Wo ist Izzy? von Shunya (Rockstar wider Willen) ================================================================================ Kapitel 1: Starting Over ------------------------ „Ach komm schon, Izzy! Bitte, bitte, bitte! Du tust den Jungs damit einen großen Gefallen!“, bettelt Jelena, legt die Hände aneinander und hält sie vor ihr Gesicht, als würde sie beten wollen. Missmutig sehe ich Jelena an und schüttele den Kopf. „Ich habe bisher immer nur zum Spaß Gitarre gespielt, ich will damit nicht groß raus kommen, wie du es nennst!“ „Izzy! Es ist wirklich wichtig! Ihr Gitarrist ist kurzfristig abgesprungen, weil es einige Differenzen gab und jetzt brauchen sie nun mal dringend einen neuen und da habe ich eben sofort an dich gedacht!“, meint Jelena eindringlich und sieht mich fordernd mit ihrem Welpenblick an. „Sie sind wirklich gut und du würdest perfekt zu ihnen passen! Vor allem weil du dich doch auch so anziehst und Emo ist doch zurzeit total angesagt!“ „Jelena, du weißt doch nicht mal was Emo bedeutet! Du hast dich nie wirklich mit Musik auseinander gesetzt. Wie kannst du dir dann so sicher sein, dass ich zu ihnen passe? Was ist, wenn wir uns nicht verstehen? Hm? Schon mal daran gedacht?“, frage ich sie genervt. Nein, ich will nicht in einer Band spielen. Das war nie mein Traum gewesen und es gibt auch einen Grund dafür, warum ich nur für mich alleine spiele! „Du musst doch nur kurz mit ihnen sprechen, alles weitere entwickelt sich dann ganz von selbst! Wirst schon sehen!“, meint Jelena und lächelt mich aufmunternd an. In mir bewirkt es jedenfalls eher das Gegenteil, denn ich drehe mich auf dem Absatz um und gehe die Straße entlang. Das ist doch selten dämlich! Noch ehe ich überhaupt ein paar Meter vorwärts komme, laufe ich in jemanden herein. Überrascht halte ich mich an der fremden Person fest und sehe auf. Na ganz toll! Ich blicke in mein Ebenbild! Als würde ich vor einem Spiegel stehen. Das ist ja schrecklich! „Hey, Süßer!“ Habe ich gerade richtig gehört? Süßer? Ich?! Was ist denn mit dem Kerl nicht in Ordnung? „Ah! Da bist du ja! Auf dich haben wir schon gewartet, Nick!“, ruft Jelena irgendwo hinter mir und ich würde ihr am liebsten den hübschen Hals umdrehen. Ich spüre die Hände von diesem Nick an meiner Hüfte und lasse augenblicklich seine Arme los, um auf Abstand zu gehen. „Jelena!“, begrüßt er sie freudig, geht einfach an mir vorbei und umarmt sie. Wie kann er sie einfach umarmen? Hände weg! Das ist meine beste Freundin! Jelena erwidert die Umarmung, sehr zu meinem Leidwesen und lächelt dabei auch noch glücklich. Wie kann sie so ein Gesicht machen, wenn dieser komische schwarze Vogel sie umarmt? Und wenn ich schwarz meine, dann meine ich auch schwarz. Schwarz gefärbte Haare, schwarz geschminkte Augen, schwarze Klamotten... Okay, da ist auch weiß mit drin, aber das zählt nicht! Dieser Emoverschnitt soll bloß seine Pfoten von Jelena lassen! „Nick, das ist Isidor. Ich habe dir ja bereits von ihm erzählt und er ist wirklich sehr gut!“, erzählt Jelena und geizt nicht mit ihrem Lob, das mich zwar freut, aber irgendwie komme ich mir hier vor wie auf dem Straßenstrich und sie ist mein Zuhälter. „Wie ich sehe hast du deine Gitarre dabei, dann mal rein in die gute Stube!“, meint Nickt und grinst breit. Na, dem wird sein blödes Lachen aber noch vergehen... Stirnrunzelnd sehe ich zu, wie Nick statt zur Haustür zur Garage geht und das Tor öffnet. Was hat er vor? Nick winkt uns zu und Jelena folgt ihm einfach. Meine Güte, Mädchen! Lauf dem Kerl doch nicht einfach hinterher! Mürrisch folge ich ihr. Sicher ist sicher! Erstaunt wandert mein Blick über die Musikanlage und all die Instrumente. Wo bin ich denn hier gelandet? In einer Garagenband? „Hier proben wir. Aufnahmen machen wir natürlich in einem Tonstudio, aber zurzeit sieht es nicht so gut aus, deswegen müssen wir uns ein wenig ins Zeug legen, um Aufträge zu bekommen!“, erklärt Nick. Tja, schön für ihn, dann können wir ja wieder gehen. „Aha...“, kommt es wenig interessiert von mir. „Dann leg' mal los!“, meint Nick und setzt sich auf einen Hocker, der am Rand steht und sieht mich sehr interessiert an. Womit habe ich das denn jetzt verdient? „Jelena...“, brumme ich und sehe sie wütend an, doch die ist genau wie Nick und es scheint sie nicht im Geringsten zu interessieren, ob ich Lust habe vorzuspielen oder nicht. Wie diese Mütter, die ihre Kinder zu Schönheitswettbewerben schicken, nur weil sie es nicht auf die Reihe gekriegt haben. Ich atme tief durch und mache das, was ich eben am besten kann. Ich lasse die beiden Idioten einfach stehen und verlasse fluchtartig die Garage. Ich renne was das Zeug hält, was mit einem Gitarrenkoffer als Handgepäck nicht gerade einfach ist und sehe zu, dass ich von hier wegkomme. Dummerweise scheint mir jemand zu folgen, doch ich wage es nicht, mich umzudrehen, um zu sehen ob es Jelena ist. Oh, wie hoffe ich, dass es Jelena ist! „Warte! Isidor!“, brüllt eine sehr männliche Stimme irgendwo hinter mir und es läuft mir eiskalt den Rücken runter. Sicherheitshalber lege ich noch einen Zahn zu und renne um die nächste Kurve, pralle dabei beinahe gegen ein Straßenschild und stolpere ein paar Schritte zurück, direkt in die Arme meines Verfolgers, dessen schweren Atem ich nur allzu deutlich an meinem Ohr hören kann und der nun ebenfalls sein Gleichgewicht verliert und zusammen mit mir zu Boden fällt. „Aua...“, jammert Nick und reibt sich seinen Ellenbogen, der nun eine schöne Schürfwunde aufweist. Ich liege noch immer auf meinem Verfolger und robbe seitlich von ihm herunter, versuche irgendwie wieder auf meine Füße zu kommen und lande plumpsend auf meinem Hintern. Mit angezogenen Beinen sitze ich neben ihm und sehe auf meine Hand, als Nick sie ergreift. „Wieso bist du weggerannt?“, fragt er mich noch völlig außer Atem und sieht mich, mit seinen intensiv betont geschminkten Augen, an. Ich schlucke und hole tief Luft. „Das geht dich gar nichts an!“ „Und wieso bist du dann hergekommen, wenn du gar keine Lust hast vorzuspielen?“, fragt Nick mich munter weiter. Ich weiche seinem Blick aus, weil ich drohe darin zu versinken und starre lieber auf die Schnürsenkel meiner Sneakers. Nick hält noch immer meine Hand fest und erst jetzt fällt mir auf, wie warm sie ist. Trotzdem gefällt es mir nicht sonderlich und so ziehe ich meine Hand weg, schüttele seine ab, wie eine lästige Fliege und stehe nun doch auf. Nick tut es mir gleich und sieht mich immer noch an, als wäre ich ein wandelndes Gemälde von Picasso oder sonst wem. „Was ist denn noch?“, grummele ich und als ich ein Lachen höre, sehe ich ihn entsetzt an. Wie kann er mich auslachen? „Du bist so süß, wenn du so garstig bist!“, meint er, beugt sich vor und küsst mich. Ein kurzer flüchtiger Moment in dem unsere Lippen sich berühren, weiter nichts und doch scheint so vieles in diesen paar Sekunden zu passieren. Zuerst einmal passiert jedoch nichts, denn ich bleibe stocksteif an Ort und Stelle stehen und kann immer noch nicht fassen, was hier gerade mit mir geschieht! Im Bruchteil einer Sekunde schubse ich Nick von mir, wische mit dem Handrücken über meinen Mund und im nächsten Moment verpasse ich ihm ein Veilchen mit meiner Faust. „Scheiße! Was soll das denn?!“, brüllt Nick vor Schmerz und sieht mich fassungslos an. Im Gegensatz zu ihm bin ich wieder die Ruhe in Person und zucke lediglich mit den Schultern. Was soll schon los sein? „Hast du etwa erwartet, dass ich den Kuss erwidere?“, frage ich verächtlich und verschränke abweisend die Arme vor der Brust. „Ja, hatte ich!“, meint Nick und sieht mich noch immer aufgebracht an. Er hält sich die schmerzende Wange und er kann froh sein, dass ich ihm nicht seine beiden Unterlippenpiercings raus gezogen habe. So ein Arsch! „Tja, such dir 'nen Homo mit dem du knutschen kannst!“, murre ich, weil mir nichts besseres einfällt. „Der steht doch vor mir!“ Verwirrt sehe ich Nick an. „Ich? Du hältst mich echt für schwul?“, frage ich ihn und schüttele den Kopf. Der Kerl spinnt echt! „Izzy!“ Jelena's Stimme tönt zu uns herüber und wie es scheint, hat sie uns endlich eingeholt. Völlig außer Atem bleibt sie bei uns stehen und sieht mich mahnend an. „Wieso läufst du einfach weg?!“ Ich zucke mit den Schultern und weiche ihrem Blick aus. „Ich gehe nach Hause!“, verkünde ich, drehe mich um und gehe wieder einfach los. Was die anderen von mir denken ist mir so was von egal! Sehr weit komme ich leider nicht, weil ich wieder zurückgehalten werde. Ich sehe auf meine Hand, blicke auf und direkt in Nick's dunkle Augen. Er hält sich noch immer die Wange. Muss schwer sein, so ein Kopf. „Warum willst du nicht vorspielen? Wovor rennst du weg?“, fragt er mich ruhig, aber eindringlich. Ich zerre an meiner Hand, doch er ist zu stark und lässt mich nicht los. Widerwillig bleibe ich einfach stehen, sage jedoch kein Wort. „Sag's mir!“, fordert Nick mich auf und kommt mir noch näher. „Ich kann nicht vor anderen spielen. Zufrieden? Ja? Dann lass mich endlich los!“, murre ich und zerre erneut an meiner Hand. Nick lässt mich immer noch nicht los. „Ist es dir peinlich? Jelena, ich dachte er spielt gut?!“ Nick sieht zu meiner Freundin und die nickt. „Natürlich ist er gut!“, meint sie und sieht zu mir. „Keiner verteilt Noten, du musst nur vorspielen und wenn du mir gefällst, kannst du in die Band mit einsteigen!“, erklärt Nick mir. Ich schüttele den Kopf. „Ich will dir gar nicht gefallen! Ich muss niemandem gefallen!“, erwidere ich störrisch. „Also, eigentlich gefällst du mir jetzt schon! Ich stehe auf so süße Zicken wie dich!“, meint Nick lachend. Er beugt sich vor und flüstert mir ins Ohr. „Ganz besonders im Bett!“ Mich überkommt eine eiskalte Gänsehaut und ich erstarre zu einer Salzsäule. Wie oft muss ich diesem Schornsteinfeger eigentlich noch sagen, dass ich nicht schwul bin?! „Lass mich endlich los!“, raune ich ihm wütend zu. Nick tut mir zum Glück den Gefallen, auch wenn ich ihm ansehe, dass er mich stundenlang triezen könnte und es sogar tun würde, wenn er die Chance hätte. Die hat er zum Glück nicht. „Izzy, du hast Talent! Du solltest es nicht einfach so vergeuden!“, meint Jelena und sieht mich kopfschüttelnd an. Die hat gut reden, sie steckt ja auch nicht in meiner Haut! „Ich vergeude es nicht, ich behalte es nur für mich!“, erwidere ich genervt und sehe sie vorwurfsvoll an. Wie kann Jelena mir so etwas nur antun? Ich dachte sie wäre meine beste Freundin? Dann sollte sie mich doch auch verstehen. Wieso will sie mich zu etwas zwingen, was ich gar nicht will? Ich schlucke und sehe von einem zum anderen. Die haben sich doch eindeutig gegen mich verschworen! Den Gefallen werde ich ihnen aber nicht tun! Ich werde nicht vorspielen und ich spiele auch nicht in so einer dummen Band, die nicht mal einen vernünftigen Proberaum hat! „Ich gehe jetzt heim und wenn mich noch mal jemand zurückhält, schmeiße ich ihm meinen Gitarrenkoffer um die Ohren!“, murre ich und sehe dabei Nick an. Der grinst nur und zuckt mit den Schultern. „Wir sehen uns dann!“ Von wegen! Dem werde ich für den Rest meines Lebens aus dem Weg gehen! „Wenn du doch noch mal vorspielen willst, du weißt ja wo du mich findest!“, ruft Nick mir nach. Jelena begleitet mich und winkt ihm zu. Als ich noch einmal zu Nick zurück sehe, wirft er mir eine Kusshand zu. Angewidert drehe ich mich um und gehe die Straße herunter. In welchen Farbtopf ist der Idiot denn gefallen? „Wie heißt seine Band eigentlich?“, frage ich Jelena, die mich verwundert ansieht. „Gute Frage...“ „Hast du es dir nicht gemerkt oder haben sie echt keinen Namen für ihre Band?“, frage ich sie entsetzt. Jelena sieht mich geknickt an. „Keine Ahnung...“ „Du hast also gar nicht danach gefragt?“ Jelena nickt und sieht wieder geradeaus. „Kann ich doch nichts für. Ich kann nun mal nicht an alles denken. Ich habe ja nur gesehen, dass sie einen Gitarristen suchen und ich dachte echt, dass das was für dich wäre. Ahnt ja keiner, dass du den Schwanz einziehst!“, meint sie und klingt ein wenig beleidigt. Wieso ist sie beleidigt? Hätte sie mich vorher gefragt, hätten wir gar nicht erst herzukommen brauchen! „Ich werde niemals in einer Band spielen! Nur, für den Fall, dass du irgendwann wieder so eine fixe Idee hast, mich irgendwo unterbringen zu wollen!“, ermahne ich sie und Jelena nickt resigniert. „Schade, Nick scheint dich nämlich zu mögen.“ Mögen? Ja, klar! Der Kerl will mich ins Bett kriegen, mehr nicht! Wahrscheinlich sucht er nur ein williges Betthäschen und keinen Gitarristen! „Ich habe besseres zu tun, als mich verführen zu lassen!“, erwidere ich brummend. „Er sieht aber gar nicht mal so schlecht aus und du bist seit einer ganzen Weile Single. Hast du denn nicht mal vor, diesen Zustand zu ändern? Mir kommt es manchmal so vor, als wärst du so alleine ganz zufrieden.“ „So ist es auch!“, erwidere ich und grinse. „Ich bin frei! Ich will keine Klette und wenn ich Sex brauche, kann ich mir auch einen One-Night-Stand suchen!“ „Wenn du meinst...“, murmelt Jelena und sieht mich von der Seite an. „Was ist?“, frage ich sie. „Ist das nicht einsam, wenn man niemanden an seiner Seite hat?“ „Einsam ist es nur, wenn du jemanden vermisst, den du gerne an deiner Seite hattest. Wenn da niemand ist, kann man auch nicht einsam sein. Ich habe doch dich, meine Familie. Ich bin nicht einsam.“ Jelena lächelt. „Ja, das stimmt.“ Ich nicke und gehe mit Jelena zur Bushaltestelle. „Bist du sicher, dass du seine Nummer nicht haben willst? Ich habe sie nämlich.“ Jelena sieht mich grinsend an und hält mir ihr Handy vor die Nase. Ich grummele und schüttele heftig den Kopf. Nie und nimmer! Der Rabe hat in den heiligen Tiefen meines Handys nicht das Geringste zu suchen! „Na, dann eben nicht!“ Jelena steckt ihr Handy wieder ein und steckt ihre Hände in die Hosentaschen. „Willst du dich nicht endlich mal mädchenhafter anziehen?“, frage ich sie und betrachte Jelena von oben bis unten. „Klar, sobald du nicht mehr rum läufst, als würdest du zu einer Beerdigung gehen!“, kontert sie keck und grinst breit. „Okay, dann bleib so wie du bist, du halber Kerl!“, erwidere ich lachend und handle mir einen Tritt gegen die Wade ein. „Na warte, du kleines Luder...!“, meckere ich gespielt erbost und renne ihr hinterher, während Jelena lachend um die Bushaltestelle rennt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)