One time, one meeting von Rix (Eine OneShot-Sammlung zu Marco/Jean) ================================================================================ Kapitel 2: Deckenschlösser -------------------------- II. Deckenschlösser “They say a person needs just three things to be truly happy in this world: someone to love, something to do, and something to hope for.” — Tom Bodett „Ich spiele nicht den bekloppten Ritter.“ Jean verschränkte die Arme vor der Brust und schaute seinen besten Freund grimmig an. Marco dagegen seufzte nur, sichtlich entnervt und massierte sich seinen Nasenrücken mit Daumen und Zeigefinger. „Jean“, fing er ruhig an, jedoch mit einem tadelnden Unterton in der Stimme, den er immer dann anschlug, wenn sein Gegenüber langsam aber sicher die unsichtbare Linie der Nervgrenze erreichte. „'Jean' mich nicht, Marco! Ich spiele diesen Ritter nicht. Diskussion beendet.“ Um seiner Entscheidung Nachdruck zu verleihen, erhob der Blonde sich und war schon drauf und dran zu verschwinden, Richtung Marcos Fenster – der einzige Ein- und Ausgang den er kannte, seit sie eng miteinander befreundet waren. Wobei Jean es mehr aus dem Grund tat, um Marco lächelnd die Augen verdrehen zu sehen, was in ihm immer ein Gefühl des Stolzes und Glücks auslöste. Marco beeindrucken war sowieso sein zweites Hobby geworden. Nicht, dass er es nötigt hätte. Marco war der einzige Mensch auf der weiten Welt, der ihn für großartig hielt und ihn auch mit all seinen Fehler zu mögen schien. Dennoch kam Jean nicht drum herum, zu versuchen Marco zu beeindrucken. Einfach aus dem Grunde, weil er es liebte, wenn der Ältere ihn für genial und großartig hielt. Jedoch gab es auch Zeiten, in denen er es bereute, den Anderen beeindrucken zu wollen. Meistens dann, wenn seine Aktionen nach hinten los gingen. Wie das gebrochene Bein an Halloween. Oder die Lebensmittelvergiftung an Marcos Geburtstag. Doch sogar dann hatte es immer einen Lichtblick gegeben. Ein Wort, ein Lachen, ein Lächeln, ein Haarrüffler oder ein Klaps in den Magen. Irgendwas, was Marco dazu brachte, nur ihn anzusehen und alles andere zu vergessen. Doch diese Aktion war einfach nur zum absoluten Scheitern verurteilt – und würde ihn rein gar nichts bringen. Bevor er fliehen konnte, hielt ihn Marco am Ellbogen zurück. „Jean, bitte.“ Der Blonde kniff die Augen zusammen und knirschte mit den Zähne. Wie er es hasste, wenn der Ältere das B-Wort sagte. Ergebend ließ er sich wieder zurück aufs Bett ziehen. Dennoch verschränkte er sofort die Arme und warf einen möglichst angefressenen Blick zu Marco hinüber. Dieser lächelte ihn entschuldigend an und hob das Drehbuch ein Stückchen höher, so dass es die Hälfte seines Gesichts bedeckte und seine Hundeaugen noch welpenartiger erscheinen ließ. „Ich weiß, dass es viel verlangt ist. Aber Dazz ist krank geworden und wird es nicht mehr rechtzeitig zur Aufführung schaffen. Und du bist nun einmal perfekt geschaffen für die Rolle.“ Bei den letzten Worten hob Jean seine Brust an. „Nun..“ „Und ich könnte mir niemand besseren vorstellen, der einen edlen, mutigen, starken Ritter spielt“, je länger Marco die Worte zog und mit Honig um sich schmiss, desto mehr schwoll Jeans Brust an. „Der an der Seite des Helden Bösewichte in die Flucht schlägt, die Welt beschützt, die Prinzessin rettet“, fuhr Marco fort und langsam aber sicher hörte sich das ganze Stück gar nicht so schlecht an. „Und zum Schluss mit dem Zauberer der Truppe zusammen kommt“, nuschelte Marco schlussendlich rasch und kaum hörbar. Und genau da war der Haken, der Jean seit etwa einer Stunde aufregte und allein bei dem Gedanken rote Ohren verpasste. „Ich werde keinen schwulen Ritter spielen!“ Abermals stand er auf, um zu flüchten und abermals hielt ihn Marco auf, indem er sich jetzt nach vorne schmiss und seine Arme um Jeans Oberkörper schloss. „Bitte Jean! Lass mich nicht hängen.“ „Lass los, Marco!“ „Es ist doch nur eine klitzekleine Stelle. Nur eine Millisekunde in deinem ganzem Leben.“ „Eine Millisekunde, die ich vor der ganzen Schule aufführen muss!“ „Die keinen interessieren wird.“ „Warum muss ich sie dann überhaupt machen?“ „Weil...uhm...nun, Charaktertiefe und Symbolik im Bezug auf die zwischenmenschliche Dynamik der heutigen Welt im Zusammenhang mit traditionellen Werte...“ Jean schaute Marco zweifelnd an, der nur fragend die Augenbrauen hob. „Das hast du dir gerade aus den Fingern gesogen, richtig?“ Marco setzte eine Unschuldsmiene auf, wobei er seine Lippen spitzbübisch zusammenpresste und nur mit den Schultern zuckte. Genervt stöhnte Jean auf und ließ sich rücklings ins Bett fallen, wobei der Andere ihn los ließ und er sofort dessen Arme um seinen Körper vermisste. Jean spürte wie seine Ohren rot wurden. „Außerdem...“, fing er stotternd an, verwünschte seine Stimme und seine kindische Nervösität, fürchtete Marco können seinen rasenden Herzschlag spüren. „Außerdem müssten wir uns küssen, richtig?“ Angestrengt versuchte der Blonde nur die Decke von Marcos Zimmer anzustarren, in der Hoffnung, dieser würde seine angespannte Mimik nicht sehen. „Hm, ja“, kam schließlich die nur kurz angebundene Antwort Marcos, so als kümmere es ihn nicht wirklich, was Jean furchtbar aufregte. Energisch richtete er sich wieder auf und beugte sich ebenso hastig zu seinem Freund hinüber, der erschrocken einige Millimeter zurückwich. „Kümmert dich das denn gar nicht?“ „Was genau?“ „Das wir uns k...k....verdammt. Das wir, du weißt schon“, Jean fuchtelte beschämt wild mit seinen Händen umher. Der Ältere schaute erst ein wenig zweifelnd, dann lächelte er sachte und fast schon liebevoll. „Das wir uns küssen?“ Der Blonde spürte wie seine Körpertemperatur förmlich anstieg und jedes Thermometer sprengte. „Sag das doch nicht so einfach!“ Darauf lachte Marco nur und Jean verpasste ihn einen groben Stoß, so dass er nach hinten fiel und sich beinahe den Kopf auf der Bettkante aufschlug. Doch es schien seinen Freund nicht weiter zu stören, stattdessen wischte sich dieser jetzt Lachtränen aus dem Gesicht. „Du bist manchmal so herrlich süß, Jean.“ „Ach, halt die Fresse, Sommersprosse.“ Beleidigt und mehr als innerlich gedemütigt fühlend, wandte er sich von dem Schwarzhaarigen ab und versuchte das herunter gefallene Drehbuch mit bloßen Blicken zu vernichten. Plötzlich stand Marco neben ihm auf. Aufmerksam folgte er den Bewegungen seines Freundes, der jetzt zu seinem Kleiderschrank gegangen war und nach mehreren Ziehen und Kramen eine Decke heraus holte. „Was willst du denn jetzt damit?“ „Warts ab.“ Zweifelnd beobachtete Jean, wie Marco zurück kam und sich erneut neben ihm aufs Bett nieder ließ, wobei er nur wenige Zentimeter von ihm entfernt war. Gerade als er darauf etwas erwidern wollte, warf der Schwarzhaarige mit einem gekonnten Schwung, die Decke über sie Beide. „....“ „....“ „...klasse, Marco. Ich bin immer wieder von deiner Genialität geblendet.“ „Jean, wir hatten das Gespräch über Sarkasmus und deiner Verwendung davon.“ Er schnaubte nur, kniff die Augen ein wenig zusammen, um die schwarze Silhouette von Marco zu erkennen, die nur sichtbar durch vereinzelte Lichtstrahlen war, die sich ihren Weg durch Lücken am Deckenende bahnten. „Sind wir nicht schon etwas zu alt für Deckenschlösser?“ „Man ist nie zu alt für Deckenschlösser, Jean.“ „Okay, von mir aus.“ Dann schwiegen sie und keiner von ihnen rührte sich, wobei sich Jean still fragte, was die ganze Farce sollte. Gerade als es ihm unter der Decke zu stickig und warm wurde, spürte er mit einmal zwei warme Hände auf seinem Gesicht. Erschrocken zuckte er zusammen, worauf die Hände ein Stückchen an Griff verloren. „Tut mir Leid“, sagte Marco leise. Erneut fühlte Jean wie sein Herz zu rasen begann und war froh darüber, dass es unter der Decke so dunkel war, sonst hätte Marco seine tomatenreife Röte gesehen. „Was zur Hölle machst du da?“ Zuerst kam keine Antwort. Dann hörte er wie Marco tief ein und wieder ausatmete. „Üben.“ „Was üben?“ Ein Rascheln. Fußspitzen, die seine berührten. Warmer, süßer Atem auf seinem Gesicht. Und Nähe. Unglaubliche, erschlagende Nähe in dem dunklen Verlies des Deckenschlosses. „Küssen.“ Sogar wenn er es gekonnt hätte, Jean hätte nicht gewusst, wie er hätte reagieren sollen. Das Wort war wie eine Seifenblase, die eine Lebensspanne von Sekunden aufwies, kurz lustig durch die Gegend flog und schließlich einfach zerplatzte und dabei zu klebrige Flüssigkeit wurde. „Nach all diesen Abenteuern, Herr Ritter“, nuschelte Marco unsicher und Jean war sich nicht sicher, ob es daran lag, dass er sich wegen seiner Sprechrollenverse unsicher war oder daran, dass sich jetzt ihre Nasenspitzen berührten. „Nach all diesen Erlebnissen habe ich erkannt, wie ich mehr ein Hofnarr, statt eines Zauberers ich war“, Marcos Stimme war mit einmal nur noch ein Hauchen, belegt und rau und jagte Jean kleine Schauer den Rücken hinab. „Ein Hofnarr, der vernarrt in euch ist.“ Jean fand diesen Satz unglaublich sülzig und dumm. Und dann waren da Marcos Lippen auf seinen. Anfangs waren sie rau und er konnte spüren, wie sehr Marco selbst zitterte. Dann bewegten sie sich ungeschickt, unsicher gegen seine geschlossenen Lippen und zuerst war er damit völlig überfordert. Schließlich rutschte Marco noch ein wenig näher an ihn heran, presste seine Lippen noch fester gegen seine, als er merkte, dass er ihn nicht wegstieß. Ungeschickt versuchte Jean schlussendlich der Aufforderung entgegen zu kommen. Es war ein unkoordiniertes aneinander Pressen und Bewegen – und es war einfach nur perfekt. Lauter kleine Blitze zuckte durch Jeans Körper. Sein Herz machte Sprünge. Seine Gliedmaßen fühlten sich wie Pudding an. Und Marco. Alles war gefüllt mit Marco unter diesem Deckenschloss. Marcos Wärme. Marcos Geruch. Marcos Körper, als dieser ihn ohne Vorwarnung nach unten drückte und auf ihn drauf lag, ihn unter sich fest pinnte. Marcos Lippen, die noch energischer und gieriger sich gegen seine bewegten. Marcos Hände, die plötzlich einen Weg unter sein T-Shirt fanden. Marco. Marco. Marco. Jean selbst griff jetzt nach den Älteren. Vergrub eine seiner Hände in das weiche Haar seines Freundes, klammerte sich mit dem Anderen an dessen Oberteil fest, drückte ihn noch näher an sich. „Jean“, stöhnte Marco leise in ihren Kuss hinein, was er niemals vergessen würde. Ihr Kuss stoppte, hörte sich und den Anderen schwer atmen. Öffnete den Mund um irgendwas zu sagen, damit sie weiter üben konnte. Ihn erklären konnte, dass ein schwuler Ritter und ein schwuler Zauberer eigentlich absolut perfekt waren. „Marco, ich-“ Gleißendes Licht blendete ihn für einen Augenblick und hielt ihn auf seine Rolle zu perfektionieren. „Eren!“, ertönte eine fiepsige, bekannte Stimme, die weder Jean, noch Marco gehörte, sondern ihrem Schulkameraden Armin. Der Blonde blinzelte einige Male, schaute an dem hochroten Gesicht seines Freundes vorbei in das mürrische Gesicht von Eren Jäger. Dieser schaute mit einer Mischung aus ekliger Gelassenheit und angeborenem Zorn auf sie hernieder. „Was genau wird das, wenn es fertig ist?“ „Wir üben, sieht man doch“, erwiderte Jean nur bissig. Eren schüttelte nur ungläubig den Kopf, Armin stand verlegen im Hintergrund und dann lachte Marco herzhaft los. Lächelnd stimmte Jean mit ein, wuschelte Marco durch die Haare und rollte sich mit ihm zusammen wieder in die Decke ein, Erens Proteste ignorierend. Das Theaterstück wurde dennoch ein Reinfall. Nicht, weil Jean es nicht aufbrachte Marco vor versammelter Schulmannschaft zu küssen, sondern weil er ab der Hälfte des Stücks mit Eren eine Schlägerei anfing. Sie waren einfach nicht dazu geschaffen, Teampartner zu sein. Trotzdem endete es damit, dass ihn Marco für großartig und genial hielt und er Marco für so vieles mehr. Man wurde wirklich nie zu alt für Ritter, Zauberer und Deckenschlösser. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)