Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 135: Die Nachricht -------------------------- John Es war schwer für John, gelassen zu bleiben, sehr schwer. Aber er tat es, augenscheinlich. Er musste Kieran stützen, denn jener war - seitdem von „tragischen Verlusten“ die Rede gewesen war - so nervös, dass es ihn ganz kirre machte. Es war nicht so, dass er sich nicht auch sorgte. Ganz im Gegenteil. Aber er ließ es nicht zu, dass es sich in den Vordergrund seines Bewusstseins drängte. Dafür kam es unterbewusst umso heftiger auf ihn zurück – nämlich nachts, wenn er träumte. Nacht für Nacht hatte er jetzt diese Träume vom Wasser. Aber mittlerweile war nicht er es, der keine Luft mehr bekam und der im Wasser ertrank. Sondern es war Tancred, der im Wasser versank und den er zu fassen versuchte. Aber immer wenn er dachte, er habe seine Hand ergriffen, entglitt sie ihm und er sah ihn in der Tiefe des Meeres versinken. John wachte jedes Mal schweißgebadet auf, nach Tancred rufend und er war Patricia unendlich dankbar, dass sie das für sich behielt, wenn er vor Kieran so tat, als sei alles in Ordnung. Auch wenn jener wahrscheinlich genau wusste, dass es in ihm anders aussah. Der Gedanke, dass das letzte Gespräch, das er mit Tancred geführt hatte, ein so widerliches gewesen war, machte ihn fertig. Was, wenn er nie die Chance bekäme, diese ganze Geschichte zu erklären? Wenn er sich nie wieder mit Tancred vertragen würde, wenn er ihn nie wieder… John fröstelte, während er vor dem Prüfungszimmer saß und wartete. Es regnete bereits den ganzen Tag und die Gänge im Institut waren zugig und kalt. Die Tür ging auf und John stand auf. „Mr. Forbes“, wurde er begrüßt. „Dann lassen Sie uns mal beginnen.“ „Sehr gern“, entgegnete John und begann die letzte dieser elendigen Prüfungen, mit denen er hoffentlich in der nächsten Woche endlich sein Examen in der Hand halten würde. Es war an einem Sonntag, als er vor der Kirche an einem Stand vorbeilief und stehen blieb. Mittlerweile war es sicherer, wenn man sich sonntags in der Kirche blicken ließ. Also ging er mit Patricia und er hasste es, sich so ekelerregend verstellen zu müssen. Kieran tat das nicht und er bewunderte ihn dafür. Aber sein Vater hatte Patricia gegenüber Dinge gesagt, die sie dazu veranlasst hatte, ihm ins Gewissen zu reden, sie zu begleiten. „Was hast du?“, hatte sie überrascht gefragt, als sie merkte, dass er stehen geblieben war und er hatte auf eine Kette gedeutet, die dort auslag. Fragend blickte sie ihn an, nachdem sie die Kette als eine erkannte, die fast identisch wie die seinige war. „Ein Accessoire, das den Schein vollendet“, sagte er ihr, nachdem er die Kette gekauft hatte und sie auf dem Heimweg waren. Genau dieses Detail hatte ihm noch gefehlt. Nun war alles vorbereitet und würde funktionieren. „Du wirst mir fehlen“, hatte Patricia ihm gesagt und es hatte ihn im ersten Moment überrascht. „Du mir auch“, hatte er schließlich zugegeben und sie in den Arm genommen und auf die Wange geküsst. „Das ist der Fehler im Plan.“ Seit zwei Tagen war London in helle Aufregung versetzt. Der Mittelpunkt der Unruhe befand sich am Hafen, wo alles für den Einzug der Flotte hergerichtet wurde. Es würde einen feierlichen Empfang der Helden geben, die den Sieg für den König eingefahren hatten. Die Flotte war bereits gesichtet worden, aber dadurch, dass sie durch die Themse nach London fahren würde, zog sich ihre Ankunft noch einige Tage hin, so schätzte man. Die königliche Bekanntmachung selbst war es, die sie ein wenig in Sicherheit wiegen ließ, denn unter den Schiffen, die zurückkehren würden, befand sich auch die Raashno – so war es zumindest angekündigt. Dieses Wissen – auch wenn es letztlich nicht unbedingt als sicherstes Zeichen zu werten war – beruhigte ihre Gemüter zumindest insofern, als dass John Kieran überzeugen konnte, dass es richtiger war, zu der Vergabe der Diplome zu gehen, die vermutlich zeitgleich mit der Ankunft der Schiffe sein würde. Selbst wenn alle wohlbehalten zurückkehrten, würde es dauern, bis sie sich wirklich würden sehen können. Es wäre falsch hinzugehen, denn der Wunsch, den geliebten Menschen zu sprechen ließ einen unter Umständen Fehler begehen. Noch schlimmer wäre es, wenn doch nicht jeder, der auf dem Schiff mitgefahren war, auch zurückkehren würde. Daher standen sie schließlich in der großen Aula der königlichen Universität, in ihrer für Johns Begriffe unfassbar hässlichen Robe Academicus, die nun symbolisieren sollte, dass sie in der Oberschicht angelangt war, denn die Farbe Schwarz war eben jener vorbehalten. Sie durften sich dämliche Reden anhören, in denen die Professoren gelobhudelt wurden, und die Studenten sich als so dankbar erweisen mussten, dass John am liebsten gekotzt hätte. Kieran war nicht wirklich bei der Sache und John führte ihn letztlich durch das Programm. Während sie noch im Saal standen, kamen die ersten Gerüchte vom Hafen bei ihnen an – nichts Konkretes, aber Kieran war ab diesem Zeitpunkt zu nichts mehr zu gebrauchen. John verstand ihn, aber es brachte nichts, jetzt loszustürmen. Sie würden nachher in Ruhe zum Anwesen reiten und würden da mindestens Dominico begegnen können. Doch es sollte anders kommen. Sie hatten ihre Diploma erhalten, sie waren zurückgekehrt in die Apotheke und bereits der Blick in Patricias Gesicht hatte ihm gesagt, dass etwas passiert war. Sie nickte in Richtung Kieran und musste nichts mehr sagen, als dieser bereits wusste, was geschehen war, und in sich zusammenbrach. Kieran Die letzten Tage, seitdem bekannt war, dass die Flotte auf dem Rückweg war und bald London erreichen würde, waren unsäglich lang. Die Zeit schien nicht vergehen zu wollen. Alles zog sich endlos hin und am schlimmsten waren die Nächte, in denen er ohnehin keinen ruhigen Schlaf fand. John neben ihm erging es nicht besser, auch wenn jener es tagsüber besser schaffte, seine Gedanken beieinander zu halten. Kieran merkte, dass er unsägliche Angst hatte. Allein der Gedanke, was er tun sollte, wenn er erfahren musste, dass Dominico gefallen wäre… Er schnürte ihm die Kehle zu und trieb ihm die Tränen in die Augen. Aber irgendwie hatte er ein so furchtbares Gefühl, dass er John, der versuchte positiv zu reden, nicht richtig verstehen konnte. Ja, klar. Er sollte positiv denken, aber er konnte es einfach nicht – warum auch immer. Er funktionierte immerhin. Ja das tat er. Er ging seiner Arbeit nach, er arbeitete und betreute seine Patienten, die vermutlich gar nicht so sehr merkten, dass ihn etwas beschäftigte. Die Prüfungsergebnisse nahm er zur Kenntnis und war erstaunt, dass er trotz allem ein „Summa cum laude“ zu seinem Doktortitel erhalten hatte. Auch John hatte bestanden – und gar nicht mal so schlecht, ganz im Gegenteil. Sie hatten an dem Abend zu dritt angestoßen, auch wenn keine rechte Stimmung aufkommen wollte. Sowohl Kieran als auch John hatten sich vorbereitet, hatten ihre Sachen gepackt und alles hergerichtet, um im Falle des Falles vorbereitet zu sein. Dennoch hoffte niemand, dass es dazu käme. Die Feierlichkeiten für die Studenten fanden statt, doch Kieran würde vermutlich hinterher kaum sagen können, was eigentlich gemacht worden war. Sicher, die Universität konnte nicht voraussehen, dass die Flotte zum gleichen Zeitpunkt zurückkehren würde – und doch war es so gekommen. Natürlich hatte John recht, als er ihm sagte, dass es sinnlos war, hinzugehen, dass es sogar äußerst gefährlich werden konnte. Doch er sehnte diesen Moment so sehr herbei, seinen Dominico wieder zu sehen, dass es ihn körperlich schon schmerzte. Er wollte ihn in den Arm nehmen und sich vergewissern, dass er wohlauf war. Er wollte ihn küssen, ihn festhalten und nie wieder loslassen – und gerade deshalb durfte er nicht zum Hafen hinunter gehen. Aber Patricia durfte – und als er ihr Gesicht sah war ihm klar, dass etwas passiert war. Es war ihr Blick, der ihm sagte, dass genau das eingetroffen war, was nie hätte passieren sollen. Jetzt, wo genau das offensichtlich geschehen war, spürte er, wie ihm der Boden unter den Füßen weggerissen wurde. Der Schmerz, den er schon vorab bei dem Gedanken daran verspürt hatte, traf ihn um ein vielfaches heftiger, als er je erwartet hatte. Er war so heftig, dass er erstarrte, in sich zusammensank und nicht einmal fähig war, zu weinen. Er kniete am Boden, spürte, dass John sich neben ihn setzte, dass Patricia hinter ihm die Tür geschlossen hatte und sich nun auch zu ihm setzte. Das alles nahm er wahr, ohne es wirklich zu hören oder zu sehen. „Wie?“, fragte er tonlos und seine Stimme hörte sich so weit weg an. „Wie?“, versuchte er es lauter und blickte Patricia mit einem Gesichtsausdruck an, der von seiner Verzweiflung zeugte. „Er hat sich geopfert, um die Spanier zu versenken. Er hat den Sieg für England errungen. Er starb als Held“, sagte sie und fing zu weinen an. Kieran konnte ihre Tränen nicht verstehen, schließlich müsste er doch weinen, oder? Aber anstatt, dass er weinte, merkte er nur, wie er wütend wurde. Wütend auf Dominico, der ihm etwas versprochen hatte: Ich verspreche dir das ich alles daran setze so schnell wie möglich wieder hier zu sein – Wieso hatte er das dann getan? Der Wutausbruch war heftig – doch er brachte schließlich die Tränen, als er – von John festgehalten – wieder zur Ruhe kam und nur noch weinte, bis er das Gefühl hatte, völlig ausgelaugt worden zu sein. Er hatte das Gefühl, einfach nur noch sterben zu wollen, alles andere war ihm gleichgültig. John war es, der ihn zwang, ihm auf das Anwesen zu folgen, das sie mit einer Kutsche erreichten. John war es, der ihm klarmachte, dass Dominico ihm auch ein Versprechen abgenommen hatte. Aber wenn der Italiener die Versprechen nicht hielt, warum sollte er sie dann halten? Trotzdem ließ er sich mitziehen, zu Amadeo, der ihm vielleicht doch sagen würde, dass das alles nur eine Lüge gewesen war, ein Spiel. Er würde ihm vielleicht sagen, dass Dominico nicht tot war. Doch das Gesicht des Italieners, der sie empfing, sprach eine andere Sprache. John hatte Kieran noch nie so erlebt. Es brach ihm das Herz. Als der Schwarzhaarige sich wütend aufbäumte, sie beschimpfte, Dominico beschimpfte, den König beschimpfte und drauf und dran war, alles, was ihm in den Weg kam, kaputt zu machen, da war John so dermaßen überfordert, dass er nichts anderes tun konnte, als seinen besten Freund festzuhalten, die Schläge ertragend, die er einstecken musste, und dabei lautlos zu weinen, weil ihn der Schmerz des anderen so an den Schmerz erinnerte, den er nachts empfunden hatte, wenn er an Tancreds mögliches Schicksal gedacht hatte. Dass Patricia ihm nichts sagte, dass auch der Franzose unter den Opfern gewesen war, freute ihn natürlich. Aber er hatte keine Zeit, wirklich darüber nachzudenken. Im Moment konnte er nur Kieran festhalten, der am ganzen Körper zitternd und schluchzend in seinen Armen lag und seien Tränen freien Lauf ließ. Kieran hatte ihm von dem Gespräch berichtet, was er mit Nico geführt hatte – von der Vereinbarung, was zu tun sei, im Fall der Fälle. Diesen Plan würden sie verfolgen. Kieran würde nicht hierbleiben könnten, denn hier würde ihn alles an die Zeit mit Dominico erinnern. Dominico hingegen wollte ihn in Sicherheit wissen, er würde etwas vorbereitet haben. John würde alles dafür tun, das das auch so klappen würde. Daher zwang er Kieran letztlich auf das Anwesen, auf dem sie Amadeo empfing. Auch wenn jener nicht sagen konnte, dass das alles nur ein Irrtum gewesen war, so war zumindest noch ein weiterer Gast da, der John nun endlich doch auch an sich denken ließ. An sich und sein Glücksgefühl, dass Tancred eben nicht dem Krieg zum Opfer gefallen war. Einen Moment sah er Tancred an und alles in ihm hatte das Bedürfnis, zu ihm zu gehen, ihn anzufassen und in die Arme zu nehmen. Doch er konnte nicht. Zum einen, weil zwischen ihnen noch immer ein großer Streit stand, bei dem zwar die Hoffnung in Form eines Backgammonsteins bestand, dass sie ihn beilegen würde können, der aber noch nicht gelöst war. Zum anderen war da Kieran, der nun seinerseits den Kapitän wahrnahm und nun den zweiten Wutanfall bekam. „DU HÄTTEST IHN ZURÜCKBRINGEN MÜSSEN! WARUM HAST DU IHN NICHT ZURÜCKGEBRACHT!“, schrie Kieran den Franzosen an, während John seinen Freund wieder festhielt, damit dieser nicht auf Tancred losging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)