Entrissen - Eine Magnayen-Story von Shizana (Frühlingswichteln 2013 für ChaoticLyra) ================================================================================ Prolog: Freie Wildnis --------------------- Das leise Knirschen des Schnees unter seinen mit langen, scharfen Krallen besetzten Tatzen verriet das Geradaks, als es Pfote in den Wald setzte. Es wusste, dass es gefährlich war, doch es hatte keine andere Wahl. Der Winter war unvorhergesehen eingetreten, deutlich früher als sonst, und es war längst noch nicht auf die Winterruhe eingestellt. Doch die Nahrungssuche war schwierig. Die nahen Felder der Menschen waren unbrauchbar, und der Wald war zu dieser Jahreszeit voller hungernder Feinde. Es musste auf der Hut sein, wenn es den nächsten Frühling wieder erleben wollte. Aufmerksam spitzte es die Ohren und blickte sich mehrmals um. Für zwei Minuten zögerte es, prüfte mit allen Sinnen, ehe es sich weiter zwischen die dichten Bäume wagte. Die kühle Luft war getränkt vom Feindgeruch, längst hatte es sein sicheres Territorium verlassen und bewegte sich in fremden Jagdgründen. Sein Bau lag am Rande des Waldes, zwischen Feld und Baum, normalerweise musste es sich nicht so weit vorwagen. Normalerweise würde es sich seinen Wintervorrat noch von den Resten der Maisfelder holen, hätte der eisige Schneefall nicht alle vor zwei Tagen überrascht. Nur etwas weiter entdeckte es eine kleine Lichtung, nur drei gesunde Kiefern breit, welche einigermaßen verschont geblieben war. Wenn es Glück hatte, könnte es dort nach einigen Wurzeln oder anderem graben. Egal was, solange es nur nicht mit leeren Backen zum Bau zurückkehren musste. Die nächsten Tage würden hart werden, das spürte es intuitiv. Mit der Kraft seiner scharfen Krallen begann es unter dem ersten Baum zu scharren und schnüffelte die feuchte Erde nach Nahrungshinweisen ab. Leise knackten dünne Wurzeln unter seiner gewohnten Arbeit, doch sie waren unbrauchbar. Es musste noch weiter, noch tiefer graben. Kratzend fuhren die Krallen über Erde und Grund.   Rote Augen verfolgten aufmerksam das Tun des Dachs-Pokémon. Die rote Nase zuckte aufgeregt, fast unmerklich, doch die Schatten des dichten Gestrüpps verbargen es geschickt. Das winterliche Grau gepaart mit den vielen Schattenspielen von Baum und Strauch ließen den lauernden Jäger nahezu unsichtbar werden. Das schwarz-grau gemusterte Fell fügte sich schemenhaft in die triste Umgebung ein. Er war der Beute schon länger auf den Fersen, seit sie ihren sicheren Bau verlassen hatte. Verborgen in den Schatten hatte er sie beobachtet, gewartet, und war ihr unbemerkt gefolgt. Ein Geradaks war keine einfache Beute. Sie waren schnell, sehr schnell, und sie waren stark. Dieses hier mochte ein ausgewachsenes Weibchen sein, welche ihre besten Tage bereits hinter sich hatte, aber das sagte noch lange nichts. Es würde noch immer auf schneller Tatze sein und gewiss nicht dumm. Das wusste der erfahrene Jäger, doch er war im Vorteil: Er war nicht allein. Lauschend wandte er seine Ohren nach allen Richtungen. Nichts, kein Laut, nur das fortwährende Scharren der Dächsin nur fünf Sprünge vor ihm. Keine Witterung, bis auf die des Pokémon, welches er fest im Blick hatte. Doch all das brauchte er auch gar nicht; er wusste, dass sie inzwischen eingetroffen waren. Sein Jagdpartner hatte die anderen bereits informiert, dessen war er sich sicher, während er die Beute im Auge behalten hatte. Er wartete nur noch auf den entscheidenden Impuls.   Ein leises Rascheln im Gebüsch rechts hinter ihm ließ das Geradaks aufschrecken. Sofort brach es in seinem Graben ab und wandte den Kopf in jene Richtung, just in dem Moment, als ein Magnayen hinter dem dürren Gestrüpp hervorsprang. Die roten Augen glühten, das pechschwarze Rückenfell war gesträubt und unter den hochgezogenen Lefzen blitzte ein Gebiss voller gefährlicher Reißzähne. War es eben noch still gewesen, so dröhnte jetzt ein bedrohliches Knurren in die Richtung der Dächsin. Magnayen waren gefährliche Raubtiere. Ein gezielter Biss würde reichen, um ihr das Genick zu brechen. Doch der Feind war jung, vielleicht erst zwei Winter alt, in einem Kampf auf Leben und Tod wäre das letzte Wort längst noch nicht gesprochen. Gerade wandte das Dachs-Pokémon den langen Körper in die Richtung des vermeintlichen Angreifers, da ertönte ein zweites Rascheln aus dem Gebüsch auf der gegenüberliegenden Seite. Und ein drittes, als ein weiteres Magnayen ihm den Fluchtweg Richtung Bau abschnitt. Auf einmal sah es sich drei gegen einen, und erst jetzt realisiert die Dächsin, dass es längst in der Falle saß. Noch in der Windebewegung entschloss sich das Pokémon zur Flucht. Ein Kampf gegen das Rudel wäre aussichtslos, reiner Selbstmord. Es hätte wissen müssen, dass Magnayen nie allein unterwegs waren – nicht, wenn sie ganz offensichtlich auf der Jagd waren. Und das waren sie, und sie war ihre Beute. Das Geradaks hatte keine andere Wahl, als auf seine effektivste Verteidigung zu vertrauen: Flucht. Rennen. Sprinten. So schnell es die Pfoten zuließen. Weg, nur schnell weg aus der Reichweite der Jäger, von denen es wusste, dass jeder Einzelne im Rudel gleich doppelt gefährlich war. Es rannte. Dabei war es ganz egal, wohin es rannte, solange es nur möglichst geradeaus blieb. Einfach rennen, darauf zuhalten, und rennen. Immer schneller und schneller, die laut polternden Pfoten der Jäger hinter sich. Schnell gewann es an Geschwindigkeit, profitierte von seinem Vorteil. Die Pfoten hinter ihm wurden leiser, das protestierende Bellen lauter. Nicht mehr lang, und es wäre außer Reichweite der Jäger. Dann sprang ein weiteres Magnayen hinter einem Baum hervor, noch weit vor dem Geradaks. Doch in dem Speed würde es ihm regelrecht in die Schnauze rennen, schneller als ihm lieb war. Es musste ausweichen. Das Bellen des neu hinzugesprungenen Magnayen verschüchterte die Dächsin im ersten Moment, sodass sie einen Zickzack versuchte. Die Geschwindigkeit war zu hoch, sie schlitterte unkontrolliert in der plötzlichen Wendung und es kostete Kraft, die neue Richtung anzusteuern. Es dauerte ein paar Sekunden zu lang, wieder an Geschwindigkeit zu gewinnen, da spürte sie schon zwei der Jäger dicht auf ihren Fersen. Schneller, schneller! Ein Heulen ertönte von der Seite. Hinter ihr bellte das Rudel zur Antwort. Das Geradaks nahm gerade wieder an Geschwindigkeit zu, da tauchte ein weiteres Magnayen an seiner Flanke auf. Unvorhergesehen, sein tiefes Knurren brachte es zum Straucheln. Doch umkehren konnte es nicht mehr, ohne einem der Hunde in die Schnauze zu springen. Springen! Ohne die Richtung zu verändern, hielt das Geradaks auf den schiefen Baumstamm einer umgestürzten Kiefer vor ihm zu. Es rannte direkt darauf zu, nutzte den Aufstieg, um einen Haken zu schlagen. Den Moment der unvermeidbaren Abbremsung überbrückte es mit einem halben Wendesprung zur Seite, geradewegs über die Köpfe zweier Magnayen hinweg. Für jene war es hingegen zu spät, sie rammten unausweichlich mit den Flanken gegen den Stamm. Drei von fünf Magnayen waren der Dächsin nun noch auf den Fersen. Eines von ihnen hatte einen guten Vorsprung zu den Mitjägern, und es war schnell. Zu schnell im Augenblick, während die Dächsin erst wieder an Geschwindigkeit gewinnen musste nach ihrem Manöver. Ein fataler Nachteil. Das Magnayen direkt hinter der Dächsin gab ein lautes Bellen von sich. So laut, dass es das Beute-Pokémon kurz aus dem Gleichschritt brachte und so die aufgenommene Beschleunigung für einen Sekundenbruchteil unterbrach. Die anderen Magnayen stimmten in das Gebell ein und schienen den Freund anzufeuern, welcher in jenem Moment zum Sprint ansetzte. Es erwischte das Geradaks am Schweif, verfing das Gebiss fest darin und warf ruckartig den Kopf zur Seite, um das Pokémon kraftvoll von sich zu schleudern. Einen Moment lang flog das Geradaks durch die Luft und es erkannte in diesem kurzen Augenblick, dass es sich geirrt hatte. Das Bellen der beiden Magnayen im Hintergrund war kein Zujubeln gewesen, sie hatten sich abgesprochen. Sie hatten den Kurs geändert und waren schon in dem Moment an Ort und Stelle, als es wieder auf seinen Pfoten landete. Es reagierte sofort, indem es die beiden Jäger mit einer schnellen Kratzfurie überraschte, wissend, dass es bei einem erneuten Fluchtversuch im Nachteil gegen sie gewesen wäre. Tatsächlich waren die Biss-Pokémon so überrascht, dass sie schmerzlich aufheulten, während die scharfen Krallen auf ihre Schnauzen niederschossen. Der Angriff zeigte Wirkung und das Geradaks setzte die beiden Jäger schließlich außer Gefecht, indem es mit seinen Hinterläufen genug erdigen Schnee in ihre Richtung aufschlug, dass sie geblendet waren. Doch damit war es noch nicht in Sicherheit, denn es hatte das letzte Magnayen nicht aus den Augen verloren, welches nun im Zuge auf es zurannte. Es würde das letzte Rennen zwischen ihnen werden, welches alles entschied. Begleitet von dem gepeinigten Heulen der anderen beiden Magnayen, ergriff die Dächsin erneut die Flucht. Ihr Blick lag fest auf das vor ihr, doch ihre Ohren waren nach hinten gedreht und fingen jedes noch so kleine Geräusch auf, das sie verfolgte. Schwere Pfoten polterten hinter ihr über den Boden, wirbelten den Schnee auf, und das Hecheln vermischte sich kontinuierlich mit einem bedrohlichen Knurren. Das kleine Herz der Dächsin raste, genau wie ihre Tatzen. Egal wie, sie wollte überleben. Sie mochte schon alt sein und schon viel in ihrem freien Leben gesehen haben, aber so wollte sie nicht enden. So durfte es nicht enden. Noch nicht. Der Wald vor ihnen begann sich zu lichten. Die Lücken zwischen den Bäumen wurden immer größer, die Luft immer wärmer. Noch etwas weiter, und sie würden den Wald verlassen, dann wäre es sicher. Sicher vor den Jägern, die den Wald beherrschten, denn hinter der Waldgrenze endete ihr Revier. Aus gutem Grund, wie es wusste, denn ab dort traf man wieder vermehrt auf andere mächtige Wesen: Tauboss und Sniebel hatten diese Gegenden fest im Griff und kämpften heimliche Machtkämpfe um die Vorherrschaft. Und es gab noch ein weiteres Wesen, das nicht minder gefährlich für freilebende Pokémon war… Menschen. Doch all das war der Dächsin egal, zumindest für diesen Augenblick. Alles, was sie wollte, war, zu überleben. Egal wie. Hinter ihr ertönte auf einmal ein lautes, eindringliches Jaulen. Es war kein gewöhnliches Jaulen, welches die Magnayen bei Schmerzen von sich gaben. Nur kurz darauf spürte das Geradaks, wie es von hinten kraftvoll gerammt wurde. Magnayen hatte Jauler eingesetzt, um seinen Angriff für eine einzige Attacke zu erhöhen, die es für diesen letzten, entscheidenden Zug einsetzen konnte. Es hatte zu einem letzten Sprint angesetzt und all seine letzte Kraft in einen Bodycheck gesteckt, die es nach dieser langen Hetzjagd noch übrig hatte. Und es hatte getroffen. Der Angriff traf das Geradaks mit voller Wucht, brachte es aus dem Gleichgewicht und schleuderte es zur Seite. Und dort lag es nun, regungslos und sichtlich angeschlagen von dieser Attacke, die mehr in sich gehabt hatte als es ertragen konnte. Es war dem erfahrenen Jäger kräftemäßig unterlegen. Das Magnayen bremste sich ab, stolperte kurz über seine linke Vorderpfote, doch konnte sich in einer schnellen Bewegung wenden. Der Bodycheck hatte es ebenfalls angeschlagen, seine Ohren waren zurückgelegt und es hechelte erschöpft. Doch nun war es geschafft, das Rudel würde dank seines Einsatzes auch den heutigen Tag überleben. Das war alles, was zählte. Das Geradaks kam bereits wieder zur Besinnung und der Jäger wusste, würde er seine Chance jetzt nicht nutzen, hätte er den Kampf ums Überleben verloren. Er setzte zum Sprung an, um zum letzten, entscheidenden Schlag auszuholen. „Gree, Hyperstrahl-Attacke!“, tönte es in dem Moment von der Seite und nur einen Augenschlag später wurde es gleißend hell. Magnayen sah im Sprung noch den immensen Lichtstrahl aus der Ferne auf sich zukommen, doch es war bereits zu spät, um noch auszuweichen. Der Energiestrahl traf es mit voller Wucht in die Seite und riss es in einigen Metern Entfernung zu Boden. Mit einem schmerzhaften Aufjaulen schlug es gegen einen nahestehenden Baumstamm, ehe es reglos daran in den kalten Schnee glitt. Reglos blieb es dort liegen. Es sah nicht, wie ein weiß-roter Ball auf es zugeflogen kam. Nur dumpf bemerkte es, wie etwas gegen seinen Kopf aufschlug, dann wurde es warm. Und dunkel. Kapitel 1: Jungtrainer Ven -------------------------- Schwarz. Alles war schwarz um ihn herum. Und still. „Hast du das gesehen?“ „Ja!“ Die Stimmen waren nur leise. Dumpf. Wie in weiter Ferne. „Hast du eines erwischt?“ „Ich weiß nicht.“ Sie kamen näher. Die Stimmen wurden lauter. „Lass mal sehen.“ Es ruckelte kurz. Dann fühlte er einen Zwang, als würde man ihn von hinten anschubsen, und es wurde hell. Er bewegte sich nicht, glaubte er, doch es war, als würde er dem Licht entgegenspringen. Hinaus ins Freie. Plötzlich war es unter seinen Pfoten kalt und feucht. Als sich auch seine Augen an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatten, erkannte er den Wald. Seinen Wald. Den Schnee, die Bäume, sogar die Düfte in der Luft. Als er intuitiv die vertraute Witterung eines Beute-Pokémon vernahm, die des Geradaks', welches er eben noch gejagt hatte, erkannte er auch die Pfotenabdrücke im Schnee unweit von ihm. Ja, er war immer noch hier. „Oh, ein Magnayen!“ „Alter, Ven, du hast ja so ein Schwein! Du hast ein Magnayen gefangen! Du bist ja so zu beneiden.“ Knurrend warf er den Kopf nach vorn, als er die beiden Stimmen von eben wieder vernahm, dieses Mal laut und deutlich direkt vor ihm, und er presste den Oberkörper zum Angriff bereit dicht in den kalten Schnee. Menschen! Zwei Jungen, wie er nun erkannte, der eine mit einem verkehrtherum aufgesetzten Basecap auf dem Kopf und der andere mit braunen Strubbelhaaren. Sie starrten ihn an, lachten, und der mit dem Basecap, der Kleinere von ihnen, hielt voller Stolz einen weiß-roten Ball vor sich in der Hand. „Vielleicht solltest du es in ein Pokémon-Center bringen. Es sieht vollkommen fertig aus“, sprach der mit den Strubbelhaaren, während er sich am Kopf kratzte. Dem Pokémon gefiel nicht, wie er ihn anstarrte. „Ob es den Hyperstrahl von meinem Despotar vorhin abbekommen hat?“, fragte der andere und die Erinnerung entlockte Magnayen ein Knurren. „Ich meine, der war ja echt heftig.“ „Jep, war er. Dafür schuldest du mir übrigens was, dass du mein armes Momo so fertig gemacht hast! Wenn ich keinen Trank dabeigehabt hätte…“ Er schüttelte mit dem Kopf. „Ist ja auch egal jetzt.“ „Sorry, Hein. Und du“, damit wandte sich der Junge an Magnayen, „tut mir auch leid, echt. Ich hab‘ dich nicht gesehen.“ Das Pokémon knurrte und trat einen Schritt zurück, als der Junge seine Hand nach ihm ausstreckte. Seine Ohren waren dicht an seinen Kopf zurückgelegt und seine Lefzen bebten. „Hey, was hast du denn? Es tut mir wirklich leid, ich wollte dich gar nicht treffen.“ „Versuch es hiermit“, mischte sich der Braunhaarige dazwischen und reichte seinem Freund etwas, das wie kleine, quadratische Klumpen aussah. Dazu reichte er ihm eine kleine, rote Sprühflasche, bevor er auf Magnayen deutete. „Mit dem Supertrank kannst du es erst mal vorbehandeln, bis wir beim Pokémon-Center sind. Und damit es dich nicht frisst, ein bisschen Pokémon-Futter. Es vertraut dir noch nicht.“ Ven nickte. „Mhm, verstehe.“ Dann ging er wieder zwei Schritte auf sein frisch gefangenes Pokémon zu, beugte sich vor und streckte die Hand mit dem Pokémon-Futter nach ihm aus. „Hier, probier mal! Das ist echt lecker.“ Doch wieder wich Magnayen zurück. Sein Knurren wurde noch kehliger, eine ausdrückliche Warnung. „Hey, hey, ich will dir doch nichts tun. Hör zu, das mit dem Hyperstrahl habe ich echt nicht gewollt. Ich wollte Heins Momo treffen, dich habe ich gar nicht gesehen. Sei nicht böse deswegen, ja?“ Der Junge verstand die Warnung anscheinend nicht. Magnayen versuchte es mit einem Bellen und warf dem Jungen einen böswilligen Blick zu. Er wollte diesen jungen Menschen nicht angreifen, aber wenn er es anders nicht begriff… „Es nützt nichts“, sprach nun wieder der andere, trat auf den mit dem Basecap zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Ohne zu dem Magnayen zu schauen, schüttelte er mit dem Kopf. „Vielleicht ist es noch zu verwirrt. Ich meine, du hast es gefangen, ohne gegen es zu kämpfen. Und es ist verletzt. Bring es besser ins Pokémon-Center, damit man sich um es kümmern kann. Vielleicht ist es dann schon ganz anders auf dich zu sprechen.“ „Hm…“ Ven klang enttäuscht, seine Miene verzog sich nach unten. Doch er schien einsichtig zu sein. „Okay… hast ja recht. Magnayen, komm zurück!“ Irritiert weiteten sich die Augen des Biss-Pokémon. Noch ehe es richtig verstand, wurde es warm um ihn herum, ehe es sich anfühlte, als würde er die Augen schließen. Dann war es wieder schwarz, er fühlte sich seltsam wohlig in dieser warmen Schwärze und wurde plötzlich sehr schläfrig. Dumpf bekam er noch ein paar letzte Worte von „draußen“ mit: „Ob es mich hasst?“ „Wer weiß. Hey! Willst du ihm nicht einen Spitznamen geben?“ „Ich weiß doch noch gar nicht, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist.“ „Das wird Schwester Joy bestimmt herausfinden. Na los, gehen wir. Meine Pokémon könnten auch eine Heilung gebrauchen.“ Ab da gab Magnayen es auf, weiterhin zuzuhören. Er war so müde, so unsagbar müde. Und hier war es so warm, wohlig warm. Er vermisste die Wärme seines Rudels, die vertrauten Gerüche um ihn herum, die ihn statt dieses döseligen Gefühls, welches er sich nicht erklären konnte, in den Schlaf wiegten.   „So, hier. Eure Pokémon sind wieder fit.“ Mit einem Lächeln im Gesicht reichte die Schwester des Pokémon-Centers zwei Tabletts mit den dort eingelegten Pokébällen über den Tresen. „Klasse!“ „Wow, super, Schwester Joy! Danke!“ Ven tat es seinem Freund gleich und nahm die Pokébälle an sich. Zwei von ihnen befestigte er sich sogleich wieder an seinem Gürtel, den letzten Pokéball behielt er in der Hand und betrachtete ihn nachdenklich. „Stimmt etwas nicht?“, wollte die Schwester besorgt wissen, als sie das Zögern des Jungen bemerkte. „Mh, doch, schon“, stammelte er, doch es klang wenig überzeugend. Das bemerkte er selber. „Schwester Joy? Das hier ist Magnayens Pokéball“, erklärte er und blickte sorgenvoll zu der Schwester hoch. Diese erwiderte den Blick des Jungen und legte fragend den Kopf schief. „Ja? Stimmt etwas nicht damit?“ „Doch, doch! Es ist nur… also… Ähm, wissen Sie, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist?“ „Hm? Es ist ein Junge.“ Kurz verzog sie sorgenvoll das Gesicht. Dann schien sie eine Erklärung für diese ungewöhnliche Frage gefunden zu haben und setzte wieder ihr sanftmütiges Lächeln auf. „Achso. Du hast es noch gar nicht, seit es ein Fiffyen war? Hast du es erst vor Kurzem gefangen?“ „Ja!“ Ven blickte abermals auf die weiß-rote Kugel in seiner Hand, überlegte einen Moment, dann grinste er bis über beide Ohren. „Ein Junge also. Das ist so cool! Dann nenne ich dich Raly!“ „Raly? Das ist ein wirklich schöner Name“, befürwortete Schwester Joy die Entscheidung des jungen Trainers und schlug sich begeistert in die Hände. „Pokémon freuen sich immer sehr, wenn sie einen Spitznamen von ihren Trainern bekommen. Sie werden dann zutraulicher. Und gerade bei einem Pokémon wie Magnayen-“ „Was ist damit, Schwester Joy?“ Die Schwester erschrak kurz und hielt sich die Hand vor den Mund, als hätte sie etwas Schlimmes gesagt. Ihre Wangen verfärbten sich ein wenig rosa, als sie antwortete: „Naja, es heißt, Magnayen seien schwierig zu trainieren, wenn man sie nicht von klein auf trainiert hat. Und dieses hier ist schon ein gestandener Rüde, weißt du. Du musst ein sehr guter Trainer sein, wenn du es einfangen konntest.“ „Naja, also-“ Er spürte einen kleinen Stoß in seine Rippen, was Ven verstummen ließ. Fragend blickte er neben sich, wo Hein ihm einen vielsagenden Blick zuwarf, und er verstand die Botschaft des Sandkastenfreundes. „Also, ja! Ich habe schon zwei Orden!“, sagte er schnell an die Schwester gewandt und richtete sich stolz zu seiner vollen Größe auf. Sehr viel größer wurde der Zehnjährige dadurch dennoch nicht. Die Schwester legte kurz die Stirn in Falten. Dann aber kehrte ihr Lächeln zurück und sie strahlte den Jungen an. „Das ist großartig. Dann gib auch weiterhin dein Bestes und pass gut auf Raly auf.“ „Ja!“     Wenig später hatten sie das Pokémon-Center wieder verlassen und folgten der Route 106 nach Faustauhaven, wo sie der Arena einen Besuch abstatten wollten. Seit Tagen hatten die beiden Freunde für diesen Kampf trainiert, doch nun plagten Ven andere Sorgen. „Nun schau nicht so“, rüttelte Hein den Jüngeren aus seinen Gedanken wach. Erst reagierte Ven nicht, erst mit etwas Verzögerung blickte er zu dem Freund auf. „Wie?“ „Na so… betrübt. Wie ein getretenes Fukano. Du hast dich doch auf den nächsten Arenakampf gefreut? Wie war das noch: ‚Die pack‘ ich in die Tasche!‘?“ „Ja, schon. Es ist nur…“ Zum wiederholten Male hob er den Pokéball mit Magnayen vor sich. Seit sie das Center verlassen hatten, hatte er den Ball nicht einmal aus der Hand gelassen. Sein Blick lag nachdenklich auf ihm, als versuche er in ihn hineinzusehen. „Es mag mich nicht, nicht wahr?“ „Vielleicht hilft es, wenn ihr etwas zusammen trainiert“, warf Hein von der Seite ein und hielt plötzlich an. Mit einer gewohnten Handbewegung löste er eine der eigenen Pokébälle von seinem Gürtel und hielt diesen vielsagend vor sich. „Was hältst du von einem kleinen Übungskampf? Gleich hier und jetzt?“ „Im Ernst?“ „Dein Raly gegen mein Momo, ein Eins-gegen-Eins-Kampf, auf dass der Bessere gewinnt!“ Doch Ven zögerte. Die Erinnerung, wie hasserfüllt ihn Magnayen angesehen hatte, als er ihn das erste Mal nach dem Einfangen aus dem Pokéball geholt hatte, bereitete ihm ein unwohles Gefühl in der Magengegend. Und was war es noch, was die Schwester ihm im Pokémon-Center gesagt hatte? „Komm schon, Ven, sei nicht so ein Schisser“, versuchte Hein seinen Freund zu ermutigen und stieß dem Kleineren auffordern in die Seite. „Du willst doch sicherlich auch wissen, wie stark dein Magnayen ist? Wer weiß, vielleicht ist es sogar stark genug für deinen nächsten Arenakampf?“ „Ich weiß nicht…“ „Lass es uns herausfinden!“ Daraufhin blickte sich Hein suchend in der Umgebung um, bis er eine freie Wiesenfläche unweit von ihnen entdeckte. Auf diese ging er sogleich zu und winkte Ven zu sich. „Hier ist gut. Genug Platz und wir stören niemanden. Na los, Ven, geh dort rüber!“ Noch immer zögerte Ven. Nur langsam und mit schleifenden Schritten ging er zu dem Punkt, den ihm Hein wies. Normal freute er sich auf jeden Kampf, den er bestreiten konnte, doch dieses Mal hatte er kein gutes Gefühl bei der Sache. Er würde lieber mit eines seiner anderen Pokémon, seinen Partnern, gegen den Älteren antreten, auf der anderen Seite wusste er aber, dass Hein recht hatte und es wichtig war, dass er auch mit seinen neuen Pokémon eine Einigkeit im Kampf fand. Das gemeinsame Training war die Essenz für alles, der Schlüssel zu gemeinsamen Siegen und der aufkeimenden Freundschaft zueinander. Magnayen war nun Teil seines Teams und er wollte, dass es an seiner Seite kämpfte. Zudem konnte er nicht leugnen, dass er neugierig auf den neuen Kampfgefährten war. „Was ist? Machst du dir schon ins Hemd?“, hörte er die provokanten Worte des Freundes und endlich erwachte etwas mehr Kampfgeist in dem Jüngeren. „Mach dich nicht wieder lustig über mich! Du weißt, dass ich die letzten drei Kämpfe haushoch gegen dich gewonnen habe. Nur weil du zwei Jahre älter bist-“ „Zwei Jahre und zwei Monate, auf den Tag genau“, korrigierte Hein mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Ist doch vollkommen egal!“ „Okay, legen wir los. Labern können wir immer noch.“ Damit festigte Hein seinen Stand und holte aus, ehe er den Pokéball vor sich in die Höhe warf, um seinen Kämpfer zu rufen. „Momo, du bist dran!“ Der Ball öffnete sich in der Luft und entließ ein helles Licht, welches sich auf der Grasfläche der improvisierten Kampffläche sammelte. Keine zwei Sekunden später schüttelte sich das blaue Moor-Pokémon mit dem dunklen Kamm und dunklen Zwillingshinterflossen, ehe es sich auf seine Hinterbeine aufstellte. Sofort war Moorabbel hellwach und klatschte aufgeregt in die Handflossen, fröhliche Rufe ausstoßend. „Hau rein, Momo!“ Ven warf noch einen letzten, skeptischen Blick auf den Pokéball in seiner Hand, dann warf auch er ihn in Richtung Wiesenfläche. „Okay, Raly, du bist dran!“ Auch dieser Pokéball öffnete sich noch im Flug und gab in einem hellen Licht, das sich schnell materialisierte, das Biss-Pokémon frei. Magnayen fand sicheren Stand auf seinen Pfoten, schlug nur einmal mit dem Schweif, ehe er sich umblickte. Die Vermutung, die er schon im Ball gehabt hatte, dass er sich nicht mehr in seinem Wald befand, stellte sich schnell als bestätigt heraus. „Ich fange an. Momo, beginn mit einer Tackle-Attacke!“ Ein lauter Kampfesruf ließ Magnayen kurz mit den Ohren zucken, woraufhin er zu dem Pokémon ihm gegenüber blickte. Binnen eines Sekundenbruchteils schätzte er ab, ob dieses Wesen eine Gefahr für ihn darstellte, während Moorabbel bereits auf ihn zustürmte. Und er kam zu dem Schluss, dass es sich weder um einen Rivalen noch um ein Beute-Pokémon handelte. „Raly, weich aus!“ Aufmerksam beobachtete er das Pokémon, welches auf ihn zupreschte. Im ersten Moment fragte er sich noch, was dieses blaue Wesen damit bezweckte, im nächsten Moment rammte es ihn mit seinem gesamten Körper und er wurde zurückgeworfen, wo er sich auf dem Boden wiederfand. Reglos blieb er liegen. „Ich habe doch gesagt, dass du ausweichen sollst… Komm schon, steh wieder auf, Raly!“ Benommen schüttelte er den Kopf, ehe es mit einem leisen Knurre zu seinen Angreifer aufblickte. Wieso hatte dieses blaue Wesen ihn angegriffen? Er erhob sich wieder auf seine Pfoten. „Sehr gut!“ „Momo, noch einmal Tackle!“ Die Szenerie von eben wiederholte sich. Wieder stieß dieses blaue Pokémon mit den orangenen Wangen einen Schrei aus, ehe es ein weiteres Mal auf ihn zustürmte. Magnayen begriff nicht, wieso es das tat. „Weich aus!“ Kurz bevor Moorabbel ihn ein weiteres Mal tackeln konnte, sprang er mühelos zur Seite. Er beobachtete mit Genugtuung, wie das blaue Pokémon über das Gras stolperte und kurz um sein Gleichgewicht kämpfte. Aber wieso wurde er von ihm angegriffen? „Raly, greif an!“ Er hatte einen Moment, um sich umzusehen, und erkannte diesen Jungen von vorhin unweit von ihm stehen wieder. Der mit dem Basecap, gerade einmal ein Menschenwelpe. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er mit ihm redete, aber er verstand nicht, wieso er angreifen sollte. Aus welchem Grund? Er hatte kein Bedürfnis, mit diesem blauen Pokémon zu kämpfen, das weder Feind noch Beute für ihn war. Höchstens dumm und ein wenig durcheinander. „Raly!“ „Momo, Aquaknarre, jetzt!“ Moorabbel fand sein Gleichgewicht wieder und drehte sich nach dem Biss-Pokémon um, eine Wasserfontäne in seine Richtung speiend. Sie traf auf voller Breitseite gegen die Brust des Hundes und drängte ihn einige Meter über die Wiese zurück. Alles Dagegenstemmen half nichts. „Raly! Zur Seite!“ Es gelang ihm, sich aus dem Wasserstrahl herauszuwinden. Sein Fell war gänzlich durchnässt und fühlte sich schwer an ihm an. Ein verärgertes Knurren verließ seine Kehle. Er hatte noch immer keine Intention, gegen dieses Pokémon zu kämpfen, aber wenn dieser Lurch es nicht anders wollte… „Sehr gut, Raly! Versuch eine Biss-Attacke!“ „Momo, Lehmschuss!“ Magnayen stieß ein lautes Knurren aus, gefolgt von einem Bellen. Die derweil aufgeworfene Erde traf ihn mitten ins Gesicht, was seinen Geduldspfaden endgültig reißen ließ. Sein Bellen wurde nur noch lauter, noch bedrohlicher, wobei er sich zu seiner vollen Größe aufbaute und das Rückenfell sträubte. Sein Gegner erstarrte augenblicklich mitten in der Bewegung. „Lass dich nicht einschüchtern!“, klang es hinter ihm von dem anderen Jungen. „Heuler und dann Tackle!“ Moorabbel schüttelte einmal mit dem Kopf, dann stieß es einen schrillen Laut aus, doch er wurde von einem noch lauteren Bellen übertönt. Als Magnayen dann in einem kräftigen Satz auf ihn zusprang, brach es in Panik aus und trat die Flucht an. Es hetzte so schnell es konnte über den Kampfplatz, steuerte hilfesuchend auf seinen Trainer zu, doch Magnayen war schneller. Schon war es auf das Moor-Pokémon zugesprungen, erwischte es und zwang es unter sich zu Boden. Seine Lefzen bebten, die Krallen ragten gefährlich aus seinen Vorderpfoten hervor und das polternde Knurren drohte, dass sich das unterlegene Pokémon besser ganz ruhig verhielt. Damit war Moorabbel unfähig weiterzukämpfen. „Versuch dich zu befreien!“, versuchte Hein seinen Partner zu motivieren, doch es half nichts. Momo konnte sich unter dem drückenden Gewicht des Hundes über ihm nicht zur Wehr setzen und stieß einen hilfesuchenden Laut aus. Das erkannte auch sein Trainer. „Okay, komm zurück, Momo!“ Das blaue Wesen wurde in ein rotes Licht gehüllt, schien sich aufzulösen und verschwand in einem gebündelten Lichtstrahl in seinem Pokéball, welchen der Jungtrainer vor sich in der Hand hielt. Ohne Moorabbel unter seinen Pfoten, sackte Magnayen zurück in das kühle Gras und schien verwirrt deswegen. „Tze“, der mit den Strubbelhaaren stieß einen enttäuschten Laut aus. Trotz der Niederlage lobte er das Pokémon in dem Ball, verkleinerte diesen und befestigte ihn zurück an seinem Gürtel. Breit grinsend stemmte er eine Hand in die Hüften und sah zu seinem Kindheitsfreund herüber. „Nicht schlecht, da hast du ja einen guten Fang gemacht, Ven“, rief er ihm zu. Der strahlende Sieger schien wenig überzeugt und hob die Schultern. „Meinst du?“ „Klar!“ Hein kramte kurz in seiner Hosentasche, holte dort einen länglichen Riegel in einer grün-gelben Folie hervor und warf ihn dem Jüngeren zu. Wohl als eine Art Geste, ihn für seinen Sieg zu belohnen. „Mit etwas Training gebt ihr beiden bestimmt ein gutes Team ab. Raly muss auf einem hohen Level sein. Hätte es von Anfang an ernsthaft gekämpft, wäre es meinem Momo haushoch überlegen gewesen.“ ‚Ja, vermutlich…‘ Nachdenklich betrachtete Ven seinen Preis, den er halbwegs geschickt aufgefangen hatte. Nach Feiern war ihm jedoch nicht zumute. Es war kein verdienter Sieg, Raly hatte ihm kein einziges Mal gehorcht, sondern nur getan, was er selbst für richtig hielt. Das war wahrlich keine Leistung eines guten Trainers und es fühlte sich falsch an, dafür gelobt zu werden. „Ven!“, vernahm er plötzlich das aufgeregte Rufen Heins und blickte erschrocken auf. Sein Freund war in einen Ausfallschritt gefallen, wirkte irgendwie aufgebracht und deutete mit weit ausgestrecktem Arm nach vorn. „Raly! Ruf es zurück!“ Sofort huschte sein Blick auf die Wiesenfläche, doch Raly stand nicht mehr an jenem Fleck, wo er ihn zuletzt in Erinnerung hatte. Ein Blick zur Seite zeigte, dass das Pokémon zu einem Sprint angesetzt hatte und gerade im Begriff war, sich von ihnen zu entfernen. Panik erfasste den Jungen. Schnell nahm er die Beine in die Hand, um dem Hund nachzujagen. Den Pokéball hielt er bereits vor sich ausgestreckt, um den Befehl zu geben, sobald er nur dicht genug an dem Pokémon dran war. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. „Raly! Komm zurück!“ Es nützte nichts. In einer Spontanreaktion griff er nach einem anderen Pokéball an seiner Hüfte und warf diesen so weit er konnte nach vorn, um Hilfe zu rufen. „Juppy!“, stieß er den Namen seines Partners aus und in dem Moment öffnete sich der Ball, gab ein helles Licht frei, welches sich mehrere Meter vor dem Jungen zu einer großen, echsenartigen Form mit einem länglichen Blatt auf dem Kopf und einem Triblattfächer an den Ellenbogen materialisierte. Es war in Bewegung, kaum dass es Boden unter seinen Beinen spürte, als ahnte es, weswegen es gerufen worden war. „Schnell! Halt Raly irgendwie auf!“ Reptain erhöhte sein Tempo und zischte regelrecht durch die Luft, den Körper in einer pfeilartigen Haltung vorgebeugt mit den Armen hinter sich, um den niedrigsten Windwiderstand gegen sich zu haben. Schneller, immer schneller wurde es in seiner Agilität, bis es nicht mehr als ein optisch sichtbarer, grüner Streif war und das Biss-Pokémon in einem gezielten Ruckzuckhieb rammte. Von der hohen Geschwindigkeit verstärkt, verlor Raly das Gleichgewicht, stolperte über seine eigenen Pfoten und rutschte schließlich einige Meter über den kalten Boden. Er hatte noch gar keine Zeit, irgendwie auf diesen unerwarteten Angriff aus dem Hinterhalt zu reagieren, da legte Reptain auch schon den Kopf zurück, plusterte kurz die grünen Backen, bis es mehrere kleine Geschosse auf den Hund aus seinem Maul losließ. Sie verfehlten ihr Ziel nicht, landeten einen Volltreffer und sprossen direkt nach dem Aufschlag in mehrere Ranken auf, die sich um Magnayens Körper schlangen, in den Boden verwurzelten und den Hund so an Ort und Stelle fesselten. Ihm wurde durch das tückische Gewächs Energie entzogen und Raly schaffte es nicht, sich aus dem Egelsamen zu befreien. Endlich hatte auch Ven aufgeholt. Noch im Rennen streckte er Ralys Pokéball nach vorn und rief seinen Befehl: „Raly, zurück!“ Der rote Lichtstrahl traf auf das schwarze Fell, befreite das Pokémon aus seinen Fesseln und holte es ins Innere des Balls zurück. Erst dann bremste sich der Jungtrainer ab, fiel in einer Stützhaltung nach vorn und rang um Luft. Er war sichtlich erschöpft von der kleinen Hetzjagd und er hielt den Ball eng an sich gerückt, als fürchte er, den Ausreißer noch einmal zu verlieren. Sein grüner Echsen-Partner, dank des Blattes auf seinem Kopf fast so groß wie sein Trainer, trat sofort an seine Seite, um den Jungen zu stützen. „Ven!“, erklang die Stimme Heins, der gerade am Ort des Geschehens ankam. Auch er rang nach Atem, schien aber sonst weniger schwächelnd als der Jüngere. „Ha-hast du es geschafft? Hast du Raly einfangen können?“, japste er. „Mh“, statt zu nicken, ließ er den Kopf hängen. „Ja, dank Juppys Hilfe.“ Er blickte zu dem Echsen-Pokémon hoch und schenkte ihm ein erschöpftes Lächeln. Lobend streichelte er ihm über die lange, kräftige Halsseite. „Vielen Dank, Juppy. Das war wirklich große Klasse. Ohne dich hätte ich Raly nie eingeholt.“ Das Pflanzen-Pokémon freute sich über das Lob und die Streicheleinheiten seines Trainers. Auf dem länglichen Gesicht machte sich ein breites Grinsen breit und es gab einen zufriedenen, gurrenden Laut von sich. Kurz schmiegte es die Nase an das Gesicht seines jungen Partners, um die Zuneigung zu erwidern. „Mann“, seufzte Hein neben ihnen und fuhr sich kurz über das struppige, braune Haar, ehe er sich nachdenklich am Hinterkopf kratzte. „Das hätte echt schiefgehen können. Ich hätte nie erwartet, dass Raly einen Fluchtversuch unternehmen würde.“ Bei diesen Worten ließ Ven den Kopf hängen. Ja, das hätte er auch nicht erwartet. Schlimm genug, dass Raly ihn nicht leiden konnte und nicht auf ihn hörte, aber dass er so weit gehen würde, um seinem Trainer zu entkommen? Er musste ihn wirklich hassen. Was sollte er nur tun? 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