☾ Mikadzuki von Mimiteh ================================================================================ Kapitel 7: Frühlingsbeginn -------------------------- Mit einer schnellen Bewegung schleuderte der junge Kitsune den blauen Feuerball nach vorne weg, sprang zur Seite, als ihn ein Konterangriff beinahe traf. Ein Kichern war zu hören. „Du bist wirklich schnell!“, rief eine helle Stimme und dunkelsilberne Haare gerieten in sein Blickfeld. Er sah nach oben, entdeckte das nur wenig ältere Kitsunemädchen auf einem Ast der alten Zierkirsche, mitten zwischen den halb aufgegangenen Blüten. „Das war gemein!“, schimpfte er und legte etwas den Kopf schief. „Das war höchstens unerwartet. Und außerdem, was willst du eigentlich? Bist doch ausgewichen“ „Ja, knapp“, gab Shippô zurück und sprang hoch um einen niedrigen Ast zu erwischen, zu ihr hinauf zu kommen. Sie reichte ihm helfend die Hand, die er auch annahm. Böse war er ihr nicht. Zwar hatte sie ihn ziemlich erschreckt, aber in den letzten vier Monaten hatte er gemerkt, dass sie eine gute Freundin sein konnte – und, dass sie ebenso ernst und verständnisvoll sein konnte, wie er es bei seinen Kumpanen manchmal vermisste. Er setzte sich bequemer hin. „Entschuldige“, sagte sie etwas reumütig. „So etwas weckt Erinnerungen, oder?“, fragte sie dann langsam. Shippô wiegte den Kopf hin und her. „Auch“, gab er knapp zurück. Als einzige außer dem Leiter der Schule kannte sie inzwischen seine Geschichte, hatte er Vertrauen zu ihr gefasst. Und er wusste, wer sie war. Er konnte sich noch genau erinnern, dass er beinahe umgekippt wäre, als sie ihm erzählt hatte, dass sie nicht nur irgendeine Provinzprinzessin sondern sogar der jüngste Spross der Fürstenfamilie war. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt, zumal sie es ihn nicht spüren ließ. Oftmals war sie sogar zuvorkommender und sanfter als viele andere. Er lehnte sich zu ihr hinüber. „Und du brauchst den Überraschungseffekt, um mich auch nur annähernd zu treffen?“, fragte er dann keck und kam damit wieder auf das eigentliche Thema zurück. Kyoko funkelte ihn an, sprang dann mit einem Ruck auf. „Ich mache dich auch ganz ohne Überraschung fertig, da sei dir mal sicher!“, drohte sie verspielt. Nun stand auch Shippô auf den Beinen. „Ach, wirklich, Prinzesschen?“, provozierte der junge Kitsune weiter und sprang bereits einen Ast weiter nach oben. Kyoko schnaufte leise und setzte ihm dann ohne Vorwarnung nach, schubste ihn weiter, sodass der Rothaarige sein Gleichgewicht wieder suchen musste. „Na warte!“, rief er, als sie an ihm vorbei sprang und weiter nach oben kletterte, folgte ihr auf dem Fuße. Es begann eine Hetzjagd quer durch die Baumkrone, bei der auch einige Blütenknospen dran glauben mussten. Mal setzte Shippô hinter Kyoko her, mal war es umgekehrt, so wie jetzt. Doch plötzlich quiekte die Fuchsprinzessin erstickt auf. Shippô verharrte, ohne sich umzudrehen. „Mückenstich?“, fragte er spöttisch, doch es kam keine Antwort, also wirbelte er nun doch herum, riss erschrocken die Augen auf. Denn um Kyokos Brustkorb schlang sich etwas wie eine diffuse, schwarze Schlange und drückte ihr die Luft ab. Die Silberhaarige konnte nicht mehr schreien, sie keuchte nur noch, im Versuch an Luft zu kommen und das schien nicht das einzige Problem zu sein. Shippô erwachte wieder aus seiner Erstarrung, als die Schlange versuchte, Kyoko mit sich in die Luft zu zerren, von links bereits ein zweites Exemplar herankam. Instinktiv sammelte er sein Fuchsfeuer in der rechten Hand, schleuderte es Kyokos Angreifer entgegen. Doch noch ehe die blaue Flamme treffen konnte, ging die zweite, schwarze Schlange dazwischen, fing den Angriff ab. Da fiel Shippô etwas auf. Das waren gar keine richtigen Schlangen, die hatten kleine, insektenartige Beine im vordersten Segment ihres Körpers! Shippô runzelte die Stirn. Shinidamachu? In schwarz? Für einen kleinen Augenblick war er abgelenkt, und das reichte den Angreifern schon. Im nächsten Augenblick wand sich ein drittes Exemplar auch um Shippôs Körper und drückte ihm so plötzlich und heftig die Luft ab, dass er stürzte. Dann wurde alles schwarz. Hätten Kagome oder auch nur InuYasha von den Vorkommnissen an der Fuchsakademie gewusst, sie wären wohl sofort umgedreht. Egal, ob sie inzwischen weit im Norden waren und die Akademie im tiefsten Süden lag, egal ob sie niemals rechtzeitig gekommen wären. Aber sie wussten nichts und somit setzten sie ihren Weg in aller Ruhe fort, immer nach Norden, dorthin, wo Kirara sie hinlotste. Seit gut vier Monaten waren sie nun unterwegs, kaum einmal hatten sie länger als über Nacht gerastet und auch Kagome hatte sich wieder an das Wandern gewöhnt. Gerade kletterte sie trotz der noch nicht vom Tag besiegten Dunkelheit über ein paar Felsen, hörte Kiraras Krallen auf dem Stein, als die große Katze mit Kohaku auf dem Rücken folgte. Der junge Taijiya hatte vor zehn Tagen den Biss eines dieser wildgewordenen Oni abbekommen und konnte noch nicht wieder richtig laufen. Kagome war unendlich froh gewesen, dass sie es hier nicht mit echter Tollwut zu tun hatten, sonst hätten sie Kohaku vermutlich abschreiben können. So aber befand er sich bereits auf dem Weg der Besserung. InuYasha war wie immer ein paar Meter voraus. Jetzt hielt er an, blickte über die Ebene, die mit dünnem Gras bedeckt war, vieles noch vom gerade ausgehenden Winter gelblich verfärbt. „Beinahe gespenstisch, dass diese Oni uns seit geschlagenen zehn Tagen in Ruhe lassen“, spottete er leise, als er beim Luft prüfen wieder nichts aufnahm. Ihm konnte es Recht sein und auch Kagome wusste, dass er diese Bemerkung keinesfalls bedauernd gemeint hatte. Früher hätte er das vielleicht, aber jetzt nicht mehr. Sie hatten alle gelernt, dass Kämpfen nicht immer das Beste war. Die junge Miko kam neben ihm zu Stehen, folgte seinem Blick gen Horizont, wo sich Berge erhoben, für ihre menschlichen Augen kaum zu erkennen. InuYasha musterte die fernen Klippen. Er sagte es nicht, aber er war sich ziemlich sicher, zu wissen, welche Berggebiete das waren, so weit im Norden. Und er wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte, oder nicht. Dennoch wollte er keinen Streit provozieren, wandte sich stattdessen nach rechts. „Es riecht, als würde es später nochmal Schnee geben. Dort unten scheinen Dörfer zu sein“, bemerkte er. „Das sind gute Nachrichten“, erwiderte die junge Priesterin und zupfte ihr Mikogewand zu Recht. „Ich brauche sowieso neues Verbandsmaterial. Kohakus Verband sollte mal wieder gewechselt werden“, fügte sie leiser hinzu. Sie wusste, dass Sangos Bruder es nicht mochte, wenn sie sich Sorgen um ihn machte. Aber sie sah sich Sango gegenüber verpflichtet, auf Kohaku Acht zu geben. Egal, wie eigenständig der junge Dämonenjäger sonst lebte, man musste es ja nicht übertreiben. InuYasha, der sowohl Kagomes, als auch Kohakus Standpunkt nachvollziehen konnte, nickte auch nur; für seine Verhältnisse sehr sensibel. Dann sah er sich um. „Komm, Kagome. Es wird so schnell noch nicht hell“, bemerke er und streckte einen Arm aus. Die junge Miko verstand und kletterte geschickt auf seinen Rücken. So würden sie weitaus schneller sein. Kirara würde schon mithalten. Mit einem dumpfen Aufprall setzte der zweiköpfige Reitdrache auf dem Boden auf, trottete auf eine kurze Aufforderung hin näher an das Schloss heran, dass sich vor ihm und seinem Reiter erhob. Mit einem Satz war Sesshômaru aus dem Sattel, ging auf die Wachen zu, die dienstbeflissen ihre Yaris kreuzten, ehe sie in ihm einen Fürsten erkannten. Sofort verneigten sich beide tief, ehe einer zu sprechen wagte. „Was wünscht Ihr, Herr?“, fragte er unterwürfig. „Ich will die Fürsten sprechen“, erwiderte Sesshômaru kühl und blieb stehen, als eine der Wachen sofort lossprintete, um seine Ankunft zu melden. Die andere Wache hatte sich inzwischen wieder aufgerichtet, behielt aber den Blick gesenkt. Da kam dessen Kollege schon wieder, eine rothaarige Gestalt im minzgrün und magentafarben gemusterten Kimono hinter sich. Das kindliche Gesicht jener Gestalt wirkte alles andere als überrascht, als sie Sesshômaru erkannte. Knapp verneigte Shunran sich. „Bitte folgt mir, Fürst Sesshômaru“, bat sie. Der Weißhaarige setzte sich, ohne ein Wort, in Bewegung, ließ sich von der Jüngsten der Panthergeschwister durch die verwinkelten Gänge des Schlosses führen, bis zum Thronsaal, sicher, dass Ah-Uhn versorgt werden würde. Diener öffneten sofort die dunklen Flügeltüren. An der Stirnseite waren vier kostbare Sessel aufgestellt, vor denen bereits die anderen drei Panther standen, nun wieder in ihrer üblichen Aufmachung, die schwere, kostbare Staatsrobe, die sie auf dem Fürstentreffen getragen hatten, wäre hier unpassend gewesen. Shunran gesellte sich zu ihren Geschwistern. Dem Rang nach verneigten sie sich kurz, dann trat Tôran vor, während die anderen drei sich setzten. Sesshômaru verdrehte innerlich die Augen, als die türkishaarige Pantherdämonin sich ein keckes Blinzeln nicht verkneifen konnte, ehe sie höfisch ernst wurde. Das diese Katze es aber auch nicht kapierte. Er wollte noch keine Gefährtin und wenn, dann sicher nicht sie. Mit einem Nicken gab er die Begrüßung zurück. „Womit können wir dienen, Fürst Sesshômaru?“, wollte sie dann wissen. „Ich bin wegen der Inseln hier, die auf dem Jahrhunderttreffen angesprochen wurden“, antwortete der Hundedämon gelassen. „Ach, sieh an, das Hündchen tanzt nach Gins Pfeife!“, spottete Karan impulsiv wie sie war, aus dem Hintergrund. Noch ehe Tôran herumwirbeln und ihre Schwester schelten konnte, konterte Sesshômaru gewohnt kühl: „Ich habe es nicht nötig, jemandem zu gehorchen und sei es auch Fürst Gin. Dennoch habe ich eine Frage an euch“ Und damit wandte er sich wieder an alle. „Tôran, Shuran-san, ihr habt während der Versammlung ein Verhalten gezeigt, dass mich vermuten lässt, ihr wüsstet mehr, als ihr zugebt. Besonders, was den Bannkreis betrifft, der gezogen werden müsste. Also?“ Die letzte Frage war so scharf gesprochen, dass nicht einmal Karan auf die Idee kam, sich über die Konjunktivform in Sesshômarus Worten zu mokieren. Stattdessen wechselten die vier Geschwister einen schnellen Blick. Der Weißhaarige beobachtete das mit ungerührter Miene, sah sich aber bestätigt. Da war etwas im Busch. „Nun?“, fragte er schließlich in die entstandene Stille hinein. „Nun, es gibt Dinge, die sind selbst für uns nunmehr nur Legenden. Wenn man seit Jahrzehnten nichts mehr von ihnen hörte“, antwortete Shuran schließlich bedachtsam und winkte seine Schwester zurück zu sich. Auch Tôran setzte sich nun auf ihren Thron. „Von welchen Legenden sprecht Ihr?“ Gegenüber dem ranghöchsten, männlichen Panther, der auch außerhalb des Neko-Clans der Anführer gewesen wäre, wurde der Hundedämon merklich höflicher. Shunran neigte etwas den Kopf zur Seite. „Hörtet Ihr je von der Sekai no Tia?“, fragte er langsam. „Durchaus“, antwortete Sesshômaru, ohne sonstige Regung. Natürlich kam ihm dieser Begriff bekannt vor, schließlich hatte auch er bei Hofe Unterricht genossen. „Was wisst Ihr darüber?“, wollte Shunran vorsichtig wissen. Die Undurchschaubarkeit des jungen Hundefürsten war geradezu legendär. „Es ist eines der dreizehn Artefakte des magischen Gleichgewichts. Nun, jetzt noch, der elf Artefakte. Und Ihr Katzen hattet immer mehr damit zu tun, als alle anderen Clans“, gab Sesshômaru kühl an. Aus dem Augenwinkel sah er, dass Karan bereits tief Luft holte um sich wieder einmal über die Betitelung ‚Katze‘ aufzuregen, also richtete sich vorsorglich sein eisiger Blick in ihre Richtung. Sofort verstummte die gluthaarige Pantherdämonin. „Ist es, Sesshômaru. Tatsache ist, dass es mit das Jüngste der Artefakte ist, abgesehen von den beiden nun zerstörten. Und als es entstand, war es im Besitz unserer Familie, genauer gesagt unserer Mutter“, erklärte Shunran derweil weiter. „Der Urkönigin der Pantherdämonen“, stellte Sesshômaru fest und bewies damit, dass er sich in den Regeln der Katzen genug auskannte, um zu wissen, dass die yôkitechnisch stärkste Dämonin aller Zeiten die Urkönigin des jeweiligen Unterclans genannt wurde. Und Kuraiko war eine Legende. „Weiter“, befahl er dann, in die Stille hinein. „Als wir vier die Herrschaft übernahmen, zog sie sich zurück, schottete sich von allem ab. Fast niemand weiß seit dem mehr etwas über ihren Zustand. Denn die Tia nahm sie mit“ „Fast niemand“ Sesshômaru konzentrierte sich auf das für ihn wesentliche. Denn ihm war wieder eingefallen, was seine Lehrer ihm über die Fähigkeit der Sekai no Tia erzählt hatten. Und das wäre in der Tat eine Möglichkeit, Fürst Shous Vorschlag zu verwirklichen. „Es weiß niemand, aber es gibt jemanden, der eventuell in der Lage wäre, es in Erfahrung zu bringen“, wich Tôran vorsichtig aus, blickte hilfesuchend zu ihrem Bruder, doch der zuckte nur die Schultern. „Du meinst wirklich, Itoko Natsu würde noch Gehör finden?“, mischte sich Karan ein. „Nach Vaters Tod war sie die erste und letzte, die es tat“, stellte Tôran klar, ehe sie einen der Diener heran rief, in deutlichem Wissen, was Sesshômarus nunmehriger Blick bedeutete. „Schickt Natsu-hime zu uns!“, trug sie dem jungen Yôkai auf. Sofort huschte er davon. Minuten später waren Schritte zu hören, fast lautlos schwang eine Flügeltür seitlich des Haupteingangs zum Thronsaal auf. Sesshômaru drehte fast unmerklich den Kopf, wartete aber, bis die neuangekommene Gestalt näher kam. Sie trug einen feinen, schwarzen Kimono, mit weißer stilisierter Applikation in Form einer Raubkatzen-Silhouette an der Seite. Schwarze Haare fielen bis über die Hüfte hinab, waren zu einem dicken Zopf geflochten, in dem eine dünnere, meeresgrüne Strähne deutlich herausstach. Der Obi war dunkelgrün, den Kopf hielt sie halb gesenkt, wie es üblich war. Ihre Bewegungen waren weich und katzenhaft elegant, wie es nur die Neko vermochten. Gegenüber den eher bunt gekleideten, fürstlichen Geschwistern wirkte sie angenehm schlicht und zurückhaltend. Ihr Gesicht konnte er aber nicht erkennen, da sie ihm nun den Rücken zuwandte und die vier Geschwister begrüßte. Karan hatte diese Yôkai als Cousine bezeichnet, aber die extrem dicken Haare ließen in ihr eine andere Unterart der Neko vermuten, anscheinend war der Verwandtschaftsgrad doch niedriger, als er bei Karans Bemerkung angenommen hatte. Jetzt drehte sie sich zu ihm um, verbeugte sich tief und sah dann auf. Und Sesshômaru musste sich sehr zusammennehmen, ihren Blick zu erwidern. Schmale, glitzernde Raubtieraugen in einer einnehmenden Mischung aus Silber und Grün bohrten sich in seine bernsteinfarbenen Augen und machten alle Schlichtheit zu Nichte, die ihre Aufmachung zuvor ausgestrahlt hatte. Damit hatte er nicht gerechnet. Dennoch erwiderte er höflich die Verbeugung, wenn auch deutlich weniger tief, als sie. Sein Gesicht blieb mühsam unbewegt. Für sich musste er jedoch zugeben, dass er einer überraschenden Schönheit gegenüber stand. Als Shippô wieder zu sich kam, schmerzte seine Lunge noch immer. Aber er konnte wieder atmen. Tot war er also nicht. Aber da muss schon Schlimmeres kommen, als ein paar Seelenfänger mit Drossel-Genen…, scherzte er bitter und öffnete vorsichtig die Augen. Er spürte feinen Seidenstoff neben sich und blickte zur Seite. Dort lag Kyoko, Fesseln um Hand- und Fußgelenke. „Kyoko! He!“, flüsterte Shippô leise, wollte sie anstupsen, als er merkte, dass auch er gefesselt worden war, in der gleichen Weise. Aber eine Berührung war auch nicht nötig, die Augenlider der silberhaarigen Kitsune flatterten etwas, sie öffnete schwach die Augen. „Was ist… geschehen?“, fragte sie mit matter Stimme. Shippô begann, sich Sorgen um ihren Zustand zu machen, versuchte jedoch, das nicht zu zeigen. „Erinnerst du dich an diese schwarzen Viecher? Sie scheinen uns mitgenommen zu haben. Wir sind in einen Käfig gesperrt worden. Wir müssen hier raus“, erklärte er bemüht ruhig die Lage, sah, wie die etwas Ältere auf seine erste Frage leicht nickte, nun versuchte sich aufzurichten. Wegen seiner Fesseln, konnte er ihr nicht helfen. Aber ihm kam eine andere Idee. „Kannst du dich mit dem Rücken etwas zu mir drehen?“, fragte er nach. Kyoko nickte, rutschte mühsam herum. Irgendetwas schien ihr die Kraft geraubt zu haben, denn Shippô fühlte sich bei weitem nicht so entkräftet, wie sie wirkte. Vorsichtig ballte Shippô eine Hand zur Faust, konzentrierte darin sein Fuchsfeuer. Konzentriert schickte er mehr Yôki in die Flamme, bis sie sich aufheizte, wie echtes Feuer brannte. Dann öffnete er die Finger etwas und berührte damit Kyokos Fesseln. Es dauerte nicht lange und die Kordel war durch. „Danke!“, Kyoko zog ihre Arme nach vorne und rieb sich etwas die Handgelenke, dann rief sie ihr eigenes Fuchsfeuer und entfernte ihre Fußfesseln. Ehe Shippô darum bitten konnte, machte sie bei seinen Fesseln weiter. Der junge Kitsune war mehr als erleichtert, kam erst jetzt dazu, sich richtig aufzurichten. Um sie herum war grüne Einöde, das Wetter war bewölkt, aber einigermaßen warm, dennoch spürte er ein unangenehmes Kribbeln. Fremde Magie. Und sie lag wie ein Mantel in allen Richtungen ganz in seiner Nähe. Auch Kyoko betrachtete die nähere Umgebung eingehend, streckte dann vorsichtig die Hand aus, berührte die Gitterstäbe um sich herum jedoch nicht. „Das ist es. Die Magie liegt auf den Gittern. Damit wir nicht ausbrechen können“, murmelte sie leise, schloss kurz die Augen und rieb sich über die Stirn. Sie fühlte sich noch immer so kraftlos. „Diese schwarzen Viecher haben mir vorhin einiges an Yôki abgezogen. Ich war noch nie schnell beim Regenerieren“, sagte sie, als sie Shippôs fragenden Blick in der Seite spürte. Sie hob den Kopf wieder. „Trotzdem. Du hast Recht, Shippô. Wir müssen hier raus. Sonst bekommen die Lehrer noch Probleme. Mein Vater, du verstehst?“, fügte sie dann hinzu. Sie begutachtete die Gitter noch einmal genauer. Die bestanden nur aus Astgeflecht, aber durch die Magie konnten sie sie nicht einfach durchbrechen. In wahrer Form wären sie stark genug, aber erstens war sie sich nicht sicher, ob Shippô jemals gelernt hatte diese anzunehmen und zweitens würde es zu viel Yôki kosten. Yôki, das sie noch nicht wieder hatte. Und sie verspürte wirklich keine Lust, hier noch Stunden herumzusitzen. Wer wusste überhaupt, wo sie waren. Langsam stand Shippô etwas auf, kniete sich hin. Er hatte ihre Gedanken zwar nicht mitbekommen, allerdings ähnliche Schlüsse gezogen. „Ich weiß etwas, was mich wenig und dich gar kein Yôki kostet. Diese Illusion hat mich früher schon oft gerettet. Komm her“, sagte er, worauf das junge Fuchsmädchen ihn kurz schräg ansah, dann jedoch gehorchte. Vorsichtig rutschte sie hinter ihn, legte die Hände auf seine Schultern. „Achtung, fertig, los“, flüsterte Shippô, sammelte seine Gedanken und verwandelte sich. Der schmächtige Körper des jungen Fuchses wurde zu einem riesigen, rosaroten Ball, die Gitterstäbe, Magie hin oder her, barsten unter der Belastung, die die für den Käfig nun viel zu große Gestalt verursachte und Shippô schwebte langsam Richtung Himmel. Kyoko kniete auf seinem Rücken und machte große Augen. „Wo hast du das denn her?“, fragte sie erstaunt. „Keine Ahnung. Irgendwann habe ich mich mal durch Zufall so verwandelt. Und seitdem hat das oft geholfen“, antwortete er und schwebte noch etwas höher. Kyoko lachte leise. „Sachen machst du“, kicherte sie, ließ dann den Blick schweifen. „Ich glaube wir sind irgendwo im Norden der Neko-Gebiete. – Achtung, Shippô, nach links. Da sind wieder diese Schlangen!“ Sofort änderte Shippô die Richtung. „Shinidamachu“, korrigierte er, als keine weitere Anweisung des Fuchsmädchens kam. „Was?“ „Das sind Shinidamachu, Seelenfänger. Keine Schlangen“ „Seelenfänger? Woher kennst du Seelenfänger?“, fragte sie weiter. „Ich habe dir doch von der Miko erzählt, von der Untoten. Sie befahl über Seelenfänger. Allerdings weiße“ Er trudelte etwas. „Achtung, ich muss runter“, warnte er vor und ließ sich absinken. Am Boden verwandelte er sich wieder zurück. „Danke für die Rettung, Shippô!“, rief Kyoko aus und auf einmal legte sie erneut ihre Hände auf seine Schultern, beugte sich vor und gab ihm einen raschen Kuss auf die Wange. In plötzlicher Verlegenheit sah Shippô zu Boden. „Nicht der Rede wert…“, murmelte er und knetete ein wenig seine Hände. Um abzulenken, sah er sich um. „Tja, jetzt müssen wir nur noch wieder zurück nach Hause finden…!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)