Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 3: Ostern in Cambridge - Wandeln auf dem Kreuzgang ---------------------------------------------------------- Alessandro Sforza [[BILD=8207155.jpg]] Als Alessio das Gasthaus verlassen hatte, war er recht schnell wieder Richtung Kirche gegangen. Er hatte zwar auch noch Zeit, denn es war ja immerhin ausgemacht, am nächsten Morgen zu sehen, was sich im Bett des jeweils anderen finden konnte, doch besser man fing früh an als zu spät. Alessio hoffte überhaupt, den jungen Mann in der Kirche noch zu treffen, aber er nahm an, dass er wie die meisten Messdiener einer so großen Kirche auch dort ein Kämmerchen hatte. Alessio nahm an, dass der junge Mann mit dem leicht verklärten Blick aus faszinierend braunen Augen ein Waise war, wie viele der älteren Messdiener. So wie er sich verhalten hatte, diente er der Kirche schon länger, oder eben nur besonders eifrig. Er erreichte die Kirche recht unbehelligt und schritt durch das große Tor, wo ihn jedoch kurze Zeit später einer der Ordensbrüder aufhalten wollte. Sie reinigten den Boden noch immer mit groben Besen, denn die Besucher hatten Dreck herein getragen. Einige der Kerzen waren schon gelöscht worden und der kalte Geruch von gelöschten Kerzen zog durch das ganze Kirchenschiff. "Die Kirche ist zurzeit... oh, eure Eminenz!" Im Halbdunkel hatte ihn der Mann nicht erkannt. Jetzt verneigte er sich und küsste dem Kardinal die Hand. "Nicht doch...", sagte er und winkte ab. "Lasst euch von mir nicht stören. Nur eine Frage, wo genau wohnen in diesem Haus die Messdiener?" Der Bruder wirkte erst ein wenig verwirrt, nickte dann aber. "Sie sollten noch alle in der Sakristei sein. Unter der Aufsicht des Bischofs leeren sie die Klingelbeutel." Anscheinend hatte die Kirche heute einiges eingenommen, das war erfreulich. Immerhin war das sozusagen auch Alessios Geld. Er verabschiedete sich und schritt dann durch den langen Gang des Hauptschiffes dem Altar entgegen, vor dem er sich verneigte. Alessio mochte ein durchtriebener Mann sein, der vor vielen Verbrechen nicht zurück schreckte - doch Alessio war gottesfürchtig. Er glaubte an den Herrn, allerdings glaubte er auch daran, dass der Herr nicht selten wegsah... oder nicht wusste, für welche der vielen Seiten er sich entscheiden sollte. Langsam sah er zum Kreuz hinter dem Altar auf. Die Jesusfigur war von herausragender Kunstfertigkeit. Die Schriftzüge waren vergoldet, genauso wie der knappe Lendenschurz der die Blöße des Herrn verdeckte. Der Prunk war so offensichtlich und so sehr es Alessio manchmal übertrieben vorkam, so konnte er mit der einfachen Einrichtung protestantischer Gotteshäuser nichts anfangen. Nur langsam wandte er sich von dem Altar ab und ging langsam Richtung Sakristei, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Als er die Sakristei betrat herrschte dort noch rege Betriebsamkeit. Neben seinem "blonden Engel" waren nur noch zwei andere ebenfalls ältere Messdiener da, die nicht zu jung waren um die Münzen noch nicht auseinander halten zu können. Sie sortierten sie in einige massive Holzkisten, die dann dem Schatzmeister des Ordens anvertraut werden würden. Alessio war zufrieden als er sah, wie viel Geld die Menschen in den Klingelbeutel geworfen hatten und unterhielt sich kurz mit dem Bischof. Immer wieder warf er den ein oder anderen Seitenblick zu dem blonden Mann, der ihm schon während des Gottesdienstes aufgefallen war. Er war hochgewachsen und schlank, unter seinem Messgewand wirkte er beinahe schmächtig. Seine braunen Augen sahen beinahe schüchtern in die Welt, doch Alessio hatte das Gefühl, dass sich dahinter ein Fuchs verbarg der lauerte. Aber vielleicht war das auch nur ein flüchtiger Eindruck. Er verabschiedete sich von dem Bischof und kam dann zu dem jungen Mann hinüber, sah ihm über die Schulter. "Eure Hingabe zu unserem Herrn fiel mir schon im Gottesdienst auf. Und auch hier messt ihr jedem noch so kleinen Cent Bedeutung zu. Es ist immer wieder erfrischend, zu sehen, wie hingebungsvoll Menschen unserem Herrn dienen. Geht ein Stück mit mir im Garten...", bat Alessio, ehe er sich ohne eine Antwort abzuwarten zum Ausgang der Sakristei wandte, die in den kleinen aber sehr idyllischen Klostergarten führte. Finley Sam Gordon [[BILD=8269729.jpg]] Tatsächlich kam Finley nicht so schnell davon, wie er gehofft hatte. Er und zwei weitere Messdiener waren dazu ‚verdonnert‘ worden, die Klingelbeutel zu leeren und die Einnahmen grob zu bestimmen. Zunächst hatte der Rebell sich sehr über diese Zeitverschwendung geehrt, doch als er die Mengen von Münzen vor sich sah, viel ihm buchstäblich die Kinnlade herunter. Was zur Hölle… Um allerdings nicht zu sehr auf zu fallen, sammelte er seine Kinnlade schleunigst wieder vom Boden auf und begann, sich am Geldzählen zu beteiligen. Allerdings nicht, ohne hin und wieder die ein oder andere Münze einzustecken. Schließlich hatte er nicht umsonst jahrelang auf der Straße gelebt und außerdem konnte er mit diesem, minimal rebellischen Akt, sein unbefriedigtes Inneres besänftigen, welches in den letzten Minuten immer unruhiger geworden war. Gerade als Finley eine besonders hübsch glänzende Münze in eine seiner Taschen schob, öffnete sich mit einem Mal die Tür, woraufhin er, wie ertappt zusammenzuckte und beinahe noch die Münze hätte fallen lassen. Er riss er sich zusammen und wandte leicht den Kopf, um zu sehen, wer ihn denn so aus der Fassung gebracht hatte. Der Anblick der eingetretenen Person verunsicherte ihn allerdings fast noch mehr. Das war doch dieser Kardinal! Einer der Brüder, die er oben auf der Loge gesehen hatte. War das Zufall? Hatte der Kerl etwas bemerkt und es auf ihn abgesehen oder hatte er einfach nur scheiß Glück?! Was auch immer es war, Finley musste es heraus finden. Er musste Kontakt mit dem Kerl aufnehmen. Kurz zögerte der Rebell, dann fuhr er jedoch fort mit dem Geldzählen, ohne etwas abzuzweigen. Man musste sein Glück ja auch nicht unnötig provozieren. Der Kardinal hatte eine machtvolle Ausstrahlung, die er nicht unterschätzen wollte. Endlich waren sie fertig mit ihrer Arbeit und Finley sortierte die Klingelbeutel zurück in ihre Fächer, als er plötzlich die direkte Nähe eines Mannes spürte und ein Gesicht neben dem seinen erschien. Oh, ja! Zecke hatte es mal wieder bewiesen! Er war es, der König aller Schauspieler und Schleicher! Das Glück musste ihn verdammt nochmal lieben! Sein Innerstes triumphierte, als er die Worte des Kardinals hörte. Bemüht, kein allzu erfreutes Gesicht zu machen, blinzelte er überrascht und verwirrt und schlug die Augen nieder um den Mann nicht direkt ins Gesicht zu blicken. „Eure Eminenz! E-es ist eine große Ehre für mich!“ gab er stotternd und scheinbar schier überwältigt zurück. Mannomann, er hörte sich an, wie ein kleiner Junge! Seine Stimme klang ein gutes Stück zu hoch und nachher würde noch jemand auf die Idee kommen, man habe ihm die Eier abgenommen, aber es war ihm egal. Der Kerl war tatsächlich auf sein übertriebenes Geheuchel herein gefallen. Es war einfach unfassbar. Ein gehässiges Gelächter dröhnte in seinem Kopf. Der unchristlichste von allen, bekam die große ‚Ehre‘, mit dem Kardinal persönlich zu sprechen! Erst jetzt hatte er Gelegenheit, den Klostergarten zu betrachten und obwohl Finley den Prunk der Kirche nicht schätzte, musste er zugeben, dass ihn die Idylle und Schönheit des Gartens bezauberte. Der hereinbrechende Frühling hatte die Pflanzen zum Keimen und einige Blumen schon zart zum blühen gebracht. Die Christen hatten es mal wieder ausgezeichnet getroffen, ihr Fest der Wiedergeburt auf das schon Jahrtausende alte Fest des Lebens und der Wiedergeburt der Natur zu pflanzen. Alessandro Sforza [[BILD=8207155.jpg]] Und da war es wieder. Dieses kleine Etwas, das einfach nicht passen wollte. Alessio konnte es nicht richtig mit Worten benennen, doch etwas in den braunen Augen passte nicht. Von der Empore hatte der junge Mann ausgesehen wie ein etwas zu groß geratener schlaksiger blonder Engel. Von nahem betrachtet war er das beinahe immer noch, doch die Hände, die das Messgewand nicht verdeckten, sahen nicht so aus als wären sie die eines langjährigen Kirchendieners. Das hatte natürlich nichts zu heißen, viele der Messdiener, die nicht im Knabenchor sangen, kamen aus den Waisenhäusern der Stadt. Denn wenn die Jungen ersteinmal ein gewisses Alter erreicht hatten gingen sie entweder weg oder traten ins Kloster ein und hatten dann anderes zu tun als bei der Messe immer wieder Weihrauch zu schwenken. Dennoch wurde Alessio aus einem Bauchgefühl heraus wachsamer, als er in den Garten trat. Die bestechende einfache Schönheit bloßer Natur hatte ihn schon immer berührt. "Wie ist dein Name?" Das war ja immerhin mal durchaus wichtig. Er hatte den Namen zwar vom Bischof erfahren, doch das war ganz egal. Er wollte ihn von dem blonden Mann neben sich hören. Sie gingen langsam bedacht, Schritt für Schritt. Alessio musterte den jungen Mann eingehender. Wie alle Messdiener war auch er auf Hochglanz poliert. Seine Wangen glänzten sanftrosa, am Hals hatte er die Haut mit Bims so sehr geschrubbt, dass es wunde Stellen gegeben hatte. Das Wasser im Klosterzuber war sicher eiskalt gewesen. Die Schuhe, die er trug waren sauber und ordentlich genäht. Also entweder auch eine Leihgabe des Klosters, oder aber die eigenen. Letzteres war eher unwahrscheinlich, aber man konnte ja nie wissen. Manche adeligen Familien - die Sforzas taten es ja auch - schickten die eigenen Söhne immer wieder in die Kirche als Messdiener. Es war gut für den Familiennamen, sofern die Familie sich denn gut mit Rom stellen wollte. Vielleicht hatte er hier ja sogar einen adeligen jungen Mann vor sich... das würde die ganze Sache noch wesentlich delikater machen und Alessio musste sich zurückhalten, um nicht zu grinsen. Finley Sam Gordon [[BILD=8269729.jpg]] Aus dem Augenwinkel bemerkte Finley, wie der etwas ältere Mann ihn musterte. Bisher dachte er sich noch nichts dabei, doch er war ohnehin auf der Hut und behielt diese Entdeckung mal vorsichtshalber im Hinterkopf. Allerdings musste er leider zugeben, dass ihn die Natur doch etwas ablenkte. Im Schutt und Dreck der Stadt bekam man solch gepflegte Schönheit selten zu Gesicht und Finley liebte die Natur. So wurde er beinahe abrupt aus seinen Gedanken gerissen, als der Kardinal zu sprechen begann und ihn nach seinem Namen fragte. Uwa! Na, klar! Etwas mehr Konzentration bitte, sonst baumelte er schneller am Galgen, als er 'Nächstenliebe' sagen konnte. "Mein Name ist Adrian White, eure Heiligkeit", beeilte er sich zu sagen und versuchte, sich auf den Kardinal zu konzentrieren. Doch ein Strauch streifte sein Gewandt und gab kurzen Widerstand, woraufhin er sich kurz umwandte und mit leichter Sehnsucht im Blick, die wilden Rosen aus seiner Kleidung entfernte. Dennoch musste er langsam mal vertraut werden mit dem Kerl neben sich. Irgendwie zumindest. Schließlich wollte er heut noch ein paar lobenswerte Informationen abdrücken. Endlich wandte er sich also wieder um und strahlte den Kardinal an, bevor er sich an Mäßigung erinnerte und sein Lächeln etwas verklärt dämpfte. "Ich habe euch schon in der Kirche voller Ehrfurcht beobachtet. Es ist so wundervoll, euch bei der heiligen Messe zuzusehen. Ich möchte nicht anmaßend sein! Natürlich ist die heilige Messe auch ohne euch etwas Wundervolles, doch wenn IHR die Stätte Gottes betretet, habe ich das Gefühl, dass der Allmächtig wahrhaftig unter uns weilt, weil er dem reinen Glauben in eurem Herzen folgt", endete er kaum theatralisch und mit der Inbrunst der Überzeugung, während sich sein Inneres zusammenzog - aus Übelkeit oder vor Belustigung, das konnte er nicht sagen und vielleicht war es auch eine Mischung von beidem. Finley hatte wenig Ahnung, was die Kirchenheinis sich so gegenseitig erzählten, doch diese Priester und Bischöfe waren doch alle gleich. Man musste ihnen nur genug in den Arsch kriechen, dann fraßen sie einem aus der Hand, während sie sich in ihrer Selbstverliebtheit suhlten. Verklärte Idioten gab es doch überall. Zur Not würde er das auf übermäßigen Konsum von Weihrauch schieben, woraufhin er sicher einige Lichter Gottes gesehen hatte. Er konnte also wohl kaum übertreiben oder? Alessandro Sforza [[BILD=8207155.jpg]] Oh, da hatte er wohl wirklich einen Volltreffer gelandet. Zuerst schien der Messdiener vollkommen verwirrt oder vor Ehrfurcht erschlagen, doch anscheinend musste sich der junge Mann erst sammeln. Und dann wurde deutlich, dass Alessio sich nicht darin getäuscht hatte, dass irgendetwas faul war an dieser seltsamen Frömmigkeit und dem doch recht fortgeschrittenen Alter des jungen Mannes. Der Bischof hatte gesagt, dass ihm der junge Mann "zugeteilt" worden sei, und er recht häufig bei der Sonntagsmesse diene. Er sei unauffällig gewesen, habe sich aber immer sehr für die Kirche interessiert. Er wohne aber nicht im Konvent, sondern in der Stadt und mehr wisse er nicht über ihn... ah ja. Und er war definitiv nicht ausgebildet worden von der Kirche. Zwar kannte Alessio eine derartige Unterwürfigkeit der Messdiener aus Rom, dort war es genau so gewesen. Allerdings versprachen sich davon die einfachen Messdiener auch den Aufstieg innerhalb der Kirche, als Diener eines Kardinals oder sogar als einer der Messdiener des Papstes oder Diener des Papstes persönlich. Hier war das absolut unüblich und noch unüblicher war es, einen Kardinal mit "Eure Heiligkeit" anzusprechen. Das hier war absolut kein Kirchendiener, sondern irgendetwas anderes. Er hatte Münzen gezählt... Alessios Augenbraue rutschte nach oben, als er das lange weite Gewand musterte und dann leicht lächeln musste. Und er konnte schleimen wie die besten Speichellecker des Königs, doch Alessio überging es einfach. Er hatte hier etwas anderes zu tun, als vielleicht einen kleinen Taschendieb oder einfach nur einen einsamen jungen Mann ohne Bestimmung dabei zu entlarven, wie er der ohnehin reichen Kirche ein paar Münzen abzweigte. Zumal das ja nur seine Idee war und vielleicht gar nicht stimmte. "Danke für dieses Kompliment", erwiderte der Kardinal. "Du bist sehr fromm, man findet das sehr selten bei Männern in deinem Alter. Kaum jemand will in England der Kirche dienen. In Rom ist das ganz anders, aber hier, hier ist das leider nicht so. Umso erfrischender ist es, noch jemanden zu sehen, der so aufopferungsvoll der Kirche dient. Weil wir Ostern feiern, würde ich dich gerne einladen, zu einem besseren Abendessen als dem, was du sicher sonst so geboten bekommst. Immerhin war die Messe heute sehr lang und sicher bist du müde vom Weihrauchschwenken. Das Fass ist sehr schwer." Das konnte er aus eigener Erfahrung sagen. "Also, wenn du mein Gast sein möchtest. Ich fände deine Gesellschaft sehr angenehm. Es kommt so selten vor, dass ich mit ehrlichen Gläubigen über Gott sprechen kann." //Ja, vor allem dann, wenn sie von Gott reden, wenn mein Schwanz in ihnen steckt.// Das setzte Alessio zumindest in Gedanken hinzu. Der Kirchendiener würde sicher mitkommen, ein Abendessen ließ sich schließlich niemand entgehen, vor allem niemand, der freiwillig in diesem Alter in der Kirche diente. Finley Sam Gordon [[BILD=8269729.jpg]] Kurz schien auf den Lippen des Kardinals ein vielwissendes Grinsen aufzutauchen, doch im nächsten Moment war es auch schon zu einem gütigen Lächeln geworden und Finley wusste nicht, ob er es sich nur eingebildet hatte. Vielleicht nur ein Spiel des Lichtes oder ein Streich seiner eigenen Paranoia. Er tat, als wäre er ganz begeistert von dem Lob des Kirchenmannes und lächelte angetan zu dessen Einladung. In der Tat war er auch in Wirklichkeit sehr angetan. Schließlich wollte der gute Mann noch mehr Zeit mit ihm verbringen und bei ein bisschen Wein begannen sie doch alle zu erzählen. Besser hätte es wahrhaftig kaum laufen können. Das marode Haus, welches sie besaßen, bewohnten eine ganze Menge Menschen. Den genauen Überblick hatte nur Ralph, doch die, die dauerhaft – so wie er selbst – dort wohnten, waren an die 15 und die, die dort ein und aus gingen, waren noch mehr. Insgesamt lebten sie dort wie in einer großen Familie. Sie kochten gemeinsam, feierten gemeinsam und manchmal schliefen sie auch miteinander. Auch Ralph war dem männlichen Geschlecht nicht ganz abgeneigt und tatsächlich war auch dies der Grund gewesen, wie sie miteinander ins Gespräch gekommen waren. Doch auch, wenn jeder ein wenig Geld dazu brachte, waren es eindeutig eine ganze Menge Mäuler, die gestopft werden wollten. Und so langsam konnte Finley die Grütze nicht mehr sehen. Ein Abendessen, wie es nur ein reicher Mann der Kirche genießen konnte, war eine Aussicht, für die er so einiges getan hätte. Und sie so einfach angeboten zu bekommen, ließ ihn innerlich einen Hüpfer machen. „Es erfüllt mich mit Stolz, ein Mann Gottes sein zu können und meinen Mitmenschen in jeder Hinsicht Seelenfrieden zu beschaffen. Die Nächstenliebe ist die größte Gunst, die wir einander erweisen können, wenn ihr mich fragt und so ist es mir immer wieder eine Ehre, den Vertretern dieser wundervollen Denkweise und natürlich Gott persönlich, eine Hilfe zu sein.“ Sagte er und musste aufpassen, sich bei dem ganzen Geschleime nicht zu verhaspeln. Nun neigte er erneut kurz den Kopf und hoffte, dass es im Gespräch über Gott nicht ins Detail gehen würde. Er bekam das ‚Vater Unser‘ ja noch nicht einmal ganz und flüssig auf die Reihe. Geschweige denn, dass er tiefergehend mitreden könnte. Doch das war noch lange kein Grund für ihn, kalte Füße zu bekommen. Abhauen konnte er immer noch. Alessandro Sforza [[BILD=8207155.jpg]] Nun, wenigstens biss er an. Was auch immer der junge Mann neben ihm war, wer auch immer er war - Hunger hatte er wie die meisten Menschen in dieser Welt und das vielversprechende Essen mit dem Kardinal lockte ihn. Alessio sah sich seinem Ziel damit schon ein ganzes Stück näher und er hätte einiges dafür gegeben, jetzt zu wissen wie weit sein Bruder gekommen war. Sie drehten gerade schon die dritte Runde im Garten, während Alessio noch immer die Hände hinter dem Rücken gefaltet hatte. "Ihr könnt euch hoffentlich auf einem Pferd halten? Denn mein Anwesen liegt etwas außerhalb. Aber ich werde schon dafür sorgen, dass ihr rechtzeitig morgen wieder in der Kirche seid." Das musste Alessio ja schon gewährlisten. Auch wenn es ihm eigentlich ziemlich egal war, wie Adrian am nächsten morgen nach Hause kam. Aber noch musste er ihn ersteinmal zu sich nach Hause bekommen und ihn dann so mit Wein abfüllen, dass sein Plan aufging. Man würde sehen, wie sein Bruder voran kam. Wenn der versagte musste Alessio auf jeden Fall erfolgreich sein, denn dann würde Nico ihm die ganze Nacht mit dem Ohr an der Wand hängen. War sein Bruder abkömmlich, konnte er im Zweifel den Jungen auch einfach nur abfüllen und nackt in seinem Bett parken, das würde vielleicht schon reichen, um 20 Pfund einzustreichen. Sie erreichten den Ausgang des Kreuzganges erneut und Alessio begleitete den jungen Mann wieder hinein, wo er das Messgewand gegen seine normale Kleidung eintauschen musste. Immerhin war das Messgewand Eigentum der Kirche und musste als solches auch in der Kirche verbleiben. Als sie die Kirche wieder durch die Sakristei verließen und Alessio sich nach Amadeo umsah, der die Pferde bewachte, stellte er fest, dass das Pferd seines Bruders fehlte. Nun, der war wohl schon unterwegs. "Erzähl mir etwas von dir. Wie bist du zur Kirche gekommen?" Er schlug den Weg zu den Unterständen ein, er würde noch ein zweites Pferd mieten müssen. "Da wir ein Stück zu reiten haben, habt ihr sicher nichts dagegen, schon jetzt aufzubrechen, oder? Ich halte nichts davon, meine Pferde zu Schanden zu reiten... Gottes Geschöpfe sollte man nicht quälen." Finley Sam Gordon [[BILD=8269729.jpg]] Der Kardinal hatte es eilig. Aber warum nicht? Finley hatte schließlich auch nicht Unmengen an Zeit. "Ja, in der Tat bin ich gar kein so schlechter Reiter", gab er zur Antwort. Endlich befanden sie sich bei den Pferden und so langsam konnte es los gehen. Finley spürte, wie der Tatendrang in ihm loderte, als man ihm das Pferd gab. Mit einem breiten Lächeln strich er dem Pferd über das weiche, kurze Fell, ehe er aufsaß. Ohne das Gewand entfiel ihm ein wenig der verklärte Ton, als habe das Messdienergewand ihm einen Teil seiner Unterwürfigkeit genommen. Gerade frohlockte er bei dem Gedanken an das Essen und den bevorstehenden Ritt und noch dazu ein weiches Federbett, wie es aussah, als er die Frage des Kardinals vernahm. Fast hätte er sich an seiner eigenen Spucke verschluckt und er täuschte einen kleinen Hustenanfall vor, während er fieberhaft überlegte. "Meine Eltern kommen von etwas weiter her. Sie haben auf dem Land ein kleines Anwesen, als Pächter, nahe einem Dorf. Sie sind sehr christlich und haben mich immer sehr gläubig erzogen", beeilte er sich dann zu erzählen und schmunzelte leicht. Bis dahin stimmte die Geschichte sogar noch. "Ich habe noch einige weitere Geschwister und da ich nicht der Älteste bin und zwei ältere Brüder habe, habe ich beschlossen, mich dem Dienst der Kirche zu widmen und meine Eltern mit Stolz zu erfüllen. So bin ich nach Cambridge gekommen. Es ist nicht leicht, in solch einer großen Stadt, wie ich es gar nicht gewöhnt bin, Fuß zu fassen, doch lebe ich bald 6 Jahre hier und allmählich habe ich mich an die Gepflogenheiten gewöhnt." Die Menschenmengen machten den Pferden achtsam etwas Platz und bald waren sie an den Toren der Stadtmauer angelangt. Finley achtete nicht sonderlich auf die Männer. Schließlich ritt er mit dem Kardinal und auch sonst sah er nicht gerade verdächtig aus, doch plötzlich hielt einer der Wachmänner ihn am Zügel fest. "Anhalten! Wir haben einen Untersuchungsbefehl. Steig vom Pferd ab!", sagte er etwas grob. Was zur Hölle hatte das zu bedeuten? Noch zögerte, ob er wirklich gehorchen sollte, doch er war noch immer in der Rolle eines frommen Christen gefangen. So versuchte er, etwas Zeit zu schinden, um vielleicht doch noch zu entkommen. Zwar hatte er nicht wirklich etwas Verbotenes an sich, doch die Mengen an Gold und den kleinen Dolch, den er unter der Kleidung trug, wollte er dem Kardinal nicht unbedingt präsentieren. Das wäre zumindest schwer mit seiner Rolle zu vereinbaren. Alessandro Sforza [[BILD=8207155.jpg]] In Rom im Dienste des Papstes war Alessio zum ersten Mal mit Korruption in Berührung gekommen. Natürlich kannte er die "Geschäfte", die seine Familie führte, und als gebildeter Mann hatte er sehr schnell erkannt, dass die ganze Welt log und betrog, wenn es ihr nützlich war. So wie die frühen römischen edlen Familien nur mit den Früchten der Landwirtschaft Handel treiben durften und sich dann damit rechtfertigten, dass Baumaterial ja auch ein Produkt der Erde war, so betrieben auch die Kardinäle 2000 Jahre später ähnliche Geschäfte. Und während es den jungen Alessio noch schockiert hatte, so hatte er selbst sehr schnell gelernt, sich damit zu arrangieren. Am Anfang war ihm das schwer gefallen, doch seine Versuche, dieser Korruption entgegenzuwirken, waren nicht von Erfolg gekrönt. Also hatte er irgendwann begonnen, alle anderen Kirchenfürsten auszunehmen, über Intrigen ihren Platz im Kardinalskollegium anzusägen und und und - alles nur für die eigene Familie. Und weil er wusste, wie jemand dachte, der nur für sich und vielleicht noch für die, die er liebte, agierte, achtete er sehr darauf, wie sich Menschen ihm gegenüber verhielten. Eigentlich verhielt sich Adrian nicht sehr auffällig und doch... ein inneres Gefühl warnte Alessio. Vielleicht auch, weil Nico ihn so… unterstützt hatte in dem Vorhaben, den Jungen in sein Bett zu holen und so leichtfertig auf die Wette eingegangen war. Vielleicht wusste er mehr? Er war schon guter Dinge, endlich aus der überfüllten Stadt hinaus zu kommen, als Adrian hinter ihm zurückblieb. Der Kardinal zügelte sein Pferd und drehte sich zu dem Wachmann um, der bereits drauf und dran war, den jungen Mann vom Pferd zu zerren. Oh ja, die liebe Staatsgewalt. Der Kardinal wendete das Pferd und kam zu der Wache zurück, die Adrian aufhielt. Der Junge war zwar wohl nicht erschrocken, aber eilig hatte er es mit dem Absteigen auch nicht. Und dann auch noch dieser seltsame, fehlende Grund. Alessio runzelte die Stirn. "Wache!" Der Befehlston war ihm absolut nicht fremd und dem Mann auch nicht. Er hielt inne und drehte sich zu dem Kardinal. "Eure Eminenz?" "Der Junge reitet mit mir und ich sehe keinen Grund, ihn zu durchsuchen. Welchen habt also ihr?" "Wir handeln auf Anweisung, mit der eure Eminenz sich nicht befassen muss. Seid versichert, dass es alles seine Richtigkeit hat und ihr sicher bald weiter reisen könnt, vielleicht sogar sicherer, wenn ihr nicht mit einem Mörder im Schlepptau reist." "Oh, und eure Anschuldigungen gegen einen Messdiener der Kirche in seiner weltlichen Kluft basieren worauf?" Der Wachmann schluckte. "Man sagte uns, dass wir nach blonden jungen Männern in diesem Alter Ausschau halten sollten, da man einen von ihnen suche." "Man? Man sagte euch das?" Alessio brachte sein Pferd neben der Wache zum Stehen. "Hieß dieser Mann zufällig Dominico Sforza und hat euch Geld dafür gegeben?" Seine Stimme war gefährlich leise geworden, vor allem auch, damit Adrian ihn nicht hörte. Und im Gesicht der Wache konnte Alessio sehen, dass er recht hatte. "Sagt mir welche Summe er euch gegeben hat, ich gebe euch mehr und dann vergessen wir dieses kleine Missverständnis." Der Mann nannte seinen Preis und Alessio war sicher, dass sein Bruder weit weniger hatte einsetzen müssen, um die Wachen zu bestechen, doch er gab dem Mann die Münzen und wendete dann sein Pferd, ehe er wieder zu Adrian sah. "Los, komm. Nur ein Missverständnis." Finley Sam Gordon [[BILD=8269729.jpg]] Puh! Das war ja gerade nochmal gut gegangen. Ein Glück, dass er mit dem Kardinal ritt und der offenbar gut mit diesen Wachen umzugehen wusste. Es war eben immer nützlich, machthabende Verbündete zu haben, das hatte er schon früh festgestellt. Nur fragte er sich so langsam, ob das Ganze nicht doch etwas auffällig war. Warum suchten die Männer nach jungen Männern mit blonden Haaren? Suchten sie nach ihm? Sicher gab es einige Männer mit längeren Haaren und sicher auch blond, doch hatte es heute schon so viele Zufälle gegeben, dass er fürchtete, es könne vielleicht einer zu viel sein. Finley versuchte etwas näher heran zu kommen und möglichst unauffällig zu hören, was der Sforza den Wachen zu sagen hatte, doch dieser hatte seine Stimme gedämpft. Der Rebell blickte gen Himmel. Es war dunkel geworden und er war dabei, in das fremde Anwesen eines hoch angesehenen Mannes zu reiten. Vielleicht hätte ein ängstlicher, vorsichtiger Mann nun Reißaus genommen und sich lieber zurückgezogen, doch nicht er. Lieber würde er sterben, als sich sein ganzes Leben lang nur zu verstecken und darauf zu warten, dass irgendetwas geschah. Sie ritten in die Dämmerung hinaus und nach einiger Zeit tauchte ein dunkles, imposantes Gebäude vor ihnen auf. Finley staunte nicht schlecht, als er dieses Anwesen dem Kardinal zuordnete. Ein leiser Laut der Bewunderung drang über seine Lippen, während sie näher kamen und der flackernde Fackelschein die Mauern und Eingänge geradezu gespenstisch erhellte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)