Seven Seconds von Nubes (Haruka X Michiru) ================================================================================ Kapitel 1: One Second --------------------- ~One~ Ach verdammte Scheiße… wieso muss es ausgerechnet jetzt so sintflutartig regnen? Der Wind zerrt heftig an meiner schwarzen Lederkombi. Es war zwar Gewitter gemeldet aber das hier hat definitiv eine Unwetterwarnung verdient. Genau genommen  passt das Wetter eigentlich wunderbar zu meiner Stimmung…  die ist genauso rabenschwarz wie der dämmrige Abendhimmel. Ich kneife verärgert die Augen zusammen um die Straße besser sehen zu können. Es hilft wenig. Der Regen peitscht wie ein dichter Vorhang auf mich herab und lässt mich kaum die Hand vor Augen erkennen. Ein Motorrad hat nun mal keine Windschutzscheibe. Klasse Haruka, Treffer versenkt.  Wenn ich mich doch nur konzentrieren könnte! In meinem Kopf schwirrt es, ich kann einfach keinen klaren Gedanken fassen. Scheiße Scheiße Scheiße! Was tue ich eigentlich hier? Ich rase mit fast 200 Sachen die Serpentinen hoch und drifte um jede Kurve. Meine Triumph Daytona bricht mir gefährlich oft zur Seite aus, ich kann sie kaum in den Kurven halten. Kein Wunder, die Straße schwimmt. Ich schlingere. Ist mir egal, ich brauche Luft, ich muss weg. Einfach weit weg und mich irgendwie abreagieren. Der Wind und der Regen peitschen in mein Gesicht, aber ich spüre es kaum. Irgendwo in meinem Kopf weiß ich wie lebensmüde das hier gerade ist. Aber was habe ich noch zu verlieren? Meine Chiru verlässt mich. Meine geliebte Michiru. Sie wird mit diesem verdammten Mistkerl nach Europa gehen. Verdammte Drecksscheiße! Ich weiß genau dass er scharf auf sie ist! Ein Jahr! Gleich explodiert mein Kopf vor lauter kranken Bildern, auf denen ich Michiru mit diesem Kerl in den unmöglichsten Situationen sehe. Ich drehe durch! Ich werde ihn umbringen wenn ich ihn in die Finger kriege! Ein Ruck reißt mich aus meinen düsteren Gedanken. Ein unschönes, sehr beunruhigendes Geräusch folgt. Wie in Zeitlupe sehe ich mein Motorrad ausbrechen…  Ich kann es nicht mehr halten…  Verdammt wars das jetzt? ... Scheiße, ist das wirklich das Ende? Das soll alles gewesen sein? ... Dumpf glaube ich weit hinter mir meinem Namen zu hören. Ganz leise, oder ist es nur ein Rauschen des Windes? …   … Ich fühle wie ich fliege, ich gleite förmlich durch die Luft. Der Regen und der Wind, das alles spüre ich nicht mehr, obwohl meine Sinne alle bis zum Zerreißen geschärft sind.  Ich sehe plötzlich Details aus meiner Umgebung ganz klar. Ganz langsam kann ich einen Wassertropfen von einem windgepeitschten Blatt rinnen sehen. Die Zeit steht nahezu still, alles läuft wie in Zeitlupe ab. Ich spüre meinen Körper, jede Sehne und jeden Muskel, ganz deutlich. Plötzlich taucht eine Szene vor meinem Inneren Auge auf. Eine wohlbekannte, wundervolle Szene, eine Erinnerung, die lange zurück liegt…   ~ Rom, Italien, Basilica di Sant’Agostino – Eine zierliche junge Frau  mit ungewöhnlichem, zartgrünem Haar von vielleicht 20 Jahren stand versonnen vor dem Werk Madonna dei Pellegrini des alten Meisters Caravaggio und musterte es ausgiebig. Sie wirkte entspannt und wunderschön wie eine Elfe in ihrem leichten Sommerkleid. Fast fröstelte sie in der erfrischenden Kühle, die die alten Mauern der Kirche im Gegensatz zum heißen Spätsommerwetter draußen boten. Sie schloss kurz die Augen und genoss die Stille. Außer ihr war niemand in der Kirche. Der Frieden wurde jäh von dem Zuschlagen einer Tür und eilig herannahenden, festen Schritten unterbrochen. Michiru öffnete die Augen und blickte in Richtung der ärgerlichen Lärmquelle. Was sie sah brachte sie zum Schmunzeln. Ein gehetzt wirkender, blonder junger Mann in Shorts und lässig aufgeknüpftem weißen Hemd war soeben in die Kirche geeilt und steuerte geradewegs auf die kleine Seitenkapelle zu in der sie stand. Er schlüpfte hinter ihr in die schützende Bucht und seufzte tief. Michiru musterte ihn erneut interessiert und musste feststellen, dass es tatsächlich eine junge Frau war, die ihr gegenüberstand. Sie ließ einen bewundernden Blick über ihr Gegenüber wandern und stellte fasziniert fest, dass sie ausnehmend attraktiv war. Schon hatte sie ihr den Lärm verziehen, der ihren freien Nachmittag so unsanft gestört hatte.  „Guten Tag, darf ich Sie fragen was sie an diesem bis eben noch so wunderbar ruhigen Ort suchen, dass sie so gehetzt hier einfallen?“ Die angesprochene junge Frau, die eben noch um die Ecke gelugt hatte, so als würde sie hoffen man verfolge sie nicht, drehte sich zu Michiru um und schenkte ihr ein umwerfendes Lächeln.  „Ich suche gerade diese Ruhe und Frieden, auch wenn Sie es sicher kaum glauben werden. Bis eben wurde ich noch von einer Schar kreischender Groupies durch halb Rom gejagt. Dieses nette Refugium kam mir folglich ganz gelegen, denn hier sucht mich sicher keiner. Verzeihen Sie, ich habe mich nicht vorgestellt. Ich bin Tenoh Haruka.“ Michiru lächelte zurück.  „Ich bin Kaioh Michiru, sehr erfreut. Sie sind Japanerin? Was für ein Zufall, außerhalb der Hauptreisezeiten treffe ich selten Landsleute so fern von Zuhause. Und ich reise wirklich viel. Auch wenn Sie sozusagen auf der Flucht sind, ist es schon sehr gewagt ein altehrwürdiges Kulturdenkmal wie dieses hier so in seiner Ruhe zu stören. Wissen Sie denn nicht, wovor sie stehen? Das ist Caravaggios ehrwürdige Madonna dei Pelligrini.“ Michiru grinste spitzbübisch und schaute Haruka herausfordernd an. Diese blickte erstaunt zurück. „Kaioh Michiru? Die berühmte Violinsolistin? Ich hörte dass sie auf Ihrer Welttournee hier Station machen, aber dass ich Sie gleich persönlich treffe hätte ich wirklich nicht erwartet. Ich liebe ihre eingespielte Version der Sonata Maria Luisa von Paganini. Ich höre sie gerne wenn ich mich auf ein Rennen vorbereite.“ Haruka grinste breit als sie Michirus fragenden Blick auffing. „Sie kennen mich also wirklich nicht? Wie erfrischend jemanden zu treffen bei dem das der Fall ist. Gerade bin ich nämlich auf der Flucht vor lauter durchgedrehten Fans, die mir Autogramme und Fotos abjagen wollen. Ich bin wegen des MotoGP in der Stadt und gehöre zu den Favoriten für den Weltmeistertitel diese Saison, deswegen ist der Hype besonders groß.“ Michiru zog ungläubig eine Augenbraue hoch, erwiderte aber Harukas Blick fest und blickte ihr herausfordernd und ein wenig herablassend in die Augen. „Tut mir leid, bei mir fällt der Groschen nicht. Ich kenne Sie wirklich nicht. Nun, das mag ja alles sein, was Sie da behaupten, aber das ist noch lange kein Grund die Kunstwerke in dieser wunderschönen Kirche in ihrer Mittagsruhe zu stören.“ Harukas Augen blitzen gefährlich auf und sie blickte die junge zierliche Frau interessiert an. *Sieh an, du bist nicht nur wunderschön, sondern auch noch schlagfertig und zeigst dich wenig beeindruckt von mir. Na warte, dieses Spiel beherrsche ich auch äußert perfekt…* Die Blicke der beiden Frauen lagen noch immer fest aufeinander während die Luft langsam begann vor Spannung zu knistern. Haruka beugte sich langsam zu Michiru vor, näherte sich Zentimeter um Zentimeter ihrem Gesicht. Sie stoppte nahe an Michirus Mund, sodass diese ihren heißen Atem ganz deutlich spüren konnte. Eine leichte Gänsehaut bereitete sich auf Michirus Rücken aus und sie blickte erwartungsvoll zurück. Haruka unterbrach die Anspannung der Situation plötzlich und stoppte kurz vor Michirus Ohr. „Wenn das so ist… schlage ich vor Sie lernen mich einfach besser kennen…“ Michirus Nackenhaare stellten sich auf. Die Luft knisterte… ~ Kapitel 2: Two Seconds ----------------------  ...Two... ~ Rom… meine erste Begegnung mit meiner Schönheit. Wie lange mag das her sein? Bestimmt sechs, fast sieben Jahre. Es waren die wundervollsten Jahre meines Lebens. Ich merke, dass ich mich langsam in der Luft drehe. Ein großer Regentropfen kommt in Zeitlupe auf mich zu. Ich kann ihn deutlich sehen, aber er berührt noch nicht mein Gesicht. Mein Blick verschwimmt erneut und vor meinen Augen taucht das Bild einer wohlbekannten Rennstrecke auf…   ~   Motegi, Japan, Twin Ring Motegi – Wie der Blitz schoss die schwarz-rote Fireblade aus der 180°-Haarnadelkurve und beschleunigte sofort wieder auf Höchstgeschwindigkeit. Hochkonzentriert brachte Haruka die letzten 400 Meter der Rennstrecke hinter sich. Ein Blick auf den Tacho zeigte ihr noch Spielraum nach oben. Sie schaltete einen Gang niedriger, drehte ihr Motorrad nahe an den roten Bereich und passierte die Start-Ziel Linie. Zufrieden ließ sie das Superbike ausrollen und suchte den Blick ihres Trainers, der sich in diesem Moment auch schon auf dem Weg zu ihr befand. Fragend blickte sie in seine Richtung. Er zeigte mit dem Daumen in die Höhe und blieb grinsend vor ihr stehen.    „Perfekt Ruka, das war Jahresbestleistung! Wenn du morgen so fährst hast du die Pole sicher und den Sieg fast schon in der Tasche. Gönn dir heute nochmal eine Pause, ich weiß du feierst gerne und lang, aber es wäre wichtig dass du morgen top fit bist. Das ist unsere Chance den Sack zu zumachen!“   Haruka grinste Motoki an. Er war zwar ihr Trainer, aber nur unweit älter als sie und auch außerhalb der Rennstrecke ihr bester Kumpel in allen Lebenslagen.   „Geht klar Boss. Ich hab heute nichts vor. Ich werde noch ein paar Runden drehen und dann brav nach Hause gehen.“   Motoki grinste zurück und blickte sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Tenoh Haruka hat keine Lust auf Party und betrunkene, leicht zu verführende Mädchen? Das passt gar nicht zu dir. Was ist los, bist du krank?“   Haruka grinste versonnen und blickte kurz in den Himmel und dann zurück zu Motoki.   „Nein ich bin nicht krank. Und bevor du fragst, ich befürchte deine Neugierde wird dich leider umbringen müssen, mein guter Freund. Von mir erfährst du nichts. Wenn es allerdings was zu erzählen gibt bist du der erste.“   Sie streckte ihm die Zunge raus. Er grinste kurz, dann wurde er ernst.   „Sie ist was besonderes, oder?“   Haruka ließ ihren Blick über die Strecke wandern und war in ihre Gedanken an die wundervolle, grünhaarige Elfe versunken, die ihr seit Wochen Tag und Nacht im Kopf herum spukte.   „Ja, das ist sie definitiv.“   Motoki lächelte und hoffte still bei sich, dass diese unbekannte Frau seine Ruka endlich von einem geregelten und monogamen Leben überzeugen konnte. Er wünschte es ihr von Herzen. Die blonde Rennfahrerin saß immer noch auf ihrem Motorrad und starrte gedankenverloren auf die aufgehenden Sterne am blauen Nachthimmel. Sie hatte gar nicht bemerkt dass Motoki gegangen war. Als sie realisierte, dass es schon dunkel wurde, seufzte sie tief und wollte gerade vom Motorrad steigen, als ihre Augen an einer ihr nur zu bekannten Person hängen blieben, die sich an das Geländer auf der großen Haupttribüne lehnte und auf sie herunter blickte. Michiru lächelte, ihre Haare wurden vom Mondlicht sanft beleuchtet und wehten leicht im Herbstwind. Sie trug ein schwarzes kurzes Cocktailkleid und darüber einen roten Mantel gegen die aufkommende Oktoberkälte. Haruka konnte die Augen nicht von ihr lassen. Sie stellte wie hypnotisiert ihr Motorrad ab und ging auf die zarte Schönheit zu. Michiru sagte immer noch kein Wort, sondern lächelte nur weiter. Schließlich blieb Haruka unter der Tribüne stehen und blickte fragend nach oben.   „Was machen Sie denn hier, Kaioh-sama. Ich dachte die nächsten Stationen Ihrer Welttournee würden Sie nach Südamerika führen und Sie wollten nicht vor Weihnachten zurückkehren?“   Michiru löste sich vom Geländer, kam langsam herunter und ging mit leichten, kaum hörbaren Schritten auf die Blonde zu, welche immer noch völlig ungläubig auf die Violinistin blickte. Michiru blieb vor ihr stehen und nahm sanft Harukas Hand in ihre.   „Ich hatte Heimweh…“ ~ Kapitel 3: Three Seconds ------------------------ ~Three~ ~ Links an meinem Arm fliegen abgerissene Blätter vorbei und streifen meinen Arm. Das sanfte Streicheln des Blattes kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Unter mir kann ich nun den grauen, völlig überfluteten Asphalt vorbeifliegen sehen, auf dem Teile meiner geliebten Daytona langsam vorbeischrammen. In meinem Kopf entsteht währenddessen ein neues Bild, ein stilvolles Hotel taucht auf, an das ich mich nur zu gut erinnere…   ~   Osaka, Japan, Ritz-Carlton Hotel –   Die letzten Töne von Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert in e-Moll waren einige Sekunden verklungen, als tosender Applaus losbrach. Michiru stand vor dem großen NHK-Sinfonieorchester in einer traumhaften Seidenrobe in der Farbe ihre Haare und lies ihre Stradivari sinken, um sich lächelnd vor ihrem Publikum zu verbeugen. Bis zu diesem Zeitpunkt war sie so hochkonzentriert gewesen, dass sie sich gar nicht richtig umgesehen hatte. Doch jetzt entdeckte sie zu ihrer großen Freude in der dritten Reihe eine entspannt lächelnde Haruka im schicken dunkelblauen Smoking, die sie mit bewunderndem Blick ansah. Michiru schenkte ihr einen langen, intensiven Blick und verließ dann nach erneutem Verbeugen die Bühne in Richtung ihres persönlichen Backstage-Raums. Sie war müde nach dem langen Konzert und erschöpft. Hochkonzentriert und mit solcher Hingabe und Perfektion zu spielen kostete sie dennoch einiges an Kraft. Gerade als sie den teuren, geliehenen Chopard-Schmuck ablegte, klopfte es an der Tür. Im selben Moment war sie wieder wach. Sie lächelte und bat Haruka herein.   „Wie schön dass Sie kommen konnten, Haruka-san. Ich freue mich wirklich sehr. Könnten Sie mir kurz mit dem Kleid behilflich sein?“   Michiru hob ihre Haare im Nacken hoch und bot der Anderen elegant ihren Rücken an, auf dem der lange Reißverschluss des Kleides bis zu ihren Hüften reichte. Sie war gespannt wie die Blonde reagieren würde. Hatte sie zu viel gewagt? Doch Haruka trat nur schmunzelnd hinter sie und öffnete quälend langsam das Kleid.   „Das Konzert war umwerfend, Michiru-san. Sie spielen live noch wundervoller als auf den Aufnahmen.“   Sie beugte sich leicht nach vorne und streifte mit ihrem Atem Michirus empfindlichen Nacken.   „Im Übrigen finde ich, wir könnten langsam zum Du übergehen, meinst du nicht?“   Michiru drehte sich langsam zu ihr um und versank für eine kleine Ewigkeit in Harukas strahlend blauen Augen.   „Gerne… Ruka…“   Sie flüsterte den Namen fast. Harukas Nackenhaare stellten sich auf als sie ihren Namen aus dem Mund der Schönheit hörte. Es war kaum mehr als ein Hauchen. Sie fasste sich wieder und brachte etwas Distanz zwischen sie.   „Darf ich dich noch auf einen Drink in die Hotelbar einladen? Sie haben ausgezeichnete Cocktails auf ihrer Karte, ich war hier bereits einige Male im Rahmen von Benefizrennen zu Gast.“   Michiru grinste die Blonde frech an.   „Gerne darfst du das, doch zuerst sollte ich mir wohl etwas anderes anziehen. Würdest du wohl draußen warten? Ich denke ich schaffe es das restliche Kleid alleine ausziehen.“ Haruka fühlte sich zuerst leicht überrumpelt, zog dann aber eine Augenbraue in die Höhe und ging mit einem Grinsen im Gesicht in Richtung Tür.   „Schon gut Mylady, ich muss sowieso noch mein Auto holen lassen, sonst komme ich heute Nacht nicht nach Hause. Ich warte in der Lobby auf dich.“   Sie wandte sich zum Gehen.   „ Ruka… warte…“   Ein weiterer Schauer kroch über den Rücken der Blonden. Wie konnte sich der eigene Name aus dem Mund dieses Engels nur so verheißungsvoll und gleichzeitig so unschuldig anhören?   „ Ruka… ich habe eine Suite mit mehreren Schlafzimmern hier im Hotel, möchtest du nicht vielleicht heute Nacht hierbleiben? Der Weg nach Tokyo ist so weit und es ist schon spät. “ Haruka drehte sich langsam um und warf der Violinistin einen überraschten Blick zu, während ihr Grinsen immer breiter wurde.   „Nur wenn ich selbst entscheiden darf in welchem der Schlafzimmer ich nächtigen möchte…“ ~ Kapitel 4: Four Seconds ----------------------- ~Four~ ~   Aus dem Augenwinkel kann ich einige kleine Splitter meines Motorrads erkennen, die ebenfalls durch die Luft gewirbelt werden. Hoffentlich ist die Maschine kein völliger Totalschaden. Ohje, was mache ich mir solche Gedanken, ich bin das viel größere Problem. Es können erst wenige Sekunden seit dem Unfall vergangen sein doch mein Gehirn scheint auf Hochtouren zu arbeiten. Schon wieder rauscht mir eine alte Erinnerung durch den Kopf, wohl die schönste die ich überhaupt besitze…   ~   In der Nähe von Eniwa, Hokkaido, Onsen Urawa –   Der Kellner näherte sich diskret dem kleinen Tisch am Fenster, an dem zwei junge Frauen saßen und sich angeregt zu unterhalten schienen. Er stellte den Tee vor den Damen ab und zog sich wieder zurück. Michiru nippte leicht an ihrem Jasmintee und sah Haruka zweifelnd an.   „Willst du wirklich nochmal raus gehen, Ruka? Es ist doch schon dunkel. Das ist mein erster Urlaub seit drei Jahren und ich kann wirklich etwas Ruhe und Entspannung gebrauchen. Lass uns hier bleiben.“   Haruka lachte und nahm Michirus Hand in ihre. Sie nahm ihr den Tee ab und zog sie mit sich nach draußen, wo ihre geliebte Triumph stand.   „Bitte Chiru, ich will dir unbedingt etwas zeigen. Die Herrin des Hauses hat es mir persönlich empfohlen, es soll atemberaubend sein.“   Michiru konnte ihrem Charme einmal mehr nicht widerstehen und ließ sich von Haruka auf das Motorrad setzen. Sie protestierte ein wenig, bis die Blonde ihren Mund sanft mit ihrem Zeigefinger verschloss.   „Du wirst es nicht bereuen, vertrau mir.“   Michiru ergab sich und schmiegte sich eng an Haruka, während sie durch die Nacht fuhren. Die Blonde fuhr zwar nicht besonders langsam, aber so sicher dass sich Michiru bald entspannte und den leichten Nachtwind genoss. Es war ungewöhnlich warm für Mitte November. Nach einiger Zeit hielt Haruka an und führte Michiru in ein kleines Wäldchen hinein.   „Bist du dir sicher dass wir hier richtig sind, Ruka? Das sieht mir alles nicht sehr einladend aus.“   Haruka blieb stehen und trat einen Schritt zur Seite.   „Ganz sicher, wir sind da.“   Vor ihnen lag ein kleiner, natürlich entstandener Teich, der vom Vollmondlicht in sanftes Silber getaucht wurde. Rings herum an den Ufern wuchsen Schilf und Gräser und große weiße Steine begrenzten die Kontur. Gespeist wurde er offenbar von einer heißen Quelle, denn es stiegen kleine Dampfschwaden von der Wasseroberfläche auf. Die Szenerie wirkte beinahe unwirklich schön. Michiru drehte sich langsam von Haruka weg und hob neckisch ihr Haar im Nacken an.   „Nun... Ruka…“   Sie hauchte den Namen geradezu.    „Ich habe meine Meinung geändert, dieser idyllische Platz ist mehr als einladend, meinst du nicht? Hilfst du mir bitte mit dem Kleid?“   Haruka war wie elektrisiert vom Beiklang der leisen Stimme ihrer Freundin. Mit leicht zittrigen Fingern öffnete sie ihr den Reißverschluss. Michiru ließ langsam und in aller Ruhe das Kleid von ihren Schultern und anschließend in einer fließenden Bewegung auf den Boden gleiten. Sie ging nun völlig nackt einige Schritte in Richtung des Teichs und drehte dann den Kopf nach hinten zu Haruka, die unfähig war, sich zu bewegen.   „Möchtest du nicht mitkommen,… Ruka?“   Haruka brauchte eine Weile, bis sie realisierte, dass dieser wunderschöne Engel vor ihr sie tatsächlich gerade gebeten hatte, sie in diesen einladenden Teich zu begleiten.   *Reiß dich zusammen Haruka, sie ist nicht die erste Frau die du nackt siehst. Wohl aber…  die verführerischste und perfekteste zugleich, das muss ich mir eingestehen. Ich bin ihr hoffnungslos verfallen.* Die Blonde fasste sich wieder und war in wenigen Schritten bei Michiru. Sie drehte sie sanft zu sich um und ließ bewundernd den Blick über die makellose Haut ihrer grünhaarigen Elfe streifen. Dann nahm sie ihre Hände und führte sie zu den Knöpfen ihres Hemdes. Michiru tat ihr den Gefallen und strich den lästigen Stoff von ihren Schultern. Die Hose glitt ebenfalls zu Boden, während Michiru ihre Hände langsam unendlich sanft von Harukas Schlüsselbein zu ihren Hüften gleiten ließ. Dann stoppte sie plötzlich, begann zu grinsen, drehte sich um und ging ins Wasser.   „Den Rest schaffst du auch alleine, Ruka-chan. Beeil dich, ich warte nicht ewig.“   Haruka war kurz perplex, grinste dann aber ebenfalls und schlüpfte extra langsam aus ihrer Unterwäsche. Währenddessen hielt sie ständigen Blickkontakt mit Michirus wunderschönen Augen und meinte Verlangen darin erkennen zu können. Zufrieden ging sie ohne jede Scham Schritt für Schritt auf die Violinistin zu. Diese ließ währenddessen ihre Augen über Harukas durchtrainierten Körper gleiten und musste kurz schlucken. Es war nicht einfach ruhig zu bleiben wenn jemand wir Haruka Tenoh gerade wie Gott sie geschaffen hatte auf einen zukam.   *Sie ist wunderschön, einfach wunderschön. Ich bin wie besessen von ihr und hab es gar nicht bemerkt.*   Endlich erreichte Haruka Michiru und nahm sie sanft hoch, sodass die Kleinere ihre Beine um ihre Hüften schlingen konnte. Minutenlang blickten sie sich in die Augen und sagten beide kein Wort. Nach einer scheinbaren Ewigkeit nahm Michiru Harukas Gesicht in beide Hände und drückte sie sanft etwas nach hinten. Sie strich zärtlich die Konturen ihrer Lippen nach und betrachtete sie eindringlich. Schließlich senkte sie langsam ihr Gesicht hinunter und näherte sich dem der Blonden. Haruka starrte wie gebannt auf Michirus Lippen, während ihr Herz schlug wie verrückt. Sollte das das sein, wovon alle Welt immerzu redete und nach dem angeblich jeder im Leben suchte? Diese… Liebe, die angeblich das schönste sein sollte was es überhaupt gab auf dieser Welt, wenn sie denn ehrlich und tief war?   Auch in Michirus Kopf herrschte völlige Leere. Alles, was sie wusste, war, dass sie diese wunderschöne, unglaubliche Frau jetzt küssen musste oder sie würde vergehen. Sie wollte sie haben, sie spüren. Endlich hörte sie auf zu Denken und berührte unendlich zärtlich Harukas Lippen. Die Zeit blieb stehen, nur der Mond leuchtete weiter hell am Nachthimmel über ihnen… ~ Kapitel 5: Five Seconds ----------------------- ~ Five ~ ~ Ich spüre wie sich eine Träne in meinem Auge sammelt. Ist das wirklich mein Ende? Warum sonst sollte mir mein Gehirn diesen Streich spielen und mich zwingen, all diese schmerzlich schönen Erinnerungen noch einmal zu durchleben. Nein, ich bin undankbar, furchtbar undankbar. Wenn ich jetzt wirklich sterben muss, kann ich mich die glücklichste Frau dieser Welt schätzen. Ich darf meinen Engel noch ein letztes Mal sehen, all diese Jahre mit ihr noch einmal erleben. Ich bin so ein Dummkopf. Ganz langsam schließe ich meine Augen. Ein großer verglaster Saal, der von unzähligen Kerzen erleuchtet wird, taucht vor meinem inneren Auge auf…   ~ Paris, Frankreich, Pyramide des Louvre – Die beiden jungen Frauen kicherten verlegen und schauten beide zu Boden, um sich wieder zu sammeln. Es waren zwei junge Pariserinnen, Schwestern, von denen sich der jüngeren der beiden gerade ein sehr verdächtiger Rotschimmer auf die Wangen legte. Neben ihnen stand eine grinsende Haruka. Dieses Spiel war einfach jedes Mal viel zu einfach um eine wirkliche Herausforderung für sie zu sein. Sie musste sich nicht mal anstrengen um eine andere Frau aus der Fassung zu bringen. Ihre geliebte Michiru war zwar die einzige Frau für sie, aber derartige kleine Flirts und Neckereien machten ihr einfach zu viel Spaß um ihnen völlig zu entsagen. Sie hatte nichts von früher verlernt.   „Tenoh-sama, wie können Sie nur so etwas sagen? Sie machen uns ja ganz verlegen…“   Die ältere der beiden, vielleicht Ende Zwanzig, war ein hübsches Ding mit schwarzen Locken und trug die Uniform der Angestellten des Louvre, die heute zur Feier der Vernissage in Weiß gehalten war. Sie trug ein Tablett auf dem sich verschiedene Aperitifs befanden und himmelte Haruka mit großen Augen nahezu an. Die jüngere Schwester, Maya Lacroux, trug dagegen ein schwarzes Kostüm und war normalerweise eine toughe junge Frau, doch Harukas Erscheinung und Auftreten hatte sie so überrumpelt dass sie einen Moment sprachlos gewesen war. Als Juniorintendantin des Louvre hatte sie geholfen, die Bilder für die Ausstellung auszusuchen und zu arrangieren. Sie hatte Haruka begrüßen wollen und war sofort in deren strahlend blauen Augen versunken, die sie äußerst charmant anlächelten. Wer hätte denn erwarten können, dass Tenoh Haruka-sama ein derart attraktiver, einfach umwerfender Kerl war? Sie war zwar informiert worden, dass Kaioh-sama eine Begleitung für die Vernissage angekündigt hatte, aber dass es sich dabei um den berühmten Rennfahrer Tenoh Haruka handelte, damit hatte sie nicht gerechnet. Sie war völlig perplex. Haruka lächelte verschmitzt, beugte sich leicht nach vorne und hob sanft Mayas Kinn nach oben, sodass diese ihr wieder in die Augen blicken musste.   „Es gibt keinen Grund beschämt zu sein, Sie sehen auch dann noch äußerst bezaubernd aus, wenn sie verlegen sind, Miss Lacroux.“   Haruka schenkte ihr ihr charmantestes Lächeln und brachte ihr Gesicht damit vollendens zum Glühen. Die unwirkliche Situation wurde von einer sanften, aber bestimmten Stimme unterbrochen.   „Wie ich sehe haben Sie bereits meinen Ehrengast des heutigen Abends kennen gelernt, meine liebe Maya. Wie schön dass sie sich so gut zu verstehen scheinen, ich war schon in Sorge. Allerdings werde ich ab jetzt selbst die Führung durch meine Ausstellung übernehmen, Sie brauchen sich nicht die Mühe zu machen. Bitte, nehmen Sie sich ein Aperitif und genießen Sie den Abend, Sie haben wundervolle Arbeit geleistet. Das Arrangement ist wirklich perfekt abgestimmt, ich bin sehr zufrieden.“   Wie eine Elfe schwebte Michiru mit ihrem sanftesten Lächeln und völlig ruhig, beinahe zu ruhig, in einem atemberaubenden nachtblauen Bustierkleid auf die kleine Gruppe zu und nahm sich einen Aperol-Sprizz vom Tablet. Die beiden jungen Schwestern brauchten noch einen Moment, um wieder in der Wirklichkeit anzukommen. Als sie sich der verfänglichen Situation bewusst wurden, entschuldigten sie sich mehrmals und entfernten sich schließlich mit hochroten Köpfen. Haruka grinste Michiru frech ins Gesicht.   „Bist du eifersüchtig, meine Schöne? Du weißt doch, es gibt keinerlei Grund dazu. Ich war absolut brav.“   Michiru beugte sich leicht nach vorne und strich dabei federleicht an Harukas Oberkörper entlang. Mit ihren Lippen streifte sie deren empfindliches Ohr. Haruka rannen Schauer über den Rücken, ihre Sinne schärften sich. Sie war ihrer Geliebten augenblicklich mit Haut und Haaren verfallen. Wären sie alleine gewesen und nicht mitten in der Eingangshalle des Louvre zusammen mit mehreren hundert geladenen Gästen gestanden, sie hätte sie hier und jetzt verführt. Nicht zuletzt, weil Michiru in diesem Kleid geradezu unglaublich gut aussah; hinzu kam ihr Wissen, dass dieses verführerische Wesen ihr, Haruka, alleine gehörte und - vor allem - heute Nacht nach langen vier Wochen wieder gehören würde. Michiru ließ einige quälende Sekunden verstreichen ehe sie ihr leise und bestimmt ins Ohr flüsterte.   „Sicher warst du das. Du bist sehr egoistisch Ruka, wie kannst du diesen unschuldigen Mädchen nur so etwas antun? Sie beide werden heute Nacht in unerfüllter Sehnsucht nach dir vergehen müssen. Vielleicht denken sie, du wärest wirklich interessiert gewesen. Ich befürchte, du wirst dafür büßen müssen.“   Michiru hauchte den letzten Satz beinahe, was Haruka eine erneute Gänsehaut über den Rücken jagte.   „Werde ich das? Nun, ich glaube ich freue mich darauf, solange ich sie mit dir tun darf.“   Michiru grinste frech und trat einen Schritt zurück.   „Ja du wirst Buße tun, und zwar nach meinen Regeln, meine Liebe. Weißt du, ich bin sehr müde und werde später unbedingt meinen Schönheitsschlaf brauchen. Ich schlage vor, du schläfst heute Nacht zur Abwechslung in deinem eigenen Zimmer.“   Mit diesen Worten drehte sie sich um und begann, langsam in Richtung einiger ihrer Gäste zu gehen, nicht ohne dabei ihre Hüften verführerisch bei jedem Schritt zu bewegen. Haruka biss sich auf die Lippen.   *Scheiße, sie ist zwar äußerlich der perfekte Engel, aber sie kann verdammt nochmal wirklich teuflisch gemein sein. Und dabei ist sie leider meistens am verführerischsten… Womit hab ich das verdient?*   Haruka reagierte schnell, ergriff ihre Hand und trat dicht hinter ihre Freundin. Bestimmt hielt sie sie an der Hüfte zurück und drehte sie zu sich, so dass Michiru gezwungen war, ihr tief in die Augen zu sehen.    „Du bist eine grausame Frau, weißt du das, Michiru?“   Michiru blieb dabei ruhig und lächelte Haruka völlig unschuldig an, während ihre Augen das genaue Gegenteil versprachen.   „Oh ja, ich weiß Ruka. Ich beherrsche dein kleines Spiel ebenfalls recht gut. Und ich habe wahnsinnigen Spaß dabei…“ Die Blicke tief ineinander versunken fochten die beiden Frauen einen stillen, leidenschaftlichen Kampf des Willens miteinander aus. Eine kaum aushaltbare Spannung lag in der Luft... wieder einmal. ~ Kapitel 6: Six Seconds ---------------------- ~Six~ ~   Paris... Wie gerne wäre ich nochmal mit ihr dorthin gefahren. Immerhin ist es die Stadt der Verliebten. Was habe ich mir nur dabei gedacht… Jetzt werde ich hier auf dieser gottverlassenen Straße mitten im Nirgendwo vermutlich draufgehen und die letzten Worte, die ich meiner geliebten Michiru an den Kopf geworfen habe, waren im Zorn gesagt und definitiv nicht die Wahrheit. Scheiße, ich bin wirklich bescheuert. Das hat sie nicht verdient. Die Träne bahnt sich den Weg in meinen Augenwinkel, während der Asphalt unter mir langsam näher kommt. Der Geruch von Wandfarbe steigt mir in die Nase…   ~   Stadtrand von Aomori, Japan –   Michiru stand am Fenster des Bades und atmete tief die frische Seeluft ein. Die Sonne ging gerade unter und sie stand nach einem anstrengenden Umzugstag in ihrer ersten gemeinsamen Wohnung mit Haruka. Das kleine Häuschen lag am Rand von Aomori mit direktem Blick auf das Meer, das sie so sehr liebte. Sie hatten diese Abgeschiedenheit gewählt um in Ruhe einige Monate Auszeit zu genießen. Dieser Platz sollte ihr gemeinsames Refugium werden, in das sie immer dann zurückkehren konnten, wenn sie Ruhe vor dem Rummel und dem ganzen Hype um ihre Personen brauchten.   Es war nicht leicht, mit einem Superstar der Motorradrennszene liiert zu sein, dem ständig hunderte kreischende Fans überall hin folgten. Es war sicher nicht weniger schwer, mit ihr, dem aufstrebenden Stern am japanischen Klassik-Himmel liiert zu sein; es gab zwar in ihrem Umfeld eher keine aufdringlichen Groupies, aber dennoch wurde sie überall erkannt und konnte kaum mehr alleine auf die Straße gehen. Der Preis des Ruhmes, das war ihnen beiden klar. Gerade deswegen war es wichtig, einen Ort zu haben, den sie „Zuhause“ nennen konnten. Und ein Zuhause ohne Haruka konnte es für sie einfach nicht mehr geben. Sie löste das Handtuch von ihrem Körper und begann, ihr nasses Haar zu bürsten. Die letzen Monate waren anstrengend gewesen. Sie hatten sich kaum gesehen und wenn, dann hatten sie sich an den verschiedensten Orten der Welt treffen müssen. Es war eine anstrengende Zeit  gewesen. Doch jetzt lagen drei wundervolle Monate ohne jeden Termin vor ihnen. Plötzlich hörte sie ein leises Fluchen aus dem Wohnzimmer und musste lächeln. Haruka hatte offenbar noch ihre Schwierigkeiten mit dem Streichen. Dann wollte sie ihre fleißige Freundin lieber für heute erlösen, es wurde sowieso schon dunkel. Sie schlüpfte in ein zartrosa Negligé und band ihre noch feuchten Haare zu einem Zopf. Vorsichtig stieg sie über den halb ausgepackten Karton und die ganzen Utensilien, die noch am Boden verstreut lagen und ging hinüber ins Wohnzimmer. Der Geruch von frisch gestrichenen Wänden hing in der Luft und mitten im Chaos der halbausgepackten Kartons saß eine genervte Haruka im Blaumann auf dem Boden, die über und über mit Farbspritzern bedeckt war. Missmutig versuchte sie, einige dieser Flecke von ihrer Haut zu rubbeln, was ihr allerdings nicht wirklich gelingen wollte. Michiru lachte bei dem Anblick laut auf.   „Mir scheint das mit der Decke war wohl doch nicht so einfach, wie du mir heute Mittag erklären wolltest, oder? Wie ich sehe, hat sie sich erfolgreich gegen die Farbe gewehrt.“   Haruka streckte ihr die Zunge raus.   „Du wolltest unbedingt dieses Lindgrün hier drin haben, wegen mir hätte das alles weiß bleiben können. Während du schon seit Stunden Beautyprogramm im Bad machst, war ich hart am Arbeiten!“   Michiru lachte nochmals über den empörten Gesichtsausdruck der Blonden und ging auf sie zu. Sie schubste sie bestimmt nach hinten und setze sich auf Harukas Schoß. Liebevoll streichelte die Grünhaarige ihr über den Nacken und strich die verstrubelten Haare aus ihrem Gesicht.   „Wie konnte ich nur an dir zweifeln meine liebste Ruka. Vergib mir…“   Sie grinste ihr Gegenüber frech an und küsste die Blonde leidenschaftlich und voller Hingabe. Haruka konnte nicht anders als diesen Kuss zu erwidern. Michirus Argumente waren meistens zu gut als dass es sich lohnte lange sauer auf sie zu sein. Haruka grinste in den Kuss hinein und löste sich langsam wieder von ihr.   „Wie gefällt Ihnen Ihr neues Schloss, Mylady? Auf dem Tisch da drüben steht eine Flasche Champagner und daneben liegen unsere Haustürschlüssel; ich habe sie vorhin vom Vermieter bekommen. Nach sechs langen Monaten aus dem Koffer endlich ein bisschen Ruhe. Und endlich Zeit für uns. Lass uns darauf anstoßen.“   Michiru lächelte, lehnte ihre Stirn sachte gegen Harukas und schloss die Augen. Endlich waren sie angekommen.   „Willkommen Zuhause, Ruka.“     ~ Kapitel 7: A Last Second ------------------------ ~Seven~ ~   Ich spüre, wie mir die Träne die Wange hinunter rinnt. Ein Wunder, dass ich das bei diesem unglaublichen Regen überhaupt wahrnehmen kann. Lange kann es nicht mehr dauern bis ich auf dem Asphalt auftreffen; er kommt in Zeitlupe bereits näher auf mich zu. Ich kann schon die Zeitungsschlagzeile vor mir sehen. MotoGP-Star Tenoh Haruka verunglückt auf regennasser Fahrbahn tödlich. Ironie des Schicksals, wenn man bedenkt, wie viele gefährliche Rennsituationen ich schon gemeistert habe ohne dass ich je die Kontrolle über meine Maschine verloren hätte.  Ich bin eine bescheuerte Idiotin. Und ich habe den einzigen Menschen auf dieser Welt, der mir wirklich wichtig ist, verletzt, weil ich mein bescheuertes, aufbrausendes Temperament nicht unter Kontrolle habe. Mein Engel würde so etwas doch niemals ohne mich entscheiden. Schmerzlich kommen mir die Bilder zurück in den Kopf, die sich vor nicht einmal einer Stunde so unwiderruflich in meine Seele eingebrannt haben…   ~   Tokyo, Japan, Restaurant des  Park Hyatt Tokyo –   „Ich hätte gerne einen Jasmintee, wenn das möglich wäre.“   Michiru schenkte dem Kellner des edlen Restaurants in der Lobby des Park Hotels ihr schönstes Lächeln.   „Wollen wir nicht lieber auf unserer Zusammenarbeit mit einem Champagner anstoßen meine Liebe? Bringen Sie uns bitte den besten den Sie auf Lager haben, Herr Ober.“   Mit einem charmanten Lächeln wandte sich der junge Starpianist Kou Yaten wieder an seine Begleiterin. Nach der letzten Welttournee der „Three Lights“ hatte die Band eine Auszeit angekündigt, da alle drei Mitglieder eigene Pläne verfolgten. Seiya hatte geheiratet und Taiki ein Studium der Astrophysik begonnen. Yaten dagegen hatte eine Solokarriere gestartet und war binnen Monaten zum neuen Shootingstar der Klassikszene avanciert. Dieser Umstand hatte letztlich dazu geführt, dass Michirus Management dieses Essen organisiert hatte.   Michiru wollte protestieren, doch es war bereits zu spät. Der Ober entfernte sich mit einer Verbeugung.  Äußerlich erwiderte sie das Lächeln ihres Gegenübers, aber innerlich war sie verärgert. Sie mochte es nicht, wenn man sie überging. Dennoch wollte sie diplomatisch bleiben und beschloss, sich weiter ganz normal zu verhalten und nicht weiter darauf einzugehen.   „Das ist sicher etwas voreilig, Kou-sama. Ich freue mich ebenfalls auf unsere gemeinsame Konzerttournee, aber dennoch möchte ich eine so große Entscheidung zuerst mit meiner Familie und meiner Partnerin besprechen. Immerhin werden wir dann ein Jahr in Europa verbringen, das ist eine lange Zeit.“   Sie betonte das Wort Partnerin besonders, aber Yaten überging diese Bemerkung völlig ungerührt und fuhr fort, sie charmant anzulächeln.   „Sicher, sicher, Kaioh-sama, dennoch erlauben Sie mir, mit Ihnen anzustoßen und damit meine Freude über eine Zusammenarbeit mit Ihnen auszudrücken. Ich bin wirklich Ihr größter Fan. Die Rechnung geht selbstredend auf mich. Wenn Sie erlauben, habe ich noch ein Geschenk für Sie.“   Er griff in seine Jackentasche und holte ein kleines Kästchen hervor. Michiru begann, sich innerlich anzuspannen. Was hatte dieser Mann eigentlich vor? Sicher, es war ein großer Schritt für ihre Karriere, wenn sie mit dem momentan begehrtesten Piano-Solisten der Welt auftreten würde, aber entschieden hatte sie noch nichts. Harukas Meinung war ihr wichtig, für nichts in der Welt hätte sie ihre Beziehung aufs Spiel gesetzt. Sie hoffte inständig, Haruka würde mit ihr nach Europa kommen können, ansonsten käme ein ganzes Jahr der Trennung für sie definitiv nicht in Frage. Yaten öffnete das Kästchen und holte aus ihm eine filigrane silberne Kette mit einem Anhänger aus grüner, schimmernder Jade hervor. Es war sicherlich ein geschmackvolles Schmuckstück, das war nicht zu leugnen, aber Michiru war keine Frau, die sich von solchen Dingen blenden und kaufen lies. Er stand unvermittelt auf und kam auf ihre Seite des Tisches, noch bevor sie etwas sagen konnte.   „Sie erlauben?“   Gezwungenermaßen strich die Grünhaarige ihr Haar beiseite, damit er ihr die Kette umlegen konnte; sie wollte in dem kleinen Restaurant nicht noch mehr Aufsehen erregen als sie es sowieso schon tat. Eine negative Schlagzeile über sich in der Zeitung, wie etwa „Stargeigerin Kaioh Michiru rastet in Hotelbar aus“ oder ähnliches, wollte sie unbedingt vermeiden; die Klatschblätter stürzten sich sowieso bereits auf jede noch so kleine Kleinigkeit. Also machte sie gute Miene zum bösen Spiel.   In diesem Moment betrat eine blonde junge Frau in Motorradklamotten die Hotellobby und sah sich suchend um. Dass sie alle Blicke auf sich zog, schien sie nicht zu stören. Tenoh Haruka konnte nirgendwo auftauchen ohne erkannt zu werden, auch wenn die Gäste in diesem Restaurant eher zur gehobenen Klasse von Tokyo gehörten und nur verhalten hinsahen anstatt sie zu belagern. Als Harukas Blick auf den kleinen Tisch am Fenster fiel, verengten sich ihr Augen zu Schlitzen und ihr Blick begann zu lodern.    Das Bild das sich ihr bot zeigte ihre geliebte Michiru, der gerade ein anderer Mann sanft über den Hals streichelte, während er ihr eine Kette anlegte. Dabei beugte er sich nach vorne und flüsterte etwas in ihr Ohr. Dass Michiru lediglich gezwungen lächelte, fiel der Blonden in ihrem aufkeimenden Zorn nicht auf. Sie ging mit schnellen Schritten zum Tisch und unterbrach die Situation mit leisen, aber scharfen Worten.   „Darf ich fragen, was das hier zu bedeuten hat, Kou?“   Sie ließ absichtlich die höfliche Anrede weg und fixierte den jungen Mann mit drohendem Blick. Er war nur zwei Jahre jünger als sie selbst und objektiv gesehen sicher ein gutaussehender  und begehrenswerter Mann. Was hatte ihre Michiru nur mit ihm zu schaffen? Haruka wusste, dass er ein berühmter Pianist war und einen Ruf als Herzensbrecher und Schürzenjäger inne hatte. Angeblich ließ er selten etwas anbrennen, ebenso wie sie zu ihren Single-Zeiten.   Yaten ließ langsam von Michiru ab und blickte triumphierend in Harukas Richtung. Völlig ruhig und mit süffisantem Grinsen im Gesicht erwiderte er den Blick der Blonden.   „Michiru-san und ich feiern lediglich unsere zukünftige Zusammenarbeit. Wir werden ein Jahr gemeinsam auf Konzerttour nach Europa gehen, wissen Sie das nicht? Ich freue mich schon sehr.“   Er nannte ihren Engel beim Vornamen? Was hatte das zu bedeuten? Ihr fragender und wütender Blick wanderte zu Michiru. Wieso wusste sie von nichts? Ihr Temperament brauste in ihr auf und die Eifersucht ließ sie kaum einen klaren Gedanken fassen.   „Ruka, das ist alles noch gar nicht sicher. Lass uns bitte in Ruhe darüber reden, und vor allem, bitte nicht hier!“ Michiru versuchte ihre Freundin zu beschwichtigen, aber sie erreichte Harukas Vernunft schon nicht mehr. Wütend und immer noch schockiert verhärtete sich der Blick der Blonden.   „Nun, ich denke nicht, dass es da viel zu besprechen gibt. Ich schätze, es geht mich wenig an, denn du triffst deine eigenen Entscheidungen, Michiru. Das muss ich akzeptieren.“   Mit diesen Worten machte sie auf dem Absatz kehrt und verließ das Restaurant so schnell, dass Michiru nicht reagieren konnte. Dass diese ihren Namen hinter ihr her rief, ignorierte sie gekonnt und stieg auf ihre Daytona. Der Himmel hatte sich zugezogen und es begann zu regnen, doch Haruka registrierte es gar nicht. Sie war wütend, verdammt wütend, und gleichzeitig verzweifelt und verletzt. Wilde Gefühle peitschten in ihr auf und ab und versuchten jeweils, die Oberhand zu gewinnen. Sie ließ den Motor aufheulen und raste viel zu schnell in die Nacht davon, ohne einen einzigen klaren Gedanken fassen zu können. Sie musste jetzt den Wind spüren, um überhaupt irgendetwas zu fühlen.   ~   Ich war so blind. Natürlich würde mich Michiru nie übergehen. Ich habe mich blenden lassen von diesem dreisten Mistkerl. Ich hätte mit ihr reden müssen. Jetzt ist es allerdings für diese Einsicht definitiv zu spät. Intensiv spüre ich einen ziehenden Schmerz in meinen Armen, die zuerst auf dem Boden aufschlagen. Durch die Wucht des Aufpralls werde ich weiter geschleudert, bis ich wieder auf dem Asphalt aufstreife, diesmal mit meinen Beinen. Ich spüre wie es mir die Lederkleidung von den Beinen reibt und sich das Geröll auf dem Asphalt tief in meine Haut einkratzt; der Schmerz kommt erst etwas später. Ich kann das Blut in meinem Körper pulsieren spüren; alles ist so intensiv, dass ich es kaum aushalte. Langsam verschwimmt alles vor meinen Augen. Mein Kopf schlägt hart auf dem Boden auf, während ich langsamer werde. Mir wird schwarz vor Augen. Das wars dann wohl. In meiner Verwirrung glaube ich noch ein letztes Mal, meinen Namen in der Ferne zu hören. Ihre wundervolle, sanfte Stimme. Meine geliebte Michiru. Verzeih mir, dass ich dir das antue, du hast es nicht verdient. Eine zweite Träne rinnt mir aus dem Auge, dann wird alles dunkel um mich… ~ Kapitel 8: Forever ------------------ ~   Mein Kopf pocht. So laut, dass ich nicht weiter schlafen kann. Wo bin ich eigentlich? Was soll das, wieso ist der Tod mit so hämmernden Kopfschmerzen verbunden? So habe ich mir das definitiv nicht vorgestellt. Meine Sinne kehren langsam zurück und ich kann leise Stimmen in meiner Umgebung hören. Sie unterhalten sich flüsternd, dann wird es still. Könnte es sein, dass ich doch nicht tot bin? Nach einigen Minuten schaffe ich es, meine Augen leicht zu öffnen. Das Bild ist noch verschwommen, doch langsam wird es klarer. Ich spüre eine Hand an meinem Gesicht und eine Haarsträhne, die mich an der Wange kitzelt. Plötzlich fällt mir ein Tropfen auf die Nase, so dass ich diese runzeln muss. Als das Bild klarer wird, erkenne ich ein bekanntes Gesicht über mir. Michiru. Meine geliebte Michiru. Ich entspanne mich und muss lächeln. Ihr Gesicht erscheint jetzt klar vor meinen Augen. Sie lächelt nicht, ihr laufen stille Tränen über die Wangen; ich spüre, dass sie völlig aufgelöst ist. Wie lange sitzt sie schon hier und weint? Ich versuche zu sprechen.   „Chiru… warum weinst du?“   Ich sehe sie an. Ihr zierlicher Körper bebt. Dennoch muss sie lächeln, unsere Blicke treffen sich.   Ihre Augen sagen so viel zu mir. Ich kann nicht beschreiben, was ich fühle; wir verstehen uns ohne Worte. Plötzlich nimmt sie ihre Hand von meiner Wange. Ich will schon protestieren, als ich einen kurzen, aber heftigen Schmerz spüre. In meinen Ohren klingelt es für ein paar Sekunden. Ich bin kurz verwirrt. Hat sie mir gerade wirklich eine Ohrfeige verpasst?   Der Schmerz in meiner Wange pocht heftig, aber dafür bin ich jetzt richtig wach. Ich blinzele kurz überrascht und sehe über mir Michirus Gesicht. In ihm stehen Verzweiflung und Wut, aber auch große Erleichterung. Ich muss grinsen und wenige Sekunden später laut lachen.   „Du bist heute so leidenschaftlich, mein wunderbarer Engel. Könnten wir das mit in unser Standardprogramm aufnehmen?“   Jetzt muss auch sie grinsen. Kurz darauf wird sie wieder ernst.   „Tu so etwas nie, nie wieder, Ruka, hast du mich verstanden? Nie wieder, oder ich bringe dich persönlich um, das verspreche ich dir. Ich wäre fast gestorben vor Angst und glaube mir, hättest du das nicht überlebt, ich wäre dir gefolgt, nur um dich nochmal umzubringen. Tu es nie wieder!“   Ich schaue in ihre geröteten Augen.   „Es tut mir so leid, ich…“   Sie schüttelt den Kopf und verschließt mit ihrem Zeigefinger meine Lippen. Ihr Blick ist so voller Liebe. Er sagt mir alles, was ich in diesem Moment wissen muss. Eine Träne sammelt sich in meinem Augenwinkel, ohne dass ich es verhindern kann. Ich liebe sie. Ich liebe sie von ganzem Herzen, für alles, für all das hier. Spielend leicht hat sie mir alle meine Sorgen innerhalb von Sekunden genommen. Wie macht sie das nur?   „Nie mehr… versprochen.“   Ich ziehe sie nach unten und gebe ihr einen zärtlichen Kuss auf die nassen Lippen. Mein ganzer Körper ist jetzt wunderbar entspannt. Die Schmerzen treten in den Hintergrund und verschwinden aus meiner Wahrnehmung.   „Lass uns nach Hause gehen, Chiru.“   Sie legt sich vorsichtig an meine Seite und bettet ihren Kopf auf die Seite meines Brustkorbs, auf der ausnahmsweise keine Rippe gebrochen ist. Ich sehe, wie sie die Augen schließt und nach meinem Herzschlag horcht, wie um sicher zu gehen, dass ich tatsächlich noch lebe.   „Ja, Ruka, wir werden zusammen nach Hause gehen.“   Ich schließe ebenfalls meine Augen. Ihr Herz schlägt stark und gleichmäßig, mein Fels in jeder Brandung, das wird mir jetzt besonders deutlich klar. Wie konnte ich nur eine Sekunde an ihr zweifeln?   „Ich liebe dich, weißt du das?“   Ich spüre, dass sie lächelt. Ruhig liegt sie an meiner Seite und lässt einige Sekunden vergehen.   „Natürlich weiß ich das, du Dummkopf.“   Ich muss still grinsen. Die Ewigkeit liegt vor uns und das ist ein atemberaubendes Gefühl. Kann es eine schönere Gewissheit geben?   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)