With broken Wings von Leons_Heart (Verlorene Erinnerungen) ================================================================================ Kapitel 4: 04. Kapitel ---------------------- Die Zeit bis Sonntag verging fast wie im Flug. Nachdem die Untersuchungen beendet und die Ergebnisse da waren, rief Minami bei Axel und Demyx an und ließ sie wissen, dass Shikura entlassen werden konnte. Shikura packte gerade die wenigen Sachen, die sie hatte, zusammen, als es an der Tür klopfte. „Ja?“ Das Öffnen der Tür ließ sie dann aufblicken und sich umdrehen. „Hey.“ „Axel, Demyx, hey. Was macht ihr denn hier?“ In den letzten Tagen waren sie jeden Tag bei ihr gewesen und hatten einige Stunden bei ihr gesessen. „Wir wollten dich abholen.“ „Das ist lieb von euch. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wo ich jetzt hin soll. Also ja, natürlich, nach Hause. Ich hab die Adresse ja auf meinem Ausweis… aber irgendwie…“ „Sollen wir dich begleiten? Wir fahren dich, das ist kein Problem.“ „Wirklich?“ „Ja, klar. Das ist wirklich kein Problem.“ „Arigatô!“ Sie nahm ihre Tasche, wo sie alles reingeräumt hatte und wandte sich wieder den Beiden zu. Shikura musste noch die Entlassungspapiere unterschreiben und konnte dann gehen. Minami verabschiedete sich von dem Dreiergespann und wünschte besonders der Blondhaarigen alles Gute. Demyx speicherte die Adresse der Blondhaarigen in das Navi ein und fuhr schließlich los. Axel hatte sich mittig auf die Rückbank gesetzt, damit Shiku vorne auf dem Beifahrersitz konnte. Musik lief leise von einem Stick. Sie unterhielten sich einfach über belanglose Sachen. Sie mussten eine Weile fahren, bis sie bei Shikura ankamen. Demyx parkte vor der Garage und stellte den Motor ab. Sie stiegen aus, doch Shiku machte keine Anstalten, ihren Schlüssel rauszuholen und zur Haustür zu gehen. „Ist alles okay?“ „Wollt…“ Sie drehte sich um. „Wollt ihr vielleicht mit reinkommen? Ich glaube, ich habe immer Tee da.“ „Klingt gut.“ Nun suchte sie ihren Schlüssel und ging zur Haustür. Die Jungs folgten ihr. Dabei drückte Demyx auf einen Knopf, um sein Auto noch abzuschließen. Im Haus stellte Shikura ihre Tasche neben die Kommode und ging in die Küche. Die anderen Beiden nahmen sich einen Moment Zeit, um sich umzuschauen. Links von der Haustür ging es zur Küche ab, nach rechts ins Wohnzimmer. Gerade aus konnte man noch zwei weitere Türen sehen. Vermutlich das Badezimmer und die Abstellkammer. Eine Treppe führte in den nächsten Stock. Sie schätzten, dass sich dort das Schlafzimmer befand und vielleicht auch ein Gästezimmer, wie sie selbst es hatten. Sie gingen nun in die Küche, wo die Blondhaarige bereits Tassen vorbereitet standen. Der Wasserkocher war angeschaltet. Neben den Tassen stand eine Teebox. Es war eine Große mit vier mal vier Fächern. „Du hast ja wirklich einiges an Tee da.“ „Das bedeutet wohl, dass ich sehr gerne Tee trinke. Ganz sicher bin ich nicht, das ist etwas, an das ich mich nicht richtig erinnern kann.“ „Das kommt noch. Denk einfach positiv.“ Shikura nickte lächelnd. Es dauerte nur noch einen Moment, dann saßen sie zu dritt mit je einer Tasse Tee im Wohnzimmer. Die Jungs hatten sich direkt nach dem kleinen Tee-Erinnerungs-Gespräch eine Sorte ausgesucht. „Danke noch mal.“ „Wofür?“ „Für eure Hilfe. Dafür, dass ihr da wart… ich bin eine Fremde, doch ihr habt mir Gesellschaft geleistet. Tausend dank.“ „Das mit der Fremden kann man ändern.“ „Ja?“ Demyx nickte. „Ja, in dem wir beschließen, uns besser kennen zu lernen und Freunde zu werden. Vorausgesetzt, du willst.“ „Ich würde mich freuen.“ „Damit ist es beschlossen. Wir werden Freunde“, grinste Axel. Nickend stimmten die beiden Blondhaarigen mit einem Lächeln zu. Die Beiden blieben noch einige Stunden bei Shikura, ehe sie sich auf den Heimweg machen. Vorher hatte Demyx noch etwas auf einen Zettel, den er sich hatte geben lassen, geschrieben. Es waren die Handynummern von ihnen und die Festnetznummer. „Du kannst uns jederzeit anrufen“, hatte er dann gemeint. „Danke“, hatte die Blonde geantwortet. Und jetzt? Jetzt stand Shiku allein im Flur von ihrem Haus und fühlte sich etwas verloren. Was sollte oder konnte sie nun machen? //Mh, vielleicht erst mal die Tassen spülen//, überlegte sie und noch bevor sie mit diesen in der Küche war, fiel ihr ein, dass sie einen Geschirrspüler hatte. Auch die Tassen und den Tee hatte sie vorhin instinktiv aus den richtigen Schränken geholt. Der Arzt hatte Recht gehabt. Alltägliches Wissen war noch immer abrufbar. Sie kannte sich in ihrem Haus aus. Doch was brachte es ihr, sich hier auszukennen? Davon wusste sie auch nicht, was sie machen konnte. Vielleicht sollte sie sich umschauen. Eventuell fand sie ja einen Hinweis darauf, wer sie war. Sie wusste, wie sie hieß. Doch wer war Shikura Haera denn genau? Hatte sie Freunde? Einen Freund? Hatte sie noch Verwandtschaft? Sie ging wieder ins Wohnzimmer, um sich dort umzusehen. Meistens hatte man ja dort Fotos stehen. Auf der Fensterbank neben einer blauen Orchidee stand ein Bilderrahmen. Auf dem Foto war ein kleines, blondes Mädchen mit einem Hund. Sie hatte einen Hund? Oh Gott, dann musste es diesem ja nun richtig schlecht gehen, wenn nicht sogar schlimmer! Schnell wandte sich vom Foto ab und ging durch die Räume. Nirgends fand sie einen Hinweis auf einen Hund. Okay, das war gut. Sie hatte keinen Hund. Die Blondine ging wieder ins Wohnzimmer, betrachtet das Foto. Vielleicht hatte sie den ja als Kind gehabt und er war irgendwann gestorben. Shiku sah sich weiter um. In der Ecke vom Sofa fand sie ein Buch. Sie nahm es in die Hand. >Stadt der Finsternis< las sie. Okay, sie war ein Fan von Fantasybüchern. Sie legte es weg und verließ das Wohnzimmer. In den Regalen der Wohnwand hatte sie einige Filme entdeckt, welche in ihrer Genre so querbeet waren, dass man sagen konnte, dass sie in dieser Richtung wohl nichts bevorzugte. Sie fand das Badezimmer, welches recht klein war, und den Vorratsraum. Der nächste Raum war die Waschkammer. Eine Waschmaschine und ein trockner standen nebeneinander. Auf dem Regalbrett darüber waren Waschpulver, Weichspüler, Hygienespüler und Farbtücher. Auf einem Regal nebendran waren Körbe. Die ersten drei waren mit hell, dunkel und bunt beschriftet. Darunter zwei stück, welche mit Unterwäsche und Handtücher vermerkt waren. Ganz unten war ein großer Wäschekorb, in welchem sich Bettzeug und eine Kuscheldecke befanden. Shikura war also ordentlich und mochte kein Chaos. Zumindest machten die Beschriftungen diesen Eindruck. Sie ging die Treppe hinauf. Nach links ging es zum großen Badezimmer und zum Schlafzimmer, da war sie sich sehr sicher. Nach rechts gehend fand sie ein Gästezimmer, eine kleine Abstellkammer mit Putzzeug und das Gäste-WC. Sie wusste, wo welcher Raum war, doch die Details waren ihr nicht bewusst. Shiku wusste nicht, warum die Körbe im Waschraum beschriftet waren oder warum sie noch ein Gäste-WC hatte trotz der beiden Badezimmer. Warum hatte sie eigentlich zwei davon? Vielleicht hatte sie ja eine Freundin, die lange im Bad brauchte und so war die lange Badbesetzung dann nicht so schlimm. Die Blondhaarige wandte sich um und ging den Weg zurück. In ihrem Schlafzimmer sah sie sich um. Über die kurze Wandseite neben der Tür bis über Eck waren deckenhohe Regale, welche mit Büchern voll waren. Neben diesen standen auch Mangas darin. Unter einem Fenster befand sich eine eingebaute Bank. Auf dem Fensterbrett stand ein Foto. Auf diesem war der Hund zu sehen, den sie im Wohnzimmer schon gesehen hatte. Nur war er hier älter. Beim nächsten Fenster befand sich ein Eckschreibtisch. Diente wohl als Raumtrenner. Auf der Fensterbank standen mehrere Bilderrahmen. Sie ging hin und sah sie an. Auf manchem war Shikura mit einer oder mehreren Personen. Auf anderen waren nur diese Leute. Sie nahm eines der Fotos in die Hand. Sie lächelte in die Kamera. Rechts neben ihr stand ein junger Mann, der etwa eineinhalb Köpfe größer war als sie. Er hatte den Arm locker um ihre Schultern liegen und während er in die Kamera grinste, zeigte er dabei mit seiner freien Hand das Victory-Zeichen. Sein langes, rotes Haar war zu einem Zopf gebunden, was sie auch nur sehen konnte, weil dieser über seiner rechten Schulter hing. Sie stellte es zurück, sah die nächsten an. Auf einem Foto sah sie sich neben einem Silberhaarigen, der in etwa so groß war wie der Rothaarige. Die silbernen Haare waren etwas länger, gingen aber nicht bis zu den Schultern. Er schmunzelte nur leicht, während sie breit grinste. Shikura sah sich jedes Bild genau an. Auf einem war der Silberhaarige mit zwei weiteren Silberhaarigen drauf. Der eine war in etwa so gebaut wie er, hatte aber schulterlanges Haar. Der Andere war größer und muskulöser gebaut und hatte kurzes Haar. Sie sahen sich ähnlich. Brüder vielleicht, überlegte sie beim Betrachten. Ein trauriges Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Sie sah die Fotos, sah die Leute, doch ihr fiel nicht ein, wer sie genau sie waren und wie sie zusammenstanden. Es mussten Freunde sein, sonst gebe es diese Fotos ja auch nicht. Doch wer waren sie ganz genau? Sie wandte sich von den Fotos ab, sah nachdenklich zum Schreibtisch. Ein Computer und ein Notebook. Vermutlich nahm sie das Notebook immer mit, wenn sie länger weg war. Halb hinter und halb neben dem Computerbildschirm war ein Mikrofon. Boxen waren links und recht vom Bildschirm. Warum ein Mikrofon? Sang sie? Machte sie Covers von ihrer Lieblingsmusik? Oh man, warum konnte sie sich einfach nicht an Details erinnern? Shikura sah sich den Tisch weiter an. Eine Briefablage, in welcher sich Hefte und dünne Mappen befanden. Daneben ein dicker Ordner mit der Aufschrift „Rechnungen“. Stifteköcher, Notizzettel, Post-Its, ein Organizer mit verschiedenen Fächern, in welchen sich USB-Sticks, Heftzwecken und Büroklammern befanden. Hinter dem Bildschirm an der Wand befand sich eine Korkwand, welche eine zusätzliche Fläche mit Magneten hatte. Über dieser Wand klebten Postkarten mit Sprüchen. Shiku wandte sich ab und ging zum Bett. Es war gemacht und mehrere Kissen waren darauf verteilt, auch ein paar Plüschtiere saßen darauf. Über dem Bett waren Regale, die sie an die Steine vom Tetrisspiel erinnerten. Figuren und noch ein paar Plüschtiere saßen darauf, hatten aber noch viel Platz. Sie setzte sich auf das Bett, nahm ein kleines Plüschhäschen in die Hände. Es sah schon sehr abgenutzt aus. Es war ihr erstes Kuscheltier gewesen, da war sie sich ohne Zweifel sicher, und sie hatte es von klein auf geliebt. Ein kurzer Blick nach rechts zeigte ihr einen großen Eckschrank. //Vielleicht… sollte ich schlafen…//, dachte sie in weiter Ferne und saß noch einige Minuten mit dem Häschen auf dem Schoß auf dem Bett, ehe sie aufstand und Schlafsachen aus dem Kleiderschrank suchte. Doch sie konnte nicht schlafen. Im Halbdunkeln lag sie auf dem Bett und starrte die Decke an. Gedankenverloren knubbelte sie das Häschen und erhoffte sich unbewusst, dass es ihr Antworten bringen würde. Aber es kamen keine Antworten. Ihr fiel das Fotoalbum auf dem Schreibtisch ein. Vielleicht fand sie da ja irgendwelche Antworten. Sie stand auf und setzte sich an den Tisch. Sie machte nur die Lampe vom Schreibtisch an. Seite für Seite ging sie das Fotoalbum durch. Fast jedes Foto hatte einen kurzen Satz, damit man wusste, was genau dort gewesen ist. Die Fotos begangen in ihrer Kindheit, gingen über ihre Teenagerzeit bis jetzt. So erfuhr sie dann auch die Namen der Leute, die auf den Fotos auf dem Fensterbrett standen. Aber keine Erinnerung kam zurück. „Wer seid ihr?“, flüsterte sie und vergrub ihr Gesicht in den Händen, als die ersten Tränen aus ihren Augen tropften. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)