One time, one meeting von Rix (Eine OneShot-Sammlung zu Marco/Jean) ================================================================================ Kapitel 1: Sternenglanz ----------------------- I. Sternenglanz “It’s unbelievable how you can affect someone else so deeply and never know.” — Susane Colasanti „Was glaubst du, sind sie?“ Kühle Nachtluft ließ die entfernten Bäume leise rascheln und die Grashalme sich leicht beugen, so dass sie auf Jeans freier Haut leicht kitzelten. Ein flüchtiges Gefühl der Nähe, fast so wie die Frage Marcos, der neben ihm ebenso im Gras lag und zum Firmament hinauf schaute. Leicht drehte er den Kopf, um seinen Freund anzuschauen. Ein nachdenklicher Ausdruck zierte seine Gesichtsmimik, was untypisch für sein sonst so frohes und offenes Wesen war. „Wer was ist?“, fragte Jean schließlich. „Die Sterne“, antwortete Marco ein wenig bedrückt, zog seine Stirn nur noch mehr in Falten. „Was die Sterne sind.“ Jetzt wanderten Jeans goldbraunen Augen erneut zum Nachthimmel, musterten die weit entfernten, leuchtenden Punkten, die in solchen klaren Nächten unzählig über ihnen existierten. Fast so wie die Titanen vor den Mauern. Bei dem Gedanken wurde ihm leicht übel. Sterne fielen nicht über die Menschheit her, sondern beobachteten sie nur von weiter Ferne und spendeten ihnen eine tröstende Schönheit. Jedoch verließ keiner dieser Worte jemals seinen Mund, wollte nicht, dass Marco ihn für einen romantischen Schwachmaten hielt. Stattdessen schnaubte er nur abfällig und zuckte leicht mit den Schultern. „Wen interessiert es? Solange sie da oben bleiben, ist doch alles in Ordnung.“ Marco schwieg eine ganze Weile und Jean fürchtete schon den Anderen mit seiner patzigen Antwort verärgert zu haben, was eine Kunst war, die anscheinend nur er zu beherrschen vermochte. Doch plötzlich nahm er eine Bewegung aus dem Augenwinkel war und bevor er reagieren konnte, spürte er wie sich etwas an seine Seite presste. Sein Freund hatte sich seitlich an ihn gedrückt, seinen linken Arm um seinen Unterkörper geschlungen, seine Beine mit Jeans verschlungen und sein Gesicht in dessen Halsbeuge gedrückt. Die unerwartete Nähe löste ein nervöses Kribbeln in ihm aus . Schwer schluckend, versuchte er sein rasendes Herz zu beruhigen und den sonderbaren Duft von frischem Gras und Vanille, wonach Marco immer ein wenig roch, zu ignorieren, da er schon mehr als einmal seine Sinne und seine Gedanken in Unordnung gebracht hatte. Für mehrere Minuten lagen sie so da und Jean glaubte schon, dass sein Freund eingeschlafen war, als dieser den Kopf drehte und abermals zum Sternenhimmel sah. „Solange sie da bleiben...aber was, wenn nicht? Was wenn sie irgendwann auf die Erde hinab stürzen? Sollten wir dann nicht wissen, was sie sind?“ Verwirrt musterte Jean seinen Freund, der so besorgt aussah, wie schon lange nicht mehr. Manchmal kam es vor, dass Marco die unmöglichsten Fragen stellte, worauf er nie eine Antwort wusste. Und immer wieder ertappte er sich dabei, wie er dann angestrengt Tage lang über eine sinnierte, bis er sie Marco mitteilen konnte, nur um dann ein Lächeln auf das Gesicht seines Freundes zu zaubern. Jedoch in diesem Augenblick fühlte er, dass er keine Zeit besaß, um eine passende Erklärung zu finden – und das bereitete ihn Sorgen. „Sie werden nicht vom Himmel fallen...“, war schlussendlich seine schwache Erwiderung. Marco zog nur die Augenbrauen in Missbilligung zusammen. „Woher willst du das wissen?“ „Woher willst du wissen, dass sie fallen werden?“ „Weil alles irgendwann fällt...“ Stille. So als hätten sie gerade einen langen Marsch hinter sich, schloss Marco erschöpft die Augen und seufzte schwer. „Verzeih. Ich...bin müde, denke ich.“ Jean sagte nicht, starrte seinen Freund nur an. Dann wandte er sich ab und blickte erneut zu den Sternen, die ihn jetzt fast schön höhnisch entgegen strahlten. Ihm war klar, dass sein Freund an die Mauern dachte. An die Gefahren, die dahinter lagen. Sie alle dachten ständig daran. Die Mauern waren ihr Segen und Fluch zugleich. Egal, wie sehr man versuchte sie zu vergessen, sie schoben sich einen immer wieder in den Weg. Fast wie die Sterne. „Sogar wenn sie fallen, es wäre nicht weiter schlimm.“ „Uh?“, verdutzt schaute Marco ihn jetzt an, spürte dessen warmen Atem auf der Haut, konnte jede einzelne Sommersprosse in dessen Gesicht zählen, wenn er wollte. Leicht errötete Jean. „Na...wenn sie fallen, dann sind wir mehr oder weniger von Sternenglanz umgeben, richtig? Dann ist jede Nacht hell und klar. Wo wäre das schlecht?“, stammelte er verlegen und wünschte sich, niemals etwas gesagt zu haben. Für einige Herzschläge pochte es so hart gegen seine Brust, dass er meinte, es würde jeden Moment aus ihm hinaus springen und die ganze Situation noch peinlicher gestalten. Doch dann lächelte Marco glücklich und mit seiner ganzen Seele, dass der Glanz der Sterne sich in seinen Augen wiederfand und für diese kleine Sekunde wünschte Jean sich, dass die Sterne wirklich vom Himmel fallen mögen, damit er sein ganzes Leben diesen Ausdruck betrachten könnte. „Du bist ein ziemlicher Idiot, Jean.“ „Sagt der Richtige, Sommersprosse.“ Marco kicherte leicht und beugte sich vor, bewegte seinen Arm, nur um leicht durch Jeans struppige, blonde Haar zu streichen, was ihm einerseits immer etwas unangenehm war, andererseits immer eine wollige Wärme in seiner Magengegend versprühte. „Versprich mir, dass du nicht fällst“, die Stimme seines Freundes war leise, fast nur ein zerbrechliches Flüstern. „Bin doch kein Stern“, erwiderte Jean nur neckisch und fing sich dafür einen tadelnden Klaps auf den Bauch ein. Doch Marco lachte herzlich und war wieder er selbst, was ihn unglaublich beruhigte. Und bevor Marco dessen Lippen mit seinen verschloss, erhaschte der Blonde noch einen letzten Blick auf das nächtliche Firmament mit dem Meer aus Sternen, was heller als vor einigen Minuten zu strahlen schien. - Jean lernte einige Wochen später, dass Sterne in der Tat nicht fielen. Sie erloschen lediglich. Nichts weiter. Leuchteten einige Sekunden heller als sonst, purzelten über das tiefe Schwarz des Himmels, bevor sie immer kleiner wurden, bis sie lautlos in den endlosen Weiten verstarben und nie wieder von einem lebenden Wesen gesehen wurden, während seine Brüder und Schwestern daneben weiter existierten als wäre dessen Tod von keinerlei Bedeutung. Stumpf und mit eisiger Kälte in seinem Innersten, realisierte er das, als er auf den riesigen Scheiterhaufen blickte, wo Marcos Knochen mit den von unzählig anderen Jägern verbrannte und langsam erlosch. Er folgte den grauen Rauchfäden, die sich gen Himmel schlängelten. Schaute auf in den Sternen besetzten Nachthimmel. Eine einzelne Sternschnuppe zog ihre Bahn und verstarb. Ihr Sternenglanz für immer verloren. Kapitel 2: Deckenschlösser -------------------------- II. Deckenschlösser “They say a person needs just three things to be truly happy in this world: someone to love, something to do, and something to hope for.” — Tom Bodett „Ich spiele nicht den bekloppten Ritter.“ Jean verschränkte die Arme vor der Brust und schaute seinen besten Freund grimmig an. Marco dagegen seufzte nur, sichtlich entnervt und massierte sich seinen Nasenrücken mit Daumen und Zeigefinger. „Jean“, fing er ruhig an, jedoch mit einem tadelnden Unterton in der Stimme, den er immer dann anschlug, wenn sein Gegenüber langsam aber sicher die unsichtbare Linie der Nervgrenze erreichte. „'Jean' mich nicht, Marco! Ich spiele diesen Ritter nicht. Diskussion beendet.“ Um seiner Entscheidung Nachdruck zu verleihen, erhob der Blonde sich und war schon drauf und dran zu verschwinden, Richtung Marcos Fenster – der einzige Ein- und Ausgang den er kannte, seit sie eng miteinander befreundet waren. Wobei Jean es mehr aus dem Grund tat, um Marco lächelnd die Augen verdrehen zu sehen, was in ihm immer ein Gefühl des Stolzes und Glücks auslöste. Marco beeindrucken war sowieso sein zweites Hobby geworden. Nicht, dass er es nötigt hätte. Marco war der einzige Mensch auf der weiten Welt, der ihn für großartig hielt und ihn auch mit all seinen Fehler zu mögen schien. Dennoch kam Jean nicht drum herum, zu versuchen Marco zu beeindrucken. Einfach aus dem Grunde, weil er es liebte, wenn der Ältere ihn für genial und großartig hielt. Jedoch gab es auch Zeiten, in denen er es bereute, den Anderen beeindrucken zu wollen. Meistens dann, wenn seine Aktionen nach hinten los gingen. Wie das gebrochene Bein an Halloween. Oder die Lebensmittelvergiftung an Marcos Geburtstag. Doch sogar dann hatte es immer einen Lichtblick gegeben. Ein Wort, ein Lachen, ein Lächeln, ein Haarrüffler oder ein Klaps in den Magen. Irgendwas, was Marco dazu brachte, nur ihn anzusehen und alles andere zu vergessen. Doch diese Aktion war einfach nur zum absoluten Scheitern verurteilt – und würde ihn rein gar nichts bringen. Bevor er fliehen konnte, hielt ihn Marco am Ellbogen zurück. „Jean, bitte.“ Der Blonde kniff die Augen zusammen und knirschte mit den Zähne. Wie er es hasste, wenn der Ältere das B-Wort sagte. Ergebend ließ er sich wieder zurück aufs Bett ziehen. Dennoch verschränkte er sofort die Arme und warf einen möglichst angefressenen Blick zu Marco hinüber. Dieser lächelte ihn entschuldigend an und hob das Drehbuch ein Stückchen höher, so dass es die Hälfte seines Gesichts bedeckte und seine Hundeaugen noch welpenartiger erscheinen ließ. „Ich weiß, dass es viel verlangt ist. Aber Dazz ist krank geworden und wird es nicht mehr rechtzeitig zur Aufführung schaffen. Und du bist nun einmal perfekt geschaffen für die Rolle.“ Bei den letzten Worten hob Jean seine Brust an. „Nun..“ „Und ich könnte mir niemand besseren vorstellen, der einen edlen, mutigen, starken Ritter spielt“, je länger Marco die Worte zog und mit Honig um sich schmiss, desto mehr schwoll Jeans Brust an. „Der an der Seite des Helden Bösewichte in die Flucht schlägt, die Welt beschützt, die Prinzessin rettet“, fuhr Marco fort und langsam aber sicher hörte sich das ganze Stück gar nicht so schlecht an. „Und zum Schluss mit dem Zauberer der Truppe zusammen kommt“, nuschelte Marco schlussendlich rasch und kaum hörbar. Und genau da war der Haken, der Jean seit etwa einer Stunde aufregte und allein bei dem Gedanken rote Ohren verpasste. „Ich werde keinen schwulen Ritter spielen!“ Abermals stand er auf, um zu flüchten und abermals hielt ihn Marco auf, indem er sich jetzt nach vorne schmiss und seine Arme um Jeans Oberkörper schloss. „Bitte Jean! Lass mich nicht hängen.“ „Lass los, Marco!“ „Es ist doch nur eine klitzekleine Stelle. Nur eine Millisekunde in deinem ganzem Leben.“ „Eine Millisekunde, die ich vor der ganzen Schule aufführen muss!“ „Die keinen interessieren wird.“ „Warum muss ich sie dann überhaupt machen?“ „Weil...uhm...nun, Charaktertiefe und Symbolik im Bezug auf die zwischenmenschliche Dynamik der heutigen Welt im Zusammenhang mit traditionellen Werte...“ Jean schaute Marco zweifelnd an, der nur fragend die Augenbrauen hob. „Das hast du dir gerade aus den Fingern gesogen, richtig?“ Marco setzte eine Unschuldsmiene auf, wobei er seine Lippen spitzbübisch zusammenpresste und nur mit den Schultern zuckte. Genervt stöhnte Jean auf und ließ sich rücklings ins Bett fallen, wobei der Andere ihn los ließ und er sofort dessen Arme um seinen Körper vermisste. Jean spürte wie seine Ohren rot wurden. „Außerdem...“, fing er stotternd an, verwünschte seine Stimme und seine kindische Nervösität, fürchtete Marco können seinen rasenden Herzschlag spüren. „Außerdem müssten wir uns küssen, richtig?“ Angestrengt versuchte der Blonde nur die Decke von Marcos Zimmer anzustarren, in der Hoffnung, dieser würde seine angespannte Mimik nicht sehen. „Hm, ja“, kam schließlich die nur kurz angebundene Antwort Marcos, so als kümmere es ihn nicht wirklich, was Jean furchtbar aufregte. Energisch richtete er sich wieder auf und beugte sich ebenso hastig zu seinem Freund hinüber, der erschrocken einige Millimeter zurückwich. „Kümmert dich das denn gar nicht?“ „Was genau?“ „Das wir uns k...k....verdammt. Das wir, du weißt schon“, Jean fuchtelte beschämt wild mit seinen Händen umher. Der Ältere schaute erst ein wenig zweifelnd, dann lächelte er sachte und fast schon liebevoll. „Das wir uns küssen?“ Der Blonde spürte wie seine Körpertemperatur förmlich anstieg und jedes Thermometer sprengte. „Sag das doch nicht so einfach!“ Darauf lachte Marco nur und Jean verpasste ihn einen groben Stoß, so dass er nach hinten fiel und sich beinahe den Kopf auf der Bettkante aufschlug. Doch es schien seinen Freund nicht weiter zu stören, stattdessen wischte sich dieser jetzt Lachtränen aus dem Gesicht. „Du bist manchmal so herrlich süß, Jean.“ „Ach, halt die Fresse, Sommersprosse.“ Beleidigt und mehr als innerlich gedemütigt fühlend, wandte er sich von dem Schwarzhaarigen ab und versuchte das herunter gefallene Drehbuch mit bloßen Blicken zu vernichten. Plötzlich stand Marco neben ihm auf. Aufmerksam folgte er den Bewegungen seines Freundes, der jetzt zu seinem Kleiderschrank gegangen war und nach mehreren Ziehen und Kramen eine Decke heraus holte. „Was willst du denn jetzt damit?“ „Warts ab.“ Zweifelnd beobachtete Jean, wie Marco zurück kam und sich erneut neben ihm aufs Bett nieder ließ, wobei er nur wenige Zentimeter von ihm entfernt war. Gerade als er darauf etwas erwidern wollte, warf der Schwarzhaarige mit einem gekonnten Schwung, die Decke über sie Beide. „....“ „....“ „...klasse, Marco. Ich bin immer wieder von deiner Genialität geblendet.“ „Jean, wir hatten das Gespräch über Sarkasmus und deiner Verwendung davon.“ Er schnaubte nur, kniff die Augen ein wenig zusammen, um die schwarze Silhouette von Marco zu erkennen, die nur sichtbar durch vereinzelte Lichtstrahlen war, die sich ihren Weg durch Lücken am Deckenende bahnten. „Sind wir nicht schon etwas zu alt für Deckenschlösser?“ „Man ist nie zu alt für Deckenschlösser, Jean.“ „Okay, von mir aus.“ Dann schwiegen sie und keiner von ihnen rührte sich, wobei sich Jean still fragte, was die ganze Farce sollte. Gerade als es ihm unter der Decke zu stickig und warm wurde, spürte er mit einmal zwei warme Hände auf seinem Gesicht. Erschrocken zuckte er zusammen, worauf die Hände ein Stückchen an Griff verloren. „Tut mir Leid“, sagte Marco leise. Erneut fühlte Jean wie sein Herz zu rasen begann und war froh darüber, dass es unter der Decke so dunkel war, sonst hätte Marco seine tomatenreife Röte gesehen. „Was zur Hölle machst du da?“ Zuerst kam keine Antwort. Dann hörte er wie Marco tief ein und wieder ausatmete. „Üben.“ „Was üben?“ Ein Rascheln. Fußspitzen, die seine berührten. Warmer, süßer Atem auf seinem Gesicht. Und Nähe. Unglaubliche, erschlagende Nähe in dem dunklen Verlies des Deckenschlosses. „Küssen.“ Sogar wenn er es gekonnt hätte, Jean hätte nicht gewusst, wie er hätte reagieren sollen. Das Wort war wie eine Seifenblase, die eine Lebensspanne von Sekunden aufwies, kurz lustig durch die Gegend flog und schließlich einfach zerplatzte und dabei zu klebrige Flüssigkeit wurde. „Nach all diesen Abenteuern, Herr Ritter“, nuschelte Marco unsicher und Jean war sich nicht sicher, ob es daran lag, dass er sich wegen seiner Sprechrollenverse unsicher war oder daran, dass sich jetzt ihre Nasenspitzen berührten. „Nach all diesen Erlebnissen habe ich erkannt, wie ich mehr ein Hofnarr, statt eines Zauberers ich war“, Marcos Stimme war mit einmal nur noch ein Hauchen, belegt und rau und jagte Jean kleine Schauer den Rücken hinab. „Ein Hofnarr, der vernarrt in euch ist.“ Jean fand diesen Satz unglaublich sülzig und dumm. Und dann waren da Marcos Lippen auf seinen. Anfangs waren sie rau und er konnte spüren, wie sehr Marco selbst zitterte. Dann bewegten sie sich ungeschickt, unsicher gegen seine geschlossenen Lippen und zuerst war er damit völlig überfordert. Schließlich rutschte Marco noch ein wenig näher an ihn heran, presste seine Lippen noch fester gegen seine, als er merkte, dass er ihn nicht wegstieß. Ungeschickt versuchte Jean schlussendlich der Aufforderung entgegen zu kommen. Es war ein unkoordiniertes aneinander Pressen und Bewegen – und es war einfach nur perfekt. Lauter kleine Blitze zuckte durch Jeans Körper. Sein Herz machte Sprünge. Seine Gliedmaßen fühlten sich wie Pudding an. Und Marco. Alles war gefüllt mit Marco unter diesem Deckenschloss. Marcos Wärme. Marcos Geruch. Marcos Körper, als dieser ihn ohne Vorwarnung nach unten drückte und auf ihn drauf lag, ihn unter sich fest pinnte. Marcos Lippen, die noch energischer und gieriger sich gegen seine bewegten. Marcos Hände, die plötzlich einen Weg unter sein T-Shirt fanden. Marco. Marco. Marco. Jean selbst griff jetzt nach den Älteren. Vergrub eine seiner Hände in das weiche Haar seines Freundes, klammerte sich mit dem Anderen an dessen Oberteil fest, drückte ihn noch näher an sich. „Jean“, stöhnte Marco leise in ihren Kuss hinein, was er niemals vergessen würde. Ihr Kuss stoppte, hörte sich und den Anderen schwer atmen. Öffnete den Mund um irgendwas zu sagen, damit sie weiter üben konnte. Ihn erklären konnte, dass ein schwuler Ritter und ein schwuler Zauberer eigentlich absolut perfekt waren. „Marco, ich-“ Gleißendes Licht blendete ihn für einen Augenblick und hielt ihn auf seine Rolle zu perfektionieren. „Eren!“, ertönte eine fiepsige, bekannte Stimme, die weder Jean, noch Marco gehörte, sondern ihrem Schulkameraden Armin. Der Blonde blinzelte einige Male, schaute an dem hochroten Gesicht seines Freundes vorbei in das mürrische Gesicht von Eren Jäger. Dieser schaute mit einer Mischung aus ekliger Gelassenheit und angeborenem Zorn auf sie hernieder. „Was genau wird das, wenn es fertig ist?“ „Wir üben, sieht man doch“, erwiderte Jean nur bissig. Eren schüttelte nur ungläubig den Kopf, Armin stand verlegen im Hintergrund und dann lachte Marco herzhaft los. Lächelnd stimmte Jean mit ein, wuschelte Marco durch die Haare und rollte sich mit ihm zusammen wieder in die Decke ein, Erens Proteste ignorierend. Das Theaterstück wurde dennoch ein Reinfall. Nicht, weil Jean es nicht aufbrachte Marco vor versammelter Schulmannschaft zu küssen, sondern weil er ab der Hälfte des Stücks mit Eren eine Schlägerei anfing. Sie waren einfach nicht dazu geschaffen, Teampartner zu sein. Trotzdem endete es damit, dass ihn Marco für großartig und genial hielt und er Marco für so vieles mehr. Man wurde wirklich nie zu alt für Ritter, Zauberer und Deckenschlösser. Kapitel 3: Nummer Eins ---------------------- III. Nummer Eins “While you were sitting in the back seat smoking a cigarette you thought was gonna be your last, I was falling deep, deep in love with you, and I never told you till just now.” — Edward Sharpe and the Magnetic Zeros Marco würde niemals der Beste in irgendwas sein. Jean bestritt nicht, dass Marco ausgezeichnete Talente und Fähigkeiten aufwies, dennoch mangelte es ihm an genügend Ehrgeiz, um diese tatsächlich optimal für seine eigenen Bedürfnisse zu nutzen. Dennoch störte es ihn nicht weiter. Für den mangelnden Ehrgeiz hatte Marco umso mehr Herz. Herz für alles und jeden und insbesondere für Jean. So viel Herz, dass wenn sie aus ihren Trainingsbaracken traten, in Eile, da Jean zu spät aufgestanden war und Marco zu gütig ihn zu wecken gewesen war, nicht weiter als einige Meter kamen. Platzregen umhüllte sie, stürzte auf sie nieder. Jean fluchte und Marco lachte. Dann war da die sanfte Hand Marcos, die sein Handgelenk umgriff und ihn zurück in ihre Unterkunft zog. Es war ihnen egal, ob sie Ärger bekommen würden, der definitiv auf sie warten würde. Sie waren zusammen und das reichte. Eingekuschelt unter ihren Decken, Finger und Beine ineinander verschlungen; Stirn an Stirn, die Wärme und den Duft des Anderen spürend, sich Geheimnisse und Scherze zuflüsternd, die kein anderer Mensch jemals hören würde. Zusammen in einem perfekten Duo der Harmonie. Sie waren jung gewesen und Jean hatte nicht wirklich verstanden, was ihm sein Bauch voller Schmetterlinge damals sagen wollte – und er war sich auch drei Jahre später nicht wirklich im Klaren, was es bedeutete. Alles was er wusste, war als er aus einem Gebäude trat, dass er niemals mehr die Möglichkeit bekam es zu verstehen. Über ihn brach der Himmel, Platzregen prasselte auf ihn nieder, schwere Regentropfen die ihn durchnässten und Jean schloss müde die Augen. Keine Hand würde nach ihm greifen. Dieses Mal nicht und auch alle anderen Male nicht. Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen und als er auf in den dunklen Himmel schaute, starben alle Schmetterlinge in seinem Bauch einen kümmerlichen Tod. Marco würde niemals der Beste sein, da es ihn an Ehrgeiz fehlte und er zu viel Herz besaß – was ihm höchstwahrscheinlich das Leben gekostet hatte. Dennoch würde er für alle Ewigkeit Jeans Nummer Eins bleiben. Kapitel 4: Sprachübungen ------------------------ IV. Sprachübungen “You don’t love someone for their looks, or their clothes, or for their fancy car, but because they sing a song only you can hear.” — Oscar Wilde 1. „Das ist nicht dein Ernst, Jean!“ „Warum, klingt doch gut? Separates Bad, zwei Zimmer, Einbauküche...“ „Hast du dir mal die Straße angesehen, in der die Wohnung liegt?!“ „Ja, und?“ „Ich werde nicht in dem Äquivalent einer italienischen Seitengasse leben, wo die Mafia regiert.“ „So schlimm ist es nun auch wieder nicht.“ „Hast du nicht den kleinen, fiesen Kerl mit dem Mördergesicht gesehen? Der hat sicher schon die ein oder andere Leiche versenkt.“ „Achja, wo denn? Im Main?“ „Durch Erlangen läuft der Regnitz.“ „Jaja, von mir aus. Trotzdem...“ „Nein.“ „Aber-“ „Ich sagte nein. Jetzt gib die Anzeigen her, ich mache den Rest.“ „Spielverderber.“ „Einer von uns muss ja gesunden Menschenverstand aufbringen.“ „...“ „...“ „...“ „Jean, was tippst du da in dein Handy?“ „Ich habe hier noch eine geniale Wohnung.“ „Habe ich dir nicht gerade vor zwei Minuten verboten, weiterhin irgendwelche Gruselwohnungen rauszusuchen?“ „Du stellst dich an wie ein Mädchen.“ „Zumindest wie ein vernünftiges Mädchen.“ „Es irritiert mich immer wieder, wenn du deine weibische Seite nicht abstreitest.“ „Mädchen sind nun einmal die besseren Jungs.“ „Das ist...dämlich.“ „Findest du?“ „Ja...weswegen ich dir jetzt die geniale Wohnung vorstelle.“ „Jean...“ „Warm nur 480€, ohne Provision, Bad extra, Einbauküche, Zentralheizung, keine Haustiere, womit wir Eren ein für alle Mal auch gesetzlich ausschließen dürfen und sogar mit Innenhof, Baujahr 1856.“ „...“ „Was?“ „...“ „Hey, was tippst du jetzt in dein Handy? Was, warum Google Map? Marco?“ „...ist das dein Ernst?“ „Es ist eine klasse Wohnung.“ „Klar, wenn man den Inder daneben wegrechnet und den Türken und den Mexikaner...bitte wie viele Restaurants kann man in einer Straße unterbringen? Weißt du, was da Abends für Leute rumrennen?“ „Sind wir nicht etwas zu intolerant?“ „Ich habe dich als Freund, toleranter kann kein Mensch sein.“ „Jetzt wirst du pampig.“ „Oh Verzeihung, dass ich nicht jeden Morgen das Fenster öffnen möchte, nur um gleich eine Variation von unterschiedlichen nationalen Düfte einzuatmen.“ „Ist nicht eher der Gedanke wichtig, dass wir zusammen wohnen und alles andere nebensächlich?“ „...“ „...“ „...“ „Ich sehe schon, nicht in romantischer Rummachstimmung?“ „Absolut nicht. Und jetzt gib dein Handy her, bevor du uns noch direkt in die Arme von russischen Sklavenhändler treibst.“ „Es gibt russische Sklavenhändler in Erlangen?“ „Jean.“ „Ja?“ „Halt einfach deinen süßen Mund und sehe unglaublich sexy beim Bedienen des Navis aus, ja?“ „Ich fühle mich ein wenig diskriminiert.“ „Und ich ein wenig lebensmüde tatsächlich mit dir zusammen zu ziehen.“ „...“ „...“ „Aber wäre es nicht äußerst praktisch, wenn wir jeden Abend eine andere kulinarische Speise essen könnten?“ „Jean!“ „Schon gut. Ich sehe ab jetzt nur noch sexy aus.“ „Danke.“ „...“ „...“ „Aber-“ 2. „Marco, du weißt ich liebe dich.“ „Ja?“ „Sehr sogar.“ „Das freut mich?“ „Eigentlich liebe ich dich über alle erdenkliche Maße hinaus.“ „D-Danke?“ „Aber manchmal, manchmal...“ „Was? Um was geht es überhaupt?“ „Deine Bücher.“ „Meine Bücher?“ „Marco, ich muss dir eine traurige Mitteilung machen.“ „Okay. Warte, was? Ich habe den Faden verloren.“ „Eine sehr traurige Mitteilung, die auch meine grenzenlose Liebe nicht aufhalten konnte.“ „Hast du dir wieder Hachiko mit einer riesigen Portion Eis angesehen? Du weißt, dass du danach immer etwas emotional aufgelöst bist.“ „Was? Nein, nein habe ich nicht! Und ich bin niemals emotional aufgelöst.“ „Wirklich? Und warum kuscheln wir danach immer stundenlang, nur um am nächsten Tag uns kleine süße Hundewelpen im Tierhandel anzusehen?“ „Das ist, ich bin, darum geht es jetzt nicht! Es geht um deine verflixten Bücher!“ „Was haben meine Bücher mit Hachiko zu schaffen?“ „Was? Nichts, rein gar nichts hat gerade mit dem Hund zu tun.“ „Außer deine emotionale Aufgelöstheit.“ „Könnten wir bitte jetzt aufhören über meine Gefühle zu sprechen und zu deinen ollen Büchern zurückkehren?“ „Wenn du meinst. Wenn du aber kuscheln möchtest-“ „Ich will jetzt aber nicht kuscheln!“ „Wirklich nicht?“ „....nachher vielleicht...aber jetzt geht es um deine Bücher. Bücher. Deine. Marcos Bücher. Klar?“ „Glasklar. Also, was ist mit ihnen?“ „Sie türmen sich.“ „Und?“ „Und? Hast du nicht gehört, sie türmen. T-Ü-R-M-E-N. Es ist als würden Mininaturchinesen ihre Mauer um unser Bett errichten. Das ist beängstigend.“ „Findest du?“ „Ja. Ich habe Angst davor in meinem Schlaf von der gewaltigen Macht der Buchstaben erschlagen zu werden.“ „Nun, eventuell haben sich da einige angesammelt.“ „Einige? Ich kann die Dinger als riesige Tischtennisplatte benutzen.“ „Warum kommst du von allen Beispielen genau darauf?“ „Weiß nicht. Hätte Lust eine Runde zu spielen.“ „Es ist noch hell, wollen wir?“ „Hm...“ „Na komm, ich spendiere dir auch ein Eis.“ „Okay, bin dabei. Selbe Regeln wie immer?“ „Wenn du verlierst, kriege ich ein neues Buch und wenn ich verliere, schaue ich mit dir einen dieser grässlichen Horrorfilme.“ „Genau.“ „Jean?“ „Ja?“ „Du bist der Beste.“ 3. „Es schmeckt grauenhaft, nicht wahr?“ „Nein, es ist klasse. So klasse wie du Marco. So klasse deinem Freund Frühstück zu zubereiten und ans Bett zu bringen. So klasse, dass ich mich kaum zurückhalten kann, noch einen Bissen dieses Toasts zu nehmen. So klasse.“ „Wow, es muss echt furchtbar sein. Tut mir Leid.“ „Nein! Nein, es ist wirklich gut. Der Toast ist vielleicht etwas knackig und der Schinken ein wenig salzig. Aber ich bin mir sicher, dass das Rührei einzigartig schmecken wird.“ „Einzigartig, nun das wäre möglich.“ „...“ „Jean? Oh mein Gott, Jean! Was ist los?!“ „Eierschale...im...Hals...“ „Oh Gott, oh Gott. Das tut mir so Leid! Hier Jean, trink den Orangensaft! - Was? Schau mich nicht so an. Er ist gekauft, keine Sorge....besser?“ „Ich glaube, ich sah mein Leben an mir vorbeiziehen.“ „So schlimm?“ „Eher peinlich. An Eierschalen gestorben. Das wären Schlagzeilen.“ „Ob ich deswegen ins Gefängnis kommen würde?“ „Vielleicht würden sie dir auch ein Preis für die originellste Tötungsmethode seit Jahrhunderten verleihen.“ „Warum sollten sie mir einen Preis verleihen?“ „Keine Ahnung. Heutzutage verleihen sie einem wegen jedem Mist einen Preis.“ „Nun, dann wohl eher für schlechtestes Frühstück des Jahrhunderts.“ „Ach, der Orangensaft war doch gut.“ „Der war gekauft.“ „Deswegen ja.“ „Dabei wollte ich dir nur etwas Gutes tun.“ „Der Gedanke zählt. Und jetzt komm her, damit ich mich revanchieren kann, denn ich habe jetzt Hunger auf den süßesten Freund des Jahrhunderts.“ 4. „Psst, Marco.“ „Hm?“ „Bist du noch wach?“ „Nein, hier spricht der Anrufbeantworter von Bodt. Bitte hinterlassen sie eine Nachricht nach dem Schnarchton und versuchen sie es um eine menschliche Zeit noch einmal. Dankeschön.“ „Der ist nicht witzig.“ „Finde ich schon.“ „Du lachst auch über Pantomimen.“ „Nicht jeder verabscheut sie so sehr wie du.“ „Ich trauen ihnen nicht.“ „Warum auch immer...“ „Es sind ihre künstlichen Bewegungen. Das ist einfach nur unnatürlich.“ „Wenn du meinst...“ „Egal, also, du bist wach, richtig?“ „Du würdest auch dann keine Ruhe geben, wenn ich jetzt sagen würde, dass meine spektrales Unterbewusstsein mit dir in einer Zwischendimension spricht, richtig?“ „War irgendwas von dem, was du gerade gesagt hast, wirklich sinnreich?“ „Weiß nicht, möglich.“ „Zumindest bist du wach.“ „Ja, ich bin leider wach. Also, was kann ich für dich tun?“ „Erzähl mir eine Geschichte.“ „Bitte?“ „Na, du weißt schon. Eine Geschichte erzählen über irgendwas. Irgendwelche mutigen Helden, spannende Kampfszenen und so ein Zeug halt.“ „....wieder Alpträume?“ „....ein paar.“ „Ah.“ „...“ „Es war einmal ein starker, blonder Held, der einen sommersprossigen Jungen aus seiner Nachbarschaft vor einer wild gewordenen Kuh rettete. Es war der Beginn einer wunderbaren Liebesgeschichte.“ „Hmm, meine Lieblingsgeschichte.“ „Natürlich. Und jetzt komm her und ich flüstere sie dir ins Ohr, bis du sie noch einmal erlebst und niemals vergisst.“ 5. „Was zählst du da?“ „Deine Sommersprossen.“ „Schon wieder?“ „Manchmal kommen welche hinzu.“ „Und was fängst du dann mit dem Endergebnis an?“ „Ich punkte sie an die Wand.“ „Du kannst sie nicht an die Wand punkten. Wir sind nur Mieter hier.“ „Ist mir egal.“ „Was soll das überhaupt bringen?“ „Damit ich mich erinnere.“ „Woran erinnerst?“ „Wie viel Küsse ich dir zum Schluss geben muss.“ „Bitte was?“ „Für jede Sommersprosse ein Kuss, was ist daran nicht verständlich?“ „Ja, aber warum?“ „Öh, warum?“ „Ja, warum überhaupt mir Küsse geben?“ „Na dafür, dass du geblieben bist.“ „Du meinst, weil ich mit dir weiterhin zusammen wohne?“ „Genau.“ „...“ „Was? Lächle nicht so breit, dass sieht dämlich aus.“ „Was soll ich zählen?“ „Hm?“ „Nun, du zählst meine Sommersprossen. Was soll ich zählen für die Küsse, die ich dir am Ende schulde?“ „Ist doch albern, wenn du es auch machst.“ „Ich glaube, ich nehme es für jedes Mal, wenn du wieder schief unter der Dusche Disneylieder singst.“ „Als würdest du die nicht auch mitsingen.“ „Wie wäre es dann für jedes Mal, dass du rot wirst, wenn ich dir sage, dass ich dich liebe?“ „Ach, halt doch die Klappe...“ „Ich liebe dich, Jean.“ „....dreiundzwanzig Sommersprossen, Marco.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)