My other Self von Erenya (Persona 4 Golden mit weiblichen MC) ================================================================================ Kapitel 8: Weapons & Punishment ------------------------------- April 17 Es war die erste Nacht seit langem, die Otome ohne irgendwelche wilden Träume durchgeschlafen hatte. Sie war ausgeruht und bereit für den Tag, oder viel mehr bereit für die erneute Reise in die Welt auf der anderen Seite des Fernsehers. Sie brauchte jetzt nur ein paar Pancakes mit etwas Sirup und sie war bereit für den Tag. Sicher, Pancakes waren nicht sonderlich japanisch, aber seit ihre Mutter ihr kochen beigebracht hatte, gab es für sie keine kulinarischen Grenzen. Ob japanisch, europäisch oder amerikanisch, Otome liebte es einfach sich auszuprobieren und immer neuere Rezepte zu testen. Fröhlich ging Otome die Treppe zum Wohnzimmer runter und entdeckte Nanako, deren Aufmerksamkeit fast vollständig auf dem Fernseher lag. Irgendetwas musste sie doch dagegen tun, dass ihre Cousine von dem Fernseher erzogen wurde. Es tat ihr leid, denn im Gegensatz zu Nanako hatte Otome in ihrer Kindheit soviel ausprobiert. Bogen schießen, Kampfsport, Kendo... Und noch viel mehr. Jede Minute ihrer Freizeit war vollgepackt gewesen, so dass sie kaum Zeit hatte großartig vor dem Fernseher zu sitzen und sich Animes oder dergleichen anzusehen. Und doch hat auch das aufgehört. Da war sie wieder, die gehässige Stimme in ihrem Kopf. Und sie hatte Recht. Sie hatte viele ihrer Hobbys einfach so aufgegeben. Vor zwei Jahren. Warum eigentlich? Otome erinnerte sich noch daran, dass sie gerne im Kendo-Club gewesen war. Immerhin war sie bei den Mädchen Titelverteidigerin gewesen. Doch mit einem Mal hatte sie sich entschieden rhythmische Sportgymnastik zu machen. Es machte ihr zwar auch Spaß, aber so richtig erfüllend war es auch nicht. Und doch zog es sie immer wieder dahin. Als wollte ihr Körper vor jeglichem Kampfsport kapitulieren und sie zu einem 0815-Mädchen mit 0815-Hobbys machen. Dabei war sie nie ein 0815-Mädchen gewesen. Im Gegenteil. Sie hatte sich mit Jungs geprügelt, Kampfsport trainiert, hatte als Kind Käfer gesammelt und all die anderen Dinge, die nur Jungs zu machen schienen. Damals, in der Mittelschule, als die Jungs sie nur als guten Kumpel angesehen hatten. Und dann, am Ende des dritten Jahres der Mittelschule hatte sie ihr altes Ich hinter sich gelassen. Als ob es sich von ihr abgespalten hatte. „Guten Morgen.“ Erschrocken sah Otome zu Nanako auf. Sie war wieder einmal in ihre Gedanken abgetaucht und hatte die Welt um sich herum vollkommen ausgeblendet. In letzter Zeit passierte das oft, viel zu oft. Sie konnte sich so deswegen gar nicht mehr über die traumlose Nacht freuen. „Morgen, Nanako-chan. Wo ist dein Vater?“ Es war ein Sonntag und Otome hatte bemerkt, das Dojima nirgends zu finden war. Hatte man nicht einmal als Polizist einen freien Tag in der Woche verdient? Kein Wunder dann, dass Nanako den Fernseher als einzige Bezugsperson sah. „Er ist schon weg und sagte, dass er spät kommen würde.“ Überraschend war das irgendwie nicht mehr. Das erste Bild von Vater und Tochter die sich nahe standen, war auf einmal zerschlagen. Kaum das man Männer für die Mordermittlung brauchte, schien Dojima der erste zu sein, der in die Bresche sprang. Er schien förmlich vor seiner Tochter zu fliehen. Unter diesen Umständen bekam Otome ein schlechtes Gewissen. Konnte sie Nanako so wirklich alleine lassen? Einsam, in diesem großen Haus, nur mit dem Fernseher als Bezugspunkt? „Gehst du irgendwo hin? Ist schon okay, ich komme gut alleine zurecht.“ Nanako klang traurig, und dennoch sie wirkte so tapfer, so stark. Viel zu erwachsen für ihr Alter. Dabei sollte es doch gerade dieses Alter sein, indem man Kind sein sollte. Und doch war Nanakos trauriges Verhalten so routiniert, dass es Otome gruselte. „Nanako-chan, ich-“ „Das Wetter an diesem Wochenende wird perfekt um an die frische Luft zu gehen.“ Otome zuckte zusammen, als der Fernseher anging und der Wetterbericht ihre Worte unterbrach. Da war sie wieder, diese Distanz von der sie geglaubt hatte, dass sie nicht mehr bestand. Distanz, die sie einsam machte und ihr ein ungutes Gefühl bereitete. „Die Sonne wird also scheinen. Dann kann ich die Wäsche machen... Uhm... Wolltest du nicht raus?“ Ernst sah Nanako Otome an. Ihre Worte, ihre Haltung, dass alles sprach eine eindeutige Sprache für Otome. Du bist hier nicht willkommen. Vielleicht hatte diese Stimme doch Recht. Es war immerhin ihre. Vielleicht war sie im Hause Dojima nicht willkommen. Zumindest nicht bei Nanako. Vielleicht war sie dem Mädchen nur lästig, warum sonst sollte sie nun von ihr fordern zu gehen. **~~** Pünktlich, wie sie es mit Yosuke besprochen hatte, saß Otome im Gastronomiebereich von Junes. Sie hatte sich zuvor noch eine Limonade geholt hatte. Doch seit sie diese auf den Tisch gestellt hatte, hatte sie den Becher nicht mehr angefasst. Ihr war nicht gut, denn in Gedanken war sie immer noch bei Nanako, die sie liebevoll aus dem Haus manövriert hatte. Man ist nur willkommen, solange man den anderen etwas bringt. Das ist auch bei den Anderen so. Erneut war da dieser Schmerz, diese Stimme, die alle ihre Ängste aussprach. Ängste die sie selbst auch bewusst wahrnahm. Sie hatte Angst alleine zu sein, benutzt zu werden. In ihrer Schule war das schließlich nicht anders gewesen. Sie war solange beliebt gewesen, wie sie Kendomeistern ihres Bezirks war. Sie war solange beliebt gewesen wie sie die beste der Klasse gewesen war. Sie konnte sich so lange ihrer Beliebtheit und Freundschaften erfreuen wie sie in der Stadt gewesen war. Alles Nutzfreundschaften, um nicht einsam zu sein. Im Grunde war sie nicht anders als Yosuke. Sie versammelte Menschen um sich, aus der Angst heraus alleine zu sein, ein Niemand. „Tut mir leid, dass du warten musstest.“ Mit leerem Blick, sah Otome zu Yosuke auf, zwang sich zu einem Lächeln, damit er nicht merkte, wie leer sie sich fühlte. In diesem Augenblick durfte sie nicht schwächeln, immerhin mussten sie Yukiko retten. Wenigstens für diese Zeit, hätte sie Freunde die ihr das Gefühl gaben nicht alleine zu sein. „Schau dir das an! Ich habe sie zu Hause in der Abstellkammer gefunden. Wir können sie als Waffen benutzen. Wir haben zwar unsere Personas, aber ein einzelner Golfschläger kann nicht uns beide verteidigen. Also, welche Waffe wählst du?“ Euphorisch zog Yosuke hinter seinem Rücken ein Kunai und ein Katana hervor. Kaum, dass Otome das lange Schwert erblickte, wusste sie auch schon, was ihre Waffe werden sollte. Mit dem Golfschläger hatte sie es immerhin auch nicht anders gehalten, als mit einem Katana. „Ich nehme das Katana.“ Auch wenn sie schon von weitem sah, dass die Klinge nicht echt war, diese Waffe konnte ihr sicher weitaus mehr helfen als ein Golfschläger. Es kam schließlich darauf an, wie man diese Waffe führte, demnach konnte sie in ihren Händen gefährlich für die Shadows werden. „Du hast ein scharfes Auge. Das ist ein exklusives Stück von Junes. Selbst wenn die Klinge nicht echt ist. Wobei ich persönlich ja beide Waffen auf einmal bevorzuge. Man kann viel damit machen. Sieh her.“ Fest umklammerte Yosuke beide Waffen und schwang sie, aus seiner Sicht wahrscheinlich elegant, vor sich her. Nur zu ihrer Sicherheit rückte Otome etwas von ihrem Mitschüler ab, denn wirklich begabt schien er mit dem Katana nicht zu sein, was ihr in der Seele schmerzte. Sie sah es schon kommen, dass er mit dem Schwert auf den Tisch aufkam und die Klinge sich vom Griff löste. Die Tatsache, dass die abgebrochene Klinge dann Yosuke treffen würde, ignorierte Otome vollkommen, ihr ging es nur um das Schwert. „... sofortige Verstärkung wird erfordert.“ Otome wandte ihren Blick von Yosuke, als sie die panische Stimme eines Mannes vernahm. Sie erkannte einen Polizisten, der in sein Funkgerät gesprochen hatte und konnte sich sofort denken wieso. Man konnte schließlich nicht davon reden, dass Yosuke gerade ungefährlich wirkte wenn er mit zwei unechten Waffen, die für einen Amateure aber echt erschienen, herum wedelte. „Oh verdammt!“ Yosuke hatte bemerkt, dass Otome ihn nicht mehr angesehen hatte und folgte ihrem Blick zu dem Polizisten, der auf sie zugelaufen kam. Immerhin erkannte auch er, was für einen Eindruck das ganze auf den Mann gemacht haben musste, und versteckte die Waffen hinter seinem Rücken. „Nein nein nein nein, das ist nicht so wie sie denken. Wir haben sie nicht gestohlen!“ Otome konnte den Reflex, sich die Hand gegen die Stirn zu schlagen, nicht zurückhalten. Auch wenn Yosuke von sich selbst wohl glaubte, dass er klug war, demonstrierte er gerade seine naive Ader. Mit Sicherheit ging es dem Polizisten nicht darum, was auch Yosuke verstand, als er Otomes Geste bemerkte. „Ich glaube... das war es doch nicht... J-Jedenfalls, wir tun nichts böses! Wir sind nur zwei Schüler, die Waffen mögen.“ Ein inbrünstiger Seufzer kam über Otomes Lippen. Auf diese Weise konnte Yosuke ihre Lage sicher nicht verbessern. Im Gegenteil, er verschlimmerte sie. Es war doch nur logisch, dass die Polizei bei zwei Schülern mit Waffen, zu einer Zeit mit in der eine unaufgeklärte Mordserie ihre Runde machte, misstrauischer wurden. „Leg sofort die Waffen nieder! Wir hören uns eure Geschichte auf dem Revier an. Leg die Hände dahin, wo ich sie sehen kann. Jetzt, sofort habe ich gesagt!“ Sofort hob Otome ihre Hände und zeigte damit, dass sie kooperieren würde. Sie hatten sowieso keine andere Wahl. Gleichzeitig verfluchte sie aber Yosuke, der wirklich selten dämlich mit Waffen in aller Öffentlichkeit herum gehampelt hatte. Es war doch klar, dass dies nicht gut gehen würde. „A-Aber das ist nicht...“ „Ihr wehrt euch? Ihr seid festgenommen.“ Schritte ertönten hinter Otome und Yosuke, weswegen das Mädchen wusste, dass Verstärkung angerückt kam. Eine Flucht war nicht mehr möglich, weswegen sie nur noch hoffte, dass ihr Onkel gerade nicht vor Ort auf dem Revier war. Sie wusste nämlich nicht, wie sie ihm das hier erklären wollte. **~~** Die bösen Blicke Otomes waren auf Yosuke gerichtet, der auch ohne Worte verstand, dass er Mist gebaut hatte. Die Waffen hatten die Polizisten konfisziert und sie verdankten es nur Otomes Onkel, dass niemand seine Eltern benachrichtigt hatte. Dennoch war Otome wütend auf ihn. Verdenken konnte er es ihr nicht, schließlich hatte er die enttäuschten Blicke Dojimas gesehen, als sie und er aufs Revier gebracht worden waren. „Otome... ich...“ Vorsichtig setzte Yosuke zu seiner Entschuldigung an. Ihm blieben die Worte jedoch im Halse stecken, als Otome mit der Hand auf den Tisch schlug und sich erhob. „Egal was du sagen willst, lass es. Wegen deiner Unbedarftheit, verschiebt sich unser Plan um ein paar Stunden. Was wenn der Nebel sich auflöst? Hast du auch nur eine Sekunde mal an Yukiko gedacht? Also wirklich? Welcher naive Idiot geht schon öffentlich mit Fake-Waffen im Junes umher? Vor allem jetzt? Ach ja, ich hab es vergessen, Yosuke Hanamura!“ Yosuke zuckte zusammen, als der Schwall an Worten auf ihn niederstürzte wie das tosende nass eines Wasserfalls. Was sollte er da schon noch dazu sagen? Sie hatte ja Recht. Dennoch, ihre Worte schmerzten, immerhin hatte sie ihn als einen Idioten bezeichnet. „Ich... Tut mir leid, Yosuke. Ich hätte das nicht sagen sollen. Ich-“ „Schon in Ordnung. Du machst dir Sorgen um Yukiko. Es schmerzt zwar zu hören, was du gesagt hast, aber vielleicht bin ich wirklich ein Idiot. Zumindest in dieser Hinsicht. Erst Vorgestern habe ich dich in Gefahr gebracht und nun habe ich dafür gesorgt, dass du mit mir im Polizeigewahrsam landest. Vielleicht bin ich wirklich etwas zu unbedacht.“ Schweigend sah Otome zu Yosuke, der es sich nicht einmal mehr traute sie anzusehen. Er hatte sich augenscheinlich zwar schnell von ihrem verbalen Rundumschlag erholt, aber dennoch knabberte er daran. Er versucht nur vor dir den großen Helden zu spielen. Du hast es doch selbst gesehen und gehört. Diese Stimme in ihrem Kopf hatte Recht. Yosuke wollte der Held sein, diesem Teil von ihm, hatte sie erst vor zwei Tagen gegenüber gestanden und Yosuke hatte ihn auch akzeptiert. Dennoch, er war nicht nur dieser Schatten seiner Selbst, der heldenhaft Eindruck vor einem neuen Mädchen schinden wollte, um Menschen, die ihn bewunderten, um sich zu scharen. Er war noch viel mehr. Vielfältiger. Yosuke hatte sicher genug Seiten die sie noch nicht gesehen hatte. Und die du auch nicht sehen willst. Jede dieser Seiten ist eine Lüge, dazu da, um sein wahres Gesicht zu verbergen. Obwohl die Stimme immer lauter zu werden schien, gelang es Otome erstaunlich gut, diese zu ignorieren. Sie wollte mehr über Yosuke wissen, ihn näher kennenlernen. Mehr von dem Jungen wissen, der selbst zugab etwas unbedacht zu sein. „Das nächste mal, gibst du das Katana einfach mir.“ Otome wusste nicht wieso, aber aus irgendeinem Grund fiel es ihr so unsagbar leicht Yosuke zu akzeptieren, mit seinen schlechten und guten Eigenschaften. Dann war er eben unbedacht. Das war doch egal. Sie konnte nicht von heute auf Morgen erwarten, dass er die Heldenrolle, die er gerne inne haben wollte, einfach so ablegte. Schritt für Schritt musste er sich entwickeln. Und sie würde ihm dabei helfen. „Verstanden, Partner.“ **~~** Es war ein unangenehmes Gefühl vor Dojima zu stehen, der Otome und Yosuke gleichermaßen mit einem ernsten Blick bedachte. Obwohl ihm eine Standpauke der lauteren Art auf der Zunge lag, ersparte er sich diese, wahrscheinlich weil gerade Yosuke in Otomes Nähe war und er wohl auf sie Rücksicht nehmen wollte. Freunde waren auch aus seiner Sicht wichtig und scheinbar glaubte er nicht, dass Yosuke ein schlechter Einfluss war. „Ihr scheint mir nicht die Typen Mensch zu sein, der unsinnige Sachen machst. Ihr wisst doch was zur Zeit los ist in der Stadt. Wir haben überall Männer stationiert. Mein Gott... Ihr hattet Glück, dass ich in der Nähe war, sonst wäre das hier in eurer Strafakte gelandet.“ In der Tat hatten sie mit Dojimas Anwesenheit Glück im Unglück. Kaum dass er von Otomes Anwesenheit hier erfahren hatte, hatte er ein paar interne Gespräche geführt, sodass Yosuke und Otome die Arrestzelle erspart geblieben war. Man hatte lediglich die Fake-Waffen konfisziert und ihnen, nach einem mehr oder weniger ernsten Gespräch mit Dojima, die Freiheit geschenkt. „Es tut uns wirklich leid. Es kommt auch nicht wieder vor.“ Dojima nickte. Er glaubte Yosuke, dass es nie wieder vorkommen würde, zumindest würde Otome Yosuke aufhalten, sollte er erneut in aller Öffentlichkeit mit Waffen herum wedeln wollen. „Moment, diejenige die verschwunden ist, ist also die Tochter von Amagi?“ „Scheint so... Aber sie ist nur eine High School Schülerin. Sie kann genauso gut von Zuhause fortgelaufen sein.“ Yosukes und Otomes Aufmerksamkeit fokussierte sich mit einem mal auf zwei vorbeilaufende Polizisten die miteinander den Revier Klatsch klärten. Darunter war auch Yukikos Verschwinden, was Yosuke und Otome nur eines deutlicher machte. Sie war wirklich verschwunden und in dieser anderen Welt. „Ich bin mir sicher, dass ihr auch die Nachrichten verfolgt und wisst, dass gerade Untersuchungen in Arbeit sind. Bei einigen Dingen sind wir sehr sensibel. Ihr geht jetzt also besser und sorgt dafür, dass es nicht erneut passiert.“ Nur einen kurzen Augenblick war Dojima misstrauisch geworden, Misstrauisch, weil die Aufmerksamkeit der Schüler sich verlagert hatte. Otome hatte das bemerkt, doch sie war sich sicher, dass ihr Onkel schnell wieder von seinem Misstrauen abwich. Dennoch, er beäugte beide Schüler noch einmal gründlich, bevor er sich wieder seiner Arbeit zu wandte und Yosuke und Otome damit in die Freiheit entließ. „Sie ist also wirklich dort...“ Otome nickte, als Yosuke ihre Gedanken bestätigte. Sie mussten unbedingt etwas unternehmen, doch dafür brauchten sie Waffen. Alleine mit ihren Personas konnten sie nicht viel ausrichten. „Vorsicht, Otome!“ Verwundert sah sie auf und erkannte den jungen Polizisten, der mit einem Becher Kaffee auf sie zu gerannt kam. Yosukes Warnung kam genauso spät wie die Erkenntnis des Polizisten, dass er nicht mehr stoppen konnte, so dass er mit Otome kollidierte und der heiße Kaffee über ihr weißes Hemd lief. Sie spürte die unangenehme Hitze, doch sie gewöhnte sich auch schnell daran. Zum Glück war der Kaffee nicht mehr brühend heiß gewesen. „Es... Es tut mir leid. Entschuldige bitte.“ Otome war schon etwas sauer, weil diese Bluse eine ihrer liebsten war. Sie konnte nur hoffen, dass dieser Kaffeefleck rausgehen würde, sonst sah sie schwarz für das Leben des Übeltäters, der scheinbar glaubte, es sei mit einem „Entschuldige bitte“ getan. Wütend sah sie zu dem Mann auf und erkannte ihn sofort wieder. Es war der Polizist mit dem schwachen Magen, der am Tag von Yamanos entdeckter Leiche, sich ins Gebüsch übergeben hatte. Sie hätten diesen vertrottelten, treudoofen Gesichtsausdruck überall wiedererkannt. Wahrscheinlich war es einfach ihr Schicksal ständig in Schwierigkeiten zu geraten, genauso wie es sein Schicksal war, immer in irgendein Fettnäpfchen zu treten. „Moment, du bist doch die, die bei Dojima-san eingezogen ist.“ Otome nickte und streckte ihre Hand nach dem Partner Dojimas aus, der sofort verstand, was das Mädchen von ihm forderte. Hilfsbereit nahm er ihr Hand, sie passte perfekt in seine, und zog sie auf die Beine. Es war ein seltsames Gefühl, denn dieser Handdruck, diese Wärme, sie kamen Otome mit einem Mal so vertraut vor. Etwas an dem Polizisten, sie glaubte sich zu erinnern, dass Dojima ihn Adachi genannt hatte, erinnerte sie, an sie selbst. Ob er dasselbe spürte? Otome wusste es nicht, aber Adachi schien nicht vor zu haben Otomes Hand loszulassen und das, obwohl sie bereits fest auf beiden Füßen stand. „Ähm, entschuldigen Sie, können wir Sie etwas fragen? Es geht um Yukiko-san... ich meine Yukiko Amagi vom Amagi Gasthaus. Ist ihr etwas passiert?“ Yosuke wusste wirklich, wie man sich wieder auf das eigentliche Problem fokussierte. Ihm gelang es sogar in doppelter Hinsicht, denn sowohl Otome als auch Adachi fanden wieder in die wahre Realität zurück und lösten ihre Hände voneinander. „Wie? Oh... darf ich das überhaupt erzählen? Naja, ihr seid Amagi-sans Freunde. Aber das bleibt unter uns. Wir bekamen gestern Abend einen Anruf von Amagi-sans Eltern. Sie sei wohl nirgendwo mehr aufzufinden. Da es Wochenende war, waren die Mitarbeiter des Gasthauses sehr beschäftigt, so dass niemand Amagi-san gesehen hat. … ...“ Erwartungsvoll sahen Yosuke und Otome Adachi an, der scheinbar in richtiger Plauderlaune war. Sie mussten das einfach nutzen um alle möglichen Informationen herauszubekommen, auch wenn Polizisten wie Adachi, in Verbindung mit der Tatsache, dass er der Partner eines Hard-boiled Polizisten war, zu dem Klischee diverser Kriminalromane passte. „Oh, keine Sorge, das bedeutet nicht, dass dies bereits ein Fall für die Polizei ist! Allerdings... diese ganze Sache, dass Menschen an nebligen Tagen tot wieder auftauchen, hat das ganze Revier sensibilisiert. Ach ja, hat sie irgendetwas zu euch gesagt? Z.B., dass sie gerade schwere Zeiten durchmacht?“ Fragende Blicke tauschten Yosuke und Otome miteinander aus. Otome hatte Yukiko zwar nicht so gut kennengelernt, wie Yosuke und Chie sie wohl kannten, aber sie hatte nicht den Eindruck auf sie gemacht, das sie eine ungewöhnlich schwerere Zeit als gewohnt durchmachte. Wobei, wenn Otome recht darüber nachdachte, sie hatte Yukiko alleine am Samegawa River gesehen. Das Bild ihres deprimierten, erschöpften Anblicks blitzte vor ihrem inneren Auge auf. Vielleicht war da doch etwas gewesen, von dem sie nicht wussten. Etwas, dass sie an ihre Grenzen getrieben hatte. „Nun, diese Nachrichtensprecherin Yamano, war vor dem ersten Mord in dem Amagi Gasthaus untergekommen. Es scheint wohl so, dass Yamano-san sehr harte Worte über das Verhalten der Angestellten, gegenüber Gästen, bei der Managerin übrig hatte. Die Managerin ist aufgrund des ganzen Stresses kollabiert. Und da Amagi-san die Tochter der Managerin ist... naja sie hat damit eine gewisse Verbindung zu dem Fall.“ Otomes Blick verfinsterte sich. Sie wusste genau, was Adachi damit andeuten wollte, doch diese Möglichkeit, dass Yukiko der Nachrichtensprecherin etwas angetan haben sollte, war ausgeschlossen. Sie stand für Otome nicht einmal zur Debatte, auch wenn die Polizei allen Spuren nachgehen musste. Aber Yukiko konnte es nicht gewesen sein. Immerhin war sie gerade selbst ein Opfer das davor stand mit Hilfe der anderen Welt eliminiert zu werden. „ADACHI! Verdammt, hör auf mit Zivilisten zu schwatzen! Wo bleibt eigentlich mein Kaffee?“ Otome zuckte zeitgleich mit Adachi zusammen, als sie die Stimme ihres Onkels hörte. Er konnte wirklich wie ein Löwe brüllen und wahrscheinlich auch wie einer beißen. „T-Tut mir leid! Ich hab ihn hi-“ Triumphierend hob Adachi den leeren Becher hoch, bemerkte aber schnell, dass der Kaffee nicht mehr in diesem war, sondern sich restlos auf Otomes Oberteil befand. Mit Sicherheit hörte sein Partner das nicht gerne. „Ich hole schnell neuen. Und ihr beide... Vergesst was ich euch erzählt habe.“ So schnell Adachi konnte, lief er wieder in die Richtung aus der er gekommen war. Um Dojima zu besänftigen, musste er einen neuen Kaffee holen, denn einen leeren Becher würde sein Partner ihm niemals verzeihen. **~~** Schweigend waren Yosuke und Otome nebeneinander zum Ausgang der Polizeistation gelaufen. Beide wussten, was Adachi ihnen versucht hatte zu sagen, ohne direkte Worte dafür zu benutzen. Man hielt allen Ernstes Yukiko für die Mörderin der Nachrichtensprecherin und Saki Konishis. Das war doch absurd. „Hier seid ihr ja! Mann, ihr beide macht nur Ärger. Ich habe schon überall nach euch gesucht und dann erzählte man mir, dass man euch festgenommen hat, weil ihr Zivilisten mit Waffen bedroht hättet. Was habt ihr euch dabei gedacht?“ Schuldbewusst auf Chies doch sehr unkonventioneller Begrüßung, sah Yosuke zu Boden. Das war sie also, die zweite oder viel mehr dritte Standpauke des Tages. Eine Vierte würde mit Sicherheit noch von seinen Eltern kommen, die ebenfalls über diesen Vorfall in Kenntnis gesetzt wurden. „Nun... das war ein kleines Missverständnis. Aber das tut hier auch nichts zur Sache. Irgendetwas stimmt bei Yukiko nicht.“ „Was? Ihr wisst das bereits?“ ernst nickte Yosuke und Chie verstand, dass einige der Informationen die sie bekommen hatten, wohl durch die Polizei zu ihnen gesichert waren. Es war nun an der Zeit, Chie auf den aktuellen Stand der Dinge zu bringen. Mit jedem Wort, mit jeder kleinsten Information, die Otome und Yosuke aufgeschnappt hatten, verfinsterte sich Chies Ausdruck. „Was? Sie glauben, dass Yukiko es getan hat? Das ist doch Schwachsinnig! Yukiko würde niemals so etwas tun!“ „Erzähl das nicht mir! Ich weiß auch, dass sie das Opfer ist und nicht der Täter.“ Sowohl Chie, als auch Yosuke schienen panisch zu werden. Zwar war das was sie sagten richtig, aber das wichtigste für den Moment verloren sie aus den Augen. „Jetzt seid doch mal ruhig. Es ist doch egal ob Yukiko Täter oder Opfer ist. Wichtig ist, dass wir sie retten. Sonst wird die Polizei schnell merken, wie falsch sie mit ihrer Vermutung lagen.“ Es waren Otomes Worte, die Chie und Yosuke wieder in die Realität zurückholten. Es brachte nichts, wenn sie sich nun darüber aufregten, dass man Yukiko im Verdacht hatte. Die Zeit war gegen sie, deswegen durften sie jetzt nicht einfach das Ziel aus den Augen verlieren. „Verdammt, sie haben unsere Waffen konfisziert! Wir sollten nicht mit leeren Händen dahin gehen.“ In der Tat, Yosuke hatte Recht. Sie konnte es zwar versuchen noch etwas mit dem Golfschläger auszukommen, aber die verlässlichste Waffe war dieser mit Sicherheit nicht. „Oh, ihr braucht Waffen? Kein Problem, ich kenne da einen Ort, an dem ihr alles bekommt was ihr braucht.“ Fragend sahen Otome und Yosuke zu Chie, die siegessicher grinste. Einen Ort an dem Jugendliche wie sie Waffen bekommen, ohne dass es zu Problemen kommen sollte? Das klang doch mehr als absurd. **~~** Sie waren ohne Probleme reingekommen, sie sahen sich ohne Probleme um und der Ladenbesitzer schien nichts gegen die High School Schüler zu haben. Das war doch mehr als merkwürdig, oder viel eher suspekt. Egal wo man hinsah, überall hingen Waffen. Äxte, Schwerter, Schusswaffen und Dinge, von denen Otome niemals geglaubt hätte, dass man sie als Waffen nutzen konnte, wie zum Beispiel Fächer und Stühle. Selbst die Rüstungen schienen keine richtigen Rüstungen zu sein. „Was ist das für ein Laden? Und woher kennst du den, Chie?“ Yosukes Stimme klang fassungslos. Dabei verwunderte es viel eher Otome, dass er diesen Laden, der sich inmitten auf der Shopping Meile befand, nicht kannte. Immerhin, das war etwas, das Junes noch nicht bot. Waffen. „Okay, Otome, such du mir passende Waffen aus. Das bin ich dir schuldig, nachdem ich dich in Polizeigewahrsam gebracht habe. Den Rest kannst du behalten.“ Verwirrt sah Otome zu Yosuke, der ihre Hand nahm und ihr einen 5.000 Yenschein reichte. „Die Frage ist jetzt nur noch, wie wir dann mit der Ausrüstung ins Junes gehen. Noch einmal will ich heute nicht im Polizeigewahrsam landen. Hat irgendwer eine Idee von euch?“ Nachdenklich sah sich Otome im Laden um. Solange sie keine protzige Rüstung nahmen, sondern etwas, dass Leicht genug war um sie unter anderen Sachen zu verbergen... Das konnte vielleicht klappen. Allerdings, wenn Otome ihre Waffenwahl betrachtete, sie neigte immerhin eher zu einem Katana, dann wurde ihr mulmig. Ein Katana konnte man nicht einfach so unter der Kleidung verstecken, anders, als vielleicht Yosuke, wenn sie ihm lediglich Kunais besorgte. „Unsere Schuluniform. Damit könnte man selbst ein Katana getarnt mitbringen. Sie würden alle denken, dass man beim Training für den Club war.“ Natürlich! Warum war Otome nicht gleich darauf gekommen? In ihrer Schuluniform konnte sie selbst ein Schwert mit sich herumtragen, ohne das jemand unangenehme Fragen stellen würde. „Okay. Machen wir uns bereit. Wir treffen uns dann alle im Junes im Gastronomiebereich.“ Der Vorschlag Yosukes gefiel Otome doch ganz gut. Sie brauchte immerhin ein neues Oberteil, dass sich immer noch Dojimas Kaffee auf ihrem aktuellen befand. „Otome, ich warte vor dem Laden auf dich.“ Es war ein seltsames Gefühl alleine in diesem großen Laden zu stehen, ohne zu wissen, was Yosuke vielleicht passen würde oder nicht. Aber wenn er ihr schon so sehr vertraute, wollte sie ihn auch nicht enttäuschen. Wie versprochen hatte Yosuke auf Otome gewartet und begutachtete ihren Kauf für ihn. Sie hatte sich für ein leichtes, aber doch recht schützendes Kettenhemd und Kunais für ihn entschieden. Mehr war in Sachen Finanzen nicht drin. „Wenn wir bessere Rüstungen wollen, müssen wir gehört sparen. Daidara verkauft auch Accessoires. Hier der Ring zum Beispiel. Und weißt du was seltsam ist, ich spüre etwas mystisches an ihm. So als würde es meine Kraft verstärken, wenn ich ihn nur trage.“ Triumphierend hielt Otome einen Ring hoch, von dem Daidara ihr versprochen hatte, dass es eines seiner besten Kunstwerke war. Wie auch immer der alte Mann das geschafft hatte, etwas Magisches haftete an dem Metall. „Passend für ein Mädchen“, scherzte Yosuke zwinkernd und grinste Otome breit an. Sie hatte sich so ein Kommentar fast schon gedacht, weswegen sie aus ihrer Tasche ein Armband zog und es ihrem Klassenkameraden entgegenhielt. „Nicht ganz so mädchenhaft, aber sicher auch sehr wirksam. Ich rate dir das Armband zu tragen, oder die Shadows werden dein kleinstes Problem sein, Yosuke Hanamura.“ Erschrocken zuckte Yosuke zurück und sah auf das Armband mit den verschnörkelten, Verzierungen. Es war aus unechtem Gold, lag leicht in der Hand, und man konnte es sich einfach über die Hand stülpen und auf das Gelenk gleiten lassen. Es wirkte nicht mädchenhaft, wie Otome eben gesagt hatte, aber wirklich männlich sah es auch nicht aus. Allerdings ergab sich Yosuke in die Forderung seiner Partnerin, denn ihren Zorn wollte er nicht heraufbeschwören. Nicht nachdem er die Wahl seiner Ausrüstung ihr überlassen hatte. „In Ordnung. Machen wir uns fertig, wir sehen uns später im Junes.“ Mit seinen Sachen, die Otome ihm besorgt hatte, wandte sich Yosuke dem Gehen zu. Otome sah ihn noch wenige Minuten nach, bis er um die Ecke verschwand. Seufzend wandte sich auch Otome gen Heimat zu. Sie musste sich umziehen, ihre Waffen bereit machen und hoffen, dass Nanako nichts bemerkte und unangenehme Fragen stellte. Gedankenverloren lief sie an Deidaras vorbei. Doch wie vom Blitz getroffen, hielt sie inne und lauschte der Stimme in ihrem Kopf. Ihr seiet die, der die Tür zu öffnen gestatten sei... Ihr Blick glitt nach links. Sie sah plötzlich diese blaue, leuchtende Tür von der sie genau wusste, dass sie zuvor nicht da gewesen war. Die Aura, die diese Tür umgab, war ihr vertraut, denn es war dieselbe wie die des Velvet Rooms, den sie einst in ihren Träumen gesehen hatte. Neugierig näherte sich Otome der Tür. Sie schien die einzige zu sein, die sie wahrnehmen konnte. Deine Tasche... Verwundert über Izanagis Stimme in ihrem Kopf, schob Otome die Hand in ihre Rocktasche und ertastet einen Schlüssel. Sie konnte sich nicht erinnern, einen in diese Tasche getan zu haben und doch war er hier. Verwundert zog sie ihn hervor und sah ihn an. Eine Maske mit einer weißen und schwarzen Gesichtshälfte, war an dem dickeren Ende zu sehen und erinnerte sie an das Bild auf Igor Tarotkarten. Diese Maske, hatte sie im Traum auch auf dem Kartenrücken gesehen, genauso wie es auf der Karte Izanagis prangte. „Und so beginnt es... Würdest du mir ein paar Minuten deiner Zeit zur Verfügung stellen?“ Klar und deutlich erschallte Igors Stimme. Doch wie schon mit der Tür, schien Otome die einzige zu sein, die sie wahrnahm. Er schien sie persönlich, als einzige einzuladen, was nur noch mehr durch das aufleuchten des Schlüssels unterstrichen wurde. Geblendet schloss Otome die Augen und als sie diese wieder öffnete, befand sie sich im Inneren des Velvet Rooms. „Wir haben dich bereits erwartet. Die Katastrophe, der du dich näherst... hat auf ihren Weg zu dir bereits Menschenleben mit sich genommen. Aber du musst dich nicht fürchten, denn du hast bereits die Macht um dich ihr entgegenzustellen. Es scheint, dass die Zeit, um erneut deine Persona zu nutzen, gekommen ist.“ Persona... ein Vertrag. Allmählich verstand Otome was Igor in ihrem Traum gemeint hatte. Doch so wirklich auf das, was Margaret und Igor ihr erklärten, konnte sie sich nicht konzentrieren, denn ihr Blick lag wie gebannt auf dem Mädchen, dass sie bei ihrer Ankunft bereits gesehen hatte. Das Mädchen in dem Goth-Punk Style. Sie trug nun eine blaue Ballonmütze mit einem goldenen V dran und eine blaue Tasche. Sie wirkte wie ein Liefermädchen, doch die Frage war, was sie hier suchte. Mehr war für Otome, aus unerklärlichen Gründen nicht relevant. Es interessierte sie nicht, dass sie eine sogenannte Wild Card besaß oder das Igor ihr assistierte, indem er Personas miteinander verschmolz und neue erschuf. „Ich würde dir gerne jemanden vorstellen, die dir ebenfalls auf deiner Reise assistieren wird.“ Wie gebannt sahen sich Otome und das fremde Mädchen an. Eine unausgesprochene Erwartung von Seiten Margaret lag in der Luft. Eine Erwartung die das Mädchen nicht erfüllte, da sie nur schwieg. „Marie?“ „Ja doch. Ich kann dich hören. Sehr erfreut...“ Unfreundlich, ohne Otome eines weiteren Blickes zu würdigen, begrüßte das Mädchen, das Margaret Marie genannt hatte. Die Atmosphäre wurde schwerer, fast schon unbehaglich. „Darf ich fragen, was du hier machst?“ Auch wenn Otome sich nicht sicher war, ob das Mädchen sich noch an sie erinnern konnte, musste sie einfach fragen. Sie erinnerte sich daran, was Marie ihr bei ihrer Ankunft in der Einkaufsmeile gesagt hatte. Sie hatte kein Zuhause. Vielleicht hatte sie ja deswegen zum Velvet Room gefunden, um ein Zuhause zu haben. Auf Otomes Frage, was Marie hier machte, bekam sie jedoch keine Antwort. Schon seltsam, denn Marie schien ihr so nahe und vertraut und dennoch gab es diese scheinbar unüberwindbare Distanz. „Marie wird mit Fähigkeitskarten handeln. Das sind Karten die du nutzen kannst um deinen Personas diverse Fähigkeiten beizubringen, die sie auf natürlichen Wege nicht erlernen können. Dazu musst du Marie nur eine Fähigkeitskarte dieser Art bringen, damit sie perfekte Replika davon erstellen kann.“ Fähigkeitskarten, Fusionen... Das alles war für den Moment vollkommen unnötig. Sie hatte weder Karten, die Marie im Moment kopieren konnte, noch mehrere Personas die sie fusionieren konnte. Für den Moment waren die Dienste des Velvet Rooms also vollkommen nutzlos. „Allerdings...“ Als hätte Margaret Otomes Gedanken gelesen, setzte sie zu einem erneuten Schwall an Informationen an. „Du kannst Marie auch jederzeit einfach so besuchen.“ Ein vielsagendes Grinsen lag auf Margarets Gesicht. Ein Grinsen, das Otome nicht deuten konnte, wofür sie auch keine Zeit hatte, weil Igor bereits seine letzten Worte an Otome wandte. „Erinnerst du dich daran, was ich dir schon einmal sagte? 'Das kommende Jahr wird ein Wendepunkt in deinem Leben. Wenn das Mysterium ungelöst bleibt, könnte deine Zukunft für immer verloren sein.' Ich meinte das genauso wie ich es sagte. Eine Niederlage im Kampf ist nicht der einzige Weg, wie deine Reise beendet werden kann. Bitte vergiss das nicht. Das nächste Mal treffen wir uns, wenn du aus eigenen freien Willen zu uns kommst. Bis dahin, verabschiede ich mich von dir.“ Igor wusste mehr. Er schien bereits ihre ganze Zukunft zu kennen und doch hüllte er sie in einen Schleier aus vagen Aussagen. Otome wollte jedoch mehr wissen, aber als sie den Mund öffnete, fand sie nicht die passenden Worte um zu verhindern, dass ihr Gespräch beendet war. Die Sicht verschwamm vor ihrem Augen, und als sie geistig wieder zu sich kam, stand sie vor der Tür zu Dojimas Haus. **~~** Otome fühlte sich in ihrer Schuluniform nicht ganz so unwohl, wie sie es zu Beginn geglaubt hatte. Da Yosuke und Chie ebenfalls dank ihrer Uniform aus der Masse herausstachen, war es jetzt nur noch halb so schlimm. „Wir fallen wirklich auf. Ich meine wen verwundert es, wenn man an einem freien Tag auch noch in der Schuluniform herumläuft. Jedenfalls, der Verkauf sollte bald vorbei sein, dann können wir ungestört auf die andere Seite.“ Das alles klang doch nach einem Plan. Ein Plan dem Otome und Chie nur mit Freuden zustimmen konnten. In der Zwischenzeit konnten sie sich noch stärken. Die Rettungsaktion würde sie einiges an Kraft kosten. Kraft und Geduld. „Chie... noch kannst du-“ Yosuke wollte gerade anmerken, dass Chie jetzt noch die Chance hatte einen Rückzug zu machen. Doch das Mädchen unterbrach ihn und wehrte diesen Gedanken vehement ab. „Ich gehe! Egal was du sagst! Yukiko ist meine beste Freundin und ich werde sie sicher nicht im Stich lassen.“ Entschlossenheit klang aus Chies Stimme und faszinierte Otome. Diese Entschlossenheit, sie wusste nicht, ob sie die auch für Miwako aufgebracht hätte, was seltsam war, denn sie war nicht minder entschlossen dazu Yukiko zu retten. Eine Person, die sie nur flüchtig kannte, mit der sie nur ein paar Worte gewechselt hatte. „Na schön, aber überanstreng dich nicht.“ Chie nickte. Sie verstand persönlich die Sorgen Yosukes. Er und Otome hatten immerhin gesehen, wozu diese andere Welt fähig war und für diesen Augenblick war sie sich auch sicher, dass sie Otome und Yosuke das Kämpfen überlassen würde. **~~** Das Schloss vor dem Yukiko in ihrer eigenen Sendung im Midnight Channel gestanden hatte, wirkte in Natura noch pompöser. Protzig und vor allem surreal. „Und du bist dir wirklich sicher, dass niemand hinter der Kamera für dieses bizarre Programm steckt?“ Fragend sah Yosuke zu Kuma, der dessen Blick ebenso fragend erwiderte. Zumindest glaubte Otome, dass so ein fragender Bär aussah, immerhin waren Kumas Mimiken schwer zu deuten. „Programm? Ich weiß nichts davon. Vielleicht können Menschen aus eurer Welt sehen, was in dieser passiert. Ich habe dir doch gesagt, dass nur Shadows und Ich hier sind. So etwas wie eine Kamera und die ganzen Sachen, gibt es hier nicht. Diese Welt war von Anfang an so.“ Nachdenklich sah sich Otome um. In der Tat hier gab es keinen Kameramann. Noch nicht einmal eine Kamera stand hier. 'Eine Übertragung mit der Kamera ist nicht zwingend notwendig. Logisch gesehen ist der Fernseher nicht einmal eingeschaltet, wenn der Midnight Channel auf Sendung geht. Da bleibt allerdings die Frage bestehen... wie wird es ausgestrahlt? Wie kommen die Bilder auf den Fernseher?' Otome verschränkte die Arme. Es war fraglich, ob sie herausfinden würden, wie diese Welt funktionierte. Dafür wussten sie zu wenig. Dennoch, Otome wollte mehr erfahren. Sie wollte wissen, was hier passierte, wie das alles funktionierte. 'Das erste Bild Yukikos... was so undeutlich, hinter einem Vorhang aus Sendeschnee. Da war sie noch nicht in dieser Welt. Aber da wurde auch schon ein Bild ausgestrahlt. Warum unterscheiden sich Yukikos Sendung von diesen ersten Bildern als sie noch nicht hier war? Irgendwer muss das doch aufgezeichnet haben...' Otome hatte sich vollkommen von dem Gespräch ihrer anderen Mitstreiter abgekapselt. Das alles passte einfach nicht ins Bild. Und Kuma log mit Sicherheit. Wer außer ihm sollte diese Welt denn sonst kennen. Er hatte auch schon Yamano und Saki gespürt. Genauso hatte er Yukikos Schloss ohne Probleme gefunden. Eine fremde Person konnte dem Bären also nicht entgehen. „Yukiko ist definitiv hier... Ich gehe schon vor!“ Ein Luftzug streifte Otome und riss sie aus ihren Gedanken. Als sie ihren Kopf hob, sah sie nur noch die grüne Rückseite von Chies Oberteil. Ohne zu zögern, tauchte sie in das Innere des Schlosses ein. NEIN! GEH NICHT!“ Auch wenn es schon zu spät war und Yosuke sich dessen bewusst war, schrie er ihr nach. Er wusste, dass sie ihn im Inneren nicht hören konnte. Nichts würde sie aufhalten wenn es um Yukiko ging. Das wurde ihm nur zu deutlich bewusst. „Verdammt! Komm mit, Otome. Wir folgen ihr besser!“ Ernst nickte Otome und sah zu Kuma, der mit seinem Körper ebenfalls wippte und damit ein Nicken imitierte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)