Durch die Deutsche Geschichte von Weichkeks (Wenn Preußen bei seinem Bruder auszieht) ================================================================================ Prolog: 1871: Der Anfang mitten drin ------------------------------------ 18. Januar 1871, Schloss Versailles, Frankreich Preußen musste sich zusammenreißen, um in einer langsamen Geschwindigkeit neben seinem Bruder her zugehen. Das hier war das Ziel all seiner Bemühungen, alle Kriege hatten ihn an diesen Punkt geführt. Seinem kleinen Bruder hingegen gefiel das hier eher weniger, widerwillig ließ er sich von Preußen durch die Menge zu dem kleinen Podest führen. Mit zufriedener Miene half das Königreich dem Norddeutschen Bund auf das Podest und drehte sich zu den anderen Anwesenden. Der Raum war voll mit Repräsentanten, Königreichen und Fürstentümern, Mitglieder des zerstörten Heiligen Römischen Reiches deutscher Nationen, des aufgelösten Deutschen Bundes, Teile des Norddeutschen Bundes und süddeutsche Staaten. Sie alle würden jetzt Teil des deutschen Reiches werden, so wie Preußen es geplant hatte. Ein wenig bedauerte er es schon, dass es zwischen ihm und Frankreich so kommen musste, aber er konnte seinem Volk diese Rache nicht vorenthalten. Wobei er das mit Österreich nicht bereute, nicht im Geringsten. Ein wenig prunkvoller hätte dieser Raum auch sein können, eigentlich wäre nur der Spiegelsaal dem großen Preußen recht gewesen, doch er hatte der Kaiserausrufung weichen müssen. Das hier würde es auch tun. Sonnenlicht fiel schwach durch die schweren Vorhänge und brachte all die Orden und Verzierungen der Uniformen zum funkeln. Die Repräsentanten hatten sich wirklich raus geputzt. Während sein Bruder neben ihm unruhig wurde, lies das Königreich seinen Blick durch den Raum werfen. Ganz hinten in der Ecke stand Elsass-Lothringen. Sie wirkte mehr als unglücklich und fehl am Platz, man konnte ihr den Unmut ihrer Bevölkerung ansehen. Weiter in der Mitte standen die Kurfürstentümer und Herzogtümer. Er konnte das vernarbte Gesicht von Hessen sehen und auch ein etwas verstimmtes Thüringen. Schleswig sah ebenfalls etwas unglücklich aus. Weiter vorne standen die Königreiche und Großherzogtümer. Baden und Württemberg standen links, Oldenburg, Mecklenburg, und ein mehr als zorniges Hannover rechts, und in der Mitte standen die Königreiche Bayern und Sachsen. Und Hohenzollern. Das kleine Fürstentum musste immer ganz vorne mitspielen. Sein Blick blieb an Sachsen hängen. Sie sah ihn an, als wollte sie ihn umbringen. Sie kannten sich schon sehr lange und die Zeit hatte ihre Spuren hinterlassen. Die Welt war ein ständiges Auf und Ab, er wusste das nur zu gut. Manchmal tat es ihm leid, dass alles so gelaufen war, wirklich er bedauerte es zutiefst. Aber es Sachsen sagen? Niemals, sein Stolz war dafür zu groß. Also ließ er es über sich ergehen, dass sie ihn so ansah. Doch da war noch etwas anderes in ihrem Blick, die Liebe zur Nation, zum deutschen Vaterland, zu seinem Bruder. Sie alle liebten seinen Bruder, das zukünftige Deutsche Reich. Doch Preußen hatte sich schon lange mit seiner Rolle abgefunden. In Zukunft wird er nur noch die zweite Geige spielen. Aber das ist ok. Für seinen Bruder würde er alles tun, wenn er also ein Leben in seinem Schatten führen soll, war das in Ordnung. Preußen nahm sein Schwert, hielt es in die Luft und rief, aus der Tiefe seines Herzens: „Lang lebe das deutsche Kaiserreich!“ Die Anwesenden taten es ihm gleich und riefen: „Lang lebe das deutsche Kaiserreich!“ „Lang lebe unser Kaiser, Wilhelm I. !“ „Lang lebe der Kaiser!“ „Lang lebe das deutsche Volk!“ „Lang leben die Deutschen!“ Jubel brach aus. Im Augenwinkel konnte Preußen sehen, wie Elsass-Lothringen weinend zusammenbrach. Schleswig lief zu ihr und versuchte sie zu beruhigen. Niemand beachtete sie. Ludwig zog am Ärmel seines Bruders. „Gilbert, warum weint sie?“ „Weil sie glücklich ist.“ „Lüg mich nicht an.“ Der Preuße schnaufte, sein Bruder war echt ein waches Kerlchen. „Sie will wieder zu Frankreich.“ „Warum darf sie denn nicht?“ „Weil sie jetzt zu uns, zu dir gehört. Sie kann nicht zurück.“ Der blonde Junge verzog verstimmt das Gesicht, als Sachsen auf die beiden zukam. Sofort hellte sich das Gesicht des Kleinen auf und er lief zu ihr. Das ehemalige Königreich drückt ihn fest an sich. „Marie!“ „Hallo Ludwig, wie fühlst du dich?“ „Ich weiß nicht… irgendwie seltsam … Geht das wieder weg?“ Sie lächelte ihn herzlich an. „Ja, in ein paar Tagen geht das wieder weg. Warum unterhältst du dich nicht etwas mit den anderen. Immerhin gehören sie jetzt zu dir.“ Ludwig nickte und verschwand in der Menge. Sachsens Blick ging zu Preußen. „Ich schätze, du bist jetzt zufrieden.“ „Absolut.“ Schweigen. „Bis du immer noch sauer, Sachsen?“ „Wenn ich das hier sehe und an ´48 denke. Von ´15 ganz zu schweigen. Ja, mehr als das.“ „Ach komm, du weißt genau so gut wie ich, dass das nicht funktioniert hätte.“ „Du hast ihnen nie die Chance gegeben.“ „Wieso auch? Wir haben jetzt eine Einigung, ein Deutschland. Was willst du eigentlich? Nur weil es nicht so lief, wie du es woll-“ „Weil es immer so läuft wie du es willst, Preußen.“ Fuhr Sachsen ihn an. „Denk mal darüber nach.“ Sie wandte sich ab und verschwand zwischen den anderen Repräsentanten. Ach, Sachsens Meinung konnte ihm doch gestohlen bleiben, er hatte was er wollte und Ende. Sie würde sich daran gewöhnen. Bestimmt. Müde öffnet der Preuße seine Augen. Sachsens Stimme hallt immer noch in seinen Ohren. Er schüttelt den Kopf und steht auf. Immerhin hat er heute noch viel vor. Schnell läuft er ins Bad, seine Tasche hat er gestern schon gepackt. Als er vor der Haustür steht, mit Tasche und wetterfester Jacke bewaffnet, hält er inne. Er betrachtet das Foto von ihm und West. Schleswig-Holstein hat es kurz nach der Wiedervereinigung geschossen. Ludwig sieht darauf ziemlich glücklich aus. Schlussendlich entscheidet Gilbert sich dafür, das Bild von der Wand zu nehmen und das Bild aus dem Rahmen zu holen. Gedankenverloren sieht er es an, dann legt er seine blasse Hand an den Türknopf. „Mach´s gut, kleiner Bruder.“ Kapitel 1: Gilbert ist weg! --------------------------- Eigentlich muss die Bundesrepublik sich über das, was er da sieht, freuen. Doch für ihn ist es einfach nur verstörend. Alle seine Bundesländer sitzen schweigend an ihren Plätzen. Das Saarland reist keine Witze über Rheinland-Pfalz; Bayern grölt nicht mit Brandenburg herum; Sachsen und Hessen diskutieren nicht über Militärstrategien; Bremen, Hamburg und Berlin beschweren sich nicht über ihre Größe; Mecklenburg und Schleswig-Holstein reden nicht übers Angeln; Niedersachsen und Sachsen-Anhalt streiten nicht über Kleinigkeiten; und der Rest starrt in seine Kaffeetassen. Es starren alle in ihre Kaffetassen. Aber was ihm am meisten auffällt, ist das Fehlen einer bestimmten Person. „Wo ist Gilbert?“ Die Frage ist an niemanden Bestimmten gerichtet und es antwortet auch keiner. „Berlin.“ Das kleine Bundesland zuckt zusammen und richtet seine Brille. „J-Ja Deutschland?“ „Was steht heute auf dem Plan?“ Das Bundesland blättert in seiner Mappe herum. „Erster Punkt ist die Fortführung der Diskussion, über das Rettungspacket für Griechenland, zweiter Punkt ist die Diskussion über das Raucherverbot und der dritte Punkt ist eine persönlich eingereichte Beschwerde von Rheinland-Pfalz bezüglich Saarlands Witzen.“ „Danke Berlin. Also will jemand etwas zu Punkt Eins sagen?“ Ludwig erwartet jetzt eigentlich ein unverständliches Gebrüll, doch es bleibt still. Hier ist etwas im Busch. „Ok, was ist hier los? Als ihr das letzte Mal so still ward, saßen wir mitten in einer Wirtschaftskriese.“ Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen. „Raus mit der Sprache oder ich verdonner euch zu zwei Wochen Zwangsurlaub in Österreich.“ Sofort werden die Gesichter der Bundesländer blass. Das letzte Mal mussten sie Österreichs Haus putzen und seinen Garten umgraben. Und Roderich ist extrem penibel. Die Bundesländer sehen von ihren Kaffeetassen auf, tauschen Blicke, bis Thüringen schließlich ihre Stimme erhebt. „Spürst du es nicht, Ludwig?“ Der Deutsche sieht die braunhaarige Frau verwirrt an. „Was spüren?“ „Das Gefühl, dass etwas fehlt?“ Da fällt es Ludwig wie Schuppen von den Augen. Er hat schon den ganzen Tag das Gefühl etwas fehlte. Es klingelte in seinem Kopf. „Gilbert…“ „Er ist fort.“ „Nein!“ Der blonde Mann springt von seinem Stuhl auf. „Das kann nicht sein, er hat gesagt, er würde nie gehen, er…“ Kraftlos fällt er wieder in seinem Stuhl und verbirgt sein Gesicht in seinen Händen. Die Bundesländer senken betroffen den Kopf. Jeder einzelne von ihnen wusste, dass dieser Tag kommen würde. Sie hatten viele Länder kommen und gehen sehen, das Preußen es so lange ausgehalten hatte, hat sie sehr überrascht. Nun ja nicht alle. Es gab da eine kleine Gruppe, die das nicht überrascht hatte. Sachsen, Bayern, Hessen, Thüringen und Mecklenburg, sowie Österreich, kennen Preußen lang genug, um zu wissen, dass er nicht aufgibt und seinem Bruder bis zum Ende zur Seite stehen würde, auch wenn es Preußen zerstören würde. „Sucht ihn!“ fährt Deutschland seine Bundesländer an. „Los, bewegt euch!“ Ohne eine Sekunde zu verschenken, rennen alle aus dem Raum. Nur zwei Leute bleiben zurück. Ludwig und Marie. „Du weißt, dass du ihn nicht finden wirst.“ „Sei still.“ eine Woche später... Dresden, Sachsen Seit einer Woche hat keiner mehr etwas von Gilbert gehört. Oder ihn gesehen. Er ist weg. Und von Ludwig hat auch keiner mehr was gehört. Der redet nämlich nicht mehr. Sachsen telefoniert währenddessen mit Bayern. „Wir könnten ihn in Kur schicken.“ schlägt Leopold vor. „Und wohin? Wie wäre es, wenn wir ihn direkt zu dir schicken? Per Post.“ „Warum immer zu mir? Geht es den Leuten nicht langsam auf den Keks, immer auf die Alm zufahren? Das muss doch langweilig werden!“ „Wir können ihn auch in die Eifel schicken. Mir ist das egal. Hauptsache er kommt auf andere Gedanken. Seine Depression schlägt langsam auf die anderen über.“ „Armes Berlin. Von mir aus kann er auf die Alm, ich finde schon was Schönes.“ „Dann bis morgen.“ Und bevor Bayern noch etwas sagen kann, fliegt das Telefon ans andere Ende von Sachsens Sofa. Es läuft wirklich alles aus dem Ruder, eine Katastrophe. Wenn nicht bald was passiert, kann man die Bundesrepublik Deutschland in die Tonne stecken. Das Wetter macht es nicht besser, es stürmt und regnet. Ununterbrochen. Seit drei Tagen. Die Bundesländer am Rhein stehen halb Unterwasser. Und das Saarland säuft auch ab. Sachsen fährt mit ihrer linken Hand durch ihre Haare. Sie müssen Preußen finden oder hier geht alles den Bach runter, im wahrsten Sinne des Wortes. Kraftlos erhebt sie sich und schlurft in die Küche. Im Schrank steht noch eine Flasche Heidelbeerschnaps. Glas und Flasche stehen schnell beisammen, und zack ist das erste Glas auch schon leer. Das ehemalige Königreich geniest den Moment als sich die Wärme in ihrem Bauch ausbreitet. Die Verlockung ein zweites Glas zutrinken ist groß, doch sie stellt die Flasche wieder weg und trink lieber ein Bier. Da wird man nicht so schnell blau. Als sie gerade ihre Schublade ausräumt um den Flaschenöffner zu suchen, klingelt es an der Tür. Die Sächsin sieht verwirrt von ihrer Suche auf. Wer könnte das sein? Mit schnellen Schritten geht sie zu Tür. Hätte sie in diesem Moment etwas in der Hand gehabt, läge es jetzt auf dem Boden. Mit großen Augen sieht sie ihr gegenüber an. „Preußen!?“ „Psst! Nicht so laut! Kann ich reinkommen?“ Ein wenig abwesend tritt sie zur Seite und der Albino betritt ihr Haus. Es dauert einen Moment bis Sachsens Hirn wieder richtig arbeitet. Sie schließt die Tür hinter ihrem Besucher. „Preußen, hast du nun endgültig den Verstand verloren?! Du verschwindest einfach und stürzt damit das ganze Land ins Chaos. Weißt du eigentlich was du deinem Bruder antust?!“ „Es war ja so klar, dass alle an West denken!“ faucht Preußen zurück. „Denkt eigentlich ein einziger an mich? Wie ich mich fühle?! Ohne Land? Ohne Funktion? Ohne jegliche Existenzgrundlage?! Nein, tut keiner von euch!“ Sachsen bleiben die Worte weg. Das hat sie jetzt nicht erwartet. Gilbert wirft seine Tasche auf den Boden und verschränkt die Arme vor der Brust. Eine unangenehme Stille legt sich über sie. „Wir wussten nicht, dass es dir so geht, Gilbert.“ Flüstert Sachsen leise. „Natürlich nicht.“ „Warum bist du gegangen?“ „Weil ich es leid bin, von anderen abhängig zu sein. Ich will wieder auf eigenen Füßen stehen. Awesome Me braucht ein eigenes Heim.“ Und da ist auch schon wieder der alte Gilbert und die ernste, sensible Stimmung platzt wie eine Seifenblase. „Aja und warum bist du hier?“ „Also das… mein Flug musste umgelegt werden und deshalb hab ich mir gedacht ich komme mal bei dir vorbei und bleibe bis mein Flug geht.“ „Und wie lange hattest du vor hier zu bleiben?“ „Du hast zwei Wochen lang die Ehre dein Heim mit Awesome Me zu teilen.“ „…“ „…“ „Raus. Sofort.“ Sachsen packt den Arm des Preußen und zieht ihn zur Tür. „Hey! Warte! Natürlich macht sich Awesome Me im Haushalt nützlich“. Verwirrt blinzelt Marie. „Du? Haushalt? Freiwillig?“ „Ich kenn dich lang genug, um zu wissen, dass du niemanden umsonst bei dir wohnen lässt. Ich könne dich natürlich auch mit meinen fünf Metern of Awe-“ „Halt dein Maul und trag deine Tasche ins Gästezimmer.“ Das lässt sich Gilbert nicht zweimal sagen, nimmt seine Tasche und geht die Treppe hoch. Sachsen bleibt mit leicht geröteten Wangen im Flur stehen. Dieser Drecksack. Sie öffnet ihre Bierflasche und trinkt einen großen Schluck. Zwei Wochen in einem Haus mit Gilbert. Ein kalter Schauer läuft ihr über den Rücken. Eigentlich sollte sie jetzt sofort Ludwig oder Leopold anrufen oder irgendwen sonst. Aber sie tat es nicht. Dafür konnte sie Gilbert zu gut verstehen. Sie hat eben doch ein Herz, auch wenn es von vielen Kriegen in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Schnell schüttelt sie den Kopf, in Gegenwart eines Preußens sollte man nicht sentimental werden. Das endet grundsätzlich schlecht. Dann sollte sie wohl besser noch einen Schluck Bier trinken, oder Schnaps. Der Wodka ist schon leer. „Hey, bekomm ich auch eins?“ Sachsen sieht zu ihrem neuen „Mitbewohner“ und in ihr wächst das Bedürfnis, ihm die Flasche an den Kopf zu werfen. Kein Vergleich zu Ungarns Gusseisenpfanne, aber ein Anfang. Widerwillig gibt sie dem Preußen die Flasche. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)