Zwischen den Zeilen von "Die Rosen von Versailles" von Engelchen ================================================================================ Kapitel 11: Liebeskummer, ein romantisches Treffen und fast eine Rauferei ------------------------------------------------------------------------- Offiziersakademie bei Paris, September 1769 Neben Victore, ebenfalls in einer Kadettenuniform, stand Clement de Ligniville, der junge Mann der einst Oscars Schwester Catherine hätte heiraten sollen, der in gleicher Weise hämisch grinste. Oscar meinte ihren Augen nicht zu trauen. Wütend ballte sie die Fäuste. „Du warst es der mir ein Bein gestellt hat Girodelle," fauchte sie außer sich. „Aber, aber, Mademoiselle wird doch nicht zornig werden und falsche Anschuldigungen stellen? Ich als Kavalier könnte niemals einem Mädchen gegenüber so dreist sein. Euch ist wohl eher etwas schwindlig geworden. Soll ich denn nach Eurem Riechsalz schicken lassen?" und damit brachen er und Clement in ein derart heftiges Gelächter aus, dass sie sich vor Lachen bogen. „Lasst Oscar zu Frieden! Er ist unser Freund. Was fällt Euch ein ihn Mademoiselle zu nennen? Er ist einer unserer besten Kadetten.“ Wütend stand Patrice seinem Freund bei, denn noch nie war Oscar, der als allseits beliebt galt, angegriffen worden. Auch Olivier war sofort an Oscars Seite. „Wenn Ihr Euch mit Oscar anlegt, dann bekommt Ihr es auch mit uns zu tun. Habt Ihr mich verstanden?“ „Immer mit der Ruhe! Wer wird denn gleich die Nerven verlieren?“ Clement machte mit den Händen eine beschwichtigende Geste, während Victore Oscar und ihre Freunde mit tiefster Verachtung in den Augen musterte. Clement versetzte Victore einen leichten Stoß mit dem Ellbogen und nickte in die entgegengesetzte Richtung, worauf sich die beiden mit einem letzten verächtlichen Blick umdrehten, um ohne ein weiteres Wort gemeinsam davon zu gehen. Außer sich vor Wut sahen Oscar, Olivier und Patrice ihnen nach. Ihnen hinter her zu gehen machte wenig Sinn, denn dann wäre es sicherlich zu einer Schlägerei gekommen, was auf der Akademie, insbesondere für denjenigen der den ersten Schlag ausgeführt hatte, empfindliche Folgen haben konnte. „Kennst du die beiden Knaben?“ fragte Olivier, während sie sich in Richtung der Unterrichtsräume in Bewegung setzten, denn es war höchste Zeit um nicht zu spät zu kommen, was im Regelfalle auf der Akademie ebenfalls mit einer empfindlichen Strafe geahndet wurde. Er war noch immer, genau so wie Patrice, empört darüber, dass jemand derartig mit Oscar umgehen konnte. „Ja, so ist es. Victore de Girodelle, der junge Mann mit den braunen Locken, ist der Sohn des Generals de Girodelle, der ein alter Freund meines Vaters und mein Taufpate ist, während mein Vater wiederum als Victors Pate fungierte. Wir sind schon als Kinder ständig aneinander geraten. Einmal bin ich sogar bei einer Rangelei mit ihm in den Fluss gestürzt und dabei beinahe ertrunken. Der Name des anderen lautet Clement de Ligniville. Er hätte vor Jahren meine Schwester Catherine heiraten sollen, aber mein Vater war mit einigen Klauseln im Ehevertrag nicht einverstanden.“ Ein Lächeln huschte über Oscars Lippen als sie an den denkwürdigen Nachmittag dachte, als die de Lignivilles bei ihnen zum Tee eingeladen waren, und Andre, der damals noch recht neu bei ihnen gewesen war, das Teetablett fallen ließ und so mit eine Katastrophe auslöste. Während ihres Gespräches waren sie vor ihrem Unterrichtsraum angekommen, vor dem bereits Emilian auf sie wartete, der seine Freunde begeistert begrüßte. Als Olivier die Türe des Unterrichtsraumes öffnete, um sie ihnen aufzuhalten, huschte ein hoffnungsvoller Gedanke durch Oscars Kopf: „Vielleicht wartet Henry bereits auf uns. Wieso sollte er auch nicht etwas früher angereist sein und bereits im Unterrichtsraum sitzen?“ Doch vergeblich blickte sie sich um. Es war kein Henry weit und breit zu sehen. Ein Henry der durch Überpünktlichkeit glänzte wäre auch kaum vorstellbar gewesen. Dafür hatten Victore und Clement jeder an einem der Schreibpulte platz genommen. Sie sahen sich betont auffällig nach der Gruppe um Oscar um und tauschten demonstrativ gehässige Blicke miteinander aus. Oscar, Olivier, Emilian und Patrice schafften es gerade noch ihre Plätze einzunehmen, ehe General de Ronsard den Raum betrat. Augenblicklich standen die Kadetten stramm und salutierten. De Ronsard salutierte zurück bevor er mit einer kurzen Ansprache begann: „Ich begrüße Euch zurück auf der Offiziersakademie zum Beginn Eures zweiten Semesters. Wie Ihr bereits bemerkt haben werdet haben wir zwei neue Kadetten. Ihre Namen lauten Clement de Ligniville und Victore de Girodelle. De Girodelle hat zu hause von seinem Vater, der ein hervorragender General ist, bereits eine Menge aus der Kriegskunst erlernt, so das er das erste Semester überspringen kann. De Ligniville hat bereits das erste Semester abgeschlossen, musste aber aus gesundheitlichen Gründen einige Zeit pausieren. Leider wird Henry de Mortemart für das Erste nicht bei uns sein. Sein Vater in Marseille ist schwer erkrankt." Oscar spürte beinahe körperlich wie sie etwas regelrecht nach unten zog. Was war nur die Akademie ohne Henry, auf den sie sich den ganzen Sommer über gefreut hatte? Dafür saßen nun die beiden Jungen mit ihr in einem Semester, die zu den wenigen Menschen, wenn nicht gar zu den einzigen, auf der Welt gehörten die ihr nicht wohl gesonnen waren. So hatte sie sich den Beginn des neuen Jahres nicht vorgestellt. Das ihr Victore ein Bein gestellt hatte, war sicher erst der Anfang. Was würden sich die beiden wohl noch alles einfallen lassen? Auf einmal wünschte sie sich möglichst weit weg, vielleicht zurück in die Normandie, oder noch besser in eines der vielen fernen Länder die es auf dem Globus gab, aber in genügend Entfernung von allem um sie herum. Glücklicherweise verging der restliche Tag ohne weitere Zwischenfälle, außer das Victore und Clement immer wieder provokativ zu ihr hinüber grinsten. Mit Angst und einem tiefen Unbehagen in sich machte Oscar sich am ersten Abend des neuen Semesters auf den Heimweg. Paris, September 1769 Wesentlich wohler fühlte sich während dessen Oscars Schwager, Maxime Leclerc de la Tour. Er ließ sich gerade behaglich am Schreibtisch des Grafen de Soisson nieder. Dieser war ein neuer Geschäftspartner von ihm. Maxime wusste wie sehr es de Soisson zu wider war, mit ihm als Bürgerlichem mit einem gekauften Adelstitel zu verhandeln. Am liebsten wäre es den verfluchten Aristokraten selbstverständlich nur mit ihresgleichen Geschäfte zu tätigen, aber mit so einflussreichen Geschäftsleuten wie ihm, blieb ihnen der Umgang eben nicht erspart, wenn sie selbst weiterkommen und ihr Vermögen vermehren wollten. Er, Maxime, war eben reicher und angesehener als die meisten Grafen und Barone von Geblüt. Auch die Ehe mit seiner adligen Gattin Marguerite und die guten Beziehungen seines Schwiegervaters General de Jarjayes waren ihm stets eine wertvolle Unterstützung dabei gewesen, Geschäftspartner in den „besseren“ Kreisen zu gewinnen und somit seinen Wohlstand stetig zu vergrößern. Genüsslich ließ er sich in seinem Sessel zurück sinken. Er kostete die Situation voll und ganz aus, dass der Grafen de Soisson zutiefst abgeneigt war mit ihm an einem Tisch zu sitzen und ihn wie seinesgleichen behandeln zu müssen, was dieser mehr schlecht als recht verbergen konnte. Die geschäftlichen Papiere lagen bereits vor den beiden Männern, doch noch unterhielt man sich betont höflich über den privaten Bereich. „Wie geht es Euren Kindern, Graf de Soisson? Waren es nicht zwei wenn ich mich recht erinnere?" Gespielt angestrengt dachte er nach, dabei waren ihm die Bälger seines Gegenübers leidlich egal, aber Interesse am Nachwuchs schaffte eben meist eine vertrauliche Atmosphäre und die brauchte er jetzt. „Ja wohl, zwei sind es," bestätigte der Graf. „Ein Knabe und ein Mädchen, Alain und Diane. Und wie ist es um Euren Nachwuchs bestellt?“ „Ich habe mittlerweile drei Kinder: Jules, Jocelyn und im Sommer ist noch die kleine Emilie geboren, benannt nach der Mutter meiner Frau.“ Abrupt stockte die Unterhaltung, mehr private Themen ließen sich offensichtlich nicht mehr finden die es zu erörtern galt. Nach einigen Sekunden peinlichem Schweigen leitete der Graf de Soisson nun endlich zum geschäftlichen Teil über. „So, de la Tour, Ihr möchtet also Euer Haus in La Rochelle verkaufen?“ „So ist es. Im Vertrauen gesagt steht es mit meinem Weinhandel gerade nicht zum Besten. Daher muss ich mich schweren Herzens von manchem trennen.“ De Soisson rieb sich heimlich die Hände. Das geschah dem Kerl schon recht! Ein Bürgerlicher, der es wagte sich zu benehmen und aufzutreten wie ein Adliger, nur weil er über genügend Geld verfügte und mit der Tochter General de Jarjayes verheiratet war, und sich sogar Zeiten weise benahm als ob ihm die Welt gehören würde, durfte einfach nicht sein. Das war gegen die gottgegebene Ordnung. Es würde ihm einen gehörigen Dämpfer versetzen wenn er nun endlich in einem finanziellen Engpass steckte. De Soisson bemühte sich darum ein hämisches Grinsen zu verbergen. „Es würde sich aber nicht nur um das Haus in La Rochelle handeln,“ fuhr Maxime fort. „Auch drei meiner Schiffe, die „Undine“, die „Saint Marie“ und die „Marguerite“, die in La Rochelle vor Anker liegen mit ihrer gesamten Besatzung gehören zu meinem Angebot, das ich Euch hiermit unterbreite. Ich kann die Kapitäne und die Mannschaften nicht mehr bezahlen, denn Ihr wisst selbst wie kostspielig es ist eine Familie standesgemäß zu unterhalten.“ „So ist es. Man soll sich auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Es hat sich schon manch einer finanziell zu viel zugemutet.“ „Da habt Ihr vollkommen recht. Doch nicht nur mein Haus und Schiffe biete ich Euch an. Bis jetzt nenne ich auch einen Landbesitz in Kalifornien, genau genommen in Santa Cruz, mein Eigen, zu dem ein großes Weingut gehört, das eine Weinsorte aus der neuen Welt, die hier zu Lande noch gar nicht bekannt ist liefert. Verehrter Graf ich biete Euch all das für die Summer von 8 Millionen Livre.“ „8 Millionen Livre? Wollt Ihr mich ruinieren?“ „Nun, die Schiffe würden natürlich für Euch arbeiten. Auch die Weinberge in Santa Cruz stellen eine kleine Goldgrube dar. Meine Schiffe transportieren den Wein von Amerika bis nach Großbritanien und Italien. All das bringt eine Menge Geld ein, denn Wein aus Amerika wir in den nächsten Jahren immer begehrter in Europa werden, da es sich dabei um etwas Neues handelt. Aber man braucht natürlich einen gewissen finanziellen Grundstock um die Schiffe und das Weingut zu unterhalten, über den ich, ganz im Vertrauen gesagt, nicht mehr verfüge. Es wäre mir lieb wenn mein Eigentum, nachdem ich selbst nicht mehr dafür aufkommen kann, was mich zutiefst schmerzt, in Eure tüchtigen und erfahrenen Hände fallen würde. Selbstverständlich bitte ich Euch darum über meine finanzielle Misere Stillschweigen zu bewahren. Ich möchte nicht das ganz Paris davon erfährt.“ „Das ist verständlich und Ihr könnt Euch voll und ganz darauf verlassen das Euer Geheimnis bei mir sicher ist. Aber über die 8 Millionen Livre müssen wir noch einmal reden. Ich gebe Euch höchstens 5 Millionen Livre dafür.“ „Aber Graf de Soisson, bedenkt doch das meine Schiffe und Ländereien einen der reichsten Männer Frankreichs aus Euch machen werden. Euer Alain wird all das einmal erben und noch reicher und mächtiger werden als Ihr es in Eurem Leben je ward, und Euch wird es nach dem Kauf schon mehr als reichlich Gewinn einbringen. Und die kleine Diane werdet Ihr mit einer Mitgift ausstatten können die ihresgleichen sucht.“ Graf de Soisson dachte einen kurzen Moment nach. Vor seinem geistigen Auge spielte sich das ganze Szenario ab, das ihm Maxime so anschaulich beschrieben hatte. Ein kurzes Zögern noch, dann hörte er sich die Worte sagen: „So soll es sein.“ Die beiden Männer besiegelten ihr Geschäft mit einem kräftigen Handschlag und de Soisson unterschrieb bereitwillig die vor ihm liegenden Verträge, mit dem sicheren Gefühl das Geschäft seines Lebens für sich und seine Familie an Land gebracht zu haben. Vor seinem Hause stieg Maxime beschwingt in seine dort wartende Kutsche und pfiff fröhlich vor sich hin. Für einen Mann der finanziell vollkommen ruiniert war, schien seine Laune ungewöhnlich prächtig zu sein. Brief von Louis Auguste, Dauphin von Frankreich an Emilie de Jarjayes Versailles im September 1769 Sehr geehrte Madame, hiermit bitte ich vielmals um Verzeihung, für meine unbedachten Worte im letzten Brief. Sie waren Euch gegenüber gar zu dreist gewählt. Ich vergaß vollkommen das Ihr eine vollendete Dame und verheiratete Frau seid und habe Euch mit meiner unziemlichen Bitte unabsichtlich gekränkt. Vergebt mir! Dennoch würde mich eine Geste Eures Wohlwollens zum glücklichsten Mann Frankreichs machen. Nach wie vor schätze ich Eure wohltuende Gegenwart und Eure mehr als angenehme Weise auf gebildete und einfühlsame Art Konversation zu halten, denn dies findet sich bei den Damen am Hofe sehr selten. Erlaubt mir die Kühnheit Euch zu sagen, wie sehr ich Euch vermisse, obwohl unser einziges persönliches Gespräch nur sehr kurz war, aber ich vermeinte dabei zu spüren das unserer beider Wesen miteinander harmonieren. Daher bitte ich Euch mir die Ehre zu erweisen einer Einladung zum Tee nach zu kommen. Ich fühle mich am Hofe meines Großvaters stets sehr einsam und es fehlt mir an echten Freunden, so das ich hoffe in Euch einen solchen zu finden. Selbstverständlich würde unser Treffen sehr diskret ablaufen, aus Rücksicht auf meine Stellung und Euren Familienstand. Am kommenden Mittwoch den 8. September wird in der Rue des Halles, in der Nähe des Pont Neuf, um 15 Uhr eine Kutsche auf Euch warten. Der Kutscher trägt als Erkennungszeichen eine blaue Blume am Hut. Er ist ein Diener meines Vertrauens und wird Euch in die Gärten von Versailles bringen. Dort werde ich Euch in einem abgelegenen Pavillon erwarten. Bitte erweist mir die Gunst einer Zusage. Euer ergebenster Louis Auguste, Dauphin von Frankreich Brief von Juliana von Elverfeld an Louise de Girodelle Stockholm im September 1769 Werte Freundin, schon all zu lange war ich nachlässig und habe Euch in Unkenntnis über mein Ergehen gelassen, doch meine Stelle als Gouvernante bei der Familie von Fersen füllt mich vollkommen aus. Jedoch gibt es nun ein großes Geheimnis zu berichten und ich weiß noch von unseren gemeinsam verbrachten Ferien, mit unseren Familien, an der niederländischen Küste, als wir beiden uns kennen lernten und zu Freundinnen wurden, wie sehr Ihr Geheimnisse liebt, aber auch wie wunderbar Ihr diese für Euch behalten könnt, denn über dieses müsst Ihr unbedingt Stillschweigen bewahren. Gewiss erinnert Ihr Euch das zu der Familie von Fersen nicht nur die kleine Sophia gehört, die ich das Vergnügen zu unterrichten habe, sondern auch der Sohn der Familie Hans Axel. Er hat etwas an sich von dem ich zugeben muss das es mir die Sinne raubt. Selbstverständlich habe ich mir nie Hoffnungen gemacht, denn aufgrund meiner finanziellen Lage bin für einen Sohn aus solch einer angesehenen Familie wie den von Fersens keine passende Partie. Doch bekam ich nach einigen Wochen Grund zu der Annahme das ich auch Hans nicht ganz egal bin und er etwas für mich empfindet, da er mir während der Unterrichtsstunden mit der kleinen Sophia ein Briefchen mit einem Liebesgedicht zusteckte und mir immer wieder kleine Nettigkeiten sagte. Leider ist er den jungen Damen in der Gesellschaft sehr zugetan und ich habe ihn im Verdacht das er gewisse Dinge, die nur den Ehepaaren vorbehalten sind, sicher schon mit einigen von ihnen getan hat. Auch habe ich für seine Freunde nicht viel übrig. Sie trinken sehr viel, erzählen sich derartig obszöne Witze die mir die Schamröte in die Wangen treibt und spielen gegen hohe Geldsummen Karten. Besonders Hans bester Freund Arvid van Bergen ist mir einer der Unsympathischsten, denn er verleitet Hans zu allerlei schlechten Dingen. Vor kurzem wurde Hans zudringlich als wir beiden miteinander allein waren und ich musste ihn in seine Schranken weißen. Die Versuchung nach zu geben war sehr groß, doch ich wusste das es nicht sein darf, denn Maman hat mir erklärt, wenn ich je einen passenden Ehemann finden sollte, so würde er sicher merken das er nicht der erste ist dem ich meine Gunst schenke und könnte mich verstoßen. Bald packte mich jedoch die Reue und ich wünschte mir nachgegeben zu haben. Vielleicht wäre es mir das einmalige Vergnügen wert gewesen. Aber als ich gestern mein Zimmer betrat erlebte ich eine Überraschung die Ihr Euch kaum vorstellen könnt. Neben meinem Sekretär saß Minka, die Katze der Familie. (Später erfuhr ich von Hans das sie auf dem Sekretär hätte auf mich warten sollen, aber dazu war sie nicht zu bewegen.) In ihrem Halsband steckte eine kleine Nachricht, die an mich adressiert war. „Ich will mein Leben ohne Euch nicht mehr leben. Bitte werdet meine Frau. Hans Axel von Fersen.“ Dann betrat Hans das Zimmer, kniete vor mir nieder, nahm meine Hand und küsste sie. Ich kann mich an weiter nichts mehr erinnern, außer daran „Ja“ gesagt zu haben. Ich kann mir nicht vorstellen jemals im Leben so glücklich gewesen zu sein. Das Hans das Gleiche für mich empfindet wie ich für ihn habe ich immer gehofft, aber nie gewagt daran zu glauben. Mir ist vor Freude ganz schwindelig und ich frage mich womit ich so viel Glück auf dieser Welt verdient habe. Es ist nicht wegen Hans Vermögen und nicht deshalb weil ich die nächste Gräfin von Fersen werde, es ist weil ich Hans mehr liebe als ich in Worten ausdrücken kann und der Gedanke mein ganzes Leben als seine Frau an seiner Seite verbringen zu dürfen, mein ganzes Herz mit Glückseligkeit erfüllt. Natürlich ist es noch geheim, niemand darf es wissen, besonders meine Familie in Deutschland nicht. Hans möchte seine Eltern erst noch vorbereiten. Ich habe Angst das sie dagegen sind, aber er meinte sie würden mich so sehr schätzen und sein Glück wäre ihnen wichtiger als alles andere. Ich kann Euch nicht sagen wie wunderbar sich das alles anfühlt und wenn wir erst einmal verheiratet sind so werde ich Hans seine unguten Angewohnheiten wie das Glücksspiel und das unnötige Geld ausgeben sicher abgewöhnen können, denn Maman hat immer gesagt: „Ein Mann darf tun und lassen was immer seine Frau möchte.“ Sicher wird er dann auch weniger Zeit mit seinen Freunden und ganz besonders mit diesem Arvid van Bergen verbringen und alles wird gut werden! Ich zähle auf Eure Diskretion und hoffe Ihr seht über mein holperiges Französisch hinweg, das seit unserer Ferien vor zwei Jahren nur leidlich besser geworden ist. Eure sehr glückliche Juliana von Elverfeld Palas de Jarjayes, September 1769 „Ich habe euch doch ausdrücklich gesagt das es morgen, wenn Monsieur zurück kommt, den Rinderbraten geben soll und die anderen Tage ein einfaches Gericht. Ist denn das so schwer zu begreifen?“ Ungewöhnlich herrisch und gereizt fuhr Emilie de Jarjayes Paulette an, die ihr und Maurice im Speisesaal das Mittagessen servierte. Es war dieser Tage aber auch zum Wahnsinnig werden! Ausführlich hatte sie mit Sophie den Speiseplan für die nächste Woche besprochen und dennoch wurde schon wieder das falsche Gericht serviert. Nicht genug damit das sich nie an die von ihr angeordneten Speisen gehalten wurde, ein Teil von Oscars Wäsche war vor kurzem im Schrank von General de Jarjayes gelandet, ein Teil ihrer Kleider wiederum tauchte in Maurices Schrank auf. Dieser hatte es fürchterlich komisch gefunden als man seinen Großvater vor Wut im gesamten Palas brüllen hörte, als er mit Hilfe von Laurent vergeblich versuchte, sich in eines von Oscars engen Hemden zu zwängen. Vielleicht wurde Sophie einfach alt und brachte deshalb den Speiseplan und die Wäschestapel durcheinander oder das Personal war einfach zu dumm um Sophies Anweisungen Folge zu leisten oder beides miteinander. „Ich bitte um Verzeihung Madame,“ antwortete Paulette und ging mit ihrem Serviertablett nach draußen. Im sicheren Flur äffte sie Emilie nach „...den Rinderbraten wenn Monsieuer zurück kommt! Pfft! Was gäbe ich um so einen Rinderbraten. Die weiß doch gar nicht wie gut sie es hat.“ Damit stapfte sie davon. Emilie legte instinktiv die Hände an ihre Schläfen. Noch nie hatte sie der große Haushalt derartig überfordert und noch nie war ihr das Personal derartig inkompetent erschienen wie in den letzten Wochen. Außerdem war Ihr Enkel Maurice seid der letzten Ferien merkwürdig bedrückt und in sich gekehrt, so das sie sich ernsthaft Sorgen machte. In einer Stunde würde auch noch ihre Freundin Madame de Boulainvilliers mit einer anderen Damen zum Tee kommen. Die wievielte Teeeinladung ihres Lebens war das wohl? Vermutlich die Tausenste, damit lag sie sicher nicht falsch. Wie satt sie das alles doch hatte. Seid Jahren das immer gleiche Einerlei ihres Haushaltes im Palas de Jarjayes und die ewig gleichen Menschen des Hochadels mit ihrem lästigen Geschwätz, daraus bestand ihr ganzes Leben. Zu dem bekam sie Rainier de Jarjayes kaum noch zu Gesicht. In letzter Zeit verbrachte er sogar für seine Verhältnisse ungewöhnlich viel Zeit in Versailles und wenn er zwischendurch nach hause zurück kehrte war er beschäftigt und arbeitete seine Schriftstücke durch. Noch nie war er in ihrer Ehe so unaufmerksam gewesen. Eher erkundigte er sich bei Oscar ob ihrer Fortschritte auf der Offiziersakademie, als das er Emilie fragte wie diese sich fühlte. Von Maurices Verwandlung schien er noch gar nichts bemerkt zu haben, wodurch Emilie sich besonders im Stich gelassen fühlte, waren sie doch zu zweit für das Wohl ihres Enkels verantwortlich. Kaum war das Mittagessen beendet und Emilie hatte Maurice gestattet sich vom Tisch zu erheben und das Zimmer zu verlassen, klopfte es auch schon an der Türe. Es war Monsieur Dumas, Maurices Hauslehrer, der auch bereits Oscar und Andre unterrichtet hatte. „Darf ich um ein Gespräch bitten Madame de Jarjayes?“ brachte dieser sein Anliegen hervor. „Aber natürlich Monsieur Dumas, bitte nehmt Platz.“ Kaum hatte sich der Hauslehrer gesetzt erkundigte sich Emilie: „Nun denn, was habt Ihr auf dem Herzen Monsieur?“ „Es geht um Euren Enkel Maurice.“ „Das dachte ich mir.“ „Er wirkt seid den Sommerferien in auffälliger Weise abwesend und unaufmerksam.“ „Das ist mir selbst schon bei den Mahlzeiten, die er mit uns einnimmt, aber auch bei anderen verschiedenen Gelegenheiten aufgefallen.“ „Ich denke das ihn etwas sehr bedrückt und das wir heraus finden sollten worum es sich handelt, damit wir ihm helfen können. Denkt Ihr das er seine Mutter vermisst?“ „Ich weiß es nicht. Er hat sie von klein auf nicht oft gesehen.“ Emilie dachte angestrengt nach. Die ungewöhnlich starke Verwandlung seid ihren Sommerferien in der Normandie im Wesen des sonst so lebendigen Maurice war durchaus eine ernste Sache. Was mochte ihn nur so sehr belasten? „Vielleicht würde er gerne mit Lady Oscar über seinen Kummer sprechen? Die Dienstboten haben mir erzählt das die beiden oft die Köpfe zusammen stecken,“ schlug Monsieur Dumas vor. Natürlich, Oscar! Emilie durchzuckte es wie durch einen Blitzschlag. Bis vor kurzem hatte Oscar für ihren Neffen nichts übrig gehabt. Es war für die ganze Familie offensichtlich das dieser ihr mehr als lästig war und sie versuchte ihn so oft es möglich war abzuhängen. Seid der vergangenen Wochen steckten die beiden ständig zusammen und tuschelten über etwas und zwar ohne Andre! Dies hätte ihr unlängst zu denken geben müssen. „Wir werden Maurices Sorgen auf den Grund gehen. Selbstverständlich spreche ich mit Oscar. Nun muss ich mich aber umkleiden, da einige Damen zum Tee erwartet werden.“ Mit diesen Worten entließ Emilie Monsieur Dumas. Das Teekränzchen war wie immer sehr ermüdend. Zu allem Unglück hatte Madame de Boulainvilliers ihre kleine Tochter Jeanne mitgebracht, die keine Minute still sitzen konnte und erst eine Vase vom Tisch stieß und anschließend einige Fäden aus dem Teppich zog. Madame de Boulainvilliers und ihr Gemahl waren lange Zeit kinderlos geblieben, bis sie zu einer Zeit schwanger geworden war, als es niemand mehr für möglich gehalten hatte, noch nicht einmal sie selbst. Kurz nach der Geburt der kleinen Jeanne war ihr Mann verstorben, so das sich ihr Leben nur noch um ihr Kind drehte, das ihr als einziges geblieben war und das sie mit an einer an Hysterie grenzenden Mutterliebe umsorgte und verwöhnte, so das es niemandem verwunderlich erschien das es sich um ein in höchstem Masse verwöhntes kleines Mädchen handelte. Erschöpft ließ sich Emilie in ihrem Zimmer vor ihrem Spiegel nieder. Um ihre Mundwinkel hatten sich kleine Fältchen gebildet. Sie fühlte sich alt und verbraucht. Alles wurde ihr zu viel. Die Eintönigkeit ihres Lebens, die Belastungen des großen Haushaltes und ein Ehemann der offensichtlich am König mehr Interesse zeigte als an ihr. Und nun machte auch noch ihr Enkel Probleme, was gar nicht ihre Aufgabe wäre, sondern die ihrer nichtsnutzigen Tochter. In diesem Moment schlug eine Tür im Erdgeschoss mit voller Wucht zu und jemand rannte die Treppen nach oben. Den Schritten nach handelte es sich dabei eindeutig um Oscar. Außer sich vor Wut stürzte sie in Emilies Zimmer. „Maman, es ist etwas Entsetzliches geschehen! Victore de Girodelle ist auf der Offiziersakademie! Ist das nicht furchtbar?“ Und damit war sie schon zur Tür draußen um diese ungemein wichtige Nachricht Andre zu unterbreiten. Nun musste Emilie sich auch noch mit Oscar und ihrem Kleinkrieg mit Victore auseinander setzen, denn sicher würde diese Trost und ermunternde Worte von ihrer Mutter einfordern. Ganz zu schweigen das damit schon wieder Probleme in der Luft lagen. Wie gerne würde sie doch ihrem Alltag entfliehen, sich noch einmal jung fühlen. In Gedanken versunken ergriff sie einen Brief, den sie am heutigen Morgen bekommen hatte und lass ihn noch einmal durch. Dann nahm sie einen Bogen Papier, tauchte eine Feder ein und begann die Antwort zu schreiben: „Sehr geehrter Monsieur Dauphin. Ich bin sehr glücklich darüber Eure Einladung annehmen zu dürfen. Ich freue mich bereits auf unser Zusammentreffen am 8. September. Emilie de Jarjayes“ Stockholm, September 1769 Juliana lag im Dunkeln und lauschte in die Nacht. Jeden ihrer Atemzüge konnte sie selbst laut und deutlich hören und das Herz schien ihr bis zum Hals zu schlagen. Leise Schritte näherten sich der Tür und sie hielt den Atem an. Erst als sich diese entfernten spürte sie das sie vor Aufregung die Luft angehalten hatte und atmete erleichtert aus. Vermutlich handelte es sich um den Graf von Fersen, der noch eine Runde durch das schlafende Haus ging. Die nächsten Schritte blieben jedoch vor ihrer Tür stehen, diese öffnete sich leise und eine schmale Gestalt schlich herein. Juliana versuchte vergeblich ein Wort heraus zu bringen bis sie schließlich krächzte: „Hans, seid Ihr es?“ „Habt Ihr noch jemand anderen erwartet?“ „Aber natürlich nicht!“ antwortete diese entrüstet. Im Neumond konnte sie ihn kaum erkennen, doch seine Stimmer jagte Ihr die wohligen Schauer über den Rücken, an die sie schon gewöhnt war. „Rutscht etwas herüber,“ forderte Hans sie auf, um sich, kaum das sie seiner Aufforderung Folge geleistet hatte, neben sie zu legen. Er roch gut, auf seine ihm eigene Art. Unsicher streckte Juliana ihre Hand aus und berührte ihn. Noch nie hatte sie einen Mann berührt. Ganz zart gab ihr Hans einen Kuss auf die Lippen. Es durchzuckte Juliana auf eine ihr bis dahin unbekannte Art und Weise. Hans streifte ihr das Nachthemd ab und zu ihrer eigenen Überraschung ließ es geschehen. Sanft berührte er ihre Brüste, seine Lippen schlossen sich darum und er begann gierig daran zu saugen. Juliana entfuhr ein Laut der Überraschung, was Hans, der es als Ausruf des Schmerzes deutete, sofort veranlasste aufzuhören. „Verzeiht, ich wusste nicht das Ihr so empfindlich seid.“ „Nein, es tat mir nicht weh, es ist nur ein neues, ungewohntes Gefühl,“ antwortete ihm Juliana verlegen. Sanft streichelte er sie weiter, seine Hand wanderte zwischen ihre Beine und begann sie dort zu berühren, was ihr ein Stöhnen entlockte. Als Hans sich im Mondlicht schließlich seiner Kleidung entledigt hatte, begriff Juliana ,dass das was sie in seiner Körpermitte aufragen sah wohl sein Geschlecht sein musste. Sie hatte zu hause, wenn sie sich mit ihren Freundinnen unterhielt, schon darüber tuscheln gehört, das dieses bei Männern, wenn sie erregt waren, zu einer beachtlichen Größe anschwellen sollte. Dieser für sie vollkommen neue Anblick macht sie verlegen, faszinierte sie jedoch so sehr das sie ihren Blick nicht abwenden konnte. Als sich Hans wieder neben sie gelegt hatte, spreizte er ihre Beine, doch Juliana presste sie schnell wieder zusammen. Hans sah sie fragend an. „Lieber nicht Hans. Lasst uns doch warten bis wir verheiratet sind. Ich fände es nicht recht wenn wir heute schon wie Eheleute beieinander wären.“ Im Dunkeln verdrehte Hans kaum merklich die Augen. Seine „Verlobte“ war schon recht schwierig mit ihren ganz eigenen Vorstellungen von Moral. Das sie ihm endlich Zutritt zu ihrem Schlafzimmer gewährt hatte musste für sie wohl ein ungewöhnliches Entgegenkommen darstellen und hatte sicher nur deswegen statt gefunden, da sie nun miteinander verlobt waren. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Vorsichtig schob er noch einmal ihre Beine auseinander, kniete sich zwischen ihre Schenkel und begann mit seiner Zunge sie zart an ihrer empfindlichsten Stelle zu verwöhnen. Ein Stöhnen, das sie nicht unterdrücken konnte, entfuhr Juliana. Es wurde ihr von Sekunde zu Sekunde schwerer um Atem zu ringen. Etwas derartiges hatte sie noch nie erlebt. Sie fühlte sich wie als Kind, wenn sie um die Wette gelaufen und sich dabei völlig verausgabt hatte. Vor Lust keuchend krallte sie ihre Hände in Hans Axels Haare, ihr Körper begann unkontrolliert zu zittern und zu beben, bis sie schließlich mit einem letzten aufstöhnen Erlösung fand. Erschöpft blieb sie liegen und starrte in die Dunkelheit. „Ihr liegt beinahe andächtig da,“ neckte Hans sie. Juliana brachte kein Wort mehr über die Lippen. „Wisst Ihr das ich Euch am liebsten sofort heiraten würde? Vater und Mutter würden die Nachricht unserer Verlobung und unseren Wunsch nach einer baldigen Heirat jedoch wesentlich besser aufnehmen wenn ich etwas eigenes Geld zur Verfügung hätte.“ „Habt Ihr denn selbst nichts was Ihr angespart habt?“ erkundigte sich Juliana erstaunt. „Ich verfüge nur über das was mir Vater jeden Monat überweisen lässt. Aber dies reicht selbstverständlich nicht um einen eigenen Hausstand zu gründen. Aber ich hätte einen wunderbaren Vorschlag wie wir diesem Umstand Abhilfe schaffen könnten. Wie Ihr wisst verfügt die Familie von Fersen über einige Wertgegenstände. So zum Beispiel der Schmuck meiner Mutter, denn diese wiederum von der Mutter meines Vaters geerbt hat.“ „Ja, ich habe ihr einige Male geholfen ihn anzulegen und sie hat mir auch gezeigt wo er verwahrt wird.“ Hans Axel musste ein Grinsen unterdrücken. Es lief besser als er zu hoffen gewagt hätte. Offensichtlich hatte seine Mutter grenzenloses Vertrauen in Juliana. „Wir werden uns den Schmuck borgen. Meine Mutter legt ihn nur zu besonderen Anlässen an, da wird es nicht auffallen das er für ein Weilchen fehlt. Arvid bringt ihn zum Pfandleiher und später werden wir ihn von dort zurück holen und wieder an seinen Platz bringen. Wir könnten meinen Eltern vollkommen anders gegenüber treten wenn ich eigenes Kapital vorzuweisen hätte. Meinem Vater werde ich sagen das ich mit meinem monatlichen Betrag den ich von ihm erhalte, in Wertpapiere investiert und Gewinn gemacht habe. Das wird mein Ansehen vor ihm ungemein heben und er wird nichts gegen unsere Ehe ein zu wenden haben, da ich offensichtlich tüchtig genug bin um eine Familie zu ernähren.“ Entgeistert richtete sich Juliana auf. Vor Entsetzen über Hans Axels Vorschlag vergaß sie völlig die Bettdecke festzuhalten, die sie bis jetzt über ihrer Brust festgehalten hatte. „Ich werde Eure Mutter sicher nicht bestehlen! Was denkt Ihr Euch nur dabei?“ stieß sie entrüstet aus. „Sie wird es sicherlich nicht merken. Bis sie ihren Schmuck braucht liegt er wieder sicher an seinem Platz. Vater wird mir, wenn er von unserer Verlobung erfährt, einen Teil seiner Geschäfte übergeben und wir lösen den Schmuck von meinem ersten Gewinn aus. Ich bitte Euch Juliana, lasst mich nicht im Stich! Ihr macht dies doch für uns beide!“ Alles in Juliana sträubte sich gegen den Plan ihres Verlobten. Gerade noch war alles so wunderbar gewesen und nun verlangte er von ihr einen Diebstahl zu begehen. Dies würde sie einfach nicht über sich bringen. Andererseits hatte sie das Beisammen sein mit ihm so sehr genossen und sie war so neugierig darauf wie es wohl sein würde sich Hans nach ihrer Hochzeit vollkommen hinzugeben. Sie wollte doch nichts so sehr wie seine Frau zu werden. Doch dies war nur möglich wenn Hans durch eigenes Geld bei seinem Vater an Ansehen gewinnen würde. Schweren Herzens willigte sie ein, eine Stimme tief in ihrem Inneren ignorierend, die ihr sagte das sie einen vollkommen falschen Weg eingeschlagen hatte. Offiziersakademie bei Paris, September 1769 Die ersten Tage des neuen Semesters waren ruhig verlaufen, und außer das Oscar Henry unglaublich vermisste, dies aber stillschweigend für sich behielt und sich von Victores und Clements Blicken ständig provoziert fühlte und dies gegenüber Andre, Sophie und ihrer Mutter zu hause laut stark kund tat, geschah nichts außergewöhnliches. Bis die Situation eines Tages eskalieren sollte. Victore hatte getan was er konnte um Oscar mit seinen hämischen Blicken aus der Fassung zu bringen, aber keinen Erfolg damit erzielt. Es wäre ihm nur recht gewesen wenn diese auf ihn los gegangen wäre und sich so mit gehörigen Ärger eingehandelt hätte, aber diesen Gefallen tat sie ihm nicht. Das sie in Gedanken die meiste Zeit bei Henry weilte tat natürlich sein übriges dazu, um sie genügend abzulenken. Es sollte mitten in ihrer zweiten Woche geschehen, das sich Victores Lebenslanger Hass auf Oscar voll entlud. Das Mittagessen wurde wie jeden Tag in der Mensa eingenommen. Zu Victores Leidwesen gehörte er im Gegensatz zu Oscar nicht zu den beliebtesten Kadetten, was vor allem an seiner schüchternen und zurückhaltenden Art lag. Außer Clement, der einer seiner wenigen Freunde war, hatte er kaum Anschluss gefunden. Die anderen jungen Männer machten sich sogar heimlich über ihn lustig, was dem sensiblen Jungen insgeheim sehr weh tat, aber unter einer kühlen Fassade tapfer von ihm versteckt wurde. Auch jetzt wurde verstohlen gegrinst als er sich an einem der langen Tische gegenüber von Clement niederließ. Victore dachte sich zunächst nichts dabei. Doch als er sein Fleisch an schnitt und sich den ersten Bissen in den Mund steckte erlebte er sein helles Wunder. Sein Mund und seine Lippen schienen plötzlich in Flammen zu stehen und zu seinem eigenen Entsetzten stiegen ihm Tränen in die Augen. Verzweifelt griff er nach seinem Wasserglas, setzte es an seine Lippen und kippte dessen gesamten Inhalt auf einmal hinunter, während sich um ihn herum alles vor Lachen krümmte. „Ich hoffe dein Braten schmeckt dir!“ rief Patrice fröhlich. Er hatte noch nicht verziehen wie Victore Oscar am ersten Tag des neuen Semesters behandelt hatte und seinen festen Entschluss seinen Freund zu rächen nun endlich in die Tat umgesetzt. „Das Küchenpersonal hat auf eine Bestechung von mir hin dein Fleisch mit einem südamerikanischen Gewürz namens Chilli präpariert. Es soll ungewöhnlich scharf schmecken, was anhand deiner roten Gesichtsfarbe wohl der Wahrheit entspricht.“ Tatsächlich war Victore dem inzwischen der gesamte Mundraum und der Rachen wie Feuer brannte puterrot angelaufen, was die jungen Kadetten nur noch mehr zum Lachen reizte. „Was habt ihr denn alle?“ fragte Patrice betont unschuldig. „Nachdem unser Henry gerade nicht hier ist muss doch jemand die Streiche übernehmen und wie ihr alle seht gelingt es mir ihn einigermaßen würdig zu vertreten. Er wird sicher stolz auf mich sein, wenn ich ihm dies schreibe.“ In Victore kochte der Zorn hoch. Er fühlte sich von der ganzen Akademie verlacht und verhöhnt und das auch Oscar vor Lachen nicht mehr an sich halten konnte ließ ihn nur noch rot sehen. Plötzlich stand Olivier neben ihm und hielt ihm ein frisch aufgefülltes Glas mit Wasser hin und wenn Victore nicht so wütend und außer sich gewesen wäre, hätte er Mitleid und eine gewisse Zuneigung in Oliviers Blick wahr genommen. Doch so schlug er ihm das Glas aus der Hand, das klirrend auf dem Boden zerbrach und baute sich vor Oscar auf. „Du wagst es über mich zu lachen? Du dreckiges Miststück machst dich über mich lustig? Dein Vater mag noch so ein angesehener General sein, so hat er doch nur Mädchen zustande gebracht. Du bist du nur hier weil du dich bei der Dubarry angebiedert hast. Deine Schwestern taugen alle nichts. Die eine ist die Hure von de Ronsard, eine mit einem bürgerlichen Kaufmann verheiratet, die andere Verrückte ist in einem Kloster weg gesperrt und eine ist mit einem Zimmermann durchgebrannt. Dein Vater setzt seine ganze Hoffnung in dich, aber das wird ihm nichts nützen, denn es wird heraus kommen was du wirklich bist. Niemals wird dich jemand als Offizier ernst nehmen und dann bricht deinem Vater das Herz!“ Mit geballten Fäusten erhob sich Oscar. „Nimm sofort zurück was du über meine Familie gesagt hast oder du kannst etwas erleben!“ schrie sie nun ebenfalls völlig außer sich vor Zorn darüber, das Victore sich derartig verletzend über ihre Familie äußerte. Dieser konnte seinen Triumpf darüber Oscar endlich in Rage gebracht zu haben nicht unterdrücken. „Es ist doch nur die Wahrheit oder verträgt Mademoiselle diese nicht?“ Da ging Oscar mit erhobenen Fäusten auf Victore los, doch Olivier und Emilian hielten sie mit aller Kraft zurück. „Lasst mich!“ schrie Oscar mit sich vor Wut überschlagender Stimme. „Ich mache ihn fertig!“ Da trat General de Bouier auf den Plan, der von dem ungewöhnlichen Tumult in der Mensa der Kadetten angelockt worden war. Mit einem Blick hatte er die Situation erfasst und befahl mit seiner ruhigen, aber bestimmten Stimme einen einzigen Satz: „Oscar Francoise de Jarjayes, Ihr kommt augenblicklich mit mir mit.“ Dies war in einem Tonfall ausgesprochen der Oscar sofort wieder zur Vernunft rief. Äußerlich ruhig, innerlich aber immer noch kochend vor Wut, folgte sie de Bouier in sein Arbeitszimmer. Kaum hatte sie dort auf seine Aufforderung hin platz genommen schoss ein Strom von Tränen aus ihren Augen und sie begann wild zu schluchzen. „Es ist wohl nicht nur wegen de Girodelle, sondern auch wegen Henry de Mortemarte?“ erkundigte sich General de Bouier. Oscar nickte weinend. Wie seltsam es doch war das ausgerechnet de Bouier als einziger etwas bemerkt hatte. Mitfühlend reichte er Oscar ein Taschentuch. „Nun beruhigt Euch Kindchen. Die Liebe kann eben auch weh tun. Ich habe Euch bereits darüber in Kenntnis gesetzt was ich persönlich von Henry halte, aber Eure Gefühle sind Eure Sache. Im Übrigen ist Euer kleines Geheimnis bei mir gut aufgehoben, die wenigsten Soldaten haben für solche Dinge ein so feines Auge wie ich. Da ich jedoch mit acht Schwestern aufgewachsen bin habe ich nun einmal einen geschulten Blick für Frauen mit Liebeskummer.“ Er blinzelte Oscar, die inzwischen zu ihm auf sah, zu. „Was Euer Problem mit Victore angeht, so verspreche ich Euch das Ihr ab jetzt Eure Ruhe vor ihm haben werdet.“ Langsam beruhigte sich Oscar wider und gewann an Fassung. Es tat ihr tatsächlich gut das ein anderer Mensch von ihren Gefühlen für Henry wusste, hatte sie es bis dahin noch nie gewagt sich jemandem anzuvertrauen. „Und welche Strafe erhalte ich nun?“ erkundigte sich Oscar. „Immerhin bin ich doch auf de Girodelle los gegangen.“ De Bouier winkte ab. „Eine Strafe stünde nur an wenn Ihr den ersten Schlag ausgeführt hättet. Doch waren Emilian und Olivier so geistesgegenwärtig Euch fest zu halten. Somit habt Ihr Euch keines Vergehens schuldig gemacht auf das eine Strafe stünde.“ Erleichtert atmete Oscar auf. Vor der nun hinfällig gewordenen Strafe hatte sie sich kaum gefürchtet. Viel schrecklicher war der Gedanke daran, wie wohl ihr Vater reagiert hätte, wenn er von einem Vergehen Oscars, in diesem Falle von einer von ihr begonnenen Schlägerei, in Kenntnis gesetzt worden wäre. Doch hatte Victore mit seinen Äußerungen noch ein vollkommen anderes Problem hervorgerufen. „General de Bouier, bis jetzt ahnt von den Kadetten noch niemand das ich eine Frau bin. Aber nachdem mich Victore nun zum wiederholten Male Mademoiselle genannt hat und nun auch verlauten ließ das mein Vater nur Mädchen zustande gebracht hätte, wird sicher der ein oder andere stutzig werden. „Macht Euch darüber keine Sorgen. Im allgemeinen Tumult wird Victores Bemerkung über Eure Familienkonstellation niemandem aufgefallen sein und das „Mademoiselle“ wird lediglich als Spottname gewertet werden. Außerdem denke ich nicht das sich Victore noch einmal mit Euch anlegen wird, dafür werde ich schon sorgen.“ Dieses Vorhaben setzte General de Bouier in die Tat um. Als nächster Kadett wurde Victore de Girodelle zu ihm zitiert und er lass ihm so gründlich die Leviten, dass Victore, als er de Bouiers Arbeitszimmer verließ, die Knie schlotterten. Vor allem zeigte aber die Drohung, Victores Vater davon zu berichten, sofern er Oscars wahres Geschlecht heraus posaunen würde, seine Wirkung. Dies war ihm von seinem Vater bereits vor Jahren strengstens untersagt worden, da es sich dieser auf keinen Fall mit General de Jarjayes verscherzen wollte. Und Victores Vater sah Verstöße gegen seine Anordnungen noch strenger als General de Jarjayes, und dies wollte durch aus etwas heißen. Zwar gab Victore General de Bouier sein Ehrenwort als Soldat fortan Oscar zu Frieden zu lassen und verzichtete darauf Patrices Streich mit dem präparierten Braten zu melden, da Verrat ohnehin als unehrenhaft galt, doch loderte sein Hass auf Oscar und ihre Freunde nach wie vor, wenn nun nicht sogar noch heftiger in ihm. Versailles, September 1769 Ein junger Mann in einfacher Kleidung galoppierte durch den Schlosspark. Niemand hätte in ihm den Graf de Provence, Enkel Louis XV, vermutet. Er liebte es ohne Begleitung und inkognito aus zureiten und da er im Gegensatz zu seinem Bruder nicht der Dauphin war, sah sein Großvater über diese Unart großzügig hinweg. Trotz des kühlen Tages war sein Pferd schnell verschwitzt und um ihm und auch sich selbst eine kleine Pause zu gönnen stieg er ab und führte es ein Stück am Zügel. Dieser Teil der Gärten von Versailles war recht abgelegen und die königliche Familie und die Adligen die Zugang nach Versailles hatten nutzten ihn eher selten. Auch das kleine Pavillon, dem er sich nun näherte, das in diesem Teil der Gärten stand, wirkte wenig einladend und wurde daher kaum betreten. Doch nun glaubte der Graf de Provence seinen Augen nicht zu trauen. Aus dem Schornstein des Pavillons stieg Rauch! Irgendjemand nutzte ihn für sich und, da war er sich sicher, es musste sich um etwas handeln das aus irgendeinem Grund geheim bleiben sollte. Nachdem er sein Pferd angebunden hatte ging er neugierig weiter und schlug sich möglichst leise durch das Gebüsch, das rund um den Pavillon wucherte, um nicht bemerkt zu werden. Als er sich schließlich vorsichtig auf die Zehenspitzen stellte, um in eines der Fenster hinein zu lugen, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. An einem eingedeckten Tisch saß dort niemand geringerer als sein älterer Bruder und – man fasste es nicht – trank seelenruhig Tee mit Emilie da Jarjayes, der Gattin eines der besten Generäle seines Großvaters. Was um alles in der Welt hatten die beiden miteinander zu schaffen? Wohlweislich, damit sie ihn nicht entdeckten, blieb er im Gebüsch sitzen und lauschte durch die dünnen Holzwände. „Liebe Emilie, ich bin so glücklich darüber das Ihr meine Einladung angenommen habt.“ „Auch ich genieße die Gesellschaft Eurer Hoheit sehr. Es ist so angenehm mit Euch zu plaudern.“ Unter dem Vorwand Einkäufe erledigen zu wollen hatte sich Emilie von Philippe, dem Kutscher, nach Paris fahren lassen. Dort ging sie, mit einem Herz das ihr bis zum Hals klopfte, in die abgelegene Rue des Halles, mit tief in die Stirn gezogener Kapuze. Wie versprochen wartete dort eine einfache Kutsche, mit dem Kutscher der als Erkennungszeichen eine blaue Blume am Hut trug. Während der Fahrt atmete Emilie erst einmal tief durch, mit dem Gefühl dies seid Stunden nicht mehr getan zu haben. Irgendwie machte es ihr, trotz, oder vielleicht sogar wegen, der Aufregung und der Angst erwischt zu werden ungewöhnlichen Spaß. Sie fühlte sich wie ein junges Mädchen, bereit für jedes Abenteuer. Glücklich darüber endlich einmal wieder von einem Mann, dazu noch von einem so jungen wie Louis Auguste, so viel an Aufmerksamkeit zu bekommen, ließ sie nun zu das dieser ihre Hand nahm und seine Lippen darauf drückte. Ein Schauer durch lief sie als er sagte: „Es bedeutet mir so viel das ihr heute gekommen seid.“ Dabei ahnten weder sie, noch der Dauphin das sie beobachtet wurden. Der Graf de Provence hatte genug gesehen um sich nun einen Reim auf die sich vor seinen Augen abspielende Situation zu machen. Zufrieden zog sich dieser möglichst leise zurück, was kaum nötig gewesen wäre, da Emilie und Louis Auguste kaum etwas um sich herum wahr zu nehmen schienen. Als er sein Pferd los band und sich mit ihm am Zügel entfernte, arbeitete es in seinem Kopf bereits an einem Plan, wie er des soeben Gesehene für sich am sinnvollsten einsetzen konnte. Dabei wäre er beinahe über Julie de Meuron gestolpert, die ebenfalls ohne Begleitung durch den Garten spazierte. Augenblicklich versank diese, als sie den Enkel des Königs erkannte, in einem tiefen Knicks. Dem Graf de Provence kam die unerwartete Begegnung mit Julie gerade wie gerufen. „Guten Tag Mademoiselle de Meuron. Es trifft sich ungemein gut das wir einander gerade jetzt begegnen. Wie Ihr wisst haben wir noch eine Rechnung offen mit einer gewissen Person, die es gewagt hat uns, trotz ihres niederen Standes, offen zu kritisieren. Jetzt ist eine gute Gelegenheit gekommen um sie in ihre Schranken zu weisen und ihr einen gehörigen Denkzettel zu verpassen. Dazu müssen wir aber allerhand besprechen. Wie wäre es heute in einer Woche mit einem belanglosen Treffen bei Euch, im Palas Eures Vaters. Nur Personen unseres Vertrauens sollen dabei sein. Neben uns beiden noch Louise de Girodelle, Clement de Ligniville und Victore de Girodelle.“ Julie, die sofort erriet das der Graf de Provence auf die Dubarry und ihre unverschämten Äußerungen am Ball ihres Grpßvaters anspielte, war sofort begeistert. Der verhassten Mätresse Louis XV ihr herablassendes Verhalten endlich heim zu zahlen, reizte sie ungemein, so wie ihr das Vertrauen schmeichelte das der Graf de Provence ihr entgegen brachte. „Eure Hoheit, Ihr könnt Euch voll und ganz auf mich verlassen. Ich werde die von Euch gewünschten Personen verständigen.“ „Ich habe auch nichts anderes von Euch erwartet.“ Schloss Schönbrunn bei Wien, September 1769 Durch das weit geöffnete Fenster des Musikzimmers drangen die letzten warmen Sonnenstrahlen des Jahres hinein. Die Finger der Erzherzogin Maria Antonia fuhren über die Tasten des Klaviers, dem sie zum wiederholten Male die Töne der kleinen Nachtmusik zu entlocken versuchte. Durch die Klänge des Instruments war plötzlich das Rattern der Räder einer Kutsche zu vernehmen, die in den Hof von Schloss Schönbrunn einfuhr. Neugierig und dankbar für die willkommene Ablenkung erhob sich Maria Antonia und beugte sich weit aus dem offenen Fenster, um zu sehen wer neu im Schloss Schönbrunn angekommen war. Die Türe der Kutsche wurden geöffnet und ein junger Mann stieg aus, gerade in dem Moment als Maria Antonia ihren Kopf aus dem Fenster streckte. Durch die Bewegung aufmerksam geworden blickte im selben Moment der Neuankömmling nach oben und die zukünftige Dauphine von Frankreich und Nicolas de la Motte blickten einander tief in die Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)