Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 100: London 3 - Bedingungen ----------------------------------- Rodrego [[BILD=8225135.jpg]] Rodrego hatte noch lange wach gelegen, während der ruhige Atem des anderen verraten hatte, dass der Alkohol ihm geholfen hatte, in die Traumwelt hinüber zu gleiten. Es fühlte sich gut an, endlich wieder diesen wunderbaren Körper in den Armen zu halten, aber das bedeutete nicht, dass bereits alles gut war. So sehr es sich Rodrego auch wünschte, es war nicht sicher, ob es jemals wieder so werden würde, wie es einmal gewesen war - für eine kurze Zeit. Er würde alles dafür tun, das war ihm klar. Aber er fürchtete sich alleine schon vor dem nächsten Morgen. Was würde sein, wenn Alessandro nüchtern wieder aufwachte? Würde er es sich wieder anders überlegen? Wie würde er ihn behandeln? Diese Ohrfeige, die ihm zumindest ordentliche Kopfschmerzen bereitete, war ein wichtiger Anfang gewesen, aber keine endgültige Lösung. Er würde sich das Vertrauen des anderen wieder hart erkämpfen müssen. Er hoffte, dass er es irgendwann wieder erlangen konnte. Aber das würde nur die Zeit zeigen... Wie würde Alessandro sich bis dahin verhalten? Irgendwie fürchtete er sich davor, noch zu oft dem Kardinal in Alessandro zu begegnen. Aber zu wissen, dass es Alessio gab und dieser ihn geküsst und sich an ihn gekuschelt hatte, das ließ ihn glücklich sein. Es war dieser Körper und diese Wärme und dieser vertraute Geruch, der ihn schließlich hatte einschlafen lassen. Alessandro [[BILD=8225123.jpg]] Der Regen, der über Nacht in wahren Massen vom Himmel gefallen war, ließ die Themse deutlich anschwellen, aber die Natur nach den vielen warmen Tagen aufatmen. Als die ersten Sonnenstrahlen am Morgen über den Horizont krochen, begrüßten die Vögel und die summenden, zirpenden Insekten die Sonne lauter als in den letzten Tagen. Es war ein Vogel der vor dem geöffneten Fenster plötzlich losflatterte, der Alessandro endgültig aus seinem traumlosen Schlaf riss. Er öffnete die Augen und blinzelte, um im schwach erhellten Raum überhaupt etwas zu sehen. Wo war er? Als er versuchte sich aufzusetzen, protestierte sein Kopf mit leisen pochenden Schmerzen dagegen und er sank mit einem Aufstöhnen und einem unangenehmen, schalen Geschmack im Mund wieder zurück. Einfach... liegen bleiben. Liegen bleiben und erst einmal richtig wach werden. Neben ihm regte sich etwas oder eher jemand. Alessio drehte langsam den Kopf, nur um in Rodregos schlafendes Gesicht zu blicken. Rodrego...? Sein Hirn brauchte heute definitiv etwas länger als sonst! Nur langsam kam die Erinnerung an die Ereignisse des letzten Tages zurück. Der Gottesdienst am Morgen, den er mit erstaunlicher Inbrunst zelebriert hatte, der lange Ritt nach London auf das Turnier mit seinem Bruder und der kleine aber deutliche Sieg gegenüber Thomas Cromwell, den sie sich hart verdient hatten. Obwohl er in Hochstimmung gewesen war, hatte er die Feier nicht genießen können. Er erinnerte sich an einen sehr glücklichen Dominico mit seinem Kieran, die eine Volta nach der anderen getanzt hatten und an hervorragendes Essen mit hervorragendem Wein... und er erinnerte sich auch daran, von letzterem zu viel getrunken zu haben. Dem verdankte er jetzt wohl seinen wattig weichen Schädel.. Alessio sah neben sich auf den Nachttisch und fand dort einen Krug und einen Becher vor. Ein vorsichtiger Blick hinein zeigte ihm Wasser und er stürzte gleich zwei Becher davon hinunter. So ließ es sich gleich viel besser denken. Wie war er nochmal hier gelandet? Er erinnerte sich daran, Rodrego nachgelaufen zu sein... und er erinnerte sich an das Ticket in die neue Welt. An eine Kerze, einen Streit, viel nackte Haut und viele böse Worte. Er fühlte das seine Hand von der Ohrfeige, die er Rod verpasst hatte, noch schmerzte und doch gleichermaßen dessen warme Hand auf seiner Hüfte. Seine Gedanken drehten sich für einen Moment im Kreise während er versuchte sie und sich wieder zu ordnen und alles irgendwie in eine Bahn zu bekommen. Einfach war es nicht, aber so langsam wusste er erstens wieder, was passiert war, und zweitens, was es zu bedeuten hatte. Er und Rodrego hatten, irgendwie und auf seltsame Weise, wieder zusammengefunden. Wobei "zusammengefunden" vielleicht das falsche Wort war. Zumindest hatte Rodrego erkannt, dass "sein" Alessio nicht gestorben war, und Alessio hatte erkannt, dass Rodrego aus verständlichen Motiven gehandelt hatte. Doch das Vertrauen, das vorher in ihm gegenüber dem Schmied geherrscht hatte, war nach wie vor erschüttert und nach wie vor war Cromwell eine Gefahr. Jetzt mehr denn je, wo er ahnte, dass Rodrego ihn verraten hatte. Alessio hatte sich sehr lange Gedanken darüber gemacht, wie er selbst von der Bildfläche verschwinden würde. Er hatte überlegt einfach zu behaupten, in den Vatikan zurückberufen worden zu sein und einfach zu gehen. In London würde niemand Fragen stellen und der Weg war so weit, dass man gut auf halber Strecke verloren gehen konnte. Er hatte bereits alles dafür in die Wege geleitet, sein Vermögen oder zumindest einen Teil davon einzusammeln und es in Giulias Haus nach Italien transferieren zu lassen. Dass er gehen und untertauchen wollte, das wusste sie und dass sie seine einzige Stütze und Verbindung zu seinem Geld bleiben würde, das wusste er auch. Er hatte Cromwell noch einen Schlag versetzen wollen und dann einfach verschwinden, doch so leicht würde das jetzt nicht mehr gehen. Wenn er nun verschwand, dann waren Rodrego und sein Bruder in höchster Gefahr. Sie brauchten etwas, das Cromwell vollkommen entthronte und am besten noch etwas, das ihm eine Möglichkeit zur Flucht gab. Die Idee, die über einige Zeit in seinem Kopf Gestalt annahm, war absurd aber gerade wegen ihrer Absurdität so unglaublich vielversprechend. Während Rodrego ruhig neben ihm schlief und es draußen beständig heller wurde, reifte ein Plan in Alessandros Kopf heran. Er war noch sehr rudimentär, keinesfalls vollkommen ausgereift, aber er hatte schon nach der ersten Überlegung Hand und Fuß. Es zahlte Cromwell mit gleicher Münze heim, was er ihnen angetan hatte, das machte die Sache nur umso genialer. Er, Alessio, würde die Fehler nicht machen, die Cromwell gemacht hatte. Er ließ sich langsam wieder zurücksinken, genoss das Gefühl des langsam schwindenden Pochens durch das frische Wasser und ließ zu, dass Rodrego sich näher an ihn schmiegte. Wenn alles glatt ging, dann würde sich sogar Rodrego sein Vertrauen wieder verdienen können... oder sie kamen alle bei dem Versuch ums Leben. So oder so - es war der einzige Weg, den es sich lohnte zu gehen. Langsam drehte er sich zu dem schlafenden Schmied und musterte ihn nachdenklich. Was Rodrego getan hatte war noch immer unglaublich für ihn, doch er konnte zumindest ein wenig nachvollziehen, wieso er es getan hatte. Vorsichtig und sanft fuhren seine Finger die Kontur seiner Brust nach, die tatsächlich schmäler geworden war aber noch immer herrlich breit, so dass man sich gut ankuscheln konnte. Eine Frage geisterte in seinem Kopf herum, während er sich vorbeugte um Rodrego wach zu küssen: War seine Freiheit es wert, diesen so drastischen Schritt von sich selbst und Rodrego zu verlangen? Rodrego [[BILD=8225135.jpg]] Spät eingeschlafen war er noch im Tiefschlaf, als Alessandro schon aufwachte. Nichtsdestotrotz rutschte er dem Körper nach, als Alessandro etwas trank. Als er die Küsse spürte, zogen diese ihn von sehr weit weg zurück ins Hier und Jetzt. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, und ein Gefühl von Erleichterung breitete sich in seinem Körper aus. "Alessio", wisperte er, noch bevor er die Augen öffnete. Es war schon hell draußen, als er schließlich in das Gesicht des anderen blickte. Kurz zögerte er, dann sagte er lächelnd: "Ich habe die vergangenen Tage oft gedacht, du lägest neben mir, wenn ich aufwache - jeder Morgen begann mit der nüchternen Erkenntnis, dass du nicht da warst und ich ein elender Träumer bin. Heute bist du bei mir und ich möchte, dass es in Zukunft immer so ist." Er richtete sich leicht auf. Irgendwie hatte er Angst, dass Alessio sich doch noch in Luft auflösen könnte. Er wollte ihn festhalten, ihn zu sich ziehen und küssen, aber er traute sich nicht so recht. Ein seltsames Gefühl, das wohl als schlechtes Gewissen bezeichnet werden konnte. Alessandro [[BILD=8225123.jpg]] Wenn es denn mal einen Tag gegeben hatte, an dem er früher wach gewesen war als Rod, dann hatte er ihn auch so geweckt. Und Rods verschlafen verträumtes Gesicht mit diesem Lächeln zu sehen hatte Alessio Kraft für den Tag gegeben. Jetzt war er sich nicht so sicher, ob es ihm Kraft und Motivation gab, das zu erklären, was er vorhatte, und von Rod zu verlangen, was er zu verlangen gedachte. Rods Worte mit leicht rauchiger Stimme, weil er noch nichts getrunken hatte, ließen Alessandro wieder zu seinem Lächeln finden und er bemerkte durchaus, dass Rod nicht wagte, ihm jetzt noch näher zu kommen, obwohl sie schon direkt aneinander lagen. "Du hast jeden einzelnen Tag verdient, an dem du mit diesem schlechten Gewissen aufgewacht bist...", erklärte er beinahe nüchtern, doch er legte seinen Arm auf Rodregos Hüfte und hinderte ihn so daran, zu weit von ihm wegzukommen. "Aber heute bin ich hier... und morgen vielleicht auch." Oder wohl eher ziemlich sicher, denn mit Rod an seiner Seite konnte der Kardinal wenigstens schlafen. Zwar hatte er das die letzten Tage auch gekonnt, doch neben Rod fühlte er sich einfach richtig wohl und ausgeruht und das, obwohl er erst gestern einen quasi Vollrausch gehabt hatte. "Aber.. vielleicht in ein paar Tagen nicht mehr." Leitete er langsam ein, was er eigentlich zu sagen hatte. Er bemerkte Rods irritierten Blick und zwang den Schmied dazu, sich wieder so zu drehen, dass er ihn ansehen konnte. "Nach dem Turnier gestern werden sich die Ereignisse überschlagen. Du weißt selbst, zu was Cromwell fähig ist. Ich denke ich muss dir nicht sagen, was für ein gefährlicher Mann er ist." Alessio bettete seinen Kopf etwas bequemer auf das Kissen. "Er wird nicht ruhen, bis er den Rückschlag wieder aufgeholt hat und das müssen wir um jeden Preis verhindern. Und wenn ich sage um jeden Preis, dann meine ich das auch genauso." Der Kardinal schlich sich ohne viel Aufheben in Alessandros Züge. Er brauchte ihn hier, nicht weil er gegen Rod wettern wollte, sondern weil das kühle Verständnis es war, das ihnen helfen würde. "Ich habe einen Plan Rodrego... einen Plan, den Cromwell vollends aus dem Verkehr ziehen wird und der es mir ermöglicht, von hier zu verschwinden. Nico als Berater seiner Majestät wird auf eine andere günstige Gelegenheit warten müssen, aber ich, ich werde in zwei Wochen von hier verschwunden sein." Es klang so sicher, als habe er bereits alles veranlasst, dabei war es bisher auch nur eine Idee. Aber sie war so gut, dass Alessandro sie einfach umsetzen müssen würde. "Wir werden vorgehen wie folgt: Zunächst einmal werde ich Cromwells Diener bestechen oder für einige Stunden ausschalten lassen. Ich brauche seinen Siegelring, seinen ECHTEN Siegelring. Wir werden ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen. Und in einer Woche Rodrego wirst du, gemeinsam mit meinem Bruder und Amadeo in den Palast reiten, im Gefolge eine schwarze Trauerkutsche. Und vor dem König wirst du..." - er tippte mit dem Zeigefinger auf Rodregos Brust - "...gestehen, dass du mich im Auftrage Cromwells vergiftet hast. So wie du Familie Kinley getötet hast - ebenfalls in seinem Auftrag. Als Beweis wird Nico seiner Majestät die Papiere geben, die er dir "abgenommen" hat, zwei Befehle zur Ermordung einerseits der Familie Kinley und andererseits meiner Wenigkeit. Und dann wird Charles Brandon seinen Auftritt haben und einen ganz ähnlichen Befehl vorzeigen. Sein Diener ist aber loyaler als du und hat seinem Herrn direkt gebeichtet, was man ihm auferlegte." Alessio sah auf und blickte direkt in Rodregos Augen. "Dominico wird dem König diese ganze Lüge erklären und du wirst dastehen und nicken und all das bestätigen, was er sagt. Und danach wirst du in den Tower gehen und darauf warten, dass man dir den Prozess macht." Alessandro musste nicht genauer hinsehen, um bereits jetzt zu erkennen, dass Rod ihn für wahnsinnig hielt. Ja.. vielleicht war er das. Doch so würde er aus England entkommen. "Und du wirst im Tower sitzen und beten dafür, dass Gott dich vor dem Galgen verschont.." Er hob die Hand und strich dem Mann sanft über die Wange, dem er gerade eröffnet hatte für ihn selbst mehr oder weniger den Tod in Kauf zu nehmen. "Wirst du das für mich tun..?" Rodrego [[BILD=8225135.jpg]] Alessandros nüchterne Erklärung, dass es rechtens war, dass Rodrego unter seinem Gewissen gelitten hat, war ehrlich und vermutlich auch richtig, tat aber dennoch weh. Doch der Arm, der verhinderte, dem natürlichen Reflex nachzugeben und zurückzuweichen, ließ ihn wissen, dass die Worte zwar ehrlich, aber nicht anklagend waren. Das zumindest halbe Versprechen, dass er auch morgen bei ihm wäre, stimmte ihn wieder milder. Nun, was hatte er erwartet? Dass Alesssndro aufwachte und alles vergessen war? Sicher nicht. Dafür blickte er wieder irritiert auf, als der andere verkündete, es irgendwann aber doch gar nicht mehr zu können. Was meinte Alessandro damit? Er richtete sich leicht auf und Alessandro dirigierte ihn so, dass er ihn ansehen musste. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die Augen des anderen, so voller Tatendrang waren. Was hatte jener, dass er ihm das so dringend erzählen musste? Alessandro fing an, ihm seinen Plan zu unterbreiten. Rodrego nickte zunächst leicht, als Alessio die Situation einfach kurz skizzierte. Aber das 'um jeden Preis' klang irgendwie sehr bedrohlich. Dass mittlerweile das ruhige Kalkül des Kardinals zu ihm sprach, störte ihn nicht, solange ganz offensichtlich Wichtiges besprochen werden musste. Aber während er dem schier irrsinnigen Plan lauschte, bemerkte man sehr deutlich, dass Alessandro einem wichtigen Gedanken nachjagte: er wollte weg, nicht nur aus England, sondern ganz weg: weg aus der Kutte, weg von allem, was ihn an das jüngst Vergangene erinnerte. In diesem Plan kam in erster Linie ein "Ich" vor, kein "wir". Rodrego dämmerte allmählich, was sich Alessandro da ausgedacht hatte. Er würde untertauchen, um niemandem mehr eine Zielscheibe zu sein, um niemandem mehr verpflichtet zu sein. Rational betrachtet war das das Beste, was er tun konnte. Aber dennoch schmerzte es, das zu hören. Er lauschte interessiert dem Plan und versuchte, sich nicht die Irritation anmerken zu lassen, bis Alessandro endete. Als der andere geendet hatte, blickte er ihn erst einmal nur ruhig an. War das sein Ernst? Aber Alessio sah nicht so aus, als sei er groß zu Späßen aufgelegt gewesen. An und für sich klang der Plan auch erfolgsversprechend. Wären da nur ein paar Kleinigkeiten, die er noch nicht durchschaute. "Du willst deinen Tod vortäuschen und ich soll der Mörder sein", rekapitulierte er, ohne zunächst auf die letzte Frage einzugehen. "Der König wird Dr. Chambers bitten, deinen Tod zu bestätigen. Wie soll das gehen? Und wird dann Nico wohl auf eine Beerdigung zu Hause drängen, um dich außer Landes zu bringen?" Er sah ihn fragend an, und ihm wurde etwas mulmig, als er die nächste Konsequenz aufdeckte. "Und ich werde dann als Mehrfachmörder meinem Prozess fristen, der mehr als sicher gegen mich entschieden wird." Er war kurz davor zu fragen, weshalb er das machen sollte, aber er ließ es sein. Ihm war mehr als klar, warum. Es würde seine Schuld tilgen. "Und heißt das, dass heute und vielleicht morgen dann der letzte Morgen angebrochen ist, an dem ich neben die erwachen darf?" Er sah den anderen fragend an. "Na dann dürfen sie mich auch gerne aufhängen." Alessandro [[BILD=8225123.jpg]] Dass es Alessandro nicht vordergründig um sich selbst ging, sondern vor allem um sein Glück, seine Familie und natürlich auch Rodrego, konnte und wollte er ihm gerade nicht sagen. Eigentlich hatte er dem Schmied bereits zu viel verraten. Natürlich waren die Wärter im Tower gegen viel Bargeld korrupt und natürlich würde er alles daran setzen, Rodrego zu befreien, doch letztlich war Henrys Jähzorn bereits legendär. Wenn es ihnen nicht gelang seinen vollständigen Zorn auf Thomas Cromwell zu lenken, dann war die Gefahr groß, dass Rodrego noch im Thronsaal starb... und dann, so hoffte Alessandro, würde er selbst auch nie wieder aufwachen müssen. Aber das würde einfach nicht passieren. Sein Blick wanderte über Rodregos Gesicht. Jeder andere Mann hätte in dieser Situation vermutlich direkt den Rückzug angetreten, wäre abgehauen und hätte ihn zum Teufel gewünscht. Den eigenen Tod vorzutäuschen und in Kauf zu nehmen, dass der andere starb, nur um selbst endlich frei zu sein... ja, das war ein gewagter Plan. Doch Rod schien zu begreifen, wieso Alessandro diese drastische Maßnahme plante und letztlich diesen hohen Einsatz von ihm forderte. "Natürlich wird der König Dr. Chambers zu Rate ziehen, aber auch er wird keine andere Diagnose stellen können als meinen Tod. Ich bin sehr überzeugt von den Fähigkeiten des Arztes dem ich vertraue. Wenn einer diese Farce erzeugen kann, dann er. Und sie wird glaubhaft genug für Chambers sein." Erklärte er recht knapp und nüchtern. Dieses kleine Detail bereitete ihm wirklich die geringsten Sorgen. Wenn John Recht hatte, würde der Arzt es kaum bemerken. Außerdem, wieso sollte Chambers an seinem Tod zweifeln? Wenn er aufgebahrt auf einer Trage lag, dann würde auch John Chambers kaum mehr als den Atem und seine Temperatur prüfen, um sich nicht am Ende noch an dem Toten anzustecken oder mit dem Gift in Berührung zu kommen. Dann sprach Rodrego die Sache an, die Alessio am Ende seiner kleinen Ansprache hatte in der Luft hängen lassen und die Endgültigkeit seiner Worte ließen den Kardinal lächeln. Seine Finger wanderten sanft von Rodregos Wange in seinen Nacken und er zog ihn näher, küsste ihn mit aller Zärtlichkeit, Liebe und Hingabe, die er aufbringen konnte. Als er sich nach einer Weile löste fing er Rods schon beinahe verzweifelten Blick auf. "Wenn du entscheiden müsstest, ob du nie wieder neben mir erwachst oder es noch zweimal tun kannst… wie würdest du dich entscheiden?" Sein Daumen strich über die weichen vollen Lippen des Mannes. "Ich liebe dich, Rodrego... Ich liebe dich so sehr, dass es schmerzt, und ich habe dich schon immer geliebt. Ich begehre dich mit meinem ganzen Körper, mit jeder Faser meines Seins. Aber ich kann dir nicht mehr in die Augen sehen, ohne daran zu denken, dass du mich verraten hast. Aber wenn du vor dem König deine Schuld zugeben wirst, wenn du für mich dieses Schicksal vorerst auf dich nehmen wirst, dann werde ich diese Worte endlich vergessen können... Und ich kann mich von dem Kardinal lösen, der zwischen uns steht. Ich habe dir nie Anlass gegeben, mir nicht zu vertrauen. Ich bin ehrlich zu dir, wenn ich dir sage, dass wir in drei Tagen hier das letzte Mal nebeneinander aufwachen werden. Aber dafür ist dir meine Liebe und meine unendliche Dankbarkeit gewiss. Alles was darüber hinausgeht kann und will ich dir nicht sagen. Du wirst springen müssen, um zu sehen, ob ich dich auffange... oder ob wir beide uns dann an einem anderen Ort wiedersehen." Rodrego [[BILD=8225135.jpg]] Der Plan war absurd, völlig irrwitzig. Aber genau deshalb zweifelte Rodrego nicht daran, dass er gelingen konnte. Und das Feuer in Alessios Augen, dieser Tatendrang waren genug Beweis, dass es für Alessio wichtig war. Und Rodrego konnte es ihm nicht verdenken. Es würde ihm das ermöglichen, was jener sich am meisten wünschte: dem Kardinal den Rücken zu kehren und endlich er selbst sein zu können. Und Rodrego wusste, dass er dem anderen nichts mehr gönnte, als das. Und er wusste, dass er für sich selbst auch nichts mehr wünschte, als Alessio für immer nur als Alessio zu haben. Die Fähigkeiten seines Arztes? Meinte er John Forbes? Nun der lange Lulatsch hatte es schließlich auch geschafft, Alessandro aus seiner Starre zu bewegen. Er schien, was Medikamente und Drogen betraf, sehr gut zu sein, aber konnte er so etwas wirklich? Einen Körper so schlafen zu legen, dass Dr. Chambers dessen Tod bestätigen würde? Aber Alessio sagte das so bestimmt, dass er nicht nochmal vor ihm daran zweifeln würde. Falls es wirklich so weit käme, würde er sich den Quacksalber noch mal vorknöpfen, bevor Alessio das Zeug trank. Wehe, der Arzt wäre nicht überzeugt genug. Doch er kam nicht weiter dazu, darüber nachzudenken. Alessio zog ihn in einen Kuss, der ihm den Atem raubte, ihn schwindeln ließ und ihm so weh tat, weil er so verdammt ersehnt gewesen war, dass es ihm schier die Tränen in die Augen trieb. Als sich der andere löste, musste Rodrego hart schlucken, senkte aber nicht den Blick. Die Frage des anderen ließ ihn nicht zögern. "Lieber zwei Tage mit dir, als ein Leben ohne dich", sagte er und seine Stimme klang so ungewohnt dumpf. Aber die nun folgenden Worte ließen ihn nicht weiter darüber nachdenken, sondern trafen ihn mit voller Wucht. Als der andere endete, blickte er ihn einfach nur an und versuchte zu begreifen, was er gehört hatte. Es war die schönste Liebeserklärung gewesen, die er sich hätte erträumen können. Und gleichzeitig wurde er gebeten, sein Todesurteil - zumindest vorerst - zu unterschreiben. Er blickte in diese grünen Augen. Und nein, er suchte nicht darin die Antwort, ob der andere log. Ob er ihn verraten würde, ihn nicht retten würde. Ob er ihn dem Galgen auslieferte. Er vertraute dem anderen und er wusste, dass Alessio Recht hatte. Der schöne Italiener würde ihm niemals vertrauen, wenn er ihm nicht sein Leben in die Hand legen würde. Nur so konnte er seinen furchtbaren Fehler ungeschehen machen. Und die Frage, ob er das tun würde war sehr leicht zu beantworten: Ja. Denn ein Leben ohne den anderen war ihm keine Option. Endlich verstand er, was jener Alessio zu ihm gesagt hatte, als er ihn damals im See darum gebeten hatte, ihm zu helfen. "Ich springe", sagte er schließlich ruhig. "Gerne springe ich für dich, deine Freiheit und hoffentlich unsere Zukunft, wo auch immer diese sein wird, Alessio mio. Aber die nächsten Morgen möchte ich neben dir aufwachen. Und ich möchte bis dahin noch öfters so geküsst werden, wie eben." Alessandro [[BILD=8225123.jpg]] Es war eigentlich eine so friedliche Situation, in er sie beide in diesem Bett lagen. Das Feuer bis auf die Glut heruntergebrannt, draußen die Sonne die den Tag begrüßte und das erste Mal seit langem keine drückende Schwüle mit dem ersten Licht sondern tatsächlich ein angenehmer richtig schöner Morgen. Und doch, was hier in diesem Bett passierte, spiegelte nicht die Schönheit dieses Tages wieder. Es war vielmehr eine vertrackte und sehr heikle Situation, in der sie beide sich befanden. Alessandro war klar, dass er unendlich viel von dem Schmied verlangte, auch wenn der am Abend zuvor gesagt hatte, dass ihm sein Leben nichts bedeutete, wenn er, Alessio, darin keine Rolle mehr spiele. Gleichermaßen wusste er, dass von Rodregos Antwort alles abhing was hinter dieser Forderung stand. Wenn Rodrego nicht sprang, würde er dann springen? Würde er trotzdem so vorgehen, wie er es plante? Würde er den Schmied fallen lassen? Der Kuss diente nicht nur dazu, um Rod zu überzeugen, sondern um sich selbst davon zu überzeugen, dass sein Gegenüber das war, was er wollte und er wurde wenig später auch nicht von Rodrego enttäuscht. Alessio lächelte, rückte näher an Rod heran und griff seinen Arm, der immer noch so tatenlos auf seiner Hüfte lag. Bestimmt zog er ihn um sich herum und schloss die Augen als sich der starke Arm um seine Seite und seinen Rücken legte und ihn seinerseits näher an die warme Brust des Schmiedes zog. "Wenn du wüsstest wie lange und wie sehr ich mir gewünscht habe, diese Worte aus deinem Mund zu hören... wenn du nur wüsstest wie lange ich mich danach gesehnt habe, das mich diese Finger aus der Kutte reißen... nicht in den letzten Tagen, sondern in all den Jahren zuvor..." Er strich Rod eine Strähne aus der Stirn und sah beinahe abwesend auf das markante Gesicht seines Gegenübers. "Ich verspreche dir neben dir aufzuwachen und neben dir einzuschlafen. Aber nur, wenn du keine Angst davor hast, mich so zu berühren wie noch vor zwei Wochen…" meinte er schließlich mit einem beinahe schon frechen Grinsen. Er würde noch etwas Zeit haben, alles in die Wege zu leiten, und jetzt waren sie beide ausgeruht und zumindest Alessio sehnte sich nach der warmen Berührung von Rodregos Händen. Er kam der Bitte des Schmiedes nur allzu gerne nach, zog ihn zu sich und verschloss seine Lippen mit all dem angestauten Verlangen und der Sehnsucht, die ihn in den letzten Tagen aufgefressen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)