Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 103: London 3 - Gespräche --------------------------------- Tancrèd [[BILD=8258119.jpg]] "Du hast mir gefehlt die letzten Tage...", flüsterte er leise gegen Johns Lippen, als sie den Kuss gelöst hatten. "Ich bin froh, dass du hier bist... Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich darüber freue, dich wiederzusehen, vor allem und gerade hier auf meinem Schiff." Er lächelte John sanft an und strich ihm einige Strähnen aus der Stirn, ehe er ihn erneut sanft küsste. Er zog das dünne Laken, das er zur Zeit als Decke benutzte, über ihre erhitzten Körper als er sich nach hinten sinken ließ und deckte sie somit beide zu. John schien es ja nicht eilig zu haben zu gehen und Tancred sah das ganz genauso. "Du hast von Neuerungen in deinem Leben gesprochen..", fing er nach einem Moment der Stille an. "Was ist denn passiert?" Daran, dass John vielleicht noch jemand anderen kennen gelernt hatte, glaubte er nicht. Wäre ja auch idiotisch, dann zu ihm zu kommen, nur um mit ihm zu schlafen. So schätzte er den Arzt nicht ein, nein. Wenn es John schon zu ihm und noch dazu auf ein Schiff trieb, dann hatte er es entweder sehr, sehr nötig oder es war eine sehr, sehr ernste Sache und Tancred vermutete letzteres, zumal etwas in Johns Blick ihm das zu sagen schien. John [[BILD=8259079.jpg]] Von Tancred festgehalten, blieb er auf dem Schoß des anderen sitzen, und John wehrte sich nicht dagegen. Wäre ihr Sex nicht gerade ohnehin schon sehr befriedigend gewesen, so hätten die Worte, die er nun zu hören bekam, vermutlich jeglichen Unmut hinweg gewischt. Und John war das mehr als unangenehm - so sehr ihn die Worte auch eigentlich freuten. Er konnte es schon nicht leiden, wenn Kieran einen "Knuddel-Anfall"-bekam, wenn sie sich mal ein paar Tage nicht gesehen hatten, nur weil er meinte, es würde ihm gut tun. Nun, es tat ihm gut - aber unangenehm war es ihm trotzdem. So senkte er den Blick. "Ich habe keine Ahnung, was mich geritten hat, ein Schiff zu betreten", schnaubte er. "Aber solange es im Hafen angebunden ist, werde ich es hoffentlich überleben." Er grinste leicht und blickte dann wieder auf. "Aber...", sagte er leise, „Ich freue mich auch, dich zu sehen." John ließ sich mit auf das Bett ziehen und legte sich neben den anderen auf den Bauch, den Kopf auf den gefalteten Händen vor sich abgelegt und sein Gesicht dem anderen zugewandt. Einen Moment schloss er die Augen und genoss dieses angenehme Gefühl von Entspannung, was guter Sex immer nach sich zog. Als der andere begann zu sprechen, öffnete er die Augen und sah ihn an. Einen Moment schwieg er, wusste nicht so recht wie er anfangen sollte. Er drehte sich etwas und rutschte wieder näher. "Ich bin zu Hause ausgezogen", sagte er schließlich. "Ich habe meinem Vater eine neue Arbeitskraft verschafft. Die Krankenschwester, die du am Turnier vielleicht gesehen hast. Er lässt mich weiter bei ihm arbeiten und bezahlt mir dafür einen Lohn." Wenn er das jetzt so erzählte, hörte es sich nicht sehr besonders an. Irgendwie ganz und gar nicht. Und doch war es für ihn ein sehr großer Schritt gewesen, der vor allem nicht rückgängig zu machen war. Und noch wusste er nicht so genau, ob er es nicht irgendwann bereuen würde. Wenn Tancrèd England verlassen würde... Wenn Kieran Dominico nach Italien folgen würde... Das waren alles Dinge, die irgendwann eintreten würden und er wusste nicht, was er dann tun würde - allein. bisher hatte er zumindest ein zu Hause, auch wenn er da wenig willkommen gewesen war. Andererseits, war es wichtig gewesen. Sein Vater hatte ihn seit er drei Jahre alt war, gedemütigt, gehasst, erniedrigt und ihn auf alle erdenklichen Arten physisch aber vor allem psychisch verletzt. Es war Zeit, sich dieser ständigen Erniedrigung zu entziehen und auf eigenen Beinen zu stehen. John hatte sein Gesicht zwar dem anderen zugewandt, doch sein Blick war in weiter Ferne bei dem Gespräch, das er mit seinem Vater deswegen hatte führen müssen. Tancrèd [[BILD=8258119.jpg]] Dass es John unangenehm war, bemerkte Tancred zwar, würde aber wohl nie darauf verzichten wollen. Er entließ John trotzdem aus seinen Armen und drehte sich etwas zur Seite als sie sich schließlich hingelegt hatten. Es interessierte ihn durchaus, warum John nach nur drei Tagen schon bei ihm aufkreuzte und ihm gewissermaßen eine "Szene" gemacht hatte. Die Erklärung ließ auch nicht lange auf sich warten, und so unbefriedigend sie auf den ersten Blick auch war, Tancrèd verstand die Tragweite dessen was John ihm berichtete. Mit seinem Vorwissen konnte er sich nur zu gut vorstellen, was den jungen Mann gerade umtrieb und was es bedeutet hatte, sich von seinem Vater und damit von seinem zu Hause zu lösen. Er hob die Hand und legte sie unter dem Laken auf Johns Rücken, malte mit den Fingern Kreise auf die erhitzte Haut. "Ich weiß, ich habe leicht reden, wenn ich sage, dass es für dich zum Besseren ist. Was weiß ich schon über dein Leben…" Er suchte wieder Johns Blick und befeuchtete die Lippen mit der Zunge, während er versuchte sich die Worte zurecht zu legen, um das Richtige auch im richtigen Ton zu sagen. "Ich kenne nicht viel von dir, aber vielleicht doch mehr als manch anderer. Und so wenig du von mir weißt, davon dass ich gerne Französisch rede wenn ein gutaussehender junger Mann wie du auf mir reitet einmal abgesehen..." sein Mundwinkel zuckte nach oben "..ist es doch etwas, das uns vielleicht verbindet. Ich kann verstehen, dass es ein großer Schritt für dich gewesen sein muss." Seine Finger waren an Johns Schulter angekommen und Tancred strich sachte den Arm des Arztes entlang, hinunter bis zum Ellenbogen. Seine Augen folgten der Bewegung seiner Finger. "Seinem zu Hause den Rücken zu kehren, ganz egal wie 'schlecht' es einem dort erging ist nie leicht. Wir wachsen doch meistens in dem Wissen auf, das es einen Ort gibt zu dem wir immer gehen können, oder? Etwas das "uns" gehört und uns ausmacht. Das nicht mehr zu haben, hat mir damals das Gefühl gegeben, unendlich einsam zu sein. Nicht mehr erwünscht zu sein, das tut weh." Er suchte wieder Johns Blick und glaubte ein ganz ähnliches Gefühl in seinem Blick zu sehen. "Das hier.." Er deutete mit dem Kopf eine Bewegung an, die das Schiff einschloss "ist mein neues zu Hause geworden, die Mannschaft meine neue Familie. Aber das ist nicht das Gleiche. Dieses zu Hause ist so ungleich zerbrechlicher als das, das ich als Kind in Frankreich hatte. Wenn das Schiff sinkt oder die Mannschaft meutert, was mache ich dann? Wenn das, womit ich mein Geld verdiene, auf einmal nicht mehr da ist?" Er wusste, dass John ganz ähnliche Existenzängste plagten, und genau deswegen sagte er es. "Nur.. ich weiß, dass ich niemals alleine bin. Ich habe Freunde, zu denen ich gehen kann, und das ist ungleich mehr wert als jedes Haus oder jeder Ort. Deswegen John bist du hier, so sehr du das Schiff auch nicht leiden kannst, immer willkommen. Ganz egal, was zwischen dir und mir sein wird, ob du in London bleiben wirst oder dein Weg dich in ein anderes Land führt - wenn du jemanden brauchst oder einen Ort brauchst, an dem du immer willkommen bist, dann komm zum Hafen und ich werde da sein." Es war ein Versprechen und Tancred meinte jedes Wort davon ernst. John [[BILD=8259079.jpg]] Die streichelnde Hand am Rücken fühlte sich gleichermaßen ungewohnt und gut an. Dennoch brauchte er etwas Distanz vom anderen, um reden zu können. Als Tancred zu sprechen begann, kehrten Johns Augen wieder in das Hier und Jetzt zurück. War es wirklich besser? Kieran hatte zu ihm gesagt: "Ich kann dir nicht sagen, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll.“ Das hatte ihn sehr nachdenklich gemacht und er hatte sich vorgenommen, alles dafür zu tun, damit es besser werden würde. Er nickte daher leicht und auch die folgenden Worte bestätigte er letztlich mit einem Lächeln. Ja, sie kannten einander noch wenig, und doch kam es ihm so vor, als wisse er schon eine ganze Menge über den anderen. Nicht nur, dass er gern beim Sex viel und vor allem auf Französisch redete. Seine Augen folgten einen Moment den streichelnden Fingern des anderen. Ja, es verband sie nun wirklich die Tatsache, dass sie kein Zuhause mehr hatten, in das sie zurückkehren konnten. Und so lauschte er den Gedanken des anderen darüber, wie er es empfand. Den Schmerz, die Angst, das beklemmende Gefühl des Alleinseins... John dachte an die erste Nacht in seinem neuen Bett und dass es sehr gemischte Gefühle waren, die ihn durch diese begleitet hatten. Zum einen Freude und auch irgendwie Stolz, es getan zu haben, zum anderen aber auch Sorge und ein Gefühl von Ungewissheit - vor allem nach den Worten seines Vaters, nie wieder zurückkommen zu dürfen. Dass Tancred auf dem Schiff ein neues Zuhause gefunden hatte, das sah und spürte man. Ob er auch irgendwann so ein Zuhause haben würde? Seine neue Bleibe war es definitiv nicht. Sie war super - für den Anfang. Er war dort willkommener als in seinem alten, und es gehörte ihm und konnte ihm niemand wegnehmen. Aber doch spürte er, dass es nur eine Zwischenstation war. Dass Tancrèds Zuhause fragil war, darüber hatte er noch nie nachgedacht. Aber klar: jedes Auslaufen konnte den Untergang bedeuten. Genau wie nächste Woche. John schluckte und wischte den Gedanken schnell weg. Damit wollte er sich gerade nicht beschäftigen. Im Moment war alles so idyllisch, das Bett, Tancred neben ihm, die sanften Hände, der Geruch, das leichte Schaukeln - ja, selbst das Geräusch des Wassers störte ihn gerade nicht, sondern vollendete das Bild. Da wollte er noch nicht über die anstehende Reise des anderen nachdenken. Auch mit den Existenzängsten hatte er Recht. Er wusste, dass er in dem was er tat nicht ganz schlecht war, aber würde es reichen, ein Leben lang sein Auskommen zu haben? Hätte er Kieran fest bei sich, dann hätte er keine Angst. Aber über das Thema schwiegen sie. Sie wussten beide, dass Kieran Dominico überallhin folgen würde. Was Tancred jetzt noch nachschob, ließ John, der zwar sehr gut zuhörte, Tancred aber meist nicht wirklich ansah, sondern in seinen Gedanken versunken war, aufblicken und den Mann neben sich ansehen. Freunde... Freunde sind die Familie, die man sich aussucht. Nur hatte er kaum welche. Er hatte Kieran und Tancrèd -irgendwie... Aber eben jener versicherte ihm gerade, dass er immer sein Freund sein würde, egal was geschehen würde - mit ihnen beiden und zwischen ihnen. Es war schön zu hören, dass dieser Freund ihm versprach, immer da zu sein, wenn er ihn bräuchte. Wie realistisch das war, blieb dahingestellt. Einen Moment sah er Tancred an, dann beugte er sich hinüber und küsste den anderen sanft. Dann legte er seinen Kopf wieder auf seinen Händen ab. Kurz schwieg er. Er wollte es loswerden, aber er wusste nicht so recht wie. "Er hat mir einige Dinge gesagt, die mich treffen sollten", sagte er dann zögerlich. "An einiges bin ich schon gewohnt." Worte wie Tunichtgut, Nichtsnutz, Bastard oder Schmarotzer hörte er quasi ja schon gar nicht mehr. Diesmal waren aber noch andere Worte dazu gekommen wie: undankbar, Verräter, Abschaum - Worte, die er schlucken konnte. John schwieg etwas. "Richtig verletzt hat er mich nur mit einer, nein mit zwei Sachen, auf die ich nicht vorbereitet war: zum einen hatte ich ihn darauf angesprochen, warum er mich töten wollte. Und nach all der Zeit hat er ohne Umschweife gesagt, dass er es hätte tun sollen, als er die Gelegenheit dazu hatte. Wenn er mich so sehr hasst, warum hat er mich dann nie rausgeschmissen? Und warum hat er mich nicht irgendwie anders getötet?" Er strich sich die Haare aus der Stirn und seufzte leicht. "Und das zweite war, dass er sagte: Du bist so wertlos, dass selbst dein Erzeuger, dieses widerliche Schwein, dich nicht haben wollte. Ich habe mir als Kind oft vorgestellt, dass er tatsächlich kommt, um mich zu holen - sein eigen Fleisch und Blut. Aber es kam nie jemand und ich wusste nicht wieso. Er hatte mich ja gesehen. Und offenbar muss ich ihm sehr ähnlich sehen, sonst wäre ja der Hass auf mich nicht so groß." Sein Blick richtete sich wieder nach innen, zumindest einen Augenblick. "Deine Worte haben mir Kraft gegeben", fuhr er unvermittelt fort und lächelte kurz. "Sie haben mich durchhalten lassen." Du bist etwas ganz Besonderes, John Forbes. Jemand, der mir etwas bedeutet. Tancrèd [[BILD=8258119.jpg]] Jemals so ein Gespräch mit John zu führen, hätte Tancred niemals geglaubt und denjenigen vermutlich ausgelacht, der es ihm gesagt hätte. Alles an John war makellos gewesen, als er ihn kennengelernt hatte. Selbst in dem Moment noch, in dem er ins Wasser gefallen war, vor so "langer" Zeit am Hafen, da hatte Tancred noch geglaubt alles sei in Ordnung und läge nur daran, dass John nicht in der Lage war zu schwimmen. Was ihm die letzte Woche über John beigebracht worden war, von ihm selbst und davon, das Tancred ihn aufmerksam beobachtete, war ein Abgrund so tief wie das Meer. Und Tancrèd hatte so schreckliches Mitleid, obwohl er wusste das es ganz und gar nicht angebracht war, Mitleid zu haben. Das würde John schließlich nicht weiterhelfen.. Er ließ den Kuss geschehen, wohl wissend, dass er das Ende dieses Gesprächs noch lange nicht erreicht hatte. Das Gefühl, nur eine Einleitung zu etwas gehört zu haben was noch viel schlimmer war als das Bisherige ließ ihn nicht los und er sollte Recht behalten. Als John weitersprach, die Stimme so verbittert und so bemüht darum, kalt zu sein, um nicht die Tränen zuzulassen, die in ihm sicher noch immer tobten, fühlte der Franzose unbändigen Hass in sich aufsteigen. Hass auf die Entscheidungsgewalt von anderen gegenüber Menschen, die sich nicht verteidigen konnten. Er wusste sehr genau wie das war und er verabscheute es. Sein Gesicht verdüsterte sich mit jedem Wort, das John über seinen Vater sagte, und in ihm brodelte es mit jeder Sekunde mehr. Als John endete sah man deutlich wie Tancrèd sich bemühte nicht ausfällig zu werden. "Was wir sind, John, bestimmen nicht die Menschen, deren Lenden wir entsprungen sind." Er presste es wirklich mühsam hervor. "Was wir sind, was wir erreichen und leisten in unserem Leben ist nicht denen geschuldet, die sich in einer einsamen Nacht Befriedigung verschaffen wollten. Wir sind mehr als das. Du bist mehr als das." Er hob die Hand an Johns Wange und zwang ihn dazu ihm wieder in die Augen zu sehen. "Ich kenne deinen "Erzeuger" nicht und deinen "Vater" habe ich nur einmal kurz gesehen - aber ich bin mir sicher, dass er nicht nur seinen Nebenbuhler, sondern vor allem die Liebe deiner Mutter in dir sieht, die ihn verraten hat. Aber nichts rechtfertigt dieses Verhalten." Er musste eine Pause einlegen, weil er beinahe schon wieder davor war, in die Luft zu gehen. Er streckte ein Bein aus und verschlang es unter der Decke mit Johns. "Und ich danke Allah oder welchem Gott auch immer dafür, dass er zu feige gewesen ist, sich deiner zu entledigen. Aber du, John, du solltest nicht so feige sein." Er griff Johns Nacken fester. "Verlust zeigt sich immer erst dann, wenn es bereits zu spät ist und ich hoffe sehr für dich, dass du es erleben wirst, wenn deinem Vater bewusst wird, welchen großen Fehler er begangen hat, jemandem wie dir nicht die Erziehung und Liebe angedeihen zu lassen, die du verdient hättest. Ich prophezeie dir, dass der Tag kommen wird, an dem er sieht, was er getan hat und an dem ihm all das zurückgeworfen wird, was er je in deine Richtung geschleudert hat." Er hatte gut reden, doch Tancrèd wusste bereits jetzt und während er John ansah, der immer noch so unendlich getroffen und traurig darüber aussah, dass er diese Sache nicht würde auf sich beruhen lassen können. Selbst wenn er gegen Wände redete, er hatte vor, ein sehr, sehr ernstes Wort mit Johns Vater zu sprechen. "Für mich bist du nicht wertlos." Er sagte es sehr ernst und sehr bestimmt. John wusste es zwar, doch Tancred wurde nicht müde, es zu widerholen. "Wie ein Land, das ich noch nicht entdeckt habe. Faszinierend und wunderschön, wild und frei. Wie viele Steine du mir auch in den Weg geworfen hast, ich habe nicht eine Sekunde lang bereut, die Entscheidung getroffen zu haben, hartnäckig genug zu sein, um mehr zu sehen als nur deine kalte Maske. Alles was ich neu an dir entdecke vervollständigt dein einzigartiges Bild. Denn genau das bist du. Weil deine Mutter einen schwachen Moment hatte, weil sie deinem "Vater" vielleicht eine Freude machen wollte, bist du hier. Du. Niemand sonst. Wenn es diese eine verhängnisvolle Nacht nicht gegeben hätte, dann gäbe es dich nicht und ich läge alleine hier. All das macht dich aus und aus diesem Zwist, aus dieser so seltsamen und vielleicht ungünstigen Situation bist du entstanden, nur du. An den schweren Umständen deiner Kindheit bist du zu dem grandiosen Arzt gereift, der du bist und zu dem Mann, der für seine Familie eintritt, wenn es sein muss. Ich würde nicht wollen, dass du ein anderer bist." John [[BILD=8259079.jpg]] Es dauerte ein wenig, bevor Tancrèd etwas erwiderte, und John hing derweil seinen Gedanken an dieses recht einseitige Gespräch nach, in dem er seinem Vater die Tatsachen genannt hatte und dieser darauf mit seiner Schimpftriade begonnen hatte. Als er dann Tancreds Worte hörte, irritierte ihn etwas, was er nicht gleich benennen konnte. Es war nicht das, was jener sagte, nämlich dass man nicht dem Fatalismus seiner Umstände ergeben sei, sondern jeder durch sich selbst die Möglichkeit hat, das Beste aus seinem Leben zu machen. John hatte einmal in einem Buch den Satz gelesen: "Wir leben in der besten aller möglichen Welten." Es lag an jedem selbst, das Beste daraus zu machen. Und damit war es auch der Verdienst von einem selbst, was man machte. John wusste, dass Tancred Recht hatte. John hatte sein Leben lang versucht, seinem Vater zu beweisen, dass man auch stolz auf ihn sein konnte, obwohl er nicht sein leiblicher Sohn, nur ein Bastard war; schon sehr früh war es vor allem der Wille gewesen, seinem Vater zu beweisen, dass dieser Bastard kein Nichtsnutz war, der ihn angetrieben hatte. Dich dafür hatte es nie gereicht. Er hat nie direkte Anerkennung erhalten, war nie gut genug, konnte nur versagen und würde bei seinem Vater niemals genügen. Sein Vater hatte vielleicht auch genau deshalb Angst vor ihm. Vor seinem Verstand, seinem Ehrgeiz, seinem Können. Aber wie auch immer - er hatte das, was er konnte und wusste, alles alleine geschafft. Er war nicht das, was sein Vater glaubte in ihm zu sehen, in ihm sehen wollte: ein Nichtsnutz. Diese permanente Ablehnung war immer schwer gewesen, es war schwer, durchzuhalten und gegen diese unüberwindbaren Mauern wieder und wieder anzurennen. Es hatte bittere Tränen gekostet, Verzweiflung, Selbsthass, sehr viel Kraft - bis er irgendwann resignierte. Das Weinen hatte er schon als Jugendlicher aufgehört. Vor vier Tagen war es das erste Mal seit sehr langer Zeit gewesen, dass er hatte weinen müssen. Der Wille sich zu beweisen, war einem Willen gewichen, sich nie eine Blöße zu geben, nie angreifbar zu sein. Es war seine Rache, nicht zu fliehen, sondern an diesem Ort zu bleiben und mit Gleichgültigkeit den Hass seines Vaters zu ertragen. Mittlerweile wusste er, dass er gut war. Er brauchte eigentlich die Anerkennung dieses Mannes nicht mehr. Eigentlich könnte er sich dich gänzlich von ihm lossagen... aber so ganz schaffte er es nicht. Wäre Kieran damals nicht bei ihnen hereingekommen, wüsste er nicht, wo er jetzt wäre. Damals war es sehr schwer gewesen. Damals wäre der Resignation womöglich doch dem Aufgeben gefolgt... Die Hand an seiner Wange ließ ihn aus diesen Gedanken wieder zu Tancrèd zurückkehren. Als er aufblickte und den anderen ansah, wusste er mit einem Mal, was ihn vorhin so irritiert hatte. Tancrèds Stimme war so beherrscht, so gepresst - aber in den Augen glomm die Wut des anderen. Diese unverfälschte Emotion berührte John mit einem Mal heftig. Er kannte selbst diese Wut. Wut auf die Ungerechtigkeiten, die Willkür, den Hass seines Vaters. Diese Wut hatte ihn schier ohnmächtig werden lassen. Lange hatte er sie in Prügeleien entladen müssen. Diese Wut war mit der Zeit der Resignation gewichen. Aber vor drei Tagen hätte es sein Vater wieder beinahe geschafft gehabt, sie wieder zu entfachen. John blickte Tancrèd irritiert an, während dieser weitersprach. Dass der andere wegen ihm so wütend werden konnte? Weil jemand zu ihm ungerecht war? Bevor Kieran ihm so kam, schaffte er es normalerweise, ihn abzulenken oder das Thema zu wechseln, bevor er ihm zu viele Emotionen zeigen konnte. Er wollte nicht, dass jemand wegen ihm sich ärgerte, warum auch immer. Hier hatte er es verpasst. Tancrèd schien sehr wütend zu sein. Aber das war ihm noch lieber, als das Mitleid, das er immer in den Augen der Kunden gesehen hatte, wenn sein Vater ihn wie Dreck behandelt hatte. John schluckte, spürte das Bein, das sich mit seinem verhakte und musste kurz lächeln. Nun bekam er noch die Bestätigung dafür, dass er richtig gehandelt hatte und sein Vater hoffentlich erkennen würde, was er an ihm verlöre, wenn er ganz ginge. Ob er seinem Vater verzeihen könnte? Er wusste es nicht genau, hatte noch nicht darüber nachgedacht. Letztlich war es zu spät. Johns Liebe für den Mann war gestorben. Aber es würde es vielleicht leichter machen, wenn jener sich eingestehen würde, dass John nichts dafür konnte und dass es dumm war, ihn bezahlen zu lassen für etwas, woran er keine Schuld trug. Aber ob das je so kommen würde, bezweifelte John. Er hatte lange aufgehört zu hoffen, sein Vater würde sein Verhalten ändern. Dann kamen Worte, die John unter anderen Umständen gleich irgendwie abgeblockt hätte. Aber hier ging das nicht so einfach. Als der andere in Schwung gekommen war, ihn über den grünen Klee zu loben, schien es mal wieder kein Halten zu geben. John ließ es über sich ergehen und es wäre gelogen gewesen, wenn er behaupten würde, dass es ihm nicht gut täte... Und doch war es ihm mehr als unangenehm. So senkte er den Blick rutschte näher und wartete einen guten Moment ab, dem anderen die Lippen mit einem Kuss zu versiegeln. Eines hatten die Worte definitiv geschafft: er hatte die Auseinandersetzung mit seinem Vater vorerst vergessen. Er küsste den anderen sanft und verspielt, genießend. Er schmiegte sich an ihn, streichelte den anderen ohne recht darüber nachzudenken. Und als er glaubte, dass der andere nicht weiterreden würde, wenn er den Kuss löste, tat er das. Er sah den Franzosen wieder an. "Ein fremdes Land also", sagte er. "Das bist du mir auch noch immer. Aber mit jedem Schritt, den ich in diesem Land mache, fühle ich mich wohler. Und ich möchte ebenso sehr mehr erfahren und lernen. Zum Beispiel, was: 'Tu es beau … Je suis dingue de toi...' heißt. Oder 'Tu me as ensorcelé.' Habe ich das richtig ausgesprochen?" Er sah den anderen fragend an. "Was hältst du davon, wenn wir irgendwo was essen und du bringst mir ein wenig Französisch bei?! Und später darfst du mir noch mehr davon ins Ohr flüstern." Er grinste leicht. Er war Tancrèd sehr dankbar für seine Worte, sehr. Aber es war schwierig für ihn, mit so etwas umzugehen. Er hoffte nur, dass Tancrèd diese Unsicherheit nicht falsch verstand. Tancrèd [[BILD=8258119.jpg]] Das John ihm im Grunde genau das erzählte, gegen was Tancred versuchte seit Jahren anzukämpfen, war sicher eine Erklärung für seine Wut. Bei Johns Worten über die Worte seines Vaters sah er seine Anna vor sich. Wie sie sie an den Pfahl gebunden hatten, das schöne Gesicht geschwollen und voller blauer Flecke. Sie war immer noch wunderschön gewesen... aber er hatte ihr nicht mehr helfen können. Wie er John hatte nicht helfen können, als der als kleiner Junge von seinem Vater fast... Tancred schüttelte den Gedanken ab. JETZT konnte er etwas tun. Und er WÜRDE etwas tun, verdammt nochmal. Doch Johns Lippen und seine sanften Finger lenkten ihn ab, schoben den Hass in den Hintergrund und brachten Johns Körper wieder in den Vordergrund. Er hatte sich wieder hinreißen lassen und hatte auch gesehen, wie unangenehm John diese "Lobpreisungen" auf seine Person waren, doch Tancrèd konnte sich nicht zurückhalten. Allerdings würde er vielleicht auf Französisch umsteigen, dann verstand John nicht gleich, was er sagte. Offenbar hatte es ihm diese Sprache angetan und als sie den Kuss wieder lösten und Tancrèd schwieg, ergriff sein Gegenüber erneut das Wort. Er grinste. "Ich glaube nicht, das ich dir das verraten werde..", flüsterte er gegen Johns Lippen. "Aber wenn du in Sprachen so gut bist, wie in anderen Dingen.." Er zwickte ihm leicht in die Seite. "..dann wirst du es bald selbst verstehen. Und ob du heute noch mehr davon zu hören bekommst, wird sich zeigen, meinst du nicht?" Er merkte, dass John die Nähe und Zärtlichkeit ein wenig aufstieß und so ging er lieber wieder dazu über, ihn zu necken. Damit und mit Komplimenten ließ sich John am ehesten aus seinem Schneckenhaus locken. "Und etwas essen sollte ich tatsächlich. Nur habe ich die Männer von Bord geschickt und ich weiß nicht, ob ich noch jemanden finde, mit dem ich das Schiff allein lassen kann. Ich sehe es ungern einfach so im Hafen dümpeln." John [[BILD=8259079.jpg]] Wie? Er würde nicht erfahren, was das hieß? John hob eine Augenbraue, zweifelnd, ob der andere das wirklich ernst meinte. Doch der anderen wurde nur noch frecher und zwickte ihn auch noch in die Seite, stellte er sogar in Frage, ob er mehr davon hören würde!? "Ich glaube, du wirst zu frech", stellte er etwas erstaunt fest und piekte seinerseits den anderen in die Seite. "Aber keine Sorge, ich werde schon jemanden finden, der mir das übersetzt. Du wirst dich noch wundern..." So etwas weckte Johns Ehrgeiz. Wenn er etwas lernen wollte, dann hatte er normalerweise keine Probleme damit, es auch wirklich zu schaffen. Tancrèds Bedenken, keine Wachen für da Schiff zu haben, ignorierte er erst einmal. Zur Not, würde einer halt irgendwas zu essen holen. Dafür drückte er den anderen leicht nach hinten und setzte sich kurzerhand auf ihn, ihm die Handgelenke haltend. Vermutlich hätte der Kapitän keine Mühe, ihn loszuwerden - Tancred hatte deutlich mehr Kraft als er. "Und was soll die Andeutung, dass ich davon heute nicht mehr zu hören bekomme? Ich lasse dich nachher sicher nicht so einfach schlafen, das sollte dir bewusst sein." Er küsste ihn verspielt und biss ihm in die Unterlippe. 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