Zwischen den Zeilen von "Die Rosen von Versailles" von Engelchen ================================================================================ Kapitel 6: Geschichten von gebildeten Stallburschen, Offizierskadetten die Mädchen sind, Schmiedelehrlinge die Kronprinzen sind und einer Kronprinzessin die noch ein Kind ist ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Ein Bauer namens Albert Chevrier, aus dem kleinen Dörfchen Evry, fuhr mit seinem Ochsenkarren die schmale Landstraße entlang, um sein Feld zu bestellen. Zufrieden ließ er sich die Sonne in sein Gesicht scheinen, während der Karren gemütlich vor sich hin ruckelte. Plötzlich zuckte er erschreckt zusammen, denn er hörte wie aus heiterem Himmel jemanden schimpfen wie einen Rohrspatz: „Also musste das den passieren! Nun werden wir völlig unnötig aufgehalten und all das schöne Wild entgeht uns. So etwas geschieht immer nur Euch de Meuron.“ Um dem Gezeter auf den Grund zu gehen, hielt Bauer Albert seinen Karren an, stieg ab und ging in die Richtung aus der die keifende Stimme kam. Bald entdeckte er am Waldrand zwei Herren, der Sprache und der feinen Kleidung nach höchstwahrscheinlich Adlige, mit ihrem Knecht, einem sehr einfach gekleideten Jungen von etwa vierzehn oder fünfzehn Jahren. Mit sich führten sie drei ausgesprochen schöne Pferde und Gewehre. Offensichtlich befanden sie sich gerade auf der Jagd. Am liebsten wäre Albert auf seinen Wagen gestiegen und weitergefahren. Mit ein paar verwöhnten Adligen, die sich im Wald mit jagen vergnügten, während anständige Menschen einer rechtschaffenen Arbeit nachgingen, wollte er nach Möglichkeit nichts zu schaffen haben. Doch der eine der Männer, der gerade so heftig geschimpft hatte, hatte ihn bereits entdeckt und winkte ihm zu. „Du dort! Bleib sofort stehen! Wir benötigen deine Hilfe.“ Widerwillig trat er auf sie zu. „Nun starr uns doch nicht so an,“ zeterte der eine weiter. „Das Pferd des Grafen de Meuron hat ein Hufeisen verloren. Weißt du wie man so etwas in Ordnung bringt?“ „In Evry gibt es einen sehr guten Hufschmied. Sicher wird er sich gerne um Euer Pferd kümmern. Reitet immer nur die Straße entlang, dann kommt ihr direkt in das Dorf. Die Schmiede könnt ihr nicht verfehlen.“ Obwohl der adlige Herr keineswegs freundlich zu ihm gewesen war, gab er ihm Albert eine halbwegs freundliche Antwort. Wenigstens ließ sich der Herr nun zu einem Kopfnicken als Dank herab. „Also kommt meine Lieben. So reiten wir eben in dieses Evry. Ich hoffe der Schmied arbeitet schnell, so das wir möglichst bald mit der Jagd beginnen können.“ Ohne ein weiteres Wort saß er wieder auf. Lediglich der junge Knecht lächelte Albert schüchtern an. „Hab Dank für deinen Rat. Er hat uns sehr geholfen.“ Immerhin ein freundlicher Junge, wenn auch ein wenig zurückhaltend, dachte sich Albert. Als er wieder an seinem Karren angelangt war, sah er gerade noch wie sich die kleine Gruppe entfernte. Erstaunt stellte er fest das der Knecht weiter auf seinem Pferd sitzen blieb, während der Graf de Meuron, dessen Pferd das Hufeisen fehlte, zu Fuß ging. Kopfschüttelnd fuhr Albert weiter. Endlich in Evry angekommen fanden die drei Männer auch sofort die Schmiede. Während der Schmied Monsieur Bonnet sich sofort an die Arbeit machte, setzten sie sich vor der Werkstatt auf eine Bank in der Sonne. Doch schon nach kurzer Zeit öffnete sich die Türe der Schmiede und Monsieur Bonnet kam verschwitzt und mit rotem Gesicht heraus. „Verzeiht edle Herren, aber mein einziger Geselle liegt gerade heute krank im Bett. Ich brauche dringend Hilfe beim Beschlagen des Pferdes. Könnte nicht Euer Bursche den ihr mit dabei habt mir in der Werkstatt ein wenig zur Hand gehen?“ Zum Erstaunen des Schmieds starrten ihn die drei völlig entgeistert an. Was hatte er den verkehrt gemacht? Der junge Bursche saß schließlich nur mühsig herum. Warum sollte er sich nicht nützlich machen wenn Not am Manne war? Da fuhr der eine Herr, der recht reizbarer Natur zu sein schien, regelrecht auf. „Ihr wisst wohl nicht wen...?“ Da winkte der Bursche mit einem Handzeichen ab und erhob sich. „Ich helfe gerne mit Monsieur.“ Dem feinen Herrn blieb der begonnene Satz in der Kehle stecken, während der Junge dem Schmied in die Werkstatt folgte. In der Schmiede war es warm und voller dichtem Rauch. „Wie heißt du mein Junge?“ Einen Moment überlegte dieser. Dann antwortete er nach einigen Sekunden: „Mein Name ist Auguste, Monsieur.“ Weshalb musste der Kerl denn überlegen wie er hieß? Hoffentlich war er nicht geistig beschränkt. Dann wäre er sicher keine große Hilfe. Monsieur Bonnet reichte Auguste eine schmutzige Schürze und erklärte ihm was zu tun war. Er zeigte ihm wie er den Fuß des Pferdes halten sollte und erklärte ihm die verschiedenen Werkzeuge. Dann machten sie sich an die Arbeit. Von der ungewohnten Tätigkeit und der Hitze in der Schmiede stand Auguste bald der Schweiß auf der Stirn. Trotzdem half er eifrig mit. Monsieur Bonnet musste zugeben, dass er noch nie einen Lehrling gehabt hatte, der so schnell dazu lernte. Außerdem war dieser Auguste wirklich sehr fleißig und man sah ihm an das er an der neuen Tätigkeit offensichtlich Freude hatte. Als das Pferd des Grafen de Meuron endlich sein neues Hufeisen hatte, klopfte er Auguste freundlich auf die Schulter. „Hat dir die Arbeit bei mir gefallen?“ Auguste sah ihn an. „Ja, es hat mir so viel Spaß gemacht wie noch nichts anderes in meinem Leben,“ antwortete er in so einem überzeugenden Ton, dass man ihm einfach glauben musste. Erfreut blickte Monsieur Bonnet ihn an. „Sag mir Auguste, könntest du dir vorstellen bei mir in die Lehre zu gehen? Ich denke du bist für das Schmiedehandwerk wie geschaffen. Ich war gerade sehr mit dir zufrieden.“ Auguste sah ihn nun mit weit aufgerissenen Augen an. „Was ist mein Junge? Hat es dir die Sprache verschlagen?“ „Es tut mir sehr leid Monsieur aber meinem Großvater wäre es sicher nicht recht wenn ich hier arbeiten würde.“ „Es kann doch nicht sein das es ihm nicht gefällt wenn du ein ordentliches Handwerk erlernst. Sag mir wo du wohnst, dann geh ich selbst bei ihm vorbei und spreche mit ihm.“ Auguste sah immer entsetzter aus. „Oh, nein Monsieur das wird nicht gehen.“ „Aber weshalb denn nicht Auguste? Was zum Donnerwetter ist denn los mit dir?“ „Mein Großvater lebt in Versailles. Deshalb könnt Ihr ihn nicht besuchen.“ „Hör auf mich zum Narren zu halten! So etwas erlaube ich nicht. Merk dir das gleich von Anfang an wenn du bei mir arbeiten möchtest. Und nun sag mir endlich wo der alte Herr wohnt damit ich mit ihm sprechen kann.“ Auguste war nun schon krebsrot im Gesicht und sichtlich verzweifelt. „Hat es die die Sprache verschlagen?“ fuhr ihn Monsieur Bonnet an, der nun sichtlich die Geduld verlor. Mühsam brachte Auguste hervor: „Ich sagte bereits das es nicht gehen wird. Mein Großvater lebt in Versailles. Er... er ist der König von Frankreich.“ Monsieur Bonnet fasste sich an die Stirn. Dieser Auguste war doch tatsächlich geisteskrank! Dabei hatte man ihm während der Arbeit in keinster Weise etwas davon angemerkt. Vielleicht war er aber auch einfach nur ein Lügner - ein ausgesprochen schlechter Lügner. Aber selbst wie ein Hochstapler wirkte er nicht, sondern im Gegenteil, wie ein sehr lieber und ehrlicher Junge. Wenn er aber nun nicht verrückt war und nicht log, dann - Bonnet blickte ihm noch einmal in die hellblauen Augen- dann sprach er wohl die Wahrheit! „Du...Ihr seid der Dauphin Louis Auguste?“ „So ist es Monsieur!“ „Ich glaube ich muss mich sofort setzen. Unglaublich was einem an einem Montagmorgen so alles unterkommt!“ Andre stand am Wegrand, in der Nähe des Palas de Jarjayes und beschirmte seine Augen mit einer Hand, um sie vor der blendenden Sonne zu schützen. Er wartete seit einer Stunde vergeblich auf den Hufschmied, der für heute bestellt worden war, um die Pferde der Familie de Jarjayes neu zu beschlagen. Dem alten Monsieur Bonnet, der seit Jahrzehnten seinen Beruf ausübte, war schon alles recht beschwerlich. Sicher hatte er sich nur deshalb derartig verspätet, denn so etwas sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Andre hatte bereits in aller Frühe alles vorbereitet, doch als der Schmied immer noch nicht kommen wollte, hatte ihn der alte Stallknecht der Jarjayes voraus geschickt um nach ihm Ausschau zu halten. Bald sah Andre eine Staubwolke näher kommen, doch die musste von mehreren galoppierenden Pferden stammen. Monsieur Bonnet besuchte seine Kunden mit einem einfachen Karren auf dem er sein Werkzeug mitführte. Endlich konnte Andre vier Reiter, die noch ein weiteres Packpferd mitführten, erkennen. Als sie Andre entdeckten zügelten sie ihre Pferde und hielten neben ihm an. Einer der Männer, der eine gescheckte Stute ritt, sprach ihn an. „Guten Tag! Befinden wir uns auf dem richtigen Weg nach Versailles?“ Der Mann sprach fließend Französisch aber mit einem Akzent den Andre nicht zuordnen konnte. „Ja Monsieur,“ antwortete Andre. „Wenn Ihr diesen Weg weiter entlang reitet dann werdet ihr direkt nach Versailles kommen.“ „Kannst du uns sagen ob es noch weit ist?“ „Es ist wohl noch etwas mehr als eine halbe Stunde zu reiten.“ Andre sah sich die Männer genauer an. Sie wirkten sehr müde, erschöpft und schmutzig, wie jemand der bereits einen langen Weg hinter sich hat. Auf dem Packpferd befand sich nur ein einziges Paket, dass groß, flach und viereckig war. Während ihres Gesprächs hatte Andre gar nicht bemerkt das inzwischen Monsieur Bonnet mit seinem ewig lärmenden Karren voller Werkzeugen und Eisenstücken angefahren gekommen war. „Guten Tag Andre! Du wartest doch nicht hoffentlich auf mich?“ „Natürlich habe ich auf Sie gewartet Monsieur Bonnet. Ich habe bereits alles notwendige vorbereitet. Wir müssen uns beeilen wenn wir heute noch alle Pferde schaffen wollen.“ Sein Blick viel auf die vier Reisenden. Er verspürte etwas Mitleid mit ihnen. Sie wirkten als wären sie ehrliche Leute und mussten von besserer Herkunft sein, da sie alle sehr gut gekleidet waren. Außerdem war er neugierig aus welchem Land sie kamen und was sich wohl in dem merkwürdigen, viereckigen Päckchen befinden mochte das sie mit sich führten. Kaufleute reisten doch meist mit vielen Waren und nicht nur mit einem einzigen Paket. So wandte er sich an die Reisenden: „Ich bin der Stallbursche im Palas de Jarjayes. Meine Herrschaften sind sehr großzügig und werden sicher nichts dagegen haben wenn ihr Euch bei uns ein wenig erfrischt. Also kommt bitte mit mir mit und ruht Euch bei uns ein wenig aus bevor die restliche Wegstrecke nach Versailles zurück legt.“ Die Männer sahen ihn dankbar an. Doch einer schüttelte den Kopf. „Wirst du den keinen Ärger bekommen Junge wenn du einfach fremde Leute mitbringst?“ „Es herrscht gerade solch ein Trubel im Palas das es vermutlich kaum jemand bemerken wird. Das jüngste Kind der Jarjayes wird heute zum ersten Mal auf der Offiziersakademie antreten und deshalb ist ein unbeschreibliches Durcheinander. Es würde mich wundern wenn es überhaupt jemandem auffallen würde, dass vier Männer da sind die niemand kennt.“ Oscar betrachtete sich im Spiegel. Die Kadettenuniform, die der Schneider ihr angemessen und nun geliefert hatte, saß wie angegossen. Auf den ersten Blick erkannte sie sich selbst kaum. Sie erinnerte sich an ihren Tag in Versailles als die Dubarry gesagt hatte: „Wenn sie erst eine Uniform trägt, dann wird die Täuschung noch echter sein.“ Ob an der Offiziersakademie jemand merken würde, dass sie kein junger Mann, sondern ein Mädchen war? Die wichtigsten Offiziere die davon wussten würden sich wohl kaum etwas anmerken lassen. Schließlich besuchte sie die Akademie auf den Wunsch des Königs. Und der Wunsch des Königs war ein Befehl, dem sie nun nachkommen würde. In der Nacht hatte Oscar kaum geschlafen vor Aufregung wegen der unbekannten Dinge die nun auf sie warten würden. Deshalb wirkte sie heute auch ungewöhnlich blass. Ihr fiel ein das sie noch nie einen Talisman oder etwas ähnliches besessen hatte. Nur ein einziges Mal hatte ihr jemand ein besonderes Geschenk gemacht das sie beschützen sollte. Sie öffnete ihr Schmuckkästchen, das kaum etwas enthielt und holte das kleine, goldene Kreuz mit der lateinischen Gravur, das sie von ihrer Schwester Juliette geschenkt bekommen hatte, heraus. Sie legte sich die Kette, an der das Kreuz hing, um den Hals, schloss hinten die Haken und steckte es unter ihren Uniformkragen. Seltsamer Weise fühlte sie sich nun wirklich beschützt. Das kühle Metall auf ihrer Haut beruhigte sie. Ein letztes Mal atmete sie tief durch und ging fest entschlossen die Treppe hinunter. Andre sollte recht behalten. Tatsächlich fiel im Palas de Jarjayes weder Monsieur noch Madame de Jarjayes auf, dass er vier fremde Männer mitgebracht hatte. Madame de Jarjayes war völlig aus dem Häuschen und weinte schon den ganzen Morgen, da sich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder Gewissensbisse darüber, ob es richtig war aus Oscar einen Soldaten zu machen, in ihr regten. Der General hingegen war so euphorisch wie ihn Andre noch nie erlebt hatte. Noch vor dem Morgengrauen war er auf den Beinen gewesen und scheinbar ziellos die Treppen herauf und herunter gerannt, hatte nach Sophie und seinem Kammerdiener Laurent gerufen, falls an Oscars Uniform noch etwas geändert werden musste, hatte einen regelrechten Aufstand daraus gemacht das ihre Stiefel seiner Meinung nach noch nicht genug poliert waren und lief selbst zweimal in den Dienstbotentrakt, um Andre einzuschärfen das Oscars Stute an diesem wichtigen Tag in ihrem Leben so glänzend gestriegelt sein musste wie noch nie. Andre war über die neue Situation einfach nur traurig. Von jetzt an würde er mit seiner besten Freundin Oscar längst nicht mehr so viel Zeit verbringen können wie bisher. Ihre Tage, außer den Sonntagen, würde sie nun auf der Akademie verbringen. Sie hatten sich für den vergangenen Abend verabredet und wollten noch einmal gemeinsam beisammen sitzen aber der General hatte Oscar vollkommen für sich beschlagnahmt, um ihr noch einmal ausführlich einzuschärfen, wie ihr Verhalten auf der Offiziersakademie auszusehen hatte um dem Namen de Jarjayes keine Schande zu bereiten. Das er Oscar jetzt noch einmal sehen konnte um ihr Glück zu wünschen war ebenso ausgeschlossen, denn sie mussten unverzüglich mit dem Beschlagen beginnen, denn durch Monsieur Bonnets Verspätung hatten sie ohnehin schon viel zu viel Zeit verloren. Zunächst einmal führte er aber die vier Reisenden in die Küche, damit sich Sophie um sie kümmern konnte. Sophie, die gerade dastand und Paulette zurecht wies, die ein Kleid Madame de Jarjayes schlampig gereinigt hatte, fand auf einmal vier fremde, ausgesprochen staubige aber vornehm gekleidete Herren vor sich. Andre stellte sie vor: „Meine Großmutter, Madame Sophie Glace, die Haushälterin des Palas de Jarjayes.“ Dann viel ihm ein das er die Männer nicht nach ihren Namen gefragt hatte. Diese verbeugten sich tief vor Sophie und der, mit dem Andre zuerst gesprochen hatte stellte sich vor: „Mein Name ist Fürst Starhemberg,Botschafter ihrer kaiserlichen Hoheit Maria Theresia von Österreich. Madame Glace es ist mir eine große Ehre.“ Damit gab er Sophie einen Handkuss, die sich im nächsten Moment fühlte wie wenn sie auf Wolken schweben würde. Auch Paulette lief rot an, als sie hörte welch vornehme Herrschaften auf einmal bei ihnen in der Küche standen. Andre machte sich schleunigst aus dem Staub und brachte sich im Stall in Sicherheit, wo er dafür sorgte das die Pferde der Reisenden gefüttert und getränkt wurden. Er ärgerte sich über sich selbst. So etwas Dummes konnte auch nur ihm passieren. Nun hatte er doch tatsächlich den Botschafter der österreichischen Kaiserin in die Küche des Dienstbotentraktes geführt und der Haushälterin anstatt Madame und Monsieur de Jarjayes vorgestellt. Er wusste das dies noch Ärger bringen musste. Er band das erste der Pferde die beschlagen werden sollten los und führte es hinüber in die eigene Schmiede der Familie de Jarjayes. Monsieur Bonnet hatte sich bereits an die Arbeit gemacht und das erste Hufeisen geschmiedet,dass er nun rotglühend mit einer Zange nach oben hielt. Während der Kutscher Philippe das Bein des Pferdes hielt, redete Andre beruhigend auf es ein. Das konnte niemand so gut wie er. Als sie gerade mit dem ersten Pferd fertig geworden waren, traf ihn ein heftiger Schlag auf den Rücken. Andre unterdrückte einen Aufschrei um das Pferd nicht zu erschrecken. Als er sich umdrehte, um der Sache auf den Grund zu gehen, entdeckte er hinter sich Sophie mit einem Besenstiel in der Hand, mit dem sie ihm eins übergezogen hatte. „Großmutter was soll das? Hast du den Verstand verloren?“ „Ich glaube eher das du den Verstand verloren hast Andre Grandier. Was fällt dir ein den Botschafter der österreichischen Kaiserin in eine Küche zu führen? Überlege wie beschämt Madame und Monsieur de Jarjayes darüber sein werden das so etwas in ihrem Hause vorgekommen ist. Ich hatte nun auch nichts andres was ich ihnen vorsetzen konnte außer ein paar Plätzchen und etwas trockenem Kuchen. Diese Schande Andre!“ Andre grinste seine Großmutter an. „Deine Plätzchen sind so vorzüglich, dass sogar die Kaiserin von Österreich selbst nicht genug davon bekommen würde. Der General hätte für den hohen Besuch ohnehin keine Zeit gehabt. Wenn er mit Oscar endlich los geritten ist dann können wir die Männer immer noch zu Madame de Jarjayes führen.“ „Oh nein! Das werden wir nicht machen! Madame und der General dürfen niemals heraus bekommen das wir einen kaiserlichen Botschafter in der Küche bewirtet haben. Hörst du mich Andre?“ „Ich habe es verstanden Großmutter. Wenn du es dir so wünscht dann machen wir es so.“ „Und nun komm wenigstens mit um dich von ihnen zu verabschieden. So viel Anstand wirst du doch noch haben!“ Andre folgte seiner zeternden Großmutter wieder ins Haus. Der kaiserliche Botschafter und seine Begleiter sahen keineswegs so aus als wären sie mit der Behandlung unzufrieden gewesen. Wie es sich Andre gedacht hatte, war Sophies Gebäck hervorragend bei ihnen angekommen. Paulette und Marie drängelten sich um den hohen Besuch, schenkten ihnen eifrig frischen Tee nach und kicherten gespielt verlegen, zu den Komplimenten, die ihnen die Männer in gebrochenem Französisch machten. Andre stellte fest, dass das Französisch der Anderen längst nicht so gut war wie das des Fürsten Starhemberg. Sicher würden sie sich freuen wenn er sie auf Deutsch ansprechen würde, denn bestimmt war es sehr anstrengend sich ständig in einer fremden Sprache zu unterhalten. Erstaunt sahen ihn die Männer an als sie ihn plötzlich in ihrer Muttersprache reden hörten. „Ich hoffe Ihr konntet Euch während Eures Aufenthaltes ein wenig erholen. Auch Eure Pferde habe ich gut versorgt.“ Fürst Starhemberg wandte sich verdutzt an ihn. „Du sprichst Deutsch? Wie ungewöhnlich! Wie konntest du als Stallknecht eine Fremdsprache erlernen?“ Er hatte ohnehin schon verwundert festgestellt, dass Andres Ausdrucksweise anders war als die der anderen Bediensteten. Sie war weit aus feiner und geschliffener. Dieser Pferdebursche sprach genau so wie ein französischer Aristokrat. Schon das war ihm von Anfang an aufgefallen. „Ich wurde als Spielgefährte für das Kind des Generals de Jarjayes ins Haus geholt und bin auch mit ihm zusammen unterrichtet worden,“ gab ihm Andre bereitwillig Auskunft. „Nun das erklärt sicher einiges. Aber wir müssen nun aufbrechen, da wir endlich Versailles erreichen wollen. Zum Dank für eure Gastfreundschaft möchten wir euch aber, bevor wir abreisen, noch etwas zeigen, was vor euch noch kein Mensch in Frankreich gesehen hat.“ Gespannt sahen alle in der Küche Fürst Starhemberg an. Was mochte er wohl besonderes mit sich führen? Etwas was direkt aus Österreich kam und noch niemand von ihnen kannte? „Bring das Paket und zeig es ihnen;“ befahl er einem der Männer. Andre hielt es vor Spannung kaum noch aus. Nun würde er erfahren was sich in dem geheimnisvollen Päckchen befand, dass ihm sofort aufgefallen war. Zwei der Männer stellten es senkrecht auf den Küchentisch und einer von ihnen begann vorsichtig den Ledereinband davon zu lösen. Nun konnte Andre deutlich einen Bilderrahmen erkennen. Der Einband fiel und darunter kam ein Gemälde mit einer fremden Frau darauf zum Vorschein. „Das ist lediglich ein Porträt mit einer Dame darauf,“ antwortete Andre ehrlich enttäuscht. Das konnte nicht der Ernst dieser Männer sein, dass sie bis hierher geritten waren nur um so etwas nach Versailles zu bringen. Versailles war doch ohnehin schon voll mit Bildern, wie ihm Oscar nach ihrem Besuch dort erzählt hatte. Auch die anderen im Raum schwiegen und konnten mit dem Gemälde offenbar nichts anfangen. „Du irrst dich,“ antwortete ihm der Fürst. „Das ist nicht irgendeine Dame, sondern niemand geringerer als die Erzherzogin Maria Antonia von Österreich, eure zukünftige Dauphine und so Gott will auch eines Tages eure Königin.“ „Wie wundervoll! Entzückend! Charmant!“ Seine Großmutter und die Dienstmädchen konnten sich vor Begeisterung kaum fassen als sie hörten das es sich um „ihre“ Kronprinzessin handelte. Andre konnte ihnen jedoch nicht beipflichten. Er fand die Dame auf dem Bild nicht sonderlich hübsch. Allein schon die ungewöhnlich hohe Stirn unter ihrer Frisur störte ihn. Außerdem wirkte sie auf ihn äußerst hochnäsig. Ihm viel ein das der Dauphin erst so alt war wie er selbst und plötzlich tat ihm Louis Auguste sehr leid. Seine Großmutter versetzte ihm einen Rippenstoß. „Andre, hast du denn über unsere Dauphine nichts sagen?“ „Sie ist noch gar nicht unsere Dauphine Großmutter.“ „Wahr gesprochen! Aber nächstes Jahr um diese Zeit wird sie es sein.“ Ich würde nur all zu gerne hören was Oscar zu dem Bild sagen würde?“ dachte sich Andre. Natürlich Oscar! Bald würden sie und ihr Vater los reiten und er musste ihre Pferde bereit stellen, um dann schleunigst wieder in der Schmiede zur Hand zu gehen. Plötzlich hatte er einen Einfall. Er suchte in der Küchenschublade seiner Großmutter nach Feder, Tinte und Papier, setzte sich an den Tisch und begann zu schreiben. Fürst Starhemberg sah ihm über die Schulter. „Für einen Stallburschen hast du auch noch eine ungewöhnlich schöne Schrift. Zumal viele Leute deines Standes überhaupt nicht lesen und schreiben können. Es ist wirklich erstaunlich!“ Als Oscar in ihrer Uniform die Treppen herunter kam lief ihr Vater ihr begeistert entgegen und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Jetzt beginnt unsere harte Arbeit Früchte zu tragen Oscar. Endlich ist es soweit das du Kadett an der Offiziersakademie wirst. Aber wir dürfen uns noch längst nicht ausruhen. Denke daran was wir gestern Abend besprochen haben. Ich erwarte von dir das du an der Akademie den Anordnungen deiner Vorgesetzten Folge leistest und so diszipliniert arbeitest wie du es von mir gelernt hast.“ „Natürlich Vater,“ war alles was Oscar herausbrachte. Vermutlich erwartete der General, da sie nun eine Uniform trug, dass sie vor ihm salutieren sollte, doch danach war Oscar einfach nicht zumute. Als sie mit ihrem Vater in den Hof trat, standen ihre Pferde gesattelt bereit. Von Andre war zu Oscars Bedauern nichts zu sehen. Es hätte ihr Mut für den heutigen Tag gemacht mit ihrem besten Freund noch ein paar Worte zu wechseln. Als Oscar gerade aufsitzen wollte, fand sie am Zaumzeug ihrer Stute eine zusammengerollte Nachricht, die mit einem Band zugeschnürt war. Ihr Vater wandte sich in diesem Moment an ihre Mutter, um dieser noch etwas zu sagen. Neugierig rollte Oscar die Nachricht auf. Sie erkannte sofort Andres Handschrift. Neugierig begann sie zu lesen: „Liebe Oscar, ich wünsche dir viel Glück an deinem ersten Tag an der Offiziersakademie. Leider kann ich es nicht persönlich machen, da heute morgen der Hufschmied kommt, dem ich zur Hand gehen muss. Trotzdem denke ich heute ganz fest an dich. Egal was kommt, ich werde immer dein bester Freund bleiben. Dein Andre.“ Gerührt rollte Oscar die kleine Schriftrolle wieder zusammen und steckte sie liebevoll in ihre Tasche. Sie bemerkte das Tränen in ihre Augen getreten waren. Letzten Endes ritt sie mit ihrem Vater los, durch das Tor des Palas de Jarjayes, durch das sie unzählige Male geritten war. Gerade in diesem Moment traten der Fürst Starhemberg und seine Begleiter hinaus in den Hof. Gerade sahen sie noch von der Seite wie Oscar auf ihrer weißen Stute durch das Tor hinaus ritt. „Das muss sicherlich der Sohn des Generals de Jarjayes sein. Wie schmuck er in seiner Uniform aussieht!“ rief er aus. Paulette wollte sich wichtig tun und flüsterte ihm zu: „Pssst. Bei Oscar handelt es sich nicht um einen Sohn. Der junge Kadett den ihr so eben gesehen habt ist eine Mädchen.“ „Pardon Mademoiselle?“ Der Fürst meinte sich verhört zu haben. „Wenn ich es Euch doch sage. Der General hat sie als Jungen erziehen lassen und nun soll sie, obwohl sie eine junge Dame, ist die Offiziersakademie besuchen.“ Kopfschüttelnd wandte sich Fürst Starhemberg an einen seiner Landsmänner. „In welch seltsames Land hat es uns nur verschlagen? Hier gibt es gebildete Stallburschen und Offizierskadetten die Mädchen sind.“ Oscar ritt vorbei an den Wiesen, die sie wie ihre Westentasche kannte, an dem Fluss, in dem sie beinahe ertrunken wäre und an den Apfelbäumen, die nun im Frühling in voller Blüte standen. Ihr Eintritt als Kadett in die Offiziersakademie war ein deutlicher Einschnitt in ihrem Leben, das spürte sie. Madame de Jarjayes sah ihnen von einem der Fenster im oberen Stockwerk hinterher: „Nun hat mein Mann also seinen Willen bekommen. Hoffentlich nicht zum Schaden Oscars. Ich hätte mich gegen seine Entscheidung einfach mehr wehren müssen aber nun ist es zu spät,“ sagte sie zu sich selbst. Im Hof war Sophie gerade die glücklichste Frau Frankreichs als sich Fürst Starhemberg zum Kuss über ihre Hans beugte und sagte: „Habt dank für Eure Gastfreundschaft Madame Glace. Euer Gebäck war das köstlichste das je versuchen durfte.“ Für General de Jarjayes war es selbstverständlich an Oscars erstem Tag mit ihr zu reiten . Zum Schlafen würde Oscar jeden Tag nach hause in das Palas de Jarjayes kommen. Es war nur ein Ritt von 20 Kilometern, was eine Übernachtung völlig unnötig machte. Das Oscars Geschlecht der Hauptgrund für diese Regelung war, musste niemand erfahren. Am Tor wurden sie von zwei älteren Kadetten eingelassen. Sie erkannten den General, salutierten vor ihm und vermuteten sofort richtig, dass der Neue neben ihm sein „Sohn“ sein musste. Der General und Oscar übergaben ihre Pferde einem der Stallburschen und gingen in das Büro des Akademieleiters. Dieses Amt wurde zur Zeit von General de Ronsard begleitet. Dieser war wenig erfreut darüber, dass es Oscar nun wirklich bis hierher geschafft hatte, da er sie, nach ihrem unmöglichen Verhalten, als sie zu ihrem Treffen nicht erschienen war, für ein richtigen Bengel hielt. Davon das sie dem weiblichen Geschlecht angehörte ganz zu schweigen! Oscar erinnerte sich wieder daran, dass ihre Schwester Veronique, als sie das letzte Mal bei ihnen gewesen war, sich in Sicherheit bringen wollte vor dem Klatsch in Versailles, da ihr Gatte, der sie mit de Ronsard im Bett erwischt hatte, sich mit diesem duelliert hatte. Oscar sah sich General de Ronsard genau an. Er war in letzter Zeit noch ein wenig korpulenter geworden und erinnerte sie mit seinem Schnurrbart an einen der Seehunde aus ihrem Naturkundebuch. Bei dem Gedanken daran, dass ihre Schwester bestimmte Dinge mit ihm getan haben sollte verspürte sie eine leichte Übelkeit. Wie war ihre hübsche Schwester nur auf so eine Idee gekommen? Da ihm die Aufnahme Oscars ohnehin zu wieder war, wurde lediglich ihre Akte durchgegangen und sie somit zu ihrem ersten Appell entlassen. Stolz verabschiedete sich der General von ihr mit den üblichen Ermahnungen. „Ist der Mann dein Vater?“ fragte eine Stimme neben ihr. Als Oscar sich umsah entdeckte sie rechts von sich einen jungen Mann, der etwa vierzehn Jahre alt sein mochte. Er hatte dunkelblondes Haar , große braune Augen und war nur ein kleines Stück größer als Oscar. „Ja, das ist mein Vater, General de Jarjayes“ antwortete Oscar. Der junge Mann streckte ihr die Hand hin: „Ich heiße Henry de Mortemart. Mein Vater ist der Vicomte de Mortemart.“ Er war Oscar sofort sympathisch. „Ich bin Oscar Francoise de Jarjayes,“ stellte sie sich, glücklich darüber sofort jemanden kennen gelernt zu haben, vor. „Besuchst du die Akademie schon lange?“ erkundigte sie sich. „Nein, ich gehöre auch zu den neuen Rekruten, die heute hier anfangen. Ich muss dir aber gestehen das ich nicht hierher wollte.“ „Wirklich nicht?“ Oscar war erstaunt. Sie hätte nicht gedacht, dass noch ein anderer junger Adliger als sie selbst sich so eine Chance entgehen lassen wollte. „Ja, ich weiß es klingt erstaunlich. Aber ich wollte ehrlich gesagt mein bequemes Leben zuhause bei uns nicht aufgeben. Ich hatte es wirklich angenehm. Vater war mehr in Versailles oder auf einem seiner Landgüter unterwegs als daheim. Ich konnte morgens immer liegen bleiben solange ich wollte. Ich bin täglich auf die Jagd gegangen und meine beiden älteren Brüder haben fast jeden Abend eine Gesellschaft oder ein Kartenspiel gegeben. Es war immer recht amüsant bei uns. Die meisten meiner Hauslehrer habe ich übrigens vergrault.“ Oscar sah ihn mit einer Mischung aus Erstaunen und Neugier an. So etwas hatte sie noch nie gehört. Auch wenn ihr Vater unterwegs gewesen war, hatte im Palas de Jarjayes stets Ordnung geherrscht. Gesellschaften gab es bei ihnen selten, es wäre ihrer Mutter zu viel Trubel gewesen. Morgens wurde zeitig aufgestanden, die Familienmitglieder genau so wie die Bediensteten. Den Unterricht bei ihrem Hauslehrer Monsieur Dumas durften sie, Andre und ihr Neffe Maurice, seit er bei ihnen lebte, niemals versäumen. Offensichtlich war es bei Henry zuhause ganz anders zugegangen. „Jedenfalls hat mein Vater irgendwann beschlossen das nun andere Seiten aufgezogen werden,“ fuhr Henry fort. „Vermutlich weil wir in seiner Abwesenheit viel zu viel Geld ausgegeben haben. Für meinen ältesten Bruder wurde eine passende Gemahlin gesucht. Außerdem wurden beiden meiner Brüder sofort Aufgaben bei Vaters Geschäften zugeteilt. Und meine Wenigkeit hat man hier her auf die Offiziersakademie geschickt. Aber ich habe mir fest vorgenommen das Beste daraus zu machen. Spaß kann man schließlich überall haben und wenn nicht dann sorge ich für welchen.“ Das sagte Henry ziemlich überzeugt. Oscar überlegte für sich welche Art von Spaß Henry wohl meinte. „Und was ist mit dir Jarjayes,“ fragte Henry. „Wolltest du hierher?“ „Ich wollte zunächst auch nicht aber der König und Madame Dubarry haben es so gewünscht.“ Henry sah sie erstaunt an. „Der König und seine Mätresse selbst? Da musst du sie aber schwer beeindruckt haben.“ „Das wollte ich zunächst gar nicht,“ gab Oscar zu. „Ich habe versucht mich bei einer Audienz daneben zu benehmen, in dem ich Dinge erzählt habe die nicht an den Hof gehören und außerdem erklärte ich fände Versailles langweilig und voller Heuchler. Aber gerade das fanden der König und Madame Dubarry großartig und wünschten sich das ich diese Akademie besuchen und später in die Leibgarde eintreten sollte.“ Henry lachte laut und schlug Oscar auf die Schulter. „Als ich dich gesehen habe dachte ich mir gleich das man mit dir Spaß haben kann Jarjayes. Wir werden gute Kameraden werden.“ Oscar überlegte das er wohl kaum bemerkt haben konnte das sie ein Mädchen war. Umso besser. Wenn sie sich so umsah würde sie sich unter lauter raubeinigen Jungen vermutlich wohler fühlen wie unter hochnäsigen Mädchen, die den ganzen Tag nur kicherten und nichts anderes im Kopf hatten als ihre Frisuren und welches Kleid sie zum nächsten Ball tragen würden. Vielleicht war die Offiziersakademie doch nicht das schlechteste was ihr passieren konnte. Gemeinsam mit Henry und Olivier de Gramont, einem weiteren Jungen der wiederum mit Henry bekannt war, ließen sie sich in der Waffenkammer ihre Degen aushändigen. Pistolen durften sie nur während ihrer Schießübungen benutzen, anschließend wurden diese wieder eingesammelt. So traten sie in Reih und Glied zu ihrem allerersten Appell an. Es folgten Unterricht in Strategie und Kriegskunde, sowie Stunden im Fechten und Schießen. Müde und erschöpft von den vielen neuen Eindrücken aber zu ihrem eigenen Erstaunen sehr zufrieden, ritt Oscar am Abend zum Palas de Jarjayes zurück. Henry hatte sein Zimmer auf dem Akdemiegelände, da seine Familie aus Marseille stammte. Olivier begleitete Oscar ein Stück, da wie er Oscar selbst erzählt hatte, sein Vater im letzten Jahr verstorben war und er nun von einem Onkel in Paris erzogen wurde und auch bei diesem lebte. Nachdem sie sich an einer Wegkreuzung verabschiedet hatten ritt Oscar alleine weiter. Je näher sie Palas de Jarjayes kam desto ungeduldiger wurde sie. Sie brannte darauf Andre davon zu erzählen was sie alles erlebt hatte. Zu ihrer Freude erwartet sie Andre bereits am Tor. Mit Schwung saß Oscar ab und sie und Andre umarmten sich so als hätten sie sich seit Jahren nicht mehr gesehen. Tatsächlich hatten sie auch seit Andres Einzug im Palas de Jarjayes noch nie so viele Stunden ohne einander verbracht. Fröhlich kam auch Maurice angerannt, der ebenfalls von einem der oberen Fenster nach Oscar Ausschau gehalten hatte. Aufgeregt drängelte er sich dazwischen. Er wollte so viel wie möglich über die Offiziersakademie erfahren, immerhin war es sein großer Wunsch eines Tages ebenfalls dort hinzugehen, um so zu werden wie sein Großvater. Es wurde eine lange Nacht in der Oscar Andre unzählig viel zu erzählen hatte. Oscar erzählte und erzählte, von ihren ersten Unterrichtsstunden, wie sie bereits in der ersten Fechtstunde zwei ihrer Gegner entwaffnet hatte und dann von einem Dritten selbst entwaffnet wurde, der wirklich ein hervorragender Fechter war von dem sie sicher viel lernen konnte. Sie erzählte auch von den anderen Kadetten und vor allem von General de Ronsard. „Als ich mit Vater in sein Büro gekommen bin hat er seinen Schnurrbart richtig beleidigt hochgezogen. Sicherlich ärgert es ihn maßlos das ich es als Mädchen trotzdem noch auf die Offiziersakademie geschafft habe.“ „Es war das was du zuerst gar nicht wolltest,“ bemerkte Andre. „Ja,“ stimmte ihm Oscar zu. „Aber ich glaube das ich die kommenden Jahre glücklich werden könnte. Der Unterricht macht mir wirklich Spaß und auch die Kameraden scheinen alle nett zu sein.“ Dann sah sie Andre aufmerksam an. „Aber wir haben den ganzen Abend nur von mir gesprochen. Erzähl mir doch wie dein Tag war.“ „Mein Tag war längst nicht so interessant wie deiner,“ antwortete Andre. „Nur hatte ich, da du nun fort bist, zum ersten Mal keinen Unterricht bei Monsieur Dumas. Ansonsten war alles wie immer. Es gab im Stall und auf dem Hof viel zu tun und das heute der Hufschmied da war, habe ich dir in meiner Nachricht geschrieben. Ach ja, der Hufschmied.... Der war allerdings etwas merkwürdig.“ „Monsieuer Bonnet ist auf einmal merkwürdig?“ „Um es genauer zu sagen war er heute ziemlich verrückt. Ich würde schon beinahe sagen das er den Verstand verloren hat.“ „Aber Monsieur Bonnet beschlägt doch nun schon seit Jahren unsere Pferde. Ich habe wenn ich ihm bei der Arbeit zugesehen habe noch nie bemerkt das er verrückt ist.“ „Seit du das letzte Mal mit dabei warst ist fast ein Jahr vergangen. Inzwischen hat er wirklich einige Marotten entwickelt. Stell dir vor, er behauptet steif und fest sein neuer Lehrling wäre unser Dauphin!“ „Was unser Dauphin soll bei ihm in die Lehre gehen? Dann ist er wirklich verrückt geworden!“ Oscar begann schallend zu lachen. „Stell dir mal vor wie er mit seinen königlichen Gewändern da steht, krampfhaft versucht nicht schmutzig zu werden und mit seinem seidenen Taschentuch den Rauch von sich fort wedelt.“ Nun stimmte auch Andre in ihr Gelächter ein. „Ach ja und außerdem bin ich einer der ersten Franzosen der ein Portrait unserer zukünftigen Dauphine gesehen hat.“ „Wie konnte das passieren? Andre ich glaube dein Tag war noch abenteuerlicher als meiner!“ Es war ein schöner Abschluss von Oscars erstem Tag auf der Akademie. Der Unterricht General de Jarjayes machte sich nun für Oscar eindeutig bezahlt. Sie gehörte fast in jedem Fach zu den eindeutig Besten. Oscar stellte rasch fest, dass es die unterschiedlichsten Charaktere unter den Kadetten gab. Zum einen gab es die Perfektionisten, die im theoretischen Unterricht sehr gründlich lernten und im Schießen und Fechten Woche um Woche besser wurden, so das man ihnen anmerkte, dass sie zusätzlich bis zum umfallen trainieren mussten. Es gab die „Mitläufer“, die in nichts besonders gut oder besonders schlecht waren, die sich durch keinen besonderen Ehrgeiz auszeichneten, es aber für eine wichtige und ehrenvolle Aufgabe hielten Louis XV und seine Familie eines Tages beschützen zu dürfen. Und dann gab es noch diejenigen, die lediglich auf den Wunsch ihrer Väter da waren und das Leben auf der Akademie locker nahmen, allen voran Henry. Ohne es selbst zu bemerken, hatte Oscar, obwohl sie gegen die Akademie so einen Widerwillen empfunden hatte, sich in die Gruppe der Perfektionisten hoch gearbeitet. Seit sie außer ihrem Vater und Andre noch andere Übungspartner hatte, boten sich ihr nun endlich Vergleichsmöglichkeiten an. Sie verglich sich mit den anderen Jungen und verbesserte ständig ihre Technik. Und ohne das sie es selbst bemerkte eroberte sich Henry mit seiner unbekümmerten Art, die das genaue Gegenteil ihrer eigenen war, einen Platz in ihrem Herzen. Fasziniert beobachtete Oscar wie er gegen sie und andere Kadetten haushoch verlor und dies mit einer Heiterkeit, die sie selbst nie fertig gebracht hätte, wie er Aufgaben aus Bequemlichkeit nicht erledigt hatte und dies ohne mit der Wimper zu zucken vor seinem Lehrer zugab, während sie alle schriftlichen Arbeiten tadellos erledigte. Anstatt über so viel Unbekümmertheit, die ihrem eigenen Wesen völlig fremd war, entsetzt zu sein, übte Henry bald eine ungewöhnliche Faszination auf Oscar aus, sein freches Grinsen, seine spitzbübische Art und sein Gesichtsausdruck, wenn man es ihm an der Nasenspitze ansah, dass er schon wieder etwas ausheckte. Auf der anderen Seite war Henry ein richtiger Kamerad mit dem man, wie er es bereits am Anfang versprochen hatte, besonders viel Spaß haben konnte, der aber für seine Freunde durch Feuer und Wasser gehen würde. Und diese Charaktereigenschaft schätzte Oscar am meisten an ihm. Die Tage vergingen wie im Flug. Oscar musste feststellen das sie sich auf der Akademie wohl fühlte und sich auf jeden neuen Tag freute. Auch Andres Leben verlief nun anders als bisher. Seine Unterrichtsstunden waren weg gefallen. Schließlich hatte er nur wegen Oscar an ihnen teilnehmen dürfen, da er ihr Spielgefährte gewesen war. Nachdem Oscar ihren Unterricht nun auf der Akademie erhielt, gab es keinen Grund mehr Andre zu unterrichten. Immerhin war er nun vierzehn Jahre alt und hatte mehr Bildung genossen, als es für einen Pferdeburschen üblich war. Er war nun ganz von seinen Aufgaben im Stall in Anspruch genommen. Oscar hatte nur noch wenig Zeit für ihn. Doch jeden Abend ritt er ihr, so wie an ihrem ersten Tag, ein kleines Stück entgegen und wartete auf sie ungeduldig an den alten Apfelbaum, nahe des Palas de Jarjayes. Wie gebannt sah er in die Richtung aus der Oscar kommen würde und wenn eine schmale Silhouette auf einem Pferd auftauchte, dann breitete sich ein angenehmes Gefühl von Vorfreude in ihm aus und wenn er erkannte das sich die Gestalt zu einem jungen Kadetten entpuppte dann ging ein Strahlen über sein Gesicht und er ritt Oscar entgegen. Auch Sophie hatte es sich angewöhnt immer zur selben Tageszeit aus dem Fenster zu sehen und entdeckte dann Oscar und Andre wie sie einträchtig nebeneinander her ritten. So verstrichen die Wochen. Die Blüten an den Apfelbäumen waren längst abgeblüht und zwischen ihren Blättern begannen die ersten winzigen Früchte zu reifen. Dann sollte ein Tag kommen an dem Andre umsonst auf Oscar warten würde. Vergnügt saß Louis XV bei einem Fläschchen Wein in seinen privaten Gemächern. Er fand das er sich die Flasche nach einem harten Tag voller Regierungsgeschäften mehr als verdient hatte. Bald sollte seine geliebte Dubarry hinunter kommen, denn ihre Gemächer im oberen Stock waren mit seinen verbunden. Auch diese Zerstreuung hatte er sich heute mehr als verdient. Gerade als er sich recht unköniglich auf ein Kanapee werfen wollte klopfte es an der Tür. Er verkniff sich einen Fluch und ließ den Lakaien der angeklopft hatte herein treten. „Herzog La Vauguyon bittet darum empfangen zu werden.“ Ärgerlich kniff der König die Lippen zusammen. Das kleine Mannsweib des Generals de Jarjayes hatte recht gehabt. Versailles konnte wirklich unerträglich sein. Was mochte der Lehrer seines Enkels nur von ihm wollen? Hoffentlich konnte die Angelegenheit möglichst schnell erledigt werden. Auf sein „Wir lassen bitten,“ trat Herzog La Vauguyon ein. „Majestät, verzeiht mir das ich Euch zu so später Stunde noch störe....“ Der König winkte ab. „Berichtet mit was Ihr auf dem Herzen habt Herzog. Aber bitte umgehend!“ „Es handelt sich um den Dauphin.“ „Das habe ich mir beinahe schon gedacht. Was ist mit meinem Enkel?“ „Nun ja, es verhält sich so: Jeden Tag reitet Louis Auguste auf die Jagd.“ „Das ist mir bekannt. Kommt endlich zum eigentlichen Problem.“ „Das Problem, nun ja!... Wie soll ich es nur formulieren? Louis Auguste nutzt diese Ausflüge nicht um zu jagen.“ „Was Ihr nicht sagt! Trifft sich mein Enkel mit einer weiblichen Person? Das ist doch halb so schlimm!“ „Durchaus nicht Eure Majestät, durchaus nicht.“ „Was um alles in der Welt macht er denn dann?“ „Er geht bei einem Schmied in die Lehre um das Schmiedehandwerk zu erlernen.“ „Wie bitte?“ „Er geht bei einem Schmied....“ „Das habe ich verstanden! Bringt mir sofort den Dauphin!!! Die letzten beiden Sätze Louis XV hallten düster durch die Gänge von Versailles. Der König war wütend wie schon lange nicht mehr. Der Dubarry war für den heutigen Abend abgesagt worden und statt dessen musste er sich nun um seinen missratenen Enkel kümmern, der offensichtlich lieber Schmied werden wollte, als eines Tages die Geschicke Frankreichs zu lenken. „Wollen Sie mich und sich selbst zum Gespött sämtlicher Untertanen machen Louis Auguste? Ich biete Ihnen ein Versailles eine Zerstreuung nach der anderen aber Sie, der zukünftige König von Frankreich, verbringen Ihre Zeit lieber mit einem Schmied.“ „Majestät Ihr müsst mir glauben das Monsieur Bonnet ein sehr ehrenwerter Mann ist. Sogar General de Jarjayes, auf den Ihr doch so große Stücke haltet, gehört zu seinen Kunden.“ „Selbst wenn er die Rosse des gesamten Hochadels beschlagen würde wünsche ich nicht das Sie weiter Umgang mit ihm pflegen. Wie sind Sie nur auf so einen Gedanken gekommen?“ „Es ergab sich so,“ begann Louis Auguste zu berichten. „Ich war eines Tages auf der Jagd. Mein Lehrer Herzog La Vauguyon und der Graf de Meuron begleiteten mich. Weil ich mich dabei ohnehin ständig schmutzig mache trug ich nur die aller einfachste Kleidung. Dies ist mir ohnehin am liebsten. Wir hatten noch gar nichts erlegt als das Pferd des Grafen zu hinken begann. Er saß ab und stellte fest das ein Hufeisen fehlte. Ein Bauer der mit seinem Karren vorbei kam sagte uns das ein guter Schmied in der Nähe seine Werkstatt hätte und so begaben wir uns zu ihm. Jedenfalls hielt er mich aufgrund meiner einfachen Kleidung lediglich für einen Knecht. Wir saßen draußen auf der Bank in der Sonne, als er zu uns kam, erklärte das sein Geselle gerade krank im Bett lag und forderte mich darum auf mit Hand an zu legen. Ich war noch nie in einer Schmiede gewesen und war neugierig. Deshalb stand ich auf und ging mit ihm hinein, bevor La Vauguyon und de Meuron noch recht protestieren konnten. Dort durfte ich die Pferde halten und ihm alles Nötige zureichen. Zum ersten Mal in meinem Leben hat mir etwas richtig Spaß gemacht. Ich stellte fest das es viel amüsanter ist als unsere ewigen Konzerte, Bälle und Kartenspiele in Versailles. Bald begann ich zu schwitzen aber es machte mir nichts aus. Monsieur Bonnet lobte mich das ich sehr fleißig wäre und schnell lernen würde. Er bot mir an zu ihm in die Lehre zu gehen. Da musste ich ihm wohl oder übel erklären, dass er den Dauphin von Frankreich vor sich hatte. Er wollte es mir zunächst nicht glauben und dachte ich wäre geisteskrank aber dann hat er gemeint auch wenn ich ein Prinz wäre, könnte man mich doch zu einer vernünftigen Arbeit gebrauchen und weil es mir so gut bei ihm gefallen hat, fragte ich nach, ob ich nicht doch jeden Tag zu ihm kommen dürfte um bei ihm das Schmieden zu lernen. Bitte verbietet es mir nicht Majestät! Ich fühle mich seit ich bei Monsieur Bonnet in die Lehre gehe so zufrieden wie schon lange nicht mehr.“ Seit König Louis seinen Enkel kannte, hatte dieser noch nie so lange und so viel gesprochen. Offensichtlich lag ihm wirklich etwas an der Schmiedekunst. Vielleicht gab es eine Lösung ihm dieses Handwerk nicht verbieten zu müssen, sondern es wie eine exzentrische Freizeitbeschäftigung aussehen zu lassen. Um Madame Dubarry die Zeit zu vertreiben saß ihre Hofdame Veronique de Fortune mit ihr bei einem Kartenspiel. „In einem Jahr wird wohl schon unsere neue Dauphine am Hof sein?“ erkundigte sich Veronique.“ „Das Datum der Hochzeit steht zwar schon fest aber der König will nicht das ich es verrate,“ antwortete die Gräfin Dubarry. Veronique wirkte über alle Massen gekränkt. „Aber Madame ich bin schließlich nicht irgendjemand, sondern Eure beste Freundin. Es tut mir sehr weh wenn Ihr mir so wenig Vertrauen schenkt.“ „Oh nein, meine Liebe, bitte fühlt Euch nicht von mir verletzt! Ich wollte so etwas nicht zu Euch sagen. Natürlich nehmt Ihr an allem Wichtigen in meinem Leben Anteil. Der König hat mir erzählt das die kleine Erzherzogin nächstes Jahr am 20. April in Wien abreisen wird um am 16. Mai unseren Dauphin zu heiraten.“ Veronique wirkte nun sehr zufrieden. „Sicher weiß man schon etwas Näheres über die Reiseroute der Dauphine. Durch welche Ortschaften wird sie reisen?“ „Darüber hat Seine Majestät nicht mit mir gesprochen. Außerdem ist es doch nicht wichtig. Hauptsache sie kommt heil an und wir werden in den Genuss eines rauschenden Hochzeitsfestes kommen.“ Ein genauer Beobachter hätte einen unzufriedenen Zug um Veroniques Mund bemerkt. Auf ein Klopfen trat der Herzog La Vauguyon ein, dicht gefolgt von dem österreichischen Botschafter Fürst Starhemberg und seinen Begleitern. Da der König so ungewöhnlich große Stücke auf seine Mätresse hielt, hatte der Fürst Starhemberg beschlossen das es ein kluger, diplomatischer Schachzug wäre, ihr einmal einen Besuch abzustatten. All seine Vorurteile gegenüber Madame Dubarry lösten sich in Luft auf, als sie fröhlich rief: „Wie reizend von Euch mich zu besuchen! Nicht wahr Veronique? Bitte setzt Euch, ich werde sofort nach einem guten Wein schicken lassen.“ Fürst Starhemberg betrachtete Madame Dubarry. Sie war in der Tat unbeschreiblich hübsch und wirkte durchaus liebenswürdig. „Sicher habt Ihr bereits alle erfahren das der König gerade eine Unterredung mit seinem Enkel hat,“ eröffnete der Lehrer des Dauphins das Gespräch. Alle Blicke wandten sich ihm zu. „Unser kleiner Prinz hat äußerst wenig für die Vergnügungen am Hofe übrig. Stattdessen geht er bei einem Schmied in die Lehre.“ Alle begannen zu lachen. „Für junge Damen scheint er ebenfalls wenig übrig zu haben,“ meinte Veronique. „Das Porträt unserer hübschen, zukünftigen Dauphine hat er jedenfalls kaum eines Blickes gewürdigt.“ „Mit dem Bild gibt es allerdings eine Besonderheit,“ antwortete ihr der Fürst Starhemberg. „Auf dem Bild ist die zukünftige Dauphine von Frankreich überhaupt nicht abgebildet.“ „Wer dann?“ riefen fast alle gleichzeitig. „Um allen in Frankreich zu zeigen wie hübsch ihre Tochter ist, ließ Maria Theresia den Maler Herr Ducreux nach Schloss Schönbrunn kommen. Er porträtierte dort die Erzherzogin Maria Antonia, so wie es gewünscht wurde. Allerdings war die Kaiserin mit dem Bild äußerst unzufrieden. „Weshalb denn?“ Fürst Starhemberg konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Weil jeder der das Bild sehen würde, sofort feststellen könnte, dass die Braut des Dauphin ein kleines Mädchen von dreizehn Jahren ist. Ist niemandem aufgefallen das auf dem Bild, das wir nach Versailles gebracht haben, eine erwachsene Dame abgebildet ist und kein junges Mädchen?“ Im Raum wurde es still. Es war wirklich niemandem aufgefallen das die Person auf dem Bild wohl kaum erst dreizehn Jahre alt sein konnte. „Die Kaiserin war jedenfalls der Ansicht, dass dieses Bild auf gar keinen Fall nach Frankreich geschickt werden könne,“ fuhr Fürst Starhemberg fort. „Immerhin sollt ihr Franzosen in dem Glauben bleiben eine voll ausgereifte junge Dame als Kronprinzessin zu bekommen, auch wenn sie in noch so jugendlichem Alter sein mag. Also musste der arme Herr Ducreux ein zweites Porträt anfertigen, auf dem Maria Antonia so abgebildet ist wie sie vielleicht einmal als erwachsene Frau aussehen wird. Dieses Bild habe ich Euch nach Versailles gebracht, während sich das Original noch in Wien befindet.“ „Dann ist Eure Kaiserin äußerst gerissen,“ meinte die Gräfin Dubarry. Damit sprach sie allen aus der Seele. „Wir haben heute übrigens etwas merkwürdiges erlebt,“ erzählte der Fürst Starhemberg weiter. „Als wir einen jungen Burschen nach dem Weg fragten, lud er uns in das Palas seiner Herrschaft ein. Er ließ uns von der Dienerschaft in der Küche bewirten, die Herrschaften selber bekamen wir erst bei unserem Aufbruch zu Gesicht. Dieser Bursche sprach jedenfalls unsere Muttersprache und konnte sehr sauber schreiben, obwohl er nur im Stall arbeitet. Als wir uns dann auf den Weg machen wollten, sahen wir das jüngste Kind dieser Familie. Es trug eine Uniform und sollte genau an diesem Tag auf der Offiziersakademie antreten. Eine der Bediensteten behauptete aber das dieses Kind ein Mädchen sei, dass wie ein Knabe erzogen wird.“ „Ihr wart bei uns zuhause!“ rief Veronique erfreut. „Ihr wart im Haus meiner Eltern, der Jarjayes und der junge Soldat den ihr gesehen habt war meine Schwester Oscar. Mein Vater hat sie tatsächlich wie einen Knaben erziehen lassen. Und der Stallbursche war unser Andre, Oscars ehemaliger Spielgefährte.“ „Dann stimmt diese Geschichte also?“ „Natürlich stimmt sie!“ rief die Dubarry. „Ich kann es kaum erwarten das unsere liebe Lady Oscar nach Versailles kommt um uns zu beschützen. Dann werden zwei Schwestern der Familie de Jarjayes uns dienen.“ Dabei sah sie Veronique freundschaftlich an. Man plauderte noch über dieses und jenes. Die Österreicher waren sehr charmant zu den Damen und Veronique stellte zu ihrer eigenen Überraschung fest, dass es auch nette Österreicher zu geben schien. Schließlich verabschiedeten sich alle Anwesenden von der Dubarry und verließen gemeinsam ihren Salon. Der Fürst Starhemberg und seine Begleiter gingen in die entgegengesetzte Richtung wie der Lehrer des Dauphins und Veronique. „Sie sind eben doch ein kurioses Volk,“ meinte der Fürst als er sich sicher war das sie wieder unter sich waren. „Gebildete Stallburschen, Offizierskadetten die Mädchen sind, Schmiedelehrlinge die Kronprinzen sind und jetzt bekommen sie auch noch eine Kronprinzessin die noch ein Kind ist.“ Sie lachten laut über ihre Gastgeber. „Aber wenigstens ihr König hat Geschmack. Die Dubarry ist rund und süß wie ein Marillenknödel.“ Kaum waren die Gäste aus Österreich außer Sichtweite, packte Herzog La Vauguyon Veronique, zog sie in eine dunkle Ecke und drückte sie grob gegen die Wand. „Was hat die Schlampe des Königs gesagt? Habt Ihr die gewünschten Informationen?“ „Die Dauphine wird sich nächstes Jahr am 20. April auf den Weg nach Frankreich machen. Die Hochzeit soll am 16. Mai stattfinden.“ „Und weiter? Welche Reiseroute wird sie nehmen? In welchen Städten wird sie Rast machen?“ „Die Dubarry wusste nichts darüber. Der König hat ihr davon nichts mitgeteilt.“ La Vauguyon drückte mit einer Hand Veronique fest die Kehle zu, so das ihr die Luft knapp wurde. Gefährlich sah er sie an. „Dann findet diese Dinge heraus! Was ist mit General de Ronsard? Ist er noch Euer Liebhaber?“ Veronique versuchte trotz seinem eisernen Griff an ihrer Kehle ein Nicken zu Stande zu bringen. „Dann trefft Euch sobald als möglich wieder mit ihm. Er wird mit aller höchster Wahrscheinlichkeit die Dauphine in Wien abholen und hier her begleiten. Also wird er auch ihre Reiseroute mit planen. Trefft Euch so oft als möglich mit ihm und dann durchsucht seine persönlichen Sachen, bis Ihr die richtigen Schriftstücke mit dem Verlauf der Reise gefunden habt!“ Endlich ließ er von Veronique ab. Ihre Kehle schmerzte. Sie hatte unbändige Angst vor La Vauguyon. Wenn sie versagte würde er sie sicher umbringen lassen. Sie bereute es bitter sich vor zwei Jahren, als die Mutter des Dauphin, Maria Josepha, noch lebte auf dieses Komplott mit eingelassen zu haben. Aber sie wusste nicht wie sie wieder heraus kommen sollte. Es schien keinen Weg zurück mehr zu geben. „Ich werde mein Bestes versuchen,“ brachte sie mühsam heraus. „Trinkt mit de Ronsard vor Eurem Akt einen Rotwein und gebt unbemerkt etwas Schlafmittel in sein Glas. Dann könnt Ihr Euch in aller Ruhe nach dem Nötigen umsehen. Er wird seine Müdigkeit sicher nur darauf zurück führen, dass er sich im Bett so verausgabt hat.“ Der Herzog lachte gehässig. „Vielleicht macht Ihr Eure Sache aber auch so gut, dass er Euch bereits im Voraus ein paar Informationen zukommen lässt. Ich verlasse mich auf Euch! Wenn Ihr versagt wird es übel mit Euch enden!“ Damit ließ er Veronique endlich alleine, die zitternd und schluchzend vor Angst zu Boden ging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)