Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 128: London 4 - Unerreichbar ------------------------------------ John Auf dem Fest wurde er von allen Seiten beglückwünscht: zu dieser reizenden Frau und besonders die Damen beglückwünschten ihn und lobten ihn für seine Worte vor dem Altar, die sie zu Tränen gerührt hätten. John hatte sein Leben lang gelernt, seine wahren Gefühle zu verbergen, doch auch wenn er es dieses Mal wieder sehr gut hinbekam, so fiel es ihm mit jeder Stunde schwerer, den glücklichen Ehemann zu spielen. Bei einer Gelegenheit, als Patricia kurz aufgestanden war, setzte er sich zu Dominico hinüber und sagte zu ihm gebeugt: "Langsam verstehe ich die Spiele, die du stets zu spielen hattest. Es tut mir leid, das unterschätzt zu haben." In den letzten Tagen hatte er immer mehr begriffen, welchen Preis man zahlen musste, wenn man die Menschen, die einem etwas bedeuteten, beschützen wollte. Kieran, der neben ihm saß, tat ihm gut, denn auch wenn sie ihre wahren Gedanken hier nicht verbalisierten (denn bei solchen Festen wusste man nie, wer zuhören würde), so sagte sein Blick doch, dass er bei ihm war und ihn unterstützte, auch wenn sie anderer Meinung waren, was die Notwendigkeit dieses Festes betraf. Er war der einzige Lichtblick. Als Patricia ihn auf die Tanzfläche zog, so wusste er, begann die dunkelste Stunde dieses Tages, denn auch wenn er sich bemühte, diese albernen Bewegungen so gut wie möglich zu bewerkstelligen, so war es doch so gänzlich wider dem, was er mochte. Dennoch konnte er sich nicht dagegen wehren, Patricia den Wunsch zu erfüllen, zumal das Gesicht seines Vaters ihn darin bestärkte, alle Register zur Legitimität dieser Ehe zu ziehen, auch wenn er sie sicher nicht bis zum letzten Detail vollziehen würde. Daher ließ er sich mitziehen, versuchte zu führen, so gut es ging, und doch kam er nicht umhin, an etwas zu denken, was schon so unendlich weit zurückzuliegen schien: "Du glaubst doch nicht allen ernstes, dass ich dich jemals so dämlich ansehen könnte, wie diese beiden liebestrunkenen Idioten da oben!? Und falls ich das jemals tun werde, dann erschieß mich bitte!" - Nun, es war nicht Tancred, der hier mit ihm scheinbar liebestrunken tanzte, und doch hatte er das Gefühl, dass er dafür erschossen gehörte. Der Tanz endete und John lächelte Patricia an, deren Blick ihm bestätigte, dass er es geschafft hätte und er nun seine Pflicht erfüllt habe. Und genau das war der Moment, als er wirklich erschossen wurde - durch Worte. Die Stimme war unverkennbar und sie ging ihm durch und durch. John drehte sich ein wenig zu schnell um und einen Moment konnte er seine Maske in keinster Weise aufrecht erhalten, als er in das Gesicht blickte, das er hier als letztes erwartet hätte. Er schluckte und versuchte sich zu sammeln. Zwang sich zu einem Lächeln, das denen galt, die den Trinkspruch von Tancrèd freudig wiederholten, ohne zu ahnen, was sie ihm damit antaten. Das Lachen seines Vaters konnte er ebenso gut hören. Dafür wird er sterben - dieser Gedanke schoss ihm so unvermittelt durch den Kopf, dass er ihn kaum fassen konnte. Denn jetzt war erst einmal der Mann wichtig, den er so sehr vermisst hatte. Das hier war so ganz anders als das Wiedersehen, das er sich in seinem Kopf so viele Male ausgemalt hatte. Das hier sollte so nicht sein! Das hier war vollkommend falsch. Was verdammt noch mal machte Tancred hier?!?! John war davon ausgegangen, dass er den anderen hier niemals antreffen würde. Er hatte gedacht, dass er jenen, selbst wenn er heute zurückkäme in seinem Bett in ihrem Zimmer vorfinden würde - dort, wo er in Ruhe mit ihm sprechen könnte, wo er ihm in Ruhe erzählen und erklären könnte, wie es hierzu gekommen war. Und jetzt? "Tancred", hauchte er kaum hörbar, doch Patricia hörte es und begriff sofort. Sie wies die Musiker an, weiterzuspielen und zog John von der Tanzfläche in Richtung Tancred. John wusste nicht, was er sagen sollte, spürt er doch, wie sauer, enttäuscht, entsetzt und gedemütigt, der andere sich vorkommen musste - ihm ging es ja kaum besser. Aber wenn das alles hier einen Sinn haben sollte, dann musste er seine Rolle weiterspielen. Denn sollte irgendjemand ahnen, was hier eigentlich los war, wäre alles umsonst gewesen. "Monsieur de Nerac", sagte er daher und es war schwer, seine Stimme wiederzufinden. "Ich hatte Euch schon früher erwartet, aber es freut mich, dass Ihr den Weg hierher gefunden habt." Was redete er da eigentlich für Mist?! Nichts freute ihn, und am allerwenigsten, dass der andere das hier sehen musste. John war überfordert und gleichzeitig schmerzten die Worte des anderen noch sehr. Denn sie zeigten deutlich, dass er die Situation wirklich gänzlich falsch verstanden hatte. "Habt Ihr Zeit für ein Wort?", fragte er und deutete nach draußen. Irgendwie sollte er mit Tancred reden, aber er wusste nicht, wie. Tancrèd Sie war definitiv eine wunderschöne Frau. Sie war groß, hatte schönes, langes braunes Haar und in diesem Kleid wirklich eine sehr, sehr attraktive Figur. Außerdem sah sie nicht so aus als wäre sie dumm. Als sie John an der Hand griff und zu ihm herüberzog konnte Tancred in ihren Augen sehen, dass sie kein naives Dummchen war, sondern eine Frau, die sehr genau wusste wie das Leben so spielte. Trotzdem strahlte sie wie jede Frau an ihrem Hochzeitstag etwas Erhabenes aus, dem sich auch Tancred nicht entziehen konnte. Er prostete ihr zu, verneigte sich leicht und küsste ihr dann die angebotene Hand. "Mrs. Forbes, ihr seht wirklich hinreißend aus. Ich hoffe euer Mann hält euch gut fest, sonst werde ich euch auf mein Schiff entführen und mit euch in die Weiten des Meeres flüchten." Sie kicherte, sehr kokett. "Monsieur, ihr schmeichelt mir... aber bringt eine Frau an Deck nicht Unglück?" Jetzt war es an Tancred zu lachen, auch wenn das nicht ganz so ehrlich klang. "Manche Männer würden sicher behaupten, das bringen sie ohnehin. Ob nun an Deck oder nicht.. doch ich gehöre sicher nicht dazu“, erklärte er feierlich. Als John ihn dann ansprach, gelang es Tancred irgendwie einen unbeteiligt interessierten Gesichtsausdruck aufzusetzen. "Oh, ich wusste nicht, dass ihr mich erwartet hattet, Mr. Forbes, aber schlechtes Wetter hat unsere Reise leider verzögert. Es scheint doch aber, als sei ich noch vollkommen rechtzeitig gekommen, um euch meine Glückwünsche zu überbringen. So gern ich ein wenig plaudern würde - seine Majestät verlangt meine Anwesenheit in London. Ich hatte seiner Gnaden, Mylord Sforza, nur Nachricht von seiner Ehefrau zu bringen und wollte ihm die erfolgreiche Überfahrt des Leichnams seines Bruders in den Vatikan bestätigen." Er nickte Dominico zu und der neigte seinerseits leicht den Kopf. "Also sehen wir uns morgen Nachmittag bei der Sitzung des Kronrates?", fragte er an Dominico gewandt. "Ja, Monsieur. Und viel Spaß bei dem Essen mit seiner Majestät!" Tancred grinste breit und stürzte dann den Rest des Bechers hinunter. "Nun, der König weiß seine Gäste hervorragend zu unterhalten, nicht wahr?" Zu John und Patricia gewandt neigte er zum Abschied ebenfalls den Kopf. "Mr. und Mrs. Forbes - ich wünsche euch noch ein rauschendes Fest und eine umso berauschendere Nacht. Mögen all eure Wünsche in Erfüllung gehen." Damit wandte er sich ab und ging hinaus, gefolgt von Amadeo und ohne sich noch einmal umzusehen. Patricias Hand grub sich in Johns Arm, sicher sehr schmerzhaft - doch sie wollte verhindern, dass John vor aller Augen dem französischen Kapitän nachlief. Nico war ebenfalls stehen geblieben und legte jetzt einen Arm um Johns Schulter, bugsierte ihn so wieder zu der Tafel zurück, wo er John einen vollen Becher Wein in die Hand drückte und ihn dann auf seinen Stuhl schubste, während Patricia sich auf seinen Schoß fallen ließ und damit verhinderte, dass John wieder aufstand. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter, so dass sie miteinander sprechen konnten. "War er das..?" flüsterte sie leise und küsste John auf die Wange, so dass die Leute sicher dachte, sie sprächen über etwas vollkommen anderes. John Johns Gedanken überschlugen sich. Das war alles zu viel für ihn. Tancreds anerzogene Höflichkeit, seine charmanten Worte für sie und Patricias Witz - irgendwie rauschte das alles an ihm vorbei, ohne dass er es richtig wahrnahm. Es gab nur einen einzigen Gedanken, den er hatte: Er musste hier weg - weg mit Tancrèd, um ihm zu erklären, was los war, um mit ihm zu reden, um dafür zu sorgen, dass jener begriff, warum er das getan hatte, um ihm zu sagen, dass er das nur für ihn getan hatte... Doch er war nicht wirklich fähig, so zu handeln, wie er es hätte sollen. Als Tancreds scheinbare Gleichgültigkeit ihn wie eine Faust ins Gesicht schlug, erstarrte er - unfähig noch irgendetwas zu sagen. Jener hatte ihn gerade abserviert und ihm damit die Möglichkeit genommen, sich zu erklären. Einen Moment blieb er so stehen, als er begriff, dass er etwas tun musste, doch in dem Moment, als er losgehen wollte, dem anderen hinterher, spürte er Patricias Griff und als er sie ansah, wusste er, dass sie ihn nicht gehen lassen würde. Das taten Kieran und Dominico auch nicht. John wusste, dass sie Recht hatten und damit letztlich schützten, weswegen er all das getan hatte - und dennoch verfluchte er sie gerade alle innerlich und wünschte sich, dass er niemals diesem Mist zugestimmt hätte. Als John zum Becher greifen wollte, den Dominico ihm hingestellt hatte, merkte er, dass er zitterte und er ließ die Hand wieder sinken. Alles in ihm wollte nicht hier sein, aber alle hielten ihn auf. Als er Patricias Frage hörte, schloss er einen Moment die Augen. "Das war er, ja, - das war er." Sich das selbst sagen zu hören, hatte etwas furchtbar Endgültiges. Tancrèd Der Mann, der "es war", stürmte förmlich vom Anwesen. Amadeo konnte gar nicht Schritt halten und ließ Tancred schließlich einfach laufen. Der ließ sich sofort im Stall wieder ein Pferd geben und heizte in vollem Galopp Richtung London, ehe ihm klar wurde, dass er gar nicht wusste, was er dort tun sollte. Er zügelte das Pferd etwas, während er noch immer zu keinem klaren Gedanken fähig war. Wohin sollte er gehen? Natürlich hatte er den Schlüssel zu Johns Wohnung, doch dort wollte er nicht hin. Zumal er nicht einmal wusste ob er dort noch willkommen war. Bei Nico hätte er sicher bleiben können, doch das war das letzte das er wollte. Der König selbst erwartete ihn heute sicher nicht mehr und damit war auch der Palast nicht sein Ziel. Es gab in London keinen wirklichen Ort an dem er etwas zu tun hatte oder Willkommen war. Doch jetzt noch zurück nach Gravesend zu reiten, wo er doch morgen wirklich am Hof sein musste, war ebenso schwachsinnig, also ritt er hinein in die belebte Stadt, ohne wirkliches Ziel vor Augen. Es trieb ihn letztlich in das altbekannte Gasthaus in dem er bisher immer untergekommen war. Als offizieller Gast seiner Majestät war dort ohnehin immer ein Zimmer für ihn freigehalten und er würde es jetzt zumindest für diese eine Nacht nutzen. Als er den Empfangsraum betrat und die Dame ihn begrüßte, staunte er nicht schlecht, als sie ihm sagte, dass sein Diener bereits hinaufgegangen war. Tancrèd runzelte die Stirn und hatte unweigerlich nach seiner Waffe gegriffen, als er die Treppe hinauf gegangen war. Vorsichtig stieß er die Türe auf, nur um Kadmin am Tisch sitzend vorzufinden, mit einem Berg von Essen auf mehreren Platten. "Was machst du bitte hier?" Kadmin drehte sich um und grinste breit, ein Stück Möhre zwischen den Zähnen. "In deiner überhasteten Abreise zu deinem blonden Schönling hast du die Dokumente vergessen." Er deutete auf einen Stapel von Briefen, die Tancred eigentlich nach London hätte mitnehmen müssen. Tancred ließ die Schultern hängen, warf den Hut aufs Bett und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. "Gott verdammter Mist.." Er warf Mantel und Jacke hinterher und ging zum Tisch, klaute sich einen Fleischspieß von Kadmins Teller. "Und selbstlos wie du bist, kommst du also nach?" Kadmin zuckte die Schultern. "Ich habe eine Liste mit Besorgungen, die für das Schiff zu erledigen sind. Das ist nun mal meine Aufgabe. Soll ich gehen? Bekommst du Besuch?" Tancred schüttelte den Kopf und sagte nichts, während Kadmin langsam dämmerte, dass etwas nicht stimmte. "Ist er nicht mehr da?" Der Tonfall des Arabers war vorsichtiger geworden. "Doch.. da ist er", antwortete Tancred und öffnete die Weinflasche, die ihm am nächsten stand, "aber unerreichbar." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)