass Giulia da war und du mich seitdem ignorierst. Ich dachte, ich hätte etwas falsch gemacht, dachte viele viele Dinge, falsche Dinge womöglich, aber auch naheliegende. Ich wollte doch nur einen Brief, einen einzigen Hinweis, eine Erklärung, irgendwas, Dominico. Irgendeine Kleinigkeit, etwas, was nur ich verstanden hätte." Ihm liefen die Tränen die Wangen hinab. "Irgendetwas, das dieses schreckliche Gefühl in meinem Inneren beseitigt hätte. Ich hätte es doch verstanden, verdammt noch mal!" Dominico [[BILD=8207717.jpg]] Die Nase schmerzte, aber es war ätzender keine Luft durch die Nase zu bekommen, die John ihm gebrochen hatte. Naja, es war nicht das erste Mal. Er war noch immer so wütend, so unsagbar wütend. Wütend auf John, wütend auf Rodrego, auf Cromwell, auf sich selbst... schrecklich. Vielleicht hatte Kieran gerade deswegen Glück ihn mit sich ziehen zu können, auch wenn Nico eigentlich gerade nicht von Giulias Seite weichen wollte. Dennoch folgte er Kieran, ließ sich durch die Menge ins Labor ziehen und sank schließlich auf die Liege. Ein Mann hatte ihm auf dem Weg einen Weinkrug in die Hand gedrückt und während Kieran seine Utensilien zusammensuchte spülte Nico den Becher in einem Zug hinunter. Das hatte er wirklich gebraucht und er lehnte sich stöhnend zurück. Er wusste, dass Kieran die Nase richten würde und er ließ es geschehen, auch wenn es weh tat. Er hörte das Knacken und fühlte es, als der Knochen wieder in Position rückte und erneut quoll Blut aus seiner Nase. Das schmerzerfüllte Aufstöhnen konnte er nicht verhindern, ganz gleich wie fest er die Zähne zusammenbiss. Kieran sagte nichts, arbeitete schweigend und Nico sagte nichts, weil er nicht wirklich etwas sagen konnte mit dem Tuch, dass ihm auch seinen Mund verdeckte. Die Blutung stillte sich nur allmählich und Kieran säuberte sein Gesicht, während Nico langsam nach hinten auf die Liege sank, weil es langsam aber sicher doch zu viel wurde. Er war müde und erschöpft und die Blutung forderte langsam wirklich ihren Tribut. Er hatte den ganzen Tag kaum etwas gegessen und das, was er gegessen hatte, wollte er am liebsten wieder loswerden, so elend fühlte er sich wegen seinem Bruder und dieser ganzen beschissenen Situation. Dennoch sagte er nichts, auch nicht als Kieran die Nase mit einer Salbe bestrich, die dafür sorgen würde, dass sie nicht anschwoll. Dann schien Kieran reden zu wollen, doch als er ihn ansah konnte Nico sehen, wie Kieran mit den Tränen kämpfte. Der Italiener wollte nicht wissen, wie er aussah. Abgekämpft, müde, die Wangen eingefallen und das Gesicht von Sorgen gezeichnet. Auch wenn er sich nicht sicher war, ob es die richtige Geste war, hob er eine Hand und berührte Kierans Oberschenkel, weil der sich neben ihm auf die Liege gesetzt hatte. "Du stellst dir das so leicht vor.. alle Welt stellt es sich so leicht vor." Nicos Stimme war leise geworden, er hatte nicht mehr die Kraft laut zu sein. "Einen Brief hätte Cromwell in die Hände bekommen. Einen Boten hätte er gekauft. Wäre ich selbst gegangen, hätte er mit dem Finger auf mich gezeigt. Er beobachtet uns, dieses Anwesen, jeden Schritt im Palast. Schlimmer noch, sogar Rodrego hat er manipulieren können, der Informationen über Alessandro und mich an ihn verkauft hat.. ich konnte einfach nicht. Jede Verbindung zu brechen war die einzige Chance ihn zumindest darin in dem Glauben zu lassen, dass ich überglücklich darüber bin, meine eigene Frau wieder in London zu wissen. Er hatte bereits versucht, Gerüchte in deine Richtung zu streuen, weil er mir wohl schon nachgelaufen ist, als ich dich in der Schenke getroffen habe. Giulias Schwangerschaft hat diesen Gerüchten zum Glück ein Ende gesetzt, aber ich wollte ihm nicht noch mehr Zunder geben. Ich war vielleicht auch dumm zu glauben, dass du es selbst siehst, wenn neben dir nur einer darauf wartet, dass ich Fehler mache, um dir ins Ohr zu setzen, das ich nicht der Mann bist, den du verdienst." Er konnte ja nicht wissen, dass John nicht wirklich schlecht über ihn redete, doch dessen Auftritt eben ließ tief blicken - auch wenn er Johns Reaktion nach wie vor verstehen konnte. "Du warst in Portsmouth sicher und ich hatte wirklich alle Hände voll zu tun, Cromwell eine heile Welt zu präsentieren. Ich habe dir gesagt, dass es nicht leicht sein wird... Es tut mir leid, aber anders konnte ich es nicht machen. Ich wollte es klären, als du wieder da warst, aber nicht vor John, denn ihn geht es nichts an und er muss nicht auch in diese Schusslinie geraten. Dann dieses unsägliche Turnier und alles was daran hängt und jetzt die Sache mit meinem Bruder... Du musst dringend nach ihm sehen, er leidet. Nicht wegen dieser Vergiftung, aber.. ich erkläre es dir später, bitte. Ich weiß, du willst über das hier reden und ich weiß, dass wir das müssen, aber ich habe Angst, dass er etwas wirklich Unüberlegtes tut, also bitte lass uns nach ihm sehen." Sein Bruder stand gerade an erster Stelle - und es war nicht so, dass Nico Kieran hintenanstellte, sondern in diesem Moment auch sich selbst. Kieran [[BILD=8264587.jpg]] Kieran merkte deutlich, dass es Nico nicht wirklich gut ging, dass er erschöpft war, deprimiert und wohl auch zornig. Wieder fühlte er sich schuldig, dass er ihn auch noch mit seinen Vorwürfen belastete. Kieran atmete langsam ein und wieder aus. Er musste von dem Emo-Tripp runterkommen. Seine Tränen brachten hier nichts, auch wenn der Schmerz der letzten Monate gerade so heftig auf ihn hereinbrach. Aber Nico schien ohnehin nicht wirklich darauf eingehen zu wollen, was er hier vorbrachte, schien gefasster und irgendwie ziemlich emotionslos. Lag es daran, dass er so müde war? Wahrscheinlich. Und doch irritierte es Kieran. Die Hand auf seinem Bein fühlte sich irgendwie seltsam an und war definitiv nicht das, was er sich erhofft hatte. Sie wirkte eher wie eine tröstende Geste eines guten Freundes. Nicht das, was den hochtrabenden Worten entsprach, die er vorhin vor allen hatte hören dürfen. Er erinnerte sich unwillkürlich an Tancreds Worte, dass Nicos Verhalten nur Show war. Wie damals im Connor's als er ihn vor allen geküsst hatte. Kieran sah die Hand an, während er zuhörte und sich sammelte. Was er hörte war nur nochmal eine Erklärung dafür, warum Nico ihn nicht kontaktiert hatte. Er glaubte ihm, dass es nicht einfach war, aber er war dennoch enttäuscht. Das alles fühlte sich gerade ein wenig wie im Zuber an, als er sich nach einer Umarmung gesehnt hatte, aber vertrieben worden war. Würde er weiterhin auf Nico verzichten müssen? War das jetzt schon alles? Leere Worte vor großem Publikum? Kein Wort, dass er ansatzweise so gefühlt hatte wie er? Kieran strengte sich an, zuzuhören und blickte erschrocken auf, als er hörte, dass sich Rodrego hatte kaufen lassen. War das der Grund dafür, dass es Alessio noch schlechter ging, was Nico vorhin angedeutet hatte? Verwirrt war er auch von dem was folgte. "John redet nichts dergleichen", protestierte er. "Er hört mir zu und tröstet, er urteilt nicht." Irgendwie ärgerten ihn diese Worte. Irgendwie bekam er gerade das Gefühl, als sei alles seine Schuld gewesen. Als habe nur er Fehler gemacht. Die hatte er, er hatte sie zugegeben und sich dafür entschuldigt. Und Nico? War es so selbstverständlich, dass die Welt gleich wieder in Ordnung war, weil er herumposaunte, ihn zu lieben, und ihm erklärte, warum er ihn drei Monate verleugnet hatte? Klar, er wollte es erklären... Wenn, wenn, wenn... Die Situation war wirklich schwierig für Nico. Er verstand das, wirklich. Und doch hatte das Ganze einen herben Beigeschmack. Kieran stand auf und räumte die Sachen auf, als Nico ihn bat, nach seinem Bruder zu sehen. Dann nahm er seinen Koffer und nickte Nico zu, um ihm verstehen zu geben, dass sie loskonnten. Die Arbeit würde ihn von dem Gefühlschaos in seinem Inneren ablenken. Er wusste gerade gar nichts mehr, was ihn und Nico betraf. Er kam sich so blöd vor. Da war es nur gut, jetzt weg zu kommen. Irgendwann würden sie dann reden. Wenn, wenn, wenn... Als Kieran Alessios Schlafzimmer betrat, merkte er, dass irgendwas gar nicht passte. Alessandro lag wie apathisch da und starrte an die Decke. Kieran trat ans Bett und sprach ihn an, doch nichteinmal ein Augenlid zuckte. Kieran begann ihn zu untersuchen. Als er sah, wie verschwitzt er war, begann er auch, ihn zu waschen und sich um ihn zu kümmern. Kieran war klug genug, zu wissen, was geschehen sein mochte. Er konnte eins und eins zusammenzählen, hatte er doch gesehen und gehört, wie nah sich der Kardinal und Rodrego noch an Weihnachten gestanden hatten. Der Verrat aus heiterem Himmel musste für Alessandro ein echter Schock gewesen sein - das konnte er sich denken. Daher fragte er Nico nicht und sprach auch sonst nicht mit ihm. Er konnte so gut nachempfinden, wie Alessandro sich wohl gerade fühlte. Zusammen mit dem Rest konnte er verstehen, dass jener keine Lust mehr auf irgendetwas hatte. Ob er sich dazulegen durfte? Schließlich wendete er sich doch noch an Nico. "Ich lass ihn traumlos schlafen, ok?" Als er das Einverständnis hatte, gab er dem Kardinal entsprechenden Trunk. "Er hat sich von heute früh gut erholt", sagte er schließlich. "Vom Rest weiß ich nicht, ob und wann er sich erholt. Aber ich kann sehr gut nachvollziehen, wie er sich fühlt." Dominico [[BILD=8207717.jpg]] "Dafür dass er nicht urteilt, hat er aber einen ziemlich heftigen rechten Haken", erwiderte Nico, noch immer nicht wirklich ruhig. Er wusste, dass sich das ändern musste. Dass er ruhiger werden musste, seine Mitte wiederfinden. Ein so reizbarer Mann, wie er zur Zeit war, würde niemals gegen Cromwell bestehen. Er musste Abstand gewinnen, aber das war gerade alles andere als leicht, vor allem wenn er noch nicht einmal sagen konnte, ob er bei dem folgenden Kampf auf seinen Bruder würde zählen können oder nicht. Es raubte ihm den letzten Nerv, wenn er an den Blick dachte, den Alessio ihm zugeworfen hatte, bevor aller Wille aus seinem Blick gewichen war und er zur Decke gestarrt hatte. War es ein stummer Hilfeschrei gewesen? Nico wusste, dass er seinen Bruder mit seinem Leben verteidigen würde, dass er alles, was in seiner Macht stand, geben würde, um Alessio nach Hause zu bringen oder ihm zu helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Aber aus dem Loch, in das er gerade gesunken war, musste Alessio leider ganz alleine herauskommen. Dennoch zerbrach diese Hilflosigkeit Nico und raubte ihm einen Großteil jeder anderen Emotion. Er sah, wie Kieran sich erneut von ihm distanzierte, vermutete, dass er es tat, weil Nico ihm nicht näher kam. Nico wollte zwar, aber er brachte es nicht über sich. Nicht jetzt gerade. Der Weg durch das Haus war still, die Leute waren noch immer draußen und nur wenige Angestellte "arbeiteten" in diesem Sinne. Nico öffnete Kieran die Tür und trat hinter ihm ein, Amadeo hatte ihm ein Zeichen draußen gegeben, dass Rod noch immer in Alessios Arbeitszimmer auf einem der Canapés lag und sich dort nicht wegbewegt hatte. In Alessios Schlafzimmer war es dunkel und stickig. Um zumindest etwas gegen die schlechte Luft zu tun, öffnete Nico die Fenster und half Kieran dann stumm dabei, Alessio zu waschen. Der hing zwar nicht wie ein nasser Sack zwischen ihnen, doch er sah keinen von ihnen beiden an. Sein Gesicht war völlig verschlossen, so als sei Alessio gar nicht hier. Er war vermutlich auch nicht hier, sondern irgendwo anders. Zumindest sah Nico nicht den üblichen Funken in seinen Augen und als sie ihn wieder in das Bett legten, lag er da wie zu dem Moment, zu dem sie ihn aus dem Bett geholt hatten. Jetzt war Nico wirklich zum Heulen zu Mute und auch wenn er sich dafür schämte, sank er neben seines Bruders Bett auf die Knie, griff seine Hand und drückte sie an seine Lippen und vergoss stumme Tränen. Stumm und ohne viel Aufhebens, vergrub er das Gesicht in seinen beiden Händen und Alessios einer Hand und blieb so eine Weile sitzen, während er zum ersten Mal seit langer Zeit ein echtes Gebet aus voller Inbrunst an einen Gott sprach, der mit der Kirche sehr wenig zu tun hatte. Er betete dafür, dass wer auch immer dort sein mochte, seinen Bruder den Kampfgeist zurückgab und ihm endlich eine Chance gab, das Glück zu finden, das Alessio sich so verdient hatte. Als er sich wieder aufrichtete, wirkte er gelöster. Vielleicht weil er etwas des Drucks hatte ablassen können. Er nickte auf Kierans Frage hin und Alessio ließ sich den Trank einflößen. Danach drauerte es nicht wirklich lange, bis ihm die Augen zufielen und der Kardinal sich gar nicht mehr rührte. Lediglich seine noch immer gesunde Hautfarbe verriet, dass er nicht tot war, sondern nur schlief. Sie machten sich daran, den Raum zu verlassen, während Kieran ihm die Diagnose mitteilte. Nico stieß die Türe auf und trat hinaus, während er zuhörte. Immerhin hatte das Gift keinen weiteren Schaden angerichtet, was schon mal eine sehr gute Nachricht war. Das andere jedoch.. nun, er konnte sich selbst denken, dass Alessios Herz, das Rod zerbrochen hatte, nicht so schnell heilen würde. Er wusste auch, dass es dafür kein Mittel gab. Aber Kieran konnte sehr gut nachvollziehen, wie er sich fühlte? Das Tier in Nico, vor dem der Sforza Kieran schon in der ersten Nacht gewarnt hatte, sprang auf diesen Leckerbissen wie eine wildgewordene Bestie. Noch immer war er viel zu reizbar, das spürte er selbst. "Kannst du das, ja?", fragte er und merkte schon jetzt wie in seiner Stimme erneut Zynismus mitschwang. "Habe ich also auch Informationen über dich an andere verkauft und dir im Gegenzug dafür meine Gefühle und meine ehrlichen Absichten nur vorgespielt, um dich in mein Bett zu locken? Ja, das sieht mir mal wieder ähnlich. Ich schrecklich egoistischer Mensch, nicht wahr? Alles dreht sich nur um mich." Der Frust, den er empfand, war immens und er konnte es nichtmal abschalten. Nicht einfach darüber hinwegsehen... aber es war gerade auch wirklich alles zu viel. Er wusste, er ging zu weit und hob abwehrend die Hände, fuhr sich mit einer Hand durchs Gesicht und durch sein Haar. "Entschuldige... So war es nicht gemeint... Aber wieso werde ich das Gefühl nicht los, dass du an meinen Absichten und meinen Worten zweifelst?" Er sah Kieran an, das Gesicht ein Spiegel der Emotionen, die in ihm um Oberhand rangen. Er sah ihn eine Weile nur an, ehe er tief durchatmete und sich beinahe so umsah, als würde er erst jetzt begreifen, wo sie standen. "Also.. da mein Bruder jetzt schläft, werde ich etwas zu essen holen, auch wenn ich keinen Hunger habe, und etwas Wein, auch wenn mir nicht danach ist, und mich dann zurückziehen. Begleitest du mich?" Es war seine Art, die Türe zu einem Gespräch unter vier Augen zu öffnen. Hier auf dem Gang wollte er beim besten Willen nicht streiten. Kieran [[BILD=8264587.jpg]] "John hat mich nur verteidigt. Er wollte nicht, dass du auf mich losgehst.", erwiderte Kieran schlicht. "Er hasst es, mich leiden zu sehen." Kieran merkte, wie unruhig Nico teilweise war. Er kam ihm ein wenig so vor, wie ein Raubtier im Zwinger, ruhelos und aggressiv. Der kleinste Reiz und es rastete aus... Nur wie konnte man ihm dabei helfen? Wenn Dominico so verblendet ins Turnier gehen würde, wäre das sein sicherer Tod. Während sie Alessandro pflegten, genoss Kieran die Ruhe. Dass Dominico so distanziert war, so emotionslos schmerzte ihn. War es wirklich so schwer, ihm wenigstens ein wenig zu zeigen, dass er ihn vermisst hatte? Andererseits hatte jener seinen Bruder und wohl auch seinen besten Freund verloren. Gleichzeitig intrigierte man gegen ihn und trachtete nicht nur ihm, sondern seiner ganzen erweiterten Familie nach dem Leben. War es da verwunderlich? Dachte er wieder zu sehr an sich? Doch irgendwann musste er auch mal an sich denken... Wenn er nur gab und alles tat, damit es Nico besser ging, wo blieb dann er? Er hatte kaum noch Kraft, er war doch selbst auch so schrecklich erschöpft. Dann kam mit einem Mal eine Szene, die Kieran traurig machte und ihn gleichzeitig sehr berührte. Nico weinte und betete. Traurig war er, weil Dominico offenbar gerade nur bei seinem Bruder zu solchen Emotionen fähig war, berührt, weil er sah, wie fertig ihn sein apathischer Bruder machte. Kieran wusste immer noch nicht, wie er sich verhalten sollte. Vielleicht war nicht er derjenige, der sich am meisten nach einer Umarmung sehnte? Der sture Teil in ihm schrie, dass Nico dran war, ihm zu zeigen, dass er ihn wirklich liebte, der liebende Teil in ihm wollte ihn einfach nur in den Arm nehmen. Er schwieg und ging seiner Arbeit nach. Als sie das Zimmer verließen und er seine Meinung zur Situation sagte, merkte er, dass er mit seinem Kommentar einen wunden Punkt getroffen hatte. Was er hörte, klärte das Bild von dem, was zwischen Rod und Alessandro geschehen sein musste und was er sich eben ohnehin schon gedacht hatte. Die Anklage an ihn, der Zynismus war heftig. "Lass deinen Frust nicht an mir aus", sagte er knapp. "Ich kann nun mal nachempfinden, wie es sich anfühlt, jemanden zu verlieren. Wie es sich anfühlt, betrogen zu werden. Wie es sich anfühlt, plötzlich wieder allein zurecht zu kommen. Wie es ist, wenn man alles in Frage stellt. Ich habe dir da deswegen keinen Vorwurf machen wollen. Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass ich durchaus empathiefähig bin." Er ließ sich nicht das schlecht machen, was er empfunden hatte. Nico konnte nicht leugnen, dass er auch dafür verantwortlich war. Kieran atmete tief ein, als Nico sich entschuldigte. Er nickte leicht. "Ich weiß manchmal nicht, was Theater ist und was nicht. Dafür, dass du groß getönt hast, mich zu lieben, spüre ich nichts. Aber das schiebe ich jetzt erstmal darauf, dass du aussiehst, als seist du 20 Jahre älter als du bist." Kieran erwiderte den Blick und sah die Bestätigung für seine Worte und Gedanken. Er musste fast lächeln, als Dominico ihm seinen Vorschlag unterbreitete. Noch bevor er antwortete, zog er ihn in eine Umarmung, schmiegte sich an ihn und schloss die Augen. "Da ich nicht bekomme, wonach es mir verlangt, muss ich es mir eben nehmen", murmelte er leise, sog den vermissten Geruch ein, spürte, dass der andere trainierter war denn je. Reden mussten sie, definitiv. Aber jetzt war vielleicht einfach nicht die Zeit dafür. "Ich begleite dich gerne." Dominico [[BILD=8207717.jpg]] Nico war einfach nur mit den Nerven am Ende. Er kannte sich selbst nicht, so reizbar wie er gerade war... und wenn er so war, wie er gerade war, dann brauchte er Menschen um sich, die funktionierten. Giulia funktionierte wunderbar. Sie wusste, wann sie ihm ihre zarte Hand auf die Schulter legen musste und wann nicht. Rod hatte auch immer ein Gespür dafür gehabt, aber der hatte jetzt andere Sorgen und sein Bruder? Der war nicht mal mehr ansprechbar. Das alles war schockierend und Nico fühlte sich sehr einsam, doch an Kieran zu denken, war kaum in den straffen Zeitplan gefallen, den er sich selbst gegeben hatte, um mit der Situation fertig zu werden. Vielleicht, oder ziemlich sicher deswegen reagierte er so unglaublich gereizt auf Kieran, selbst jetzt noch nach seiner Entschuldigung. Er hörte aus jedem der Worte nur Anschuldigungen zu seiner Unfähigkeit heraus, Gefühle zu zeigen, während er sie ihm draußen noch entgegen gebrüllt hatte. Aber das war eine andere Situation gewesen, eine in der Nico etwas hatte sagen müssen. Er wusste, dass er es hier auch sagen musste, dass er einen Schritt auf Kieran zugehen musste, aber er war gefangen in sich selbst und fand den Weg hinaus nicht wirklich. Sein klarer Verstand sagte ihm, dass Kieran das Recht hatte als das zu sagen, was er sagte und dass es auch gerechtfertigt war, doch sein Herz war so belastet mit anderen Dingen, dass es ihn nicht wirklich erreichen konnte. Ihm lag ein sehr bissiges "Wenn du nichts spürst, ist das ja wohl nicht mein Problem!" auf der Zunge, aber er schaffte es, das hinunterzuschlucken und vorerst hinten anzustellen. Dann umarmte ihn Kieran und Nico war im ersten Moment sogar das zu viel. Er stand da wie zur Salzsäule erstarrt. Dann stieg ihm langsam Kierans Duft in die Nase und mit ihm auch die Erinnerung an eine Zeit, in der es nicht so beschissen gewesen war wie jetzt gerade. Er ignorierte Kierans Worte ein weiteres Mal, die ihn verletzten und legte stattdessen vorsichtig die Arme um den jungen Mann, dem er sein Kinn schon beinahe aufs Haupt betten konnte. In diesem Moment merkte auch er, wie sehr er Kieran vermisst hatte. Beinahe so, als habe jemand eine Schleuse in seinem Kopf geöffnet, strömten die Erinnerungen an die viel zu kurze gemeinsame Zeit auf ihn ein und er vergrub das Gesicht in Kierans Haar ehe er ihn fester an sich zog. So, ohne ihn ansehen zu müssen und die Traurigkeit und den Vorwurf in Kierans Augen zu sehen, war es schon viel leichter ihm leise ein "Ich habe dich vermisst.." ins Ohr zu flüstern. Auch ganz ohne großes Publikum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)