☾ Mikadzuki von Mimiteh ================================================================================ Kapitel 49: Die Uhr tickt ------------------------- Was ist, Jaken?“ Sesshômarus Stimme klang gewohnt kalt, als er seinen Diener am Morgen schon vor der Tür des Arbeitszimmers abfing. Sofort duckte der KrötenYôkai sich und verbeugte sich mehrfach. „Da ist eine Botin, die Euch zu sprechen wünscht!“, brachte er schließlich einermaßen zusammenhängend hervor. Sesshômaru kniff die Augen zusammen. Weibliche Boten waren selten, weil Boten meist allein unterwegs waren. Was hat das zu bedeuten? „Wer?“ „Sie sagt, sie käme von Amaya-hime, Prinzessin und Schamanin der Neko“, beeilte Jaken sich zu berichten. Natsus Schwester… Sesshômaru erkannte den Namen sofort wieder. „Bring sie her!“, befahl er und wandte sich ab um sein Arbeitszimmer zu betreten. Als Jaken Minuten später einer dunkelhäutigen Oyamanekoyôkai die Schiebetür öffnete, die den dunklen Schamanenkimono der Neko trug, saß er hinter seinem Schreibpult und sah der Besucherin abwartend entgegen. Wenn eine Schamanin kam, ging es sicher um etwas Besonderes. Und Sesshômaru konnte sich nur eine besondere Sache vorstellen, die mit Amaya zu tun haben konnte. Natsu… Er verbot sich den sentimentalen Gedanken. „Schamanin“, grüßte er emotionslos. „Inu no Taishô“, erwiderte die Luchsdämonin ehrerbietig und verbeugte sich tief. Es war offensichtlich, dass sie nicht vorhatte Unruhe zu stiften. „Man sagte mir, Amaya-hime schickt dich“, fuhr der Inuyôkai fort. „Jawohl, die oberste Schamanin schickt mich. Sie erbittet ein Gespräch… unter vier Augen.“ Sesshômaru zeigte nicht, dass er überrascht war. Ihm war zwar aufgefallen, wie gut das Verhältnis zwischen Amaya und Natsu zu sein schien, so verzweifelt wie Amaya durch sein abweisendes Verhalten gewesen war, aber was genau trieb die junge Schamanin jetzt zu ihm? Eine Nachricht von Natsu? War sie in Schwierigkeiten? Natsu war eindeutig klug genug, nicht das Risiko einzugehen, den Kontakt zu ihm ohne guten Grund zu suchen. Oder kam Amaya aus eigenem Antrieb? Er wollte es hoffen, wenn er ehrlich zu sich war. „Jaken!“ Sofort schlüpfte der Krötendämon ins Arbeitszimmer, verneigte sich in gewohnter Manier. „Mach AhUhn fertig. Masa soll die Audienzen übernehmen“, befahl er und einen Wimpernschlag später war Jaken davongewieselt. Sesshômaru konnte allerdings seine demütigen Beteuerungen noch hören, da musste Jaken längst am anderen Ende des Traktes angekommen sein. Innerlich schüttelte er den Kopf. „Wo?“, wandte er sich wieder an die Neko. „Bei den drei kleinen Seen, nicht weit von der Grenze“, antwortete die pflichtbewusst. Sesshômaru nickte knapp. Auf neutralem Gebiet. Dumm war Natsus Schwester nicht. „Geh!“, forderte er und folgte der Schamanin dann hinaus auf den Flur und auf den Schlosshof. Dort wartete bereits der gesattelte Reitdrache, auch wenn Jaken nirgends zu sehen war. „Steig auf“, forderte Sesshômaru die Schamanin auf, die ihn kurz überrascht anblinzelte, dann aber in AhUhns Sattel stieg. Sesshômaru fasste nach den Zügeln des Reitdrachen und ging los. Jenseits des Tores stieg er in den Himmel auf, als würde er eine unsichtbare Treppe hinauf laufen. Auch wenn er fliegen konnte, hatte er AhUhn nicht ohne Grund mitgenommen. Er hatte keine Lust, stundenlang für den Weg zu brauchen und diese Schamanin war selbst nicht stark genug, aus eigener Kraft längere Strecken zu fliegen. In der Luft ließ er AhUhns Zügel los. Der Reitdrache würde auch so folgen. Bei allen Macken, die dieses Vieh hatte, es war folgsam. Kaum eine halbe Stunde später erkannte er die drei kleinen Seen, direkt an der Grenze, von denen die Schamanin auf AhUhns Rücken gesprochen hatte. Und dort saß, auf einem Felsen am Ufer auch Amaya. Gemeinsam mit dem Reitdrachen landete Sesshômaru und ging auf die junge Löwendämonin zu, als wäre nichts Besonderes dabei, sich im Geheimen mit einer Vertreterin des eigentlich recht verfeindeten Clans zu treffen. Besagte Yôkai hatte ihn inzwischen entdeckt, verneigte sich leicht, deutlich geringer als ihre Botin. Sesshômaru nickte ihr knapp zu, warf dann einen Seitenblick zu der Oyamaneko, die noch immer auf AhUhns Rücken saß. Nachdem sie am Anfang noch sichtlich Probleme gehabt hatte, sich dort auszubalancieren, schien sie sich inzwischen ganz wohl zu fühlen. Tja, das kommt davon, wenn ihr Nekos keine Reitdrachen habt – überhaupt wenige Reittiere habt…, dachte er zynisch. Amaya hatte seine Andeutung allerdings verstanden. Immerhin war es ihre Bitte gewesen, ein Gespräch unter vier Augen bewilligt zu bekommen. Da AhUhn eindeutig nicht zählte, musste nur die andere Schamanin aus dem Weg. „Nori, du kannst gehen. Danke für deine Dienste, ich komme nun allein zurecht.“ Die mit Nori angesprochene rutschte von AhUhns Rücken, zögerte aber. „Seid Ihr sicher, Amaya-donno?“ „Ja, Nori. Ich weiß, was ich tue.“ Noch immer alles andere als beglückt, aber gehorsam gab die Oyamaneko ihr Yôki frei, verwandelte sich in ihre wahre Gestalt und lief in richtung Osten davon. Sesshômaru beobachtete das nur aus dem Augenwinkel, ehe er sich wieder auf Amaya konzentrierte. „Worum geht es?“ „Um meine Schwester. Euer Sohn verlangt ihr viel ab. Die Galgenfrist besteht in fünf Monden, das ist Euch sicher bekannt. Aber bis dahin würde sie nicht durchhalten. Fürstin Tôran ist nicht länger die schlimmste Gefahr, es ist Euer Sohn, der ihr Leben bedroht“, kam die junge Löwendämonin auf den Punkt. Sesshômaru spürte einen Stich im Herzen, den zu ignorieren ihm nicht ganz gelang. Er fühlte plötzlich Angst um Natsu. „Mit meiner Hilfe hält sie vielleicht noch zehn Tage durch, maximal. Das einzige, was ihr langfristig helfen kann, wäre eine Doppelbindung Eures Sohnes. Und die einzige Möglichkeit rechtzeitig an die beiden heranzukommen, dürfte für Euch im nächsten Fürstentreffen bestehen. Ich weiß nicht, ob die Boten Euch bereits errei-“ „Haben sie“, unterbrach Sesshômaru und war jetzt auch froh, dass er die beiden mit positiver Antwort zurück geschickt hatte. So blieb ihm tatsächlich diese eine Chance. „Gut. Jedenfalls… Fürstin Tôran lässt es sich nie nehmen, einen großen Ball aus so einer Verantstaltung zu machen. So könnte es ein Vorteil sein, dass auch Begleitung mitkommen darf. Ich denke, es wird ähnlich sein wie bei einem dieser Jahrhunderttreffen. Nur, um die Gruppe zu nutzen, braucht Ihr Verbündete, ich weiß ni-“ „Ich habe Leute, denen ich eine solche Aufgabe anvertrauen kann“, schnitt Sesshômaru ihr wieder das Wort ab. Die beiden Schwestern sahen sich nicht nur ähnlich, sie waren auch gleich redselig. „Erfreulich. Aber Ihr bräuchtet jemanden, der während des Banketts und des Balles unverfänglich Kontakt zwischen allen halten kann, einen Diener vielleicht oder eine anderweitige Begleitung.“ Der Inuyôkai überlegte nicht lange. Wenn es jemanden gab, der für so eine Aufgabe perfekt geeignet war und zudem keine unangenehmen Fragen stellen würde, dann diese Person. „Rin“, konstatierte er nur. „Rin?“ „Meine Tochter.“ Jetzt hatte er es zum zweiten Mal ausgesprochen. Aber er wusste, dass Amayas schockiert aufgerissene Augen einen anderen Grund hatten. Einen Moment lang erwägte er, sie in dem Glauben zu lassen, der sie jetzt offenbar befallen hatte, aber dann schob er das beiseite. Er konnte sich nicht erlauben, dass sie die Seiten wechselte. Als Insiderin war sie unersetzbar. „Ziehtochter. Natsu kennt sie“, setzte er deswegen hinzu und beobachtete innerlich amüsiert, wie Amaya aufatmete. Er wandte sich einem der Seen zu. „Wie lautete der Plan?“ ~*~ Zwei Tage später rüstete die Gruppe rund um InuYasha zum Aufbruch. Es war Jinenjis Mutter zu verdanken, dass Sango und Miroku sich tatsächlich der Gruppe anschließen wollten und konnten. Kaede war noch nicht wieder ganz gesund und nachdem sie bei einem Besuch ‚zufällig‘ von der Geschichte gehört hatte, hatte Jinenjis Mutter sich sofort angeboten, mit auf die Kinder zu achten. Die ruppige alte Dame liebte die Abwechslung eben noch immer. Yamato und seinen Schwestern standen also einige ‚Hexentage‘ bevor, wie InuYasha es respektlos nannte, aber alle waren dankbar. Sie genossen es, zu wissen, dass sie einmal wieder gemeinsam unterwegs waren. Gerade als Sango hinter die Hütte ging um ihren Hiraikotsu zu holen, landete neben ihr eine Nekomata. Kirara hatte so weich aufgesetzt, dass selbst Sango sie erst einen Moment später entdeckte. „Kirara? – Kohaku? Was tut ihr denn hier?“ Der junge Taijiya sprang vom Rücken der Säbelzahnkatze und ließ sich von seiner Schwester in den Arm nehmen. „Ich wollte dich um Rat fragen.“ Er sah ihr nach, als sie ein paar Schritte weiterging und den Knochenbumerang an sich nahm. „Huch. Du hast einen Auftrag? Ich dachte du arbeitest wegen der Kinder im Moment nicht!?“ Sango blieb wieder bei ihm stehen. „Tue ich auch nicht. Das hier ist ein… Sonderauftrag. – Aber einen Moment Zeit habe ich noch. Was willst du wissen?“ Kohaku lächelte, aber seine Augen blieben ernst. „Ich hab‘ dir doch erzählt, das ich Kuroros Herrin kennengelernt habe, als Kirara darauf bestanden hat, das wir Katashi gemeinsam zurück bringen.“ Sango nickte. „Koume, ja. Ich kenne sie ja. Aber was ist mit ihr?“ Kohaku zögerte etwas. „Sie hat mir ein paar Aufträge verschafft, in der Gegend, und… sie wünscht sich, dass ich sie ausbilde“, rückte er dann heraus. „Da sieh einer an“, kommentierte Miroku, der eben heran kam. Kohaku wirkte nicht sehr begeistert, sichtlich hatte er mit seiner Schwester allein reden wollen. Miroku merkte das durchaus. „Bin gleich wieder weg. – Sango, beeil dich. Jaken ist da, samt dem Reitdrachen. InuYasha hat ihn in gewohnter Manier ruhiggestellt, aber frag‘ mich nicht, wie lange das anhält. Ich glaube nicht, dass es günstig wäre, Sesshômaru einen völlig verprügelten Diener zurückzubringen...“ Die Dämonenjägerin nickte, ehe sie sich wieder ihrem jüngeren Bruder zuwandte. „Und? Willst du sie ausbilden?“ Kohaku bejahte. „Ehrlich gesagt… ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass es die Taijiya eines Tages wieder geben wird“, gab er dann leise zu. Sango lächelte und legte ihm einen Arm um die Schulter. „Weißt du, aufgegeben habe ich auch nie. Schon damals, als diese beiden jungen Ninja-Mädchen im Dorf aufkreuzten, ist mir klar geworden, dass wir, die Taijiya, noch immer in den Köpfen der Menschen existieren.“ „Aber du hast den beiden doch die Ausbildung verweigert!“ „Ja, aber aus gutem Grund. Erstens haben sie mich belogen, zweitens war ich mitten auf der Jagd nach Naraku, drittens haben sie gestohlen und viertens wollten sie nur ausgebildet werden, weil sie glaubten, damit den letzten Wunsch ihres verstorbenen Vaters auszuführen. Mir ist erst spät klargeworden, dass die beiden auf dem falschen Weg waren, aber schließlich haben auch sie es kapiert.“ Kohaku hatte aufmerksam gelauscht. „Ich verstehe. – Naja, trotzdem habe ich ein Problem. Ich denke, Koume meint es ernst mit ihrem Wunsch. Wenn sie also richtig ausgebildet werden soll, dann braucht sie einen Kampfanzug und eine Waffe. Ich glaube, ich habe bereits den richtigen Rohstoffliferanten im Auge, aber ich habe nie gelernt, wie das sichern und verarbeiten geht. Und da dachte ich…“ „Dass du eine ältere Schwester und vor allem einen spirituell begabten Mönch zum Schwager hast. Ich verstehe schon“, beendete Sango seinen Satz schmunzelnd und überlegte. „Hmm, wir sprechen uns noch einmal, wenn ich von dieser Geschichte hier wieder da bin. Bis dahin kannst du ja schon anfangen, ihr Bewegungsabläufe und den Umgang mit dem Wakizashi beizubringen. Dann siehst du, ob sie es ernst meint.“ Kohaku lachte unwillkürlich auf. Oh ja, er kannte die Anfänge des Schwerttrainings, die langwierigen, oft fruchtlosen Übungen mit stumpfen Stöckern noch zu Genüge. „Das ist eine gute Idee“ Er blinzelte etwas. „Danke, Aneue!“ „Immer wieder gern, Ototo-chan“, lächelte sie, nahm ihren Hiraikotsu und ging zu ihren Freunden. Hinter sich hörte sie Kirara wieder abheben. Er ist richtig erwachsen geworden… kein Wunder, fast siebzehn Winter zählt er jetzt… mein kleiner Bruder…, dachte sie lächelnd, als sie zu den anderen trat. Miroku sah sie fragend an, verkniff sich aber sichtlich eine Nachfrage, Kagome verstaute gerade einen Stoffbeutel an AhUhns Sattel, in dem sich ein blitzsauberes MikoGewand befand. Wenn sie es richtig einschätzte und Sesshômaru sie in ihrer gegebenen Rolle als ‚die Miko mit der Sekai no Tia‘, wie Fürst Gin sie vor ein paar Monden betitelt hatte, vorstellen wollte, sollte sie auch dementsprechend aussehen. Momentan trug sie allerdings einen hellblauen Kimono. InuYasha stand daneben und behielt Jaken im Blick, der unter solchart Kontrolle nicht aufzumucken wagte. Die Beulen auf seinem Kopf waren eindeutig noch zu frisch. Shiori machte sich derweil mit dem Reitdrachen bekannt, der sie ebenso zu mögen schien, wie jeden anderen auch. Schließlich war alles bereit, Kagome kletterte mit InuYashas Hilfe auf AhUhns Rücken, streckte Shiori die Hand entgegen, um sie hinaufzuziehen. Jaken kraxelte ungelenk hinterher. Damit begann allerdings das Problem. AhUhns Rücken war besetzt. Wenn die anderen liefen, konnte es mehr als anderthalb Tage dauern, bis sie am Schloss waren. „Aneue!“, hörte sie da plötzlich Kohakus Stimme von oben. Sie legte den Kopf in den Nacken, begegnete seinem heiteren Blick. Er hob zwei Finger an die Lippen und pfiff gellend. Von nicht weit entfernt kam eine andere Nekomata durch den Himmel angaloppiert. Katashi. „Ich wusste dass er uns nach ist“, lachte Kohaku nur, während er den dämonischen Kater neben sich winkte und mit einem geschickten Manöver in der Luft von Kiraras Rücken überwechselte zu dem Kater. Kiraras rote Augen funkelten ihn gespannt an. „Na geh‘ schon, Kirara. Geh‘ mit Sango“, forderte Kohaku sie auf und prompt ließ die Nekomata sich aus der Luft fallen und setzte neben Sango auf. Ihre Augen leuchteten etwas. Seit kurz nach dem Sieg über Naraku war sie Kohakus Kampfpartnerin, aber Sango war noch immer ihre Freundin und wenn sie helfen konnte, dann tat sie es gern. Kohaku würde auch ein paar Tage ohne sie auskommen, Beschäftigung hatte er ja, zumal wenn Katashi ihn zurückbrachte. Auffordernd raunzte sie und spürte erfreut, wie Sangos Hand in ihr Nackenfell griff und die Taijiya sich in Kiraras Nacken schwang, so wie früher oft. Miroku stieg dahinter auf, verschränkte die Arme samt Shakujo vor Sangos Taille. Alles wirkte wie früher, nur reagierte Sango jetzt nicht mehr allergisch, als Miroku ganz unauffällig noch ein wenig näher an sie heran rückte. Kirara, die das natürlich spürte, kommentierte das Geschehen mit einem tiefen Schnurren, dann stieß sie sich mit einem Sprung ab. Kohaku war mit Katashi längst verschwunden und jetzt folgte ihnen auch AhUhn in die Luft und übernahm die Führung ohne auf Jakens Lenkversuche zu achten. Die Freunde tauschten vielsagende Blicke, dann sahen sie wie auf ein geheimes Kommando alle nach vorne. So vertraut es war, gemeinsam unterwegs zu sein… was sie erwartete, war vollkommen neu und niemand konnte einschätzen, was da auf sie zu kam… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)