Imagination von Kupoviech ================================================================================ Kapitel 4: Montags und Dienstags -------------------------------- Wenn die Garage von Onkel aufgeräumt werden muss, was jeden siebten Dienstag so weit ist, dann nimmt mich Vater mit zum Onkel. Onkel ist ein jüngster Bruder von sieben Brüdern und der Sohn eines Vaters, der der jüngste Bruder von sieben Brüdern ist. Onkel ist ein Schussel. Alles war er vergisst landet in seiner Garage. Dienstags, wenn Vater sich zu Onkel ins Wohnzimmer setzt um Sport zu gucken, dann gehe ich in die Garage aufräumen. Mit Kartons, Kisten und hoch gekrempelten Armen. Man muss mutig sein, wenn man in die Garage geht. Die Ärmel muss man viermal hochkrempeln und man braucht mindestens vier Kisten und vier Kartons, damit man in der orangerot gestrichenen Garage auf Mr. Wolfslayer trifft. Die alte Farbe von den Wänden riecht nach Patchouli und wenn man zwischen die vielen Fahrräder, Werkzeuge, Ersatzteile und altes Spielzeug blickt, dann kann man Mr. Benjamin Wolfslayer sehen. Mr. Wolfslayer, ich wage es mich nicht ihn beim Vornamen zu nennen, ist nicht größer als Onkels größter Hammer. Sein Kopf ist auch nicht größer als das Eisen an Onkels größtem Hammer. Mr. Wolfslayer hat in dem Blut eines Wolfes gebadet, den er besiegt hatte, und ist geschrumpft. Aus Rache hat er sich in Onkels Garage eingenistet, weil Onkel der siebte Sohn eines siebten Sohnes ist. Alle vergessenen Dinge verteidigt Mr. Wolfslayer bis aufs Blut. Sogar einen kleinen Eisenpanzer aus alten Nägeln und einem Helm aus alten Knöpfen hatte er sich extra angefertigt, um seine Schätze verteidigen zu können. Immer wenn man sich bückte und nach einer Socke oder Puppe griff, musste man aufpassen, das Mr. Wolfslayer einem nicht mit einer Schraube in die Fersen bohrte. Mit großer Kraft hantierte er mit der Schraube, wie mit einer Lanze. Als ein unberechenbarer Stratege, wandte er sich auch von einem ab, wenn man eine halbe Kiste voll hatte und griff die Spinnen und Mäuse an. Dann hatte er eingesehen, dass die Ferse zu dicke Drachenschuppen hatte und machte jähzornig den Spinnen mehr Beine als diese hatten. Wie ein Wahnsinniger wütete er dann zwischen, über und unten den vergessenen Dingen. Er rannte, kletterte und sprang den Spinnen hinterher, bewaffnet mit seiner Schraube und einem alten Plastikdeckel einer Getränkeflasche als Schild. Aber wann immer man glaubte, er hätte nur noch Spinnen und Mäuse im Sinn, dann schlich er sich von hinten an und bohrte wieder in die Fersen. Es stach immer ganz fürchterlich, wenn er die Drachenschuppen durchbohrt hatte. Wenn alle Kisten voll waren und alle Kartons, dann war Mr. Wolfslayer müde vom Kampf und ging in seine Ecken, wo er Moosfelder die Wände hinauf pflegte. Mit spitzen Ohren konnte man das scharren an den Wänden hören. Dann wurde es Zeit, die Kartons und Kisten hinaus zu bringen. Dort stand Vater immer. Wenn er im Fernsehgerät einen guten Sport gesehen hatte, hatte er gute Laune und sagte „Und hast du wieder Schätze gefunden?“. War es aber ein schlechter Sport, dann stand er mit Onkel zusammen da und zog ein langes Gesicht, während Onkel schweigsam neben ihn saß und sich das Gezeter von Vater anhörte. Dann fragte Vater, sobald er mich entdeckte „Was willst du eigentlich immer mit den alten Socken?“ Die Socken musste ich bei schlechtem Sport immer wieder in die Garage zurückbringen und ich könnte schwören, dass ich einen Triumphschrei hörte. Jeden siebten Dienstag, wenn Vater schlechten Sport gesehen hatte. Jeder siebte Montag im Sommer ist unser Familientag. Aber nur wenn schönes Wetter ist und die Sonne sommerlicher Laune ist. Dann treffen sich Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen meine Eltern und mich. Dann parkten die Onkel die Autos und trugen die Körbe. Die Tanten trugen die Decken und die Cousinen und Cousins rannten wie eine wilde Einheit voraus. Alle zusammen saßen wir dann im Schatten der großen alten Weide, die uns alle schon lange kannte. Sie grüßte uns mit ihren dünnen deprimierten weiß-grünen Zweigen und ihrem silbrigen alten Stamm. Hier breiteten die Tanten und meine Mutter die Decken aus zwischen Geißblatt, Myrte und Wermut am Rande des Waldes mit Rotbuchen Haselbüschen und Eichen. Die Onkel hievten die Körbe ab, als hätten sie darin Elefantensteaks getragen. Die Cousinen setzten sich im Kreis und spielten Teeparty. Die Cousins kramten Jojos, Spinnen aus Plastik hervor und andere Dinge, die die Cousinen nicht mochten. Diese ließen sie immer vor deren Augen springen, um sie zu erschrecken, bis jemand schrei und dann jemand weinte. Dann kam einer der Tanten herbei und musste ihre Aufmerksamkeit von den Speisen aus den Körben den Cousinen und Cousins widmen. Was eine Schande war, denn in den Körben waren feine Speisen. Erdbeeren und gestampfte Himbeeren mit Joghurt. Es gab Limonade in der Kühltasche von Mutter und Honigkuchen, den Großmutter gebacken hatte und meiner Mutter mit auf den Weg gab. Auch Tante klinische Schwester kam. Sie brachte ihren Lieblingskater mit. Mr. Tiggels und eine Menge Wassermelonen. Wann immer sie nicht hinsah, da ging Mr. Tiggels zu Vater, der keine Salami mochte. Mr. Tiggels wusste, wenn Vater den Arm hinter den Rücken hatte, dann bekam er heimlich die Salami vom Brot. Wenn die Lautstärke unseres Familientreffens viermal höher war als zu beginn, wenn sich die Cousinen und Cousins viermal gestritten hatten und vier Sonnenschirme aufgestellt waren, kam Garnett Weaver ungesehen von den Tanten und Onkeln. Sie kam in einem Wagen aus jungen Ranken verschiedener Klematis Arten, die weiß blühten. Ihr Wagen wurde von vier wilden Hirschen gezogen. Zuerst sah man ihr prächtiges Geweih und stolz zogen sie den Wagen über die grünenden Felder. Hinter dem Wagen folgte die Gesellschaft aus Katzen, Hunden, Schweinen, Hühnern und Gänsen. Auf den Rücken der Katzen, saßen die Tauben und gurrten. Die Hunde trugen auf ihren Rücken die kleinen Tiere des Waldes, die nicht schnell genug laufen konnte. Ganz zum Schluss der Gesellschaft ging eine weiße Kuh mit weißen Augen und weißen Hufen. Sie hatte auch weiße Hörner so wie alles an ihr weiß war. Patronin und Hüterin der Prozession der Tiere war Garnett Weaver in ihrem Kleid aus Otterhaut. Garnett nannte ich die Königin der Felder und des Waldes, weil sie mich an Granatäpfel erinnerte in ihrem jugendlichen Glanz und Frische. Sie war von einer körnigen Schönheit wie Weizen und Kornblumen. Das Otterkleid war Samt auf ihrer sanften Erscheinung. Zierlich war sie und flink, wenn ihr Wagen hielt und sie über die Felder schritt, wo es grünte und gedeihte. Die Hirsche neigten ihr Haupt und die vielen Katzen, Hunde, Hühner, Gänse und Schweine folgten ihr zu Füßen. Ihre Augen waren silbern, wie der alte Stamm der Weise. Liebevoll der Ausdruck in ihnen. Wenn sie alle Felder gesehen hatte und die Sonne schon den Nachmittag verkündete, dann setzte sie sich abseits von uns. Rund um sie herum saßen die Tiere in ihrer strikten Ordnung, wie in einer Delegation. Die Katzen miauten. Die Hunde bellten und die Hühner und Gänse schnatterten. Die Schweine grunzten. Doch wenn die weiße Kuh in ihre Mitte trat, dann wurden sie alle ganz still. In der Stille trat die Kuh immer näher zu Garnett, bis sie vor ihr stehen blieb. Dann strich ihr Garnett viermal über den Bauch. Wenn viermal über den Bauch gestrichen wurde und die Kuh viermal muhte, dann gab sie Milch genug für alle Tiere und mindestens dreißig Mann. Jedes Tier wartete bis es an der Reihe war, einzeln vor zu treten sich vor der Kuh zu verneigen und die Milch die sie aus ihrem weißen Euter gab zu trinken. Vorsichtig und in Demut tranken die Tiere. Die kleinen Tiere des Waldes, die nicht nah genug heran kamen, wurden von den Hunden hochgehoben. Die Katzen halfen den Hühnern an die Milch zu kommen ohne dass die Kuh von den spitzen Schnäbeln der Hühner verletzt wurde. Die Schweine zogen ihre Ringelschwänze glatt, als Zeichen ihrer Ehrfurcht vor der Kuh. Doch wenn sich eines der Tiere vordrängelte, dann brach ein heilloses Chaos aus. Dann gab es Gekrächzte, Fauchen und Knurren. Dann flitzte in Windeseile ein Otter durch ihre Reihen und versöhnte alle miteinander. Wenn wieder Frieden einkehrte, dann flitzte der Otter auf den Rücken der Kuh und wachte darüber, dass niemand Milch stahl, die ihm nicht zustand. Der Otter war das Kleid der Garnett Weaver. Das Kleid der Versöhnung und der Schläue. Spitzwindig grinste der Otter, wenn seine Arbeit getan und wurde wieder zu der Haut, die Garnett kleidete. Wenn alle satt waren und die Sonne golden sich färbte, erhob sich die Königin der Felder und des Waldes. Sie stieg wieder flink in ihren Wagen. Die Hirsche hoben ihr prächtiges Haupt und zogen den Wagen wieder in den Wald hinein. Hinter dem Wagen ging nun die weiße Kuh auf ihrem Rücken die Hühner und Gänse, gefolgt von den kleinen Tieren des Waldes. Dann schlossen sich die Schweine und Hunde an. Zum Schluss gingen die Katzen. Hellsichtig beobachteten sie alles. Sie waren das Schlusslicht und das Licht, dass die bösen Geister fernhalten sollte. Wenn die letzte Katze im Wald verschwunden war, dann war das Familientreffen zu ende. Die Decken wurden von den Tanten zusammen gefaltet und in die leeren Körbe gesteckt. Die Cousinen und Cousins waren müde und trotteten hinter den Onkeln. Bevor der letzte Cousin ins Auto stieg saß ich schon im Auto von Vater und Mutter. Wir fuhren heim und die Wege trennten sich. Aber ich vergas nie, am Ende des Tages, wenn es dunkel wurde, die Kerze in meinem Fenster anzuzünden. Denn das Sonntagspaar machte mir immer noch Angst. Ich wagte es mich nie die Kerze im Fenster zu vergessen. In meinen Träumen sah ich wie die Königin des Waldes und der Felder von Fremden entführt wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)