Das Herz des Magiers von Archanul ================================================================================ Kapitel 1: Veru --------------- Die Sonne hatte mittlerweile den höchsten Punkt am Himmel erreicht und ließ Veru erleichtert aufatmen, als der schwarze Hengst die Schatten des Kamec Waldes erreichte. Der trockene staubige Boden unten den Hufen des Rappen wurde mit jedem seiner Schritte dunkler und feuchter, bis das dumpfe Dröhnen keinen Staub mehr aufwirbelte. Der Kamec Wald gehörte in ganz Endurie zu den größten und geheimnisvollsten. Weite Teile des Dschungels waren unpassierbar und unerforscht, obwohl viele Abenteurer, angetrieben durch ihren Goldrausch, tief in das Dickicht eingedrungen waren – jedoch war es nur einer Handvoll dieser Abenteurer gelungen, dem Kamec Wald wieder zu entkommen. Seufzend streckte Veru sich und schob sich schnaufend die Kapuze vom Kopf. Seine blonden Haare waren, ganz nach der Tradition der Nerui, etwas länger, sehr strubbelig und an einer Strähne mit einer Adlerfeder geschmückt. Viel zu hellblaue Augen hielten das Dickicht im Blick, während schlanke Finger die Zügel etwas fester umklammerten. Veru war kein geborener Nerui, war jedoch nach seiner bestandenen Prüfung zum Magier dem Stamm beigetreten. Mit einem Lächeln erinnerte er sich daran, wie sein Vater einen Tobsuchtsanfall bekommen hatte und dem jungen Mann mit allem Möglichen gedroht hatte. Dieser hatte sich jedoch nicht beirren lassen. Veru war sowieso nie sehr beliebt gewesen unter seines gleichen. Magier waren etwas Besseres, gesegnet und standen nur zu Diensten der Adeligen – das war die Meinung seines Vaters und die der meisten anderen Magier. Der blonde Mann war jedoch schon in sehr jungen Jahren durch sein Mitgefühl anderen Lebewesen gegenüber aufgefallen – leider im negativen Sinne. Er wollte seine Begabung nicht verkaufen und gutbetuchten Damen Elixiere für straffe Haut und weiche Haare zusammen brauen. Veru wollte da helfen, wo wirklich Hilfe nötig war. Diese Einstellung hatte ihn jedoch ein ums andere Mal großen Ärger eingebracht und beinahe seine Magierausbildung gekostet. Vor nicht einmal drei Monaten hatte er es doch noch geschafft seine Prüfung abzulegen und war nun ein voll und ganz befähigter Magier und zu dem Verdruss seines Vaters, hatte Veru sich sofort einen Ort gesucht, fernab seinesgleichen und noch weiter entfernt von jeglichem Reichtum. Die Nerui waren ein Steppenvolk, lebten in Zelten und bewirteten Ackerland, züchteten Vieh und Pferde. Veru hatte sich dort sofort Zuhause gefühlt. Die Häuptlingsfrau Iryna hatte Veru durch Zufall auf dem Markt in seiner Heimatstadt, Andru Ag, kennen gelernt. Als er hörte, dass in ihrem Dorf eine seltsame Krankheit eingefallen war, hatte er sofort seine Sachen gepackt und war mit ihr gereist. Dies war nun schon zwei Monate her. Am Anfang waren die Nerui ihm gegenüber zurückhaltend und skeptisch. Sie wussten nicht, was sie von einem Magier in ihrem Dorf halten sollten, galten Magier doch als arrogant, unhöflich und vor allem als sehr teuer. Veru hatte es nicht leicht die Menschen von sich zu überzeugen, aber nach langen Wochen, in welchen er die Krankheit durch Tinkturen und Salben in den Griff bekam, fassten die Bewohner langsam Vertrauen. Und als er seine Magie einsetzte um ein kleines Mädchen vor dem Ertrinken zu retten, hatte er sämtliche Zweifel an seiner Person eliminiert. Nun war er einer von ihnen. Aus einem Dornenbusch vor ihnen sprang ein großer Hase und blickte sie an, Zagreb, der Rappe, hielt in seiner Bewegung inne und spitze die Ohren. Als er einen weiteren Schritt auf den Hasen zumachte, fletschte dieser die Zähne, fauchte und stürzte zurück ins Dickicht. Kopfschüttelnd blickte Veru dem Wesen hinterher und strich dem Hengst beruhigend durch die Mähne. Er brauchte keine Angst haben, schließlich war er ein Magier! Und die konnten sehr gefährlich sein, versuchte er sich Mut zu machen. „Hoffentlich wissen das auch alle anderen hier.“, flüsterte Veru und trieb den Hengst zur Eile an. Der Wald wirkte um ihn herum plötzlich nicht mehr ganz so einladend und er sehnte sich beinahe nach der trockenen Hitze außerhalb der dunklen Schatten - das ihm mehrere Augenpaare folgten, bemerkte der junge Mann nicht. Es dauerte noch den kompletten Nachmittag, bis sie endlich den Gasthof Zum tanzenden Pony erreichten. Obwohl der Name einen freundlichen Eindruck hinterlassen sollte, konnte das dunkle Haus, in welchem noch dunklere Gestalten herum lungerten kein gutes Gefühl in Veru aufkommen lassen. Nachdem er Zagreb bei einem zahnlosen Stallburschen abgegeben hatte, mitsamt dreier Kupfermünzen, suchte er sich einen Tisch in der Nähe eines der dreckigen Fenster, fernab der anderen Besucher. Es dauerte keine zwei Herzschläge, da schob sich eine dreckige Schürze in sein Blickfeld. „Was kann ich dir bringen, Süßer?“, schnorrte eine schmierige Stimme und lange dreckige Fingernägel fuhren langsam über die Holzplatte vor ihm. „Ein Becher Brombeertee.“, erwiderte Veru, erntete davor jedoch nur eine amüsant hoch gezogene Augenbraue. Die Frau war hässlich. Ihre fettigen Haare hatte sie in einen Zopf gebunden und ihren schwammigen Körper in ein viel zu kleines Kleid gepresst, ihre kleinen Schweinchen Augen waren auf ihn gerichtet. „Wir haben keinen Tee, aber ich kann dir einen Becher Beeren Met bringen.“, damit drehte sie sich um und watschelte davon, dass Veru keinen Beeren Met wollte, war ihr egal. Seufzend fuhr er sich durchs Haar. Wieso musste er diese Frau auch unbedingt hier treffen? Hätte Iryna nicht einen freundlicheren Ort aussuchen können? Zum Beispiel sein Zelt, in dem es auch Brombeertee gab! Ein Krug knallte vor ihm auf den Tisch und die Schweinchen frau schenkte ihm ein dreckiges Lächeln. „Kann ich dir noch etwas Gutes tun?“ Auffällig schob sie ihren Busen in Blickweite und leckte sich anzüglich über die Lippen. „Nein danke.“, erwiderte Veru ruhig und wand seinen Blick von ihr ab, betrachtete die rötliche Flüssigkeit in dem Krug. Der blonde Mann spürte wie die Bedienung ihm einen letzten enttäuschten Blick zu warf und sich dann zurückzog. Erleichtert ließ er die Schultern hängen und probierte einen Schluck von dem Getränk, schob es dann jedoch schnell von sich. „Ein Mann der keinen Beeren Met mag. Wie ungewöhnlich.“, gluckste eine Frauenstimme neben ihm. Veru blickte die schmale Frau genervt an, er hatte keine Lust auf Gesellschaft, eigentlich hatte er nicht einmal hier sein wollen, hätte Iryna nicht so sehr darauf bestanden. Eine gute Freundin von ihr bräuchte seine Hilfe und das am besten noch Gestern. „Ich brauche nichts, danke.“, meinte der Magier nur trocken und drehte sich wieder weg. Dass die Frauen hier so aufdringlich waren zerrte jetzt schon an seinen Nerven. Der Stuhl gegenüber von ihm wurde zurück geschoben und mit einem freundlichen Lächeln ließ die Frau sich darauf nieder. Eine zierliche Hand wurde ihm entgegen gestreckt und weiße Zähne erschienen in ihrem Gesicht. „Ich bin Esmera, Iryna hat dich geschickt, oder?“ Überrascht starrte Veru Esmera an. Dass sollte die gute Freundin sein? Die Frau vor ihm hatte sanfte Gesichtszüge, dunkel grüne Augen, welche umrahmt waren von langen dunklen Wimpern. Ihre schwarzen langen Haare fielen ihr in einem geflochtenen Zopf über die Schulter. Sie trug ein enges Oberteil, weite Hosen und Stiefel, die ihr fast bis zum Knie reichten – alles war in dunklen Farben gehalten. Die Frau schien nicht viel älter als er zu sein, geschweige denn annährend so alt wie Iryna. „Veru.“, stellte er sich vor und ergriff ihre Hand. Neugierig starrte die dunkelhaarige Frau ihn an, musterte Veru von oben bis unten. „Irgendwie hatte ich etwas anderes erwartet.“, stellte sie dann fest, sah die hochgezogenen Augenbrauen des blonden Mannes und fügte hastig hinzu: „Nicht so einen hübschen Mann.“ Der Magier ging jedoch nicht darauf ein, sondern lehnte sich in seinem Stuhl zurück, ließ seinen Blick kurz schweifen, überprüfte, dass sie nicht belauscht wurden. Magier hatten in solchen Kreisen einen schlechten Ruf, er hatte es das ein oder andere Mal am eigenen Körper erfahren müssen. „Iryna meinte, dass du meine Hilfe brauchst. Dringend.“, fügte er hinzu und starrte sie dann wieder an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)