Supernova von Leto
================================================================================
Die Nebelschwaden verhüllten fast vollständig die Sicht auf die vier größten
Jupitermonde. Mariku kniff die Augen zusammen, doch er konnte ihre Umrisse nur
schwach durch den Nebel erkennen. Mariku nannte es Nebel, obwohl er wusste, dass
es eher Gas war. Immerhin so viel hatte er sich aus der Schule gemerkt. Er
streckte den Hals ein bisschen und sah nach unten. Wasser schwappte gegen die
Säulen des Gebäudes. Mariku kniff erneut die Augen zusammen als er glaubte
Gestalten im Wasser zu erkennen. Fast hätte er sein Gesicht gegen die Scheibe
gedrückt. Er überlegte, was er über Jupiter und seine Bewohner wusste, doch
die Erinnerungen waren nur schwammig. Er war nicht unbedingt der beste Schüler
gewesen, was Planetenkunde anging. Das war ihm alles zu trocken gewesen.
Raumschiffe dagegen waren schon eher sein Ding, deshalb war er auch besonderes
aufgeregt endlich auf Jupiter zu sein. Es war der Planet mit dem größten
Weltraumhafen in dieser Galaxie.
Mariku drehte sich von der Scheibe weg und ließ seinen Blick durch den riesigen
Raumhafen schweifen. Er konnte die vielen Eindrücke, die auf ihn einprasselten,
gar nicht richtig verarbeiten. Es war einfach zu überwältigend. Noch nie hatte
er so viele unterschiedliche Spezies an einem Ort gesehen. Er war zwar schon oft
auf dem Raumhafen auf dem Mond gewesen, doch dieser war winzig im Vergleich zu
Jupiter. Es war ein Meer aus bunten Gestalten, die sich in Sprachen
unterhielten, die Mariku noch nie zuvor gehört hatte. Er atmete tief durch.
Selbst die Gerüche konnte er nicht beim Namen nennen, weil es in seiner Sprache
keine Namen dafür gab. Mariku schloss die Augen und ließ alles auf sich
wirken. Er verspürte ein angenehmes Ziehen in seinem Magen. Nur schwer konnte
er ein breites Grinsen unterdrücken. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass
er hier war. Damit war er nur noch einen winzigen Sprung davon entfernt sich
seinen großen Traum zu erfüllen.
Mariku öffnete seine Augen wieder und betrachtete zum wiederholten Male das
Blatt Papier in seinen Händen. Er konnte den Text darauf inzwischen schon
auswendig. Es war die Aufnahmebestätigung für eine der besten Pilotenschulen,
die es gab. Nur wenige bekamen jedes Jahr die Chance dort eine Ausbildung zum
Pilot abzulegen. Es gab viele Pilotenschulen, doch keine stand für mehr
Qualität als die Cera Academy auf dem Planeten Ptera. Den Abschluss dort
schafften nur die Besten.
Mariku seufzte. Schon als Kind hatte er davon geträumt einmal den Weltraum zu
bereisen. Er wollte alles sehen: Aliens, deren Namen er nicht aussprechen
konnte, Planeten, deren Atmosphären ihn wohl umbringen würden und
Sternensysteme von denen er jetzt noch nicht einmal etwas ahnte. Mariku gab
einen vergnügten Laut von sich.
Er konnte sich wirklich glücklich schätzen, dass er als normaler Mensch eine
Chance bekommen hatte. Er hatte keine besonderen Fähigkeiten, keine Supersicht
oder irgendwelche Klauen oder Flügel. Er war so unauffällig, dass er sich
teilweise richtig unwohl fühlte zwischen all den Aliens, die ihm mit hoher
Wahrscheinlichkeit spielend jeden Knochen im Leib brechen konnten. Trotzdem, er
schüttelte den Kopf um die Gedanken zu vertreiben, er hatte es geschafft. Seine
Leistungen hatten das Auswahlkomitee überzeugt und er würde sein Bestes geben.
Er würde es allen zeigen, die auf der Erde über ihn gelacht hatten. Er ballte
die Hände zu Fäusten und zerknüllte dabei das Papier. Natürlich hatten sie
nicht mehr über ihn gelacht, nachdem er mit ihnen fertig gewesen war. Da
konnten sie froh sein, dass sie überhaupt noch lachen konnten. Er war jetzt
jedenfalls Schüler an der Cera Academy, zumindest fast; er musste nur noch
hinkommen.
Mariku schob das Blatt zurück in seine Hosentasche und schlenderte über das
Gelände. Er hatte noch Zeit bis zum Abflug und wollte sie dazu nutzen sich
umzusehen. Mit großen Augen betrachtete er die Wesen, an denen er vorbeikam.
Manche hatten eine Art Fell, andere waren wiederum durchscheinend als wäre ihr
Körper aus Glas. Er sah die verschiedensten Hautfarben von blau bis rot.
Hörner, Krallen, Schwänze, Flügel. Mariku konnte sich gar nicht sattsehen. Er
hörte Fetzen der Gespräche um ihn herum, doch verstand kein Wort. Er sprach
selbst nur Arabisch, Englisch und die Handelssprache, die von den meisten Aliens
gesprochen wurde. Es hätte ihn interessiert, über was sich Aliens so
unterhielten, doch es war ebenso interessant die unterschiedlichen Sprachen zu
hören.
Der Raumhafen war jedoch mehr als nur eine große Bushaltestelle; er bot auch
Geschäfte, fliegende Händler, Hotels und Bars. Mariku trieb sich zwischen den
Händlern herum, die die seltsamsten Sachen verkauften. Etwas sah aus, wie ein
Tintenfisch in einem Glas und Mariku wollte gar nicht wissen, wofür das gut war
oder um was es sich wirklich dabei handelte.
„Hey Junge“, sprach ihn plötzlich einer der Händler an. Im ersten Moment
dachte Mariku, er hätte keine Arme bis er die Klauen sah, die aus seiner
Körpermitte ragten. Vier an der Zahl und feuerrot. In einer hielt er einen
Becher, der eine bernsteinfarbene Flüssigkeit enthielt. Als er Mariku den
Becher unter die Nase hielt, reichte allein der Geruch aus um diesem die Tränen
in die Augen zu treiben. Es brannte und er begann sich schummrig zu fühlen.
Mariku stolperte zurück und zwischen den Aliens hindurch. Nur langsam erholten
sich seine Augen und Mariku wischte sich die Tränen von den Wangen. Er wollte
sich an der Wand abstützen, fasste statt an Metall jedoch in etwas Weiches.
Überrascht zuckte er zurück und fiel dabei rückwärts über eine Kiste.
Mariku verzog das Gesicht als er unsanft zu Boden ging.
„Entschuldigung“, murmelte er.
„Aber nicht doch“, hörte er eine weibliche Stimme mit einem angenehmen
Klang sagen. Er sah auf. Ihre Haut war hellblau mit dunkelblauen Tätowierungen
und die Augen ein klares, strahlendes Grün. Sie hatte keine Haare, sondern ihr
Hinterkopf ging in zwei Tentakel über, die wie zwei lange Zöpfe bis hinab zu
ihrem Hintern reichten. Das minderte ihre Schönheit jedoch nicht im mindestens.
Das Kleid, das sie trug, betonte ihre Reize genau richtig. Mariku schluckte.
Ihre vollen, roten Lippen schenkten ihm ein Lächeln. Unbewusst leckte sich
Mariku über die Lippen. Er schaffte es nicht den Blick von ihr abzuwenden. Nur
schwerfällig und mit offen stehendem Mund rappelte Mariku sich auf. Sie
streckte ihre Hand nach ihm aus und strich ihm mit den Fingerrücken über die
Wange. Mariku bekam eine Gänsehaut. „Du hast dir doch nicht wehgetan?“
„Nein“, antwortete Mariku mit heiserer Stimme. Sein ganzer Körper war auf
die Alienfrau ausgerichtet, die mit ihren schlanken Fingern an seinem Hals
entlang strich.
„Da bin ich aber erleichtert. Es wäre doch eine Schande, wenn so ein
hübscher Kerl wie du, sich verletzen würde.“ Sie kam näher und Mariku
atmete ihren Duft ein, der ihn an Blumen erinnerte. „Oder soll ich lieber
nachschauen, ob wirklich alles in Ordnung ist?“ Als sie ihren Körper gegen
Marikus presste entflammte dessen Erregung vollends. Er wusste nicht was mit ihm
passierte, aber er wusste, er wollte diese Frau auf jede erdenkliche Weise.
Plötzlich packte ihn jemand an den Schultern und riss ihn zurück. Erneut
landete er auf dem Boden und Mariku blinzelte verwirrt. Der Zauber war so
schnell verflogen wie er gekommen war. Was war mit ihm passiert? Er konnte sich
sein Verhalten selbst nicht erklären. „Ich denke nicht, dass er schon alt
genug ist für dich, meine Liebe.“ Mariku sah zu dem Mann auf, der sich neben
ihn gestellt hatte, doch durch die Kapuze, die er trug, konnte Mariku sein
Gesicht nicht sehen. Die Alienfrau presste die Lippen missbilligend aufeinander.
Sie sagte etwas in einer Sprache, die Mariku nicht verstand, aber dem Klang
nach, waren es keine netten Worte. Sie wandte sich ab und verschwand in der
Menge. Der Mann wandte sich Mariku zu und hielt ihm die Hand hin. Mariku ließ
sich von ihm wieder auf die Beine ziehen. Jetzt konnte er sehen, dass es ein
Mensch war. Er war mindestens 50 und hatte einen Vollbart. Die grauen Augen
musterten ihn interessiert. „Du solltest vorsichtig sein“, warnte er Mariku.
Verlegen fasste sich Mariku an den Hinterkopf. „Ja, vielen Dank.“ Mehr
brachte er nicht heraus. Normalerweise war er nicht auf den Mund gefallen, doch
die neue Umgebung verunsicherte ihn. Hoffentlich würde sich das ändern, sobald
er an der Akademie war. Er mochte diese schüchterne Seite an sich wirklich
überhaupt nicht.
„Geh lieber zu deinem Schiff.“ Mit diesen Worten ließ der Mann Mariku
allein zurück. Mariku atmete tief durch und ließ die Schultern hängen. Man,
wie peinlich. Er musste wirklich noch viel lernen.
Er zog wieder die Annahmebestätigung aus der Tasche und drehte sie um. Auf der
Rückseite hatte er die Nummer der Plattform notiert, von der sein Schiff
fliegen würde. Zumindest glaubte er, dass es eine Nummer war. Es war ein
seltsam-verschnörkeltes Zeichen und er wusste nicht einmal, ob er es richtig
abgeschrieben hatte. Mit dem Zettel in der Hand ließ er die Händler hinter
sich und betrat den Teil des Raumhafens, der die Schiffe beherbergte.
Staunend und mit einem Hauch Ehrfurcht betrachtete er die Raumschiffe, die
majestätisch vor ihm aufragten. Aliens in verschiedenen Uniformen rannten eilig
durch die Gegend, begrüßten Gäste oder nahmen Gepäck entgegen. Mariku
seufzte. Er könnte sich niemals einen Flug mit einem dieser Luxus-Schiffe
leisten. Er war überhaupt froh, dass er einen bezahlbaren Flug gefunden hatte.
Aber vielleicht würde er auch eines Tages eines dieser großen Schiffe steuern.
Bei dem Gedanken verspürte er wieder dieses angenehme Ziehen in seinem Magen.
Mariku verglich die Zeichen an den Säulen mit dem, dass er aufgeschrieben
hatte. Die Schiffe wurden mit der Zeit immer kleiner und verloren an Glanz. Bei
den kleineren Schiffen gab es keine Uniformierten mehr, die Gäste begrüßten
und sich um das Gepäck kümmerten. Die Gestalten an denen Mariku vorbeikam
machten einen eher zwielichtigen Eindruck auf ihn und er beschleunigte unbewusst
seine Schritte.
„Ich warne dich, du raffgieriges Biest“, drang es an Marikus Ohren, während
er das Symbol auf der Säule mit seinem verglich. Es sah fast identisch aus. Er
sah zum Schiff, dessen Außenhülle in weiß und blau gehalten war und in einem
unerwartet gutem Zustand war. AMANE stand in, sehr zu Marikus Überraschung,
lateinischen Lettern auf dem Rumpf. „Wenn ich während des Flugs auch nur ein
Problemchen habe, dann komm ich zurück und sorg dafür, dass du nie wieder ein
Goldstück in seine gierigen grünen Finger bekommst. Hast du mich
verstanden?“ Mariku wandte seine Aufmerksamkeit dem Sprecher zu. Er stand mit
dem Rücken zu ihm, sodass Mariku nur seine langen, weißen Haare sehen konnte.
Er hielt ein Wesen in die Luft, nicht größer als ein Kleinkind, mit
tiefgrüner Haut und einer großen Hakennase.
„Natürlich, mein Herr, natürlich.“ Es hatte eine schrille Stimme, die
Mariku in den Ohren wehtat. Der Weißhaarige ließ das kleine Alien los und es
landete auf seinem Hintern. Schnell rappelte es sich wieder auf und ging
murmelnd davon. Mariku verstand nicht was es sagte, doch es klang nicht
sonderlich glücklich.
„Und da dachte ich immer Cygni wären so nette und liebe Zeitgenossen.“
Überrascht sah Mariku zur Seite. Er hatte den Mann, der plötzlich neben ihm
stand, nicht kommen hören. Unter den langen, weißen Haaren lugten spitze Ohren
hervor. Eins von ihnen war fast komplett zerfetzt. Er grinste und Mariku konnte
die langen, spitzen Eckzähne sehen. Seine dunklen Augen blitzten amüsiert
während er den anderen Weißhaarigen betrachtete. Der hatte sich inzwischen
umgedreht und sah alles andere als gutgelaunt aus.
„Pass auf was du sagst, du elendiger Blutsauger.“ Ryou richtete seine
marmorierten Krallen auf ihn. Mariku nutzte die Gelegenheit ihn zu mustern.
Statt Haut hatte er eine Art Fell (vielleicht war es auch so etwas Ähnliches
wie Daunen, Mariku war sich nicht sicher) und seine Ohren waren mehrere lange,
weiße Federn. Er hatte eine kleine Nase und große braune Augen. Seine
Gesichtszüge waren sanft, wenn auch gerade zu einer wütenden Grimasse
verzogen.
Bakura hob abwehrend die Hände. „Schon gut, schon gut. Nur ein kleiner
Scherz.“
„Noch so ein dummer Spruch und du kannst dir ein anderes Schiff suchen. Sei
froh, dass ich Gesindel wie dich überhaupt mitnehme“, fauchte Ryou. „Wenn
du auch nur eine falsche Bewegung machst, dann pulverisiere ich dich
eigenhändig. Und jetzt her mit den Münzen!“ Bakura reichte ihm ein kleines
Säckchen. Mariku hörte die Münzen darin klimpern. Prüfend wog Ryou den
Beutel in der Hand. „JOU!“ Das Klackern von Hufen war zu hören. Jonouchi
hatte große gebogene Hörner, die seitlich aus seinem Kopf ragten und seine
Beine gingen ab den Knien in Hufe über. Ryou drückte ihm den Beutel in die
Hand. „Zähl das nach.“ Er sah Mariku. „Und du?“
Mariku riss seinen Blick von Jonouchi los. „Äh, hallo, ich bin Mar…“
„Interessiert mich nicht“, unterbrach Ryou ihn barsch und streckte die Hand
aus. Mariku stellte seine Tasche auf dem Boden ab und ging in die Knie. Er zog
den Reißverschluss auf und holte ebenfalls einen kleinen Beutel hervor, den er
Ryou reichte.
Ohne ein weiteres Wort drehte Ryou sich um und ging Richtung Schiff.
„ANZU!“
Mariku stieß hörbar Luft aus. Hatte er sein Selbstbewusstsein auf der Erde
vergessen? „Oh wow, was ist dem den über die Eingeweide gelaufen?“ Mariku
zuckte nur mit den Schultern und hob seine Tasche wieder auf. Bakura betrachtete
ihn interessiert. „Du bist ein Mensch.“
„Äh ja. Und du bist…?“ Doch Mariku konnte seine Spezies nicht nennen. Er
wusste einfach noch viel zu wenig über die unterschiedlichen Aliens. Die
Menschheit war immer noch zu verbohrt um in den Schulen vernünftig darüber zu
lehren und wenn, dann hatte er nicht ausreichend aufgepasst.
„Nocidea“, antwortete Bakura beiläufig. „Ich hab noch nie einen Menschen
getroffen.“ Er kam unangenehm nahe und Mariku setzte einen Fuß nach hinten
und lehnte seinen Oberkörper von ihm weg. Bakura hatte die Augen geschlossen.
„Süß“, murmelte er grinsend, dann leckte er sich über die Lippen. „Sehr
süß.“ Fragend hob Mariku die Augen. Was war mit diesem Kerl nur los? Was war
süß? Etwa er? Wollte er ihn anmachen? Er wusste, dass er gut aussah, aber
mussten deswegen alle Aliens, die er traf, auf ihn scharf sein?
„Wollt ihr da ewig rumstehen?“, rief Ryou ihnen verärgert zu. „Packt euer
Zeug und rein ins Schiff. Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit.“
Bakura verdrehte die Augen. „Wie gut, dass wir den nur ein paar Tage ertragen
müssen.“
„Das hab ich gehört!“ Bakura lächelte Ryou nur übertrieben an.
Neben Ryou stand inzwischen eine Frau. Ihre Haut war grünlich-blau und leicht
durchscheinend. Mariku konnte die dunkelblauen Adern darunter erkennen. Sowohl
ihre Lippen als auch ihre Augen waren ebenfalls tiefblau. Sie hatte keine
Pupillen. Zwischen ihren Fingern hatte sie Schwimmhäute. Sie lächelte Mariku
an und der lächelte unsicher zurück. Was war das heute nur mit ihm und den
Aliens? „Die Lady steht auf dich“, flüsterte Bakura ihm zu und zwinkerte.
„Ich hab gehört Seiren sind ausgezeichnete Liebhaber.“ Mariku hob die
Augenbrauen, nicht sicher was er dazu sagen sollte. Er hatte nicht vor sich mit
irgendwem außerhalb seiner Spezies einzulassen. Er warf einen Blick über die
Schulter. Die Seire sah ihn immer noch an, während Ryou auf sie einredete.
Mariku seufzte. Er hoffte nicht, dass das so weiter ging. „Ich bin übrigens
Bakura.“
„Mariku“, murmelte Mariku. Plötzlich fühlte er sich müde und ausgelaugt.
Erst die lange Reise bis Jupiter, während der er vor Aufregung kein Auge zu
getan hatte, und dann das Geschehen hier machten sich nun deutlich bemerkbar. Er
freute sich auf seine Kabine und auf sein Bett.
Im Schiff wartete Jonouchi auf sie. Er grinste sie schief an. „Macht euch
nicht so viele Gedanken über Ryou. Er ist eigentlich ganz nett, zumindest wenn
er schläft.“ Er lachte über seinen eigenen Witz. Das Geräusch seiner Hufe
widerhallte an den Wänden. „Er ist etwas verkrampft.“
„Ich wüsste da etwas um ihn aufzulockern“, sagte Bakura grinsend und selbst
Mariku schmunzelte.
Jonouchi lachte wieder. „Das lass ihn bloß nicht hören. Nocidea, das hier
ist dein Zimmer und gleich daneben das für unser Menschlein.“
„Ich hab auch einen Namen“, murrte Mariku.
„Ja, da bin ich mir sicher, aber ich weiß ihn nicht.“
„Ich heiße Mariku, okay?“
„Man Mariku.“ Bakura legte seinen Arm um seine Schulter. „Nicht so
ernst.“
Mariku schob ihn von sich. „Lass das.“ Er hatte heute wirklich schon genug
Körperkontakt mit Aliens gehabt und Bakura war ihm nicht ganz geheuer.
„Abflug ist in einer Stunde“, informierte sie Jonouchi. „Ich wünsche noch
einen angenehmen Aufenthalt.“ Er deutete eine Verbeugung an.
Mariku öffnete die Tür zu seiner Kabine und ließ seine Tasche aufs Bett
fallen. Außer dem schmalen Bett gab es noch einen kleinen Schrank, einen Stuhl
und einen Tisch, der an der Wand befestigt war. Es war nicht viel Platz und
Mariku erinnerte es eher an eine Gefängniszelle. Er ließ sich auf’s Bett
sinken. Es war ja nur für ein paar Tage. Er schob die Tasche vom Bett und
streckte sich darauf aus. Dabei stieß er mit dem Kopf gegen den Bettrahmen. Er
seufzte. Jetzt war er auch noch zu groß für dieses Bett. Großartig. Er rollte
sich zusammen und gähnte. Die Aufregung hatte ihn müde gemacht.
Ein Beben ging durch das Schiff und Mariku schreckte aus dem Schlaf hoch. Er
brauchte einen Moment um sich zu orientieren. Ach ja, er war auf dem Weg nach
Ptera und scheinbar waren sie inzwischen zum Abflug bereit. Gähnend stand
Mariku auf und rieb sich seinen verspannten Nacken, dann verließ er sein
Zimmer. Er wollte unbedingt beim Start zusehen.
Ryou studierte das Hologramm einer Sternenkarte als Mariku das Cockpit betrat.
„Was willst du hier?“, fauchte Ryou ihn sofort an.
„Ich würde gern zusehen“, erklärte Mariku ruhig. Er hatte nicht vor sich
von Ryou einschüchtern zu lassen.
Ryou seufzte genervt. „Verschwinde!“ Mit einem Knopfdruck verschwand die
Sternenkarte.
„Ich werd auch nichts anfassen.“
Ryou spannte den Kiefer an. „Lass ihn doch“, mischte sich Anzu ein und
schenkte Mariku ein breites Lächeln.
Ergeben warf Ryou die Arme in die Luft. „Setz dich da hin und halt die
Klappe.“ Mariku zwinkerte Anzu zu und diese wandte verlegen den Blick ab.
Vielleicht war es doch nicht so schlecht, dass so manche Alienfrau scharf auf
ihn war. Das brachte immerhin auch Vorteile. Er ließ sich auf den Stuhl sinken,
den Ryou ihm zugewiesen hatte und schnallte sich an. Neugierig sah er sich um.
Nicht weit von ihm entfernt saß ein Alien, das er nicht kannte. Seine Haut
wirkte wie Stein, sie war schwarz und von roten Adern durchzogen, die Mariku an
Lava erinnerten.
Die vielen Knöpfe und Hebel machten ihn aufgeregt. Zu gern wäre er jetzt
selbst am Steuer gesessen. Er konnte es kaum erwarten, sein eigenes Schiff zu
besitzen, auch wenn bis dahin noch Jahre vergehen würden. „Okay Jou, bring
uns von hier weg.“ Ryou verschränkte die Arme vor der Brust während das
Schiff vom Boden abhob. Mariku hörte, wie das Fahrgestell eingezogen wurde.
Langsam schwebten sie nach oben. „Sachte.“
„Jaja, ich mach das nicht zum ersten Mal“, erwiderte Jonouchi.
„Das letzte Mal hast du ein anderes Schiff gerammt!“
Jonouchi grinste verschmitzt. „War ja keine Absicht.“ Er ordnete sich hinter
einem anderen Schiff ein. In der Distanz konnte Mariku eine Schleuse entdecken
durch die die Schiffe den Raumhafen verließen.
„Fahr nicht so nah auf“, fauchte Ryou.
„Ruhig Blut, Chef.“
„Ich hab keinen Bock schon wieder einen Schaden zu bezahlen. Das hatten wir
schon oft genug.“ Wieder ein verschmitztes Grinsen von Jonouchi. Mariku
wunderte sich, warum Ryou überhaupt zuließ das Jonouchi das Schiff steuerte,
wenn er so viele Unfälle baute.
Die Schleuse öffnete sich für sie. „Honda, Schwerkraft auf T5.“ Mariku
verspürte einen Druck auf den Ohren, wie beim Abflug eines Flugzeugs. Seine
Hände waren feucht vor Aufregung. Jupiters Gasschicht versperrte die Sicht und
Ryou murrte. „Welcher Idiot hat eigentlich den Raumhafen auf dem
unübersichtlichsten Planeten in diesem Sonnensystem gebaut?“ Er ließ sich
auf einen Stuhl sinken und öffnete noch einmal die Sternenkarte. „Jou halt
dich rechts.“ Langsam klärte sich die Sicht auf als sie die Atmosphäre
verließen. Mariku betrachtete mit offenem Mund die unzähligen Sterne, auf die
er jetzt freie Sicht hatte. Selbst Saturn konnte er erkennen. „Kurs GV38.
Langsam beschleunigen.“ Das Schiff machte einen Sprung nach vorne. „Langsam
hab ich gesagt!“ Er schloss die Sternenkarte wieder. „Anzu, bereite alles
für den Sprung vor.“
Mariku rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Er kannte die komplette
Theorie eines Hyperraumsprungs auswendig, aber er hatte selbst noch nie einen
erlebt. Nur schwer konnte er sein Grinsen unterdrücken. „Alles bereit.“
„Gut, dann bringt uns mal hier raus.“ Mariku wurde in seinen Sitz gedrückt
als das Raumschiff weiter beschleunigte. Für einen Moment nahm ihm die
Geschwindigkeit die Luft zum atmen. Der Weltraum um sie herum verzerrte sich.
Die Lichter der Sterne wurden länger und brachen sich in den seltsamsten
Winkeln.
Mariku schlug das Herz bis zum Hals. Endlich. Endlich ging es los…
Eine Erschütterung ging durch das Raumschiff und Mariku wurde nach vorne
gerissen. Nur der Sicherheitsgurt hielt ihn noch auf seinem Sitz. Ein lautes
Warnsignal ertönte und das Licht flackerte. Ein erneutes Beben ließ das
Raumschiff erzittern und es wurde aus seiner Flugbahn geschleudert. Ein lautes
Krachen war zu hören, dann noch eins und dann noch eins. Mariku krallte sich in
die Armlehnen, so fest, dass seine Knöchel weiß hervorstanden. Er hatte die
Augenlider aufeinander gepresst, weil es sich anfühlte, als würden seine Augen
jeden Moment platzen. Nur dumpf hörte er Ryou „Was ist los?“ brüllen. Eine
Antwort schien er nicht zu erhalten. Mariku biss die Zähne zusammen. Schmerz
jagte durch seinen Körper. Seine Knochen schienen jeden Moment bersten zu
wollen und der Druck in seinem Kopf wurde unerträglich. Das Raumschiff wurde
zur Seite gedreht. Eine weitere Erschütterung und sie standen plötzlich Kopf.
Mariku verspürte Erleichterung als der Druck in seinem Kopf nachließ und in
seine Beine wanderte. Trotzdem war ihm kotzübel. Seine Kleidung klebte an ihm.
Ein letztes Beben ging durch das Schiff, bevor es sich wieder in die richtige
Position drehte und ruhig liegen blieb. Ryou schaltete den Alarm aus. „Was,
bei allen Monden…?“ Er keuchte. Seine Augen waren weit aufgerissen und rot
geädert. „Ist jemand verletzt?“ Mariku schaffte es nicht ihm zu antworten,
sondern kämpfte gegen den Drang an sich zu übergeben.
„Ich glaub, ich muss sterben“, jammerte Jonouchi und wischte sich Blut von
der Stirn. Angewidert starrte er auf seine Hand und wischte sie an seinem Shirt
ab. „War das ein Sonnensturm?“
„Unmöglich“, widersprach Ryou. „Wir waren…“ Doch er brachte den Satz
nicht zu Ende. „Anzu, bist du in Ordnung?“ Anzu antwortete nichts. Sie
atmete schwer. Die Kiemen an ihrem Hals flatterten. Ihr Oberkörper war fast
komplett durchscheinend, während ihre Beine ein dunkles Blau angenommen hatten.
„Anzu?“ Sie ging zu Boden.
Ryou eilte stolpernd zu ihr. „Verdammt Anzu! Reiß dich zusammen!“ Er hob
ihre Beine an, damit ihr Blut zurück in den Oberkörper floss.
Die Tür zum Cockpit öffnete sich und Bakura trat ein. Blut rann ihm aus der
Nase und er wischte es beiläufig mit der Hand weg. „Wollt ihr uns
umbringen?“ Er sah zu Anzu. „Sieht nicht gut aus für die Kleine.“ Ryou
warf ihm einen wütenden Blick zu. „Leg sie zusätzlich in Wasser, das sollte
ihre Zirkulation wieder in Schwung bringen.“
„Honda, bring Anzu weg und leg sie in die Wanne“, sagte Ryou ohne seinen
Blick von Bakura abzuwenden. „Woher weißt du so was?“
„Ich weiß viele Dinge, aber ich weiß immer noch nicht, warum ihr uns
umbringen wolltet.“ Er trat einen Schritt zur Seite um Honda vorbeizulassen.
„Ich wüsste auch gerne, was passiert ist“, murmelte Ryou und rappelte sich
wieder auf. Er versuchte die Sternenkarte aufrufen, doch das Hologramm zeigte
nichts an. Wütend hämmerte Ryou auf die Armatur. „Verdammt!“
„Ist sie kaputt?“, fragte Mariku. Seine Zunge fühlte sich taub und schwer
an. Schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen als würde er jeden Moment
ohnmächtig werden. Mit zittrigen Fingern löste er den Sicherheitsgut, wagte es
jedoch nicht aufzustehen.
„Nein, sie funktioniert, sie zeigt nur nicht an wo wir sind“, erwiderte Ryou
ohne den Blick von dem leeren Hologramm abzuwenden.
„Also doch kaputt.“
Ryou drehte sich zu Mariku um. Seine Augen waren weit aufgerissen. „Nein, du
verstehst nicht! Sie zeigt nicht an wo wir sind, weil es keine Karte für diese
Galaxie gibt.“ Stille kehrte ein. Mariku sah an Ryou vorbei durch die Scheibe
nach draußen. Er konnte nur Sterne erkennen. „Es hat uns aus dem Hyperraum
gerissen“, Ryou ließ sich auf seinen Sitz sinken, „und jetzt sind wir in
einer unbekannten Galaxie.“
„Können wir sie die Jou-laxie nennen?“
Ryou verdrehte die Augen. „Das ist jetzt wirklich nicht der Moment für
Scherze.“
„Was ist der Plan?“, wollte Bakura wissen und setzte sich neben Mariku.
Ryou fuhr sich durch die Haare. „Einen Planeten finden, oder eine Raumstation.
Irgendjemanden, der uns sagen kann wo wir sind.“
„Können wir nicht“, Mariku strich sich über die Augen; er fühlte sich
immer noch benommen, „einfach wieder hier rausspringen?“
Ryou sah ihn an als hätte er etwas unglaublich Dummes gesagt. „Es könnte
sonst was passieren, wenn wir ohne Koordinaten springen! Und du willst Pilot
werden?“ Mariku hob vor Überraschung die Augenbrauen. Nach Ryous bisherigem
Verhalten hatte er nicht damit gerechnet, dass er sich wirklich gemerkt hatte,
weshalb er nach Ptera wollte. „Jou, ist das Schiff beschädigt worden?“
Mit Schwung rutschte Jonouchi auf Anzus Platz, sah vom Bildschirm zu den
Knöpfen vor ihm und drehte sich dann zu Ryou um. „Ich weiß nicht, wie man
das bedient.“
Ryou stieß hörbar Luft aus. „Sie hat dir gezeigt, wie das geht.“
„Das ist Monate her.“
„Letzte Woche!“ Er seufzte.
„Solange wir noch schweben, kann’s nicht so schlimm sein“, meldete sich
Bakura wieder zur Wort, gerade als Honda wieder ins Cockpit kam.
„Wie geht’s Anzu?“
„Sie ist wieder bei Bewusstsein.“
Ryou atmete erleichtert aus. „Gut. Jou, zurück auf deinen Platz. Wir sehen
uns hier um.“
Bakura grinste Mariku an. Durch das Blut um seine Nase und den Mund hatte sein
Grinsen etwas Psychopathisches. „Wie ein richtiges Abenteuer. Ich bin schon
ganz aufgeregt.“ Mariku konnte ihm nicht widersprechen. Es war aufregend, wenn
auch gefährlich. Sie wussten nicht, wo sie waren und was sie erwarten würde.
Langsam setzte sich das Raumschiff in Bewegung und vollführte eine Drehung. Nur
mit Mühe konnte sich Mariku in seinem Sitz halten, zumindest solange bis Bakura
gegen ihn stieß und sie beide durchs Cockpit rollten. „Schnallt euch an“,
zischte Ryou als sie vor seinen Füßen liegen blieben.
„Die Steuerung ist total durcheinander“, murmelte Jonouchi und brachte nur
mit Mühe das Raumschiff wieder in seine normale Position. Mariku rieb sich den
Hinterkopf. Er schob Bakura von sich herunter und nutzte Ryous Sitz um wieder
auf die Beine zu kommen.
Auch Bakura rappelte sich wieder auf. Er richtete seinen Blick nach draußen,
schloss die Augen für einen Moment bis auf einen kleinen Spalt und ging dann
näher an die Scheibe. Ryou wollte ihn schon wieder anfauchen als Bakura anfing
zu sprechen: „Da links. Ist das nicht eine Raumstation?“
„Wo?“
„Na da!“ Er streckte die Hand aus und Ryou kniff die Augen zusammen.
„Ich kann nichts erkennen.“
Bakura seufzte. „Eure Augen sind einfach zu schlecht. Flieg einfach mal in
diese Richtung.“ Ryou sah ihn misstrauisch an, deutete Jonouchi jedoch, das zu
tun was Bakura sagte.
Und Bakura behielt recht: eine Raumstation kam in Sicht. „Sieht nicht sehr
einladend aus“, murmelte Jonouchi und ließ das Schiff mit einigem Abstand
anhalten. Sie konnten keine Lichter oder sonstige Lebenszeichen ausmachen.
„Sie trägt das Zeichen der Rebellion“, sagte Honda plötzlich und Ryou
setzte sich mit einem Mal aufrecht hin.
Mariku sah Bakura an. „Rebellion?“ Doch Bakura zuckte nur mit den
Schultern.
Ryou griff nach dem Funkgerät. „Hier spricht der Kapitän der Amane, wir
erbitten Erlaubnis zum Andocken. Unser Schiff wurde beim Sprung beschädigt.“
Doch nur Rauschen war die Antwort. „Ich wiederhole, hier spricht der Kapitän
der Amane, wir erbitten Erlaubnis andocken zu dürfen.“ Erneut bekamen sie
keine Antwort.
„Scheint als wäre sie verlassen. Was machen wir?“
„Andocken“, befahl Ryou. „Wir haben keine Wahl. Die Steuerung ist
beschädigt und vielleicht auch noch mehr. Außerdem könnten wir Hinweise
finden, wo wir eigentlich sind.“
Der Landevorgang stellte sich als schwierig heraus. Sie drehten sich noch einige
Male und wären fast gegen die Außenhülle gekracht, bevor sie schließlich
endlich ruhig standen. Jeder von ihnen atmete erleichtert durch. „Jou, Honda,
ihr bleibt am Schiff und schaut euch die Schäden an. Vielleicht ist Anzu wieder
fit genug um euch zu helfen. Ihr zwei“, er deutete auf Mariku und Bakura,
„kommt mit mir. Wir sehen uns hier um.“ Sie folgten ihm aus dem Cockpit.
„Die Station sieht zwar verlassen aus, aber das muss nicht bedeuten, dass sie
es auch ist. Wer weiß, was sich hier rumtreibt und ich werde gewiss kein Risiko
eingehen, deshalb gehen wir nicht unbewaffnet nach draußen. Auch wenn es nur
Betäubungsgewehre sind.“ Er reichte ihnen zwei Gewehre. „Schon mal mit so
was geschossen?“
Mariku betrachtete die Waffe in seiner Hand. Sie war federleicht und ein roter
Energiekern pulsierte in ihrer Mitte. „Nein.“
„Einmal“, antwortete Bakura, „aus Versehen.“
Ryou seufzte. „Versucht einfach niemanden von uns zu treffen.“
In der Raumstation war es eiskalt und stockdunkel. Das Licht ihrer Taschenlampen
reichte gerade mal aus um den Weg vor ihnen zu erhellen. Bakura kam das wenige
Licht gelegen; er hatte keinerlei Probleme sich umzusehen. Die Raumstation war,
wie erwartet, verlassen. Trümmer von Raumschiffen nahmen den meisten Platz ein.
Dazu gab es noch einige Kisten, die hauptsächlich an den Wänden gestapelt
worden waren. „An Ersatzteilen sollte es hier nicht mangeln“, sagte Bakura
während er seinen Blick durch die große Halle schweifen ließ. Seine Stimme
widerhallte an den Wänden.
„Pst“, fauchte Ryou ihn an.
„Keine Sorge“, Bakura deutete sich an die Ohren, „ich hab ein Supergehör
und dazu eine 1a Nachtsicht. An uns kann sich niemand anschleichen.“
„Vielleicht hab ich aber einfach keinen Bock deine Stimme zu hören?“ Mariku
lachte leise und Bakura stieß ihm mit dem Ellenbogen in die Seite.
„Weißt du, für einen Cygni bist du echt unfreundlich.“
Ryou schnaubte verächtlich und stieß die Tür auf, die aus der großen Halle
führte. „Ich bin eben anders.“
„Anders ist aufregend.“
„Versuchst du mich anzubaggern?“
„Ein bisschen.“
„Soll ich euch alleine lassen?“, mischte sich Mariku ein.
„Lieber nicht, weil jetzt wird’s gleich etwas eklig.“ Mariku und Ryou
sahen Bakura überrascht an, der hatte seinen Blick jedoch auf etwas weiter
Entferntes fixiert. Er drängte sich an Ryou vorbei und rannte den Gang nach
vorne. Mariku und Ryou folgten ihm. Der Lichtschein ihrer Taschenlampen fiel auf
zwei Skelette in Uniform, die Köpfe fehlten. „Die liegen hier schon seit ner
Weile.“
„Wo sind die Köpfe?“, wollte Mariku wissen und ging in die Hocke. Es war
das erste Mal, dass er richtige Skelette sah und fand es sehr faszinierend.
„Da vorne“, antwortete Ryou. Er hatte mit seiner Taschenlampe weiter in den
Gang hineingeleuchtet. Die beiden Köpfe lagen nur wenige Meter von den Körpern
entfernt.
Bakura betrachtete sie und berührte die Halswirbelknochen. „Abgerissen“,
murmelte er und richtete sich wieder auf. „Irgendwer oder irgendwas hat ihnen
regelrecht den Kopf vom Körper gerissen.“ Er umfasste den Griff der Waffe
fester. „Und ich hoffe, es ist nicht mehr da.“
„Lasst uns weitergehen. Wir müssen in den Kommandoraum.“ Sie setzten ihren
Weg fort. Diesmal unterhielten sie sich jedoch nicht. Mariku kaute auf seiner
Unterlippe, die Skelette gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Wie lange lagen sie
schon dort? Waren sie auch in Gefahr? Lauerte noch etwas in der Dunkelheit
dieser Raumstation, das ihnen ebenfalls die Köpfe abreißen würde? Er
schluckte und die ganzen Horror-Sci-Fi-Filme fielen ihm wieder ein. Kein
aufbauender Gedanke.
Sie betraten einen Raum zu ihrer Linken und der Geruch, der ihnen in die Nase
stieg, sorgte dafür, dass sich Mariku fast übergab. Auch Ryou rümpfte die
Nase, nur Bakura schien von dem süßlichen Verwesungsgeruch unberührt. „Der
ist noch nicht so lange tot“, war sein trockener Kommentar. „Aber er sieht
anders aus als die anderen zuvor.“ Ryou kam näher während Mariku an der Tür
stehen blieb „Er sieht auch irgendwie angeknabbert aus.“ Ryou ließ den
Schein seiner Taschenlampe über die Leiche nach oben wandern und zog scharf
Luft ein.
„Unmöglich!“, stieß er heiser aus. Er stolperte einige Schritte zurück,
die blanke Panik stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Das ist UNMÖGLICH!“
„Was? Was ist los?“ Bakura sah ihn verwirrt an.
„Unmöglich! Einfach unmöglich!“, wiederholte Ryou. Sein Körper zitterte.
„Wir müssen sofort hier weg.“
„Wieso?“
„SOFORT!“ Bakura sah hinunter auf die Leiche. Schuppen bedeckten teilweise
den Körper und er konnte spitze Zähne erkennen. Einer der langen Eckzähne war
abgebrochen. Er strengte sein Gedächtnis an, doch es war keine Spezies, die er
schon einmal gesehen hatte. Wieso machte sie Ryou solche Angst? Plötzlich
packte Ryou ihn am Handgelenk und zog Bakura hinter sich her. Er war
überraschend stark.
„Was ist denn los?“, fragte jetzt auch Mariku.
„Wir verschwinden“, war alles was Ryou sagte. Mariku und Bakura tauschten
fragende Blicke aus.
Bevor Mariku den Schmerz überhaupt spüren konnte, wurde sein Körper taub.
Alles was er noch spürte war, das Gewicht auf seinem Rücken und etwas, das
sich in seinen Rücken und seine Schulter bohrte. Er blinzelte. Seine Umgebung
verschwamm und verzerrte sich. Mariku geriet ins Wanken. Er machte einen Schritt
nach vorne, dann brach er zusammen. Er versuchte zu atmen, doch seine Lungen
füllten sich nur schwerfällig mit Sauerstoff. Mariku kämpfte gegen die
Ohnmacht an, doch mehr und mehr schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen. Wie
aus weiter Ferne hörte er Bakuras und Ryous Stimme und dann einen Schuss.
Schließlich nichts mehr.
„Was war das denn bitte?“, brüllte Ryou Bakura an.
„Entschuldigung, ich bin in Panik!“, brüllte Bakura zurück und hob die
Waffe auf, die er vor Schreck fallen gelassen hatte.
„Du bist ängstlicher als ein Menschenkind!“
„Ich bin noch nie einem Menschenkind begegnet, deshalb weiß ich nicht, ob du
mich gerade beleidigt hast!“
Ryou seufzte resignierend, dann sah er zu Mariku und dem Alien, welches betäubt
neben ihm lag. „Scheiße!“ Mariku hatte eine klaffende Wunde an der Schulter
und mehrere Kleinere am Rücken, wo sich die Krallen in den Körper gebohrt
hatten.
„Wir müssen ihn zurück ins Schiff bringen“, erklärte Bakura. „Er muss
sofort versorgt werden.“
„Er ist tot.“
„Wie kannst du das sagen? Er blutete nur.“
„Das“, Ryou deutete auf das Alien neben ihm, „ist ein Notechis. Ihr Gift
ist das stärkste, das du je finden wirst. Mariku ist tot.“
Bakura knirschte mit den Zähnen. „Es gibt kein Gift, für das es nicht auch
ein Gegengift gibt.“ Er ging neben Mariku in die Hocke und fühlte seinen
Puls. „Noch lebt er und ich lass nicht zu, dass er stirbt, ohne dass ich nicht
wenigstens versucht habe ihm zu helfen. Und jetzt hilf mir tragen.“ Er wollte
Mariku hochheben, doch Ryou hielt ihn auf.
„Ich trag ihn, weil das Vieh, fass ich nicht an.“
„Wie du meinst.“ Bakura war überrascht wie leicht der Notechis war. Er
spürte die Knochen und Muskeln unter der festen Haut. Die Schuppen fühlten
sich hart wie Stein an. Er roch das Blut am Mund des Notechis und leckte sich
unwillkürlich über die Lippen. Bakura schluckte und versuchte die Gedanken an
das süße Blut zu verdrängen, doch der Geruch setzte sich immer mehr in seiner
Nase fest. Er bekam Hunger. „Ist dir Mariku nicht zu schwer?“
„Oh bitte“, erwiderte Ryou abfällig und legte Mariku mit Leichtigkeit über
seine Schulter.
„Du steckst wirklich voller Überraschungen.“ Es war sowieso besser, wenn
Ryou Mariku trug. Allein der Geruch seines Blutes zerrte an Bakuras
Selbstbeherrschung.
Ryou grinste kurz, bevor seine Miene wieder ernst wurde. „Was hast du vor?
Für was brauchst du den Notechis?“
„Ich brauch sein Gift für ein Gegengift“, erklärte Bakura. Sie hasteten
zurück in Richtung Schiff.
„Und du weißt, was du machen musst?“
„Natürlich.“
„Ein Nocidea, der sich mit Gegengiften auskennt – interessant.“
„Ich bin eben anders“, sagte Bakura grinsend.
„Was ist los?“, rief Jonouchi ihnen zu als sie sich dem Schiff näherten.
„Mariku ist verletzt“, antwortete Bakura. „Ich brauche Verbände, ein
Glas, das gesamte Erste-Hilfe Zeug, das ihr habt und Anzu. Oh, und Alkohol!“
„Hier rein“, sagte Ryou und führte Bakura in einen kleinen, fast leeren
Raum. Er ließ Mariku zu Boden gleiten.
„Ist das…?“ Honda stand an der Tür. Auf seinem Gesicht lag derselbe
angsterfüllte Ausdruck, wie auf Ryous als dieser den Notechis gesehen hatte.
„Ja, hol die Ketten“, fuhr Ryou ihn an.
Bakura zerriss in der Zwischenzeit Marikus Oberteil. Der Blutgeruch machte ihn
fast wahnsinnig. „Reiß dich zusammen“, murmelte er sich selbst zu. Anzu kam
mit dem Erste-Hilfe-Set herein. „Ihr Seiren könnt doch Wasser produzieren,
richtig?“
„Ja.“
„Auch in unterschiedlichen Temperaturen?“ Anzu nickte. „Okay, seine
Körpertemperatur liegt inzwischen bei fast 41 Grad. Seine normale
Körpertemperatur ist ungefähr 37 Grad.“ Er strich sich durch die Haare. Das
Blut lenkte ihn ab. Am liebsten hätte er sein Gesicht in der Schulterwunde
vergraben. „Ist das der Alkohol?“, rief er aus als Jonouchi mit einer
Flasche durch die Tür kam. „Schnell!“ Bakura nahm einen tiefen Schluck und
seufzte dann erleichtert. Der Alkohol unterdrückte den Blutdurst zumindest für
eine kurze Zeit. „Wassertemperatur 45 Grad.“ Marikus Körper zuckte zusammen
als das heiße Wasser seine Wunden berührte. „Solange er noch zuckt, lebt er
noch.“ Er nahm das Glas und wandte sich dem Notechis zu, der von Honda an die
Wand gekettet worden war. Bakura öffnete den Mund des Notechis und drückte das
Glas unter dessen Eckzähne. Gift tropfte in das Gefäß. Bakura füllte Alkohol
ins Glas und mischte noch ein schmerzstillendes Mittel darunter. Mit einem
seiner Eckzähne ritzte er sich den Finger auf und tröpfelte sein Blut in das
Glas.
„Dein Blut?“, fragte Ryou skeptisch.
„Es neutralisiert die meisten Gifte“, antwortete Bakura mit konzentrierter
Miene und wischte mit den Fetzen von Marikus Shirt dessen Rücken trocken.
Anschließend goss er behutsam den Inhalt des Glases über die Wunden.
„Und das soll jetzt helfen?“
„Ich hoffe es.“
„Und was machen wir mit ihm?“ Bakura bemerkte die Furcht in Anzus Stimme.
Warum hatten sie nur solche Angst vor ihm? Er betrachtete den Jungen in Ketten.
Er wirkte noch sehr jung auf Bakura, doch das konnte täuschen. Er sah
abgemagert und kränklich aus. Die Rippen zeichneten sich deutlich unter seiner
Haut ab. Er wirkte nicht sonderlich bedrohlich, von den Krallen und Zähnen mal
abgesehen.
„Wir töten ihn“, antwortete Ryou kühl.
„Warum?“
„Warum?“, wiederholte Ryou zischend. „Er ist ein Notechis, darum!“
„Das ist doch keine Begründung!“ Bakura prüfte die Verbände und sah dann
zu Ryou auf.
„Das ist die beste Begründung überhaupt.“ Es war der pure Hass, der aus
Ryou sprach, das war Bakura sofort klar. Nur den Grund dafür kannte er noch
nicht.
„Ich brauch vielleicht noch mehr seines Gifts“, erklärte Bakura. Ihm war
nicht wohl bei dem Gedanken diesen Jungen umzubringen ohne etwas über ihn zu
erfahren.
Ryou schnaubte. „Morgen früh ist er tot.“ Er sah zu seinem Team. „Kommt
mit und bringt mich auf den aktuellen Stand wegen Amane.“
Bakura atmete erleichtert aus, dann hob er Mariku hoch und brachte ihn in seine
Kabine. „Stirb mir bloß nicht weg.“
Nur langsam kam Mariku wieder zu Bewusstsein. Sein Kopf fühlte sich schwer an
und er verspürte einen dumpfen Schmerz in seinem Oberkörper. Er wollte sich
bewegen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Es fühlte sich nicht einmal an
wie sein Körper. Er hatte einen metallischen Geschmack im Mund. Der Versuch die
Augen zu öffnen scheiterte kläglich. Was war passiert? Das letzte, an das er
sich erinnerte, war die Landung auf der Raumstation, doch alles was danach kam,
war nur schwarz. Er fühlte sich wie nach einer durchzechten Nacht, nur noch
etwas schlimmer. Wo war er? Was war passiert? Mariku schaffte es den Kopf zu
drehen.
„Mariku?“ Die Stimme kam ihm bekannt vor, aber irgendwie auch wieder nicht.
Wer war bei ihm? Er spürte kühle Finger, die sein Gesicht berührten. „Dein
Fieber ist runtergegangen.“ Fieber? Marikus Augenlider flackerten. Nur
schemenhaft konnte er seine Umgebung ausmachen. Er erkannte die Umrisse einer
Person neben ihm. Mariku öffnete den Mund, doch kein Laut verließ seine Kehle.
„Hast du Durst?“ Er nickte schwach. Langsam schärfte sich sein Blickfeld.
Bakura war bei ihm. „Setz dich vorsichtig auf.“ Bakura half ihm dabei und er
gab einen wehleidigen Laut von sich als ein stechender Schmerz durch seine
Schulter zuckte. Erst jetzt bemerkte er den Verband.
„Was…?“
„Trink erst mal.“
Gierig trank Mariku das Wasser und ignorierte dabei, dass die Hälfte auf der
Bettdecke und seiner Brust landete. „Was ist passiert?“
„Du wurdest angegriffen und vergiftet.“ Mariku sah Bakura ungläubig an.
Wieso konnte er sich daran nicht erinnern? „Keine Sorge, ich hab dich
verarztet und da du jetzt wach bist, geh ich davon aus, dass du nicht
stirbst.“
„Danke“, murmelte Mariku und ließ sich zurück auf die Matratze sinken.
„Was hat mich angegriffen?“
„Ein Note-dingsda, ich hab’s vergessen, aber alle scheinen eine ziemliche
Panik wegen ihm zu schieben. Es sagt mir nur keiner warum.“ Bakura zuckte mit
den Schultern. „Ryou hat ihn in Ketten legen lassen und will ihn morgen früh
umbringen.“
„Oh.“ Mariku schloss die Augen. Er fühlte sich ausgelaugt und wollte am
liebsten wieder weiterschlafen. „Ich will ihn sehen.“
„Du solltest dich lieber noch nicht bewegen.“
Mariku drehte den Kopf zur Seite und sah Bakura an. „Bitte.“
Bakura seufzte. „Als ob ich verletzten, halbnackten Kerlen widerstehen
könnte.“ Er zuckte resignierend mit den Schultern und Mariku lachte leise.
Bakura half ihm aus dem Bett und stützte ihn.
„Das merk ich mir.“
„Verzichte bitte darauf dich wieder fast umbringen zu lassen, das ist ein
bisschen stressig.“
Mariku starrte das Alien lange an, bevor er etwas sagte. „Sieht gar nicht so
bedrohlich aus.“
„Genau meine Meinung, aber Ryou sieht auch nicht so bedrohlich aus, aber ich
hätte trotzdem Angst, dass er mir den Schwanz abbeißt.“
„Das mach ich auch, wenn du weiter so dumme Sprüche reißt.“
Bakura zog den Kopf ein und grinste leicht. „Hab dich gar nicht bemerkt.“
„Dass du es nicht hörst, wenn sich jemand anschleicht, hast du ja schon
eindrucksvoll bewiesen. Was wollt ihr hier?“
„Ich wollte gerne sehen, wer mich fast umgebracht hätte.“
„Genieß den Anblick solange du noch kannst. Ich kann’s kaum erwarten, das
Leben aus ihm rauszuquetschen. Wobei ich mich noch nicht entschieden habe, wie
ich ihn umbringe. Es wird jedenfalls lange dauern und schmerzvoll sein und ich
werde jede Sekunde davon genießen.“
Plötzlich erklang leises Lachen. „Als ob ich zulasse, dass Abschaum wie du
Hand an mich legt.“ Malik hob den Blick. Ein amüsierter Ausdruck lag in
seinen Augen. Er lispelte und Mariku konnte die gespaltene Zunge sehen als er
sich über die Lippen leckte.
Ryous Augen verengten sich. „Oh, du bist wach.“
Doch Malik beachtete ihn gar nicht. Sein Blick war auf Mariku fixiert. „Oh,
der Mensch lebt noch.“
„Man braucht schon ein bisschen mehr als ein bisschen Gift um mich
umzuhauen.“
Malik gab einen amüsierten Laut von sich. „Wir werden sehen“, flüsterte er
und eine Gänsehaut kroch über Marikus Körper. Er hatte zuerst noch harmlos
ausgesehen, doch er wurde von Minute zu Minute bedrohlicher. Seine Präsenz nahm
den ganzen Raum ein.
„Hey Notechis!“ Gelangweilt richtete Malik seinen Blick auf Ryou. „Wie
viele von euch Bastarden gibt es noch?“
„Keine Sorge. Ich brauch keine Hilfe um euch umzubringen.“ Sein Kopf flog
zur Seite als Ryou ihm eine Ohrfeige verpasste. „Ich werde es genießen, dir
die Haut vom Gesicht zu schälen.“ Wieder eine Ohrfeige. „Ihr Cygni seid so
erbärmlich. Wir werden euch wieder auf euren vertrauten Platz verweisen.“
Ryou schlug ihm mitten ins Gesicht. Malik lachte und leckte sich das Blut von
den Lippen. „AUF DIE KNIE ABSCHAUM!“ Er zerrte an den Ketten. Ryou schlug
ihn erneut während Mariku und Bakura nur hilflos danebenstanden und nicht
wussten, ob sie eingreifen sollten oder nicht. „Das wirst du noch bereuen“,
sagte Malik leise und zischte. „Du und deine Familie.“
„Die hattet ihr schon“, fauchte Ryou und Malik wirkte plötzlich
interessiert.
„Hm, ja, du kommst mir irgendwie bekannt vor. Eine Schwester?“ Ryou
erstarrte. „Oh ja, eine Schwester. Was für ein schwaches, kleines Ding. Es
war ein Spaß ihr jede Feder einzeln auszureißen und dabei zuzusehen wie sie
wahnsinnig wurde und sich selbst die Augen ausgekratzt hat.“ Von seinem Hass
getrieben schlug Ryou immer wieder auf Malik ein bis Bakura schließlich
dazwischen ging.
„LASS MICH LOS!“, brüllte Ryou ihn an und versuchte sich seinem Griff zu
entwinden. „ICH BRING IHN UM!“ Tränen rannen ihm über die Wangen. „ICH
BRING DEN BASTARD UM!“
„Beruhig dich.“
„NEIN!“ Bakura warf ihn sich über die Schulter und trug den schreienden, um
sich schlagenden Ryou aus dem Raum.
Mariku und Malik waren allein und Mariku fühlte sich mehr als nur unwohl.
Maliks Blick war auf ihn fixiert und es schien ihm nichts auszumachen, dass ihm
Ryou gerade das Gesicht blutig geschlagen hatte. „Ein Mensch.“ Malik wirkte
amüsiert. „Ihr seid fast so armselig wie die Cygni. Eine schwache,
erbärmliche Rasse. Kurzlebig und so zerbrechlich.“
„Trotzdem hab ich dein Gift überlebt. Das heißt wohl, dass wir Menschen
stärker sind als du denkst oder du bist einfach nur schwach.“ Das Grinsen
verschwand aus Maliks Gesicht. Egal was er sagte, er konnte nur verlieren.
„Oh, du hältst dich für so clever. Am Ende wirst du um dein Leben
betteln.“ Er gab eine Reihe Zischlaute von sich und Mariku vermutete, dass das
seine Muttersprache war.
„Du kennst Ryous Schwester nicht mal, nicht wahr?“, wechselte Mariku das
Thema. Er fühlte sich unbehaglich mit Malik über sich oder die Menschheit zu
sprechen. Es war besser, wenn er nicht so viel preisgab.
Das Grinsen kehrte zurück. „Nein.“
„Warum hast du’s dann gesagt?“
„Ich wollte ihn leiden sehen.“
„Warum?“
„Es macht Spaß.“ Mariku lief es eiskalt den Rücken hinunter. Er ging zur
Tür, denn er hielt es keine Minute länger mit Malik aus. Man durfte sich
wirklich nicht von seinem Aussehen täuschen lassen. Malik ließ ihn nicht aus
den Augen. Bevor er den Raum verließ, warf Mariku noch einen letzten Blick
über die Schulter. Malik zischte und lachte dann leise.
„Was hältst du von ihm?“, fragte Bakura während er Marikus Verbände
löste.
„Er ist eiskalt, grausam, hat Spaß daran andere zu quälen und wird uns
töten, sobald er die Gelegenheit dazu bekommt.“
„Mit ziemlicher Sicherheit.“
„Hat Ryou irgendwas gesagt?“
„Außer mich beschimpft? Nein. Ich hab ihn mit dem restlichen Alkohol allein
gelassen. Oh.“
„Was?“
„Deine Schulter.“ Bakura beugte sich näher zu ihm. „Es sieht aus als
hätte er ein Stück rausgebissen. Das gibt eine hübsche Narbe.“
Mariku seufzte. Er war noch keine zwei Tage unterwegs und schon fast
draufgegangen. Was für ein Rekord. „Wissen wir schon, wo wir sind?“ Doch
bevor Bakura antworten konnte klopfte es an der Tür. „Ja?“
Anzu trat ein. Sie trug ein Tablett mit zwei Tellern darauf herein. „Ich hab
euch Suppe gemacht, falls ihr Hunger habt.“ Sie machte einen ängstlichen
Eindruck und ihre sonst mehr blaue Haut, hatte sich grün verfärbt. „Ich
störe doch nicht?“ Ihr Blick huschte kurz über Marikus nackten Oberkörper
bevor sie ihn senkte.
„Nein, natürlich nicht. Stell’s einfach auf dem Tisch ab.“
Anzu trat unruhig von einem Bein auf das andere. Etwas schien ihr noch auf dem
Herzen zu liegen. „Wie geht es deinen Wunden?“
„Wird schon wieder. Bakura kümmert sich ganz gut um mich.“
„Gut.“ Nervös nestelte sie am Saum ihres Rockes. „Ich“, sie strich sich
eine Strähne hinters Ohr. „Ich will euch von den Notechis erzählen.“
Mariku und Bakura sahen sie überrascht an. „Wenn es euch interessiert?“ Die
beiden Männer nickten und Anzu setzte sich. „Ich war damals noch nicht
geboren, deshalb kann ich euch keine genauen Details erzählen. Es wird nicht
sehr gerne darüber gesprochen. Es war eine dunkle Zeit.“ Sie biss sich auf
die Unterlippe. „Die Notechis waren einst die Herrscher über mehrere
Galaxien. Grausame Herrscher. Sie haben ganze Spezies versklavt und ausgerottet.
Sie folterten, weil es ihnen Spaß machte; zur Unterhaltung. Es gab immer wieder
Widerstände, aber die Notechis waren Kampfmaschinen. Niemand hatte eine Chance
gegen sie. Ryous Volk, die Cygni, hatten es besonders schwer. Sie sind eine
friedliche Rasse, sie kämpfen nicht und die Notechis hatten besonders viel…
Spaß mit ihnen.“ Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. „Ryou weiß wie es ist
ein Sklave zu sein, deshalb ist er, wie er ist. Er hat gelernt, dass man nur mit
Füßen getreten wird, wenn man nicht stark ist und er will stark sein. Die
Wahrheit ist, er hat Angst. Er hat riesige Angst vor dem Notechis, denn er
sollte gar nicht existieren. Die Notechis sind ausgestorben, seit über 150
Jahren!“
„Was ist damals passiert?“, wollte Bakura wissen. Er hatte ganz vergessen,
dass er Marikus Verbände wechseln wollte.
„Es kam zu einem Krieg. Die Notechis hatten sich mit den Falschen angelegt.“
Anzu strich sich unruhig über den Arm. „Zumindest sah es anfangs so aus, doch
die Notechis waren einfach zu übermächtig und sie hatten starke Verbündete
gewonnen.“
„Trotzdem sind die ausgelöscht worden?“ Anzu nickte. „Wie?“
„Glück. Pures Glück. Eine Supernova hat ihren Heimatplaneten zerstört und
90% ihrer Kriegsflotte. Die Überlebenden wurden gejagt und hingerichtet.“ Sie
atmete tief durch. Ihre Kiemen flatterten dabei aufgeregt. „Sie galten als
ausgestorben.“
„Eine Supernova“, murmelte Mariku. „Wie kann es dann sein, dass wir einen
in Ketten auf diesem Schiff haben?“
„Das ist es ja!“ Sie sprang auf. Ihre Stimme klang schrill. „Wenn es einen
gibt, dann gibt es auch noch mehr und sie hatten 150 Jahre Zeit sich zu
erholen.“
„Was, wenn er sich einfach nur die ganze Zeit versteckt hatte?“ Bakura legte
Mariku die neuen Bandagen an.
„Unmöglich. Die Raumstation war schon lange verlassen. Er hätte niemals
genug Nahrung für so einen langen Zeitraum gehabt.“
„Naja, es würde erklären, warum er seinen Kumpel aufgegessen hat.“ Sowohl
Anzu als auch Mariku sahen ihn entsetzt an. „Was? Die Leiche hatte deutliche
Bissspuren.“
„Es gab noch einen weiteren Notechis auf der Station?“ Anzus Stimme zitterte
stark. Sie schien kurz vor einer Panikattacke zu stehen.
„Beruhig dich. Er war tot.“
„Aber das heißt, es gab noch mehr.“ Anzu legte die Hände auf ihren Mund.
„Ich muss“, sie atmete tief durch, „mich hinlegen.“
Mariku wollte die Arme hinter den Kopf verschränken, doch als der Schmerz ihn
durchzuckte senkte er die Arme wieder. Bakura hatte ihm etwas gegen die
Schmerzen gegeben, trotzdem waren sie da. Seine Schulter pochte und er konnte
einfach nicht einschlafen. Anzus Geschichte ließ ihn nicht los. Es war nicht
überraschend, dass Ryou den Notechis am liebsten sofort tot sehen wollte. Das
was er durchgemacht hatte, konnte sich Mariku noch nicht einmal in seinen
schlimmsten Albträumen vorstellen.
Mariku drehte sich auf die Seite und gleich wieder zurück. Seine Schulter
kannte kein Mitleid mit ihm. Er stand auf, nahm den Teller mit der halb
aufgegessenen Suppe vom Tisch und verließ sein Zimmer. Auf dem Weg in die
Küche blieb er vor dem Raum stehen, in dem Malik gefangen gehalten wurde.
Mariku atmete tief durch und öffnete die Tür. Malik lag zusammengerollt nah an
der Wand um eine möglichst bequeme Schlafposition zu haben. Als Mariku eintrat
öffneten sich seine Augen. Sein Gesicht war immer noch blutig. „Oh, was für
eine Überraschung. Was ist das? Meine Henkersmahlzeit?“
Mariku sah auf den Teller in seiner Hand. „Eigentlich nicht“, murmelte er
und stellte den Teller auf dem nahen Tisch ab. „Wann hast du zuletzt etwas
gegessen?“
„Vor ein paar Stunden. Fleisch. Saftig und zart.“ Malik leckte sich grinsend
über die Lippen und Mariku warf einen Seitenblick auf seine Schulter.
„Ich hab gehört, was deine Spezies in der Vergangenheit getan hat.“
„Ah.“ Malik schloss die Augen. „Die guten alten Zeiten. Damals kannte
Ungeziefer wie du noch seinen Platz.“
„Du warst damals dabei?“
„Natürlich!“ Der Stolz in seiner Stimme war deutlich herauszuhören. Die
Langlebigkeit mancher Alienrassen verwunderte Mariku immer wieder aufs Neue.
Malik war damit über 200 Jahre alt. Aussehen tat er jedoch wie ein Teenager.
„Wie heißt du?“
Malik gab einen spöttischen Laut von sich. „Wieso sollte ich dir das
verraten, Abschaum?“ Trotz seiner aussichtslosen Situation zeigte Malik weder
Respekt noch Furcht. Er benahm sich als hätte er die Situation voll unter
Kontrolle.
„Wenn du ihn mir verrätst, dann kriegst du den Rest dieser Suppe.“
Maliks Blick huschte kurz zum Teller auf dem Tisch. „Schlechtes Angebot.“
Doch sein Blick verweilte lange genug darauf um Mariku zu zeigen, dass die Suppe
sehr wohl ein gutes Angebot war. Er musste nur an Maliks Stolz vorbei.
„Findest du? Naja, dann schütte ich sie wohl besser weg.“ Er nahm den
Teller vom Tisch. „Schade drum, sie ist echt lecker.“ Er wandte sich zum
Gehen.
„Warte“, zischte Malik und Mariku drehte sich mit gespielt fragendem Blick
wieder zu ihm um. „Mein Name ist Malik und jetzt her mit dem Essen, du
verdammtes Insekt.“
Mariku konnte das triumphierende Grinsen gerade noch unterdrücken. Er setzte
den Teller an Maliks Lippen an und dieser trank gierig die Suppe bis nichts mehr
davon übrig war. „Malik also, hm?“ Er stellte den Teller wieder auf den
Tisch. „Den Namen gibt es auf der Erde auch.“ Maliks Augen verengten sich zu
Schlitzen. Das schwache Menschen denselben Namen trugen wie er, schien ihm nicht
zu gefallen. „Er bedeutet so viel wie König.“ Das dagegen schien ihm zu
gefallen.
„Sieht so aus als wärt ihr Menschen doch nicht ganz so dumm.“
„Ich werte das mal als Kompliment.“ Stille kehrte ein und Mariku strich sich
unruhig über den Nacken. Unter Maliks Blick fühlte er sich wie die Beute,
Angesicht zu Angesicht mit ihrem Jäger, und das, obwohl Malik in Ketten lag.
„Hast du keine Angst vor morgen?“
„Wieso sollte ich?“
„Ryou wird dich umbringen.“
Malik gab eine Reihe von Zischlauten von sich. Er klang amüsiert. „Nein, wird
er nicht.“
Kapitel 3
Mariku saß in seiner Kabine gegen die Wand gelehnt und starrte an die Tür.
Maliks Selbstsicherheit hatte ihn überrascht. Er war so davon überzeugt, dass
er nicht sterben würde, das Mariku sich regelrecht dumm vorkam, dass er
überhaupt davon ausging. Natürlich hatte er Malik gefragt, was ihn so sicher
machte, aber Malik hatte sich nur mit einem „Du langweilst mich“ von ihm
weggedreht und nicht mehr auf ihn reagiert. Mariku seufzte. Er versuchte Malik
einzuschätzen, doch es war unmöglich. Für ihn schien das alles nur ein Spiel
zu sein.
Mariku berührte seine linke Schulter. Die Schmerzen wurden immer stärker. Ob
es okay war, wenn er Bakura weckte? Immerhin war es sowieso fast morgen.
Zumindest hoffte er das, denn er hatte keine Lust mehr tatenlos herumzusitzen
und darauf zu warten bis die anderen aufwachten, nur weil ihn seine Schulter
nicht schlafen ließ. Außerdem ließ ihn Maliks Verhalten nicht los. Es machte
ihn unruhig, nicht einmal im Ansatz zu ahnen was in ihm vorging. Mariku seufzte
genervt. Er wollte endlich hier weg und nach Ptera. Er hoffte nur, sie würden
noch rechtzeitig ankommen. Noch hatte er zwei Tage, bis er sich in der Schule
melden musste. Warum musste ausgerechnet ihm so etwas passieren? Er hatte zwar
immer von Abenteuern geträumt, aber erst nachdem er Pilot war. Er seufzte
erneut und legte den Kopf zurück. Zumindest hatte er so am ersten Schultag
gleich etwas zu erzählen, sofern er lebendig hier rauskam.
Mariku horchte auf, als er Geräusche auf dem Flur hörte. Hastig stand er auf
und trat aus dem Zimmer, dabei stieß er mit Bakura zusammen. Mariku verzog das
Gesicht vor Schmerz und hielt sich den Arm. „Sorry“, murmelte Bakura, doch
er sah ihn nicht an. Sein Blick war auf Ryou gerichtet, der zusammen mit Honda
in dem Raum verschwand, in dem Malik festgehalten wurde. „Muss ich mir deinen
Arm noch mal anschauen?“
„Ja.“ Doch Mariku war sich nicht sicher, ob Bakura ihn überhaupt gehört
hatte.
„Süß“, hörten sie Malik sagen, als sie den Raum betraten. Er hatte
inzwischen eine Kratzwunde an der Wange und Blut tropfte von Ryous Krallen auf
den Boden. Malik schenkte Mariku einen kurzen Blick, dann wandte er seine
Aufmerksamkeit wieder Ryou zu.
„Verschwindet!“, fauchte Ryou sie an ohne sich umzudrehen.
„Ich bin nicht hier um dich aufzuhalten“, erklärte Bakura schulterzuckend
und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Wand. Mariku blieb an der
Tür stehen, nicht sicher, warum er überhaupt hier war. Er wollte nicht dabei
zusehen, wie Ryou Malik umbrachte. Trotzdem hielt er seinen Blick auf ihn
gerichtet; neugierig, wie er aus dieser Situation herauskommen wollte.
„Komm schon, du Insekt“, provozierte Malik. Er spannte die Muskeln in seinen
Armen an. „Zeig mir, was du drauf hast.“ Er zerrte an den Ketten. „Mach
ruhig weiter, sobald ich frei bin, zeig ich dir was Schmerzen sind!“
Ryou bebte vor Zorn. Er hielt Malik seine Klauen direkt vor die Augen. „Du
wirst nie wieder irgendwen verletzten, du Bastard. Ich sorg dafür, dass du mich
anbettelst, dass ich dich endlich umbringe. Ich werde meine Familie rächen. Ich
werde alle rächen!“ Seine Stimme war leise, doch Malik zeigte sich von seiner
Drohung nicht beeindruckt. Er lachte nur und Mariku lief es eiskalt den Rücken
hinunter. Selbst Bakura verlagerte unbehaglich sein Gewicht.
„Das wirst du bereuen, Sklave.“ Ryou schlug Malik erneut und verpasste ihm
eine weitere Kratzwunde.
„Ich bin kein Sklave“, fauchte Ryou und ballte die Hände zu Fäusten.
„Aber bald wieder.“
Ryou packte Malik an der Kehle. Sein Gesicht war vor Wut und Hass verzerrt.
Seine Krallen ritzten die schuppenlose Haut an und Blut rann langsam an Maliks
Hals hinab. Malik zeigte immer noch keine Spur von Angst. Im Gegenteil, er sah
Ryou gelangweilt an, dann glitt sein Blick zu Mariku und fixierte sich auf ihn.
Mariku trat unruhig von einem Bein auf das andere. Er durfte sich nicht
einmischen. Das ging ihn nichts an. Er würde das noch bereuen. „Warte“,
sagte er schließlich und Maliks Lippen verzogen sich zu einem triumphierenden
Grinsen.
„Was?“, fuhr Ryou Mariku an ohne Malik loszulassen. Das Grinsen auf dessen
Gesicht machte ihn nur noch wütender. Er wollte ihm am liebsten sofort den Kopf
von den Schultern reißen.
Mariku seufzte. Was hatte er nur getan? „Wir wissen immer noch nicht, wo wir
sind, oder?“ Ryou antwortete nicht. Er ließ Malik nicht aus den Augen.
„Aber er weiß es.“
„Und du glaubst, ich traue auch nur einem Wort, das über seine Lippen
kommt?“, spie Ryou aus. Er ließ Malik los und wirbelte herum. Er sah aus als
wollte er jeden Moment auf Mariku losgehen.
„Er wird uns wohl kaum in den Tod lotsen, wenn er selbst an Bord ist.“
„Wir finden auch so einen Weg hier raus. Ich werde es gewiss nicht von
Abschaum wie ihm abhängig machen.“ Er drehte sich wieder zu Malik um.
Mariku atmete tief durch. Warum verteidigte er Malik? Er hatte es nicht
verdient. Er war ein Monster und er stritt es noch nicht einmal ab. Er war sogar
stolz darauf. „Aber…“ Ryou verdrehte die Augen.
„Wenn du so weiter machst, dann bring ich dich nach ihm um. Verschwinde
Mariku! Das hier geht dich nichts an, oder willst du ihm auch noch deine zweite
Schulter anbieten?“
Mariku biss sich auf die Unterlippe. „Ich weiß, was er und sein Volk getan
haben und ja verdammt, er hat den Tod verdient, aber überleg doch mal; was,
wenn es noch mehr von ihnen gibt? Was, wenn sie wieder einen Krieg planen?“
Diesmal machten Marikus Worte Ryou wirklich nachdenklich. „Du willst doch
nicht, dass sich alles wiederholt? Es wäre schlauer Malik…“
„Malik?“, fuhr Ryou dazwischen und Mariku wusste, dass er einen Fehler
gemacht hatte. „Du kennst seinen Namen?“
„Naja, ich…“
Ryou richtete seine blutverschmierten Klauen auf Mariku. „Siehst du nicht, was
er tut? Er beeinflusst dich! Und das sehr erfolgreich.“ Mariku sah über Ryous
Schulter hinweg zu Malik, der ihn weiterhin angrinste. „Ihr Menschen seid
einfach zu schwach.“
„Trotzdem hat er recht“, mischte sich plötzlich Bakura ein. „Wir können
nicht riskieren, dass es wieder zu einem Krieg kommt. Er ist ein
Kriegsverbrecher und er gehört bestraft, aber wir sollten ihn den Behörden
ausliefern.“ Wütend schrie Ryou auf und stürmte aus dem Raum. Honda folgte
ihm. Bakura sah Mariku schon fast vorwurfsvoll an. „Ich hoffe, ich bereu das
nicht eines Tages.“ Er stieß sich von der Wand ab und ging ebenfalls.
Mariku atmete tief durch. In was hatte er sich da nur wieder reinziehen lassen?
„Siehst du, ich hab doch gesagt, ich werd nicht sterben.“
„Ich werd das noch bereuen“, murmelte Mariku und strich sich durch die
Haare. „Ganz sicher.“
„Keine Sorge, als Belohnung werde ich dich schnell umbringen.“
Mariku schrie auf, als Bakura ihm in die Schulter kniff. „Ich will nicht, dass
du vergisst, zu was er fähig ist“, erklärte er mit grimmiger Miene.
„Werd ich ganz sicher nicht.“ Er trank das Glas, das Bakura ihm reichte, mit
zwei Zügen leer. Die Flüssigkeit schmeckte bitter, doch sie half gegen seine
Schmerzen. Trotzdem verzog Mariku das Gesicht. „Hunderte Jahre Evolution und
Medizin schmeckt immer noch eklig. Bäh!“
Bakura ließ sich auf Marikus Bett sinken und sah zu ihm hoch. „Erklär mir
lieber, was das für eine Aktion war. Das war echt dämlich.“
„Das wüsste ich auch gern“, antwortete Mariku und seufzte. Er setzte sich
neben Bakura. „Wahrscheinlich hat er mich wirklich irgendwie beeinflusst und
ich war zu dumm um es zu merken.“ Er strich sich durch’s Gesicht. „Ich bin
so ein Idiot.“
„Du kannst nur hoffen, dass er dich zuerst umbringt, weil, bei ihm wird’s
schneller gehen als wenn Ryou dich zwischen die Finger bekommt.“
Mariku grinste leicht. „Ryou würde mir den Schwanz abreißen und ihn essen,
während er mich dabei zusehen lässt.“
Bakura begann zu lachen. „Japp, genau das würde er tun. Und ich warne
dich“, er tippte mit seinem Finger gegen Marikus Brust, „wenn ich wegen dir
meine Chance bei ihm verspielt hab, dann musst du das wieder gut machen.“
„Welche Chancen?“
„Hey, zwischen uns ist definitiv was.“
„Ja klar. In deinen Träumen vielleicht.“ Sie lachten beide.
„RAUS!“, brüllte Ryou sie an, als Mariku und Bakura das Cockpit betraten.
Das Schiff hatte sich wieder in Bewegung gesetzt.
„Wir wollten nur…“
„VERSCHWINDET! Ich will eure Gesichter nicht mehr sehen. Raus! Raus! RAUS!“
Energisch deutete Ryou zur Tür und Mariku und Bakura zogen sich wieder
zurück.
„Wir können wohl froh sein, dass er uns noch nicht komplett von Bord geworfen
hat“, meinte Bakura schulterzuckend. Sie mussten sich an der Wand abstützen,
da das Schiff äußerst unsicher flog. Die Steuerung war immer noch defekt.
„Tut mir leid, dass du wegen mir jetzt auch noch Ärger hast.“ Seit Jupiter
schien wirklich alles schief zu laufen. Hätte er die Erde bloß nie verlassen.
Mariku seufzte. Und das nur weil er Partei für Malik ergriffen hatte, der ihn
zu allem Überfluss auch noch fast umgebracht hätte. Er musste wirklich an
seinen Prioritäten arbeiten. Es war besser, wenn er sich in Zukunft von ihm
fernhielt.
In diesem Moment nahm das Schiff eine leichte Schräglage ein. Die zwei Männer
verloren den Boden unter den Füßen und schlitterten den Flur entlang. Mariku
fluchte, als er sich die Schulter an der Wand stieß. „Das ist die schlimmste
Reise meines Lebens“, murrte er und drückte seinen verletzten Arm an sich.
„Du bist auch noch nie mit einem Onkel geflogen. Einmal und nie wieder, sag
ich dir.“ Bakura rieb sich den Hinterkopf. Das Schiff kehrte in seine normale
Position zurück und sie rappelten sich wieder auf. „Wir sollten uns trotzdem
anschnallen. Die Landung könnte etwas ungemütlich werden.“
„Landung?“, fragte Mariku verblüfft.
„Naja, ich hab einen Planeten gesehen, als wir zuvor bei Ryou waren. Ich gehe
davon aus, wir werden dort landen. Das Schiff muss repariert werden“, Bakura
öffnete die Tür zu seinem Zimmer, „und ich trau dem Notechis auch nicht
genug um ihn zu fragen wo wir sind.“
Mariku starrte für einen Moment auf die geschlossene Tür zu Bakuras Zimmer,
doch als das Schiff erneut ruckelte, eilte er in sein eigenes und setzte sich.
Kurz nachdem er sich angeschnallt hatte, stellte sich das Schiff auch schon
Kopf. Mariku fühlte sich wie in einer Achterbahn. Wieder ertönte das
Warnsignal und Mariku schloss die Augen. Der Sicherheitsgurt drückte
schmerzhaft gegen seine Schulter und die Erschütterungen machte seine Situation
nicht besser. Mariku fluchte. Er spürte, wie das Schiff beschleunigte. Aufgrund
der Schräglage ging er jedoch davon aus, dass die Geschwindigkeit nicht
beabsichtigt war. Sie wurden durchgeschüttelt und Mariku biss sich auf die
Unterlippe.
Als sie auf der Oberfläche des Planeten aufschlugen, wurde Mariku nach vorne
gerissen. Einer der Sicherheitsgurte riss unter der Belastung. Die Lichter
flackerten und erloschen anschließend. „Fuck, fuck, fuck“, murmelte Mariku
ohne Unterbrechung. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und wischte sich den
Schweiß von der Stirn. Seine Schulter blutete wieder. Die Tür zu seinem Zimmer
glitt auf. „Bitte sag mir, dass wir nicht abgestürzt sind.“
„Okay, ich sag’s dir nicht“, erwiderte Bakura. Er stand an der offenen
Tür und hatte den Absturz ohne Verletzungen überstanden. „Soll ich dir
helfen?“
„Nein.“ Mariku stützte sich mit seinem unverletzten Arm auf dem Tisch ab
und stemmte sich aus dem Sitz. Sein Arm zitterte und fast hätten seine Beine
unter ihm nachgegeben.
„Na gut, ich schau schnell wie’s den anderen geht, dann schau ich mir noch
mal deine Schulter an. Leg dich besser hin.“
Für einen Moment zog Mariku Bakuras Rat in Erwägung, doch dann verließ er
ebenfalls sein Zimmer. Er hörte Malik zischen und fluchen. „Seid ihr total
bescheuert?“, fauchte Malik ihn an als er den Raum betrat.
„Wir sind ein bisschen abgestürzt.“
„Oh, wirklich?“, sagte er mit einem sarkastischen Unterton. „Ihr seid
wirklich zu nichts zu gebrauchen.“ Er zerrte an seinen Ketten. „Lass mich
frei, dann erlöse ich euch von eurer Unfähigkeit.“
„Bist du verletzt?“ Malik gab nur einen abfälligen Laut von sich und Mariku
verdrehte die Augen. Warum war er überhaupt schon wieder hier? „Du könntest
wirklich netter zu mir sein, wenn ich schon dafür sorge, dass du nicht
umgebracht wirst.“
„Ich bin nicht von deiner Gnade abhängig, Mensch!“ Er spie das letzte Wort
regelrecht aus.
„Oh doch das bist du, Notechis!“ Malik zischte und fauchte. Er zerrte an den
Ketten und fletschte die Zähne. Mariku ließ ihn wieder allein. Großartig,
jetzt hatte er ihn auch noch wütend gemacht.
„Mariku verdammt, da bist du ja!“ Bakura kam ihm entgegen. „Du hast dir
echt einen Narren an ihm gefressen, was?“
„Halt’s Maul“, murrte Mariku. „Bei den anderen alles in Ordnung?“
„Nur ein paar Beulen.“ Bakura winkte ab. „Lass mich lieber deine Schulter
sehen.“
Sie kehrten in Marikus Zimmer zurück und Bakura löste den blutgetränkten
Verband. Er schluckte schwer, als er die offene Wunde sah. Der Blutgeruch stieg
ihm in die Nase und sorgte dafür, dass ihm das Wasser im Mund zusammenlief.
„Alles in Ordnung?“, wollte Mariku wissen, als Bakura keine Anstalten machte
sich um die Wunde zu kümmern. Bakura antwortete nichts. Wie gebannt starrte er
auf das Blut. Menschenblut roch so süß, es machte ihn fast wahnsinnig. Nur ein
Schluck. Nur ein kleiner Schluck. „Bakura?“ Mariku drehte sich um und Bakura
schreckte hoch. Blinzelnd sah er Mariku an.
„Ich… dein…“ Sein Blick fiel wieder auf die Wunde. Ein Rinnsal lief
über Marikus Brust. „Blut.“ Er leckte sich über die Lippen. „Es ist
so… ablenkend.“
„Ryou hat dich nicht ohne Grund einen Blutsauger genannt.“
Nur schwer konnte Bakura den Blick abwenden. „Nein.“ Sein Atem hatte sich
inzwischen merklich beschleunigt. „Nur ein bisschen“, flüsterte er.
„Verdammt noch mal“, fluchte Mariku und legte Bakura seinen Fuß auf die
Brust um ihn auf Distanz zu halten. „Was hab ich nur an mir, dass ihr Aliens
mich entweder flachlegen oder fressen wollt?“ Er stieß Bakura mit dem Fuß
vom Bett, was diesen wieder in die Realität zurückbrachte. Er schüttelte ein
paar Mal den Kopf.
„Ich komm gleich wieder.“
Doch bevor er den Raum verlassen konnte, stand Ryou an der Tür. „Jou, Honda
und ich gehen raus und sehen uns um. Ihr bleibt hier. Ihr verlasst nicht das
Schiff. Habt ihr mich verstanden?“
„Jawohl, Sir!“ Bakura deutete einen kleinen Knicks an und Ryou schenkte ihm
nur einen wütenden Blick.
Seufzend ließ sich Mariku auf die Matratze sinken und kümmerte sich nicht
darum, dass er damit das Laken versaute. Ob er überhaupt jemals auf Ptera
ankommen würde? Inzwischen zweifelte er daran.
Bakura kam mit einer Flasche in der Hand wieder zurück. „So“, er grinste,
„jetzt bin ich wieder voll da.“
Er befestigte die Bandagen und begutachtete sein Werk. „Noch irgendwelche
Schmerzen?“
„Momentan nicht“, antwortete Mariku und zog sich sein Oberteil wieder an.
„Gut, wollen wir uns draußen umsehen?“
„Klar!“ Zwar hatte Ryou ihnen verboten das Raumschiff zu verlassen, doch er
war bei ihm sowieso schon unten durch, da war es auch schon egal.
Draußen war es schwül und drückend. Mariku wischte sich über die Stirn und
lüftete sein Shirt. Der Boden war weich und morastig, weshalb sie aufpassen
mussten, wo sie hintraten um nicht im Morast zu versinken. Mariku legte den Kopf
in den Nacken. Er konnte kaum die Baumkronen erkennen. Wie es aussah waren sie
in eine Art Dschungel abgestürzt. Nur schwach drang das Licht durch das Loch,
welches sie in das Blätterdach gerissen hatten. Um sie herum war es dämmrig
und Mariku fiel es schwer etwas zu erkennen. Er betrachtete das Schiff und sah
Anzu darauf stehen. „Wie sieht’s aus?“, rief er zu ihr hoch.
„Die Außenhülle ist leicht beschädigt, aber das macht mir keine Sorgen.“
Sie sprang nach unten und landete grazil auf ihren Füßen. „Die Steuerung
macht mir mehr Sorgen. Ich weiß noch nicht, wo das Problem liegt.“ Sie
seufzte.
„Du findest es sicher“, sprach Mariku ihr aufmunternd zu und Anzu strich
sich verlegen eine Strähne hinters Ohr.
„Seht euch das mal an!“, rief Bakura plötzlich. Er stand ein Stück
entfernt und hatte die Hände zur Seite gestreckt, als wollte er gleich jemanden
umarmen. Zwischen den Bäumen war ein netzartiges Gebilde, auf dem Tautropfen
schimmerten.
„Sieht aus wie ein Spinnennetz“, erklärte Mariku, als er näher kam.
„Was ist ein Spinnennetz?“
„Spinnen sind eine Tierart auf der Erde, gibt unterschiedliche Arten und sie
spinnen solche Netze um Beute zu fangen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Für
gewöhnlich sind sie aber weitaus kleiner.“ Er betrachtete das Netz. Die
Fäden waren so dick wie sein Arm. Mariku bekam eine Gänsehaut. Er wollte ganz
sicher nicht auf die Spinne treffen, dessen Netz das war. Bakura streckte die
Hand aus um es anzufassen, doch Mariku hielt ihn auf. Er hob einen Ast vom Boden
auf und berührte damit das Netz. Das Holz blieb sofort kleben und egal wie sehr
er sich anstrengte, er bekam den Ast nicht mehr los.
Bakura schauderte. „Das war knapp.“
„Lass uns lieber zurückgehen.“ Mariku sah sich unruhig um. „Ich trau der
Sache hier nicht.“
Bakuras Blick war immer noch auf den Ast gerichtet. Er nickte langsam. „Es ist
auch verdammt still hier.“
„Was meinst du?“
„Naja“, er strich sich durch die Haare, „ich höre nichts. Rein gar
nichts.“ Er ließ seinen Blick über die Bäume schweifen. „Entweder ist das
hier ein toter Planet oder etwas hier verhindert jegliche Geräusche.“ Bakuras
Worte sorgten nicht dafür, dass sich Mariku ruhiger fühlte.
„Was ist mit Ryou und den anderen?“ Bakura schüttelte den Kopf. „Aber sie
können noch nicht so weit sein.“
„Ich weiß.“ Er knirschte mit den Zähnen. „Ich sollte sie ohne Probleme
hören können, aber…“ Er schüttelte den Kopf. Mariku war froh, als sie
wieder im Schiff waren, doch er fühlte sich nicht ruhiger. Was war das für ein
Planet? Waren Ryou, Jonouchi und Honda in Ordnung?
„Ich frage Malik, wo wir sind“, erklärte er und Bakura sah ihn skeptisch
an.
„Ryou hat recht, er ist nicht sehr vertrauenswürdig.“
Mariku zuckte mit den Schultern. „Aber er ist momentan der Einzige, der uns
überhaupt einen Anhaltspunkt geben kann. Er wird nicht wollen, dass wir
sterben, solange er angekettet ist.“
„Ihr Menschen seid echt seltsam.“
„Wem sagst du das“, murmelte Mariku und ging zu Malik. Dieser starrte ihn
wütend an. „Wo sind wir?“ Doch Malik presste nur die Lippen aufeinander,
wie ein kleines, schmollendes Kind. Mariku setzte sich ihm gegenüber. „An
deiner Stelle würd ich mit der Sprache rausrücken. Wir könnten sterben und
dann verrottest du in diesen Ketten.“
Malik zischte. Seine lange, gespaltene Zunge schnellte vor und verschwand dann
wieder hinter seinen spitzen Zähnen. „Woher soll ich das wissen? Falls es dir
noch nicht aufgefallen ist, ich bin hier festgekettet und es gibt hier kein
Fenster.“ Damit hatte er einen Punkt.
„So wie’s aussieht sind wir in einem Dschungel“, begann Mariku zu
beschreiben, „hohe Bäume, es kommt kaum Licht durch, trotzdem ist es
unangenehm schwül. Der Boden ist Morast. Bakura sagt, er hört nicht das
geringste Geräusch.“ Malik sah ihn mit unbewegter Miene an. Mariku konnte
nicht sagen, ob Malik den Planeten kannte oder nicht. „Außerdem gibt es
riesige Spinnennetze.“
„Was ist das?“ Seine Stimme klang gelangweilt. Mariku gab ihm dieselbe
Beschreibung, wie auch schon Bakura. Daraufhin veränderte sich Maliks
Gesichtsausdruck. Er wirkte besorgt, zumindest deutete Mariku es als Besorgnis.
Die Ketten klirrten als er unruhig seine Sitzposition veränderte. „Mach mich
los.“ Diesmal klang er angespannt.
„Ganz sicher nicht.“
„Mach mich los!“, wiederholte er eindringlich. „Ich geh hier nicht mit
euch zusammen drauf.“
Mariku hob eine Augenbraue. Also wusste Malik wo sie waren und was auch immer
hier lebte, es beunruhigte sogar ihn. Das konnte kein gutes Zeichen sein. „Wo
sind wir? Was lebt hier?“
Zischen. „Pack deine kleinen Freunde und bringt dieses Schiff hier weg.“
„Sag mir, wo wir sind!“
„Lass mich frei!“ Malik lehnte sich nach vorne, sodass die Ketten straff
gezogen wurden. Mariku blieb unbeeindruckt sitzen, auch wenn Maliks Gesicht nur
Zentimeter von seinem entfernt war. Unwohl fühlte er sich trotzdem.
„Vielleicht lass ich dich frei, wenn du mir endlich sagst, wo wir sind.“ Er
hatte es satt, das diese Aliens dachten, sie könnten ihn einschüchtern mit
ihren Krallen und Zähnen.
Mit einem frustrierten Laut ließ sich Malik zurücksinken. „Gut, dann
krepiert doch.“ Er drehte den Kopf zur Seite und Mariku verdrehte genervt die
Augen.
„Was für ein Dickschädel!“ Mariku stand auf, weil er sah, dass er hier
nicht weiterkam. Er musste warten bis Ryou zurückkehrte und ihm sagen, dass der
Planet gefährlich war. Zumindest hoffte er, dass Ryou zurückkam.
„Was herausgefunden?“, fragte Bakura. Er stand an der Türöffnung des
Raumschiffs und hatte die Augen geschlossen.
„Keine Details. Nur das, was auch immer hier lebt, ziemlich gefährlich ist.
Sogar Malik scheint Angst zu haben.“
Bakura sah ihn an. Sorge lag in seinem Blick. „Wenn jemand wie er schon Angst
hat, dann“, er wandte den Blick wieder nach draußen und ließ den Satz
unausgesprochen. Mariku konnte sich auch so denken, was er sagen wollte.
„Hörst du irgendwas?“
Bakura schüttelte den Kopf. „Nur Anzu. Die Stille macht mich noch
verrückt.“
„Ich hoffe, Ryou kommt bald zurück.“
Wie aufs Stichwort spannte sich plötzlich Bakuras Körper an. Mariku kam es
vor, als würden sich seine Ohren aufrichten. Dann rannte er los. Er stolperte
fast, als er mit einem Fuß im Morast versank.
Mariku trat ebenfalls nach draußen und sah ihm fragend hinterher. Was war denn
jetzt los? Anzu gesellte sich zu ihm. Sie schien genauso verwirrt wie er
selbst.
Plötzlich brach Ryou aus dem Unterholz hervor. Er atmete schwer und hatte einen
gehetzten Gesichtsausdruck. Unsicher warf er einen Blick über die Schulter.
Honda war direkt hinter ihm. Selbst aus der Entfernung konnte Mariku sehen, dass
seine Haut glühte. Jonouchi tauchte nicht auf und Mariku bekam ein flaues
Gefühl im Magen. Ryou hatte eine klaffende Wunde am Arm. Honda schien
unverletzt. „Was ist passiert?“, rief Bakura ihnen zu und blieb stehen.
„Hab ich nicht gesagt, ihr sollt im Schiff bleiben?“, schnauzte Ryou ihn an,
schien jedoch froh ihn zu sehen. Er verlangsamte seine Schritte und blieb
keuchend vor Bakura stehen.
„Was ist passiert?“, fragte Bakura erneut und nahm vorsichtig Ryous Arm. Der
Stoff seines Oberteils war mit Blut getränkt, die Wunde selbst blutete jedoch
nicht mehr. Ryou schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf.
Honda antwortete für ihn: „Wir wissen es nicht.“ Das Glühen seiner Haut
ließ nach.
„Und Jonouchi?“ Wieder Kopfschütteln von Ryou.
„Es geschah alles sehr schnell.“ Wieder antwortete Honda. „Wir wissen
nicht, was uns angegriffen hat.“ Er schüttelte den Kopf. „Plötzlich war
Jonouchi verschwunden.“
Sie kehrten zum Schiff zurück und Bakura begann sich um Ryous Wunde zu
kümmern. Es sah aus wie ein länglicher Schnitt, doch die Ränder waren
ausgefranst und wirkten verätzt. „Fühlst du dich seltsam?“, fragte Bakura
und Ryou schüttelte den Kopf. „Ist dir schlecht? Fällt dir das Atmen
schwer?“
„Nein.“
„Malik sagt, wir sollen verschwinden, wenn wir überleben wollen“, erzählte
Mariku.
Ryous Augen verengten sich als er Maliks Namen hörte. „Wieso sollte es mich
interessieren, was er sagt?“
„Weil euch irgendetwas angegriffen hat und Jou verschwunden ist? Selbst er hat
Angst.“ Ryou gab einen abfälligen Laut von sich. „Er sagt uns wo wir sind,
wenn wir ihn freilassen.“
Ryou lachte laut auf. „Denkst du, ich bin so dumm?“
Mariku platzte der Kragen. Er hatte die Schnauze voll davon, dass ihn jeder wie
einen Idioten behandelte, nur weil er ein Mensch war. Ungeachtet der Tatsache,
dass Ryou ihn mit seinen Krallen ohne Probleme aufschlitzen konnte, packte
Mariku ihn am Kragen und drückte ihn gegen die Wand. Ryou keuchte
schmerzerfüllt und verzog das Gesicht. „Jetzt hör mir mal zu, du
eingebildeter Fatzke. Da draußen ist etwas, dass uns umbringen wird und in
diesem Schiff ist ebenfalls etwas, das uns umbringen wird. So oder so, wir gehen
drauf. Es besteht jedoch eine geringe Chance, das Malik uns nicht umbringen
wird, weil er hier wegwill, also hör auf dich so anzustellen und lass ihn
frei!“ Er ließ Ryou los und dieser rutschte an der Wand hinunter zu Boden. Er
fasste sich an den Hals und atmete einige Male tief durch, bevor er den Blick
hob und Mariku wütend ansah. „Er ist der einzige, der uns jetzt helfen
kann!“ Er sah wie Ryou den Kiefer anspannte und seine Hände zu Fäusten
ballte. Er rechnete damit, das Ryou jeden Moment auf ihn losgehen würde, doch
Ryous Körperhaltung entspannte sich wieder leicht. Er griff in seine
Hosentasche und zog einen Schlüssel hervor, den er Mariku vor die Füße warf.
„Ich hoffe, er bringt dich um“, spie er ihm entgegen.
Mariku hob den Schlüssel auf und ging ohne ein weiteres Wort. In ihm brodelte
es immer noch. Er baute sich vor Malik auf und hielt den Schlüssel in die
Höhe. Mit gehobenen Augenbrauen sah Malik erst zum Schlüssel, dann zu ihm.
„Hilfst du uns, wenn ich dich freilasse?“
„Ja.“
„Du wirst uns nicht töten?“
„Vorerst nicht.“
Es war ein Risiko, aber sie hatten keine andere Wahl. Ihr Tod war
unausweichlich, solange sie nicht wussten, was dort draußen lauerte und Malik
konnten sie anschließend wieder in Ketten legen. Zumindest hoffte Mariku, dass
sie noch Gelegenheit dazu hatten. Der Schlüssel klickte im Schloss und die
Handfesseln fielen scheppernd gegen die Wand.
Kapitel 4
Malik rieb sich die Handgelenke, während er aufstand. Obwohl er gefesselt
gewesen war und nicht viel Bewegungsfreiheit hatte, wirkten seine Bewegungen
grazil. Mariku ließ ihn nicht aus den Augen, auch wenn er ihm nicht viel
entgegen setzen könnte, sollte er ihn angreifen. Doch Malik tat nichts
dergleichen. Er berührte die Kratzer an seiner Wange und verzog missbilligend
das Gesicht. Seine Augen verengten sich und er gab einen Zischlaut von sich.
„Also“, fing Mariku an und Maliks Blick richtete sich auf ihn. „Wo sind
wir?“
„Ich bin hungrig.“
„Sag mir erst, wo wir sind.“
Malik legte den Kopf leicht schief. „Nein.“ Mariku schloss für einen Moment
die Augen. Langsam aber sicher gingen ihm diese Aliens wirklich auf den Geist.
Er sah Malik an. Er würde ihm zeigen, dass er sich nichts gefallen ließ. Malik
verdankte ihm inzwischen so viel, da konnte er zumindest ein bisschen Respekt
erwarten. Er machte einen Schritt nach vorne, doch Malik reagierte wesentlich
schneller als Ryou zuvor und drehte den Spieß um. Er presste Mariku gegen die
Wand. Sie waren gleichgroß. „Mach keinen Fehler, Mensch“, flüsterte Malik
und leckte sich über die Lippen. Er ließ wieder von Mariku ab und dieser
fasste sich an die pochende Schulter.
„Wenn du mich tötest, werden die anderen nicht zögern dich umzubringen“,
fuhr Mariku ihn an, doch Malik lachte nur. Er machte eine auslandende Geste.
„Und du denkst, sie haben eine Chance?“ Malik grinste überheblich, dann
packte er Mariku wieder am Kragen und zog ihn zu sich. „Und jetzt gib mir was
zu essen, bevor wir gefressen werden.“ Er stieß ihn von sich Richtung Tür.
Mit grimmigem Blick strich sich Mariku sein Shirt glatt.
Es war kein angenehmes Gefühl Malik den Rücken zuzudrehen, weshalb Mariku
immer wieder unruhige Blicke über die Schulter warf. Doch Malik folgte ihm
schweigend; sein Blick wanderte umher, als würde er das Schiff analysieren.
Mariku biss sich auf die Unterlippe. Wahrscheinlich tat er das auch und plante
schon, wie er sie alle umbringen würde. Zumindest konnte er sie nicht alle
umbringen, wenn er hier weg wollte, denn das Schiff brauchte drei Leute für die
Steuerung.
Als die Tür zur Küche aufglitt, warf Mariku nochmal einen Blick über die
Schulter. Ob Malik das wusste? Obwohl er zuvor noch besorgt schien, wirkte Malik
jetzt ganz ruhig. Waren sie wirklich in Gefahr? Was war mit Jonouchi passiert?
Lebte er noch?
Malik ließ sich auf einen der Stühle sinken und begann mit seinen Klauen auf
der Tischplatte zu trommeln. Mariku öffnete die Kühlung. „Was… isst deine
Rasse?“
„Fleisch“, war die knappe Antwort. Mariku starrte den Inhalt des
Kühlschranks an und war im ersten Moment überfordert. Das Essen war in
verschiedenen Behältern abgepackt, die zwar beschriftet waren, doch in einer
Sprache, die Mariku nicht kannte. Unsicher streckte er die Hand aus. „Direkt
vor dir, gleich der erste links“, sagte Malik in seinem gewohnt gelangweilten
Tonfall. Mariku sah ihn kurz an und griff anschließend nach dem blauen
Behälter. Er stellte ihn auf den Tisch und entfernte den Deckel. Bevor er noch
irgendetwas tun konnte, hatte sich Malik schon ein Stück Fleisch geschnappt und
riss gierig die Verpackung ab.
Mariku schloss den Behälter wieder, doch bevor er ihn vom Tisch heben konnte,
knallte Maliks Hand auf den Deckel und verhinderte das. Kauend sah er Mariku an,
dieser hob die Hände und setzte sich Malik gegenüber. Malik schlang das
Fleisch regelrecht hinunter und Mariku wurde schon vom Zuschauen schlecht.
Die Tür glitt auf und Ryou trat ein. Sein linker Oberarm war einbandagiert und
in den Händen hielt er eine Waffe, die er sofort auf Malik richtete. Malik aß
jedoch unbeeindruckt weiter, auch wenn er Ryou nicht aus den Augen ließ. Ryous
Blick wanderte kurz zu Mariku; er bedachte ihn mit demselben hasserfüllten
Blick mit dem er Malik ansah. Mariku ignorierte es.
„Nun?“ Malik riss einen Brocken Fleisch mit den Zähnen ab und kaute
genüsslich. Ryou knirschte mit den Zähnen. „Wo ist Jonouchi?“
Malik schluckte und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „In ihrem
Nest.“
„Er lebt noch?“
„Höchstwahrscheinlich.“ Die Tür glitt erneut auf und der Rest der Crew
trat ein. Allen voran Honda, der keine Miene verzog als er Malik sah. Bakura sah
ihn neugierig und mit gehobenen Augenbrauen an. Anzu dagegen vermied jeglichen
Blickkontakt. „Seinen Beschreibungen zufolge“, er machte eine flüchtige
Handbewegung in Marikus Richtung, „sind wir auf Latro und haben es mit
Trodectans zu tun.“ Verständnislose Blicke wurden ausgetauscht und Malik
verdrehte die Augen. Er schob sich das letzte Stück Fleisch in den Mund und
öffnete dann den Deckel um sich ein neues zu nehmen. „Hässliche, haarige
Weiber“, erklärte er kauend.
„Das ist Selbstmord“, fauchte Malik wütend. Sie hatten ihn erneut betäubt
und gefesselt und das kratzte an seinem Stolz. Er zischte und fauchte, während
sie durch den dämmrigen Wald gingen. „Diese Loyalität wird uns alle
umbringen!“ Er stolperte nach vorne, als Honda das Betäubungsgewehr gegen
seinen Rücken stieß. Mariku stimmte ihm insgeheim zu. Es war blanker Wahnsinn
Jonouchi retten zu wollen und er hatte wenig Lust deswegen zu sterben. Sie
hätten auf Maliks Rat hören und sofort verschwinden sollen, doch Ryou weigerte
sich Jonouchi zurückzulassen.
Anzu war die einzige, die beim Schiff zurückgeblieben war, denn Maliks Worten
zufolge, hassten die Trodectans andere Frauen und würden nicht zögern Anzu
umzubringen. Mariku schauderte beim Gedanken daran, was Malik ihnen noch alles
erzählt hatte. Oh nein, er wollte ganz sicher nicht durch diesen Wald gehen.
Nervös sah er sich um und rechnete jeden Moment mit einem Angriff. Er versuchte
verbissen etwas in dem dämmrigen Licht zu erkennen, doch außer Bäume konnte
er nichts sehen. Hin und wieder hatte er das Gefühl, dass sich über ihnen
etwas bewegte, doch so sehr er auch seine Augen anstrengte, er konnte keine
Details ausmachen. Sie trugen Fackeln bei sich, die noch nicht entzündet waren,
denn Malik hatte gesagt, dass die Trodectans kein Feuer mochten. Mariku
zweifelte an der Effektivität der Fackeln. Es war, als würde man mit einem
Streichholz gegen einen Wolf vorgehen.
Bakura ging man der Spitze, denn er konnte am besten von ihnen sehen. Knapp
hinter ihm ging Ryou. Ihre weißen Haare schimmerten im Dämmerlicht. Malik und
Honda gingen hinter Mariku und alles was Mariku hören konnte, war Maliks
missbilligendes, leises Zischen.
„Siehst du etwas?“, fragte Ryou leise, den Griff seiner Waffe fest
umklammert. Bakura schüttelte den Kopf. Außer Bäumen konnte er kaum etwas
erkennen. Hin und wieder dachte er, einen sich bewegenden Schatten zu sehen,
doch dabei blieb es auch. Weder sah, noch hörte er ein Lebewesen. Von Malik
abgesehen, doch er hatte es geschafft ihn auszublenden.
Mariku lüftete sein Shirt. Es klebte an seinem Oberkörper und Schweiß rann
ihm von der Stirn. Die drückende Luft machte es ihm schwer vernünftig zu
atmen. Sie wusste noch nicht mal, wo sie nach Jonouchi suchen mussten und
rannten total planlos durch diesen Wald. Er ließ sich etwas zurückfallen um
neben Malik zu gehen. „Wie hoch sind unsere Überlebenschancen?“
Malik zischte ihn an. „Nicht vorhanden.“ Sein Blick bohrte sich regelrecht
in Ryous Rücken. „Und das ist alles die Schuld von diesem unnützen
Sklaven!“
Ryou blieb abrupt stehen und richtete seine Waffe auf Malik. „Noch ein Wort
und ich erschieß dich gleich hier.“
„Oh ja, bitte“, fauchte Malik ihn an. „Besser als das, was euch
erwartet.“ Das Durchladen der Waffen klang unnatürlich laut, doch bevor Ryou
abdrücken konnte, legte ihm Bakura die Hand auf die Schulter.
„Es gibt gerade bessere Ziele als ihn“, sagte Bakura mit gesenkter Stimme.
„Wir sind nicht mehr allein.“
Sofort hob Mariku den Blick, doch er konnte nichts Auffälliges entdecken. Malik
zischte leise und hatte den Blick auf etwas über ihren Köpfen fixiert. Kam es
Mariku nur so vor, oder war es plötzlich dunkler geworden?
„Honda, die Fackeln!“ Hondas Körper begann wieder zu glühen und es reichte
eine kurze Berührung seiner Hand um die Fackeln zu entzünden. Mariku hob seine
über den Kopf und versuchte etwas zu erkennen. Bewegten sich die Schatten?
„Macht mich los!“ Panik schwang in Maliks Stimme mit. Sein Blick war immer
noch auf etwas in der Dunkelheit fixiert und er zerrte an den Fesseln.
„Sie kommen.“ Bakuras Blick war in dieselbe Richtung gewandt wie Maliks.
Ryou hob das Betäubungsgewehr, auch wenn Malik mehrmals darauf hingewiesen
hatte, dass die nichts bringen würden. Trotzdem waren die Gewehre die einzigen
Waffen, die sie hatten.
„Mach mich los, verdammt noch mal“, fluchte Malik. Mariku zögerte einen
Moment, dann zog er das Taschenmesser aus seiner Hosentasche und setzte die
Klinge an den Fesseln an. Er hielt jedoch in der Bewegung inne, als Ryou einen
Schuss abgab und das Geschoss für einen Moment die Umgebung erhellte.
Zum ersten Mal konnte Mariku sehen, was die Trodectans wirklich waren, denn die
einzige Beschreibung, die Malik ihnen gegeben hatte, war „hässliche, haarige
Weiber“ gewesen. Ihm lief es eiskalt den Rücken hinunter. Schon als er das
riesige Spinnennetz gesehen hatte, hatte er ein mieses Gefühl gehabt, und das
wurde gerade bestätigt: Spinnen. Spinnenleiber, die in einen Frauenkörper
übergingen. Mariku war richtig erleichtert, als das Licht wieder erlosch.
„Mach endlich!“ Maliks Stimme holte ihn aus seinen Gedanken und er hätte
fast die Fackel fallen lassen, als er die Fesseln durchschnitt. Die Seilstücke
fielen zu Boden und Malik drehte sich zu ihm um. Im Schein der Fackel konnte
Mariku sein Grinsen sehen. „Viel Spaß beim Sterben“, flüsterte er und
bevor Mariku sich versah, verschwand Malik in der Dunkelheit.
Er fluchte und ließ zu allem Überfluss auch noch sein Messer fallen.
„Mariku, verdammt, was träumst du da rum?“, fuhr Ryou ihn an.
„Wo sind sie?“ Bakura war atemlos. Sein Blick glitt unruhig von links nach
rechts und nach oben. Ryou richtete seine Waffe nach oben. Sie standen eng
beieinander und die einzigen Geräusche waren ihre Atemzüge und das Knistern
der Flammen. Mariku spürte die Hitze, die Honda ausstrahlte. „Ah!“ Bakura
ließ die Fackel fallen und hielt sich die Hände vors Gesicht.
„Bakura?“
Plötzlich spürte Mariku etwas Klebriges an seinem Arm. Er versuchte es
abzuschütteln und trat einen Schritt zurück, nur um das Gleichgewicht zu
verlieren und auf den matschigen Boden zu fallen. Er konnte den dicken, weißen
Faden um sein Fußgelenk erkennen und hob die Fackel um es zu verbrennen. Kaum
kam das Feuer damit in Berührung gekommen, gab es eine Stichflamme und die
Fackel erlosch. Mariku fluchte auf jede erdenkliche Weise, die ihm einfiel. Ryou
fiel neben ihm auf den Boden. Er zappelte. Sein Körper war schon teilweise
eingesponnen.
Die Spinnfäden zischten regelrecht, als sie Hondas Körper berührt, doch
selbst dessen Hitze schien nicht auszureichen um das Eingesponnen werden zu
verhindern.
Mariku strampelte mit den Beinen und versuchte wegzukommen. Er griff nach seiner
Fackel und warf das Holz in die Dunkelheit. Er hörte einen dumpfen Aufprall und
ein wütendes Fauchen. „Ah!“ Er fasste sich an den Hals. Irgendetwas hatte
ihn gestochen, doch bevor seine Hand die Haut erreichte, wurde sein Körper
taub. Mariku schnappte hörbar nach Luft, dann verlor er das Bewusstsein.
Maliks Beschreibung der Trodectans war die Untertreibung des Jahrhunderts
gewesen. Sie waren für Mariku eine neue Stufe der Hässlichkeit. Ihre fetten
Spinnenleiber waren mit dicken, schwarzen Haaren bedeckt und laut Maliks
Aussage, wirkten diese wie eine Rüstung und konnten nicht durchdrungen werden.
Der fette Leib wurde von acht Beinen getragen, doch der humanoide Oberkörper
besaß noch zwei weitere Arme. Die Haare bedeckten jedoch nicht nur den
Spinnenleib, sondern zogen sich hoch bis zu den Brüsten. In der Mitten blieb
jedoch eine freie Stelle. Ihre Haut war so weiß wie Ryous Haare und spannte
sich über ihre Knochen. Die Finger waren lang und dürr. Auch ihr Oberkörper
war unverwundbar. Es war so gut wie unmöglich durch die Knochen zu brechen. Die
einzige verwundbare Stelle war der Hals.
Mariku sah sich um. Er klebte in einem Spinnennetz; Arme und Beine von sich
gestreckt und er konnte gerade mal den Kopf zur Seite drehen. Bakura war neben
ihm. Der Bereich um seine Augen war gerötet und er blinzelte in kurzen
Abständen.
„Das mit der Rettung solltet ihr noch mal üben“, hörte er Jonouchi über
sich sagen.
„So schlecht kann’s dir nicht gehen, wenn du noch dumme Sprüche reißen
kannst“, murrte Ryou. „Und wo ist dieser Notechis? Ich wusste, er verrät
uns!“ Das Netz zitterte etwas und Mariku vermutete, dass Ryou schuld daran
war. „Wer hat ihn überhaupt freigelassen?“ Kurze Stille. „Mariku!“
„Und? Ob er jetzt rumläuft oder hier mit uns hängst, was wär der
Unterschied?“ Er hatte wirklich keine Lust mit Ryou zu diskutieren. Nicht in
dieser Situation.
Mariku versuchte seinen Arm zu befreien, doch er konnte ihn nicht einen
Millimeter bewegen. Er seufzte. Wäre er bloß zuhause geblieben und Mechaniker
geworden.
Plötzlich erzitterte das Netz stärker. Etwas schien sich darauf zu bewegen.
„Fass mich bloß nicht an, du hässliches Weib!“, fluchte Ryou. Mariku
verdrehte die Augen. Natürlich war es eine gute Idee, die Trodectans auch noch
wütend zu machen. Als ob ihre Situation nicht schon schlimm genug war.
Die Spinnenfrau tauchte vor Mariku auf und es war das erste Mal, dass er sie aus
der Nähe sah. Mariku hätte gern auf diese Erfahrung verzichtet.
Das Beißwerkzeug klackte ununterbrochen. Die Augen waren riesig und in je acht
kleinere Augen aufgeteilt. Mariku schaffte es nicht, sie lange anzusehen. Jedes
Härchen auf seinem Körper hatte sich aufgerichtet. Eine knochige Hand umfasste
sein Kinn und zwang ihn aufzusehen. Mariku schauderte. Ihm wurde schlecht bei
dem Gedanken, was ihnen noch bevorstand.
Er konnte regelrecht Maliks Grinsen vor sich sehen, als er ihnen mit einem
amüsierten Unterton gesagt hatte, dass sich die Trodectans mit ihnen paaren
würden.
Als eine Spezies, die nur Weibchen hervorbrachte, waren die Trodectans von
anderen Spezies abhängig um sich fortzupflanzen. Die Paarung war für sie
regelrecht ein heiliges Ritual. Sie fingen Männchen und präsentierten sie
ihrer Königin. Die Königin hatte die erste Wahl für sich und ihre Töchter um
sicherzugehen, dass ihre Linie nur die besten Gene bekam.
Mariku verzog das Gesicht und war froh, als sie von ihm abließ. Er wollte sich
nicht vorstellen, wie die Paarung von Statten ging. Laut Maliks Worten würden
sie ein Gift injiziert bekommen, das dafür sorgte, dass zumindest ihre Körper
paarungsbereit waren. „Ich wünschte, Malik hätte mich umgebracht“,
murmelte er.
„Bist du etwa nicht scharf darauf ein paar echt abartige Weiber zu ficken?“
Mariku drehte den Kopf und sah Bakura angewidert an. Trotz seines amüsierten
Tonfalls sah Bakura aus, als wollte er sich die nächste Klippe
hinunterstürzen. Er blinzelte immer noch ununterbrochen. „Was ist mit deinen
Augen?“
„Keine Ahnung, aber es brennt wie Feuer. Ich hoffe, sie beeilen sich. Ich freu
mich schon auf den Teil, wo sie uns aufessen.“
„Du nervst mich schon genauso wie Jou mit deinen Sprüchen“, fauchte Ryou
über ihnen.
„Ich wollte nur die Stimmung etwas auflockern.“ Jonouchi lachte und selbst
Mariku musste schmunzeln. Ihre Situation konnte sowieso nicht mehr schlimmer
werden. „Aber hey Mariku, es ist wie du gesagt hast: Aliens wollen dich
entweder ficken oder fressen. Die Weiber hier wollen sogar beides.“ Er grinste
breit und trotz ihrer misslichen Lage musste Mariku lachen.
„Ihr seid solche Spinner“, maulte Ryou.
„Ach Ryou-Schätzchen, entspann dich ein bisschen. Wir werden bald
sterben.“
„Nenn mich nicht Schätzchen. Ich bin nicht dein Schätzchen!“
„Aber vielleicht wärst du’s geworden?“
„Ganz sicher nicht.“
„Wir hätten so ein hübsches Pärchen abgegeben.“
Ryou verdrehte die Augen. „Ich hoffe, sie fangen bald an, damit ich meine Ruhe
vor dir habe!“
„Du verletzt meine Gefühle.“
„Wenn ich könnte, würd ich dich richtig verletzen!“
„Oh, jetzt willst du mich heiß machen.“ Bakura grinste breit, während Ryou
wütend aufschrie. Das Netz erzitterte, als er sich gegen die Fäden stemmte.
„Weißt du, vielleicht entspannt dich der Sex ein bisschen.“
„Ich bring dich um!“ Ryou stieß eine Reihe von Schimpfwörtern aus, dann
wurde seine Stimme unnatürlich hoch und ging in einen Singsang über. Es war
das erste Mal, das Mariku Ryous Muttersprache hörte. Obwohl Mariku wusste, dass
er wahrscheinlich jede Menge Schimpfwörter ausstieß, hatte sie einen
angenehmen Klang.
„Das war das Heißeste, was je jemand zu mir gesagt hat“, sagte Bakura
grinsend, nachdem sich Ryou wieder beruhigt hatte.
„Provozier ihn nicht die ganze Zeit.“
„Aber er ist so süß, wenn er sich aufregt.“
„Du siehst ihn doch noch nicht einmal.“
„Ich stell‘s mir vor.“
Mariku schüttelte grinsend den Kopf. „Du bist echt ein Spinner.“
„Ich versuche nur meine letzten Momente so angenehm wie möglich zu gestalten.
In Panik verfallen bringt jetzt auch nichts.“
Das Netz begann wieder zu zittern und das Grinsen auf Marikus Gesicht erstarb.
Er versuchte nach oben zu sehen, doch das führte nur dazu, dass er mit seinem
Nacken am Netz kleben blieb. Ein dumpfes Geräusch war zu hören und dann das
wütende Fauchen einer der Spinnenfrauen. „Fass mich nicht an, du…“ Der
Rest des Satzes wurde von Spinnweben gedämpft. Eine Trodectans tauchte neben
Mariku auf, eine weitere neben Bakura. Sie tröpfelten etwas auf die Spinnweben,
welche sich daraufhin langsam auflösten. Doch lange konnte Mariku seine
neugewonnene Freiheit nicht genießen, denn kaum war er frei, wurde er erneut
mit Spinnweben gefesselt. Er sah wie Ryou zappelnd an ihm vorbeigetragen wurde,
den Mund mit Spinnweben verklebt. Mariku hielt still, als die Trodectans ihn
hochhob und versucht nicht mit dem Gesicht die Haare zu berühren. Eine
Gänsehaut kroch über seinen Körper und er versuchte, nicht an das
Bevorstehende zu denken. Der Versuch war jedoch nicht von Erfolg gekrönt, denn
seine Fantasie war viel zu lebhaft dafür. Er schauderte. Konnte man vor Ekel
sterben? Denn das würde er ganz sicher.
Plötzlich war lautes, aufgebrachtes Fauchen zu hören und Mariku wandte den
Kopf. Ein unangenehmer Geruch stieg ihm in die Nase, der ihn an verbrannten
Gummi erinnerte. Er rümpfte die Nase.
Honda lag auf dem Boden. Sein Körper glühte wieder und Rauch stieg von seinen
Fesseln auf. Die Trodectans wurden unruhig. Drei von ihnen näherten sich Honda.
Mariku zog die Stirn kraus. Was hatte er vor? Wollte er sich schon vorab
umbringen lassen? Oder war das ein eher kläglicher Versuch frei zu kommen?
Mariku reckte den Hals, doch die Trodectans, die ihn trug, setzte sich wieder in
Bewegung und er verlor Honda aus den Augen.
Mariku sah sich um, während sie über immer mehr Netze stiegen. Zumindest
sofern er etwas erkennen konnte. Die Trodectans schienen überall zu sein.
Dafür, dass ihre Fortpflanzung von anderen Arten abhängig war, schien ihre
Population sehr hoch zu sein. Mariku versuchte zu zählen, doch es war
unmöglich.
Eine Lichtung tat sich vor ihnen auf. Zu allen Seiten waren die Bäume mit
Spinnnetzen verziert. Hunderte Augen waren auf sie gerichtet, als Mariku und die
anderen fast in der Mitte der Lichtung auf den Boden gestellt wurde.
„Ich fühl mich ein bisschen beobachtet“, murmelte Jonouchi und sah sich mit
großen Augen um.
„Ich bin ganz froh, dass ich grad nicht so viel sehe“, flüsterte Bakura.
Die Haut um seine Augen war immer noch gerötet. Ryous Mund war immer noch
verklebt. Er blickte nur finster drein.
„Es sind verdammt viele.“ Mariku legte den Kopf in den Nacken. Die
Trodectans waren überall. Sie würden schon allein vor Erschöpfung sterben,
wenn sie mit allen… Mariku schluckte.
Honda wurde neben ihnen abgestellt. Er hatte den Kopf gesenkt und die Augen
geschlossen. Sein Körper wankte leicht. „Alles in Ordnung?“, flüsterte
Jonouchi ihm zu, doch Honda schüttelte nur schwach den Kopf.
Eine Trodectans kam von der anderen Seite der Lichtung und gab aufgeregtes
Klackern und Fauchen von sich. Das schien die anderen in Aufruhr zu versetzen.
Die, die sie hergebracht hatten, zogen sich zurück. Nur eine blieb zurück und
entfernte die Spinnweben um Ryous Mund. Ryou verzog das Gesicht vor Schmerz.
„Verfluchtes Miststück“, fauchte er.
Über ihnen kam plötzlich Bewegung in die Spinnenfrauen und die Trodectans
stellte sich neben sie wie eine Wache. Mariku hob den Blick. Zwischen den Aliens
hatte sich eine Lücke geöffnet und eine Trodectans seilte sich von oben herab.
Als ihre acht Beine auf dem Boden aufsetzten, zweifelte Mariku keine Sekunde
daran, dass es sich hierbei um die Königin handelte. Sie war größer und
fetter als die anderen, zumindest was ihren Spinnenleib anging. Der Oberkörper
wirkte genauso abgemagert wie bei den anderen. Ihre Wache verbeugte sich und
verharrte in dieser Position.
Die Königin kam näher und betrachtete zuerst Honda. Sie sagte etwas zu ihrer
Wache, welche hastig und nervös antwortete.
„Sieht aus, als würde der Spaß endlich losgehen“, murmelte Bakura. „Es
war schön euch gekannt zu haben.“
„Ich wünschte, ich hätte euch nie kennen gelernt“, erwiderte Ryou grimmig.
„Das hier ist alles eure Schuld.“
„Du könntest mir ruhig etwas Nettes sagen, jetzt, im Angesicht des Todes.“
„Ich hoffe, ich darf dabei zusehen, wie sich dich umbringen.“
„Du willst doch nur wissen, wie ich nackt aussehe.“ Ryou verdrehte die
Augen. Er konnte nicht glauben, dass er in so einer Situation wirklich noch
Energie darauf verschwendete mit Bakura zu streiten. Bakura war noch tausendmal
schlimmer als Jonouchi, was die dummen Sprüche anging.
Als Mariku an der Reihe war, wandte er den Kopf zur Seite und versuchte die
Finger in seinem Gesicht zu ignorieren. Er ertrug den Anblick ihres Gesichts
nicht. Er hatte in seinem ganzen Leben nichts Widerlicheres gesehen. Mariku
hatte das Gefühl, als würde sich die Königin besonders viel Zeit bei ihm
lassen, aber vielleicht kam ihm das auch nur so vor. Er atmete erleichtert aus,
als sie weiter zu Bakura ging.
„Wow, ich hätte nicht gedacht, dass es noch hässlicher geht“, sagte Bakura
und sah sie direkt an. „Wird hier die Königin nach Hässlichkeit gewählt?“
Alarmiert sah Mariku ihn an, doch die Königin zeigte keine Reaktion. Zu ihrem
Glück, oder auch Unglück, schien sie ihre Sprache nicht zu verstehen.
Ryou beugte sich von der Königin weg, als diese ihn berühren wollte, was zur
Folge hatte, dass er rückwärts auf den Boden fiel. Bakura prustete.
„Bastard“, schimpfte Ryou und zog Bakura im Liegen die Beine weg, sodass
dieser ebenfalls nach hinten fiel. Mariku starrte stur geradeaus und konnte
nicht fassen, wie sich die Beiden verhielten. Wieso hatte Malik ihn nicht
umgebracht? Das wäre wenigstens schnell gegangen.
Jonouchi verdrehte die Augen. „Falls es euch noch nicht aufgefallen ist, wir
stehen hier kurz vorm Abkratzen. Könntet ihr euch der Situation angemessen
benehmen?“
„Ach, halt’s Maul“, fauchten Ryou und Bakura ihn gleichzeitig an, während
sie von der Wache wieder auf die Beine gestellt wurden. Sie klapperte aufgeregt
mit ihrem Beißwerkzeug und hob bedrohlich die Krallen.
Die Königin wandte sich von ihnen ab und betrachtete noch einmal kurz Honda und
Jonouchi, bevor sie vor Mariku stehen blieb. Mariku biss sich auf die Unterlippe
und starrte auf die freie Stelle am Bauch. Plötzlich stieß die Königin einen
schrillen Schrei aus und es kam Bewegung in die restlichen Spinnenfrauen. Sie
kamen näher, während die Königin Mariku aus der Reihe zog. „Ding, ding,
ding, Jackpot“, flüsterte Bakura. Mariku schloss die Augen. Wieso
ausgerechnet er?
„Eine ganz vorzügliche Wahl, meine verehrte Königin.“ Mariku riss die
Augen auf und hob den Blick. Malik stand auf der Lichtung und verbeugte sich
tief. „Ihr hättet Euch nicht besser entscheiden können.“
Die Königin fauchte. „Notechis“ war das Einzige, dass Mariku unter den
Lauten, die sie von sich gab, verstehen konnte. Die Trodectans näherten sich
Malik von allen Seiten, doch keine schien es zu wagen ihn anzugreifen.
Malik richtete sich wieder auf. Jetzt fiel Mariku auf, dass die Ärmel seines
Oberteils fehlten. „Ich unterbreche diesen besonderen Moment nur sehr ungern,
schönste aller Königinnen.“ Er setzte eine ernste Miene auf. „Ich bin hier
auf Geheiß meines Vaters, Lord Ishtar.“ Die Königin winkte ihr Gefolge
zurück und Malik trat langsam näher, während die Königin mit ihm sprach.
„Er wird sich sehr geehrt fühlen, wenn ich ihm davon berichte, dass Ihr Euch
noch an ihn erinnert, verehrte Königin.“
Wieder sprach die Königin und Mariku sah interessiert von Malik zu ihr und
wieder zurück. Also verstand sie ihre Sprache doch?
„Nach der Tragödie ist mein Vater zum Lord aufgestiegen.“ Ein kleines
Grinsen umspielte Maliks Lippen, doch er versteckt es schnell wieder hinter
einer ernsten Miene. „Und jetzt, da unser Volk wieder erstarkt, suchen wir
erneut unsere treuen Verbündeten auf.“ Die Königin machte eine Handbewegung
und Malik ging neben ihr her zu einem der Netze. Sie stiegen darauf und Mariku
war überrascht, dass Malik nicht daran kleben blieb. Er stieg die Fäden hinauf
wie eine Treppe, achtete dabei jedoch immer darauf einige Stufen unter der
Königin zu sein.
„Ich wusste doch, dass er ein verdammter Verräter ist“, zischte Ryou und
warf Mariku einen bösen Blick zu. Dieser beachtete ihn jedoch gar nicht und
beobachtete Malik und die Königin.
„Ich bin sicher“, fuhr Malik fort, „das Ihr, schönste Königin, und Euer
verehrtes Gefolge, weitaus Besseres verdient habt als diese“, er machte eine
Handbewegung in Richtung Mariku und den anderen, „Schwächlinge.“ Er stieg
näher an die Königin heran. „Wenn ihr euch uns erneut anschließt, dann
bekommt ihr nur die feinste Auswahl. Die besten und stärksten Männer, die
andere Rassen zu bieten haben.“
„Was hat er vor?“, fragte Bakura leise und Mariku zuckte so gut es ging mit
den Schultern. Er stemmte sich gegen die Spinnfäden, doch sie saßen zu fest.
„Was schon? Uns verraten, wie er es schon die ganze Zeit geplant hat.“
„Nein“, widersprach Mariku und richtete seinen Blick wieder auf Malik.
„Das glaub ich nicht.“
Ryou verdrehte die Augen. „Ich kann nicht fassen, dass du so dumm bist. Ich
hätte dich auf dieser Raumstation verrecken lassen sollen.“
„Mir wär’s auch lieber gewesen, dann müsste ich mir jetzt nicht diesen
Scheiß hier antun!“
Während Malik weiter auf die Königin der Trodectans einredete, ihr Komplimente
machte und süße Versprechungen ins Ohr flüsterte, kam er ihr immer näher.
Nur langsam und vorsichtig, so dass es nicht auffiel. Er hatte nur eine einzige
Chance. Er spannte die Muskeln in seinen Armen an und fixierte den Hals,
während er weitersprach. Er war froh, dass sein Vater ihn gelehrt hatte, wie
man andere mit Worten umgarnte.
Gift tropfte von seinen Klauen, doch sein Gift würde ihm hier nichts nutzen.
Wie er selbst auch, waren die Trodectans gegen Gifte immun. Maliks Angriff kam
schnell und unerwartet für die Königin. Sie war schon längst gefangen gewesen
von seinen umschmeichelnden Worten. Fast bis zur Schulter steckte sein Arm im
Hals der Spinnenfrau.
Einen Moment herrschte völlige Stille. Mariku und Ryou hatten aufgehört zu
streiten und starrten mit offenen Mündern zu Malik, der langsam seinen Arm
wieder zurückzog und vom Netz sprang. Als seine Füße den Boden berührten,
durchdrang ein greller Schrei die Stille und hunderte Trodectans setzten sich in
Bewegung.
Mariku zog den Kopf ein und schloss die Augen in Erwartung jeden Moment in
Stücke gerissen zu werden, doch der Schmerz blieb aus. Stattdessen hörte er
Maliks Stimme neben sich: „Beeilt euch! Wir haben nicht so viel Zeit.“
Mariku öffnete die Augen wieder. Nicht weit von ihm lagen einige tote
Trodectans. Getötet von ihren eigenen Artgenossen. Mit seinen Klauen zerriss
Malik die Fesseln. Wie gebannt starrte Mariku auf die Trodectans, die sich beim
Körper der töten Königin gegenseitig bekämpften.
„Was… hast du getan?“, fragte Bakura mit heiserer Stimme.
„Keine Zeit jetzt“, fauchte Malik und packte Mariku am Arm, um ihn hinter
sich her zu ziehen. Mariku konnte den Blick nicht von den Trodectans abwenden.
Was passierte hier? Was versuchten sie zu erreichen? „Verdammt noch mal, schau
noch vorne!“ Malik riss schmerzhaft an seinem Arm und brachte Mariku damit in
die Realität zurück. Er wandte seinen Blick ab und beschleunigte seine
Schritte. Jonouchi musste Honda stützen, der immer noch benebelt wirkte. Malik
nahm darauf jedoch keine Rücksicht. Er eilte zwischen den Bäumen hindurch und
Mariku kam schon bald ins Schwitzen. Auf ihrem Weg kamen sie vereinzelt an
Trodectans mit herausgerissener Kehle vorbei. Malik hatte ganze Arbeit
geleistet.
Inzwischen war Mariku auch ganz froh, dass er Maliks Fesseln durchgeschnitten
hatte. Ohne ihn wären sie Spinnenfutter.
Sie ließen das Nest hinter sich und es wurde wieder heller um sie herum. Mariku
atmete schwer. Die drückende Luft machte ihm das Laufen nicht einfach.
Inzwischen war er kaum schneller als Jonouchi und Honda. Mariku hustete und sein
Brustkorb schmerzte von den Strapazen.
„Wenn du stehen bleibst, bist du tot“, erklärte Malik, der plötzlich neben
ihm lief. Mariku warf ihm nur einen kurzen Blick zu und richtete ihn
anschließend wieder nach vorne. Er biss die Zähne zusammen. Er würde diesen
verfluchten Aliens schon zeigen, dass er der Belastung standhielt.
Malik rannte wieder nach vorne.
Im Inneren des Raumschiffs sank Mariku auf die Knie. Nicht nur seine Beine,
sondern sein ganzer Körper zitterte. Hastig atmete er Sauerstoff in seine
Lungen. „ANZU!“, brüllte Ryou. Auch er war leicht außer Atem. „Mach
sofort das Schiff startklar!“
„Was ist passiert?“
„Keine Zeit. Wir müssen hier verschwinden.“
„Ich halte das für keine…“
„Keine Diskussion!“ Er schob sie regelrecht Richtung Cockpit. „Jou, komm
mit!“, rief er über die Schulter. „Bakura kümmere dich um Honda. Los!
Los!“
„Ich bin selbst verletzt“, erwiderte Bakura, doch Ryou hörte ihn schon
nicht mehr. Seufzend übernahm Bakura Honda von Jonouchi. Die Eingangsschleuse
schloss sich und Mariku zog die Beine an. Er legte seine Stirn auf seine Knie.
Seine Schulter hatte wieder angefangen zu schmerzen. „Ihr Menschen seid
einfach zu schwach“, sagte Malik und lehnte sich neben ihn gegen die Wand.
„Sei still“, fuhr Mariku ihn an. Malik lachte leise.
Zitternd setzte sich das Raumschiff in Bewegung. Es flog immer noch äußerst
unstabil. Mit einer Seite schrammten sie an einem Baum entlang. Schwerfällig
kam Mariku wieder auf die Beine. Er stützte sich an der Wand ab, während er in
seine Kabine ging.
Seufzend ließ er sich aufs Bett fallen und berührte seine Schulter. Sie hatten
überlebt. Sie waren wirklich lebend aus dieser Sache herausgekommen. Er fing an
vor Erleichterung zu lachen.
„Hast du jetzt komplett den Verstand verloren?“
Mariku setzte sich auf und sah Malik an. „Was willst du hier?“
„Ich hab euch das Leben gerettet. Du könntest ruhig netter zu mir sein“,
wiederholte er, was Mariku einige Stunden zuvor zu ihm gesagt hatte. Malik
setzte sich an das Fußende des Bettes.
„Danke“, sagte Mariku nach einer Weile leise. Er hielt sich am Kopfgestell
des Bettes fest, um zumindest etwas Halt zu haben, während das Schiff sich
gefährlich neigte. „Was ist passiert?“ Malik lehnte sich gegen die Wand und
leckte sich das Blut von den Fingern. Sein ganzer Arm war damit bedeckt. „Das
ist wirklich widerlich.“ Malik ließ den Arm sinken und leckte sich über die
Lippen.
„Ich hab die Königin getötet“, erklärte er das Offensichtliche.
„Ja, das hab ich gesehen, aber das danach.“ Malik sah Mariku lange an, dann
zuckte er mit den Schultern. Das Wackeln des Raumschiffs schien ihn nicht zu
stören.
„Die Trodectans lieben und verehren ihre Königin“, begann Malik zu
erklären, „doch sie hassen auch nichts mehr als ihre Königin.“ Er grinste.
„Sobald eine Königin stirbt, wird die nächste diejenige sein, die das Herz
der alten Königin frisst.“
Mariku schauderte und öffnete den Mund, doch bevor er etwas sagen konnte, glitt
die Tür auf. Ryou hatte eine Waffe auf Malik gerichtet. „Mitkommen!“
„Wieso sollte ich?“
„Weil es dich diesmal nicht nur betäuben wird, Bastard.“
„Ryou…“, fing Mariku an, was nur zur Folge hatte, das Ryou das Gewehr auf
ihn richtete.
„Halt’s Maul! Du hast schon genug angerichtet!“
Maliks Bewegungen waren zu schnell für Marikus Augen und auch Ryou reagierte zu
langsam. Die Waffe fiel zu Boden und Ryous Augen weiteten sich überrascht.
Malik hatte seine Klauen gegen seine Kehle gedrückt. Ryou spürte das Gift an
seinem Hals hinab rinnen. „Du gibst mir keine Anweisungen mehr, Sklave.“
Kapitel 5
„Jetzt spielen wir nach meinen Regel“, zischte Malik. Ryou war in eine
Schockstarre gefallen. Erinnerungen an damals kamen wieder hoch. Sein Volk starb
und er konnte nichts weiter tun als zusehen. Es würde wieder so weit kommen. Es
würde wieder passieren und auch wenn er sich tapfer gab, am Ende würde er doch
nur wieder zusehen können. Er war schwach. Er würde sich niemals gegen die
Notechis wehren können.
„Malik, hör auf“, versuchte Mariku ihn zu beschwichtigen. Er stand vom Bett
auf und wollte sich ihnen nähern, doch Malik drückte seine Krallen nur noch
mehr gegen Ryous Hals. Mariku blieb stehen. Er wusste, wenn Malik Ryou auch nur
ankratzte, würde er ihn damit vergiften.
„Du sagst mir nicht, was ich zu tun habe!“
„Es… es tut mir leid.“ Mariku hob abwehrend die Hände. „Ich bin nicht
in der Position dir Vorschriften zu machen. Du hast recht.“ Er gab sich
unterwürfig, denn anders würde ihm Malik gar nicht erst zuhören. „Ich flehe
dich an Ryou gehen zu lassen. Du hast uns alle gerettet. Welchen Sinn hätte es,
uns jetzt umzubringen?“
„Ich lass mich nicht wieder von euch einsperren“, fauchte Malik.
„Niemand wird dich einsperren. Versprochen.“
Malik lachte. „Du hast hier doch nichts zu sagen. Du bist nichts weiter als
ein nutzloser Mensch.“ Er trat einen Schritt zur Seite und gab die Tür frei.
„Und jetzt beweg dich!“
Mariku knirschte mit den Zähnen. Sein Blick fiel auf die Waffe am Boden, doch
Malik würde ihm den Kopf abreißen, bevor er überhaupt nah genug war um sie
aufzuheben. Ohne Malik aus den Augen zu lassen, ging er an ihm vorbei. „Was
hast du vor?“
„Halt’s Maul!“
Mariku seufzte. Er betrat das Cockpit und sofort richteten sich alle Blicke auf
sie.
„Ryou?“ Anzu war aufgestanden. Ryou reagierte nicht. Er starrte ausdruckslos
geradeaus, gefangen in seinen schrecklichen Erinnerungen.
„Es läuft jetzt nach meinem Kommando, ihr nutzlosen Insekten. Außer ihr
wollt, das euer Kapitän den Kopf verliert.“
Mariku ließ sich auf einen der Sitze sinken und verschränkte die Arme vor der
Brust. Er konnte nicht fassen, in was für einer Situation er jetzt schon wieder
war. Gerade eben noch war er dem Tod entronnen, nur um jetzt wieder in einer
unangenehmen Situation zu sitzen.
„Die Koordinaten sind 458C 52W, Veri-Galaxie.“
„Ein Sprung ist unmöglich. Das Schiff ist zu beschädigt!“, erklärte
Jonouchi.
„Wir springen!“, fauchte Malik. Jonouchi und Anzu warfen sich unsichere
Blicke zu. „LOS!“ Anzu und Jonouchi ließen sich auf ihre Sitze sinken.
Honda war nicht anwesend. Wahrscheinlich kümmerte sich immer noch Bakura um
ihn.
Mariku beobachtete sie, bis er Jonouchis Blick auffing. Jonouchi hatte die
Finger um die Steuerung gekrallt und sah ihn eindringlich an. Mariku sah von der
Steuerung zu Malik und dann zurück zu Jonouchi. Er setzte sich aufrecht hin und
straffte die Schultern. Erneut sah er zu Malik, der ihm keine Aufmerksamkeit
schenkte. Langsam nickte Mariku und Jonouchi richtete seinen Blick wieder auf
die Steuerung in seinen Händen. So lässig wie möglich stand Mariku auf.
„Was hast du vor?“, zischte Malik.
„Ach weißt du…“ Mariku grinste leicht. Wahrscheinlich war das das Letzte,
was er je tun würde. Er nutzte es aus, dass Malik durch Ryou in seinen
Bewegungen eingeschränkt war und legte genau in dem Moment seinen Arm um seinen
Hals, als Jonouchi das Steuer herumriss und sie den Boden unter den Füßen
verloren. Malik ließ Ryou los und seine Zähne bohrten sich in Marikus Arm.
Mariku schrie auf. Er rechnete jeden Moment damit, dass sein Körper taub wurde
und er nicht mehr atmen konnte. Mariku schloss die Augen, doch nichts geschah.
Nur der Schmerz breitete sich durch seinen Körper aus. Es war ein Trockenbiss!
Überrascht öffnete Mariku die Augen wieder. Malik injizierte kein Gift in
seinen Körper. Was nicht bedeutete, dass der Biss nicht trotzdem verflucht
wehtat. Trotz der Schmerzen ließ er Malik jedoch nicht los.
Ryou erwachte aus seiner Starre und hielt sich an der Armlehne seines Stuhls
fest. Er schüttelte den Kopf einige Male um die dunklen Gedanken
abzuschütteln. Sein Herz raste immer noch, doch jetzt war er mehr denn je
sicher Malik sofort zu töten, sobald er wieder im Besitz einer Waffe war.
Während Jonouchi dafür sorgte, dass das Schiff wieder einen stabilen Kurs
flog, hämmerte Ryou eine Zahlenkombination in das Kontrollpanel seines Stuhls.
Die Armlehne öffnete sich und eine handliche Pistole kam zum Vorschein. Mit
zittrigen Knien richtete sich Ryou auf, die Pistole in der Hand. Er sah zu
Mariku und Malik, die immer noch auf dem Boden lagen. Mariku hatte Malik fest im
Griff, während Malik seine Zähne tief in Marikus Unterarm versenkt hatte.
Ryou richtete die Waffe auf Malik. „Lass ihn los, Arschloch“, zischte er. Er
zitterte am ganzen Leib, doch diesmal würde er Malik ein für alle Mal
erschießen.
Malik sah auf, doch er machte keine Anstalten Marikus Arm freizugeben. Er
schmeckte Blut in seinem Mund. Er konnte ihn nicht töten, selbst wenn er es
wollte, denn Mariku war im Moment nun mal der einzige, der ihn nicht tot sehen
wollte. „Lass ihn los“, wiederholte Ryou und verengte die Augen. Am besten
wäre es, wenn er beide erschoss.
„Hör auf Ryou!“, mischte sich Mariku ein. Sein Körper war in einen Schock
verfallen und spürte den Schmerz vorerst nicht mehr.
„Sag mir nicht, du verteidigst ihn immer noch? Selbst JETZT?“
„Ja.“ Maliks Augen weiteten sich überrascht und sein Biss lockerte sich
etwas.
Ryou presste die Lippen aufeinander. „Ich sollte dich zusammen mit ihm
erschießen.“ Sein Finger war um den Abzug gelegt und Mariku und Malik sahen
ihn abwartend an. Ryou gab einen frustrierten Laut von sich und ließ die Waffe
sinken. Er konnte einfach niemanden töten. Es war gegen seine Natur. Er war
kein Mörder. Er würde nie einer sein. Selbst, wenn es ein Notechis war, der
ihm gegenüberstand.
Die Tür glitt auf und Bakura trat ein. Er hielt sich den Kopf. Der Bereich um
seine Augen war immer noch gerötet, doch er schien keine Probleme mit dem Sehen
mehr zu haben. „Was ist jetzt schon…“, er hielt inne als er die Waffe in
Ryous Hand sah. Dann fiel sein Blick auf Mariku und Malik am Boden. „Ich hab
scheinbar irgendwas verpasst.“
„Lange Geschichte“, antwortete Mariku. Sein Arm war inzwischen taub geworden
und sein Gehirn weigerte sich immer noch den Schmerz zu akzeptieren.
„Ähm, ich mische mich nur ungern ein, aber wir haben hier ein kleines
Problem“, sagte plötzlich Jonouchi.
„Was ist es?“, fragte Ryou genervt. Er war wütend auf sich selbst; wütend,
weil er so schwach war.
„Wir sind in der Anziehung eines Planeten gelandet und wir driften langsam auf
ihn zu.“
Ryou verdrehte die Augen. „Dann flieg raus! Ist doch nicht das erste Mal.“
„Ich versuch‘s ja, aber die Anziehung ist zu stark.“
„Heißt das, wir stürzen noch mal ab?“, fragte Bakura.
„Nein“, widersprach Jonouchi. „Wir haben noch Kontrolle über das Schiff.
Wir werden relativ sanft aufsetzen, abhängig von Planetenoberfläche.“
„Der Oberflächenscanner sagt, der Planet besteht hauptsächlich aus Schnee
und Eis.“ Anzu drückte ein paar Knöpfe an der Konsole. „Außentemperatur
geschätzt: -20°“
Mariku spürte, wie sich Maliks Körper verspannte. Er hatte ihn immer noch
nicht losgelassen.
Ryou verstaute die Waffe wieder in der Armlehne. „Mariku!“ Der Angesprochene
sah auf. Ryou wirkte trotz ihrer Situation plötzlich irgendwie fröhlich. Es
lag ein Glänzen in seinen Augen, das Mariku bisher noch nicht bei ihm gesehen
hatte. „Der Notechis bleibt vorerst am Leben, aber erwarte nicht, dass es mich
kümmern würde, wenn er an irgendwas krepiert.“ Er schmunzelte. „Ich
übergebe ihn deiner Verantwortung.“ Mariku hob überrascht die Augenbrauen.
Damit hatte er sicher nicht gerechnet. Ryou wandte ihm den Rücken zu. „Und
jetzt verzieht euch. Ich will euch nicht mehr sehen, bis wir gelandet sind.“
Der Schmerz kam, als Malik seinen Arm losließ. Mariku presste seinen verletzten
Arm gegen seine Brust und drückte auf die Bisswunde. Malik wischte sich über
den blutigen Mund und vermied es Mariku anzusehen. Schweigend stand er neben
ihm, den Blick auf den Boden gerichtet. Ein ungewöhnliches Verhalten, wenn man
seine sonst so aufbrausende Art bedachte.
„Brauchst du Hilfe?“, fragte Bakura und hielt Mariku seine Hand hin. Mariku
ergriff sie dankbar, doch schon im nächsten Moment schoss Schmerz durch seine
Schulter. Wenn das so weiter ging, würde er noch als Krüppel enden. Er hoffte
nicht, dass sich Malik als nächstes seine Beine aussuchte. Trotz Bakuras Hilfe
fiel es Mariku schwer aufzustehen. Seine Beine wollten ihm nicht gehorchen und
er knickte ein paar Mal ein, bis Bakura ihn unter den Achseln packte und
zusätzlich abstützte. Malik folgte ihnen aus dem Cockpit in Marikus Kabine.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht ließ sich Mariku auf den Stuhl fallen und hielt
sich den Arm. Bei all der Träumerei von Abenteuern hatte er vergessen, dass
diese durchaus wirklich gefährlich waren und er war eher nicht zum Helden
geboren. Besonders, wenn man bedachte, dass das Einzige, was er bisher
beigetragen hatte, das Verteidigen eines Massenmörders war. Er sah zu Malik,
der sich aufs Bett gelegt und ihm den Rücken zugewandt hatte. Was ging nur in
seinem Kopf vor? Doch die Frage war viel mehr: was ging in seinem eigenen Kopf
vor?
Behutsam nahm Bakura seinen Arm und begann den Stoff aus der Wunde zu zupfen.
Mariku biss die Zähne zusammen und schloss die Augen. Malik würde eines Tages
sein Tod sein und er war selbst schuld daran. „Zieh mal aus.“ Bakura zupfte
an Marikus Shirt und dieser zog es eher schwerfällig aus. Bakura musste ihm
dabei helfen, denn er hatte Schwierigkeiten seinen Arm zu heben. Er war erst ein
paar Tage unterwegs und sein Körper schon ein Wrack. Bakura reinigte die Wunde
und Mariku sog scharf Luft ein. Das Mittel brannte fast schlimmer als die Wunde
selbst.
Schwarze Flecken begannen vor seinen Augen zu tanzen und Mariku nahm mehrere
tiefe Atemzüge. Er würde ganz sicher nicht zulassen, dass er das Bewusstsein
verlor. Er betrachtete die immer noch blutende Wunde. Maliks Eckzähne hatten
tiefe Löcher in seinem Arm hinterlassen und auch der Rest seiner Zähne hatte
mehr als nur die obere Hautschicht durchstochen. Er konnte froh sein, das Malik
nicht auch noch ein Stück herausgebissen hatte, wie er es bei seiner Schulter
getan hatte. Bakura wischte das Blut beiseite und besah sich die Wunde genauer.
„Hätte er unten auch so lange Zähne, dann könntest du jetzt wohl durch die
Löcher durchsehen.“ Mariku hustete und würgte. Allein die Vorstellung war
ihm genug. „Wow, ganz ruhig, das war nur ein Scherz. Aber wenn ihr zwei so
weiter macht, dann habe ich bald keine Verbände mehr.“ Er drückte eine
Kompresse auf die Bisswunde. „Festhalten.“ Mariku tat wie angewiesen,
während Bakura die Mullbinden öffnete. „Ihr solltet aber wirklich an eurer
Beziehung arbeiten, sonst gibt das kein Happy End mit euch.“
Malik zischte wütend. „Pass auf was du sagst oder ich reiß dir die Zunge
raus, Blutsauger.“
Bakura grinste nur. Er schien sich von Malik nicht bedroht zu fühlen, oder
zumindest zeigte er es nicht. „Was sagst du dazu, Mariku?“
Mariku seufzte. „Es gibt keine Beziehung.“
„Noch nicht“, flötete Bakura und packte das Erste-Hilfe-Set wieder
zusammen.
„Verschwinde!“, fauchte Malik ihn an.
Bakura zwinkerte Mariku zu, bevor er den Raum verließ.
Seufzend drehte sich Mariku zu Malik um, der ihm einen kurzen, abschätzigen
Blick schenkte und ihm dann wieder den Rücken zuwandte. Er wusste nicht, was er
jetzt mit Malik anfangen sollte. Ryou hatte ihm die Verantwortung übertragen.
Was dachte er sich dabei? Als ob Malik auf ihn hören würde. Ihm kam es vor,
als würde Ryou irgendetwas wissen, dass er keinem verriet. Hatte es mit dem
Planeten zu tun? Er erinnerte sich daran, wie Maliks Körper sich plötzlich
verspannt hatte. Mariku gähnte. Ihm kam es vor, als hätte er schon seit Tagen
nicht mehr geschlafen. All die Aufregung hatte ihn ausgelaugt.
Inzwischen hatte er sich sogar mit dem Gedanken angefreundet, dass er Ptera nie
rechtzeitig erreichen würde. Sie wussten immer noch nicht, wo sie waren, das
Schiff war beschädigt und in ein paar Stunden würden sie erneut auf einem
fremdem Planeten landen ohne zu wissen, was sie dort erwartete.
„Willst du dich vielleicht waschen?“ Malik setzte sich auf und sah an sich
hinunter. Sein Arm war bis zur Schulter mit getrocknetem Blut bedeckt. Auch in
seinem Gesicht klebte noch Blut. Er zuckte mit den Schultern, stand aber
trotzdem auf. „Soll ich dir Kleidung von mir leihen?“
Malik schnaubte. „Ich brauch nichts von dir!“
Mariku hob abwehrend die Hände. „Schon gut. Ich dachte nur, du willst aus
diesen Fetzen raus.“
Wieder sah Malik an sich hinunter. Seine Hose hatte ein großes Loch am rechten
Knie und war an mehreren Stellen zerrissen. Er hatte die Ärmel seines Shirts
selbst abgerissen um das Blut loszuwerden, als er die ersten Trodectans getötet
hatte, die als Wachen positioniert gewesen waren. Seine Kleidung war mehr als
nur ramponiert, trotzdem presste er stur die Lippen aufeinander. Mariku
verdrehte die Augen und führte Malik in den kleinen Waschraum.
„Beeil dich aber.“ Mariku lehnte sich gegen die Tür, als sich diese hinter
Malik schloss und rutschte auf den Boden. Er legte den Kopf zurück und schloss
die Augen. Das waren die schlimmsten Tage seines Lebens.
Mariku fiel rückwärts in den Raum, als die Tür aufglitt. „Au.“ Er sah zu
Malik hoch, der mit gehobenen Augenbrauen über ihm stand. Gähnend rappelte er
sich auf. Er war froh, wenn er jetzt gleich in sein Bett kam. Er musterte Malik.
„Ist doch gleich viel besser, nicht wahr?“
Malik äußerte sich nicht dazu, sondern schob sich an Mariku vorbei und ging
zurück in dessen Zimmer. Mariku seufzte. Das würde niemals gut gehen.
Malik lag wieder auf dem Bett; das Gesicht zur Wand gedreht. Mariku setzte sich
wieder auf den Stuhl und rieb sich über den frisch verbundenen Arm. Es würde
sehr eng werden in diesem Bett und er war sich sicher, dass das Malik nicht
gefallen würde.
„So“, fing er an und trommelte mit seinen Fingern auf seine Oberschenkel,
„die Veri-Galaxie – lebt dort der Rest deines Volkes?“ Er lehnte sich im
Stuhl zurück.
„Das geht dich nichts an“, murrte Malik ohne ihn anzusehen.
Mit einer Antwort hatte Mariku sowieso nicht gerechnet. „Wie lange warst du
auf dieser zerfallenen Raumstation?“
„Halt’s Maul!“ Mariku verdrehte die Augen. Dann eben kein Small Talk. Er
wechselte seinen Sitzplatz von Stuhl zu Bett, was dazu führte, das Malik sich
umdrehte. „Was soll das werden?“
„Das ist immer noch mein Bett.“ Er würde sich von Malik sicher nichts sagen
lassen. „Und ich bin müde. Ich wurde fast aufgefressen, durch einen Wald
gehetzt und dann auch noch gebissen. Ich will schlafen und ich werde es in
diesem Bett tun. Wenn dir das nicht passt, dann schlaf auf dem Boden!“ Malik
fauchte und zeigte seine Zähne, doch Mariku war nicht beeindruckt. Er streckte
sich auf dem Bett aus, was dazu führte das Malik sich klein machte und bis an
die Wand rutschte. Trotzdem berührten sie sich fast, denn das Bett bot nicht
genug Platz für zwei Personen.
Malik zischte und fauchte. Genervt packte Mariku ihn am Kragen und zog ihn zu
sich. Schmerz schoss durch seine Arme und den Oberkörper, doch er verdrängte
ihn. Maliks und sein Gesicht berührten sich fast. „Hör zu, du hast mir ein
Stück aus der Schulter gebissen und meinen Arm durchlöchert und trotzdem
verteidige ich dich immer noch, auch wenn du das nicht verdienst. Zeig
gefälligst so viel Dankbarkeit und lass mich in Ruhe schlafen.“
Malik presste die Lippen aufeinander und Mariku ließ ihn wieder los. Der
Schmerz und die Müdigkeit sorgten für schlechte Laune. Außerdem konnte er
sich nicht einmal daran erinnern, wann er zuletzt etwas gegessen hatte. Er
drehte sich auf die Seite, doch seine Schulter bestrafte ihn sogleich dafür. Er
drehte sich wieder auf den Rücken, doch so konnte er nicht einschlafen.
Seufzend drehte er sich auf den Bauch. Auch nicht unbedingt seine bevorzugte
Schlafposition, aber er hatte nicht viel Auswahl.
Mariku drehte den Kopf und sah Malik an, der wiederum ihn beobachtete. „Warum
hast du mich nicht vergiftet?“
Malik öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Er starrte Mariku an, auf der
Suche nach einer Antwort. „Weil“, begann er, doch dann schüttelte er den
Kopf. „Ich hatte meine Gründe.“ Er legte sich ebenfalls hin und achtete
dabei genau darauf, dass so viel Abstand zwischen ihm und Mariku war, wie
möglich.
„Sturkopf“, murmelte Mariku und schloss die Augen. Seine Glieder fühlten
sich schwer wie Blei an und Schmerz pochte dumpf in seinem ganzen Körper.
Selbst wenn er gewollt hätte, hätte er die Augen nicht mehr öffnen können.
Malik lauschte Marikus gleichmäßigen Atemzügen. Er spürte die Wärme, die
von Marikus Körper ausging und weil sie höher war, als die
Umgebungstemperatur, passte sich sein eigener Körper daran an. Menschen waren
wirklich eine seltsame Spezies. Dumm, aber auch tapfer. Oder beruhte ihre
Tapferkeit allein auf Dummheit? Trotzdem war Mariku ziemlich zäh. Er hatte sein
Gift überlebt und er setzte sich trotz allem für ihn ein. Was ging im Kopf
dieses schwächlichen Menschen nur vor? Wieso zeigte er nur so wenig Angst ihm
gegenüber, obwohl er wusste, zu was er fähig war? Malik leckte sich über die
Lippen. Es machte ihn unruhig, dass er Mariku nicht durchschauen konnte.
Malik setzte sich auf, griff nach der Decke und zog sie über sich und Mariku.
Im Moment zumindest war Mariku der einzige Verbündete, den er hatte. Malik
schloss die Augen. Was jedoch nicht bedeutete, dass er ihm vertraute. Er
misstraute ihm genauso sehr wie dem Rest und würde ihn töten, sobald er einen
Weg aus diesem Schlamassel sah.
Doch Malik war mehr beunruhigt über das, was bald auf ihn zukommen würde.
Kälte. Kein Wunder, dass dieser verfluchte Cygni plötzlich so gut gelaunt war.
Malik dachte an die Kälte und rutschte unbewusst näher an Marikus warmen
Körper.
Mariku schreckte aus dem Schlaf. Er wollte sich hochstemmen, doch seine Arme
belehrten ihn eines Besseren. Er sank auf die Matratze zurück und vergrub sein
Gesicht im Kissen. Mariku bemerkte eine Bewegung neben sich und drehte den Kopf.
Erst als er den Blick etwas senkte, konnte er Malik neben sich entdecken. Er lag
an seiner Seite, sein Atem streifte Marikus Haut. Mariku hob überrascht die
Augenbrauen. Er drehte sich leicht auf die Seite. Malik sah fast friedlich aus,
wenn er schlief. Mariku streckte den Arm nach ihm, doch bevor er Malik berühren
konnte, packte dieser ihn am Handgelenk und öffnete die Augen.
„Was soll das werden?“, fauchte er ihn an und stieß ihn mit so viel Schwung
von sich, das Mariku vom Bett rollte. Mariku keuchte schmerzerfüllt auf, als er
auf dem Boden aufschlug. Er blieb liegen, paralysiert vom Schmerz.
Malik zögerte, dann rutschte er an den Rand des Bettes und sah nach unten.
„War das wirklich nötig?“, presste Mariku hervor.
„Fass mich nicht an!“
„Okay, okay.“ Mariku schaffte es einen Arm zu heben und ihn auf die Matratze
zu legen. Er konzentriert sich und wollte sich hochstemmen, doch mit einem
leisen Aufschrei sank er wieder auf den Boden zurück. „Ich will nach
Hause“, murmelte er.
„Wie ist der Planet von dem du kommst?“ Die Frage kam so überraschend, dass
Mariku Malik einfach nur sprachlos anstarrte. Malik entzog sich jedoch seinem
Blick, indem er sich wieder hinlegte.
„Nun ja“, begann Mariku langsam und auf der Suche nach Worten. Wie beschrieb
man die Erde am besten? „Abwechslungsreich. Es gibt alles möglich; Berge,
Ozeane, Schnee und Eis, Wüsten und Wälder.“
„Woher kommst du?“
Es war besser, wenn er Maliks plötzliche Neugierde nicht hinterfragte. Es war
immerhin besser, als wenn er ihn anfauchte. „Ägypten – es ist tagsüber
sehr heiß, aber nachts wird es sehr kalt. Es gibt sehr viel Sand, aber nur
wenig Wasser.“ Er wartete ab, ob Malik noch etwas sagte, doch er schwieg. Ob
er ihn nach seiner Heimat fragen sollte? Mariku verwarf den Gedanken. Es war
besser, wenn Malik von sich aus davon erzählte. „Willst du mich hier jetzt
eigentlich liegen lassen?“
Maliks Gesicht tauchte wieder über ihm auf. Er schien nachzudenken, dann stieg
er aus dem Bett und half Mariku hoch. Erleichtert ließ sich Mariku auf die
Matratze sinken und schloss die Augen. „Beißen ist definitiv nichts auf das
ich stehe.“ Er schlug die Augen wieder auf und sah Malik an. „Kannst du in
Zukunft jemand anderen beißen?“
„Ich hab mich nur verteidigt“, rechtfertigte sich Malik.
„Beim ersten Mal hab ich dich nicht mal angegriffen.“
„Ich hatte Hunger.“ Malik zuckte mit den Schultern. Mariku konnte nicht
anders als lachen, was zu seinem sehr verwirrten Ausdruck auf Maliks Gesicht
führte. „Warum lachst du?“
„Weil die Situation einfach nur zum Lachen ist. Deine ganze Spezies besteht
aus Massenmördern, du hättest mich fast umgebracht und hast diesen Plan auch
sicher noch in der Hinterhand und trotzdem verteidige ich dich, teile mir ein
Bett mit dir und unterhalte mich – die ganze Situation ist einfach nur
absurd.“
Malik konnte sein Verhalten immer noch nicht nachvollziehen. „Menschen sind
eine komische Rasse.“
Plötzlich ging eine Erschütterung durch das Schiff und Mariku hielt sich am
Bettgestell fest. Das Schiff schien über die Oberfläche zu rutschen. Von
draußen war ein seltsames Geräusch zu hören, das Mariku nicht zuordnen
konnte. Schließlich kam das Schiff zum Stehen und die Motoren erstarben.
„Sieht aus, als wären wir da.“ Mariku hievte sich wieder hoch und warf
Malik einen kurzen Blick zu. „Du bleibst besser hier.“
Malik widersprach nicht. Er verzog nicht die kleinste Miene, sondern legte sich
wieder hin und drehte Mariku den Rücken zu.
Mariku ging Richtung Cockpit, als ihm Ryou gähnend entgegenkam. „Was willst
du?“ Sein Tonfall war alles andere als freundlich. Er und Ryou würden wohl
niemals Freunde werden.
„Ich wollte fragen, wie es jetzt weitergeht und ob ich irgendwie helfen
kann.“ Auch wenn sie keine Freunde werden würden, so wollte Mariku doch
wenigstens versuchen ein paar Sympathiepunkte wieder gut zu machen.
„Wir brauchen jetzt erst mal Schlaf“, erklärte Ryou, „danach sehen wir
uns um und versuchen die Bewohner dieses Planeten zu kontaktieren.“
„Weißt du denn, was hier lebt?“ Mariku hatte keine Lust noch weiteren
Aliens zu begegnen, die ihn auffressen wollten.
„Eine Ahnung.“ Er zuckte mit den Schultern. „Und jetzt geh in deine Kabine
zurück und hab ein Auge auf diesen Notechis-Abschaum. Wir machen später noch
einen Spaziergang.“ Das Grinsen auf Ryous Gesicht gefiel Mariku kein bisschen.
Es passte so gar nicht zu seinem sonst sanften Aussehen. Irgendetwas heckte er
aus und Mariku war nicht scharf darauf herauszufinden, was es war. Bestimmt
nichts Gutes.
Gerne hätte er einen Blick nach draußen geworfen, doch er wollte es nicht
riskieren Ryou zu verärgern. Ihr Verhältnis war schon angespannt genug,
deshalb drehte er wieder um und kehrte zu Malik zurück.
„Die anderen ruhen sich erst mal aus.“ Er ließ sich aufs Bett sinken. Malik
hatte ihm immer noch den Rücken zugewandt. „Danach geht’s wohl nach
draußen.“ Kam es ihm nur so vor, oder war Malik gerade zusammengezuckt?
„Ich hoffe, wir kommen hier bald weg.“ Er legte sich neben Malik auf den
Rücken, den Kopf hatte er leicht in seine Richtung gedreht. „Verrätst du
mir, wo wir sind?
„Nein.“
„Ach komm schon, du willst doch sicher auch hier weg.“ Er streckte die Hand
nach Malik aus, doch dieser wirbelte herum und pinnte Mariku auf die Matratze.
Mariku verzog das Gesicht vor Schmerz. Nicht nur, das Malik einen sehr festen
Griff hatte, auch seine Wunden hatten sich wieder zu Wort gemeldet.
„Ich hab gesagt, du sollst mich nicht anfassen“, zischte er ihn an. Seine
Zunge schnellte unruhig vor.
„Momentan bist du es, der mich anfasst.“ Malik sah auf seine Hände, zog sie
zurück und ließ sich wieder auf seinen vorherigen Platz sinken. Mariku rieb
sich die Handgelenke. „Du bist ziemlich stark.“
Malik gab einen amüsierten Laut von sich. „Natürlich.“
„Willst du denn nicht hier weg?“
Malik ließ sich Zeit mit seiner Antwort. „Doch.“
„Aber?“
„Ich sterbe so oder so und der einzige Unterschied ist, solange ihr hier nicht
rauskommt, sterbt ihr mit mir.“ Er hatte sich umgedreht und grinste Mariku an.
Mariku wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Ihm fiel es zu leicht,
Maliks wahre Natur zu vergessen und zu schwer, zu akzeptieren, was er getan
hatte.
„Sind alle Notechis so?“
„Ja“, antwortete Malik ohne zu zögern.
„Wirklich alle?“ Er konnte es nicht glauben. „Habt ihr keinen eigenen
Willen?“
Malik packte Mariku an der Kehle. „Wag es nicht, mein Volk zu beleidigen, du
Abschaum!“ Er ließ Mariku wieder los und dieser schnappte gierig nach Luft.
Er musste seine Worte besser wählen.
„Habt ihr“, er räusperte sich, „niemanden der rebelliert?“
Malik legte den Kopf leicht schief. „Doch.“ Wieder legte sich dieses Grinsen
auf seine Lippen, dann fuhr er mit seinem Daumen an seiner Kehle entlang.
„Schwächlinge werden aussortiert.“ Damit war das Thema für Malik scheinbar
erledigt, denn er drehte sich wieder von Mariku weg. Mariku hakte nicht weiter
nach. Er konnte sich nicht vorstellen, wie es sein musste, als Notechis
aufzuwachsen. Er wollte es auch gar nicht.
Mariku setzte sich auf und zog die Decke hoch. Er wollte noch etwas schlafen,
bevor sie sich in das nächste unfreiwillige Abenteuer stürzten. Er legte die
Decke auch wieder über Malik und drehte sich auf den Bauch. Es fiel ihm jedoch
schwer einzuschlafen. Zu viele Sachen gingen ihm durch den Kopf. Er merkte wie
Malik sich bewegte und hielt still als dieser näher zu ihm rutschte.
Er wusste einfach nicht, wie er Malik einschätzen sollte. Er war ein Mörder,
grausam, herablassend und trotzdem… Mariku gab einen frustrierten Laut von
sich, was dazu führte das Malik hochschreckte und ihn anfauchte. „Sorry“,
murmelte Mariku. Malik packte die Decke und drehte sich von ihm weg, sodass er
ihm die Decke wegzog. Mariku packte die Decke nun seinerseits und zog daran, was
zu einem stechenden Schmerz in seinem Arm führte. Er fluchte. „Du kannst eine
ganz schöne Nervensäge sein, weißt du das eigentlich?“ Malik reagierte
nicht. „Komm schon; wie alt bist du? Fünf?“
„Sei still!“
Und genau jetzt fiel es Mariku so unendlich schwer das Monster in Malik zu
sehen. Er tat gerne unnahbar und gefährlich, aber war es das wirklich? Hatte er
wirklich in diesem Krieg gekämpft oder war es nur eine Story, die er sich
ausgedacht hatte, weil er die Krieger seines Volkes bewunderte? Die Königin der
Spinnenfrauen hatte gesagt, sie würde Maliks Vater kennen, aber Malik schien
sie nicht erkannt zu haben. Hatten sie sich nur nie getroffen oder hatte Malik
sie wirklich angelogen?
Mariku seufzte. Er machte sich viel zu viele Gedanken. Er dachte an Mai, seine
Schulfreundin, sie hatte ihn immer damit aufgezogen, dass er eine Schwäche für
komplizierte Typen hatte. Wobei Malik definitiv die Skala sprengte. Es war nicht
so, als ob er sich zum ihm hingezogen fühlte, es war nur… er konnte es nicht
erklären.
„Malik, es ist kalt, bitte gib mir die Decke.“ Mit einem Zischen drückte
Malik ihm die Decke gegen die Brust. „Danke.“ Er breitete sie wieder über
sich selbst und Malik aus. Mariku rutschte weiter ins Bett und sorgte damit
dafür, dass Malik von ihm wegrutschte, nur um von der Wand ausgebremst du
werden. „Sorry, aber ich muss meinen Arm hier hochlegen. Du kannst mich ruhig
als Kissen benutzen, wenn du willst. Nur nicht die Schulter.“
Malik sagte nichts. Er starrte ihn einfach nur an und Mariku versuchte seinen
Gesichtsausdruck zu deuten. Es war nicht dunkel im Raum, sondern ein sanftes,
blaues Leuchten spendete genug Licht, dass er genau sah, wie sich Maliks Gesicht
in einer Mischung aus Überraschung, Ekel und… noch etwas, doch Mariku konnte
es nicht bestimmen, verzog. „Schon gut, war nur ein Vorschlag, dann lieg eben
unbequem.“
Malik zischte ihn an und Mariku zischte zurück. Für den Bruchteil einer
Sekunde sah Malik so aus, als würde er jeden Moment loslachen. Stattdessen
ließ er sich zurück auf die Matratze sinken, mit Abstand zwischen sich und
Mariku. „Du bist seltsam.“
„Du bist kompliziert.“ Er konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen.
Mariku gähnte und schloss die Augen. Er hoffte, das Ryou dieses Mal einen
besseren Plan hatte, als einfach nur hirnlos durch unbekanntes Gebiet zu rennen.
Kapitel 6
„Hey! Aufstehen!“ Mariku murrte. Etwas drückte unangenehm gegen seine Seite
und er öffnete nur widerwillig die Augen. Ryou stand über ihm und hatte einen
Fuß in Marikus Seite gepresst. „Steht auf und kommt dann raus. Beide! Ihr
habt fünf Minuten!“ Mit diesen Worten verließ Ryou den Raum wieder. Gähnend
hievte Mariku sich hoch. Er fror, als die Decke nach unten rutschte, weshalb er
sich über die Arme strich. Die Wunde an seinem Arm gab ein unangenehmes Ziehen
von sich, von seiner Schulter dagegen merkte er gar nichts. Wenigstens etwas. Er
schwang sich aus dem Bett und streckte sich.
„Aufwachen, Schlafmütze.“ Malik reagierte nicht, obwohl Mariku genau
wusste, dass er bereits wach war. Er war wahrscheinlich schon aufgewacht, als
Ryou hereingekommen war. „Komm schon, wir wollen Ryou nicht noch weiter
anpissen. Am Ende setzt er uns noch im Schnee aus.“ Als er diese Worte
aussprach, musste er an Ryous Grinsen denken und ihn beschlich ein ungutes
Gefühl. Doch dann schüttelte er den Kopf. Ryou drohte zwar viel, aber das war
auch alles. Er dachte an ein Sprichwort auf der Erde „Bellende Hunde beißen
nicht“, das passte ziemlich gut zu Ryou. Er öffnete den Schrank und holte
seine Tasche hervor. Er hoffte, er hatte überhaupt etwas für kaltes Wetter
dabei.
Als er die Tasche öffnete, erschien ein Display vor ihm. Er tippte einen Code
auf das Display, eine Begrüßung erschien auf dem Bildschirm, gefolgt von einem
Auswahlmenü. Mit dem Finger wechselte Mariku zwischen den Menüpunkten, bis er
fand was er suchte: Kleidung für kaltes Wetter. Ein Untermenü öffnete sich
und er wählte Schnee aus. Ein Ladebalken erschien und Mariku wippte unruhig mit
dem Fuß. Ein leiser Signalton war zu hören, als der Ladebalken 100% erreichte.
Mariku öffnete den Verschluss unter dem Display mit einem Fingertippen. Seine
Tasche war mit Pullovern, Socken, Handschuhen und Mützen gefüllt. Mindestens
die Hälfte der Sachen war noch brandneu. Mariku schmunzelte. Seine Mutter hatte
es wirklich gut mit ihm gemeint. Wenigstens hatte sie an alles gedacht. Der
Gedanke an seine Mutter verpasste ihm einen kleinen Stich. Er vermisste sie und
den Rest seiner Familie.
Er holte einen neuen Pullover heraus und warf ihn Malik, gefolgt von einer Hose,
zu. „Die Sachen sind ganz neu.“
Malik schob sie mit missbilligendem Blick von sich. „Ich brauch das nicht!“
Mariku rollte mit den Augen. „Jetzt nimm schon. Sieh es einfach als…“, er
suchte nach dem richtigen Wort, „Ehrdarbietung an.“ Malik sagte etwas in
seiner zischenden Sprache und weigerte sich weiterhin sich umzuziehen. „Jammer
aber nicht rum, wenn dich friert.“ Er wusste noch nicht mal, ob Kälte Malik
überhaupt etwas anhaben konnte.
„Kommt ihr jetzt endlich?“, hallte Ryous Stimme durch den Flur. Mariku
seufzte. Er zog sich einen Pullover über und ließ die Tür aufgleiten. Malik
folgte ihm schweigend.
Ryou warf ihnen einen kurzen, angewiderten Blick zu, dann wandte er sich an den
Rest seines Teams und Bakura. Honda war ebenfalls dabei. Es schien ihm wieder
besser zu gehen, zumindest sah man ihm nicht mehr an, dass es ihm noch vor ein
paar Stunden Dank den Trodectans mehr als nur schlecht gegangen war. „Anzu du
bleibst auf alle Fälle hier. Du würdest da draußen keine fünf Sekunden
überleben. Jou, ich will, dass du auch hier bleibst. Schaut nach, ob ihr
irgendwelche Fehlerquellen im Inneren von Amane finden könnt.“ Er sah kurz zu
Honda und ließ seinen Blick dann weiter zu Bakura wandern. „Kälte macht dir
nicht so viel aus, oder?“
Bakura schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich. Trotzdem hätt ich gern was
Warmes zum Anziehen.“
„Keine Sorge.“ Er drehte sich zu Mariku und Malik um und sah sie lange an.
„Ihr kommt mit.“
„Nein“, widersprach Malik zischend.
„Oh doch, ich lass dich nicht hier“, erwiderte Ryou kühl.
„Ich kann auf ihn aufpassen“, bot Mariku an. Er wollte nicht, dass die
Situation eskalierte.
„Du?“ Ryou schien kurz davor in Gelächter auszubrechen. „Ein
Fingerschnipsen von ihm und du tust doch alles was er sagt.“ Er sah Mariku
abschätzig an. „Ich vertraue dir genauso wenig wie ihm.“ Mariku öffnete
den Mund, doch er wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er machte einen Ansatz
um Ryou zu widersprechen, doch der ließ es gar nicht erst dazu kommen. „Ihr
bekommt spezielle Kleidung, damit ihr mir da draußen nicht erfriert.“ Er
grinste Malik an, was dazu führte, dass dieser seinen Körper anspannte.
„Ich geh nicht raus, Sklave.“
„Oh, doch.“
Malik schnaubte. „Was willst du tun, mich zwingen?“ Ein Grinsen legte sich
auf Maliks Lippen und diesmal war es Ryou, der seinen Körper anspannte.
„Malik bitte…“ Der Rest von Marikus Satz ging in einem Schmerzensschrei
unter, als Malik ihn an der verwundeten Schulter packte und zudrückte. Mariku
sank auf die Knie. Er schaffte es nicht mal den rechten Arm zu heben um Malik
wegzuschieben. Der Schmerz war höllisch.
„Pass auf, was du sagst, Abschaum“, fauchte Malik ihn an. Die Anwesenden
beobachteten die Szene, doch niemand schritt ein.
„Du wirst dieses Schiff verlassen und entweder ist es mit uns und du kriegst
ebenfalls die spezielle Kleidung oder Honda wird dich rauswerfen und du wirst
elendig erfrieren, klar?“
Malik sah von Ryou zu Honda und verengte die Augen zu Schlitzen. Er stieß eine
Reihe von Zischlauten aus, dann ließ er Mariku los und dieser sank keuchend
nach vorne.
„Vielleicht solltest du dir trotzdem noch etwas Wärmeres anziehen, nur zur
Sicherheit.“ Ryou genoss es sichtlich, dass er Malik teilweise in der Hand
hatte.
Bebend drehte sich Malik um und stampfte zu Marikus Kabine zurück. Mariku
setzte sich auf und stützte sich an der Wand ab, während er versuchte wieder
auf die Beine zu kommen. Er konnte kaum einen Schritt vor den anderen setzen. Er
hörte Ryou leise lachen und biss die Zähne zusammen.
„Was sollte das?“, fuhr er Malik an, als er in der Kabine war. Der Schmerz
machte ihn wütend. Malik wirbelte herum und schlug mit seinen Krallen nach
Mariku. Nur durch Glück schaffte es dieser rechtzeitig auszuweichen. Malik
erwischte nur den Pullover und hinterließ vier lange Risse darin. Der Stoff um
die Löcher verfärbte sich dunkel und Mariku zog scharf Luft ein. Es war Maliks
Gift, das den Stoff tränkte. Mariku schluckte. Hätte er es nicht geschafft
auszuweichen, dann wäre er jetzt tot.
Malik wandte sich wieder ab und stützte sich mit beiden Händen auf dem Tisch
ab. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm, doch Mariku war zu wütend auf ihn, um
sich darum zu kümmern. Nach der letzten Nacht hatte er gehofft, dass sich Malik
etwas öffnen würde, doch er war wieder zurück bei seiner arroganten,
überheblichen Art. Mariku zog den kaputten Pullover aus und warf ihn in die
Ecke, dann packte er die Kleidung, die er zuvor Malik angeboten hatte und
drückte sie ihm gegen die Brust. „Jetzt zieh das endlich an!“
Malik hielt die Klamotten fest, sah jedoch nicht auf. Sein Unterkiefer war
angespannt. Mariku holte sich einen neuen Pullover aus seiner Tasche, sowie ein
paar dicke Socken.
Die Tür glitt auf und Bakura trat ein. Er vermied es Mariku anzusehen. „Hier
sind eure Anzüge.“
„Bakura…“
„Beeilt euch.“ Und damit war er auch schon wieder weg. Mariku starrte auf
die geschlossene Tür. Großartig, war jetzt jeder gegen ihn? Er fuhr sich durch
die Haare und ließ sich aufs Bett sinken. Wieso machte er nur alles falsch?
Malik bewegte sich und Mariku sah wieder auf. Er beobachtete ihn dabei, wie er
sich sein Shirt auszog und zog überrascht die Augenbrauen nach oben, als er die
Narben auf seinem Rücken sah. Sie hoben sich weiß von seiner dunklen Haut ab
und zogen sich sogar über die Schuppen. „Woher hast du die Narben?“ Malik
zog sich schnell den Pullover über den Kopf und verdeckte sie wieder. „Sind
es Kampfnarben?“
Malik schlug die Ärmel etwas zurück. Der Pullover passte ihm zwar, doch die
Ärmel waren etwas zu lang. „Ja“, antwortete er schließlich zögernd.
Mariku wusste, dass er log. Seine Reaktion war deutlich genug gewesen. Außerdem
hätte er Kampnarben sicher mit Stolz getragen. Woher hatte er die Narben
wirklich? Mariku hatte sie nur kurz gesehen, doch sie waren lang gewesen und
hatten sich über seinen ganzen Rücken erstreckt. Er sah zu seinem kaputten
Pullover. Lange weiße Narben wie Kratzwunden. Er sah wieder zu Malik auf, der
sich die Hosenbeine hochkrempelte. Misshandlung? Er würde keine Antwort
kriegen, wenn er ihn fragte und er hatte es nicht verdient, dass er sich
überhaupt Sorgen machte. Seine Schulter pochte.
Malik griff nach der speziellen Kleidung, die Bakura gebracht hatte. Sein
Gesicht war eine stoische Maske.
Mariku stemmte sich wieder hoch und zog sich ebenfalls die andere Kleidung
über. Sie war schwerer als gewöhnliche Klamotten und er begann sofort zu
schwitzen. Er stieß hörbar Luft aus. „Ich fühl mich wie ein Yeti“,
murmelte er. Zusammen mit Malik verließ er sein Zimmer. In der Hand hielt er
eine Schutzbrille und eine schwarze Stoffmaske, die die Augen freiließ. Malik
hatte die Maske schon auf und die Brille auf seiner Stirn.
Als sie die anderen erreichten, verstummte deren Gespräch und ihre Blicke
richteten sich auf sie. „Gut, da wir jetzt vollständig sind, können wir ja
aufbrechen.“ Ryou zog sich die Maske über den Kopf.
„Laufen wir wieder planlos durch die Gegend?“, fragte Mariku und zog sich
ebenfalls die Maske über.
„Nein, wir haben einen Scan durchgeführt“ Ryou justierte seine Brille.
„Einen halben Tagesmarsch von hier gibt es eine Ansammlung von Lebewesen.“
„Die uns fressen werden?“
Ryou schnaubte. „Nein.“ Er wandte sich von Mariku ab und öffnete die Tür
des Raumschiffs. Mariku sah zu Malik, der stur geradeaus blickte. Honda war der
einzige, der keine Schutzkleidung trug. Sein Körper glühte jedoch noch
kräftiger, als Mariku es bisher gesehen hatte.
Trotz der speziellen Kleidung spürte Mariku wie die Kälte biss. Er legte die
Arme um sich selbst und stapfte hinter den anderen her durch den hüfthohen
Schnee. Honda machte ihnen einen Weg frei, doch der Schnee fiel so schnell, dass
es kaum einen Nutzen hatte. Ein heftiger Wind zerrte an ihrer Kleidung und
wirbelte den Schnee auf. Es war unmöglich weiter als ein paar Schritte zu
sehen. Malik hielt sich nah bei Mariku, den Blick nach unten gerichtet.
Schweigend stapften sie durch den Schnee und Mariku rieb sich unaufhörlich
über die Arme. Er war in einem sonnigen Land aufgewachsen, Schnee hatte er
bisher immer nur von Bildern gekannt. Und es wäre ihm lieber, wenn sich das nie
geändert hätte. Selbst durch die Brille bildeten sich kleine Eiskristalle auf
seinen Wimpern. Es fühlte sich wie ein Eisklotz. Bakura, Honda und Ryou jedoch
schien die Kälte eher nichts auszumachen. Malik dagegen schien am meisten zu
leiden. Er ging leicht vornüber gebeugt, sein Atem war auf dem Brillenglas zu
sehen. Seine Schritte hatten sich verlangsamt und er schien Probleme zu haben
überhaupt weiter zu gehen.
„Bist du in Ordnung?“, fragte Mariku. Leichte Besorgnis schwang in seiner
Stimme mit. Es fiel ihm schwer noch wütend auf Malik zu sein.
„Lass mich in Ruhe.“ Malik wollte ihn wegstoßen, doch er hatte keine Kraft
dazu. Selbst seine Stimme klang, als würde ihn Sprechen anstrengen. Malik blieb
kurz stehen, schüttelte den Kopf und ging dann weiter.
Mariku sah nach vorne. Noch konnte er Ryou und die anderen erkennen, doch sie
würden sie aus den Augen verlieren, wenn Malik sich nicht beeilte.
„Wartet!“, rief er ihnen hinterher und er musste zugeben, er war
überrascht, dass sie wirklich stehen blieben. Zumindest konnten sie jetzt
wieder zu ihnen aufholen. Trotzdem ging es Malik nicht besser. „Bitte“,
Mariku wandte sich an Ryou, „lass ihn zurückgehen. Die Kälte tut ihm nicht
gut.“
„Misch dich nicht ein, Made!“, fauchte Malik ihn an, doch taumelte schon im
nächsten Augenblick. Reflexartig stützte er sich bei Mariku ab, zog die Hand
aber schnell wieder zurück.
„Wir gehen weiter.“ Ryou drehte sich um, doch Mariku packte ihn an der
Schulter.
„Er steht das nicht durch!“
Er konnte nur Ryous Augen sehen, doch es war ausreichend um zu erahnen, wie sein
Gesichtsausdruck aussah. „Ich weiß.“ Das Grinsen war regelrecht in seiner
Stimme zu hören.
„Du… weißt?“, wiederholte Mariku ungläubig und ließ die Hand sinken.
„Ich kann ihn vielleicht nicht selbst töten, aber ich kann zusehen, wie ihn
die Kälte zugrunde richtet.“
„Das ist grausam!“
„Das ist Gerechtigkeit!
Malik brach zusammen. Er fiel zwischen Mariku und Ryou in den Schnee.
„Malik!“ Mariku ließ sich auf die Knie fallen und drehte Malik auf den
Rücken. Maliks Augen waren geschlossen und seine Atmung nur schwach.
„Lass ihn liegen und verrecken.“
Mariku richtete sich wieder auf. „Du bist nicht besser als er!“
Ryou verzog vor Wut das Gesicht, auch wenn Mariku nur die Augenpartie sehen
konnte. „Was weißt du schon, du dummer Mensch?“ Er schrie Mariku an, seine
Stimme wurde durch den Stoff gedämpft. „Du hast keine Ahnung, was ich
durchgemacht habe!“
„Das stimmt, aber es gibt dir nicht das Recht über sein Leben oder seinen Tod
zu entscheiden! Du hasst die Notechis so sehr und doch verhältst du dich genau
wie sie!“
Ryou bebte. „Weißt du, wer sein Vater ist?“ Er deutete auf Malik.
„Ishtar. Allein der Name reicht aus um mir Angst zu machen. Die Notechis waren
grausam, ja, aber für General Ishtar musste man das Wort ganz neu definieren!
Und ich werde es so sehr genießen seinen Sohn hier elendig verrecken zu
sehen!“
Mariku schlug zu, bevor er weiter darüber nachgedacht hatte. Er stürzte sich
auf Ryou und sie fielen gemeinsam in den Schnee. Mariku ließ seinen Frust an
Ryou aus und hörte erst auf, auf ihn einzuschlagen, als Bakura ihn von Ryou
herunterzog. Er wehrte sich nicht gegen Bakuras Griff.
„Beruhig dich, verdammt!“
Das Blut auf Ryous Federn gefror fast sofort. Seine Brille war verrutscht und
das Glas hatte einen Sprung. „Du kannst gerne mit ihm zusammen verrecken!“,
fauchte er Mariku an. Mariku hatte sich wieder neben Malik gekniet und versuchte
ihn aufzuwecken. „Wir gehen weiter.“ Doch Bakura rührte sich ebenfalls
nicht. „Du auch noch?“
Bakura seufzte. „Es ist nur…“ Er fühlte sich sichtlich unwohl in seiner
Haut. „Wir können Mariku nicht einfach hier lassen.“
„Er hat sich entschieden.“
„Aber… Mariku, was machst du da?“
Mariku hatte begonnen seine Jacke aufzuknöpfen. „Ich werde ihn warm halten,
ganz einfach.“
„Bist du verrückt? Du wirst erfrieren!“
Ryou rollte mit den Augen. „Ich sagte doch, dass er ein dummer Mensch ist.“
Mariku bereute es sofort, als er die Jacke auszog, doch es gab kein Zurück. Er
würde nicht zulassen, dass Malik erfror. Er zitterte heftig, als er Malik
zusätzlich in seine Jacke wickelte und hochhob. Er presste ihn an sich und
versuchte die Kälte zu ignorieren, die sich ihren Weg unter seine normale
Kleidung suchte. Er fühlte sich, als hätte er nur ein dünnes Hemd an.
„Geh wenigstens neben Honda“, schlug Bakura vor.
„Nein“, widersprach Mariku und schüttelte den Kopf. Er klapperte mit den
Zähnen.
„Sei doch kein Idiot. Du erfrierst!“
„Würde doch niemanden stören.“ Mariku wusste, dass sein Trotz unangebracht
war, aber er wollte einfach nichts mehr mit Ryou und dessen Leuten zu tun
haben.
„Aber wenn du stirbst, dann stirbt auch Malik und Ryou kriegt was er will.“
Diesmal zeigten Bakuras Worte Wirkung. Mariku schloss zu Honda auf, doch dieser
verzog nur das Gesicht. Er sah zu Ryou, welcher erst mit den Schultern zuckte
und dann nickte.
Die Kälte schien ihn regelrecht aufzufressen. Obwohl seine Beine, seine Hände
und sein Kopf immer noch geschützt waren, hätte er genauso gut nackt sein
können. Er zitterte am ganzen Leib und spürte, wie die Muskeln bei jedem
Schritt zuckten. Er krallte sich regelrecht an den bewusstlosen Malik in seinen
Armen. Von Hondas Wärme merkte er kaum etwas, doch sie war im Moment wohl das
einzige, das verhinderte, dass er erfror. Seine Arme waren schwer von Maliks
Gewicht, doch er dachte keine Sekunde daran ihn loszulassen und er würde auch
keinesfalls um eine Pause bitten. Mariku biss die Zähne zusammen. Er würde
nicht aufgeben. Er würde Malik und sich selbst lebendig aus dieser Sache raus
bringen und Ryou nicht die Befriedigung geben, auf die er aus war.
Plötzlich bebte die Erde; oder es war vielmehr so, als würde sie sich bewegen.
Mariku war nicht der einzige, der das Gleichgewicht verlor. Er erwartete eine
weiche Landung, doch er schlug auf hartem Felsboden auf. Schmerz schoss durch
seinen Körper. Instinktiv drückte er Malik an sich.
Der Boden türmte sich vor ihnen auf und… brüllte? Das Wesen hatte
blauglühende Augen und ein Maul so groß, dass es sie alle mit einem Happs
verschlucken konnte. So viel zum Thema niemand würde sie fressen.
Als Mariku versuchte sich aufzurappeln, rutschte er weg. Seine Schulter strafte
ihn für die Anstrengung. Er fluchte. Das Monster sah aus, wie eine Schlange aus
Eis und Stein. Ryou und Honda hatten Waffen gezogen und Ryou rief Befehle, doch
das Wesen wirbelte den Schnee auf und versperrte die Sicht. Der Boden vibrierte
regelrecht, als es sich durch den Schnee bewegte. Mariku blieb auf dem Boden
sitzen und sah sich hektisch um. Von welcher Seite aus würde es angreifen?
„All die Aufregung kostet mich mindestens hundert Jahre meines Lebens“,
fluchte Bakura.
„Halt’s Maul!“, fuhr Ryou ihn an. „Kannst du nicht einmal still
sein?“
„Aber nur, weil du mich so nett darum bittest, Schätzchen.“
Ihr kleiner Streit wurde von einem ohrenbetäubenden Brüllen unterbrochen, als
das Monster wieder aus dem Schnee auftauchte. Mariku schätze seine Größe auf
mindestens fünf Meter. Zumindest den Teil, den er sehen konnte.
Würde er einmal auf einem fremdem Planeten landen können, ohne in Lebensgefahr
zu geraten?
Plötzlich flog ein Haken auf das Monster zu und bohrte sich in dessen eisige
Haut. Laute Stimmen waren zu hören. Sie brüllten und klangen für Mariku wie
Affen. Sie schienen aus allen Richtungen zu kommen. Das Monster wand sich und
versuchte den Haken abzuschütteln, doch immer mehr bohrten sich in seinen
Körper.
Etwas lief an Mariku vorbei, doch es war zu schnell um etwas zu erkennen. Erst
als sich ihre Retter –zumindest hoffte Mariku, dass sie das waren- am Körper
des Eiswesens nach oben hangelten, konnte Mariku ein bisschen etwas erkennen.
Und mehr als ein bisschen, war es auch nicht. Die Wesen waren grau-weiß und
verschmolzen fast vollständig mit ihrer Umgebung, selbst auf dem Körper des
Eismonsters waren sie kaum zu erkennen.
Das Wesen brüllte und versuchte seine Angreifer abzuschütteln. Es wankte
gefährlich und Mariku hievte sich schwerfällig hoch. Er hatte Malik dafür
kurz ablegen müssen, doch er hob ihn wieder hoch, kaum stand er auf den Beinen.
Er kam zwar noch mal ins Taumeln und seine Schulter dankte ihm die Belastung mit
Schmerz, doch er biss die Zähne zusammen.
Er war keine Sekunde zu früh aufgestanden, denn ein Felsbrocken krachte auf die
Stelle, wo er eben noch gesessen hatte. Die Kreatur brüllte auf. Noch mehr
Schnee wurde aufgebwirbelt und versperrte Mariku die Sicht.
Plötzlich wurde er von den Füßen gerissen. Er krachte gegen etwas oder
jemanden und der Hitze nach zu urteilen, war es Honda. Mariku schrie auf und war
zum ersten Mal froh über den Schnee um sie herum. Er linderte den Schmerz für
einen Augenblick, nur um dann selbst zum Schmerz zu werden. Hondas Haut hatte
ein Loch in Marikus Pullover gebrannt und die Kälte griff die nackte Haut
unbarmherzig an. Mariku hatte Probleme überhaupt noch aufrecht zu stehen. Es
war ein Riss in seiner Brille.
Die Erde bebte, als das Monster auf den Boden krachte und sich nicht mehr
rührte. Als sich der Schnee wieder legte, versuchte Mariku sich zu orientieren.
Er wusste, das Honda ganz in seiner Nähe war, doch wo waren Ryou und Bakura? Er
sah sich um, doch er konnte die beiden nirgends entdecken.
„Bakura?“, rief er. „Ryou?“ Honda tauchte neben ihm auf und stimmte in
das Rufen mit ein. „Bakura?! Ryou?!“
Ein Arm tauchte aus dem Schnee auf und Honda rannte darauf zu. Der Schnee
schmolz und Bakura kam zum Vorschein. Er hatte seine Brille verloren und die
Maske war zerrissen. Er hustete und spuckte Schnee aus. Er zog Ryou, den er an
der Hand hielt, aus dem Schnee. Ryous Jacke war zerrissen und er hatte einige
Schnitte davongetragen. Nichts sah nach einer ernsthaften Verletzung aus. Das
Blut war bereits gefroren. „Den Kleinen hat’s umgehauen.“ Bakura wischte
sich über den Mund. „Oh“, Bakura sah auf, „wir haben Besuch.“
Mariku folgte seinem Blick. Um sie herum, auf dem Schnee, standen Wesen, nicht
größer als ein Menschenkind und mit grau-weißen Haaren, die sie wie ein
Mantel einhüllten. Ihre Gesichter wirkten eingedrückt und sie hatten keine
Nase, dafür einen breiten Mund und kleine blassblaue Augen.
Mariku konnte nicht fassen, dass so kleine Wesen diese Eisschlange zu Fall
hatten bringen können.
„Gäste“, sagte eines der Wesen plötzlich mit einer Stimme, wie tief aus
einer Höhle. Mariku rechnete schon fast mit einem Echo.
Honda trat vor. Da Ryou ohnmächtig war, hatte er jetzt das Kommando, doch
Mariku ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Wir brauchen Hilfe! Wir haben
Verletzte und sie brauchen Wärme.“ Honda warf Mariku einen missbilligenden
Blick zu, doch Mariku ignorierte es. Er hatte keine Zeit für Diplomatie. Er
musste Malik in die Wärme schaffen oder er würde früher oder später sterben.
Der Sprecher der Schneealiens sah von Malik zu Ryou und nickte dann.
„Wärme“, wiederholte er. „Mitkommen.“
Nivtas war der Name der kleinen, haarigen Aliens und ihr Dorf bestand, wie es zu
erwarten war, aus Eis. Die Gebäude erinnerten Mariku an Iglus, doch sie hatten
abstrakte Formen und wirkten befremdlich auf ihn. Er fühlte sich nicht wohl bei
dem Gedanken daran, dass er eines der Häuser betreten musste. Die Nivtas hatten
ihnen Wärme versprochen und das war alles, was für Mariku im Moment zählte.
Ryou war wieder aufgewacht, doch er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Auch
wenn er sich anfangs dagegen gesträubt hatte, ließ er zu, dass Bakura ihn
stützte. Bakura hatte vorgeschlagen ihn weiter zu tragen, doch das hatte Ryou
strikt abgelehnt.
„Wärme“, erklärte der Anführer der Nivtas-Gruppe und winkte Mariku zu
sich. „Wärme“, wiederholte er und deutete auf die Eingangstür.
„Danke“, flüsterte Mariku mit klappernden Zähnen. Er musste sich ducken um
durch die Tür zu kommen. Kaum war er im Inneren, war es, als würden sich
Nadeln in seine Haut bohren. Trotzdem war es ein angenehmes Gefühl.
Mariku hatte erwartet, dass auch die Möbel aus Eis waren, doch das spärliche
Mobiliar war aus dunklem, fast schwarzem Holz. Eine Treppe führte nach unten in
die Erde, doch Mariku kümmerte sich nicht darum. Ihn interessierte viel mehr
das blaue Feuer, das in der Mitte des Raumes brannte. Er legte Malik so nah wie
möglich daneben und zog ihm die Brille und Maske vom Kopf. „Malik?“, fragte
er, doch er erhielt keine Antwort. Er streckte die Hand aus und hoffte für
einen Moment, dass Maliks Arm nach oben schoss und ihn packte, doch nichts
passierte. Mariku versuchte seinen Puls zu fühlen, doch er fand keinen. Panisch
tastete er an Maliks Hals entlang, dann beugte er sich nach unten und seufzte
erleichtert, als er Maliks schwachen Atem auf seiner Wange spürte. Er ließ
sich zurücksinken und rieb sich über die Arme. Sein Körper zitterte immer
noch, aber zumindest fühlte er sich nicht mehr, als würde er jeden Moment
zusammenbrechen.
Er strich Malik über die Wange. Seine Haut war eiskalt. Mariku gähnte. Er war
erschöpft und die Wärme begann ihn schläfrig zu machen. Er rieb sich über
die Augen und hielt seine Hände gegen die Flamme. Sein Körper begann wieder
aufzutauen, doch der Schmerz in seinem Rücken ließ nicht nach. Er hatte das
Pech wirklich gepachtet. Eine neue Verletzung auf seiner Liste. Wie lange würde
es noch dauern, bis er irgendein Körperteil verlor?
Malik und er waren allein. Die Anderen sprachen mit den Nivtas, in der Hoffnung,
dass diese ihnen helfen konnten das Schiff zu reparieren. Mariku seufzte. Er
wollte, dass diese Reise endlich vorbei war. Er sah zu Malik. Er hätte sich so
viel Ärger ersparen können, wenn er damals einfach die Klappe gehalten hätte.
Er strich Malik wieder über die Wange. Zumindest fühlte sich seine Haut
langsam wieder warm an. Was war es nur, dass ihn zu Malik hinzog? Er war nicht
in ihn verliebt, zumindest fühlte er sich nicht so. Er hatte kein Kribbeln im
Bauch und sein Herz schlug auch nicht schneller, wenn er ihn ansah. Er hatte
kein Bedürfnis ihn zu küssen oder ähnliches und trotzdem kam er auch nicht
von ihm los. Seufzend ließ sich Mariku wieder zurücksinken und schoss sofort
wieder in die Höhe, als sein Rücken den Boden berührte. Er hatte die Wunden
auf seinem Rücken schon wieder vergessen gehabt. „Verdammt“, murmelte er.
„Warum ausgerechnet ich?“
„Weil du ein Idiot bist“, sagte plötzlich eine leise Stimme. „Ein dummer,
dummer Idiot.“
„Malik! Du bist wach!“ Mariku rutschte neben ihn. „Wie fühlst du
dich?“
„Ich lebe“, stellte Malik trocken fest.
„Ja.“
„Warum?“ Mariku wusste nicht, was er auf diese Frage antworten sollte. Malik
sah ihn an. „Weil du den Helden gespielt hast.“
„Ich… nein… es ist nur…“, stammelte Mariku. Er räusperte sich. „Ich
konnte dich nicht sterben lassen.“
„Wieso nicht? Es hätte dir viel Ärger erspart.“
„Was kümmert dich das?“ Er klang wütender als er war.
Malik schmunzelte und schloss die Augen. „Stimmt. Es kümmert mich nicht.“
„Was sollte übrigens der Scheiß im Schiff? Das tat verdammt weh!“
Malik öffnete die Augen wieder. „Das sollte es auch, Idiot.“
Schweigen kehrte zwischen den beiden Männern ein. Mit Malik zu reden hatte
sowieso keinen Sinn. Vielleicht hätte er ihn wirklich nicht retten sollen. Er
sah Malik an, der seinen Blick auf das blaue Feuer gerichtet hatte. War er
wirklich ein Idiot? Oh ja, und was für einer.
Seufzend stand Mariku auf, Maliks Blick folgte ihm. Er trat an die Tür und
wäre fast mit einem der Nivtas zusammengestoßen. Das kleine Wesen stieß einen
hellen, überraschten Laut aus. „Oh, tut mir leid, ich wollte dich nicht
erschrecken.“
„Essen“, sagte der Nivtas und hielt Mariku ein Holzgefäß entgegen.
„Essen“, wiederholte es, als Mariku keine Anstalten machte das Gefäß zu
nehmen.
Erst jetzt reagierte Mariku. Das Holzgefäß war angenehm warm und er stellte es
neben Malik. Malik setzte sich auf und beobachtete wie Mariku den Deckel abnahm
und eine dampfende Suppe zum Vorschein kam. Zwei Holzlöffel steckten an der
Seite.
Die Suppe schmeckte nach Erde, aber für Mariku war es ein wahres Festessen. Sie
wärmte ihn von innen heraus und sämtliche Anspannung schien von ihm
abzufallen. Wenn jetzt auch noch die Schmerzen verschwinden würden, dann würde
er sich wirklich glücklich schätzen. Aber die Schmerzen blieben und erinnerten
ihn hartnäckig daran, was für ein Idiot er doch war.
Malik ließ den Löffel in die Suppe fallen und zog Marikus Mantel höher.
Mariku verdrehte die Augen und fischte den Löffel aus der Suppe. Er befestigte
ihn wieder am Rand des Topfes.
Kaum hatte er aufgegessen, tauchten wieder zwei Nivtas auf. Gemeinsam trugen sie
einen Pelz, wie Mariku vermutete. Die Farbe war grellblau und passte so gar
nicht in die tristen Farben, die dieser Planet sonst zu bieten hatte.
„Für Freund“, sagte einer der Nivtas und deutete auf Malik. „Warm.“
„Ähm, vielen Dank“, murmelte Mariku und nahm ihnen den Pelz ab. Sie nickten
synchron, dann schnappte sich einer den leeren Topf und sie trugen ihn hinaus.
Er hielt Malik den Pelz hin.
Malik rümpfte die Nase, dann schob er Marikus Jacke von sich und wickelte sich
stattdessen in den Pelz. Sein Gesichtsausdruck änderte sich und wurde etwas
sanfter. Scheinbar hielt ihn der Pelz wirklich besser warm, als die Jacken, die
Ryou ihnen gegeben hatte.
Bakura betrat das Haus, blieb jedoch an der Tür stehen. „Die Nivtas helfen
uns. Wir gehen zurück. Ihr kommt besser, oder Ryou lässt euch hier.“
Mariku griff nach seiner Jacke und zog sie an. Er zog scharf Luft ein, als der
Stoff seine Wunden auf dem Rücken berührte. Malik ging an ihm vorbei. Er hatte
die Mütze wieder auf und trug seine Brille und würdigte Mariku keines Blickes.
Nur ungern trat Mariku wieder in die Kälte. Die Wärme verschwand sofort und es
war, als wäre sie nie dagewesen. Eine Gruppe Nivtas stand neben Ryou. Eine Art
Schlitten stand hinter ihnen und ein großes Tier, eine Mischung aus Bär und
Pinguin, wie Mariku fand, war davor gespannt. Sein Fell war grellblau und Mariku
wusste nicht, ob er es bedrohlich oder lustig finden sollte. Die kleinen
Flossenfüße passten überhaupt zu dem breiten Leib des „Tieres“. Das
hinderte es aber nicht daran, sich fortzubewegen. Es watschelte durch den Schnee
und hinterließ eine breite Furche.
Malik ging es auf dem Rückweg besser. Er atmete zwar schwer, doch der Pelz
schien die Kälte ausreichend von ihm fernzuhalten, damit er zumindest bei
Bewusstsein blieb. Mariku ging trotzdem neben ihm, für den Fall, dass er wieder
zusammenbrach.
Ryou ging weiter vorne und unterhielt sich mit einem der Nivtas. Mariku glaubte
das zumindest. Er sah zwar, wie sich Ryous Lippen bewegten, doch er hörte
keinen Laut.
Bakura ließ sich plötzlich zurückfallen und ging mit verschränkten Armen
neben Mariku. Er hatte die Augen zusammengekniffen und sah auch sonst eher
grimmig aus.
„Alles okay?“, wollte Mariku wissen.
Bakura grummelte etwas in seine Maske. Sie war auf der rechten Seite zerrissen
und nur notdürftig mit ein paar Fäden geflickt worden. „Von ihrem Gelaber
krieg ich Kopfschmerzen.“
„Wessen?“
„Ryous!“
Mariku sah zu Ryou, der immer noch die Lippen bewegte. „Ich hör nichts.“
Wieder grummelte Bakura. „Sei froh. Es ist furchtbar grell.“
Mariku hob verwundert die Augenbrauen. Die Stimmen der Nivtas waren ihm so tief
vorgekommen, wie konnte es jetzt sein, dass sie sich auf einer Frequenz
unterhielten, die zu hoch für Marikus Ohren war? Er schüttelte den Kopf.
Aliens – er würde sie nie verstehen. Er warf einen kurzen Blick zu Malik, der
in dem Pelz fast ertrank, weil er so groß war. Mariku seufzte.
Zurück beim Schiff schickte Ryou sie ins Innere und Mariku kam der Aufforderung
nur zu gerne nach. Er zog sich Brille und Maske vom Kopf und legte sie auf den
Tisch. Die Jacke ließ er einfach auf den Boden fallen. Er öffnete die
Schranktür und drehte dem Spiegel an der Innenseite der Tür den Rücken zu.
Über die Schulter hinweg betrachtete Mariku seinen Rücken und wünschte sich
schon im nächsten Augenblick es nicht getan zu haben. Die Haut war aufgeplatzt
und das Fleisch darunter schimmerte feucht.
Mariku versuchte seinen Pullover auszuziehen, doch gab bei dem Versuch nur einen
wimmernden Laut von sich. Mit einem Fluch auf den Lippen ließ er sich auf die
Matratze sinken, auf der Malik saß und immer noch in den blauen Pelz gewickelt
war. Mariku atmete tief durch. Seine Hände zitterten.
Die Matratze bewegte sich, doch Mariku machte sich nicht die Mühe sich zu Malik
umzudrehen. „Halt still“, murmelte Malik und das Nächste, was Mariku
hörte, war ein Reißen. Er hätte ja gerne einen zweideutigen Kommentar dazu
abgegeben, dass Malik schon wieder einen seiner Pullover zerriss, aber er war zu
erschöpft.
Die Fetzen fielen auf den Boden und Malik rutschte wieder an die Wand zurück
und verschwand unter dem Pelz.
Nur einen Augenblick später kam Bakura in den Raum; den Erste-Hilfe-Kasten
unter dem Arm. „Du hast echt ein Talent dafür, dich fast umzubringen,
was?“
„Irgendwas muss ich ja können“, erwiderte Mariku seufzend und setzte sich
auf den Stuhl am Tisch, seinen Rücken Bakura zugewandt.
„Oh, das sieht böse aus.“ Bakura stellte die Box auf den Tisch und nahm
eine Spraydose heraus. „Das wird brennen.“
Mariku schrie auf. Wäre er nicht schon gesessen, wäre er wohl in die Knie
gegangen. Sein Rücken stand in Flammen und er wischte sich über die Augen.
„Es überrascht mich, dass du hier bist.“
Bakura seufzte. „Ich hab nichts gegen dich und eigentlich kann ich dich auch
ganz gut leiden, aber deine Prioritäten kann ich wirklich nicht
nachvollziehen.“ Sie sahen beide zu Malik. „Sobald wir wieder auf Kurs sind,
wird er vor Gericht stehen und dass es auf eine Hinrichtung hinausläuft, kann
ich dir jetzt schon sagen. Du kannst ihn nicht immer retten.“
„Ich will ihn nicht retten“, widersprach Mariku. „Ich bin nur der Meinung,
dass bei seiner Vergangenheit mehr Leute ein Anrecht darauf haben ihn sterben zu
sehen, als nur Ryou allein.“
„Das ist… unerwartet grausam…“ Mariku antwortete nichts. Er hatte nicht
vor Maliks Verhalten in irgendeiner Weise in Schutz zu nehmen. Erst recht nicht
seine Vergangenheit. „Wirst du dabei sein?“
Mariku schüttelte den Kopf. Sein Blick war immer noch auf den blauen Pelz
gerichtet. Er würde nicht zusehen, wie sie Malik verurteilten. Am Ende würde
er nur wieder seine Klappe nicht halten können.
„Hier.“ Bakura hielt Mariku ein kleines Gummiteil vor sein Gesicht.
Mariku nahm es ihm verwirrt ab. „Was soll ich damit?“
„Fest draufbeißen. Das wird jetzt gleich wehtun und du würdest dir
wünschen, du wärst tot.“ Mariku sah über die Schulter zu Bakura hoch, der
ihn angrinste. Mit einem flauen Gefühl im Magen schob sich Mariku das
Gummistück in den Mund.
Sein Schrei wurde gedämpft. Er krallte sich im Stoff seiner Hose fest. Der
Schmerz jagte ihm die Tränen in die Augen. Mit einer Pinzette zog Bakura den
eingebrannten Stoff aus seiner Wunde und der Schmerz war mit nichts zu
vergleichen, was Mariku bisher erlebt hatte. Hätte man ihm gesagt, dass Bakura
die Haut von seinem Rücken schälte, Mariku hätte es sofort geglaubt. Seine
Zähne gruben sich tief in den Gummi und Tränen tropften auf seine zitternden
Hände.
„Versuch nicht ohnmächtig zu werden.“
Mariku konnte nichts antworteten. Er atmete schwer und der Schweiß stand ihm
auf der Stirn. Er schluchzte unterdrückt. Inzwischen krallte er sich an die
Tischkante. Seine Fingerknöchel standen weiß hervor.
„Ich denke, das war alles.“ Doch Mariku hörte Bakuras Worte nicht. Mit der
Stirn sank er auf die Tischplatte und mit weit aufgerissenen Augen starrte er
nach unten auf den Boden. „Außerdem sind das jetzt die letzten Bandagen, also
bitte keine Verletzungen mehr.“ Bakura stellte einen Metallbehälter vor
Mariku. „Trink das. Es hilft gegen die Schmerzen.“
Mit zittrigen Händen griff Mariku danach. Der Deckel fiel ihm aus der Hand und
er schüttete den Behälter fast aus. Gierig trank er den Inhalt und kümmerte
sich nicht darum, dass ein Teil über sein Kinn nach unten tropfte.
„Ruh dich aus.“
Mariku nickte schwach.
Er blieb noch einige Minuten sitzen, nachdem Bakura gegangen war, dann stand er
auf, nur um gleich wieder auf den Stuhl zurückzusinken. Er legte den Kopf
zurück.
Mariku atmete tief durch und wagte noch einen Versuch. Er wankte und stützte
sich auf den Tisch ab. Er war froh, dass das Bett nicht so weit entfernt war. Er
legte sich auf den Bauch und kümmerte sich nicht darum, wie viel Platz er
brauchte. Die Schmerzen hatten ihn ausgelaugt und er wollte nur noch seine Ruhe.
Malik rührte sich. Mariku hatte gedacht, er wäre eingeschlafen, weil er sich
nicht zu seinen Aussagen geäußert hatte, als er mit Bakura über ihn
gesprochen hatte, doch scheinbar hatte er sich geirrt.
Malik kam aus seinem Pelzkokon, zumindest sein Kopf. Er hatte zwar die Brille
abgenommen, trug aber immer noch die Maske. „Ist dir immer noch kalt?“ Malik
schüttelte den Kopf. Er war überraschend wortkarg, wenn sie alleine waren.
Malik zog sich die Maske vom Kopf und warf sie auf den Boden. Seinen Bewegungen
nach zu schließen entledigte er sich auch seiner Jacke und der Hose unter dem
Pelz.
Mariku schloss seine Augen. Er konnte sie einfach nicht mehr länger offen
halten. „Ich hoffe, der nächste Planet ist weniger kalt“, murmelte er.
„Nein“, antwortete Malik. „Wir fliegen nach Abulu; es ist sehr heiß dort.
Die Nivtas haben nicht die Mittel, das Schiff zu reparieren, doch sie sorgen
immerhin dafür, dass wir hier wegkommen.“ Er machte eine kurze Pause. „In
Abulu werden sie euch sagen, wo ihr seid.“
„Ihr mit eurem Supergehör.“ Mariku seufzte. Plötzlich legte sich etwas
Warmes über ihn und er öffnete verwundert die Augen. Malik hatte seinen Pelz
über sie beide ausgebreitet. Mariku brachte ein kleines Lächeln zustande.
Bald würden sie endlich aus dieser Galaxie verschwinden und er wieder nach
Hause reisen. Er sah Malik an, der sich neben ihm zusammengerollt hatte. Und
Malik würde hingerichtet werden und sein Zuhause nie wieder sehen…
Kapitel 7
Der Versuch sich aufzurichten scheiterte kläglich und brachte Mariku nur
Schmerzen. Er wimmerte. Sein Körper war steif und er hatte weder Kraft in den
Armen, noch in den Beinen. Bis zum Ende der Reise wurde er bestimmt noch zum
Krüppel, wenn das so weiterging.
Erst jetzt bemerkte er, dass Malik nicht neben ihm lag. Er drehte den Kopf; die
einzige Bewegung, zu der er im Stande war. Malik saß auf dem Stuhl und starrte
an die Wand. Mariku konnte seinen Gesichtsausdruck im schwachen, blauen Licht
nicht deutlich erkennen.
„Malik?“ Malik reagierte nicht. „Malik?“
„Sprich mich nicht an, Mensch“, fauchte Malik ihn an und Mariku stieß einen
Seufzer aus. Auf was für einem Machttrip war er denn jetzt schon wieder? Mariku
sagte nichts mehr. Er hatte nicht die Kraft sich mit Malik eine
Auseinandersetzung zu liefern.
Er hörte Maliks Schritte nicht, weshalb er zusammenzuckte, als Malik wieder ins
Bett kroch. Er legte sich wieder neben ihn und hatte die Stirn kraus gezogen,
als würde er über irgendetwas nachdenken. Ob er Abulu nutzen würde um zu
verschwinden? Er schien den Planeten zu kennen, immerhin wusste er, dass es ein
heißer Planet war. Ob er dort Verbündete hatte? Was würde er tun, wenn Malik
versuchte zu flüchten? Würde er ihn aufhalten? Wahrscheinlich nicht. Mariku
schloss die Augen.
Hätte er damals nur den Mund nicht aufgemacht. Wobei, dann wäre er jetzt tot.
Es war Malik zu verdanken, dass sie lebend von den Spinnenfrauen weggekommen
waren.
„Es hat mich zuvor noch nie jemand gerettet.“ Was? Maliks Worte rissen ihn
aus seinen Gedanken und Mariku öffnete seine Augen. Malik war ihm zugewandt,
doch er sah ihn nicht direkt an.
„Ich bin sicher, früher hast du auch ganz gut auf dich selbst aufpassen
können.“ Für einen Moment kroch ein dunkler Schatten über Maliks Gesicht
und er presste die Lippen aufeinander, als wollte er sich selbst davon abhalten
zu widersprechen. „Außerdem hast du mich auch gerettet. Wir sind Quitt.“
„Ich hab mich dir nicht verpflichtet gefühlt, Mensch.“
„Schon gut, schon gut. Du musst mich nicht gleich so anfauchen. Du bist stark
und stolz und willst uns alle umbringen, ich weiß.“ Mariku seufzte. Er hatte
wirklich genug von Maliks Art.
Malik senkte den Blick, als würde er sich schämen, doch Mariku kannte ihn
inzwischen gut genug um zu wissen, dass so etwas wie Scham bei den Notechis
nicht existierte.
„Du wirst nicht bei meiner Hinrichtung sein?“ Maliks Stimme war leise und
Mariku versuchte seinen Tonfall zu deuten, doch er wagte es keine Vermutung
aufzustellen. Es war unmöglich herauszufinden, wie Malik sich wirklich fühlte.
Seine Stimmung wechselte gefühlt jede Minute die Richtung. Aber er hatte also
doch zugehört, als sich Bakura und er unterhalten hatten.
„Soll ich denn da sein?“ Er wusste nicht, was er von Maliks Verhalten halten
sollte. Nach dem was er von Anzu und Ryou gehört hatte, waren die Notechis
gefühlskalte Krieger, und auch Malik hatte anfangs genau diesen Eindruck in ihm
erweckt, doch jetzt?
Etwas stimmte nicht mit Malik. Er hatte ein Geheimnis, da war sich Mariku
sicher. Ein Geheimnis, dass er nicht einmal sich selbst eingestehen konnte.
„Nein. Am Ende schlagen sie dir auch noch den Kopf ab.“
„Machst du dir Sorgen um mich?“, fragte Mariku schmunzelnd und Maliks Augen
weiteten sich überrascht.
„Nein!“, zischte er und drehte sich von Mariku weg.
Mariku lächelte. Was war Maliks Geheimnis?
Es war Bakura, der ihn ein paar Stunden später weckte. „Frühstück!“
Mariku grummelte. „Es ist nicht viel und ihr müsst es euch teilen, aber es
ist was zu essen.“ Er trat näher ans Bett. „Wie fühlst du dich?“
„Als hätte mich ein Lastwagen überfahren“, murrte Mariku.
„Ein was?“
„Vergiss es. Ich kann mich jedenfalls nicht rühren.“ Er versuchte sich
hochzustemmen, doch seine Arme zitterten nur und er sank schon nach wenigen
Zentimetern wieder auf die Matratze zurück. Mariku atmete schnell. Was war los
mit ihm?
„Ach, das ist die Medizin, die ich dir gegeben hab.“
„Was?!“ Er starrte Bakura entsetzt an. Was hatte dieser Kerl mit ihm
gemacht?
„Keine Sorge. In ein paar Stunden kannst du dich wieder bewegen, versprochen,
und sie hilft echt bei der Heilung. Du wirst dich viel besser fühlen.“
Mariku knurrte. „Bist du irre?“ Wie konnte Bakura ihn einfach
bewegungsunfähig machen, ohne ihm das vorher zu sagen?
„Manchmal, aber wir sind noch eine Weile unterwegs, also musst du dich sowieso
nicht bewegen und es hilft wirklich... hoff ich.“
„Hoffst du?“
„Ich hab’s noch nie einem Menschen verabreicht.“
„Was, wenn ich sterbe?“
Bakura zuckte mit den Schultern. „Hab nicht drüber nachgedacht.“ Er vermied
es Mariku anzusehen.
Die Antwort machte Mariku sprachlos. War er hier denn der einzige, der nicht
komplett bescheuert im Kopf war?
„Noch dazu, wie soll ich so irgendwas essen?“
Bakura sah von Mariku zu Malik und ein Grinsen legte sich auf seine Lippen. Er
zwinkerte Mariku zu und verließ dann den Raum. Mariku rief ihm hinterher, doch
Bakura reagierte nicht darauf und kam nicht zurück.
Malik bediente sich an ihrem Frühstück, während Mariku nur zusehen konnte.
Sein Magen knurrte. „Wie wär’s, wenn du mir was abgibst?“
„Komm und hol dir was.“
„Ich kann nicht, hast du nicht zugehört?“ Wenn Malik ihn jetzt auch noch
nervte, dann würde er... dann würde... nichts tun, weil er sich nicht bewegen
konnte. Mariku seufzte.
Kauend sah Malik ihn an. Er verzog keine Miene. „Die Schwachen haben kein
Recht zu überleben.“
„Oh, leck mich!“, schimpfte Mariku. Er versuchte sich hochzustemmen, aber es
war, als würde er sich gegen die Schwerkraft stemmen. Seine Arme zitterten und
gaben immer wieder unter ihm nach, doch Mariku gab nicht auf. Er hatte diesem
eingebildeten Notechis jetzt schon dreimal den Arsch gerettet; er würde ihm
schon zeigen, wer hier schwach war. Malik beobachtete ihn schweigend.
Schweiß rann Mariku über die Stirn, als er es endlich geschafft hatte
zumindest seinen Oberkörper hochzuhieven. Mariku atmete tief durch. Noch immer
zitterten seine Arme und sein ganzer Körper war angespannt. Als er versuchte
sich aufzusetzen, gaben seine Arme erneut unter ihm nach und er landete mit dem
Gesicht im Kissen. Er stieß einen frustrierten Schrei aus, der vom Kissen
gedämpft wurde. Er würde Bakura umbringen!
„Hier.“
Mariku drehte den Kopf und sah erst den Teller an, den Malik ihm hinhielt und
dann zu Malik hoch.
„Ich will’s nicht“, murrte er und drehte den Kopf weg.
„Dann ess ich es auf.“
Er zog den Teller zurück und Marikus Magen knurrte.
„Warte!“ Malik hielt ihm den Teller wieder hin. Mariku spannte sich wieder
an und konzentrierte sich auf seinen Arm. Er versuchte seinen Körper dazu zu
bringen ihn zu heben, doch sein Körper gehorchte ihm nicht. „Du musst mich
füttern.“
Malik zischte nur als Antwort, das Gesicht vor Wut verzogen.
„Schon gut, vergiss es“, murrte Mariku. „Iss einfach auf.“
Malik schien für einen Moment zu zögern, doch dann setzte er sich wieder an
den Tisch. Mariku schloss die Augen. Sobald er sich wieder rühren konnte,
würde er Bakura verprügeln. Vielleicht schaffte er es jetzt wieder
einzuschlafen, dann wäre er zumindest für eine Weile das Hungergefühl los. Er
dachte an zuhause. Ob sie ihn schon vermissten? Immerhin hatte er versprochen
sich zu melden, sobald er auf Ptera angekommen war. Naja, noch hatte er sein
Versprechen nicht gebrochen; er war noch nicht auf Ptera und wenn es so weiter
ging, dann würde er auch nie dort ankommen.
„Hey“, ihm war gerade ein Gedanke gekommen, „wie heiß ist für dich
heiß? Ich meine, wie heiß ist es auf dem Planeten auf dem wir landen
werden?“
Malik leckte seinen Zeigefinger ab. „600 Grad.“
„600?!“, wiederholte Mariku entsetzt. „In welcher Maßeinheit?“
„Knar.“
Von Knar hatte Mariku noch nie etwas gehört. „Gibt’s das auch in einer
Einheit, die ich kenne?“ Malik zuckte mit den Schultern. „Überleb ich
das?“ Wieder Schulterzucken. „Na großartig.“ Er seufzte. Er sah sich
schon mit noch mehr Brandblasen, wenn nicht gleich seine Lunge zu Staub
zerfallen würde, wenn er versuchte einzuatmen.
„Es wär besser, wenn ich sie beide umbringe“, murmelte Ryou und fuhr mit
dem Nagel seines Zeigefingers ein unsichtbares Muster auf dem Tisch nach.
„Dieser Bastard hat‘s nicht anders verdient und der Mensch macht nur
Ärger.“
„Du hattest schon öfter die Chance dazu“, erwiderte Bakura und folgte den
Bewegungen von Ryous Finger. „Zum Beispiel jetzt, Mariku kann sich nicht
rühren und der Notechis ist noch von der Kälte geschwächt.“ Sie saßen in
der Küche. Bakura hatte sich um die Kratzer auf Ryous Armen und seinem Gesicht
gekümmert, die er sich beim Angriff der riesigen Eisschlange zugezogen hatte.
Der Rest seines Teams kümmerte sich um die Steuerung des Schiffs.
Ryou sah wütend auf. „Es ist auch deine Schuld“, fauchte er Bakura an.
„Du musstest ja Partei für ihn ergreifen. Wir hätten sie beide im Schnee
verrecken lassen sollen. Es wäre so einfach gewesen; der Notechis-Abschaum
wäre in seine Kältestarre verfallen und verreckt.“ Er fuhr sich durch die
Haare. „Genauso wie Mariku. Er hätte es nicht anders verdient, wenn er so
dumm ist.“ Er fasste sich an die Nase. Obwohl er Menschen immer für schwach
gehalten hatte, so konnte Mariku überraschend fest zuschlagen. Dass er bei all
einen Verletzungen überhaupt noch lebte, überraschte Ryou noch mehr. Hatte er
sich in den Menschen getäuscht? Waren sie stärker, als er immer angenommen
hatte? Mariku hatte jedenfalls keine Angst vor Malik, wohingegen es schon
reichte, wenn er an Malik dachte, dass sich alles in ihm vor Angst zusammenzog.
Aber Mariku hatte auch nicht das durchgemacht, was er durchgemacht hatte. Ryou
berührte seinen Hals. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass er die Krallen
eines Notechis gespürt hatte. „Und dann kommst du und mischt dich auch noch
ein.“
„Mariku ist ein netter Kerl.“
„Das ist ja das Problem. Er ist zu nett zu diesem Abschaum.“ Er ballte seine
Hand zu einer Faust. „Er mischt sich in Dinge ein, die ihn nichts angehen.
Spielt den Helden für dieses Monster.“ Ryou schlug mit der Faust auf den
Tisch. „Er ist der größte Idiot, der mir in den 243 Jahren meines Lebens je
begegnet ist.“
„Du bist ganz schön alt.“ Ryou warf ihm einen wütenden Blick zu und Bakura
hob abwehrend die Hände. „Aber du siehst immer noch echt heiß aus. Die 200
Jahre Unterschied stören mich nicht im Geringsten, ich würd dich
jederzeit...“
Bevor Bakura den Satz zu Ende bringen konnte, packte Ryou ihn am Kragen und zog
ihn über den Tisch zu sich.
„Pass auf was du sagst, Blutsauger.“
„Ich kann auch was ganz anderes saugen, Schätzchen.“
„Ich bin nicht dein Schätzchen“, fauchte Ryou ihn an.
„Es würde dir helfen zu entspannen.“
Ryou stieß Bakura von sich und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
„Treib’s nicht zu weit!“
„Ich könnte es mir dir...“
„Nein!“
Bakura ließ sich zurücksinken. „Es würde dir nicht schaden“, murmelte
er.
„Ich hab einen verfluchten Notechis an Bord. Er lebt und läuft frei rum; ich
muss schon genauso verrückt sein, wie dieser verdammte Mensch, dass ich das
zulasse. Denkst du, ich hab die Nerven für so einen Scheiß?“
„Oh, ich mag’s, wenn dein Blut so in Wallung gerät.“ Bakura leckte sich
über die Lippen und lehnte sich zur Seite, als Ryou wieder nach ihm griff.
„Nur ein Scherz.“ Er griff nach Ryous Hand und hielt ihn fest. „Leg dich
hin und schlaf. Du siehst echt fertig aus.“
Ryou schüttelte die Hand ab. „Fass mich nicht an!“
„Du könntest ruhig ein bisschen netter sein.“
„Leck mich.“
„Wenn du drauf bestehst“, erwiderte Bakura mit einem Grinsen.
Ryou warf ihm einen wütenden Blick zu und stand dann auf. „Werd bloß nicht
übermütig, nur weil du mir geholfen hast.“
„Gerettet“, korrigierte Bakura ihn. Als das Eis-Alien angegriffen hatte,
hatte er Ryou mit seinem Körper vor den, über sie hereinbrechenden,
Schneemassen geschützt. Auch wenn das eher zufällig passiert war, aber das
musste Ryou ja nicht wissen.
„Geholfen.“
„Gerettet und getragen.“ Ryou verdrehte die Augen. Die Tür glitt
automatisch auf, als sich Ryou ihr näherte. „Du weißt ja, wo du mich
findest“, rief Bakura ihm hinterher.
Ryou ließ Malik nicht aus den Augen, als er Marikus Kabine betrat. Maliks
Körper spannte sich an, aber er bewegte sich nicht von seinem Stuhl weg. Sein
Blick folgte Ryous Bewegungen. Es fiel Ryou schwer seinen Blick von Malik
abzuwenden und Mariku anzusehen. Er fühlte sich nicht wohl mit einem Notechis
im Rücken.
„Stimmt es, dass du dich nicht bewegen kannst?“
„Sag Bakura, ich bring ihn um!“
Ryou ging nicht darauf ein. „Du kannst froh sein, dass du noch lebst.“
Mariku schnaubte nur. „Auf Abulu wirst du auf ihn aufpassen.“ Ryou deutete
über seine Schulter hinweg zu Malik.
„Natürlich, weil er auch so gut auf mich hört“, erwiderte Mariku
sarkastisch.
„Entweder er hört auf dich“, Ryou drehte sich leicht um, damit er Malik im
Blick hatte, „oder ich leg ihn wieder in Ketten.“ Malik zischte. „Deine
Entscheidung, Abschaum.“
„Das wirst du noch bereuen“, fauchte Malik und auch wenn Ryou innerlich
zusammenzuckte, bedachte er Malik nur mit einem abschätzigen Blick. Er würde
ihm nicht noch einmal den Gefallen tun und ihm seine Angst zeigen.
„Honda wird euch im Auge behalten. Wenn ihr euch zu weit vom Schiff entfernt,
dann wird er euch erschießen.“
„Er hat doch gar keine Waffe dafür“, widersprach Mariku. Das inzwischen
nagende Hungergefühl und die Schmerzen sorgten nicht gerade für gute Laune. Er
hatte keine Lust, sich von Ryous Drohungen einschüchtern zu lassen.
Mariku schrie auf, als Ryou seine Hand auf seinen Rücken drückte.
Malik ballte unterbewusst seine Hände zu Fäusten und spannte seinen Körper
an, doch er blieb sitzen. Sein Blick ruhte auf Ryous Hand, mit der er auf
Marikus Rücken drückte.
„Er wird euch auf alle Fälle töten und nicht zögern, so wie ich.“ Ryou
zog seine Hand zurück. „Das ist eure letzte Chance. Nach Abulu verschwinden
wir aus dieser verfluchten Galaxie.“ Er sah Malik an. „Und du bekommst
endlich, was du verdienst.“ Malik verengte die Augen zu Schlitzen, erwiderte
jedoch nichts. Ryou warf Mariku noch einen letzten Blick zu, dann verließ er
den Raum.
Mariku atmete schwer. „Dieser Bastard“, schimpfte er.
„Du hast ihn mich ja nicht umbringen lassen.“ Malik fuhr mit seinem Daumen
an den Spitzen seiner Krallen entlang.
Im Moment bereute Mariku das, aber das würde er Malik sicher nicht sagen. Am
Ende ermunterte ihn das noch zu irgendwelchen Dummheiten, die er dann wieder
ausbaden musste. Außerdem endete das immer mit Verletzungen und davon hatte er
schon genug.
Bakura sortierte den Erste-Hilfe-Kasten, sowie seine eigenen Bestände. Er
würde sie sicher bald wieder brauchen. Sobald sie landeten, würde sich Mariku
wieder in irgendwelchen Ärger stürzen und er war dann derjenige, der sich um
seine Wunden kümmern musste. Bakura seufzte. Er kannte niemanden, der sich in
kurzer Zeit so viel Ärger eingehandelt hatte wie Mariku; zumindest niemanden,
der all diesen Ärger auch überlebt hatte. Er hoffte, die Mixtur, die er Mariku
verabreicht hatte, würde nicht noch irgendwelche Nebeneffekte aufweisen. Er
hatte auf Glück gespielt, als er Mariku sein Mittel hatte trinken lassen. Er
hatte es selbst entwickelt und es bisher nur an Mapula ausprobiert. Mapula war
eine Spezies mit der sich die Nocidea ihren Heimatplaneten teilten. Es waren
lustige, aber auch waghalsige kleine Wesen und es kam bei ihnen häufiger zu
Verletzungen. Bei ihnen hatte seine Mixtur problemlos funktioniert. Wenn es auch
an Mariku funktionierte, dann könnte er es der medizinischen Fachwelt
vorstellen und er könnte weiter daran forschen.
Zuhause hatte man nur über ihn gelacht. Bakura seufzte. Es war schon seltsam
genug, dass er überhaupt Interesse an Medizin hatte. Sein Volk war für
gewöhnlich nicht so. Sie brauchten keine Medizin, denn Wunden heilten innerhalb
weniger Stunden. Sie wurden auch nicht krank. Keine Bakterien überlebten lange
genug in einem Nocidea Körper. Medizin war nutzlos für sie und doch hatte
Bakura ein ungewöhnliches Interesse daran entwickelt. Sehr zum Ärger seines
Vaters. Er verdrehte die Augen. An ihn wollte er gar nicht erst denken.
Bakura wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sich plötzlich die Tür öffnete
und er hob überrascht die Augenbrauen, als er Ryou sah. Er hatte nicht mit ihm
gerechnet, eher damit, dass Malik kam und ihm die Kehle aufschlitzte. Er schloss
den Medizinkasten. „Dieses Schiff braucht definitiv einen höheren Vorrat an
Bandagen.“
„Dann besorg welche, wenn wir in Abulu sind.“ Ryou trat ein und die Tür
schloss sich.
„Natürlich, ich gehe zwei Schritte in der Hitze dort und schau dann dabei zu,
wie meine Haut abblättert.“ Bakura schüttelte den Kopf. „Ich vertrag Hitze
ungefähr so gut, wie der Notechis Kälte.“
Ryou zuckte mit den Schultern. „Wie du meinst.“ Er schob den
Erste-Hilfe-Kasten beiseite und legte seine Hände auf Bakuras Schultern.
Bakura sah zu Ryou auf. „Was ist los?“ Er fühlte sich unwohl und ein Teil
von ihm rechnete jeden Moment damit, dass Ryou ihm den Kopf abriss.
„Du sagtest doch, dass ich weiß, wo ich dich finden kann.“
Bakura öffnete den Mund.
Oh...
Damit hätte er in den nächsten hundert Jahren nicht gerechnet.
Die Daunen, die Ryous Körper bedeckten, kitzelten Bakuras Nase, als sie sich
küssten. Bakura schob seine Hand in Ryous Haare und ließ sich zurück auf sein
Bett sinken. Er hatte es noch nie mit einem Cygni getan, doch er mochte die
weichen Lippen schon jetzt. Er ließ seine freie Hand über Ryous Rücken
wandern, bis er den Saum seines Oberteils erreichte und es leicht nach oben
schob. Ryous Körper war weich und nachgiebig, wie ein Kissen.
Sie unterbrachen den Kuss, damit Bakura ihm sein Shirt ausziehen konnte. Ryou
setzte sich auf und Bakura ließ seine Augen über den halbnackten Körper
wandern. Durch den Flaum wirkte er jedoch nicht wirklich nackt. Bakura ließ
seine Finger über Ryous Brust streichen. Es war angenehm ihn zu berühren. Er
war überrascht, dass Ryou so viel Kraft besaß, obwohl sein Körper sich
anfühlte wie ein flauschiges Kissen. Er steckte eben voller Überraschungen.
Bakura setzte sich auf um Ryou wieder zu küssen. Er drückte Ryou an sich und
bekam gar nicht genug von dessen Lippen. Ryous Zunge schob sich in seinem Mund
und Bakura rieb seine eigene daran. Er merkte, wie Ryous Blut immer mehr in
Wallung geriet. Er roch gut und Bakura bekam Durst, doch diesen Durst würde er
weder mit Blut noch mit Alkohol stillen.
Ryou zog ihm sein Shirt aus und drückte ihn auf die Matratze.
„Du gehst ganz schön ran“, sagte Bakura grinsend, während Ryou über seine
Brust strich.
„Halt’s Maul“, murrte Ryou und küsste Bakura wieder hungrig. Bakura
konnte trotzdem nicht aufhören zu grinsen. Er hatte ja gleich gewusst, dass
Ryou scharf auf ihn war. Wie hätte er ihm auch widerstehen können? Er strich
über Ryous Rücken nach unten zu seinem Hintern und umfasste diesen.
Ryou wiederrum verschwendete nicht allzu viel Zeit mit Streicheleinheiten. Er
öffnete Bakuras Hose, löste den Kuss und sah nach unten. „Geht das immer so
schnell bei euch?“
„Ich sagte doch, du bist heiß.“
„Geht bei dir alles so schnell?“
Das Grinsen auf Bakuras Lippen erstarb. „Zweifle niemals an meinen
Fähigkeiten.“
Ryou legte den Kopf leicht schief. Mit dem Zeigefinger strich er über die harte
Beule in Bakuras Shorts. „Das will ich auch hoffen.“ Er schob seine Finger
unter den Stoff und umfasste Bakuras Erregung. „Für dich.“ Er drückte
leicht zusammen und Bakura keuchte.
Das Grinsen kehrte auf seine Lippen zurück. „Du machst mich so scharf.“ Er
richtete sich auf, küsste Ryou begierig und drehte ihn herum, sodass es Ryou
war, der unter ihm auf dem Bett lag.
Ohne den Kuss zu unterbrechen schob Bakura seine Hose soweit es ihm möglich war
nach unten. Ryou wollte kein Vorspiel? Gut, das war ihm auch Recht.
Ryou vergrub eine Hand in Bakuras Haaren und griff mit der anderen zwischen
seine Beine. Bakura keuchte in den Kuss. Ungeduldig öffnete er Ryous Hose und
schob seine Hand hinein, nur um sie gleich wieder herauszuziehen.
Verwirrt sah er erst Ryou an, dann hob er den Stoff an, der seinen Unterleib
bedeckte und starrte nach unten. Er hatte nicht das gefunden, was er erwartet
hatte.
„Bist du ein Mädchen?“
Ryou verdrehte die Augen. „Nein“, fauchte er ihn an.
„Dann brauch ich eine Nachhilfestunde in Cygni-Anatomie.“
Ryou schob Bakura von sich und zog seine Hose aus.
Bakura musterte ihn. Die Daunen bedeckten Ryous gesamten Körper und ließen
keine freie Stelle. Er konnte den Blick nicht von Ryous Körpermitte abwenden.
Es war nicht mehr, als eine weitere von Daunen bedeckte Fläche. Es war ihm zwar
klar, das unterschiedliche Aliens auch unterschiedliche Anatomie hatten, doch
das war ernüchternd.
„Gibt’s nichts zum anfassen?“
Ryou stieß hörbar Luft aus und packte Bakura grob am Handgelenk. Er spreizte
seine Beine. „Hier, die Stelle.“ Er dirigierte Bakuras Hand zwischen seine
Beine. „Spürst du’s`?“
Bakura ertaste eine harte Stelle, die so gar nicht zu Ryous weichem Körper
passte. „Hier?“ Er übte leichten Druck darauf aus und Ryou keuchte.
„Ja.“ Er sah Bakura an. „Es geht bei mir nur nicht so schnell, wie bei
dir.“
„Heißt wohl, ich muss mich besser ins Zeug legen.“ Bakura zog sich die Hose
komplett von den Beinen, dann beugte er sich wieder über Ryou, küsste ihn und
massierte die harte Stelle zwischen seinen Beinen. Er brauchte also doch ein
Vorspiel.
Unter Bakuras Berührungen wuchs Ryous Erregung an und sein Glied hob sich aus
den Daunen hervor. Bakura fühlte sich sehr viel wohler, als er endlich etwas in
der Hand hielt. Ryous Glied war anders geformt als sein eigenes. Es hatte einen
breiteren Schaft und wurde zur Spitze hin dünner. Die Oberfläche fühlte sich
weich an, doch sie war nicht mit Daunen bedeckt.
Ryou stöhnte auf.
„Gefällt dir das?“, murmelte Bakura gegen Ryous Lippen. Ryou nickte nur als
Antwort. „Ich hab noch was Besseres.“ Er rutschte nach unten und nahm Ryous
Erregung in den Mund. Ryous Finger krallten sich in seine Haare und sein
Stöhnen ging in einen Singsang über, der Bakura eine Gänsehaut verschaffte.
Ryous Muttersprache ging ihm regelrecht unter die Haut, besonders in dieser
Situation. Außerdem turnte sie ihn nur noch mehr an.
Er saugte an der Erektion und drückte sie mit seiner Zunge gegen seinen Gaumen.
Ryou roch nicht nur gut, er schmeckte auch gut und seine Stimme sorgte dafür,
dass sich jedes Härchen auf seinem Körper aufstellte. Er bekam nicht genug von
ihm.
Bakura richtete sich auf und ließ seinen Blick über Ryous erregten Körper
wandern. Er konnte nicht mehr länger warten. „Muss ich irgendwas beachten?“
Ryou schüttelte den Kopf. „Mach einfach.“ Er winkelte seine Beine an und
Bakura schob sich dazwischen.
Mit einem Stoß drang er in Ryou ein und brachte diesen damit dazu laut
aufzustöhnen. Es überraschte Bakura nicht, dass es sich anfühlte, als würde
er seinen Schwanz gegen ein flauschiges Kissen reiben. Ryous Inneres schien sich
perfekt an ihn anzupassen.
„Oh wow“, keuchte Bakura.
Ryou legte seine Hand auf Bakuras Hinterkopf und zog ihn für einen Kuss
hinunter. Ihre Zungen umspielten einander und Bakura begann seine Hüfte zu
bewegen. Mit einer Hand stützte er sich neben Ryou ab, während die andere
über dessen Oberkörper streichelte.
Ryou legte seine Arme um Bakura und seine Finger spielten mit Bakuras Haaren.
Immer, wenn Bakura die richtige Stelle traf, zog er daran.
„Härter“, forderte Ryou stöhnend und Bakura packte ihn an den Hüften. Er
richtete sich leicht auf und Ryous Finger krallten sich in seine Schultern. Ryou
stöhnte zufrieden. Sein Blick war nach unten gerichtet und der Anblick schien
ihn nur noch mehr anzumachen. Er sagte etwas in seiner Muttersprache, doch das
einzige, was Bakura heraushörte war sein Name. Ein angenehmer Schauder lief ihm
über den Rücken.
Mit einer Hand umfasste er Ryous Erektion und begann diese zusätzlich zu
stimulieren. Ryou schloss die Augen und legte stöhnend den Kopf in den Nacken.
Er ließ Bakura los und krallte sich stattdessen ins Laken.
Bakura beobachtete seine eigenen Bewegungen, dann glitt sein Blick wieder über
Ryous Körper. Er konnte sich nicht an ihm sattsehen. Sein Kopf schwirrte vor
Lust und er liebte das Gefühl, dass seinen ganzen Körper flutete; sein Herz
raste und in seinem Bauch kribbelte es. Ihm war heiß und sein Höhepunkt kam
immer näher, weshalb Bakura seine Stöße wieder verlangsamte und sich mehr
darauf konzentrierte Ryous Schwanz zu verwöhnen. Er wollte noch nicht, dass es
endete. Er wollte Ryou so lange wie möglich genießen.
„Du bist so heiß.“ Er küsste Ryou kurz.
„Sei still“, keuchte Ryou und zog Bakura wieder für einen Kuss zu sich.
Bakura grinste leicht.
Der Kuss währte jedoch nicht lange, denn Ryous Stöhnen unterbrach ihn immer
wieder. Er hielt Bakura nah bei sich und Bakura spürte seinen schnellen Atem
auf seinem Gesicht. Ryou wechselte zwischen der Handelssprache und seiner
Muttersprache hin und her und Bakura merkte, wie sich Ryous Körper immer mehr
anspannte. Seine Hand glitt schneller über seine Erregung.
Ryous Atem war abgehackt und die Laute, die er von sich gab eine Mischung aus
zwei Sprachen. Er wurde lauter und seine Stimme erreichte eine Tonlage, die
Bakura ihn den Ohren wehtat. Bakura presste die Augenlider aufeinander und biss
die Zähne zusammen.
Ryou verstummte, als er seinen Höhepunkt erreichte und seine Arme fielen auf
die Matratze. Bakura richtete sich auf und schüttelte leicht den Kopf. Der hohe
Ton klang immer noch in seinen Ohren wider. Er schauderte kurz, dann
konzentrierte er sich auf seine eigene Lust. Mit schnellen Stößen drang er
immer wieder in Ryou ein. Ryous Körper war immer noch angespannt und Bakuras
Glied wurde regelrecht zusammengedrückt, doch das störte ihn nicht. Ganz im
Gegenteil, Bakura empfand es als zusätzliche Stimulation.
„Ah Schätzchen“, stöhnte er und kam dann in Ryou. Er stützte sich mit
beiden Armen auf der Matratze ab um nicht auf Ryou zusammen zu sinken. Keuchend
sahen sie einander an.
„Ich bin nicht dein Schätzchen“, murrte Ryou nach einer Weile und schob
Bakura wieder von sich.
„Ach, komm schon“, erwiderte Bakura mit einem leichten Grinsen auf den
Lippen. Noch immer rauschten die Glücksgefühle durch seinen Körper. „Jetzt
sei doch nicht so.“ Er schlang seine Arme um Ryou, doch dieser schob ihn weg.
„Bild dir bloß nichts drauf ein.“ Ryou suchte seine Kleidung zusammen und
begann sich anzuziehen.
„Immer noch so mies drauf? Wir könnten eine zweite Runde einlegen.“
„Vergiss es.“ Ryou knöpfte seine Hose zu.
„Es macht mich wirklich an, wenn du den Unnahbaren spielst.“
Ryou ließ sein Shirt fallen und packte Bakura stattdessen an der Kehle. „Wie
wär’s, wenn du endlich mal still bist?“ Er stieß ihn zurück, sodass
Bakura gegen die Wand prallte.
Bakura rieb sich den Hinterkopf. „Ich fühl mich grad echt benutzt.“ Ryou
zog sich sein Oberteil über den Kopf. „Hast du mich nur benutzt?“ Ohne
darauf zu antworten, verließ Ryou den Raum. Bakura starrte die Tür an. „Er
hat mich nur benutzt.“ Ein Grinsen umspielte seine Lippen. „Geil.“
Mariku lag wach und hätte die letzte halbe Stunde am liebsten tief und fest
geschlafen. Er hatte mehr gehört, als er je hatte hören wollen. Zwar waren die
Laute aus Bakuras Zimmer nur leise zu hören gewesen, doch Maliks Reaktionen
nach, hatte er ein weitaus besseres Gehör. Eine Feder kitzelte Marikus Nase und
er blies sie weg. Es war nicht die einzige Feder, die im Bett lag, denn Malik
hatte sein Kissen total zerfetzt. Mariku war sich ziemlich sicher, dass er am
liebsten in Bakuras Zimmer gegangen wäre und sie beide umgebracht hätte.
Mariku seufzte. Er hatte zu viele Bilder in seinem Kopf, doch zumindest waren
sie jetzt endlich fertig.
Energisch ließ sich Malik wieder auf die Matratze sinken.
„Beruhig dich“, murmelte Mariku vorsichtig. Er wollte Malik nicht noch
weiter provozieren. Malik zischte ihn nur an und Mariku vermied es noch mehr zu
sagen. Er war auch nicht scharf darauf gewesen den Beiden zuzuhören, doch
Maliks Reaktion fand er zu übertrieben. Unfreiwillig fragte er sich, was Sex
für eine Stellung bei Maliks Volk hatte.
„Es ist abartig“, sagte Malik, als hätte er Marikus Frage erraten. Er sah
Mariku jedoch nicht an, sondern starrte mit angespanntem Gesichtsausdruck an die
Decke. Mariku hatte nicht das Gefühl, als würde er mit ihm reden.
„Abartig“, wiederholte Malik. „Aber was erwartet man schon von Ungeziefer
wie ihnen?“ Er zischte und wurde dann wieder still.
Mariku schloss die Augen. Es fiel ihm immer noch schwer sich zu bewegen, aber es
war nicht mehr unmöglich. Außerdem spürte er inzwischen auch keine Schmerzen
mehr. Bakuras Mittel schien wirklich zu helfen.
„Widerlich.“ Maliks Stimme klang nicht wie seine und Mariku riss überrascht
die Augen auf. Er stemmte sich hoch und sah Malik an, doch dieser hatte ihm den
Rücken zugewandt und sich zusammengerollt. „Ekelhaft.“ Maliks Stimme war
leise und es war klar, dass er mit sich selbst redete.
Etwas in Mariku zog sich zusammen und Maliks Tonfall weckte den Wunsch in ihm,
ihn zu umarmen. Plötzlich musste er an die Narben auf Maliks Rücken denken.
Woher hatte er sie? Mariku streckte die Hand nach Malik aus, besann sich dann
jedoch eines Besseren. Malik würde nur wieder auf ihn losgehen. Mariku biss
sich auf die Unterlippe. Maliks Worte ließen ihn nicht mehr los.
Kapitel 8
Mariku drückte Bakura gegen die Wand, als dieser am nächsten Tag das
Frühstück brachte.
„Ich sollte dich so verprügeln, dass du nicht mehr aufrecht stehen kannst“,
fuhr er ihn an.
„Aber du hast keine Schmerzen mehr“, erwiderte Bakura und versuchte mit
einem Lächeln Mariku zu beruhigen.
Es stimmte. Mariku fühlte sich wie neu geboren. Die Wunden an sich waren nicht
verschwunden, doch der Schmerz schon. Er konnte sich wieder uneingeschränkt
bewegen.
Trotzdem ließ er Bakura nicht los. „Ich sollte dich trotzdem verprügeln.“
„Ach komm schon, Mariku. Wir sind doch Freunde.“
Mariku ließ ihn los. „Wie lange wirkt das Mittel?“
„Ein paar Stunden.“ Bakura strich sich sein Shirt glatt. „Also genieß es,
solange du noch kannst.“ Er sah über Marikus Schulter zu Malik. „Ihr hattet
wohl eine wilde Nacht.“ Er grinste leicht und deutete auf das zerfetzte
Kissen.
„Nicht so wild wie deine“, erwiderte Mariku kühl.
Bakuras Grinsen wurde breiter. „Ihr habt uns gehört?“ Mariku nickte und
Bakura beugte sich vor, bevor er flüsternd weitersprach: „Neidisch? Ich bin
sicher, du und Malik...“ Doch Mariku unterbrach ihn damit, dass er ihn wieder
gegen die Wand drückte.
„Halt’s Maul oder ich brech dir jeden Knochen im Leib.“
Bakura hob überrascht die Augenbrauen. Marikus Aggression wirkte unnatürlich
und es entging Bakura nicht, dass Marikus rechtes Augenlid zuckte. Etwas stimmte
nicht und Bakura vermutete, dass es an seiner Mixtur lag. Es wäre auch zu
schön gewesen, wenn alles ohne Nebenwirkungen von Statten gegangen wäre.
„Beruhig dich, bitte.“ Er sprach leise um Mariku nicht noch wütender zu
machen.
„Du sagst mir nicht, was ich zu tun habe!“ Mariku legte mehr Kraft in seinen
Griff, was dazu führte, dass Bakura mit dem Hinterkopf gegen die Wand schlug.
Marikus Arm zitterte und sein Atem hatte sich merklich beschleunigt.
Plötzlich ließ er Bakura los und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Er
atmete einige Male tief durch. Das Zittern ließ etwas nach. „Was ist los?“
Marikus Stimme klang rau und angespannt. Er hielt sich selbst davon ab Bakura
anzuschreien. Ihm war ungewöhnlich heiß und in ihm brodelte eine Wut, wie
schon lange nicht mehr.
„Eine Nebenwirkung vermutlich.“ Bakura stand schon an der Tür. Er war
bereit abzuhauen, sollte Mariku noch mal auf ihn losgehen wollen.
„Nebenwirkung?“, fauchte Mariku. Er ballte die Hände zu Fäusten und Bakura
trat einen Schritt zurück. Die Tür glitt auf.
„Es geht vorbei, keine Sorge.“ Er hob die Hände. „Ganz bestimmt.“
„Verschwinde!“
Bakura kam der Aufforderung nur zu gerne nach.
Mariku stützte sich auf dem Tisch ab. Er hatte die Augen geschlossen und nahm
einige tiefe Atemzüge in der Hoffnung die Wut würde nachlassen. Doch die Wut
blieb, genauso wie das Zittern.
Er sah den Teller an, den Bakura gebracht hatte. Endlich wieder etwas zu essen,
doch zuvor musste er noch etwas anderes erledigen. Er drehte sich zu Malik um,
der ihn interessiert beobachtete. „Ich geh jetzt duschen. Du bewegst dich
keinen Millimeter aus diesem Zimmer und wenn ich zurückkomme und das Essen ist
weg, dann Gnade dir an wen auch immer du glaubst, aber ich werd’s nicht
tun.“ Marikus Tonfall war schärfer als beabsichtigt, aber er konnte seine
Gefühle momentan nicht kontrollieren.
Malik verzog das Gesicht. Er hasste es, wenn man ihm Befehle gab. „Denkst du,
ich hab Angst vor dir?“
Mariku musste all seine Willenskraft aufbringen, um sich davon abzuhalten auf
Malik loszugehen. „Provozier mich jetzt nicht, Malik.“ Er wartete keine
Erwiderung ab.
Wieso passierte ihm nur dieser ganze Scheiß? fragte sich Mariku, als er sich im
Spiegel betrachtete. Er fasste sich an sein rechtes Auge. Das Zucken ging ihm
auf die Nerven. Aufhören tat es nicht.
Mariku begann stattdessen seine Verbände zu lösen. Er musste vorsichtig sein,
um nicht versehentlich die Wunden wieder aufzureißen, besonders jetzt, wo es
ihm so schwer fiel sich zu beherrschen und er kaum Geduld aufbringen konnte die
Verbände abzumachen.
Er betrachtete seine Verletzungen: die Bisswunde am Arm war noch das geringste
Übel. Es hatte sich Schorf gebildet und Mariku war sich sicher, es würde bald
verheilt sein. Selbst seine Schulter sah inzwischen besser aus. Die Wunde hatte
sich schon teilweise geschlossen und das Gewebe hatte zu vernarben begonnen.
Es war sein Rücken, der ihm jetzt Sorgen machte. Die Verbrennung war
rötlich-weiß, doch sie warf zumindest keine Blasen. Vorsichtig berührte
Mariku die Wunde und zog die Hand gleich wieder zurück. Es tat nicht weh, aber
es fühlte sich widerlich an.
Mariku zog sich aus und stieg unter die Dusche. Das eiskalte Wasser kühlte
nicht nur seinen Körper, sondern auch sein Gemüt etwas ab. Es war angenehm,
als das Wasser über seinen Rücken floss, doch Mariku achtete darauf, dass der
Wasserstrahl die Verbrennung nicht direkt traf.
Mariku wagte es nicht sich ein Oberteil anzuziehen, deshalb schlüpfte er nur in
eine frische Hose und raffte die Verbände zusammen. Er erinnerte sich daran,
dass Bakura gesagt hatte, dass das die letzten waren und Mariku war sich nicht
sicher, was das für ihn bedeutete. Man sollte meinen mit all der neuartigen
Technologie, die stetig entwickelt wurde, dass so etwas Altmodisches wie
Bandagen längst überflüssig waren. Manchmal waren es jedoch die einfachen
Dinge, die sich als das Effizienteste erwiesen.
Als er in sein Zimmer zurückkam, stand der Frühstücksteller unberührt da.
„Du hättest ruhig was essen können.“ Mariku setzte sich auf die Bettkante
und zog sich Socken an. Er fühlte sich ruhiger und das Zucken war weg.
„Ich bin nicht hungrig.“
Mit einem Schlag brodelte die Wut wieder in Mariku. Er knirschte mit den
Zähnen. Dieser verfluchte Sturkopf! Mariku stand auf, nahm den Teller und
platzierte ihn mit so viel Kraft zwischen Malik und sich auf der Matratze, dass
ein Teil der Teigbällchen über das Bett rollte.
„Iss!“, fauchte er Malik an.
Malik verengte die Augen zu Schlitzen. „Nein.“
Mariku griff nach einem der Teigbällchen und stürzte sich auf Malik. Er
drückte ihn auf die Matratze und das Bällchen gegen seine Lippen. „Du isst
jetzt, verdammt noch mal.“
„Fass mich nicht an!“ Malik stieß Mariku mit aller Kraft von sich, sodass
Mariku auf dem Rücken landete.
Für einen Moment sah Mariku Sternchen. Er spürte zwar keinen Schmerz, doch er
blieb trotzdem auf dem Boden liegen. Er biss sich auf die Unterlippe. Er musste
seine Wut wirklich zügeln, bevor er sich noch mehr Ärger einhandelte.
„Kannst du nicht einfach machen, was ich sage?“, sagte er, während er an
die Decke starrte. „Du weißt, dass ich mich grad nicht kontrollieren kann.“
Mariku spürte ein dumpfes Pochen von seinem Rücken ausgehen und stemmte sich
hoch.
Kauend sah Malik ihn an und Mariku schüttelte seufzend den Kopf. „Warum nicht
gleich so?“, murmelte er und betrachtete seinen Rücken im Spiegel. Wenigstens
schien der Sturz nichts verschlimmert zu haben.
Mariku setzte sich wieder zu Malik ans Bett und nahm sich ebenfalls eins der
Teigbällchen. Er wusste nicht, mit was sie gefüllt waren, doch es schmeckte
süßlich und sehr lecker.
Es entging ihm nicht, dass Malik ihn beobachtete, doch Mariku versuchte sich so
gut wie möglich auf das Essen zu konzentrieren. Er spürte jedoch wie die Wut
sich in ihm anstaute und er kurz davor war Malik anzuschreien. Konnte Malik
endlich aufhören ihn anzustarren? Es war schon so schwer genug für ihn sich
zusammen zu reißen. Er brauchte ein Ventil für die Aggressionen, bevor er am
Ende noch auf den Falschen losging.
Doch Malik wandte den Blick nicht ab und Mariku konnte sich nicht mehr
zurückhalten.
„Was gaffst du mich so an?“, fauchte er.
Malik schob sich das letzte Teigbällchen in den Mund und kaute genüsslich,
während Mariku die Hände zu Fäusten ballte und mit den Zähnen knirschte.
Seine Nägel krallten sich in seine Handflächen und er schlug auf die Matratze.
„Es ist interessant“, sagte Malik schließlich mit einem leichten
Schmunzeln. Er leckte sich über die Finger.
„Was soll daran interessant sein?“ Er öffnete seine Fäuste. Seine
Handflächen bluteten etwas.
„Diese Wut.“ Das Schmunzeln verwandelte sich in ein Grinsen und das Grinsen
heizte Marikus Zorn noch weiter an.
„Du kannst sie gerne haben, wenn du so scharf drauf bist“, fuhr er Malik an
und um zu verhindern, dass er in seine Richtung schlug, packte er den Teller und
warf ihn Richtung Tür. Die Tür glitt auf und der Teller knallte im Gang an die
Wand. Er ging nicht kaputt.
Malik lachte und Mariku ging auf ihn los. Er drückte Malik auf die Matratze und
wollte auf ihn einschlagen, doch Malik fing seine Faust ab und stieß ihn von
sich. Doch diesmal ließ sich Mariku davon nicht abhalten. Er stürzte sich
wieder auf Malik, doch dieser war ihm erneut deutlich überlegen. Malik packte
Marikus Kinn und ließ ihn seine Krallen spüren.
„Vorsichtig“, flüsterte Malik und leckte sich über die Lippen. Er hatte
Spaß daran Marikus unkontrollierte Wut immer weiter anzufachen. Es fühlte sich
gut an Mariku gegen sich selbst kämpfen zu sehen. Malik hatte es satt sich zu
benehmen. Er wollte jeden einzelnen an Bord dieses Schiffes leiden sehen. Sie
würden für die Demütigungen, die er erlitt, bezahlen. Am Ende würden sie
alle um ihr Leben winseln.
Plötzlich war Marikus Hand an seiner Kehle und Malik riss überrascht die Augen
auf. Anstatt Mariku jedoch anzufauchen, gab Malik nur einen wimmernden Laut von
sich.
Die Tür glitt auf und ein Scheppern war zu hören. Mariku drehte den Kopf und
verengte die Augen, als er Anzu sah. Mit großen Augen und geöffnetem Mund
starrte sie sie an. Vor ihren Füßen lagen der Teller und irgendein
Stoffbündel. Er ließ Malik los. Sofort rutschte Malik von ihm weg und fasste
sich an den Hals. Seine Lippen hatte er fest aufeinander gepresst.
„Was willst du?“
„Ich, ich...“ Sie stotterte. Bakura hatte sie schon gewarnt, dass Mariku
leicht reizbar war, doch sie hatte nicht erwartet, ihn mit einer Hand an Maliks
Kehle vorzufinden. Auch der Ausdruck auf seinem Gesicht jagte ihr einen kalten
Schauer über den Rücken.
„Ich, ich“, äffte Mariku sie nach. Er konnte sich nicht mehr zurückhalten.
Malik hatte ihn auf 180 gebracht. Mariku stand auf und trat auf Anzu zu, die
einen Schritt zurückging. Sie bückte sich und raffte den Stoff zusammen.
„Ich hab ein paar Bandagen gewaschen.“ Sie legte alles auf den Tisch und
ließ Mariku dabei nicht aus den Augen. Sie setzte ein Lächeln auf. „Kann ich
noch was für dich tun?“
Mariku packte sie am Arm und zog sie nah zu sich. Ihre Haut fühlte sich wie
Gelee an. Anzu gab einen hohen, überraschten Laut von sich. Sie stemmte sich
gegen Marikus Griff, doch war zu schwach.
„Du könntest aufhören mich anzustarren.“ Ein bedrohlicher Unterton schwang
in Marikus Stimme mit. „Momentan starrt mich jeder an, das nervt!“ Sein
Griff festigte sich.
„Mariku, du tust mir weh.“
„Ach, tu ich das?“ Mariku machte keine Anstalten sie loszulassen. Er hatte
die Kontrolle über sich verloren. Er genoss die Angst in Anzus Blick mehr als
er sollte. Mariku leckte sich über die Lippen. „Obwohl, da gäbe es schon
etwas, dass du für mich tun könntest.“ Ein Grinsen, das Maliks alle Ehre
machte, legte sich auf Marikus Lippen. Sein Zeigefinger schob sich in Anzus
Ausschnitt und zog am Stoff.
Anzu schrie und Mariku bekam eine Ladung heißes Wasser ins Gesicht. Mariku
keuchte schmerzerfüllt und drückte sich die Hände ins Gesicht. „Verdammte
Schlampe“, brüllte er.
Schritte waren auf dem Gang zu hören und schon im nächsten Augenblick stand
Ryou an der Tür.
„Was ist passiert?“ Ryou sah von Mariku, der immer noch die Hände im
Gesicht hatte und dessen Brust nass war, zu Anzu, die Mariku mit großen Augen
und verschrecktem Gesichtsausdruck ansah. „Was ist passiert?“, wiederholte
Ryou seine Frage.
„Misch dich nicht ein, Kröte.“
Ryou wusste nicht, was eine Kröte war, doch Mariku sagte es mit demselben
abfälligen Tonfall wie wenn Malik ihn als „Sklaven“ betitelte. Er knirschte
mit den Zähnen. „Was hast du gesagt?“
„Geh mir nicht auf den Sack.“
„Mariku, ich warne dich, treib’s nicht zu weit.“
„Oder was? Willst du mich umbringen?“ Mariku lachte. „Komm schon, ich
zittere.“ Ryou stürzte sich auf Mariku und Anzu schrie noch mal.
„Hört auf!“ Bakura war gekommen und zerrte Ryou von Mariku herunter.
„Seid ihr total irre?“
Mariku wischte sich mit dem Handrücken das Blut von der Wange. Er hatte eine
lange Kratzwunde an der Wange, wo Ryou in mit einer seiner Krallen erwischt
hatte. „Sieh an, dein Stecher kommt um dich zu retten.“
Bakura hielt Ryou an der Schulter fest. „Es reicht, Mariku.“
Mariku machte eine ausladende Geste. „Wenn ich mich richtig erinnere, dann ist
das hier alles deine verdammte Schuld.“ Bakura schwieg und Mariku trat näher.
Er packte Bakura am Kinn. „Nicht wahr? Du wolltest doch dein kleines
Mittelchen an mir ausprobieren.“ Seine Stimme war gegen Ende immer leiser
geworden und er war mit seinem Gesicht Bakuras immer näher gekommen. Ihre
Lippen berührten sich fast. „Also, leb jetzt auch mit den Konsequenzen.“
Bakura presste die Lippen aufeinander und mied Marikus Blick. Mariku trat
zurück. Blut lief ihm über die Wange und über seinen Hals. „Und jetzt
verpisst euch. Ich bin’s echt leid euch zu sehen.“
Draußen schlug Ryou gegen die Wand.
„Er ist nicht er selbst. Es ist meine Schuld.“
Ryou drehte sich zu Bakura um. „Und wie es deine Schuld ist“, fuhr er ihn
an. „Er ist noch unerträglicher als zuvor schon, aber er passt jetzt gut zu
diesem Abschaum.“
„Reg dich nicht auf“, sagte Anzu.
Ryou sah sie an. „Ist mit dir alles in Ordnung?“ Seine Stimme war sanfter
geworden.
Anzu fasste sich an die Brust und zog ihr Shirt etwas höher. Sie lächelte
gezwungen. „Ja, es geht schon. Bakura hat recht. Er weiß nicht, was er
tut.“
„Das ist keine Entschuldigung sich zu benehmen wie ein Arschloch.“ Ryou
betrat das Cockpit. „Wie sieht’s aus?“
„Wir sind bald auf Abulu. Ich hab’s schon auf dem Schirm“, antwortete
Jonouchi.
Ryou ließ sich auf seinen Stuhl sinken. „Gut, ich kann’s kaum erwarten hier
zu verschwinden.“ Er sah zu Bakura, der mit Anzu noch an der Tür stand und
sich mit ihr unterhielt. Er dachte an den Sex und leckte sich unbewusst über
die Lippen. Er hätte nichts gegen mehr davon.
Schnell wandte Ryou den Blick ab. Er konnte es sich nicht leisten, sich zu
Bakura hingezogen zu fühlen. Ryou seufzte und sah wieder zu Bakura. Ihre Blicke
trafen sich und Bakura schenkte ihm ein Lächeln. Erneut wandte Ryou den Blick
ab und weigerte sich aufzusehen, bis Bakura das Cockpit verlassen hatte.
Mit den gewaschenen Bandagen wischte sich Mariku das Blut weg und drückte sie
anschließend gegen die Kratzer. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Was
hatte er nur getan? Er sank auf die Matratze und strich sich durch die Haare.
Gerade kamen wirklich seine schlimmsten Seiten zum Vorschein. Wie sollte er Anzu
je wieder unter die Augen treten? Doch die Wut nagte an ihm und redete ihm ein,
dass Anzu doch selbst schuld war. Sie hatte doch gefragt, ob sie noch etwas für
ihn tun konnte. Mariku biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf.
„Wer hätte gedacht, dass Menschen so bösartig sein können.“ Mariku sah
auf. Malik fuhr mit dem Daumen über die Spitzen seiner Krallen.
„Wir haben tausende Jahre damit verbracht uns gegenseitig abzuschlachten. Das
hier ist nichts“, antwortete Mariku und ließ die Bandagen sinken.
Malik hob interessiert die Augenbrauen. Er hatte die Menschen nie für ein
kriegerisches Volk gehalten. Sein Wissen war begrenzt und er hatte sie sich
immer wie die Cygni vorgestellt: schwach und leicht zu kontrollieren.
Mariku verhielt sich momentan jedoch mehr wie ein Notechis. Malik hatte gemerkt,
wie viel Spaß er dabei gehabt hatte die Seire zu verängstigen und den Cygni zu
provozieren.
Malik fasste sich an den Hals. Er hatte nicht vergessen, wie Mariku ihn gepackt
hatte. Unruhig leckte sich Malik über die Lippen. Und er hatte nichts gegen ihn
machen können. Malik schloss die Augen.
Als Bakura eintrat, sahen sie beide auf. „Was willst du?“, schnauzte Mariku
ihn an. Hatte Bakura denn immer noch nicht kapiert, dass er keine Kontrolle
über sich hatte?
„Ich wollte mir deine Wunden anschauen.“
„Verschwinde!“
„Mariku.“
„Verschwinde!“, wiederholte Mariku und betonte dabei jede Silbe. Bakura hob
abwehrend die Hände und ließ Mariku und Malik allein.
„Du hättest auf ihn hören sollen“, sagte Malik, als Bakura den Raum
verlassen hatte.
„Was denn? Gehörst du jetzt zu den guten Jungs?“
„Mach dich nicht lächerlich.“ Malik grinste Mariku an. „Aber seit wann
tust du’s nicht mehr?“
Mariku warf ihm einen genervten Seitenblick zu. „Halt’s Maul!“ Er kaute
auf seiner Unterlippe, bis sie aufplatzte und er Blut schmeckte. Schließlich
stand er auf.
Bakura sah auf, als Mariku eintrat. Er sagte nichts, sondern wartete ab, was
Mariku zu sagen hatte. Selbst aus der Entfernung konnte er riechen wie schnell
Marikus Blut durch seinen Körper zirkulierte. Mariku war angespannt und
gestresst. Die Aggressionen waren eine Belastung für seinen Körper und wenn
die Nebenwirkung nicht bald nachließ würde das Marikus Gesundheit nur noch
mehr gefährden.
Er hörte Mariku tief durchatmen. „Es... tut mir leid.“ Seine Stimme
zitterte. Er sah Bakura an und hob etwas hilflos die Hände. „Bandagen?“
„Klar.“ Bakura folgte Mariku zurück in dessen Zimmer und betrachtete seinen
Rücken. „Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht.“ Mariku zuckte nicht mal
zusammen, als Bakura ihn mit dem Desinfektionsmittel besprühte. Er spürte ein
Ziehen, doch das Brennen blieb aus. „Deine Schulter verheilt auch gut. Hast du
irgendwelche Schmerzen?“ Mariku schüttelte den Kopf. „Wenigstens etwas.“
Er bandagierte Marikus Oberkörper und die Schulter ein. „Das sollte wieder
für ein paar Tage reichen.“
„Und wie lang hält diese scheiß Nebenwirkung noch an?“
„Ich hoffe, nicht mehr zu lange.“ Mariku schnaubte und Bakura trat von ihm
weg. Er konnte nicht mal mit Sicherheit sagen, ob die Nebenwirkung auch wirklich
eine Nebenwirkung war. Er könnte mit seinem Mittel auch genauso gut Marikus
System geschadet haben und dann konnte es gefährlich für Mariku werden. Bakura
konnte nicht sagen, wie lange sein Körper der Belastung standhalten würde,
auch wenn sich Mariku bisher als recht zäh bewiesen hatte. Unruhig strich
Bakura mit seiner Zunge an der Rückseite seiner Zähne entlang. Er hoffte, er
würde Mariku nicht auf dem Gewissen haben.
„Ihr bewegt euch nicht vom Schiff weg, haben wir uns verstanden?“
„Ich bin ja nicht taub“, erwiderte Mariku gereizt und strich mit den Füßen
unruhig über den Boden. Es kostete ihn all seine Selbstbeherrschung nicht
wieder auf Ryou loszugehen. Es war schon schwer genug gewesen, die letzten
Stunden keinen Streit mit Malik anzufangen. Inzwischen fühlte er sich in dem
kleinen Zimmer wie eingesperrt und das schlug ihm ebenfalls aufs Gemüt.
„Ist mit dir alles in Ordnung?“, fragte Ryou Anzu und sah sie mit besorgtem
Blick an. Anzu war seit der Auseinandersetzung mit Mariku sehr ruhig geworden.
Sie lächelte schwach. „Es ist alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen um
mich.“
„Ich lass dich nur ungern mit ihnen allein.“
„Honda ist doch da.“ Sie hakte sich bei Honda, der neben ihr stand, ein.
„Er wird mich beschützen.“ Honda lächelte nicht, dazu war seine Spezies
nicht fähig, doch das Leuchten in seinen Augen wurde etwas heller.
Ryou richtete seinen Blick auf Honda. „Wenn sie Ärger machen, dann erschieß
sie.“
„Jawohl.“ Honda fasste sich an die Waffe an seiner Hüfte. Es war die Waffe,
die eigentlich in der Armlehne von Ryous Stuhl war. Die einzige scharfe Waffe,
die sie hatten.
Ryou wickelte ein Tuch um seinen Kopf, das die untere Hälfte seines Gesichts
bedeckte, dann setzte er sich eine Kapuze auf. Er drehte sich zu Jonouchi um.
„Bist du bereit?“
„Und wie!“
Ryou verdrehte kurz die Augen. „Versuch einfach mich nicht zu nerven, okay?“
Er wandte sich noch einmal an Honda. „Ich hoffe, wir sind nicht länger als
zwei Tage weg.“
„Was sind deine Anweisungen, wenn ihr länger weg seid?“
„Nimm Mariku und den Notechis und kommt nach.“ Mit seiner Hand fuhr er unter
das Tuch und strich sich über den Nacken. „Wir können nicht riskieren, sie
allein zu lassen. Außerdem, ich geb’s nicht gern zu, aber der Notechis
könnte nützlich sein, wenn es Ärger gibt.“ Er atmete tief durch. „Komm
Jou, wir gehen.“
Mariku ging im Zimmer auf und ab und ging damit Malik auf die Nerven. Malik
stand auf und ging an Mariku vorbei.
„Wo willst du hin?“
„Nach draußen.“ Die Tür öffnete sich für Malik. „Würde dir auch nicht
schaden.“ Die Tür glitt wieder zu und Mariku knirschte mit den Zähnen. Er
hatte keine andere Wahl als Malik zu folgen, immerhin sollte er ein Auge auf ihn
haben. Er wusste jedoch immer noch nicht, wie heiß 600° Knar waren. Er lief
Malik hinterher. Er würde es gleich herausfinden.
600° Knar waren ungefähr 40° Celsius. Mariku schirmte seine Augen vor der
Sonne ab, oder sollte er besser sagen, vor den drei Sonnen? Sie waren außerhalb
der Stadtmauer gelandet. Die Luft flimmerte und sie waren von Sand umgeben.
Mariku fühlte sich fast wie zuhause. Der Gedanke an zuhause beruhigte ihn
etwas.
„Was wollt ihr?“ Honda stand draußen vor dem Eingang.
„Ich lauf nur ihm hinter.“ Er deutete auf Malik, der sich den Sonnen
zugewandt und die Augen geschlossen hatte.
„Geht nicht zu weit weg.“
„Jaja“, murrte Mariku und sprang in den Sand. Er spürte die Hitze durch die
Sohle seiner Schuhe. Turnschuhe waren nicht das passende Schuhwerk für die
Wüste. Es tat trotzdem gut endlich aus dem Raumschiff rauszukommen und mal
nicht um sein Leben fürchten zu müssen. Mariku stellte sich neben Malik.
„Was soll das werden?“
Maliks Zunge schnellte vor und er gab ein leises Zischen von sich. „Nach was
sieht’s denn aus?“
„Kannst du mir nicht mal eine vernünftige Antwort geben?“, murrte Mariku.
Malik wandte sich ihm schmunzelnd zu. Es war ein ungewöhnlicher Anblick und
brachte Mariku dazu zu grinsen.
„Ich werd schon keinen Ärger machen.“
Mariku hob die Augenbrauen. „Es fällt mir schwer das zu glauben.“
Malik zuckte mit den Schultern. „Musst ja nicht.“ Er wandte sich dem
Raumschiff zu und unter den wachsamen Blicken von Mariku und Honda ging er
näher darauf zu. Malik sah an der Leiter nach oben, die an der Außenwand
befestigt war. Er sprang hoch und bekam die erste Sprosse zu fassen. Ohne
Schwierigkeiten zog er sich hoch.
„Hey! Komm sofort runter da!“, rief Honda ihm hinterher, doch Malik
kletterte weiter nach oben ohne auf ihn zu reagieren. „Hey!“
„Lass ihn doch.“ Mariku kratzte sich am Hinterkopf und sah Malik ebenfalls
hinterher. Er war auf dem Dach des Schiffes verschwunden. „Solange er da oben
ist, macht er wenigstens keinen Ärger.“
Malik streckte sich auf dem Metall aus und schloss die Augen. Er genoss es nach
so langer Zeit wieder die Sonne und ihre Wärme zu spüren. Er wusste nicht, wie
lange er auf dieser Raumstation gewesen war. Irgendwann hatte er jegliches
Zeitgefühl verloren. Es könnten Monate oder Jahre gewesen sein. Er hatte die
Wärme vermisst.
Malik drehte sich auf den Bauch. Wärme war etwas, das sein Volk liebte. Sie
brauchten sie nicht zwingend um zu überleben, doch sie konnten ihr nicht
widerstehen. Malik wusste genau, was die Hitze mit ihm machen würde; er kannte
die Nebenwirkung, wenn sich sein Körper aufheizte, aber selbst, wenn er gewollt
hätte, hätte er nicht widerstehen können. Er hatte solange darauf verzichtet,
dass er in der Dunkelheit und Kühle der Raumstation fast wahnsinnig geworden
wäre. Er ging das Risiko ein.
Mariku saß auf den Stufen, die ins Raumschiff führten und ließ Sand durch
seine Finger rieseln. Jede Stunde drehte er ein paar Runden um das Schiff um die
aufgestaute Energie loszuwerden und überraschenderweise funktionierte es.
Mariku fühlte sich viel ruhiger. Trotzdem mochte er die Warterei nicht. Ryou
und Jonouchi waren schon seit Stunden weg. Mariku gähnte.
Honda stand neben ihm und warf immer wieder einen Blick nach oben. Sie konnten
Malik auf dem Dach liegen sehen.
„Also“, Mariku ballte seine Hand zu einer Faust und öffnete sie wieder,
„wie lange bist du schon mit Ryou unterwegs?“
Honda sah kurz auf Mariku hinunter. „60 Jahre.“
„Erdenjahre?“
„Wenn ein Erdenjahr 432 Tage umfasst, dann ja.“
Mariku drehte die Augen nach oben und machte ein nachdenkliches Gesicht. Er
stand kurz davor Honda zu fragen, wie lange ein Tag für ihn war, entschied sich
dann aber dagegen. Es würde nur verwirrend werden, deshalb ging er der
Einfachheit halber von Erdenjahren aus.
„Und habt ihr euch davor schon gekannt?“
„Nein, ich habe ihn durch Jou kennen gelernt. Er hat sich als Pilot bei Ryou
gemeldet und mich sozusagen mitgeschleppt.“
Mariku sah Honda kurz an, dann hoch zu Malik. Er konnte nur seinen Arm sehen.
„Warst du damals auch in dem Krieg?“ Honda gab ihm keine Antwort und Mariku
konnte sich selbst zusammenreimen, dass das „Ja“ bedeutete.
Seufzend stand er auf und ging die Stufen zum Schiff hoch.
„Wo gehst du hin?“
Mariku sah über die Schulter. „Bist du mein Babysitter?“
„Ja.“
„Ich geh nur rein, okay? Die Hitze macht mich schläfrig.“ Das war gelogen.
Er fühlte sich nicht müde, aber er wollte sein beruhigtes Gemüt dafür nutzen
sich bei Anzu zu entschuldigen. Er konnte ja nicht sagen, wann ihn wieder jemand
aufregen würde und er hoffte, es würde nicht Anzu sein.
Mariku trat vor ihre Tür und war überrascht, dass sie nicht aufglitt. Er
klopfte.
„Ja?“
„Hier ist Mariku.“
Es dauerte eine Weile bis Anzu wieder etwas sagte: „Was willst du?“
„Ich wollte mich entschuldigen.“ Die Tür glitt auf. „Ich wusste nicht,
dass man die Türen abschließen kann.“ Er sah zu Anzu, die am Tisch saß.
Eine Hand auf einem Kontrollpanel. Mariku blieb an der Tür stehen. Es war
besser, wenn er Abstand zwischen ihnen hielt. „Mein vorheriges Benehmen tut
mir wirklich leid. Ich wollte dir nicht wehtun und dir auch keine Angst
einjagen.“ Es war ihm unangenehm, das er Anzu so schamlos angebaggert hatte.
„Ich war nicht ich selbst, aber das soll mein Verhalten nicht
entschuldigen.“ Er trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, während er
auf eine Reaktion von Anzu wartete.
Anzu seufzte. „Entschuldigung zur Kenntnis genommen. Trotzdem wär’s mir
lieber, wenn du dich erst mal von mir fernhältst.“
„Ah, ja, ja klar, mach ich.“ Er hob die Hand, als Zeichen des Abschieds und
wandte sich ab. Und noch jemand bei dem er unten durch war. Er machte das
wirklich gut. Seufzend strich sich Mariku durch die Haare. Es hätte aber auch
schlimmer ausgehen können. Zumindest hatte er sich entschuldigt.
Mariku ging nach draußen und setzte sich wieder neben Honda auf die Stufen. Er
ignorierte dessen fragenden Blick. Mariku sah nach oben, doch konnte Malik
nicht sehen. „Wo ist Malik?“
„Rein.“ Er unterstrich die Antwort mit einem Nicken des Kopfes in Richtung
Schiffseingang.
Für einen Moment dachte Mariku darüber nach Malik zu folgen, doch er wollte
nicht schon wieder aufstehen. Er streckte die Beine von sich und lehnte sich
zurück. Mit den Ellenbogen stützte er sich auf einer höheren Stufe ab.
„Also, wie lange ist Anzu schon dabei?“
Honda zuckte mit den Schultern. „Länger als Jou und ich. Ich hab nie
gefragt.“
„Und erlebt ihr öfter so ne Scheiße wie das hier?“
„Das ist das erste Mal“, antwortete Honda. „Wir hatten ausfallendes
Getriebe, verlorene Fracht, Sonnenstürme, Piraten...“
„Piraten?“ Mariku sah ihn überrascht und auch interessiert an.
„Natürlich, diese Bastarde tauchen immer dann auf, wenn man sie am wenigsten
braucht.“ Hondas Zähneknirschen klang wie wenn jemand über Kies ging.
Sie unterhielten sich eine Weile über die Weltraumpiraten, bis Mariku aufstand
und sich streckte. Er sah hoch zu den Sonnen, die sich zwar über den Himmel
bewegt hatten, doch das Licht hatte sich nicht verändert. „Wird es hier
eigentlich auch mal dunkel?“
„Alle paar Jahre mal wahrscheinlich.“
„Denkst du, sie kommen bald zurück?“ Honda zuckte mit den Schultern.
„Naja, ich schau mal, was Malik so treibt.“
Malik lag auf dem Bett, das Gesicht zur Wand gedreht. Ihm war heiß und sein
Atem ging schnell. Er zuckte kurz zusammen als Mariku eintrat, drehte sich
jedoch nicht zu ihm um. Nein, er musste gehen. Mariku musste wieder gehen.
Trotzdem brachte er kein Wort heraus um Mariku wieder wegzuschicken.
„Malik, ist alles in Ordnung?“
„Lass mich in Ruhe.“ Maliks Stimme war heiser und seine Atmung abgehakt.
Mariku hob überrascht die Augenbrauen. Was war denn jetzt schon wieder? Malik
hatte sich zusammengerollt und die Arme um sich selbst gelegt. „Hast du einen
Sonnenstich?“ Malik zischte nur als Antwort. Mariku setzte sich zu ihm aufs
Bett. „Fühlst du dich nicht gut?“ Wider besseres Wissen berührte er Malik
an der Schulter. Diesmal griff Malik ihn nicht an, sondern rollte von der Seite
auf seinen Rücken. Maliks Pupillen waren geweitet und sein Gesicht gerötet.
Seine Zunge zuckte immer wieder unruhig aus seinem Mund hervor. Sein Brustkorb
hob und senkte sich so schnell, dass Malik keuchte. „Was ist los?“
„Lass mich allein“, fauchte Malik ihn an. Seine Stimme zitterte und er
konnte kaum noch klar denken. Mariku musste verschwinden, bis es vorbei war,
aber das war ein dummer Gedanke, denn es würde nicht einfach so vorbeigehen. Er
konnte es nicht einfach ignorieren und warten, dass es verschwand, so
funktionierte das nicht.
Selbst die Kleidung kratzte auf seiner empfindlichen Haut. Malik schloss die
Augen und biss die Zähne zusammen. Er kämpfte dagegen an; gegen sich selbst;
gegen seinen Körper. Er jagte seine Klauen in die Matratze und riss sie auf.
Ihm war nach Schreien zumute. Er würde nicht nachgeben. Er konnte nicht. Er
durfte nicht.
Mariku hob die Hände. „Ich geh ja schon wieder.“ Er hatte keine Lust sich
von Malik anschnauzen zu lassen, erst recht nicht in seiner momentanen
Verfassung. Außerdem traute er Malik zu, seine Klauen das nächste Mal in
seinen Körper zu jagen. Davon hatte er in der Vergangenheit wirklich schon
genug gehabt.
Doch als er sich umdrehte, packte Malik ihn plötzlich am Handgelenk. Sein Griff
war fest und schmerzhaft.
„Bleib.“
Mariku sah auf ihn hinunter, doch Malik hielt seinen Blick nach unten gerichtet.
Die Hand, mit der er ihn festhielt, zitterte.
„Kannst du dich mal entscheiden?“ Malik antwortete nichts, ließ ihn aber
auch nicht los. Mariku seufzte. „Was ist los?“
Maliks Blick wanderte unruhig durch den Raum, wobei er es vermied Mariku
anzusehen. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch er brachte kein Wort
heraus. Er konnte es nicht. Es war abstoßend. Es war erniedrigend... doch er
hatte keine Wahl. Sein Körper würde nicht abkühlen, genau so wenig wie sein
Geist und er hatte niemanden außer Mariku.
Malik ließ Mariku los und richtete sich auf. Er legte eine Hand in Marikus
Nacken und zog ihn nahe zu sich. „Glaub nicht, dass ich das will“,
flüsterte er mit einem Zischen. „Es widert mich an. Du widerst mich an.“
Der Griff in Marikus Nacken festigte sich, doch Mariku wich nicht zurück. Er
war gespannt auf was Malik eigentlich hinauswollte. Er spürte Maliks Atem auf
seinen Lippen. „Schlaf mit mir.“
Marikus Augen weiteten sich vor Überraschung und er hob eine Augenbraue. Er
hatte mit vielem gerechnet, doch ganz sicher nicht damit. Was sollte er davon
halten? „Warum sollte ich?“
Maliks Krallen punktierten seinen Nacken, doch er ließ ihn kurz darauf los und
ließ sich zurück aufs Bett sinken. „Du musst.“
„Ich muss?“, wiederholte Mariku. Er sah auf Malik hinunter, der sich unruhig
mit den Händen über die Oberschenkel strich. Er sah die Beule in seiner Hose.
Malik meinte es ernst.
Malik zögerte mit seiner Antwort. „Du bist der Einzige“, er sprach langsam,
„den ich fragen kann.“
„Du spinnst doch.“ Wieder wollte Mariku sich abwenden, doch Malik hielt ihn
erneut auf.
„Mariku...“
Mariku hielt inne. Es war das erste Mal, das Malik ihn mit seinem Namen
ansprach. Er meinte es wirklich ernst.
„Kannst du’s dir nicht einfach selbst machen?“ Mariku war zwiegespalten.
Ein Teil von ihm wollte Malik auf das Bett drücken und ihn ficken bis er seinen
Namen schrie, doch ein anderer Teil dachte an die Narben und seine Reaktion auf
den Sex von Bakura und Ryou. Und wieder ein anderer Teil genoss es einfach nur
Malik in dieser Situation zu sehen.
„Das reicht nicht!“ Maliks Stimme klang, als würde er unter starken
Schmerzen leiden. Eine Gänsehaut kroch über Marikus Körper. Er genoss es viel
zu sehr Malik leiden zu sehen. Dieses arrogante, überhebliche Arschloch auf den
Knien zu sehen erfüllte ihn mit Genugtuung.
„Liegt es an der Hitze?“
„Ja.“
„Du wusstest, dass das passiert.“
„Ja.“
„Und trotzdem lagst du den ganzen Tag in der Sonne.“
Malik fauchte. Er richtete sich wieder auf, packte Mariku wieder im Nacken und
zog ihn zu sich. Mariku spürte schon fast Maliks Lippen auf seinen eigenen. Es
trennten sie nur noch Millimeter. „Das wirst du nie verstehen“, zischte
Malik.
Mariku streckte seine Zunge aus und leckte Malik über die Lippen. Überrascht
und erschrocken ließ Malik ihn los und fasste sich an die Lippen. „Warum hast
du das getan?“
„Du hast doch danach gefragt.“ Mariku öffnete seinen Gürtel, während
Malik ihn beobachtete.
„Warte!“ Mariku hielt inne. Hatte es sich Malik doch wieder anders
überlegt? Vielleicht war es auch besser so. „Hol ein Seil.“
„Was?“ Mariku sah ihn verständnislos an.
„Wenn du es überleben willst, dann hol ein verdammtes Seil!“ Malik sank
zurück auf die Matratze, als Mariku den Raum verließ. Er strich sich zwischen
die Beine und keuchte. Es war erniedrigend, dass er es mit Mariku tun musste.
Abschaum wie er sollten noch nicht einmal das Recht haben ihn anzufassen. Er
wäre lieber zuhause bei... Malik legte seine Hände auf die Matratze. Nein,
wenn er ehrlich war... er wollte den Gedanken nicht zu Ende denken.
Malik sah auf, als Mariku zurückkam. Auch, wenn er es nicht gerne zugab, er war
lieber hier, auch wenn seine innere Stimme ihn regelrecht anbrüllte, wie
abstoßend es war. Das ging gegen alles, was er je gelernt hatte, gegen jede
seiner Überzeugungen, gegen seine Natur. Er sollte Mariku ihn blutige Fetzen
reißen.
Mariku hielt das Seil lose in seinen Händen. „Und jetzt?“
Malik streckte seine Hände über seinen Kopf und umfasste den Bettrahmen.
„Fessel mich.“
„Was?“
Malik setzte sich auf und sah Mariku schon fast genervt an. Er wurde ungeduldig.
Musste er Mariku denn alles erklären? „Wenn du am Ende noch leben willst,
dann fessel mich und wehe ich kann mich losreißen! Dann bist du tot!“ Er
ließ sich wieder zurücksinken.
Mariku hatte ihn noch nie mit einem so ernsten Gesichtsausdruck gesehen. Malik
wollte wirklich, dass er überlebte. Mariku kniete sich über ihn und fesselte
seine Hände an den Bettrahmen.
„Fester!“, forderte Malik und zerrte an den Fesseln.
Mariku zog fester an dem Seil, sodass es regelrecht in Maliks Handgelenke
schnitt. Wieder zerrte Malik daran und schien diesmal zufrieden.
„Kein Küssen, haben wir uns verstanden?“
Mariku beugte sich hinunter und drückte Malik einen Kuss auf die Lippen.
„Natürlich.“
„Du verdammter...“, fauchte Malik und stemmte sich gegen die Fesseln. Mariku
lachte leise. Ihm gefiel die Situation. Sein Blick glitt über Maliks noch
angezogenen Körper. Er hatte noch nie mit einem Alien geschlafen und er hatte
ganz sicher nicht gedacht, dass es Malik sein würde. Er war ein bisschen
aufgeregt. Als er ihm zwischen die Beine fasste, keuchte Malik auf und schloss
die Augen. „Widerwärtig“, murmelte er.
„Wenn du nicht still bist, dann lass ich dich einfach so liegen.“
Malik sah ihn wütend an. „Ich bring dich um!“
„Jaja.“ Mariku schob das Sweatshirt nach oben.
„Und wenn du irgendwem hiervon erzählst...“
„Jaja, dann schlitzt du mich auf und frisst meine Eingeweide.“ Mariku Blick
wanderte über Maliks Oberkörper. Er hatte ihn nie wirklich genau betrachtete.
Er hatte keine Brustwarzen und sein Körper war teilweise mit Schuppen bedeckt.
Sie folgten keinem bestimmten Muster, aber Mariku vermutete, dass sich darunter
alle lebenswichtigen Organe befanden. Er legte seine Hand auf Maliks Brust. Die
Schuppen fühlten sich an wie warme Steine. Er spürte Maliks schnellen
Herzschlag unter ihnen.
„Beeil dich“, forderte Malik und rutschte unruhig hin und her.
„Entspann dich.“ Mariku beugte sich nach unten und küsste über Maliks
Brust. Er spürte, wie Malik zitterte und grinste. Inzwischen fand er die
Nebenwirkung von Bakuras Mittel nicht mehr so schlimm. Er hatte sich besser
unter Kontrolle und das stärkte sein Selbstbewusstsein.
Mariku öffnete Maliks Hose und zog sie samt Unterwäsche hinunter. Malik war
gebaut wie ein Mensch, abgesehen von den Schuppen, die die Innenseite seiner
Oberschenkel bedeckten und sich teilweise über seinen Schwanz zogen. Mariku
umfasste das harte Glied. Es fühlte sich schon fast heiß an. Langsam ließ er
seine Hand daran entlang gleiten und entlockte Malik damit ein Stöhnen. Kein
einziges Haar, außer dem auf seinem Kopf, bedeckte Maliks Körper.
Marikus eigenes Glied drückte gegen den Stoff seiner Hose.
„Ist doch nicht so schlecht, nicht wahr?“
„Halt’s Maul“, fauchte Malik und stöhnte kurz darauf auf. „Abschaum wie
du...“ Er konnte den Satz nicht zu Ende sprechen, denn Mariku drückte die
Spitze seines Glieds sanft zusammen und Malik konnte das Stöhnen nicht
unterdrücken.
Mariku hielt in seiner Bewegung inne. „Jemand deiner Rasse wär dir
lieber...“
Ein Gesicht tauchte in Maliks Kopf auf, doch er verdrängte es.
„Natürlich“, zischte er. „Das hier ist... entwürdigend.“
Mariku begann wieder seine Hand zu bewegen und beobachtete, wie er Malik einen
runterholte. Vielleicht hatte er sich getäuscht und Malik hatte gar keine
schlechten Erfahrungen gemacht. Er schien keine Angst vor seinen Berührungen zu
haben. Den Bewegungen seiner Hüfte nach, wollte er sie. Es störte ihn nur,
dass er kein Notechis war.
Mariku beugte sich nach unten und legte seine Lippen um Maliks Erektion. Der
Laut, den Malik von sich gab, jagte einen Schauer über Marikus Rücken.
„Was machst du?“ Malik klang verwirrt und zerrte an seinen Fesseln. „Habt
ihr Menschen so Sex?“
Mariku hob den Kopf und leckte sich über die Lippen. „Habt ihr keine Blowjobs
bei euch?“ Malik schüttelte den Kopf und Mariku hob eine Augenbraue. „Wie
langweilig.“ Er beugte sich über Malik, sodass er ihm in die Augen sehen
konnte. Er küsste Malik kurz, doch als er seinen Kopf zurückzog folgte Maliks
ihm soweit er konnte. Mariku strich ihm über die Wange. Er küsste ihn erneut,
diesmal länger und Malik erwiderte sofort. Mariku ließ seine Zunge in Maliks
Mund gleiten. Er spürte die scharfen Zähne. Malik könnte ihm ohne
Schwierigkeit die Zunge abbeißen. Maliks lange, bewegliche Zunge schlang sich
um seine. Es war ein seltsames, aber auch aufregendes Gefühl. Er stellte sich
vor, wie es wäre, wenn sich Maliks Zunge um seinen Schwanz wickelte, wie er es
gerade mit seiner Zunge machte. Andererseits wollte er die spitzen Zähne so
weit weg von seiner Männlichkeit wie möglich. Mariku krallte seine Finger in
Maliks Haare, während ihr Kuss immer leidenschaftlicher wurde.
Seine freie Hand verwöhnte Maliks Glied und er rieb seinen Unterleib gegen
Maliks Schenkel.
Doch Malik drehte plötzlich den Kopf zur Seite. „Aufhören.“
Mariku küsste seine Wange. „Komm schon“, flüsterte er.
„Nein!“, fauchte Malik. Gift tropfte von seinen Zähnen und Mariku richtete
sich auf. Er ließ seinen Blick über Maliks erregten Körper wandern.
„Ich hatte sowieso was anderes vor.“ Er grinste Malik an. „Genieß es.“
Er nahm Maliks Erektion in den Mund. Wieder gab Malik einen Laut von sich, der
Mariku erzittern ließ. Es war eine Mischung aus Fauchen und Stöhnen und einem
Laut, den Mariku nicht benennen konnte. Mariku saugte an den Spitze und ließ
seine Zunge damit spielen. Er drückte seine Lippen zusammen und brachte Malik
damit dazu noch lauter zu stöhnen. Maliks Schwanz glitt tiefer in Marikus Mund,
als Malik die Hüfte anhob. Mariku drückte ihn zurück auf die Matratze, doch
behielt Maliks Erregung in seinem Mund. Er bewegte den Kopf auf und ab und ließ
Malik tief in seine Kehle gleiten. Wieder hob Malik die Hüfte, doch Mariku
hielt ihn nach unten gedrückt. Die Schuppen kratzten in seinem Mund, doch es
war kein unangenehmes Gefühl. Er bewegte seinen Kopf schneller und rieb den
Schaft mit seiner Hand. Er ließ Malik los und ließ zu, dass dieser in seinen
Mund stieß.
Mit einer Hand strich er an Maliks Schenkel entlang, während er mit der anderen
über Maliks Eingang strich. Er hatte nichts um es einfacher zu machen, aber
Malik wirkte nicht so zimperlich.
Mariku richtete sich auf. Er hätte Malik gern kommen lassen, aber er wollte
nicht riskieren sich am Ende an seinem Sperma zu vergiftet. Malik hatte die
Augen geschlossen und keuchte schwer. Gift rann an seinen Mundwinkeln hinab.
Deshalb also durfte er ihn nicht küssen.
Als Mariku mit einem Finger in ihn eindrang, zuckte Malik zusammen. Er öffnete
die Augen. Die Pupillen waren so groß, dass seine Augen fast schwarz wirkten.
Langsam stieß Mariku mit seinem Finger in ihn.
„Was machst du?“ Malik fiel das Sprechen schwer.
„Dich vorbereiten.“
„Vorbereiten?“
Mariku hielt inne. „Damit es nicht so wehtut?“ War Malik denn noch nie
vorbereitet worden? Vielleicht brauchte er es auch nicht. Er hatte keine
Ahnung.
Malik leckte sich das Gift weg. „Es geht ohne Schmerz?“, murmelte Malik. Er
drehte den Kopf zur Seite.
Als Mariku noch einen zweiten Finger in ihn schob, zuckte Malik wieder zusammen.
Maliks Worte ließen Mariku nicht los. Sanft stieß er in ihn, während er ihn
weitete. „Hattest du noch nie Sex, der nicht wehtat?“
„Das gehört doch dazu.“ Maliks Stimme war leise und Mariku stand kurz davor
aufzuhören. Er wollte keine schlechten Erinnerungen wecken, andererseits wollte
er Malik aber auch zeigen, wie schön es sein konnte. Malik hatte sich ihm
anvertraut mit seinem „Problem“, er würde ihn jetzt nicht enttäuschen.
Mariku küsste Maliks Bauch. Er hatte auch keinen Bauchnabel. „Entspann dich
einfach“, flüsterte er gegen die Haut. Er bewegte seine Finger schneller und
Malik keuchte.
Mit seiner freien Hand öffnete Mariku seine Hose und befreite seine eigene
Erregung. Er zog seine Finger zurück und entledigte sich seiner Kleidung.
Maliks Blick ruhte auf ihm. Er spreizte seine Beine noch weiter, als Mariku sich
dazwischen kniete. Inzwischen war Malik nicht mehr in der Lage klar zu denken.
Er wollte nur noch Mariku in sich.
Mariku dirigierte sein Glied zu Maliks Eingang und schob eine Hand unter Maliks
Knie. Bedächtig schob er erst nur die Spitze in Maliks Körper und dieser bog
keuchend den Rücken durch.
Mariku drehte lustvoll die Augen nach oben. Langsam drang er tiefer in Malik ein
und genoss die Enge. Er merkte keinen Unterschied zu einem Menschen. Als er zur
Hälfte in Malik versunken war, hielt er inne. „Ist es okay?“ Malik nickte
und Mariku lächelte. Er strich Malik über die Wange und dieser sah verlegen
zur Seite. „Du kannst ja auch ganz süß sein“, murmelte Mariku grinsend und
küsste Maliks Schläfe.
„Halt’s Maul.“
Marikus Grinsen wurde breiter und er küsste noch einmal Maliks Schläfe, bevor
er begann seine Hüfte zu bewegen. Bei jedem Stoß spannte Malik seine Arme an.
Mariku drang tiefer in ihn ein und versenkte seine ganze Härte in Maliks
Körper. Jetzt war er Bakura dankbar für sein Mittel. Ohne es, wäre er sicher
nicht in der Lage gewesen mit Malik zu schlafen und es wäre wirklich eine
Schande gewesen, wenn ihm das entgangen wäre. Das war wirklich das Beste, das
ihm in den letzten Tagen passiert war.
Mariku stöhnte zufrieden. Er schob Maliks Beine weiter zurück um tiefer in ihn
stoßen zu können. Seine Stöße wurden härter und schneller, als er merkte,
dass sich Malik ihm entgegen bewegte. Er ließ Maliks Beine los und seine Hände
wanderten stattdessen über seinen Körper. Er selbst schwitzte, doch Maliks
Haut war trocken, dafür jedoch heiß. Malik zischte und fauchte, gemischt mit
Stöhnen. Er hatte die Augen geschlossen und den Mund weit geöffnet. Seine
Fangzähne waren deutlich zu sehen. Als Marikus Name über seine Lippen kam,
lief ein angenehmer Schauer über dessen Rücken. Er liebte es seinen Namen so
zu hören.
Mariku stützte sich auf der Matratze ab und stieß noch härter in Malik. Gift
tropfte von Maliks Zähnen und rann über seine Mundwinkel. Sein ganzer Mund
quoll von seinem Gift über und als Mariku sich ihm näherte, schnappte Malik
nach ihm. Er fauchte frustriert, als Mariku den Kopf zurückzog.
Mariku schluckte und als sein Blick an Maliks Armen entlang glitt, konnte er
sehen, wie das Gift auch von seinen Krallen tropfte. Es mischte sich mit Blut,
denn Malik ballte immer wieder die Hände zu Fäusten und vergrub dabei seine
Krallen in seiner Handfläche. Er hatte sich die Handgelenke wundgescheuert,
während er an den Fesseln zerrte. Plötzlich war Mariku klar woher die Narben
auf Maliks Rücken stammten. Er hätte er ihn nicht gefesselt, hätte er ihm
seine Klauen in den Rücken gejagt.
Mariku richtete sich auf und verlangsamte sein Tempo. Malik gab einen gequälten
Laut von sich. „Mehr“, bettelte er mit rauer Stimme und wand sich unter
Mariku. Mariku brannte die Szene in sein Gedächtnis ein. Er würde nicht mehr
so schnell in den Genuss kommen Malik betteln zu sehen. Unerträglich langsam
glitt er immer wieder in Maliks Körper. Er genoss jede Sekunde davon. Malik
legte seine Beine um Marikus Hüfte und schränkte damit einen Teil seiner
Bewegungen ein, doch Mariku ließ sich davon nicht beirren. Er blickte nach
unten und beobachtete, wie er aus Malik herausglitt und erneut in ihm versank.
Malik legte den Kopf in den Nacken. Das langsame Tempo brachte ihn um den
Verstand und er hasste es zugeben zu müssen, dass es sich gut anfühlte. Die
Art wie Mariku mit ihm schlief, war neu für ihn. Er kannte es nur hart und
schnell, mit Klauen, die ihm den Rücken aufrissen. „Ah Mariku!“ Er hasste
es seinen Namen zu stöhnen, aber er konnte nicht anders, als Mariku sein Glied
umfasste und die Spitze leicht zusammendrückte. Er hob die Hüfte an, denn er
wollte mehr von diesen Berührungen.
Mariku bewegte seine Hand auf und ab und ließ seinen Daumen jedes Mal, wenn er
oben war, über die Spitze gleiten. Seine Hand war feucht von Maliks Vorsamen.
Er hoffte wirklich, es war nicht giftig.
Ihm gefiel es, wie Malik seine Hüfte bewegte und stoppte mit seinen Stößen um
den Anblick genießen zu können. Er blieb tief in Malik versunken, während er
ihn mit der Hand verwöhnte. Am liebsten hätte er ihn geküsst, doch er musste
sich damit begnügen Küsse auf seiner Brust zu verteilen.
Maliks Beinumklammerung wurde etwas enger. „Mariku.“ Er wimmerte schon fast.
„Fick mich weiter.“
„Alles was du willst“, erwiderte Mariku mit einem kleinen Grinsen. Er hielt
mit einer Hand Maliks Erektion fest und stützte sich mit der anderen auf der
Matratze ab. Er begann langsam, legte jedoch schnell an Tempo zu. Malik stöhnte
zufrieden. Maliks Umklammerung hatte nicht nachgelassen, doch Mariku brauchte
nicht viel Platz um trotzdem hart in seinen Körper stoßen zu können. Nachdem
er seinen Rhythmus wieder gefunden hatte, begann er auch wieder Maliks Erregung
zu massieren.
Mit jedem Stoß stieg die Hitze in ihm an und hatte er sich zuvor noch gut unter
Kontrolle gehabt, so war es damit jetzt vorbei. Er fickte Malik hart und ohne
Rücksicht, während er mit groben Bewegungen sein Glied rieb. Malik schien es
zu gefallen. Er hatte sich inzwischen die Handflächen komplett zerfetzt.
Mariku schwirrte der Kopf und er spürte ein Ziehen von seinem Rücken bis in
seine Schulter. Es prickelte und für einen Moment überrollte ihn Schmerz, doch
dieser wurde fast noch im selben Moment von Lust überschwemmt.
Mit einem heiseren Schrei kam Malik und spritzte seine klare Flüssigkeit über
seinen Oberkörper. Mariku ließ seinen Schwanz los und fasste Malik stattdessen
an der Hüfte. Malik ließ seine Beine sinken und Mariku nutzte seine
neugewonnene Freiheit um sich fast komplett aus Malik zurückzuziehen, nur um
gleich darauf wieder in ihn zu stoßen.
Marikus Stöße wurden unkontrollierter und wilder je näher sein Orgasmus kam.
Seine Nägel krallten sich in Maliks Hüfte und er legte den Kopf in den Nacken.
Schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen, als er endlich seinen Höhepunkt
erreichte.
Für einen Moment verharrte er in Malik. Er hatte die Augen geschlossen und
hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Schließlich sank er erschöpft nach
vorne, doch fing sich im letzten Moment mit dem Armen ab. Sie zitterten,
während er sich abstützte und sich aus Malik zurückzog.
Mit einem zufriedenen Seufzen ließ er sich neben Malik auf die Matratze fallen
und genoss die Nachwirkungen seines Orgasmus. Glücksgefühle durchströmten
seinen Körper. Trotz allem hatte er noch nicht genug von Malik. Er suchte nach
einer Stelle, die er küssen konnte, ohne dass er sich vergiftete.
Er fand sie an Maliks Oberschenkel. Mariku küsste die Schuppen an der
Innenseite von Maliks Schenkel und ließ seine Zunge darüber gleiten.
„Hör auf“, murrte Malik, doch Mariku ließ sich davon nicht beirren. Er
küsste und leckte über Maliks Schenkel bis hinauf zu seinen Hoden. Als er auch
die zu küssen begann, ging ein Schauder durch Maliks Körper und für einen
Moment hob er leicht die Hüfte an. „Hör auf“, wiederholte Malik.
„Ist dein Sperma giftig?“ Mariku ging nicht auf ihn ein.
„Nein“, antwortete Malik und keuchte unterdrückt, als Marikus Zunge an
seinem Glied entlang leckte. „Es reicht jetzt!“ Doch man hörte ihm an, dass
er eigentlich gar nicht wollte, das Mariku aufhörte.
Mariku nahm das wieder schlaffe Glied in den Mund und massierte mit den Fingern
sanft Maliks Hoden. Maliks Sperma schmeckte süßlich und Mariku leckte es
genüsslich weg. Seine Zunge spielte mit dem Glied, das sich langsam wieder zu
verhärten begann. Maliks Atmung wurde erneut schneller.
Mariku kümmerte sich ausgiebig um Maliks wachsende Erregung. Er küsste bis
nach unten und packte mit den Lippen vorsichtig die dünne Haut der Hoden. Er
zog daran und lauschte zufrieden Maliks lustvollen Lauten. Er nahm einen der
Hoden in den Mund und lutschte daran. Seine Hand rieb in der Zwischenzeit Maliks
Erektion. Malik legte ein Bein über ihn und Mariku hörte, wie er an seinen
Fesseln zerrte.
Mariku grinste. Er hob den Kopf und musterte Maliks Körper. Das Sperma auf
seinem Bauch war getrocknet und seine Brust hob und senkte sich schnell. Er
hatte die Augen geschlossen und den Mund geöffnet. Mariku leckte sich über die
Lippen, dann beugte er sich wieder nach unten und biss vorsichtig in die Spitze.
Malik spannte seine Beine an. Mariku schloss seine Lippen um die Eicheln und
saugte genüsslich daran. Er schmeckte Maliks süßen Vorsaft auf seiner Zunge.
Mariku ließ Maliks Erregung in seinen Mund gleiten bis tief in seine Kehle.
Malik stöhnte laut, während Mariku seine Kehle anspannte. Für einen Moment
würgte er, doch er fing sich wieder. Er ließ Maliks Erektion kurz aus seiner
Kehle gleiten, schluckte und vergrub dann sein Gesicht wieder in seinem Schoß.
Reißen war zu hören und Mariku hob den Blick ohne von Malik abzulassen. Das
Seil war an einer Stelle eingerissen und wurde nur noch von wenigen Fäden
zusammengehalten. Selbst, wenn es komplett reißen würde, wäre Malik immer
noch unfähig seine Arme zu bewegen, doch Mariku wollte nicht riskieren, dass er
sich am Ende wirklich noch losreißen konnte. Er tat es nur ungern, aber er
musste sich beeilen.
Mariku zog den Kopf zurück und umfasste den Schaft von Maliks Schwanz. Er
verwöhnte die Spitze und ließ Malik in seinen Mund stoßen. Mariku bewegte
seinen Kopf und seine Hand im Rhythmus von Maliks Stößen. Sein Stöhnen
füllte Marikus Ohren und jagte eine Gänsehaut über seinen Körper.
Der Seilstrang riss durch und Malik bäumte sich auf, doch der Rest der Fesseln
hielt. Vorsichtig glitt Mariku mit den Zähnen an der empfindlichen Haut
entlang. Er drückte Maliks Erregung gegen seinen Gaumen und seine oberen
Zähne. Malik Beine zuckten unruhig und sein ganzer Körper war angespannt. Er
hatte aufgehört in Marikus Mund zu stoßen und rutschte stattdessen auf der
Matratze hin und her.
Mariku hielt seine Hüfte fest, doch schon im nächsten Augenblick bog Malik
stöhnend den Rücken durch und Mariku schmeckte seinen süßen Samen in seinem
Mund. Maliks Bein rutschte von seinem Rücken und sein Körper entspannte sich.
Mariku schluckte und leckte sich über die Lippen. Malik hatte die Augen
geschlossen und sein Brustkorb hob und senkte sich schnell. Seine Lippen waren
blutig und zerbissen. Zufrieden legte sich Mariku neben Malik und streckte sich.
„Soll ich dich losmachen?“
„Noch nicht“, antwortete Malik mit schwacher Stimme.
Mariku drehte sich auf den Bauch. Trotz seiner Glücksgefühle, spürte er ein
unangenehmes Ziehen in seinem Rücken. Kein gutes Zeichen, aber er wollte nicht
daran denken. Er beobachtete lieber Maliks Gesicht. Trotz des Bluts, hatte
Mariku noch nie so einen sanften Ausdruck in seinem Gesicht gesehen.
„Fühlst du dich jetzt besser?“ Malik öffnete die Augen, er zögerte für
einen Moment und nickte dann. „Gut.“ Mariku lächelte ihn an. „Ich mach
dich los.“ Er setzte sich auf und Schmerz schoss durch seinen Arm. Er fasste
sich an die Schulter, ließ sich jedoch nichts anmerken. Was für ein Timing.
Mariku stand vom Bett auf und suchte nach seinem Taschenmesser. Er leerte seine
Hosen- und Jackentaschen, doch sein Messer tauchte nicht auf. Mariku seufzte und
fasste sich an den Kopf, als ihm einfiel wo sein Messer war. Es lag irgendwo im
Wald auf dem Planeten der Spinnenfrauen.
Mariku schlüpfte in seine Shorts. „Ich bin gleich zurück“, informierte er
Malik, doch der hatte wieder die Augen geschlossen und erwiderte nichts.
Mariku rieb sich den Nacken, während er in die Küche ging. Seine Schulter und
sein Rücken juckten. Er fasste sich an die Wange und strich mit den Fingern an
dem Kratzer entlang, den Ryou ihm verpasst hatte. Die Haut war angespannt. Er
nahm ein Messer aus der Schublade und wollte sich auf den Weg zurückmachen,
doch Bakura stand an der Tür und grinste ihn an. Er sah kränklich aus. Seine
Wangen waren eingefallen und seine Haut spannte sich über seine Knochen.
„Ich will gar nichts sagen“, er lehnte sich gegen den Türrahmen,
„besonders nicht, solange du das Ding in der Hand hast.“ Er nickte zu dem
Messer in Marikus Hand.
Mariku sah nach unten und dann wieder zu Bakura. „Es geht mir schon besser.“
Er erwähnte nicht, dass die Schmerzen langsam zurückkamen.
„Das ist gut.“ Das Grinsen verschwand nicht von Bakuras Lippen und Mariku
kannte den Grund dafür nur zu gut. Malik und er waren nicht gerade leise
gewesen. „Also...“
„Es geht dich nichts an“, schnitt Mariku ihm das Wort ab.
„Ach komm schon, Mariku, erzähl mir was.“ Bakura trat zur Seite, als Mariku
auf ihn zukam. Beim Vorbeigehen warf Mariku ihm einen wütenden Seitenblick zu.
„Mariku! Sag mir zumindest, wer oben lag!“ Mariku ignorierte ihn.
Mariku seufzte, als er sein Zimmer betrat. Malik hatte die Augen geschlossen und
atmete gleichmäßig. „Sorry, ich wurde etwas aufgehalten.“ Er schnitt die
Fesseln durch und Malik öffnete die Augen. Er senkte die Arme, setzte sich auf
und rieb sich die Handgelenke. Er betrachtete seine blutigen Handflächen.
Sorgen machte er sich deswegen keine. In ein paar Stunden wäre das Gröbste
wieder verheilt. Er ließ die Schultern kreisen und wischte sich das Gift von
seinem Mund. Er vermied es Mariku anzusehen.
Mariku ließ sich aufs Bett sinken und beobachtete, wie Malik sich Unterwäsche
anzog. Sein Blick wanderte über den Körper des Notechis und er leckte sich
über die Lippen. Plötzlich sah er ihn mit ganz anderen Augen und er hätte
nichts dagegen, öfter mit ihm zu schlafen.
„Die Narben sind Sex-Narben, nicht wahr?“
Malik fuhr herum und schien Mariku am liebsten anfauchen zu wollen, doch er
beschränkte es auf einen wütenden Blick. Er wandte Mariku wieder den Rücken
zu und stampfte, nur mit Shorts bekleidet, aus dem Raum. Es hatte sich
unerwartet gut angefühlt, doch Mariku musste ihn wieder auf seine Narben
ansprechen und unangenehme Erinnerungen in ihm wecken. Er hasste die Narben auf
seinem Rücken; jede einzelne davon. Sie waren ein Zeichen seiner Schwäche.
Malik betrat das Badezimmer. Ein Zeichen seiner Machtlosigkeit. Er schlug gegen
die Wand und Schmerz zuckte von seiner Handfläche durch seinen Körper. Er
hinterließ einen blutigen Fleck.
Malik wollte nicht mehr an die Vergangenheit denken, nie wieder, und er wollte
keine einzige weitere Narbe auf seinem Rücken. Lieber trat er seiner
Hinrichtung entgegen.
Malik zog die Shorts aus und drehte das Wasser auf. Er wusste jetzt, dass es
auch ohne ging. Er sah auf seine Krallen hinunter. Aber nicht mit jemandem
seiner Rasse. Malik stieg in die Dusche, schloss die Augen und hob den Kopf. Er
ließ das heiße Wasser auf sein Gesicht prasseln. Er konnte sich nicht daran
erinnern, dass ihn jemals zuvor jemand so zärtlich berührt hatte wie Mariku.
Seine Rasse bestand aus erbarmungslosen, kaltblütigen Kriegern, es blieb keine
Zeit für Zärtlichkeiten. Malik ließ den Kopf hängen und öffnete die Augen.
Bis heute hatte er noch nicht einmal gewusst, wie sehr er sich nach dieser Art
von Berührungen gesehnt hatte.
Malik wusch sich das Sperma von seinem Oberkörper und seine Gedanken wanderten
widerwillig zu Mariku. Es beschämte ihn sich einzugestehen, dass er jede
Sekunde genossen hatte. Besonders diese Blowjobs, wie Mariku sie genannt hatte,
waren geil gewesen. Malik strich sich die Haare zurück. Sein Herzschlag hatte
sich beschleunigt und das gefiel ihm nicht. Er drehte das Wasser ab, blieb
jedoch in der Dusche stehen. Malik legte eine Hand auf seinen kribbelnden Bauch.
Er wusste nicht was es war, er kannte dieses Gefühl nur aus dem Krieg. Das
rasende Herz, das Kribbeln im Bauch kurz bevor er das Blut anderer vergoss,
Malik grinste und ballte die Hände zu Fäusten. Er vermisste es. Doch warum
fühlte er sich jetzt so? Es gab keinen Grund.
Malik rieb sich trocken und zog sich wieder die Shorts an, die Mariku ihm
geliehen hatte. Es wurde Zeit, dass er endlich von diesem Abschaum wegkam.
Als er ins Zimmer zurückkam, lag Mariku auf dem Bauch. Ein Arm hing auf den
Boden und er hatte die Augen geschlossen. Die Decke lag ordentlich gefaltet am
Fußende des Bettes und ihre Kleidung zusammengelegt auf dem Tisch. Malik trat
ans Bett. Mariku schien zu schlafen. Er hatte den Mund leicht geöffnet und sein
Atem ging regelmäßig, auch seine Körpertemperatur hatte sich leicht
verringert. Malik betrachtete ihn. Er war noch nie jemandem wie Mariku begegnet.
Sein Körper war so zerbrechlich, aber sein Wille unglaublich stark. Unbewusst
strich er Mariku eine Strähne beiseite und zuckte zurück, als dieser die Augen
öffnete.
Mariku gähnte. „Bin ich kaputt“, murmelte er und rieb sich die Augen.
„Soll ich dir was Frisches zum Anziehen geben?“ Malik nickte und Mariku
hievte sich hoch. Schmerz zog sich durch seinen Arm und für einen Moment verzog
er das Gesicht. Er fasste sich an die Schulter, nachdem er aufgestanden war.
„Tut es wieder weh?“
Mariku hob die Augenbrauen. Er war überrascht, dass Malik das fragte. „Nicht
der Rede wert.“ Er nahm seine Tasche aus dem Schrank und suchte sowohl für
sich, als auch für Malik ein paar sommerliche Kleidungsstücke. „Hier.“
Malik nahm die Kleidung entgegen und drückte sie an sich. „Vielleicht
solltest du aus der Sonne bleiben.“ Es war nicht so, dass er keinen Sex mehr
mit Malik wollte, er brannte darauf es noch einmal mit ihm zu tun, aber der
Schmerz kam zurück und bald würde er wieder Schwierigkeiten haben sich zu
bewegen.
Malik verzog das Gesicht. „Du hast mir gar nichts zu sagen!“, murrte er und
zog sich das T-Shirt über den Kopf.
„Ich mein ja nur.“ Mariku grinste. „Ich will nicht, dass du dich wieder
erniedrigen musst.“ Bevor Malik etwas erwidern konnte, beugte sich Mariku vor
und küsste ihn. Ihr Kuss dauerte einige Sekunden an, bevor Malik Mariku von
sich stieß und sich über die Lippen wischte.
„Mach das nicht noch mal“, fauchte Malik und warf ihm die Hose entgegen.
Mariku fing sie auf. Er grinste immer noch. „Und hör auf so dämlich zu
grinsen!“
Mariku hob entschuldigend die Hände. „Schon gut.“ Er legte die Hose auf den
Tisch und ließ sich auf die Matratze sinken. „Willst du was um deine Hände
zu verbinden?“
Malik zuckte mit den Schultern. „Das verheilt.“
Gähnend strich sich Mariku durch den Nacken. „Okay, du musst es ja wissen.“
Er gähnte noch einmal. „Ich bin KO.“ Er zog die Decke über sich und legte
sich wieder auf den Bauch.
Es verstrichen einige Minuten, dann bewegte sich die Matratze, als Malik über
Mariku hinweg stieg und sich aufs Bett setzte. Mariku lächelte leicht und
drehte den Kopf in Maliks Richtung. Er hob die Decke an. Unentschlossen starrte
Malik ihn an. Schließlich seufzte er und legte sich neben Mariku.
„Wenn du es irgendwem erzählst, dann bring ich dich um.“
Mariku lachte leise. „Ich weiß.“ Er rutschte etwas näher an Malik und
dieser zog sich ausnahmsweise nicht von ihm zurück. „Ich weiß.“
Kapitel 10
Ryou schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Ich lass mich sicher nicht
über den Tisch ziehen, du schleimiger Halsabschneider!“
Der Gavli hob abwehrend die Hände. „Das ist der Preis.“ Er lächelte und
zeigte seine gelben Zähne. Es war auch ein Gavli gewesen, der Ryou auf Jupiter
ein Ersatzteil für sein Schiff verkauft hatte. Ryou konnte sie nicht leiden und
trauten ihnen kein bisschen. Gavli waren raffgierige, kleine Wesen, die nur auf
Profit aus waren. Leider waren die Gavli technisch auch höchst begabt und
einfach die Besten, wenn es um Schiffsreparaturen und Ähnliches ging. Die
horrenden Preise, die sie verlangten, rechtfertige das jedoch keineswegs.
„Ich geb dir gleich einen Preis, von dem wirst du dich nicht mehr erholen“,
drohte Ryou, doch der Gavli zeigte sich unbeeindruckt.
„Ihr könnt ja versuchen jemand anderen zu finden, der eurer Schiff reparieren
kann“, er zeigte wieder seine gelben Zähne, „aber die Leute hier kennen
sich nur mit Flitzern aus.“
Ryou knirschte mit den Zähnen und wollte den Gavli packen, doch Jonouchi hielt
ihn auf. „Lass es gut sein. Wir finden schon jemanden.“
Ryou verengte die Augen zu Schlitzen. „Diese Sache ist noch nicht vorbei.“
„Es wird mir eine Freude sein Geschäfte mit euch zu machen.“ Der Gavli
grinste sie an und Ryou wandte sich fauchend ab und stapfte nach draußen. Er
schlug seine Kapuze über den Kopf, bevor er aus dem Schatten des Hauses trat.
„Was ist los mit dir?“, fragte Jonouchi und zog seinen Gesichtsschutz
höher. Sein Fell juckte und er hatte das Gefühl, der Sand war überall auf
seinem Körper.
„Was soll sein?“, fuhr Ryou ihn an.
„Du bist ziemlich gereizt.“
„Wie soll ich in so einer Situation nicht gereizt sein?“
Jonouchi zuckte mit den Schultern. „Ich meine nicht nur jetzt.“
Ryou wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, dann sah er die Besorgnis in
Jonouchis Blick und schwieg. Ryou senkte den Blick. Jonouchis Worte machten ihn
nachdenklich und auch Marikus Worte kamen ihm wieder in den Sinn.
„Du bist nicht besser als er!“
Entsprach es der Wahrheit? Er sah wieder zu Jonouchi. Es war ungewöhnlich für
ihn, dass er so etwas wie Sorge zeigte. Jonouchi war grundsätzlich immer eine
fröhliche Person, chaotisch und schusselig, aber Ryou hatte ihn noch nie
wirklich besorgt erlebt, selbst in ernsten Situationen hatte er immer einen
Spruch auf den Lippen gehabt.
Dass er sich jetzt also um Ryou und dessen Verhalten sorgte, gab diesem wirklich
zu denken. Es war lange her, seit sich jemand um Ryou gekümmert hatte. Seit dem
Krieg hatte er mit niemandem mehr seine Gefühle geteilt. War er kalt geworden?
Wahrscheinlich. Nach dem Krieg hatte er sich geschworen, sich nicht mehr
unterkriegen zu lassen und stark zu sein. Hatte er es übertrieben? Wann war er
eigentlich zuletzt wirklich glücklich gewesen? Ryou schüttelte leicht den
Kopf. Er hatte jetzt keine Zeit um über so etwas nachzudenken. Sie mussten
jemanden finden, der Amane reparieren konnte. Er wollte endlich von hier
verschwinden.
„Zumindest wissen wir jetzt endlich wo wir sind und wie wir hier wegkommen.“
Jonouchi verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
„Rucs-Galaxie“, murmelte Ryou und zog die Stirn kraus. Sie waren weit
außerhalb der sicheren Sektoren der Sternenallianz. Hätte das Universum ein
Ende, sie wären im Moment nahe dran. Wie sie hierhergekommen waren, war Ryou
immer noch ein Rätsel. Etwas hatte sie aus der Bahn geschleudert.
„Da ist ne Werkstatt.“ Jonouchi riss Ryou aus seinen Gedanken.
Doch sie hatten kein Glück. Die Aliens dort waren der Handelssprache nicht
mächtig, was die Kommunikation unmöglich machte. Noch nicht einmal wilde
Gestik brachte sie weiter. Nach der Qualität der Werkstadt jedoch, bezweifelte
Ryou sowieso, dass sie ihnen hätten weiterhelfen können.
Grummelnd trat Ryou wieder auf die Straße.
„Was machen wir jetzt?“
„Wir gehen zurück.“
„Und dann?“
„Dann“, Ryou sah Jonouchi an, „soll sich der Notechis nützlich
machen.“
Am liebsten hätte Mariku seinen Kopf gegen die Wand geschlagen. Es waren nicht
die Schmerzen, die ihn beschäftigten, sondern vielmehr das Jucken. Am liebsten
hätte er seinen Rücken gegen irgendeine Kante gerieben. Die Wunde an seinem
Arm hatte er sich schon aufgekratzt. Glücklicherweise hatte es nur wenig
geblutet.
Mariku ließ die Schultern kreisen. Seine Haut war gespannt, aber die Schmerzen
nur gering. Er versuchte in Bewegung zu bleiben und sich abzulenken, doch Malik
war auch kein guter Gesprächspartner. Er hatte schlechte Laune, weil er sich
zwang aus der Sonne zu bleiben. Mariku hatte versucht mit ihm zu reden, doch er
hatte nur wütendes Starren und Zischen als Antwort bekommen. Über den Sex
sprachen sie erst recht nicht.
Mariku leckte sich über die Lippen und trommelte mit den Fingern auf den Tisch.
Er war rastlos und vermisste die Schmerzfreiheit.
„Hör auf“, murrte Malik, der von Marikus Getrommel genervt war. Er strich
sich über die Handflächen. Die Kratzer waren zum Großteil schon wieder
verheilt.
„Geh lieber in die Sonne!“
„Hättest du wohl gern.“
Mariku hörte mit dem Trommeln auf und grinste. „Ehrlich gesagt schon.“
Malik zischte und wandte den Kopf zur Seite. Mariku lachte leise.
Statt mit den Fingern klopfte er jetzt mit dem Fuß auf den Boden. Er konnte
kaum an etwas anderes denken als an Bakuras Heilmittel. Er brauchte es.
„Ach, scheiß drauf“, murmelte Mariku.
Die Nebenwirkungen interessierten ihn nicht. Er brauchte mehr von diesem Mittel,
doch als er vor Bakuras Tür stand, glitt diese nicht wie gewohnt automatisch
auf. „Ich muss mir echt zeigen lassen, wie man abschließt.“ Er hämmerte
gegen die Tür. „Bakura, mach auf!“ Niemand antwortete ihm. „Verdammt noch
mal, ich hab gesagt, du sollst aufmachen!“ Er hämmerte weiter gegen die Tür,
bis diese schließlich aufglitt.
In Bakuras Zimmer war es stockdunkel und Bakura nirgends zu sehen. Mariku sah
sich um, bis sich auf dem Bett etwas regte.
„Was willst du?“, murrte Bakura und tauchte unter der Decke auf.
„Man siehst du scheiße aus.“ Bakura sah noch kränklicher aus als am Tag
zuvor.
„Sei still“, er zog sich wieder die Decke über den Kopf, „ich hasse
Sonne. Es ist viel zu hell und warm.“
Mariku hob eine Augenbraue. „Zerfällst du zu Staub, wenn du in die Sonne
gehst?“ Er konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen.
„Was?“ Bakuras Kopf tauchte wieder unter der Decke auf und er sah Mariku
irritiert an. „Wieso sollte ich?“
Mariku zuckte mit den Schultern. „War nur so ne Frage.“ Er setzte sich zu
Bakura aufs Bett. „Ich brauch wieder was von deinem Mittel. Scheiß auf die
Nebenwirkungen, das halt ich schon aus.“
Bakura setzte sich auf und strich sich die Haare zurück. Sie sahen noch mehr
durcheinander aus als sonst. „Ich kann nicht.“
„Ach komm schon, Bakura. Nur ein bisschen.“ Mariku hielt Daumen und
Zeigefinger in einem geringen Abstand zueinander. „Nur ein Schlückchen.“
„Ich kann dir nichts geben.“ Bakura unterstrich seine Worte mit
Kopfschütteln.
„Du musst!“
„Ich hab nichts mehr.“
„Komm schon, ich weiß, du hast noch was.“ Mariku zitterte unruhig mit einem
Bein. „Lass mich nicht hängen.“
Bakura sah auf Marikus Bein und unterdrückte ein Seufzen. Für einen Moment
schloss er die Augen. Er hatte wirklich gehofft sein Mittel hätte eine andere
Wirkung auf Mariku als auf die Mapula. Besonders nachdem er die Wirkung auf
Marikus Körper erlebt hatte. „Selbst wenn, ich würd dir nichts geben.“
Mariku hob hilflos die Arme. „Bakura, komm schon. Ich komm mit den
Nebenwirkungen klar. Nur für eine Weile noch schmerzfrei sein und“, er
grinste, „vielleicht noch ein bisschen Spaß mit Malik haben.“
Schließlich seufzte Bakura. Auch wenn er nicht wollte, er musste Mariku die
Wahrheit sagen. Er wappnete sich für den Ausraster. „Ich kann‘s dir nicht
geben, weil es hochsüchtig machend ist.“
Mariku hob eine Hand und machte den Ansatz etwas zu sagen, doch dann ließ er
die Hand sinken und schien noch einmal nachzudenken. „Was hast du gesagt?“,
brachte er schließlich hervor. Er war immer noch dabei Bakuras Worte zu
verarbeiten. Er hatte nicht ernsthaft gerade das gesagt, was er gesagt hatte?
Bakura vermied es Mariku anzusehen. Er fühlte sich leicht schuldig, weil er
Mariku als Versuchskaninchen missbraucht hatte. „Nocidea-Blut wirkt auf die
meisten Spezies wie eine Droge“, erklärte Bakura leise.
Mariku stand auf und Bakura hörte ihn tief durchatmen. „Du hast das gewusst
und mir trotzdem das Zeug zu trinken gegeben? Sag mal, bist du eigentlich noch
ganz dicht?“ Er tippte sich energisch gegen die Schläfe. „Und jetzt bin ich
süchtig nach deinem Blut?“ Während er sprach wurde seine Stimme immer
lauter. „Du hast mich zu einem verfluchten Junkie gemacht! Nicht nur, dass ich
dein Blut getrunken hab, nein, jetzt bin ich auch noch süchtig danach.“
Mariku gestikulierte wild, etwas, dass er für gewöhnlich nicht tat. Seine
Stimme war laut und aufgekratzt.
„Es ist nicht so schlimm“, konterte Bakura.
„Nicht so schlimm?“
„Es war nur eine kleine Dosis.“
„Oh, eine kleine Dosis.“ Mariku lächelte übertrieben. „Na, wenn’s
weiter nichts ist. Es ist ja nur so, dass ICH AN NICHTS ANDERES MEHR DENKEN
KANN!“ Mariku trat gegen den Schrank und hinterließ eine Delle.
Mit gehobenen Augenbrauen sah Bakura von Mariku zur Delle und wieder zurück.
Mit Mariku war wirklich nicht zu scherzen, wenn er mal schlecht drauf war.
„Morgen wirst du davon gar nichts mehr merken.“
„Morgen, wie schön.“ Mariku trat noch einmal gegen den Schrank. „Ich hab
so die Schnauze voll von euch! Von euch allen!“
„Kann man euch keinen Tag allein lassen?“ Ryou stand an der Tür und hatte
die Arme vor der Brust verschränkt.
„Ah, mein Schätzchen.“ Bakura lächelte und Ryou verdrehte die Augen.
„Halt’s Maul, Bakura. Also, was habt ihr schon wieder für ein Problem?“
„Bakura ist mein verdammtes Problem.“
„Es ist nicht so wild, wie du das darstellst.“
„Wenn das morgen nicht vorbei ist, dann“, er deutete mit dem Finger auf
Bakura, „komm ich nochmal und tret dir eine Delle ins Gesicht.“ Er stürmte
an Ryou vorbei und Bakura ließ sich zurück auf die Matratze sinken.
Er sah Ryou an. „Kommst du zu mir?“, fragte er mit einem anzüglichen
Grinsen und klopfte neben sich auf die Matratze.
„Nein“, war Ryous knappe Antwort und ging ebenfalls.
Bakura zog sich die Decke wieder über den Kopf. „Wie gemein.“
„Ich bring ihn um“, murrte Mariku und setzte sich auf sein Bett.
„Nein, tust du nicht.“ Ryou kam nach ihm ins Zimmer. „Was bei allen Monden
habt ihr mit dem Bett gemacht?“ Kritisch sah Ryou auf die zerfetzten Kissen
und die aufgerissene Matratze.
Mariku deutete auf Malik. „Er war’s.“
Ryou rieb sich die Schläfen, dann richtete er seinen Blick auf Malik. „Zieh
dich an und mach dich nützlich.“ Malik sah Ryou unbeeindruckt an und rührte
sich nicht. „Mitkommen.“
„Wieso sollte ich?“ Maliks Stimme klang abschätzig, wie immer, wenn er mit
Ryou sprach.
Ryou und er starrten sich an und Ryou presste die Lippen aufeinander. Er wollte
nicht zugeben, dass er Maliks Hilfe brauchte. Das würde ihm nur wieder ein
Gefühl der Macht geben. Aber wie sollte er ihn sonst dazu bringen mit ihm in
die Stadt zu gehen? Außerdem brauchte er wirklich Maliks Hilfe. Nur er konnte
dem Gavli genug Angst einjagen um den Preis zu drücken. Er wollte die Reparatur
ja nicht umsonst, er wollte nur keine übertriebenen Preise dafür zahlen.
Ryou atmete hörbar aus. Er hatte keine Wahl, als die Wahrheit zu sagen. „Wir
brauchen deine Hilfe“, sagte er schnell.
Maliks Augenbrauen hoben sich und ein amüsierter Ausdruck legte sich auf sein
Gesicht. „Meine Hilfe?“, wiederholte er grinsend.
Ryou knirschte mit den Zähnen. „Ja“, gab er zu.
„Wieso sollte ich euch helfen? Was springt für mich dabei raus?“
Ryou hatte gleich geahnt, dass es auf so etwas hinauslief. „Ich schieß dir
kein Loch in den Kopf.“ Er setzte ein übertriebenes Lächeln auf.
Malik machte sich auf dem Bett lang. „Abgelehnt.“
Ryou spürte die Wut in sich hochkochen und er ballte seine Hände zu Fäusten.
Er knurrte, dann entspannte sich sein Körper wieder. „Bitte.“
Sowohl Malik als auch Mariku sahen Ryou überrascht an. Hatte er wirklich gerade
„Bitte“ zu Malik gesagt?
Malik setzte sich wieder auf. Das Grinsen auf seinem Gesicht trieb Ryou fast zur
Weißglut.
„Okay, was willst du?“
Ein ernster Ausdruck zeichnete sich auf Maliks Gesicht ab. „458C 52W,
Veri-Galaxie“, war seine Antwort. Es waren dieselben Koordinaten, die er auch
schon gesagt hatte, als er Ryou in seiner Gewalt gehabt hatte.
„Ich kann dich nicht einfach laufen lassen“, widersprach Ryou.
„Dann bleiben wir eben hier.“ Malik zuckte mit den Schultern. Mariku sah
gespannt zwischen Ryou und Malik hin und her. Auf Ryous Gesicht konnte er den
Kampf sehen, den dieser in seinem Inneren ausfocht. Maliks Gesicht dagegen war
die übliche Maske. „Ich hoffe, ihr kommt alle gut mit Hitze klar.“
„Verflucht noch mal!“ Ryou stieß hörbar Luft aus. Die Situation gefiel ihm
ganz und gar nicht. Er konnte Malik nicht einfach frei lassen. Es lag in seiner
Verantwortungen, dass er den Autoritäten übergeben, befragt und anschließend
hingerichtet wurde. Wenn es noch mehr Notechis gab, dann mussten sie das wissen,
aber niemand würde es erfahren, wenn sie weiter hier feststeckten. Ob er mit
einer Lüge durchkommen würde? „Einverstanden.“
Für einen Moment war Überraschung auf Maliks Gesicht zu sehen, bevor es wieder
ausdruckslos wurde. Mariku dagegen zeigte seine Überraschung deutlicher.
„Na gut.“ Malik erhob sich vom Bett. „Ich brauch einen Mantel.“
„Kriegst du.“ Malik und Ryou starrten sich an. Sie trauten sich nicht, doch
im Moment hatten sie keine andere Wahl.
„Viel Spaß in der Sonne!“, sagte Mariku gerade als Malik durch die Tür
gehen wollte. Malik wirbelte herum. Er hatte die Augen verengt und zeigte die
Zähne. „Ich warte hier.“ Malik zischte und ließ Mariku allein. Grinsend
ließ sich Mariku auf die Matratze sinken und setzte sich gleich wieder auf, als
Schmerz durch seinen Rücken zuckte. „Autsch.“ Er legte sich auf den Bauch
und seufzte. Er hasste diese Schmerzen.
„Bist du sicher, dass ich nicht mitkommen soll?“ Jonouchi sah an Ryou vorbei
zu Malik, der sich in einen Mantel hüllte und sich die Kapuze über den Kopf
zog.
„Er und ich gehen allein“, erklärte Ryou zum wiederholten Male.
„Nimm wenigstens eine Waffe mit.“
„Nein.“
„Ryou!“ Jonouchi senkte die Stimme. „Das ist gefährlich. Er ist
gefährlich.“
„Ich weiß.“ Er setzte sich ebenfalls die Kapuze auf und wandte Jonouchi den
Rücken zu.
„Ryou!“ Doch Ryou reagierte nicht mehr. Er verließ das Schiff mit Malik auf
den Fersen. Ryou musste zugeben, dass er nervös war. Allein mit Malik war ein
Risiko und er füllte sich nicht mehr so sicher in seiner Entscheidung mit ihm
allein in die Stadt zu gehen.
„Ganz schön mutig“, sagte Malik und holte zu Ryou auf um neben ihm zu
gehen. „Keine Angst?“
Ryou gab einen abfälligen Laut von sich und bevorzugte es nicht zu antworten.
Er hatte Angst, aber würde es nicht zugeben. Malik hatte heute schon zu viel
Befriedigung erhalten. „Hör zu“, fing er schließlich doch an. „Ich
vertrau dir nicht, aber ich werd mir deine Anwesenheit zunutze machen.“ Er
hatte zuvor eine andere Formulierung im Sinn gehabt, doch er hatte sich an
Marikus Worte erinnert und Malik deshalb nicht als seinen Sklaven betitelt um
ihn zu provozieren. Seit Jonouchi ihn auf sein Verhalten angesprochen hatte,
ging ihm auch Marikus Vorwurf nicht mehr aus dem Kopf. Er würde Mariku
beweisen, dass er nicht mal im Ansatz wie ein Notechis war.
Malik zuckte mit den Schultern. Er war ebenfalls nicht auf Konfrontation aus.
Der Sex mit Mariku hatte ihn aufgewühlt und er machte sich Sorgen wegen der
Sonne. Er spürte die Hitze durch den Stoff. Er konnte es sich nicht leisten
schon wieder von seinen Trieben übermannt zu werden. „Also, was soll ich
tun?“ Er richtete seine Kapuze und hielt den Kopf gesenkt.
„Einen Gavli bedrohen damit er mit dem Preis runtergeht.“
„Gavli.“ Malik klang nicht begeistert. „Ich kann die nicht leiden.“ Er
fuhr sich mit der Zunge an den Zähnen entlang. „Schmecken auch zäh.“
Ryou konnte ein Schaudern nicht unterdrücken. Er wollte gar nicht so genau
über die Essensgewohnheiten der Notechis nachdenken.
Schweigen kehrte zwischen ihnen ein und schon nach kurzer Zeit begann Ryou sich
unwohl zu fühlen. Er kam mit Stille nicht gut klar. Als Kind war er oft Stille
ausgesetzt gewesen, nur durchbrochen von gequälten Schreien. Ryou presste die
Augenlider zusammen und schüttelte leicht den Kopf um die Erinnerungen zu
vertreiben. Er warf Malik einen Seitenblick zu, doch dessen Gesicht war komplett
verhüllt. Er konnte noch nicht mal seine Nasenspitze sehen.
Ryou hätte niemals damit gerechnet, dass er je so friedlich neben einem
Notechis gehen würde. Er hatte auch nicht gedacht, dass er je wieder einen
sehen würde. Wie waren sie entkommen?
„Was gaffst du mich so an?“, fragte Malik mürrisch.
Ryou wandte seinen Blick ab. „Wollt ihr wieder einen Krieg anfangen?“
Den Laut, den Malik von sich gab, konnte Ryou nicht deuten. Eine richtige
Antwort bekam er keine. Ryou wollte mehr Fragen stellen, er wollte verstehen,
was die Notechis, außer Sadismus, antrieb, doch er wollte keine alten Wunden
aufreißen. Außerdem war Malik sicher nur ein einfacher Soldat gewesen, der auf
Befehl gehandelt hatte. Malik war noch jung, er hatte noch nicht mal einen
Schwanz, wie die Älteren seiner Spezies. Andererseits war sein Vater jetzt der
Herrscher, zumindest wenn es stimmte, was Malik erzählt hatte.
Ryou seufzte. Es war nicht gut, wenn er zu viel über Malik nachdachte. Ryou
stutzte. Wann hatte er überhaupt damit begonnen den Namen des Notechis zu
verwenden? Er presste verärgert die Lippen aufeinander. Er durfte sich nicht
blenden lassen. Malik war ein Monster. Der Notechis war ein Monster, korrigierte
er sich selbst.
Als sie schließlich die Stadt erreichten, versuchte sich Malik im Schatten zu
halten, damit sich sein Körper nicht weiter aufheizte. Noch war alles in
Ordnung, doch er spürte schon den leichten Anflug dieses wohligen Gefühls,
welches die Hitze verursachte. Es machte in unruhig und er wollte die Sache
schnell hinter sich bringen.
„Ah!“ Es legte sich ein breites Grinsen auf das Gesicht des Gavli, als er
Ryou sah. „Wir kommen also ins Geschäft?“
„So ähnlich“, erwiderte Ryou mit einem süßlichen Lächeln. Er nickte
Malik kurz zu und dieser trat vor, packte den Gavli am Kragen, hob ihn hoch und
drückte ihn gegen die Wand.
Der Gavli gab einen überraschten, quiekenden Laut von sich und aus dem Schatten
traten zwei bullige Aliens, die Malik um mindestens eine halbe Körperlänge
überragten. Malik ließ sich davon jedoch nicht beunruhigen. Er hatte die
beiden Govis schon beim Eintreten bemerkt. Außerdem gab es kaum einen Gavli,
und schon gar keine Händler, die keine Govis als Leibwache bei sich hatten.
Malik schleuderte den Gavli auf einen der Govis, bevor dieser ihn packen konnte,
und nutzte einen Tisch als Sprungbrett. Mit einer flüssigen Bewegung schlitzte
er dem anderen Govis die Kehle auf, dabei rutschte ihm seine Kapuze vom Kopf und
Blut spritzte auf sein Gesicht. Malik leckte es sich von der Wange. Ein Kribbeln
durchlief seinen Körper. Zu töten war für ihn berauschend. Außerdem würde
es helfen die Lust in ihm etwas zu zügeln.
Der zweite Govi hatte den Gavli von sich geschoben und wollte erneut einen
Angriff auf Malik starten, doch obwohl Govi äußerst stark waren und Maliks
Kopf mit Leichtigkeit zerdrücken könnten, so waren sie jedoch auch sehr
langsam. Der Govi hatte keine Chance gegen den flinken Malik.
Malik rammte ihm seine Krallen in den Bauch und sprang zurück, als der Govi ihn
packen wollte. Trotz der Verletzung gab er nicht auf, und auch Maliks Gift hatte
eine verzögerte Wirkung auf ihn. Malik wich ihm aus, sprang und trieb seine
Krallen unter dem Kinn in den Kopf des Govis. Malik grinste, während er
beobachtete, wie das Leben langsam aus seinen Augen wich. Er hatte diesen
Anblick vermisst.
Der Boden bebte, als der Govi zu Boden fiel.
Ryou schluckte trocken. Er hatte noch nie einen Notechis kämpfen sehen und
musste zugeben, dass er noch nie jemanden gesehen hatte, der sich während eines
Kampfes so schnell und elegant bewegt hatte. Es war keine Überraschung, dass
die Notechis zu den besten Kriegern des Universums zählten.
Malik leckte sich über die Finger und packte dann den Gavli, der versuchte sich
aus dem Staub zu machen.
„Erbarmen! Erbarmen!“, quiekte er. „Habt Erbarmen, oh großer,
ehrwürdiger Notechis-Meister. Ich bin Euer ergebener Diener!“
Malik drückte ihn wieder gegen die Wand. „Mir gefallen deine Preise nicht,
Wurm.“
„Na-Natürlich“, stotterte der Gavli. „Ich gewähre Euch einen ganz
besonderen Rabatt: 30%!“
Malik hob seine freie Hand und hielt seine Klauen gegen ein Auge des Gavli.
„Willst du mich beleidigen?“
„NEIN! Nein!“ Seine Stimme war kreischend vor Panik. „50%! 50!“
Malik sah kurz zu Ryou, doch dieser schüttelte den Kopf. „Gefällt mir immer
noch nicht“, knurrte Malik.
„70%! Oh bitte, ich habe Frau und Kinder!“
„Einverstanden“, sagte Ryou mit einem leichten Nicken. Malik ließ den Gavli
los und dieser rutschte an der Wand hinunter. Wie ein Häufchen Elend blieb er
auf dem Boden sitzen. „Du weißt ja welche Teile wir brauchen.“ Das Klimpern
von Münzen war zu hören, als Ryou einen Beutel aus seinem Mantel hervorzog. Er
legte einen Teil der Münzen auf den Tisch. „Das ist deine Anzahlung, den Rest
gibt es sobald die Teile eingebaut sind und das Schiff wieder in Ordnung ist.“
Er lächelte den Gavli an. „In spätestens zwei Stunden tauchst du bei meinem
Schiff auf. Wenn nicht, dann kommen wir wieder.“
„Natürlich.“ Der Gavli neigte den Kopf. „Es war mir eine Freude
Geschäfte mit Ihnen zu machen, meine werten Herren.“
Ryou verschnürte den Beutel mit Münzen wieder und Malik setzte sich seine
Kapuze wieder auf. Sein Mantel war mit Blut besudelt, doch das kümmerte ihn
nicht weiter. Es war sehr befriedigend für ihn gewesen die Govis zu töten.
Der Gavli stand erst auf, nachdem Ryou und Malik seinen Laden verlassen hatte.
Er spuckte wütend auf den Boden. „Dieses Geschäft werdet Ihr noch bereuen,
meine werten Herren.“
Mariku hatte versucht sich von seinem juckenden Rücken, den leichten, aber
trotzdem unangenehmen, Schmerzen und Bakuras Mittel abzulenken in dem er Ordnung
in seinem Zimmer schaffte. Dank Malik sah das Bett wirklich mitgenommen aus. Er
sollte sich wirklich mal die Krallen stutzen. Mariku schmunzelte. Das würde ihm
sicher nicht gefallen.
Als Malik eintrat, zuckte er erschrocken zusammen. Wenn man an den Teufel
dachte... oder so.
„Bist du verletzt?“, fragte er, nachdem er das Blut auf Maliks Mantel sah.
Malik schlug seine Kapuze zurück und öffnete den Mantel. „Ist nicht
meins.“ Er zog den Mantel aus und legte ihn auf den Tisch.
„Wessen ist es?“ Mariku kam näher. Er hatte ein ungutes Gefühl, aber Ryous
konnte es nicht sein. Honda hätte ihn bestimmt erschossen, wenn er ohne Ryou
zurückgekommen wäre.
Malik zuckte nur mit den Schultern. „Unwichtig.“ Er leckte sich über die
Lippen. Er war immer noch ein bisschen berauscht von der Tötung und auf dem
Rückweg waren ihm die Sonnen noch heißer vorgekommen. Dass der Stoff des
Mantels dunkel war, hatte es nicht besser gemacht. Ihm war heiß, aber er
fühlte sich anders als am Tag zuvor.
Malik packte Mariku am Kragen und zog ihn für einen hungrigen Kuss zu sich.
Marikus Augen weiteten sich überrascht und fast hätte er Malik reflexartig von
sich gestoßen, doch er fing sich und erwiderte den Kuss. Damit hatte er sicher
nicht gerechnet.
Mariku drückte Malik gegen den Schrank und strich ihm über die Wange hinunter
zu seinem Hals. Seine Finger wanderten über die harten Schuppen, die ihn
beschützten, während Malik seine Finger in Marikus Haare krallte. Maliks Zunge
wickelte sich um Marikus Zunge und selbst wenn Mariku es gewollt hätte, dann
hätte er den Kuss nicht lösen können.
Marikus Hände strichen an Maliks Körper hinunter und packten seinen Hintern.
Malik schlang seine Beine um Marikus Hüfte und hatte ihn damit in einer
richtigen Umklammerung. Er festigte seinen Griff in Marikus Haaren und presste
sich gegen ihn.
Mariku schwirrte der Kopf von der Leidenschaft, die in Maliks Kuss lag. Es war
schon fast unheimlich, wie sehr die Hitze Malik veränderte. Naja, nicht
wirklich veränderte, aber was sie mit seinem Körper und seinem Geist
anstellte. Wobei er es zuvor ja nicht in Erwägung gezogen hatte, Malik jemals
irgendwie körperlich nah zu kommen.
Keuchend sahen sie sich an, nachdem Malik den Kuss gelöst hatte. „Sind die
Schmerzen stark?“, fragte er leise und Mariku schüttelte den Kopf. Verdammt,
er hätte den Kopf auch geschüttelt, wenn die Schmerzen ihn fast umgebracht
hätten. „Also können wir...?“ Mariku nickte. Er hielt Malik gut fest und
trug ihn trotz protestierender Schulter zum Bett.
„Wir verschwinden bald von hier“, sagte Ryou als er Bakuras Zimmer betrat.
„Gut, die Hitze bringt mich um.“ Bakuras Stimme war gedämpft durch die
Bettdecke zu hören.
„Das Schiff ist klimatisiert, ich weiß nicht wo dein Problem ist.“
„Pah! Ich spür’s trotzdem. Diese Hitze bäh!“
Ryou setzte sich an den Bettrand und hob die Decke an. „Du siehst echt
scheiße aus.“
„Ja danke, sagt mir das ruhig alle.“ Bakura verzog beleidigt das Gesicht und
Ryou schmunzelte. Bakura hob die Augenbrauen. „Das war ja fast ein
Lächeln.“
„Ach, sei still.“
„Das solltest du öfter machen. Das steht dir viel besser, als das
griesgrämige Gesicht, das du immer ziehst.“
„Sei still hab ich gesagt.“
Bakura setzte sich auf und gab Ryou einen kleinen Kuss. „Wie wär’s wenn
wir, sobald wir wieder in einer Gegend sind, die wir kennen, miteinander
ausgehen?“
„Wieso sollte ich mit dir ausgehen?“
„Weil ich unwiderstehlich bin.“
Ryou lachte. „Ja, bild’s dir nur ein.“
„Du brichst mir wirklich noch das Herz.“ Er grinste. „Das gefällt
mir.“
Grinsend schüttelte Ryou den Kopf. „Du bist doch nicht ganz dicht.“ Er
stand wieder auf und ging zur Tür. Er hatte keinen wirklichen Grund gehabt zu
Bakura zu gehen, außer, dass er ihn sehen wollte. Er konnte sich die
plötzliche Zuneigung zu ihm auch nicht so recht erklären. Als er an der Tür
war, drehte er sich noch einmal um. „Wer weiß“, Bakura sah auf,
„vielleicht gehen wir aus.“ Die Tür glitt zu bevor Bakura antworten konnte.
Ryou kehrte zu Jonouchi und Honda zurück, die am Bug des Schiffes standen und
über die Schäden diskutierten. „Ich hab mit Anzu geredet und sie ist auch
der Meinung, dass... oh hey Ryou!“ Jonouchi winkte kurz. „Ich hab Honda grad
gesagt, dass wir, sobald wir zurück sind, am besten die komplette Außenhülle
erneuern. Diese dauerhafte Flickerei tut der guten Amane nicht gut. Ich bin für
Adamas.“
„Adamas? Bist du irre? Wie soll ich mir das leisten?“
„Hab ich ihm auch gesagt“, stimmte Honda Ryou zu. „Silex ist weitaus
günstiger und mindestens genauso gut.“
„Ja, aber Silex musst du in spätestens 100 Jahren ersetzen und das auch nur,
wenn du nicht jeden Tag unterwegs bist oder nur kurze Strecken. Adamas rechnet
sich für uns, es ist stabiler und nutzt sich nicht so schnell ab.“
Ryou seufzte. „Lasst uns das noch mal besprechen, wenn wir zurück sind. Ich
hab da grad nicht den Kopf dafür.“ Er strich über die Schrammen in der
Außenhülle und ließ die Mundwinkel hängen. Seine Amane hatte schon vieles
durchgemacht, aber das war bisher das Schlimmste. Er hatte das Schiff nach
seiner Schwester benannt und es bedeutete ihm viel. Amane so beschädigt zu
sehen tat ihm im Herzen weh.
„Denkst du, dass mit dem Gavli klappt?“
Ryou ließ die Hand sinken und sah Jonouchi an. „Er hat zu viel Angst vor
Ma... dem Notechis um nicht aufzutauchen.“ Fast hätte er ihn beim Namen
genannt.
„Ja, aber ist er denn vertrauenswürdig?“
„Es ist ein Gavli, die sind nie vertrauenswürdig.“
„Ich meine, wenn er uns über’s Ohr haut und irgendwelchen Mist einbaut?“
„Dafür hab ich doch dich.“ Ryou schlug Jonouchi auf den Rücken.
„Immerhin bist du Mechaniker. Vielleicht kann Anzu auch kurz rauskommen.“
Ryou sah zu den drei Sonnen. „Eine wird in ein paar Stunden weg sein, dann
gehen die Temperaturen ein bisschen runter.“
Eine Stunde später tauchten drei Gavli auf, zusammen mit fünf Govis, die
verschiedene Geräte und Ersatzteile schleppten.
„Schön, dass ihr es pünktlich geschafft habt“, begrüßte Ryou sie und
hatte dabei ein breites, aufgesetztes Lächeln auf den Lippen
Die Gavli verbeugten sich. „Aber natürlich, der Herr, aber natürlich.“
Ryou hatte das Gefühl, sie würden gleich vornüber kippen. „Wir machen uns
gleich an die Arbeit.“
Mit verschränkten Armen stellte sich Ryou wieder zu Honda und Jonouchi.
„Lasst sie nicht aus den Augen“, murmelte er ihnen zu. Er würde nicht
zulassen, dass diese raffgierigen, kleinen Biester an seiner Amane
rumpfuschten.
Keuchend ließ sich Mariku auf die Matratze sinken. „Oh verflucht.“ Er
dehnte seine Schultern. Noch sorgten die Endorphine dafür, dass der Schmerz
unterdrückt wurde, aber er rechnete schon damit, dass er sich bald wieder nicht
rühren konnte. Wobei Mariku wirklich überrascht war, wie wenig er eigentlich
von seinen Verletzungen gemerkt hatte. Trotzdem wünschte er sich die
regenerativen Fähigkeiten von Malik. Man sah schon fast nichts mehr von den
Kratzern, die er sich gestern selbst zugefügt hatte. Heute hatte Mariku ihn
anders gefesselt, sodass er mit seinen Krallen seine Handfläche nicht erreichen
hatte können.
„Mach mich los“, murrte Malik.
Mariku hievte sich wieder hoch und stieg über Malik hinweg. Er schob den Mantel
zur Seite, nahm das Messer zur Hand und schnitt Maliks Fesseln durch. Malik rieb
sich die Handgelenke und wischte sich das Gift mit seinem Shirt ab.
„Kannst du mal aufhören meine T-Shirts zu versauen?“ Unbeeindruckt sah
Malik zu ihm auf und wischte sich den Mund sauber. Mariku verdrehte die Augen.
Er trieb ihn wirklich noch in den Wahnsinn. Mariku zog sich an, während Malik
sich auf dem Bett räkelte und gähnte. Mariku leckte sich über die Lippen. Er
war schon wirklich fürs Auge, das musste man ihm lassen.
„Ich geh mal zu Bakura, er soll sich meinen Rücken anschauen.“ Malik
wedelte nur unwirsch mit der Hand und Mariku ließ ihn allein.
Diesmal glitt die Tür auf, als er an sie herantrat.
„Kann man denn hier nicht mal in Ruhe leiden?“
„Nein.“
Seufzend kam Bakura unter der Decke hervor. „Wenn du mich wieder anschreien
willst, dann kannst du gleich wieder gehen.“
„Nein, ich schrei dich nicht an. Ich denke, mein Körper hat’s abgebaut.“
„Oder du hast es rausgefickt“, erwiderte Bakura mit einem leichten Grinsen.
Mariku verdrehte die Augen. „Kannst du dir meinen Rücken anschauen?“
„Ja, setz dich.“ Bakura setzte sich auf und streckte sich leicht. Es nervte
ihn, dass er nur rumliegen konnte, aber er reagierte sehr empfindlich auf hohe
Temperaturen und spürte sie sogar durch die Kühlung des Schiffes. „Aber du
musst mir ein bisschen was erzählen.“
„Das geht dich nichts an.“
„Ach, komm schon Mariku, ich bin so neugierig.“
Mariku zuckte mit den Schultern. Er würde Bakura bestimmt nicht erzählen, dass
er Malik ans Bett fesseln musste. „Was soll ich dir denn erzählen? Wir haben
miteinander geschlafen. Und?“
„Wie war’s? Wer war oben? Wie ist er gebaut? Wie bist du gebaut?“ Langsam
wickelte er den Verband ab, während er seine Fragen stellte.
Mariku lachte. „Du bist wie Mai.“
„Wer?“
„Ach, ne gute Freundin von mir. Die war auch immer so neugierig.“
„Ist ja auch ein interessa... oh.“ Er starrte Marikus Rücken an.
„Was?“ Mariku warf einen Blick über die Schulter, doch er konnte nichts
erkennen. „Was ist? Schlimm?“
„Nein, ganz und gar nicht.“ Als er über die Brandwunden strich, zog Mariku
scharf Luft ein, doch der Schmerz war nur gering. Ein Großteil der Haut hatte
schon zu vernarben begonnen. „Hast du noch große Schmerzen?“
„Nein, eigentlich nicht. Nur so ein unangenehmes Ziehen und leichtes Brennen.
Was ist denn jetzt?“
„Das meiste ist verheilt.“ Bakura konnte es immer noch nicht ganz glauben.
Er betrachtete Marikus Schulter, auch hier war ein großer Teil vernarbt.
„Das kann nicht sein“, widersprach Mariku. Es war unmöglich für ihn, dass
die Brandwunden schon verheilt waren.
„Ha!“ Bakura klatschte in die Hände. „Ich denke, du schuldest mir eine
Entschuldigung.“
„Denkst du, es war dein Mittel?“
„Wenn du nicht plötzlich die Fähigkeit zur Regeneration bekommen hast,
schon.“
Mariku atmete hörbar aus. „Na, dann war’s ja doch für was gut.“
„Wenn das so weiter geht, dann solltest du in ein paar Tagen nichts mehr
merken. Du hast zwar Narben von oben bis unten, aber naja.“ Er strich Mariku
über die Schulter. „Die Wunde hier ist tiefer, die auf dem Rücken waren ja
nur oberflächlich, also wird das noch etwas länger dauern, aber spätestens
nächste Woche bist du wieder fit. Außer du machst noch mal so nen Scheiß.“
„Ich werd versuchen mich zurück zu halten.“ Mariku war erleichtert. Er war
froh, wenn er endlich wieder in einem Stück war. Zumindest erklärte die rasche
Heilung auch das nervige Jucken.
„Ich schmier dir noch was drauf.“ Bakura stand auf, doch kam ins Taumeln und
wäre fast hingefallen, Mariku reagierte schnell genug und hielt ihn fest.
„Alles in Ordnung?“
„Ach, es ist nur diese verdammte Hitze.“ Er strich sich über die Augen.
„Die macht mich ganz irre.“ Er öffnete den Schrank und kam mit einer Tube
zu Mariku zurück. Die Creme war angenehm kühl. „Aber du hast mir immer noch
nicht erzählt wie’s war.“
Mariku grinste. Bakura war wirklich wie Mai. Die hatte sich auch nie vom Thema
ablenken lassen, zumindest nicht für lange. „Es war gut.“
„Ist das alles? Nur gut? Ihr wart ziemlich laut für nur gut.“
„Es war richtig, richtig gut.“
„Wer war oben?“
„Ich.“
„DU?“ Bakura machte ein ungläubiges Gesicht.
„Ja, ich. Was ist daran so überraschend?“
„Naja“, Bakura wickelte wieder den Verband um Marikus Oberkörper, „Malik
ist sehr dominant.“
Mariku zuckte mit den Schultern. „Es hat sich halt so ergeben.“
„Und wie kam’s dazu?“
„Es hat sich so ergeben“, wiederholte Mariku und stand auf.
„Mariku, wir sind doch Freunde. Erzähl mir mehr.“
„Bis später.“
„Mariku!“
Doch Mariku ging in sein eigenes Zimmer zurück, ohne zu antworten. Malik lag
immer noch nackt auf dem Bauch. „Willst du dir nicht mal was anziehen?“
„Noch nicht“, murmelte Malik und streckte sich leicht. Mariku ließ seine
Augen über Maliks Körper wandern. Wie war es nur so weit gekommen?
„Siehst alles gut aus“, sagte Anzu. Sie war von oben bis unten in Tücher
gehüllt um die Hitze fernzuhalten. Durch den hohen Wasseranteil ihres Körpers
waren sowohl Hitze, als auch Kälte für sie lebensgefährlich.
„Sicher?“, rief Ryou ihr zu.
„Ja, alles ordnungsgemäß verbaut.“ Sie sprang zurück auf den Boden und
landete neben Ryou. „Honda sagt auch, dass die Steuerung wieder einwandfrei
funktioniert. Die Motoren schnurren wie am ersten Tag. Gute Arbeit.“
„Gut, du kannst wieder reingehen.“ Ryou drehte sich zu dem Gavli um, der ihn
abwartend ansah. „Scheint alles in Ordnung zu sein.“
„Natürlich, wir liefern nur die beste Arbeit.“
Seufzend reichte ihm Ryou den Beutel mit den Münzen. „Wenn es Probleme gibt,
dann kommen wir zurück.“
„Natürlich, natürlich.“ Er verbeugte sich und berührte mit seiner großen
Nase fast den Sand. Ryou sah das Grinsen auf seinem Gesicht nicht.
„Macht alles für den Abflug bereit.“ Ryou ging nicht mit den anderen ins
Cockpit, sondern zu Mariku und Malik. Malik hatte sich in der Zwischenzeit
angezogen. Beide sahen auf als Ryou eintrat. „Das Schiff ist repariert und wir
werden gleich starten.“
Malik sah auf seine Krallen und dann zurück zu Ryou. Mit dem Daumen strich er
an den Spitzen entlang. Er sagte nichts, sondern wartete darauf, das Ryou
weitersprach.
Ryou fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut. Er konnte Malik nicht einfach
gehen lassen, doch sie hatten eine Abmachung. Ryou kannte die Veri-Galaxie. Sie
lag außerhalb des Wirkungsbereichs der Sternenallianz, war aber zu Kriegszeiten
als Zufluchtsort genutzt worden. Es gab nur wenige bewohnte Planeten, die der
Sternenallianz zwar neutral gegenüber standen, jedoch auch deutlich gemacht
hatten, dass sie nichts mit ihr zu tun haben wollten. Wäre es möglich Malik
wieder aufzuspüren? Was wollte er überhaupt dort? Hatten sich die Notechis
dort versteckt? Welchen Grund hätte Malik sonst dort hin zu wollen? „Ich
brauch die Koordinaten.“
„458C 52W“, antwortete Malik und Ryou ging ohne ein weiteres Worte.
„Ich bin überrascht“, murmelte Mariku. Er hätte eher erwartet, dass Ryou
Malik trotzdem auslieferte.
Malik erwiderte nichts, sondern starrte immer noch auf den Fleck, auf dem Ryou
zuvor noch gestanden hatte. Er schien es ebenfalls nicht glauben zu können.
Ryou fühlte sich unwohl, als er auf seinem Sitz platznahm. Sie könnten
trotzdem in die Eretal-Galaxie springen, aber Malik würde sich nicht ohne
weiteres ergeben. Sie könnten ihn auch erneut betäuben.
„43T 467G – ab nach Hause!“, rief Jonouchi freudig aus.
„Warte.“ Ryou schloss die Augen. Wieso fiel ihm das nur so schwer? Sie
mussten Malik nur wieder betäuben und anketten. Es wäre so einfach.
Die Crew sah Ryou verwundert an. „Was ist los?“
„Nicht die Eretal-Galaxie“, sagte Ryou leise. Malik hatte ihnen das Leben
gerettet und ihnen geholfen. Er war ein Bastard und ein Monster, aber das war
der Deal gewesen. Er war nicht so wie ein Notechis, er log nicht.
„Veri-Galaxie.“
„Was?“
„Ryou!“
„458C 52W – das sind die Koordinaten.“
„Das ist nicht dein Ernst!“
„Das war die Abmachung und ich halte mein Wort.“ Honda, Jonouchi und Anzu
redeten aufgebracht durcheinander. „SEID STILL!“ Ryou schnaubte. „Es
gefällt mir auch nicht, aber...“ Er presste die Lippen aufeinander. „Tut es
einfach. Bringen wir’s hinter uns.“
Jonouchi ballte die Hände zu Fäusten. „Ich mach das nicht.“
„Du tust was ich dir sage oder ich such mir jemand anderen, der es macht“,
fauchte Ryou. Er hatte keine Geduld mehr und auch keine Lust auf eine
Diskussion.
Jonouchi starrte ihn wütend an und Anzu und Honda warfen sich unsichere Blicke
zu.
„Macht bitte“, flüsterte Ryou. „Ich will einfach nur, dass es endlich
vorbei ist.“
Sie hoben ab und Jonouchi tippte widerwillig die von Ryou genannten Koordinaten
ein. „Das gefällt mir ganz und gar nicht“, brummte er. Sie verließen
Abulus Atmosphäre und es wurde merklich kühler im Schiff. Mit wenigen
Knopfdrücken schaltete Ryou die Klimaanlage aus und passt die Gravitation an.
„Ich bereite alles für den Sprung vor.“ Anzus Stimme war leise.
Das Schiff beschleunigte und sie wurden leicht in ihre Sitze gedrückt. Ihre
Umgebung verzog sich und das Licht von Abulus Sonnen brach sich in einem
unnatürlichen Winkel. „Sprung in 3... 2... 1.“
Alles lief normal, bis erst die Motoren und dann die Lichter ausfielen. Amane
verlor an Schubkraft und sie wurden aus dem Sprung gerissen. Das Schiff
kreiselte, dann blieb es liegen.
„Verflucht!“, schimpfte Jonouchi und versuchte die Motoren wieder in Gang zu
bringen, doch diese gaben keinen Mucks von sich. Das gesamte Getriebe war
ausgefallen.
„GAVLI“, brüllte Ryou und stampfte mit dem Fuß auf den Boden. „Dieses
verdammte Biest. Ich bring ihn um! Ich bring ihn eigenhändig um!“ Er rief die
Sternenkarte auf um nachzusehen, wo sie gelandet waren. Tulus-Galaxie,
wenigstens waren sie fast wieder zuhause. Nur leider gab es keine bewohnten
Planeten in der näheren Umgebung.
„Was machen wir jetzt?“ Jonouchi hämmerte wütend auf seinem Armaturenbrett
herum.
„Ihr habt die Arbeit doch überprüft, wie konnte das passieren?“
„Naja“, fing Anzu ihre Erklärung an, „der Fehler trat erst auf, als wir
einen Sprung machen wollten. Das war ein Teil an dem sie eigentlich gar nichts
hätten tun müssen. Ich hab mir nur die Steuerung und den Antrieb
angeschaut.“
„Großartig“, murmelte Ryou und ging unruhig im Cockpit auf und ab. Er
strich sich die Haare zurück. „Können wir irgendwas tun? Notfallsystem?“
„Ausgefallen“, antwortete Jonouchi. „Außer Schweben steht nichts auf dem
Programm.“
„Noch irgendwas?“
„Nein, ich kann nicht mal die Richtung ändern.“
Ryou seufzte. „Anzu, kannst du schauen, ob du von hier drinnen irgendwas
machen kannst?“ Er hatte zwar die Möglichkeit Anzu auch nach draußen zu
schicken, sie hatten Anzüge dafür, doch es war riskant und er hatte schon zu
viel Risiko in den letzten Tagen gehabt.
„Klar, ich mach mich gleich an die Arbeit.“
Würde Anzu das Schiff nicht reparieren können, dann hatten sie keine andere
Wahl als solange durch das All zu schweben bis sie hoffentlich nahe genug an
einen Planeten kamen oder ihnen ein Schiff begegnete und sie einen Funkspruch
abgeben konnten. Immerhin war die Tulus-Galaxie eine beliebte Handelsgalaxie. Es
sollte nicht zu lange dauern bis ihnen ein Raumschiff begegnete... zumindest
hoffte Ryou das.
Was ging denn auf dieser Reise noch alles schief?
Plötzlich ging ein Ruck durch Amane und sie setzte sich in Bewegung. „Was ist
das jetzt schon wieder?“ Ryou stieß genervt Luft aus. Er hatte wirklich keine
Nerven mehr.
„Wir bewegen uns.“
„Ja, das weiß ich auch. Bringt mir was auf den Schirm!“ Das Bild eines
fremden Raumschiffs tauchte auf dem Bildschirm auf und Ryou stöhnte, als er das
Symbol auf der Außenhülle sah. Das konnte doch jetzt wirklich nicht wahr sein!
Er wurde auch von gar nichts verschont. „Ich hasse Piraten.“
Kapitel 11
Ryou knirschte mit den Zähnen. Er wusste genau mit wem er es zu tun hatte. Er
kannte nur einen Piraten, der so ein selbstverliebtes Schiff hatte. Er versuchte
noch nicht einmal unauffällig zu sein.
Die Außenhülle war metallic-weiß und der Rumpf gebaut, als wäre es ein
Schwanz. Zwei große, flügelartige Konstrukte waren an den Seiten angebracht.
Ryou rollte mit den Augen. Das Raumschiff war fast eine exakte Nachbildung eines
Ejderha.
„Wie viele Waffen haben wir noch an Bord?“
„Nicht genug für jeden und auch nur eine Tödliche“, antwortete Honda.
Ryou seufzte. Selbst, wenn sie mehr Waffen hätte, wären die Piraten immer noch
in der Überzahl. Trotzdem würde er nicht einfach klein beigeben. Immerhin war
es nicht das erste Mal, dass sie sich begegneten, vielleicht konnte er sich
raushandeln. Wobei ihr letztes Aufeinandertreffen nicht so glücklich abgelaufen
ist. Jedenfalls durften sie keinesfalls Malik entdecken.
„Fahrt den Sichtschutz hoch“, befahl Ryou, während er aufstand. „Ich
informier die anderen.“ Er strich sich durch die Haare und an den langen
Federn entlang. Er schob die Waffe in den Gürtel.
Als Ryou den Waffenschrank öffnete, fiel ihm fast alles entgegen. Einer der
Sicherungsriemen war gerissen. Ryou nahm zwei Gewehre zur Hand. „Holt euch
auch was“, rief er über die Schulter hinweg. Er schulterte die Gewehre und
ging als erstes zu Mariku.
„Was ist passiert?“, fragte dieser sofort.
Ryou hielt ihm eins der Gewehre hin. „Piraten“, antwortete er murrend.
„Piraten?“ Mariku sah Ryou mit großen Augen an und Ryou erwiderte seinen
Blick ernst.
„Bleibt hier und haltet die Füße still.“
Mariku ließ seinen Blick kurz zu Malik schweifen. Er wollte Ryou noch mehr
fragen, doch dieser war schon wieder weg.
„Piraten“, wiederholte Bakura und verzog das Gesicht. Er nahm Ryou das
Gewehr ab. „Sieht’s schlecht für uns aus?“
Ryou zuckte mit den Schultern. „Ich weiß noch nicht. Verhalt dich jedenfalls
still.“
„Du gibst mir eine Waffe und sagst mir dann, ich soll mich still verhalten?“
Bakura schmunzelte.
„Vielleicht kannst du ein paar ausschalten, bevor sie dich schnappen.“ Ryou
wandte sich zum Gehen, doch Bakura packte ihn am Arm und küsste ihn. „Musste
das sein?“, murmelte Ryou.
„Hey, wer weiß, was mit uns gleich passiert.“
„Idiot.“ Ryou riss sich los.
Ryou zog seine Waffe aus dem Gürtel und ließ sich wieder auf den Sitz sinken.
Er überprüfte die Energieanzeige: sie war noch zur Hälfte voll, doch das war
nicht unbedingt etwas Gutes. Mehr als ein paar Schüsse würden nicht drin sein,
bevor die Energie zur Neige ging. Er biss sich auf die Unterlippe. Die neuen
Waffen wurden auch immer nutzloser.
Ryou trommelte unruhig auf der Armlehne. Der Rest der Crew war ebenfalls
angespannt. Sie konnten nichts machen, außer zu warten bis sie der Fangstrahl
ins Innere des Piratenschiffs gezogen hatte.
Ryou konnte nicht fassen, wie viel Pech sie hatten. Er hatte immer wieder mal
einen Trip gehabt, der nicht so glücklich verlaufen war, aber diesmal
schlitterten sie von einer Katastrophe in die Nächste. Was würde noch alles
passieren? Ryou schloss die Augen. Jetzt musste er sich jedoch erst einmal auf
die Piraten konzentrieren. Es sah nicht gut für sie aus. Sie waren nur schlecht
bewaffnet, sie hatten keine Ware dabei mit der sich die Piraten genügen
würden, kaum noch Gold, sodass er sie nicht mal freikaufen konnte und das
Schiff funktionierte auch nicht mehr. Es stand schlecht um sie und wenn Malik
entdeckt wurde, dann waren sie sowieso geliefert. Ryou fragte sich, wie viel ein
Notechis auf dem Schwarzmarkt wert war. Bestimmt ein Vermögen. Nervös strich
er an den langen Federn an seinem Kopf entlang.
Ein Ruck ging durch Amane, als sie im Inneren des Piratenschiffs aufsetzte. Ryou
stand auf und atmete tief durch. Er wusste nicht, was sie gleich erwartete, doch
er glaubte nicht an ein gutes Ende.
„Geh rein“, fauchte Ryou Bakura an, als er auf den Flur trat und den Nocidea
dort stehen sah.
„Kann ich dir nicht irgendwie helfen?“
„Du kannst mir helfen in dem du in dein Zimmer gehst und die Klappe
hältst.“
Bakura hob hilflos die Schultern und verschwand wieder. Ryou strich sich durch
den Nacken und sah seine Freunde an. „Bereit?“
„Nicht wirklich“, murmelte Jonouchi.
„Haltet euch einfach hinter mir.“
Sie positionierten sich an der Eingangsluke und warteten. Klopfen war zu hören.
Jemand hämmerte gegen die Außenhülle. Ansonsten waren keine Geräusche von
draußen zu hören. Ryou war angespannt und festigte seinen Griff um den
Waffengriff.
Ein ekelhaftes Kreischen war zu hören, als Metall über das Metall seines
Schiffes kratzte. Ryou schloss die Augen. „Es tut mir Leid“, flüsterte er.
Mit jedem weiteren Kratzer, musste sich Ryou zusammenreißen nicht einfach die
Luke zu öffnen. Er biss die Zähne zusammen.
Es krachte und quietschte, als die Piraten begannen die Eingangsklappe
aufzustemmen. Ryou atmete tief durch. Als er einen Schritt hinter sich hörte,
hob er die Hand. Sie wussten, wie schwer es für ihn war mitzuerleben wie Amane
mehr und mehr beschädigt wurde. Er unterdrückte ein Schaudern als er daran
dachte, was ihr möglicherweise noch bevorstand.
Ryou öffnete seine Augen, als ohrenbetäubendes Krachen ihm sagte, dass sie es
geschafft hatten. Sein Finger legte sich um den Abzug der Waffe und er
entsicherte sie.
Der Lärm von draußen drang jetzt ins Innere des Schiffs vor. Mehrere Aliens
sprachen und riefen durcheinander. Ryou hörte Lachen und Gröhlen.
„Kommt raus, kommt raus“, rief ihnen jemand von draußen schon fast
fröhlich zu. Lachen folgte.
„Wie wär’s wenn du reinkommst, damit ich dir den Schädel wegpusten
kann?“, erwiderte Ryou.
Lachen erklang und es wurde etwas in einer Sprache gesagt, die Ryou nicht
verstand.
„Kommt lieber raus, solange wir noch gute Laune haben.“ Diesmal schwang ganz
klar eine Drohung mit. Ryou zeigte sich davon nicht beeindruckt. Er hatte schon
zig Drohungen in seinem Leben gehört und Piraten schüchterten ihn nicht ein.
„Ihr kommt zu spät. Hier gibt’s nichts zu holen, außer eine müde Crew und
ein kaputtes Schiff. Ich transportiere nichts.“
„Natürlich“, sein Ton war gehässig, „und ich bin der Herrscher der
Sternenallianz.“ Wieder Lachen.
„Ich wusste schon immer, dass Politiker alle Piraten sind.“
Ein Knurren war von draußen zu hören und Ryou wusste, dass es nicht mehr lange
nur bei Worten bleiben würde.
„Kommt endlich raus!“
„Kommt doch rein oder seid ihr nur ein Haufen Feiglinge?“ Ryou biss sich auf
die Unterlippe. Es war keine gute Idee sie zu provozieren, doch inzwischen hatte
er sich angewöhnt, sich mit alles und jedem anzulegen. Eine seiner schlechten
Eigenschaften. Ryou presste kurz die Augenlider aufeinander. Er hatte jetzt
keine Zeit über seine Charakterentwicklung zu sinnieren.
Von draußen waren wieder wütende Stimmen zu hören. Die Piraten schienen zu
streiten, doch wieder in der Sprache, die Ryou nicht verstand. Er hörte nur,
dass ihre Stimmen aufgeregt und wütend waren, manche klangen spöttisch. Dass
sie stritten, bedeutete jedoch nicht gleich etwas Gutes für Ryou und die
anderen. Piraten stritten ständig und ihre Wut ließen sie dann meistens an
anderen aus.
Die Stimmen verstummten plötzlich und Schritte waren zu hören. „Was ist hier
los?“ Die eisige Stimme jagte einen Schauer über Ryous Rücken und er
brauchte sich nicht umzudrehen um zu wissen, dass auch die anderen sich unwohl
fühlten. „Seid ihr denn zu nichts zu gebrauchen?“ Ein dumpfer Knall war zu
hören und dann ein schmerzerfüllter Laut. „Rein da, aber sofort und ich will
sie lebend.“
Ryou straffte die Schultern. Sein Körper war angespannt, seine Atmung flach. Er
wartete. Seine Sinne waren auf die Eingangsluke konzentriert. Unruhig leckte er
sich über die Lippen.
Sein Schuss traf den Piraten mitten ins Gesicht. Er hatte noch nicht einmal die
Chance zu reagieren. Ryou hörte, wie sein Körper unten aufschlug. Ryou begann
zu zittern und er atmete tief durch um es zu unterdrücken. Es war lange her,
seit er das letzte (und erste) Mal jemanden erschossen hatte und selbst das
nagte immer noch an ihm. Er war einfach nicht fürs Töten gemacht. Und wieso
konnte er diesen Piraten erschießen, aber Malik nicht?
Er riss sich aus seinen Gedanken. „Will noch einer?“, rief er und hoffte,
dass das Zittern in seiner Stimme nicht zu hören war.
Von draußen waren wütende Schreie zu hören.
„Schnappt sie euch!“
Mehr Piraten kamen ins Schiff. Anfangs fielen sie tot oder betäubt zurück,
doch bald schon hatte Ryous Waffe keine Energie mehr und die Anzahl war zu
groß. Ryou warf die Waffe zur Seite und nutzte seine Krallen um sich zu
verteidigen. Zwei Piraten packten ihn.
„Lasst mich los, ihr Bastarde!“ Anzu fluchte. Sie hielt sich die Piraten mit
heißem Wasser vom Leib, zumindest versuchte sie das. Einer riss sie zu Boden.
„Ganz ruhig, Süße.“ Anzu kreischte.
Mit einem Tritt beförderte Jonouchi den Piraten, der Anzu gepackt hatte, gegen
die Wand. Man hörte Knochen brechen.
Ryou schaffte es sich loszureißen und schlitzte einem seiner Angreifer den
Unterarm auf. Jemand zog ihm etwas über den Schädel und Ryou stolperte nach
vorn. Er wurde geschubst und fiel aus der Eingangsluke. Er stöhnte
schmerzerfüllt, als er auf dem Boden aufschlug.
Ryou wurde wieder auf die Beine gerissen und er keuchte, als man ihm die Arme
auf den Rücken drehte. Ihm war schwindelig und es fiel ihm schwer sich auf den
Beinen zu halten. Hätte man ihn nicht festgehalten, wäre er zu Boden gegangen.
„Ryou, was für eine Überraschung.“ Am liebsten hätte Ryou ihm das
arrogante Grinsen aus dem Gesicht geschnitten, doch selbst seine Klauen würden
an der metallischen Haut abbrechen.
„Seto“, knurrte Ryou und stemmte sich gegen den, der ihn festhielt, doch der
Griff war eisern und gab nicht nach.
„Immer noch so frech wie damals.“ Setos Schwanz zuckte von einer Seite auf
die andere. „Wir haben noch ein paar offene Rechnungen.“
„Kann mich nicht erinnern.“ Seto packte sein Kinn und Ryou schauderte. Seine
Hand war so kalt, dass es schon fast brannte. Ryou spürte die Krallen an seiner
Wange.
„Du solltest froh sein, dass ich dich nicht gleich hier umbringe. Du hast ein
paar gute Männer getötet.“
„Waren nicht so gut, wenn sie so leicht sterben.“
Seto ließ ihn los. „Stimmt.“
„Was willst du, Seto? Ich hab nichts dabei, außer ein paar Münzen, die
kannst du haben, aber lass uns gehen.“
Seto blickte über Ryou hinweg. Anzu, Honda und Jonouchi waren inzwischen auch
überwältigt worden. „Wie ich sehe hast du dir immer noch keine bessere Crew
besorgt.“
Ryou überging die Stichelei und versuchte sogar einen Vorteil daraus zu
schlagen: „Siehst du, wir sind nichts wert. Nimm das Geld und schmeiß uns
wieder raus. Das Schiff ist kaputt, das bringt dir auch nichts.“ Ryous Herz
raste. Er musste sie raushandeln, er musste einfach. Seto war im Grunde kein
schlechter Kerl, zumindest für einen Piraten, aber sie hatten keine nette,
gemeinsame Vergangenheit.
Seto sah ihn an, als würde er darüber nachdenken.
„Komm schon, Seto, wir sind doch schon fast alte Bekannte. Wenn ich das
nächste Mal ne wertvolle Fracht dabei hab, dann geb ich dir nen Tipp. Also, wie
sieht’s aus?“
Doch Setos Blick glitt erneut über Ryou hinweg und auf seinem Gesicht zeichnete
sich so etwas wie Freude ab. Er grinste Ryou an. „Sieh an, was haben wir denn
da?“
Ryou warf einen Blick über die Schulter. Mariku und Bakura wurden von Setos
Männern aus dem Schiff geführt. Malik war nirgends zu sehen.
„Das sind nur Passagiere, nichts weiter.“
Seto schenkte Ryous Worten jedoch keine Beachtung, sondern ging an ihm vorbei.
„Ein Mensch“, er blieb vor Mariku stehen, „noch jung und kräftig.“
Mariku musterte Seto kurz. Weiße, metallisch-wirkende Haut, die bläulich
schimmerte. Zwei große Flügel ragten aus seinem Rücken und er hatte einen
Schwanz, der aussah als könnte er jeden Schädel mit Leichtigkeit
zerschmettern. Er sah aus, wie ein Drache mit humanoider Form. Die kalten,
blauen Augen sahen ihn abschätzig an. „Sorry, bist nicht mein Typ.“
Seto drehte sich wieder zu Ryou um. „Er ist genauso frech wie du.“
„Leider“, erwiderte Ryou ohne sich umzudrehen.
Seto richtete seine Aufmerksamkeit auf Bakura. „Nocidea, ebenfalls noch
jung.“ Er grub eine Hand in Bakuras Haare und zog seinen Kopf zurück.
„Weißes Haar, wirklich sehr selten.“
Bakura fletschte die Zähne, sagte jedoch nichts. Er mochte seine weißen Haare,
auch wenn sie ihm in der Vergangenheit oft Ärger eingehandelt hatten. Nocidea
waren eher dunkelhaarig und während weiße Haare bei einem Teil seiner Spezies
als gutes Omen galten, glaubte ein anderer Teil, dass sie Unglück brachten.
Leider gehörte seine Familie zu letzteren.
Seto ließ ihn los und kehrte wieder zu Ryou zurück. „Euer Preis ist soeben
gestiegen.“ Ryou fauchte. „Besonders, wenn ich daran denke, mit was für
einem Vermögen du selbst rumläufst.“ Er ließ seine Finger an den langen
Federn an Ryous Kopf entlang gleiten.
Ryou zog den Kopf zurück. „Denk nicht mal dran.“
„Zu spät.“ Ein süffisantes Grinsen lag auf Setos Lippen.
Ryou riss die Augen auf und starrte ihn ungläubig an. Er würde das nicht
wagen, oder? Wäre er wirklich so grausam?
„Sperrt sie in die dunklen Zellen, jeden in eine andere. Ich will nicht, dass
sie irgendwelche Pläne aushecken. Und kettet sie fest.“ Er ließ seinen Blick
über die Anwesenden schweifen. „Außer den Nocidea, er kommt in eine der
Sonnenzellen.“ Seto wandte sich zum Gehen.
„Was machen wir mit dem Schiff?“
„Zerlegt es. In Einzelteilen ist es vielleicht noch etwas wert.“
„Warte!“ Ryou stemmte sich gegen den Griff, der ihn festhielt. „Warte
Seto! Das kannst du nicht tun. Seto! Tu das nicht!“
„Bringt ihn zum Schweigen.“
Ein Schlag auf den Hinterkopf ließ Ryou Sterne sehen. Er öffnete den Mund,
doch kein Laut kam heraus. Ein erneuter Schlag und Ryou ging in die Knie. Der
Griff um seine Arme löste sich und er fiel vornüber. Man hob ihn auf und trug
ihn davon, die anderen folgten.
Bakura und Mariku gingen nebeneinander. „Hey Mariku“, wisperte Bakura und
lehnte sich leicht in seine Richtung. Mariku wandte den Kopf kaum merklich und
sah Bakura aus den Augenwinkeln heraus an. „Wo ist Malik?“
Ein kleines Grinsen schlich sich auf Marikus Lippen. Er zuckte nur mit den
Schultern als Antwort.
Einige Zeit davor:
„Piraten?“ Mariku sah Ryou mit großen Augen an und Ryou erwiderte seinen
Blick ernst.
„Bleibt hier und haltet die Füße still.“
Mariku ließ seinen Blick kurz zu Malik schweifen. Er wollte Ryou noch mehr
fragen, doch dieser war schon wieder weg. Mariku seufzte. Er legte das Gewehr
auf den Tisch und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Tischkante.
„Was denkt er, was er tut?“, murrte Malik. „Ein Haufen Betäubungsgewehre
gegen Piraten.“ Er gab einen abfälligen Laut von sich. „Was will er damit
erreichen?“
„Vielleicht hat er einen Plan?“
„Natürlich, weil bisher hatte er ja immer einen Plan, nicht wahr?“ Der
Sarkasmus in Maliks Stimme war schon fast greifbar.
„Und du hast nen Plan?“
„Mein Plan ist, mich nicht erwischen zu lassen.“
Mariku verdrehte die Augen. „Wow, was für ein toller Plan. Wieso schließt du
dich ihnen nicht an? Ihr seid doch alles böse Jungs.“
Malik stand auf. „Ihr Menschen habt auch keine Ahnung was außerhalb eures
Sonnensystems los ist, oder?“ Er kam näher und sah Mariku herablassend an.
„Ihr seid eben doch nur ein junges, dummes Volk.“ Mariku spannte seinen
Körper an, schluckte seine Wut aber hinunter. „Piraten nehmen alles, was von
Wert ist und wenn es nichts von Wert gibt, dann nehmen sie die Crew. Ryou ist
ein Vermögen wert.“ Mariku hob kurz die Augenbrauen, sprach Malik aber nicht
darauf an, dass er Ryou beim Namen genannt hatte. Ihm selbst schien es nicht
aufgefallen zu sein. „Zumindest die Federn auf seinem Kopf. Die Seire dürfte
sich auch ganz gut verkaufen, der Nocidea ebenfalls. Du nicht.“ Er
schmunzelte, während er das sagte.
„Danke“, murmelte Mariku, musste aber ebenfalls leicht grinsen.
Doch Maliks Gesichtsausdruck wurde gleich wieder ernst. „Und jetzt stell dir
vor, wie viel jemand wert ist von einer Spezies, die als ausgestorben gilt.“
Mariku sah die Unruhe in Maliks Blick. Er wollte keinesfalls in die Fänge der
Piraten geraten und Mariku teilte dieses Gefühl. „Und was willst du tun?“
„Das lass mal meine Sorge sein.“ Er wandte sich zum Gehen, doch Mariku
packte ihn am Handgelenk.
„Was hast du vor?“
Malik riss sich los, trat jedoch einen Schritt auf Mariku zu. Sie waren sich so
nah, dass Mariku Maliks Atem auf seiner Haut spürte. „Hast du Angst, dass ich
euch zurücklasse?“ Seine Stimme war leise und hatte einen amüsierten
Unterton.
„Ich trau’s dir zu“, antwortete Mariku.
Malik begann zu grinsen. „Das solltest du auch.“ Er wollte erneut gehen,
doch Mariku packte ihn wieder und presste seine Lippen auf Maliks. Ihr Kuss
dauerte nur wenige Sekunden.
„Was sollte das?“, zischte Malik und stieß Mariku von sich.
Mariku leckte sich über die Lippen. „Ein Abschiedskuss, falls wir uns nicht
mehr sehen.“
Malik knurrte und ließ Mariku allein. Dieser sank seufzend auf die Matratze.
Würde Malik sie zurücklassen? Er fasste sich an die Lippen. Nein, würde er
nicht... hoffentlich.
„Geht mal ein bisschen schneller.“ Einer der Piraten stieß Mariku mit dem
Gewehrgriff in den Rücken.
„Ich kann nur so schnell gehen, wie du denkst.“
Der Pirat packte ihn an der Schulter und schubste ihn gegen die Wand. Er stieß
ihm die Waffe gegen die Brust. „Der Boss hat zwar gesagt, wir dürfen euch
nicht abmurksen, aber ich kann dir die Fresse polieren.“ Er war kleiner als
Mariku und musste zu ihm hochsehen.
„Kommst du mit deinen Patschehändchen überhaupt bis hier hoch?“
Es war der Gewehrgriff, der Mariku fast die Nase brach.
„Mariku!“ Bakura wollte zu ihm, doch wurde zurückgehalten.
„Oh verdammt.“ Mariku presste seine Hände gegen seine blutende Nase. Ihm
wurde schlecht und er hatte das Gefühl gleich das Bewusstsein zu verlieren. Das
hatte mehr wehgetan, als erwartet, aber er hatte erreicht, was er wollte. Er
hinterließ blutige Schlieren an den Wänden auf dem ganzen Weg bis zu den
Zellen.
Er wurde in einer der Zellen gestoßen und sank dort auf die Knie.
„Verteilt die anderen“, befahl der, der Ryou trug. „Und bringt den Nocidea
nach oben.“
Marikus Arme wurden nach oben gerissen und kaltes Metall legte sich um seine
Handgelenke.
„Ich steh nicht so auf Fesseln“, murmelte Mariku. Die Blutung hatte zwar
gestoppt, aber ihm schwirrte immer noch der Kopf. Am liebsten hätte er sich
übergeben. Dass der Pirat ihm in den Magen trat, machte es nicht besser. Mariku
würgte. Er legte den Kopf zurück und schloss die Augen. Wenn Malik ihn hier
nicht rausholte, dann würde er ihn suchen und eigenhändig umbringen.
„Mokuba!“, donnerte Seto, als er seine Kabine betrat.
„Zur Stelle!“ Lautlos war Mokuba neben seinem Bruder aufgetaucht. Er hielt
ein Tablet in der Hand und wählte mit dem Finger unterschiedliche Menüpunkte
aus. „Was steht zum Verkauf?“
„Sklaven“, antwortete Seto und ließ sich auf seinen Sessel sinken.
Mokuba hob überrascht die Augenbrauen. „Hatten wir schon lange nicht mehr“,
sagte er leise und wischte mit den Fingern über das Display.
Seto schlug mit der Faust auf den Tisch und Mokuba zuckte zusammen. „Das wird
Ryou lehren sich nicht mehr mit mir anzulegen.“ Seto sah seinen kleinen Bruder
an und selbst diesem fiel es schwer, seinem bohrenden Blick standzuhalten.
„Überprüf ihren Wert.“
Mokuba nickte. Er kannte Ryou und fühlte sich nicht wohl dabei, dass er jetzt
als Sklave verkauft werden sollte. Er wusste zwar, dass Seto einige Probleme mit
ihm in der Vergangenheit gehabt hatte und immer wenn sie aufeinander trafen gab
es Reibereien, doch er fand nicht, dass das Setos jetziges Handeln rechtfertige.
Doch Seto war sein Bruder und er würde ihm nie widersprechen.
Mokuba gab mehrere Passwörter ein um Zugriff auf den Sklaven-Schwarzmarkt zu
bekommen. Seine Iris wurde gescannt bevor sich die Datei öffnete.
„Bereit.“
„Ein Vida.“
Mokuba verzog das Gesicht. „Mehr als 2.000 kriegst du dafür nicht.“
Seto verschränkte die Finger ineinander. Es war keine Überraschung, dass er
für Jonouchi nur so wenig bekommen würde. Ryous Crew war schon immer
minderwertig gewesen. Vida hatten nichts Besonderes an sich. „War zu erwarten.
Ein Basani.“
„3.500, wir sind außerhalb der Saison, da gehen die auch zu Spottpreisen
weg.“
Seto nickte. Aufgrund der Robustheit der Basani und Unempfindlichkeit gegenüber
extremen Temperaturen wurden sie gern auf sonnennahen Planeten als Arbeiter
eingesetzt. Nur dort bekam man das wertvolle Adamas. 90% des Adamas wurde durch
Sklaven gewonnen und selbst die Sternenallianz verschloss davor die Augen. Sie
war zu gierig das Adamas zu bekommen. „Eine Seire“, setzte Seto seine
Aufzählung fort.
„Alter?“
Seto zuckte mit den Schultern. „Kein Kind mehr, erwachsen, aber nicht alt.“
„Je jünger, desto höher der Preis“, murmelte Mokuba, während er mehr
Daten eingab. Er wollte gar nicht weiter darüber nachdenken, warum junge Seiren
so beliebt waren. „30.000 bis 50.000 ungefähr für eine junge Erwachsene.“
Seto lehnte sich zurück. „Das klingt doch schon sehr vielversprechend.“
Seiren waren beliebte Sexsklavinnen. Sie wurden gerne schon als Kinder zu
horrenden Preisen verkauft. Seto rümpfte die Nase. „Wie liegt der Preis von
Menschen?“
„Männlich oder weiblich?“
„Männlich, sehr kräftig.“
„10.000.“
„10.000?“, wiederholte Seto und hob eine Augenbraue. Das war ein
überraschend hoher Preis.
„Die Preise sind ziemlich hoch gegangen. Sie sind zwar kurzlebig, aber
scheinen sich ausgezeichnet als Sklaven zu machen. Sowohl für Arbeit, als auch
für...“ Mokuba presste die Lippen aufeinander und er sah verlegen zur Seite.
„Sex“, murmelte er. „Was noch?“ Lieber schnell das Thema wechseln.
„Nocidea, jung, weiße Haare.“
Überrascht sah Mokuba auf. „Weiße Haare? Das ist selten.“ Er gab einige
Daten auf dem Display ein. „Ich krieg keinen genauen Wert. Ein Nocidea ist
150.000 wert, aber mit weißen Haaren könnte sich das verdoppeln.“
Seto grinste zufrieden. Von wegen Ryou hatte keine wertvolle Fracht an Bord. Er
kam jetzt schon auf einen höheren Betrag, als mit seinen letzten fünf
Raubzügen zusammen und der Preis für Ryou würde die Skala sprengen. Nocidea
waren vor allem wegen ihres Bluts beliebt. Es hatte eine berauschende Wirkung.
Seto wusste nicht, was die weißen Haare so speziell machten, aber solange sie
den Preis für den Nocidea hoben, war es ihm auch egal.
„Ein Cygni, alle Federn intakt.“
„Ab fünf Millionen aufwärts.“
In Gedanken hörte Seto bereits die Münzen klimpern. Er war jetzt schon der
reichste Pirat, aber bald wäre er unverschämt reich. Die Federn eines Cygni
waren eins der wertvollsten Dinge aller Galaxien. Pulverisiert verlängerten sie
nicht nur das Leben unnatürlich lange, sondern verhinderten auch das Altern.
Und wer wollte nicht so gut wie unsterblich sein? Doch einem Cygni die Feder
auszureißen, zählte auch zu den grausamsten Dingen, die man tun konnte, denn
sie verloren dadurch komplett den Verstand.
Er sah Mokuba an. „Wann ist die nächste Auktion?“
„In drei Tagen.“
„Sehr gut. Bereite alles vor und gib Isono die Koordinaten, sobald sie
verfügbar sind.“ Er rieb seine Hände aneinander und breitete die Flügel
aus. Ein zufriedenes Grinsen lag auf seinem Gesicht, als Mokuba den Raum
verließ. Ryou hatte sich sein eigenes Grab geschaufelt. Er war respektlos und
hatte es beim letzten Mal wirklich übertrieben. Seto knirschte mit den Zähnen.
Niemand tanzte ihm auf der Nase herum. Er wusste, dass man hinter seinem Rücken
über ihn lachte, weil er es nie geschafft hatte ein kleines Schiff wie Ryous zu
plündern. Ryou war ihm immer entkommen. Es war, als wäre er ihm einen Schritt
voraus und dabei war er auch noch frech geworden. Es erfüllte ihn mit
Genugtuung, dass er ihn jetzt in Ketten hatte.
Kapitel 12
Bakura legte sich einen Arm über die Augen. Selbst diese kleine Bewegung war
ein Kraftakt in seiner momentanen Situation. Das grelle Licht drang durch seine
geschlossenen Augenlider, sein Kopf dröhnte und er fühlte sich schwach und
ausgelaugt. Die weißen Wände und der Boden reflektierten das grelle Licht und
verstärkten seine Wirkung. Bakura hasste die Helligkeit. Außerdem war es
unerträglich warm. Seine Kleidung klebte an seinem Körper. Selbst wenn er
gewollt hätte, er hätte sich nicht vom Fleck bewegen können. Die Helligkeit
saugte ihm regelrecht die Energie ab. Sie würde ihn nicht töten, doch sie
machte ihn kraftlos.
Er wusste genau, was dieser Pirat vorhatte. Ein toter Nocidea nutzte ihm nichts,
aber lebend war er eine Geldquelle. Das Blut eines hellhaarigen Nocidea galt als
doppelt so stark wie das eines Dunkelhaarigen. Bakura wusste nicht, ob es
stimmte, er wurde von seinem eigenen Blut nicht high.
Er berührte sein zerfetztes Ohr. Es war nicht sein erstes Aufeinandertreffen
mit Piraten. Vor ein paar Jahren war er schon einmal in einer ähnlichen
Situation gewesen.
Flashback
Bakura hatte das Gefühl jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren. Er starrte
auf die Nadel in seinem Arm und wie sie das Blut aus seinem Körper zog. Bakura
würgte und schloss die Augen. Er machte diese Prozedur fast täglich durch und
er hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt. Würde er auch nie. Wollte er
auch gar nicht.
Bakura fiel nach vorne. Er hatte nicht mehr die Kraft seinen Oberkörper
aufrecht zu halten. Er atmete schwer und ihm war schwindelig.
„Das war viel zu viel. Du sollst ihn nicht umbringen.“
Bakura hörte Schritte neben sich und man entfernte die Nadel aus seinem Arm.
„Der Boss hat’s angeordnet.“
„Aber nicht ihn umzubringen!“ Bakura wurde hochgehoben. „Hol ihm was zu
trinken.“
„Ist es nicht komisch, dass wir ihm Blut abzapfen und ihm dann wieder welches
geben?“
Genervtes Seufzen. „Du nervst. Mach einfach.“
Bakuras Bewusstsein schwand. Den Rest des Gesprächs bekam er nicht mehr mit.
Man warf ihn auf eine dünne Matratze und Bakura schwankte zwischen wach sein
und Bewusstlosigkeit. Die Dunkelheit und Kühle linderten das Schwächegefühl,
doch erst als man ihm einen Becher mit Blut an die Lippen setzte und er trinken
konnte, kamen seine Lebensgeister zurück. Fast hätte er das Blut wieder
ausgespuckt. Es schmeckte schal, doch schließlich packte er den Becher und
trank ihn gierig leer. Der Becher rutschte ihm aus der Hand als er leer war und
Bakura sank auf die Matratze zurück. Er wusste nicht, wie lange er diese
Prozedur noch durchstehen würde.
„Beweg dich“, murrte der Pirat und stieß Bakura den Gewehrlauf in den
Rücken. Bakura stolperte leicht nach vorne und verdrehte die Augen. Wenn die
Piraten ihm weiterhin so oft Blut abzapften, würde sein Körper nicht mehr
hinterherkommen Neues zu produzieren. Selbst Gehen fiel ihm immer schwerer. Dass
man ihn mit altem, abgestandenem Blut ernährte war auch nicht gerade hilfreich.
Was würde er nicht alles für einen Schluck warmen, frischen Bluts geben.
Es herrschte Tumult in den Fluren des Piratenschiffs und einer von Bakuras
Wächtern hielt einen anderen Piraten auf. Er war klein und mit Fell bedeckt.
„Was ist los?“
„Die haben ein Raumschiff abgefangen“, antwortete er mit aufgeregter und
piepsiger Stimme. „Es soll Adamas geladen haben.“
Bakuras Wärter sahen sich an. Es passierte nicht jeden Tag, dass sie über so
einen Schatz stolperten. Außerdem waren beide neugierig auf das Adamas. Es war
so selten und wertvoll, dass keiner von ihnen es bisher zu Gesicht bekommen
hatte. Sie eilten zusammen mit den anderen Piraten in die große Halle. Bakura
wurde regelrecht mitgeschleift.
Eher uninteressiert betrachtete Bakura das Raumschiff mit der blau-weißen
Außenhülle. ANE war das einzige, das er von dessen Namen lesen konnte. Sie
standen etwas abseits und versteckt, denn eigentlich sollten sie gar nicht hier
sein. Trotzdem hatte Bakura einen guten Blick auf das Geschehen.
Die Eingangsklappe öffnete sich und ein Cygni kam die Stufen herunter. Raunen
ging durch die Piraten. Nicht nur, dass auch ein Cygni viel wert war, es war
auch selten, einen als Piloten zu sehen. Seit dem Krieg hielten sie sich eher
unter sich.
Bakura spitzte die Ohren und blendete die anderen Geräusche aus um das
Gespräch zwischen dem Cygni und dem Kapitän mithören zu können.
„Du bringst mich etwas aus meinem Zeitplan.“ Die Abwesenheit von Furcht in
seiner Stimme überraschte Bakura. Er war noch nie einem Cygni begegnet, der so
selbstsicher sprach. „Ich hab eine eilige Lieferung.“
Der Piratenkapitän lachte. „Du bist längst am Ziel. Wir übernehmen das
Adamas von hier aus.“
„Adamas?“ Der Cygni legte den Kopf leicht schief. „Wer sagt, dass ich
Adamas geladen habe?“ Der Kapitän knurrte und wollte den Cygni packen, doch
dieser trat einfach einen Schritt zurück. Bakura reckte den Hals noch ein
Stück. „Aber ich hab wirklich was für dich und deine ganze räudige Crew:
einen Trip ins Gefängnis.“
Lachen schallte durch die Halle, doch es blieb den Piraten schnell im Hals
stecken, als eine Milizeinheit der Sternenallianz aus dem Raumschiff stürmte.
Einer von Bakuras Wächter warf schreiend sein Gewehr zur Seite und rannte weg.
„Dieser Idiot!“, fluchte der andere.
Bakura nutzte die Gelegenheit um ihm seinen Ellenbogen ins Gesicht zu rammen.
Der Pirat taumelte. Bakura packte ihn und versenkte seine Zähne in seinem Hals.
Gierig saugte Bakura an der Halswunde und spürte, wie sein Körper wieder
richtig zu arbeiten begann.
Plötzlich wurde er zurückgerissen und ging zu Boden. Einer der Piraten war
über ihm und versuchte ihm mit seinen Klauen die Augen auszustechen. Bakura
drehte den Kopf zur Seite und schrie auf, als die Krallen stattdessen sein Ohr
zerfetzten. Er stieß den Piraten von sich, der über seinen toten Kameraden
stolperte und gegen die Wand prallte. Bakura verschwendete keine Zeit. Das
frische Blut war längst in seinen Organismus übergegangen und versorgte ihn
mit neuer Kraft. Er jagte seine Zähne in den Hals seines Angreifers und saugte
auch diesem das Blut aus, bis der Körper nur noch leblos in seinem Griff hing.
Bakura ließ ihn zu Boden fallen und wischte sich über den Mund. Um ihn herum
herrschte Chaos. Miliz und Piraten bekämpften sich bis aufs Blut und er hatte
keine Lust zwischen die Fronten zu geraten. Am Ende würde man ihn noch für
einen Piraten halten.
Bakura sah sich um, auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit. An den Wänden
standen einige Flitzer, kleine Schiffe für eine Person. Sie eigneten sich eher
für Kurzflüge, aber Bakura wollte eh nur aus dem Piratenschiff raus. Sein
eigenes Blut rann ihm an Gesicht und Hals hinunter, doch Bakura konnte dem
Schmerz keine Aufmerksamkeit schenken, er musste so schnell wie möglich
verschwinden.
Er schlich durch die Menge und versuchte keine Aufmerksamkeit auf sich zu
ziehen. Als er sich hinter zwei Kisten duckte, konnte er einen Blick auf den
Cygni erhaschen. Er stand oben an der Luke und unterhielt sich mit einem Vida.
Sein Gesichtsausdruck war ernst, während er energisch ins Innere des
Raumschiffs deutete.
Bakura rollte zur Seite, als jemand gegen die Kisten stieß und diese ins Wanken
gerieten. Kriechend gelangte er unter einen der Flitzer und atmete dort erst
einmal tief durch.
Plötzlich tauchte ein Pirat neben ihm auf, der scheinbar dieselbe Idee gehabt
hatte. Bevor er jedoch reagieren konnte, brach Bakura ihm das Genick. Er hatte
keine Zeit sich mit Konkurrenz aufzuhalten. Er kletterte gerade zur
Einstiegsluke des Flitzers, als ein Schuss über seinen Kopf hinwegsauste.
Bakura zog den Kopf ein und ließ sich vorwärts auf den Sitz fallen. Mit dem
Fuß betätigte er den Knopf um das Glas zu schließen und drehte sich dann
richtig um sich auf den Sitz setzen zu können. Er drückte einige Knöpfe und
startete damit die Motoren, was wiederrum Aufmerksamkeit auf sich zog. Schüsse
prallten an der Außenhülle ab und Bakura hoffte, dass kein wichtiger Teil
beschädigt wurde. Bakura packte den Steuerknüppel und brachte den Flitzer in
Position. Er schob den Beschleunigungsriegel nach vorne und achtete nicht
darauf, ob ihm jemand ihm Weg stand. Er wollte einfach nur hier weg.
Funken sprühten als er an der Wand entlangschrammte. Bakura biss die Zähne
zusammen und krallten sich regelrecht an den Steuerknüppel. Jetzt konnte er
endlich den kompletten Namen des Raumschiffs sehen: AMANE.
„Ich steh in deiner Schuld, Schätzchen.“
Es war kein Zufall gewesen, dass er sich Ryous Schiff für seine Reise
ausgesucht hatte. Seit diesem Tag hatte er oft an ihn gedacht. Er hatte diesen
ungewöhnlichen Cygni unbedingt kennen lernen wollen.
Irgendwann würde er Ryou davon erzählen. Am besten, wenn sie sich das nächste
Mal sahen, bevor er keine Gelegenheit mehr dazu hatte.
Fast lautlos ließ sich Malik von seinem Versteck auf den Boden fallen. Dabei
blieb er mit seinem Shirt hängen und es riss. Malik stieß genervt Luft aus und
betrachtete den Riss. Mariku würde bestimmt wieder meckern, wenn er das sah.
Immerhin war es eins seiner Oberteile. Er sah sein grinsendes Gesicht vor sich
und schüttelte den Kopf. Dieser verdammte Mensch. Malik fasste sich an die
Lippen. Er machte ihn noch wahnsinnig. Malik schlüpfte aus seinen Schuhen und
stellte sie in Marikus Kabine. Marikus Tasche lag auf dem Boden, das Display
kaputt. Auch sonst herrschte Chaos im Zimmer. Die Piraten hatten alles
durchsucht.
Malik schlich zum Ausgang von Ryous Raumschiff und spähte nach draußen. In der
Nähe standen eine Handvoll Piraten, ihre Waffen lagen auf Kisten und sie alle
hielten Flaschen in der Hand. Sie lachten und sprachen laut. Ungesehen schlich
Malik aus dem Raumschiff. Das spärliche Licht half Malik sich unbemerkt durch
die Halle zu bewegen. Bevor er sich um die Befreiung der Anderen kümmern
konnte, musste er erst einmal einen Fluchtplan entwickeln. Sobald sie ein Schiff
hatten, wäre es einfach das Piratenschiff zu verlassen.
Malik blieb vor einem Flitzer stehen. Noch einfacher wäre es, wenn er einfach
allein verschwinden würde. Er legte eine Hand auf die Leiter, die zum Cockpit
führte und sah nach oben. Er könnte einfach abhauen. „458C 52W“, murmelte
er und griff die Sprosse fester.
„Ein Abschiedskuss, falls wir uns nicht mehr sehen.“
Malik fauchte. Er hasste ihn und wie er sich immer in seine Gedanken schlich.
„Habt ihr das gehört?“
Malik horchte auf. Er huschte auf die andere Seite des Flitzers und drückte
sich in den Schatten eines größeren Schiffes. Zwei Piraten kamen näher.
„Hier ist nix.“
„Doch, ich hab was gehört, ganz sicher.“
„Ja, das Geräusch wie ich dir in den Arsch trete.“ Sie hatten eine kurze
Rangelei, dann verschwanden sie wieder lachend.
Malik wartete noch einige Augenblicke ab, dann sah er an dem Schiff hoch, in
dessen Schatten er stand. Ein Azur G40. Es war kleiner als Ryous Schiff und ein
älteres Modell, aber es würde für ihre Zwecke reichen. So leise er konnte
verschaffte sich Malik Zugang zum Schiff. Er sah sich im Cockpit um. Selbst die
Steuerung war schon fast Antik. Dieses Modell wurde schon gar nicht mehr gebaut.
Ob es überhaupt noch flog? Er konnte es nicht ausprobieren ohne Aufmerksamkeit
auf sich zu ziehen.
Trotzdem ließ er sich auf den Pilotenstuhl sinken und drückte ein paar
Knöpfe. Das Display sprang sofort an. Malik schaltete es gleich wieder aus.
Immerhin die Elektronik funktionierte. Er musste das Risiko eingehen.
Er kehrte in die Halle zurück und durchquerte sie. Die Piraten waren immer noch
mit Trinken beschäftigt. Vorsichtig betrat er einen Flur. Ab jetzt musste er
aufmerksam sein, denn er hatte weniger Möglichkeiten sich zu verstecken.
Fast sofort fiel sein Blick auf die Blutspur an der Wand. Niemand hatte sich die
Mühe gemacht es wegzuwischen. Malik verdrehte die Augen. Dieser verdammte
Mariku, konnte er sich nicht einmal nicht mit jemandem anlegen? Malik folgte der
Blutspur. Er hätte sie gar nicht gebraucht, denn er sah ganz deutlich die
Wärmespur, die Mariku hinterlassen hatte. Jedes Lebewesen strahlte Wärme ab
und hinterließ dadurch eine Spur, die für Stunden, manchmal auch Tage, für
Malik und Seinesgleichen zu sehen war. Wenn er die Wärmebilder kannte, konnte
er sie ohne Schwierigkeiten zuordnen.
Als sich eine Tür vor ihm öffnete, hatte Malik nicht mehr die Zeit sich ein
Versteck zu suchen. Die beiden Piraten starrten Malik mit großen Augen an und
einer von ihnen öffnete den Mund, doch Malik schubste ihn gegen die Wand,
während er den anderen mit einem Tritt zu Boden beförderte. Er brach dem
ersten das Genick und stürzte sich auf den zweiten, bevor dieser nach seiner
Waffe greifen konnte. Er bohrte ihm seine Krallen in den Bauch und injizierte
ihm sein Gift. Sofort verkrampfte sich der Körper des Piraten. Er schnappte
nach Luft, doch seine Atemwege schlossen sich bereits. Während er erstickte,
zog Malik seinen Kumpanen in den Raum aus dem sie gekommen waren. Er konnte es
sich nicht leisten, dass man sie zu schnell fand, weshalb er auch darauf
geachtete hatte, keine Blutspuren zu hinterlassen. Er zog den zweiten Piraten
ebenfalls in das Zimmer und schloss die Tür. Malik atmete tief durch. Er musste
wirklich aufpassen.
Malik war froh, als sich breite und vor allem hohe Gänge vor ihm ausbreiteten.
Die vielen Türen waren ein Risiko, aber er hatte Dank der hohen Decke eine
einfachere Möglichkeit die Piraten zu umgehen.
Malik sprang und seine Krallen hinterließen Löcher in der Decke, als er sich
daran festkrallte. Er zog die Beine nach und löste seine Krallen aus der Decke.
Er hatte keine Probleme damit an Wänden oder Decken zu laufen. So hatte er sich
auch damals an Mariku angeschlichen.
Malik bewegte sich langsam und achtete auf die Geräusche, die durch die Türen
drangen. Sein Gehör war jedoch nicht fein genug um sie voneinander zu trennen.
Er konnte nicht sagen, welches Geräusch aus welcher Richtung kam. Lautes
Krachen hallte plötzlich durch die Gänge und Malik zuckte zusammen. Er hielt
inne und lauschte. Eine wütende Stimme war zu hören und danach Lachen, doch
Malik konnte nicht sagen, ob beides aus derselben Richtung kam. Er kroch weiter
bis sich eine Tür unter ihm öffnete. Eine Gruppe Piraten trat heraus. Sie
hielten alle Flaschen und Becher in den Händen und waren erheblich betrunken.
Malik hielt still und drückte sich gegen die Decke. Einer der Piraten begann zu
singen und ein zweiter stimmte mit ein und versuchte seinen Kameraden zu
übertönen. Sie bemerkten Malik nicht und erst, als sie außer Sicht waren,
setzte dieser seinen Weg fort.
Malik gelang tiefer ins Schiff und ließ sich wieder zu Boden fallen, als er den
Schiffsteil mit den Zellen erreichte. Einen Wächter schien es nicht zu geben,
deshalb gelangte Malik ungesehen hinein. Ein Blick auf das Schloss an der ersten
Zelle sagte ihm, dass er eine Schlüsselkarte benötigte um die Türen zu
öffnen. Malik knirschte mit den Zähnen. Der einfache Teil war vorbei.
Mariku schmeckte Blut in seinem Mund und er keuchte schmerzerfüllt, als der
Pirat erneut in seinen Magen trat. Es war der, den er zuvor schon beleidigt
hatte. „Jetzt reißt du keine so dummen Sprüche mehr, was?“
Mariku antwortete nicht. Ihm schwirrte der Kopf.
„Bring ihn nicht um, der Boss flippt sonst aus.“
„Jaja.“ Ein letzter Tritt und der Pirat packte ihn an den Haaren. „Das
hast du jetzt davon, dass du dich mit Piraten anlegst, du Abschaum.“ Er stieß
Mariku von sich und dieser prallte gegen die Wand. Mariku schloss die Augen und
blieb einfach liegen. Er hatte nicht geahnt, dass seine kleine Provokation
solche Folgen haben würde. Er presste sein Gesicht gegen den kalten Stein und
seufzte. Aber was hatte er bei seinem Glück schon erwartet? Er konnte froh
sein, wenn nichts gebrochen war. Es piepste, als die Piraten seine Zelle wieder
verschlossen.
Malik horchte auf, als er Stimmen hörte.
„Dem Bastard hab ich’s gezeigt.“ Lachen. „Der legt sich nicht mehr mit
mir an, wertloser Mensch.“
Malik machte sich nicht die Mühe sich zu verstecken. Er hielt sich nur
außerhalb des Lichtscheins und wartete ab, bis die beiden Piraten nah genug
waren.
Bevor sie überhaupt wussten was vor sich ging, hatte Malik dem ersten schon das
Genick gebrochen. Der zweite hatte zwar noch Gelegenheit seine Waffe auf Malik
zu richten, jedoch keine mehr um abzudrücken.
Malik durchsuchte ihre Taschen bis er zwei Schlüsselkarten fand und eine der
Zellen aufschloss. Sie war leer und Malik versteckte die Leichname darin. Er
schob die Schlüsselkarten ein und bewegte sich lautlos durch den Zellenblock.
Selbst wenn er gewollt hätte, könnte er nicht jeden von Ryous Crew befreien.
Er hatte nur wenig Zeit und irgendwann würde man die Leichen finden und das
würde das ganze Schiff alarmieren. Er betrachtete die Wärmespuren, die sich
vor ihm erstrecken. Jede führte in eine unterschiedliche Richtung. Er wandte
sich in die Richtung in die Mariku gebracht wurde, doch zögerte. Wenn er nur
Mariku befreien würde, dann würde dieser ihm nur Vorwürfe machen und ihn
nerven. Malik ballte seine Hände zu Fäusten. Warum kümmerte es ihn
überhaupt, was mit ihm passierte?
Wütend drehte Malik sich wieder um. Er konnte nicht alle retten, aber keiner
von ihnen würde zulassen, dass er einen anderen zurückließ. Zumindest, wenn
diese noch lebten. Ein Grinsen legte sich auf Maliks Lippen. Er konnte niemanden
retten, der tot war und er würde zuerst die größte Bedrohung ausschaltet. Der
Einzige, der wirklich im Stande wäre, den Abzug zu drücken.
Aufgrund von Hondas hoher Körpertemperatur war seine Spur die Deutlichste von
allen. Sie würde selbst in ein paar Tagen noch sichtbar sein, während die
anderen schon längst verblasst waren.
Malik zog die Schlüsselkarte durch den Scanner und Honda sah auf, als Malik die
Zelle betrat.
„Du“, murrte er. Er kniete auf dem Boden, Hände und Füße hinter seinem
Körper. Malik sah die Ketten, die ihn an die Wand fesselten. „Was willst
du?“
„Oh, willst du etwa nicht gerettet werden?“
„Nicht von dir!“
„Keine Sorge“, Malik spannte seinen Arm an und Gift tropfte von seinen
Krallen, „das hab ich auch gar nicht vor.“ Doch bevor Malik Hand an ihn
legen konnte, packte Honda ihn plötzlich am Hals und drückte ihn gegen die
Wand. Malik japste überrascht nach Luft. Honda hatte das Metall seiner Ketten
schmelzen lassen und war schon die ganze Zeit frei gewesen. Er hatte jedoch
nicht gedacht, dass es Malik wäre, der in seiner Zelle auftauchen würde.
Malik schlug mit seinen Krallen nach ihm, doch Hondas Haut war zu hart für sie.
„Ich lass nicht zu, dass du hier nochmal lebend rauskommst.“
Malik wimmerte, als die Haut an seinem Hals verbrannte. Seine Schuppen leiteten
die Hitze durch seinen ganzen Körper. Malik biss die Zähne zusammen. Er hatte
nur eine Chance. Maliks Arm schoss nach vorne und er jagte seine Krallen in
Hondas Augen, der einzige weiche Punkt am Körper eines Basani. Honda ließ ihn
sofort los und stolperte zurück. Er presste sich die Hände aufs Gesicht, doch
es war längst zu spät. Maliks Gift war in seinem Kreislauf.
Schwer atmend lehnte sich Malik gegen die Wand und fasste sich an den Hals.
Sofort zog er die Hand wieder zurück. Blut klebte an seinen Fingern. Er hatte
gelernt Schmerzen zu unterdrücken, doch im Moment fiel es ihm schwer sich auf
den Beinen zu halten. Er schloss die Augen und nahm einige tiefe Atemzüge. Das
Brennen zog sich durch seinen gesamten Körper und er spürte, wie das Blut
über seinen Hals nach unten rann.
Er schob seine Finger in den Riss des Shirts und zog daran. Er riss den unteren
Teil davon ab und wickelte ihn sich um den Hals. Malik sah auf den am Boden
liegenden Honda und fauchte. Er hatte gleich gewusst, dass er ihm gefährlich
werden konnte. Zumindest war er dieses Problem ein für alle Mal los. Er würde
den Vida und die Seiren ebenfalls aus dem Weg räumen. Malik verließ die Zelle.
Was hielt ihn davon ab, sie alle zu töten? Unruhig leckte er sich über die
Lippen.
Ein Schrei zog Maliks Aufmerksamkeit auf sich. Es war Ryou.
„Finger weg“, brüllte Ryou und drückte sich gegen die Wand. Er wand sich
in seinen Fesseln und versuchte den Berührungen des Piraten zu entgehen.
„Du wirst mich reich machen“, flüsterte der Pirat und strich Ryou über die
Wange. „Dann bin ich mein eigener Boss.“ Er lachte. „Und keiner gibt mir
mehr Befehle.“ Er strich an Ryous Federn entlang und Ryou begann
unkontrolliert zu zittern. Es gab nichts, dass er mehr fürchtete, als seine
Federn zu verlieren. Er hatte gesehen, was es mit seinen Leuten anrichtete. Er
wollte lieber sterben, als zu einer leeren Hülle zu werden; nicht mehr fähig
zusammenhängend zu sprechend, ohne zu wissen, wer er war. Allein der Gedanke
war ein Albtraum für ihn.
„Nicht“, flüsterte Ryou heiser. Er schrie, als der Pirat seine Federn grob
packte, doch er riss sie ihm nicht aus. Der Pirat lachte und schien es zu
genießen Ryou zu quälen. Er strich erneut an den Federn entlang und Ryou
schloss die Augen.
Er atmete schwer und sein Körper fühlte sich wie taub an. Würde er stehen,
hätten seine Beine nachgegeben. Wieder spürte er die langen Finger an seinen
Federn. Ryou hielt den Atem an und wartete auf den Schmerz.
Doch der kam nicht. Etwas spritzte ihm ins Gesicht und er hörte ein röchelndes
Geräusch. Seine Federn wurden losgelassen und Ryou öffnete vorsichtig die
Augen. Blut tropfte ihm auf die Lippen.
Der Pirat hatte den Mund aufgerissen und starrte röchelnd nach unten. Aus
seiner Brust ragte ein Arm und der Pirat ging in die Knie, als der Arm aus ihm
herausgezogen wurde. Malik schubste ihn zur Seite und sah auf Ryou hinunter.
Tränen standen Ryou in den Augen und seine Unterlippe bebte. Malik hatte diesen
Anblick schon oft gesehen. Er genoss ihn normalerweise, doch nicht jetzt. Es war
etwas anderes, das er fühlte, aber er konnte dem keinen Namen geben und er
mochte es auch nicht. Er war eine Schande für seine ganze Rasse.
„Alles in Ordnung?“
Ryou nickte langsam. Er konnte nicht fassen, dass Malik ihn gerettet hatte; dass
Malik überhaupt noch da war um sie zu rauszuholen.
Malik öffnete die Ketten. „Warte hier, rühr dich nicht vom Fleck“, wies er
Ryou an. „Ich hol dich, wenn’s so weit ist.“
Ryou nickte erneut und als Malik gegangen war berührte er seine Federn. Er
weinte vor Erleichterung. Wer hätte gedacht, dass es ein Notechis wäre, der
ihm das Schlimmste aller Schicksale ersparte?
Malik beeilte sich um zu Mariku zu kommen. Er rechnete nicht damit, dass sie
noch viel Zeit hatten. Es würde ihn wundern, wenn inzwischen noch niemand die
Leichen entdeckt hätte.
Mariku sah auf, als Malik seine Zelle betrat. „Du kommst spät“, sagte er
mit einem Grinsen.
„Und du siehst scheiße aus“, erwiderte Malik. Er umfasste Marikus Gesicht
mit seinen Händen. „Ist es schlimm?“
„Machst du dir Sorgen um mich?“
Mit einem genervten Seufzen ließ Malik Mariku los und öffnete seine Ketten.
„Scheint dir ja gut zu gehen.“
„Hab schon Schlimmeres erlebt, aber immerhin hat’s was gebracht und du hast
mich gefunden.“
„Ich hätte dich auch so gefunden.“
„Das ist das Romantischste, was du je gesagt hast.“
Malik verdrehte die Augen. „Kannst du laufen?“
Mariku stützte sich an der Wand ab, als er aufstand. „Au.“ Er drückte
seine Hand in seine Seite. „Dieser Bastard hat ganz schön fest zugetreten.“
Mariku ließ die Wand los und ging einige vorsichtige Schritte. „Sollte
gehen.“
Malik nickte kurz und wandte sich zum Gehen, doch Mariku hielt ihn auf.
„Was ist mit deinem Hals?“
Malik berührte den Stoff, den er darum gewickelt hatte. Er war feucht vom Blut.
„Es ist nichts. Komm jetzt endlich.“
Zusammen gingen sie zu Ryous Zelle. „Wir haben nicht mehr viel Zeit“,
erklärte Malik und sah in die Richtung in der die Tür lag.
„Was ist mit den anderen?“
„Dafür haben wir keine Zeit“, wiederholte Malik.
„Ich lass sie nicht zurück und Bakura ist auch irgendwo im Schiff.“
Malik verdrehte die Augen. Hatte er es nicht gesagt? Bevor er jedoch antworten
konnte, hörten sie Stimmen.
„Warum müssen wir jetzt überhaupt nachgucken? Die sind eingesperrt, die
haben bestimmt niemanden abgemurkst.“
„Ja, aber die zwei Vollidioten melden sich auch nicht. Der Kapitän ist voll
pissig und ich hab keinen Bock, dass der das an mir auslässt.“
„Wir müssen gehen. Sofort“, flüsterte Malik.
„Nicht ohne die anderen“, erwiderte Ryou.
Bevor Malik jedoch eine bissige Bemerkung machen konnte, mischte sich Mariku
ein: „Wie wär’s wenn ich Ryous Leute raushole und ihr sucht Bakura?“
Ryou stimmte sofort zu, während Malik noch zögerte. Ihm gefiel Marikus
Vorschlag ganz und gar nicht. Letztendlich hatte er jedoch keine Wahl und
reichte Mariku widerwillig die Schlüsselkarte.
„Wir treffen uns in der großen Halle mit den Schiffen. Da steht eine alte
Azur G40, haltet euch in der Nähe auf.“ Er leckte sich unruhig über die
Lippen. „Findest du den Weg zurück?“
„Kein Problem, hab ja genug Spuren hinterlassen.“ Mariku grinste und
rubbelte sich mit dem Ärmel über das Gesicht um das Blut loszuwerden. Seine
rechte Gesichtshälfte fühlte sich leicht geschwollen an.
„Hey!“ Die beiden Piraten hatten sie erreicht und Malik zögerte keinen
Augenblick. Er war schon auf ihre Ankunft vorbereitet gewesen. Er trat einem das
Gewehr aus der Hand und bohrte dem anderen seine Krallen unter dem Kinn in den
Kopf.
Bevor er sich jedoch dem anderen Piraten zuwenden konnte, ertönte ein Schuss
und der Pirat fiel tot zu Boden. Malik sah überrascht auf. Mariku hatte sich
das fallengelassene Gewehr geschnappt und den Piraten ausgeschaltet.
„Nimm das zweite Gewehr auch.“ Er nickte in dessen Richtung. „Versucht
Ärger aus dem Weg zu gehen und euch nicht umbringen zu lassen.“ Malik
richtete seinen Blick auf Ryou. „Komm jetzt.“
Bakuras Spur zu folgen war schwieriger für Malik, denn sein Körper strahlte
mehr Kälte als Wärme ab und seine Spur war nur noch schwach auszumachen. Malik
musste öfter stehen bleiben und sich konzentrieren. Er kniff die Augen
zusammen.
„Weißt du, wo wir hinmüssen?“, fragte Ryou leise und Malik fauchte ihn als
Antwort nur an.
Malik verschwendete keine Zeit mehr vorsichtig zu sein und räumte jeden Piraten
aus dem Weg, der ihnen begegnete. Sie hatten Glück, dass sie keiner Gruppe
begegneten, sondern immer nur einem, manchmal auch zwei, und viele von ihnen
betrunken. Malik hinterließ eine Leichenspur auf dem Piratenschiff.
„Warte hier.“ Malik streckte den Arm aus, damit Ryou stehen blieb. Sie waren
nah an Bakura dran. Die Spur war hier noch deutlicher zu sehen. „Ich geh
alleine vor.“
Ryou widersprach nicht. Er hatte den ganzen Weg beobachtet, wie Malik getötet
hatte. Schnell und ohne Zögern. Irgendwie bewunderte er ihn und fürchtete ihn
nur noch mehr. Es war ein mehr als seltsames Gefühl plötzlich auf der Seite
eines Notechis zu stehen. Ryou berührte seine Federn. Er hatte ihn sogar
gerettet. Malik rettete sie gerade alle. Ryou sah ihm hinterher. Das war die
verrückteste Reise, die er je hatte.
Malik taumelte zurück, als ein Schuss seine Schulter traf. Es war nur ein
Streifschuss und Malik hatte keine Zeit sich Gedanken darüber zu machen. Der
nächste Schuss ging über seinen Kopf hinweg. Er kratzte dem Piraten durchs
Gesicht und erst als dieser zuckend zu Boden ging, fasste sich Malik an die
Schulter. Missbilligend sah er auf das Blut an seiner Hand. Er nahm dem Piraten
die Schlüsselkarte ab und suchte nach Bakura.
Zwei Piraten saßen bei seiner Zelle, doch die hatten sich mit Alkohol selbst
ausgeschaltet. Malik ging kein Risiko ein. Sie wachten auf, als er ihnen sein
Gift injizierte, doch da war es schon zu spät. Maliks Hand ruhte auf seiner
verletzten Schulter als er die Zelle öffnete.
"Ryou!", rief er und Ryou zuckte zusammen als sein Name durch den Flur hallte.
Es war ein seltsamer Klang aus Maliks Mund.
"Lebt er noch?" Ryou traute sich nicht näher an Bakura ranzugehen. Sein Zustand
war noch schlechter als auf Abulu.
"Ja, du musst ihn tragen." Malik fasste seine Schulter fester. "Und beeil dich
verdammt noch mal."
Ryou tätschelte Bakura die Wange und war erleichtert, als dieser sich rührte.
Er hob ihn hoch und legte ihn sich über die Schulter. Maliks Verletzung jedoch
beunruhigte ihn. Würde sie ihn einschränken?
Ein Alarmsignal ließ sie beide zusammenzucken. Malik fauchte. Eilig machten sie
sich auf den Weg zurück in die Raumschiffhalle. Die Wunde ließ Maliks
Bewegungen langsamer sein, doch er gehörte nicht umsonst zu einer Rasse mit den
besten Kämpfern. Noch immer war Malik den Piraten überlegen, doch er musste
weitaus mehr Treffer einstecken. Viele waren jedoch auch überrascht einen
Notechis zu sehen, was Malik einen weiteren Vorteil verschaffte.
Malik streckte den Arm aus um Ryou zum Halten zu bringen. Malik spähte um die
Ecke. Der Gang war voller Piraten, die ihnen den Weg versperrten.
"Ich lenk sie ab. Sobald der Weg frei ist, rennst du los. Die Halle ist weiter
geradeaus, verstanden?"
Ryou nickte nur. Wäre er mit jemand anderem zusammen, hätte er vielleicht
widersprochen und selbst angeboten die Piraten abzulenken oder hätte einfach
nur viel Erfolg gewünscht, doch bei Malik war es anders. Ryou wusste nicht, ob
er wollte, dass Malik lebend aus der Sache rauskam.
Die Piraten unterhielten sich lautstark und die meisten schienen nicht zu
wissen, was überhaupt vor sich ging. Niemand bemerkte Malik, der an der Decke
über sie hinweg krabbelte.
„Hey!“ Malik ließ sich auf den Boden fallen. „Sucht ihr mich?“ Maliks
Auftauchen versetzte die Piraten in noch mehr Aufregung. Befehle wurden
durcheinander gebrüllt und auf Malik geschossen. Ohne Rücksicht auf Verluste,
was dazu führte, dass sie teilweise ihre Kameraden erschossen, was zu noch mehr
Chaos führte. Malik begann zu laufen und die Piraten verfolgten ihn. Erst, als
sie nicht mehr zu hören waren, trat Ryou in den Flur. Bakuras Gewicht fing an
seine Schulter zu belasten, er hatte jedoch keine Zeit die Seite zu wechseln.
Ryou war außer Atem als er die anderen erreichte und ließ erst mal Bakura zu
Boden gleiten, als er merkte, dass ihm hier vorerst keine Gefahr drohte.
„Wo ist Honda?“, fragte er, nachdem ihm sein Fehlen aufgefallen war.
Mariku strich sich durch den Nacken und sah Anzu und Jonouchi an. Beide hatten
den Blick gesenkt und Jonouchi scharrte mit seinen Hufen über den Boden. „Er
ist tot.“
„Was?“ Ryou trat einen Schritt auf Mariku zu und trat dabei Bakura auf die
Hand.
Bakura schreckte hoch. „Au!“ Doch niemand achtete auf ihn.
„Sag das noch mal.“
„Er lag tot in seiner Zelle.“ Mariku strich sich über den Unterarm.
„Jemand hat ihm die Augen ausgestochen.“
Ryou packte Mariku am Kragen. „Nein!“ Mariku senkte den Blick, während Ryou
ihn schüttelte. „Nein!“
„Was steht ihr da rum?“, fauchte Malik. Er packte Bakura am Arm und zerrte
ihn auf die Beine. Maliks Bein blutete und man sah deutlich die Anstrengung in
seinem Gesicht. „Rein ins Schiff.“ Schüsse trafen die Außenhülle und
Mariku duckte sich instinktiv. Ryou ließ ihn los.
„Was ist mit meinem Schiff?“
„Vergiss dein Schiff.“
Ryou blickte zu Amane. „Ich kann nicht!“
Malik stieß genervt Luft aus. „Du musst!“
Ryou presste die Lippen aufeinander. Es zerriss ihm das Herz, dass er Amane
zurücklassen musste. Nur schwerlich konnte er den Blick abwenden.
Malik ließ sich auf den Pilotensitz sinken und startete das Raumschiff. „Was
steht ihr da rum? Ich brauch einen Co-Piloten!“ Es war Anzu, die sich nach
kurzem Zögern auf den Sitz neben ihn setzte. „Kontrollier die Instrumente.“
Ryou war immer noch aufgebracht wegen Hondas Tod. Er hatte einen Verdacht und er
konnte sich nicht beruhigen, bevor er nicht Gewissheit hatte. „Hast du ihn
umgebracht?“ Er packte Malik an der Schulter. „Hast du?“
„Dafür ist jetzt keine Zeit“, fuhr Malik ihn an und schlug seine Hand
beiseite.
Doch Ryou ließ nicht locker. Er riss den Stoff von Maliks Hals. Verbrannte Haut
kam darunter zum Vorschein. Malik riss den Mund auf und zeigte seine Zähne.
Gift tropfte von den Eckzähnen.
„Ich wusste es!“, schrie Ryou. Er hätte Malik nie vertrauen dürfen. „Du
Monster!“ Malik stieß Ryou von sich, sodass dieser zurückgeschleudert wurde
und gegen Bakura prallte. Sie gingen beide zu Boden.
Anzu zitterte am ganzen Körper und war nicht mehr in der Lage die Bedienung des
Schiffs zu übernehmen. Malik stieß einen langen Zischlaut aus, dann packte er
Anzu am Arm und zog sie aus dem Stuhl.
„Mariku“, fauchte er und sah zu ihm auf. „Weißt du, wie man ein Schiff
bedient?“
„Theoretisch, ich hab das bisher nur in Simulationen geübt.“
„Das muss reichen. Hinsetzen!“
Bevor Mariku sich jedoch richtig hinsetzen konnte, beschleunigte Malik das
Schiff und Mariku musste sich an der Rückenlehne festhalten um das
Gleichgewicht nicht zu verlieren. Schwerfällig ließ er sich auf den Sitz
fallen und befolgte die Anweisungen, die Malik ihm gab.
„Haltet sie auf!“, brüllte Seto und eine blaue Flamme schoss aus seinem
Mund. „Ich will diesen Notechis!“ Als man ihm gesagt hatte, dass es ein
Notechis war, der Unruhe stiftete, hatte er seinen Ohren nicht trauen können.
Selbst als er ihn gesehen hatte, konnte er es immer noch nicht fassen. Er hatte
in den letzten 150 Jahren keinen Notechis mehr gesehen. Er wäre unbezahlbar.
„Wir können sie nicht aufhalten, Kapitän.“
Seto schlug mit der Faust auf den Tisch. Dieser zerbrach unter der Wucht.
„Dann schießt sie vom Himmel!“ Lieber sah er sie alle tot, als dass sie ihm
entkamen. Sein Ruf wäre ruiniert, wenn sich das herumspräche. Ryou würde ihm
nicht schon wieder auf der Nase herumtanzen.
Eins der geparkten Raumschiffe explodierte neben ihnen und drohte die Azur G40
zur Seite zu schieben. Mit zusammengebissenen Zähnen steuerte Malik dagegen.
„Mariku!“, presste er hervor. „Mehr Beschleunigung.“
Mariku schob den Hebel nach vorne und das Raumschiff schoss nach vorne. Eine
erneute Explosion hob das Heck an und sorgte fast dafür, dass sie sich
überschlugen. Mariku krallte sich in die Armlehne.
„Verdammt, verdammt, verdammt“, fluchte Malik und starrte verbissen nach
vorne. Das Tor, das nach draußen führte, begann sich zu schließen. Mariku
betete zu allen Göttern, die er kannte. Ob alt, ob neu, im Moment war ihm das
egal. Er umklammerte den Beschleunigungshebel als könnte er damit dafür
sorgen, dass sie noch schneller wurden.
Mariku kniff die Augen zusammen. Ihm war schlecht vor Aufregung und dass das
Schiff durchgeschüttelt wurde, machte es nicht besser.
Eine Erschütterung ging durch das Schiff, als sie in letzter Sekunde durch die
Schleuse flogen. Ein Stück am Heck des Schiffes wurde abgerissen und sie
überschlugen sich. Maliks Hände flogen regelrecht über die Steuerungskonsole
und sorgten dafür, dass sich das Raumschiff wieder richtig drehte.
Mariku öffnete vorsichtig die Augen. Vor ihnen erstreckte sich das Weltall,
doch noch waren sie nicht in Sicherheit. Es wurde immer noch auf sie geschossen.
Mariku wurde fast aus seinem Sitz gerissen, als die Azur G40 erneut getroffen
wurde. Die Elektronik flackerte und fiel anschließend aus. Malik stieß einen
wütenden Schrei aus. Er hämmerte auf die Knöpfe, doch es brachte nichts.
„Egal. Wir müssen springen.“
„Das ist Wahnsinn!“, schrie Anzu.
„Hierzubleiben auch“, erwiderte Malik scharf. „Mariku,
Hyperraumantrieb.“ Mariku zögerte nicht. Wenn sie blind sprangen, dann gab es
keine Gewissheit wo sie landen würden. Sie könnten direkt in eine Sonne
springen, doch wenn sie es nicht wagten, dann würden sie ganz sicher sterben.
Der Sprung mit einem beschädigten Schiff gehörte nicht unbedingt zu den
angenehmsten Dingen. Das ganze Schiff vibrierte und Mariku fühlte sich wie in
einer Achterbahn.
Das Erste, was sie sahen, als sie aus dem Hyperraum kamen, war die Außenhülle
eines anderen Schiffes. Malik drehte die Steuerung so heftig herum, dass ein
Teil davon abbrach. Sie schrammten an dem anderen Raumschiff entlang und kamen
schließlich zum Stehen.
Mariku atmete erleichtert aus. Schweiß rann ihm über die Stirn und sein Herz
raste. Er lehnte sich zurück, doch er war der einzige, der erleichtert zu sein
schien.
„Nein“, flüsterte Ryou und sank auf die Knie. „Nein.“ Er drückte sich
die Hände gegen den Kopf und schüttelte ihn heftig. „Nein, nein.“ Seine
Augen waren panisch aufgerissen. Bakura legte ihm die Hand auf den Rücken und
strich sanft darüber. Sein Blick war nach draußen gerichtet. Jonouchi und Anzu
saßen auf dem Boden und starrten ebenfalls nach draußen.
Mariku hob den Blick. Die Außenhülle zierte eine Art Wappen, doch Mariku hatte
es noch nie zuvor gesehen. Es war ein aufgerissenes Maul voll spitzer Zähne und
ein Auge in der Mitte.
„Was ist los?“, fragte er und sah vor allen Dingen Malik an. Auch Malik
starrte nach draußen. Er hatte sich die Unterlippe blutig gebissen.
Malik schloss die Augen um den Anblick des Wappens nicht mehr ertragen zu
müssen. Er wäre lieber zu seiner Hinrichtung gegangen.
Kapitel 13
„Festhalten“, sagte Malik und öffnete die Augen. Er packte die Steuerung
und das Schiff raste rückwärts. Malik wollte einfach nur weg. Weg von dem
Symbol, welches ihn regelrecht zu verspotten schien.
Ryou hob überrascht den Blick und auch die anderen schienen von Maliks
Fluchtversuch verwirrt zu sein. Ausgerechnet er wollte verschwinden?
Ryou sah Bakura an, der jedoch auch nur ratlos mit den Schultern zuckte.
„Warum tust du das?“, fragte Ryou nach, doch Malik gab ihm keine Antwort. Er
starrte nur verbissen nach draußen und wollte so viel Abstand zwischen sich und
das andere Raumschiff bringen wie möglich.
Ihre Flucht kam jedoch zu einem abrupten Halt, als sie in einen Fangstrahl
gerieten. Das andere Schiff hatte sie bemerkt. Ryou wimmerte und senkte den
Blick. Es gab einfach kein Entkommen.
Malik biss die Zähne zusammen und steuerte dagegen. Mariku sah, wie sich seine
Finger um die Steuerung krampften. Maliks Körper war angespannt. Mariku
richtete seinen Blick auf das andere Raumschiff. Was ging hier vor? Was
erwartete sie, dass selbst Malik davor weglaufen wollte?
Die Steuerung brach schließlich komplett und Malik schleuderte sie mit einem
wütenden Schrei gegen die Scheibe. Er stützte sich mit den Ellenbogen auf der
Konsole ab und vergrub seine Finger in seinen Haaren.
„Was ist los?“, fragte Mariku erneut und hoffte diesmal eine Antwort zu
bekommen.
Malik sah ihn kurz an und richtete seinen Blick anschließend wieder nach
draußen. Er betrachtete das Wappen, das langsam wieder näher kam; die
Zahnreihen eines Notechis und das allessehende Auge in der Mitte. Das Zeichen
seines Vaters. Er hatte es selbst jahrelang mit Stolz auf seiner Uniform
getragen.
„Notechis“, antwortete er schließlich.
Die Abneigung in seiner Stimme überraschte Mariku. „Deine Leute?“, fragte
er erstaunt nach. Warum wollte Malik vor ihnen fliehen? Sollte er sich nicht
freuen? Was ging hier vor?
Mariku sah nach draußen. Was würde sie im Inneren des Schiffes erwarten? Er
sah wieder Malik an. Was würde Malik erwarten?
Niemand sprach, während sie in das Schiff gezogen wurden. Ryou kniete immer
noch auf dem Boden, die Augen wieder zu Boden gerichtet und weit aufgerissen,
die Hände gegen seinen Kopf gepresst. Mariku sah Jonouchi und Anzu an, die
ebenfalls ihre Blicke gesenkt hatten. Jonouchi schabte unruhig mit seinen Hufen,
während Anzus Körper eine hellblaue Farbe angenommen hatte und schon fast
durchsichtig wirkte.
Malik hatte seinen Kiefer angespannt und starrte missmutig nach draußen. Jeder
Versuch ihn anzusprechen, endete mit einem zornigen Fauchen.
Als sie im Inneren des Notechis-Raumschiffs aufsetzten, öffnete Malik die Luke.
Es hatte sowieso keinen Sinn, das Unvermeidliche noch weiter hinauszuzögern.
Außerdem war er jetzt wieder unter den Seinen und ein anderes Verhalten wäre
nur verdächtig gewesen.
Den Schritten nach war es nur ein Notechis, der das Schiff betrat. Sie
betrachteten sie also nicht als Bedrohung. Wobei sein Volk niemanden wirklich
als Bedrohung ansah. Malik hörte das leise Tippen von Krallen auf Metall. Keine
Schuhe. Viele Notechis bevorzugten nackte Füße, da sie besseren Halt
gewährten als Schuhe. Malik sah auf seine eigenen Füße hinunter. Er hatte
Marikus Schuhe in Amane zurückgelassen, davor hatte er auch keine getragen.
Als der Notechis das Cockpit betrat, sah niemand ihn an außer Mariku. Seine
Schuppen waren grün und nicht lila, wie Maliks. Im Gegensatz zu Malik hatte er
einen vollständig beschuppten Schwanz, der ihm bis zu den Knien reichte. Auch
seine Augen waren grün. Er schien älter zu sein als Malik, wirkte aber immer
noch jugendlich auf Mariku. Es war für ihn unmöglich sein Alter
einzuschätzen.
„Alle auf die Knie“, zischte der Notechis und lispelte dabei noch stärker
als Malik.
Mariku sank von seinem Stuhl und senkte den Kopf, ließ den Notechis aber nicht
aus den Augen. Diesmal würde er kein Risiko eingehen. Er hatte wirklich schon
genug Wunden und mit Maliks Leuten war wirklich nicht zu scherzen.
Malik war der einzige, der sitzen blieb und dem Notechis auch weiterhin den
Rücken zuwandte. Er hatte die Augen geschlossen und sammelte sich. Er war weich
geworden in den letzten Tagen, doch so etwas konnte er sich in Gegenwart seiner
Artgenossen nicht leisten.
„Hey du, wertloser Abschaum. Bist du zu dumm mich zu verstehen?“ Der Tonfall
des Notechis war herablassend und leicht spöttisch und Mariku erkannte dieselbe
Überheblichkeit, die auch Malik gerne zur Schau stellte. Er fühlte sich ihnen
überlegen und im Moment war er das auch, zumindest bis Malik aufstand und ihn
schneller, als er reagieren konnte, gegen die Wand drückte. Maliks lange Finger
schlossen sich um seine Kehle und der Notechis starrte ihn mit weit
aufgerissenen Augen an. Er wollte etwas sagen, doch Maliks Griff verhinderte
das.
Seinem Blick nach wusste er, dass er einen tödlichen Fehler begangen hatte. In
Maliks Blick dagegen brannte der Zorn. Er drückte ihm weiter die Kehle zusammen
und der Notechis wehrte sich noch nicht einmal.
„Ich hasse Respektlosigkeit“, zischte Malik in seiner Muttersprache und
seine Krallen durchdrangen die schützenden Schuppen am Hals seines Artgenossen.
Blut rann über seine Finger und der Notechis versuchte erneut etwas zu sagen,
doch mehr als Röcheln brachte er nicht mehr heraus, bevor Malik ihm die Kehle
herausriss.
Der leblose Körper des Notechis fiel zu Boden und Blut floss um Maliks Füße.
„Malik“, begann Mariku, doch Malik fauchte ihn nur an und brachte ihn damit
wieder zum Schweigen. Mariku presste die Lippen aufeinander und starrte auf den
toten Alien, nur wenige Zentimeter von ihm entfernt. Langsam floss das Blut auf
ihn zu. Er sah wieder hoch zu Malik, der immer noch einen Teil des Halses in
seiner Hand hielt. Blut tropfte ihm von den Fingern. Er hatte einen seiner
eigenen Leute getötet – was ging hier vor?
Von draußen war noch mehr Zischen zu hören. Es klang wie Rufe. Als niemand
antwortete, waren schnelle Schritte zu hören und zwei weitere Notechis tauchten
auf. Einer von ihnen hatte einen Schwanz, jedoch kürzer, als der des Toten, der
andere hatte keinen. Sie hatten beide blaue Schuppen. Erst zeichnete sich Wut
auf ihren Gesichtern ab, als sie ihren toten Kameraden sahen, doch als ihr Blick
auf Malik fiel war die Überraschung groß.
Ungeachtet des Blutes sanken sie respektvoll auf die Knie. „Commander
Malik.“
Maliks Körper entspannte sich leicht. Er war schon lange nicht mehr so
angesprochen worden.
„Wer befehligt das Schiff?“
Mariku sah zwischen Malik und den anderen Notechis hin und her. Sie unterhielten
sich in ihrer Muttersprach, weshalb er kein Wort verstand, doch niemand schien
sich für den Toten zu interessieren.
Plötzlich war von draußen eine weitere Stimme zu hören. Allein ihr Klang ging
Mariku durch Mark und Bein. Sie grub sich tief in seine Psyche und schürte eine
Furcht in ihm, die er sich nicht erklären konnte. Plötzlich raste sein Herz
und ihm lief es eiskalt den Rücken hinunter. Er war jedoch nicht der einzige,
der eine Reaktion zeigte.
Nur für einen Augenaufschlag war blanke Furcht auf Maliks Gesicht zu sehen,
bevor sein Gesichtsausdruck wieder starr wurde.
Der Notechis, der eintrat, war größer als Malik und Mariku. Er hatte breite,
muskulöse Schultern, seine Haare waren schneeweiß und seine Schuppen blutrot.
Eine Narbe zierte seine Wange und sein Schwanz strich über den Boden.
Maliks Körper verspannte sich und Mariku sah, wie er seine Hände zu Fäusten
ballte um ihr Zittern zu unterdrücken.
„Malik.“ Kura lächelte, doch auf Mariku wirkte es wie ein Raubtier, dass
seine Beute anlächelte. „Es freut mich dich lebendig zu sehen.“ Er kam
näher und strich Malik über die Wange. Sein Schwanz wickelte sich um Maliks
linke Wade, als wollte er ihn damit davon abhalten wegzulaufen.
Malik zuckte leicht zurück. Die Berührung war ihm sichtbar unangenehm. Er
schaffte es auch nicht dem Blick des Anderen standzuhalten.
„Lass ihn in Ruhe.“ Mariku mischte sich ein, obwohl er wusste, dass es ein
Fehler war. Er konnte es nur nicht ertragen Malik so zu sehen.
Kura wandte sich Mariku zu und sein Schwanz ließ von Malik ab. Das Lächeln war
verschwunden, stattdessen zeichnete sich Abscheu auf seinem Gesicht ab. Kura
trat einen Schritt näher auf Mariku zu und sein Schwanz legte sich um Marikus
Hals. Mariku war wie erstarrt, während der Schwanz sich fester um seinen Hals
schlang und ihn hochhob. Immer stärker wurde ihm die Luft abgedrückt und er
hob verzweifelt die Hände. Seine Finger krallten sich am Schwanz fest, doch die
Schuppen waren zu hart um ihnen mit einfachen Fingernägeln etwas anhaben zu
können.
Schwarze Punkte tanzten vor Marikus Augen und er atmete nur noch flach. Mariku
schloss die Augen. Alles schien sich zu drehen. Seine Arme sanken nach unten und
es fühlte sich an, als würden seine Beine taub werden.
„Hör auf“, sagte Malik in der Handelssprache.
Überrascht über Maliks Einmischung ließ Kura Mariku los und der saugte hastig
Luft in seine Lungen. Seine Arme zitterten und er ließ sich zurücksinken um
sich gegen seinen Stuhl zu lehnen. Das war knapp.
„Dein neuer Freund?“, fragte Kura mit einem leichten Grinsen. Malik
antwortete nichts und Kura kam wieder näher. „Du riechst nach ihm.“
„Ich war gezwungen eine Weile bei ihm zu sein“, erwiderte Malik kühl.
Das Grinsen von Kuras Gesicht verschwand und es lag ein schon fast bedrohlicher
Ausdruck in seinen Augen. „Dein Wärmebild hat sich seinem angepasst.“
„Willst du irgendetwas andeuten?“
Kura schwieg einige Sekunden, dann kehrte das Grinsen zurück. „Natürlich
nicht.“ Er wandte sich zu den beiden Notechis zu, die immer noch auf ihren
Knien waren. „Legt sie in Ketten. Wir nehmen heute ausnahmsweise mal
Gefangene.“
Malik folgte Kura aus dem Schiff und würdigte Mariku beim Hinausgehen keines
Blickes.
„Was willst du mit diesem Abschaum?“
„Sie endlich langsam und qualvoll umbringen, zuvor waren sie
bedauerlicherweise noch nützlich.“
„Du könntest es gleich tun.“
„Nein, ich will mir Zeit lassen. Sie haben meine ganz besondere Aufmerksamkeit
verdient.“ Ein kleines Grinsen legte sich auf Maliks Lippen und er hoffte,
dass Kura nicht merkte, dass es falsch war.
Die Soldaten, an denen sie vorüber gingen salutierten respektvoll als sie Malik
sahen. Sie zollten Malik mehr Respekt als Kura, obwohl dieser ihr direkter
Vorgesetzter war. Kura verzog missbilligend das Gesicht. Aber Malik war nun mal
der legitime Sohn des Herrschers, wohingegen er nur ein Bastard war.
„Vater wird sich freuen, zu erfahren, dass du noch lebst.“
„Erlaubt er dir denn inzwischen, dass du ihn Vater nennst?“ Kura zischte
wütend, sagte jedoch nichts. „Ich will mit ihm reden, aber erst muss ich
diesen Schmutz loswerden.“ Er zog an den Fetzen, die von Marikus Shirt übrig
waren.
„Natürlich, alles was du willst“, sagte Kura mit einem übertriebenen
Lächeln. Malik sah die Verachtung in seinen Augen. Er war es gewohnt von Kura
so angesehen zu werden.
„Du hast übrigens einen meiner Männer umgebracht.“
Malik sah zu Kura auf und hob eine Augenbraue. „Und?“
„Er war ein guter Soldat.“
„Dann hättest du ihm Respekt beibringen sollen, wobei“, er machte eine
kleine Pause, „du bist auch nicht besser.“
Kura drückte Malik gegen die Wand. Sie waren allein. „Pass auf, was du
sagst“, er strich Malik über die Wange und hinunter zu seinem verwundenen
Hals. Malik konnte gerade noch verhindern, dass er zusammenzuckte. Er durfte vor
Kura keine Schwäche zeigen. Er durfte nicht wieder schwach sein. „Oder du
wirst es bereuen.“
Malik schlug Kuras Hand beiseite. „Ich glaube, du vergisst deine Stellung.“
Er ging weiter, während das Herz ihm bis zum Hals schlug. Kura holte wieder zu
ihm auf und drückte ihn mit dem Gesicht gegen die Wand.
„Ich glaube eher, du hast deine vergessen“, flüsterte er und ließ seine
Zunge an Maliks Ohr entlang gleiten.
Malik fauchte und rammte seinen Ellenbogen gegen Kuras Brust. Dieser stolperte
kurz zurück und Malik wandte sich ihm zu. Er fletschte die Zähne und Kura
lachte. Trotz Maliks Drohgebärde trat er wieder näher.
„So gefällst du mir am besten.“ Er grinste und kam Malik so nahe, dass ihre
Lippen sich fast berührten. „Ich kann’s kaum erwarten, bis wir wieder
zurück sind.“
Sie hörten Stimmen und Kura trat zwei Schritte zurück. Zwei Soldaten grüßten
sie respektvoll, als sie an ihnen vorbeigingen. Malik sah ihnen hinterher, dann
richtete er seinen Blick auf Kura. „Jetzt bring mich endlich auf ein freies
Zimmer.“
„Hier kannst du’s dir bequem machen.“ Kura machte eine einladende
Handbewegung in den Raum hinein.
Malik erwiderte nichts darauf, sondern betrat das Zimmer und war froh, als sich
die Tür hinter ihm schloss und Kura draußen blieb. Malik atmete tief durch.
Allein Kuras Nähe setzte seinen Körper unter Stress. Früher hatte er es noch
nicht so schlimm empfunden. Malik schüttelte kurz den Kopf und verdrängte die
aufkeimenden Erinnerungen. Er sah sich kurz um. Die Kabine war groß, hatte aber
nur spärliche Ausstattung.
Als Malik sich das Shirt ausziehen wollte, zuckte er zusammen. Er ließ die Arme
sinken und fasste sich an die Schulter. Der Streifschuss schmerzte mehr als
erwartet. Malik rieb sich die Schulter. Es war lange her, seit er das letzte Mal
angeschossen worden war.
Langsam zog er das Shirt aus und betrachtete den Fetzen Stoff, der einmal Mariku
gehört hatte. Malik knüllte es zusammen und warf es auf das Bett. Hätte er
seine Zeit nicht damit verschwendet sie zu befreien, dann wäre er jetzt nicht
hier.
Er zog auch den Rest der Kleidung aus und betrachtete die Wunde an seinem Bein.
Als er getroffen worden war, hatte es gebrannt wie Feuer, doch jetzt merkte er
kaum noch etwas davon. Er strich mit den Finger über die verkrustete Haut. Es
hatte nur leicht geblutet.
Malik seufzte und betrat das Badezimmer. Der Anblick im Spiegel war ihm
vertraut: Blut klebte in seinem Gesicht, an seinem Oberkörper und seinen
Händen, aber im Gegensatz zu früher sahen seine Augen ihn müde an.
Er betrachtete seine anderen Verletzungen genauer. Der verbrannte Hals machte
ihm am meisten Sorgen, doch zumindest war seinen Halsschuppen nichts passiert.
Beschädigte Schuppen heilten nicht.
Die Wunde an der Schulter ging doch tiefer als ein Streifschuss. Malik biss die
Zähne zusammen und dehnte die Haut um die Wunde mit den Fingern. Es trat kein
Blut aus, was zumindest ein gutes Zeichen war.
Er drehte das Wasser auf und obwohl es eiskalt war, blieb er regungslos darunter
stehen. Er ignorierte das Brennen in seiner Schulter und an seinem Hals. Das
Blut verfärbte das Wasser bis es ein dreckiges Braun annahm. Malik lehnte sich
nach vorne und stützte sich an der Wand ab.
Er kehrte also nach Hause zurück. Dort konnte er Mariku und die anderen dann
nicht mehr schützen. Er konnte sich gegen alles stellen, aber nicht gegen sein
eigenes Volk. Er schlug mehrmals gegen die Mauer und hinterließ einen Riss. Sie
würden befragt werden und anschließend solange gequält bis sie tot waren.
Malik biss sich auf die Unterlippe und sein Blut mischte sich ebenfalls mit dem
Wasser. Egal wie sehr er sich den Kopf zerbrach, er fand keine Lösung. Es gab
kein Entkommen aus den Fängen der Notechis.
Malik hob den Kopf und ließ sich das Wasser aufs Gesicht prasseln. Letzten
Endes war doch alles umsonst gewesen.
Jemand hatte ihm frische Kleidung gebracht, die ordentlich zusammengefaltet auf
dem Bett lag. Marikus Sachen waren verschwunden.
Der Kampfanzug, den die Notechis für gewöhnlich trugen, schmiegte sich wie
eine zweite Haut an Maliks Körper. Sie hatten auch eine Art Freizeitkleidung,
für gewöhnlich zweiteilig und auch enganliegend, damit die Bewegungsfreiheit
gewahrt blieb.
Das Wappen seines Vaters prangte auf seiner linken Brust.
Malik setzte sich aufs Bett und strich über die unberührte Decke. Er wollte
Mariku sehen, doch er konnte es nicht wagen zu ihm zu gehen. Kura ahnte etwas,
so wie immer. Er schien eine Gabe dafür zu haben, die Dinge zu finden, die
Malik etwas bedeuteten... und sie dann kaputt zu machen. Malik presste die
Lippen zusammen. Das war schon immer so gewesen. Kura war viele Jahre älter als
er, doch er war an seiner Seite aufgewachsen. Lange war Kura wie ein Bruder für
ihn gewesen, was er auch eigentlich war, bis Malik gelernt hatte, dass Kura ihn
abgrundtief hasste. Natürlich hatte Kura ihm das nie direkt gesagt, aber er sah
es in seinen Augen. Außerdem nutzte er jede Gelegenheit ihn zu demütigen.
Zumindest, wenn sie allein waren. Kura wusste genau, das, wenn jemand mitkam,
dass er respektlos mit Malik umging, sein Leben so gut wie vorbei war.
Malik ließ sich zurücksinken. Und jetzt hatte er Mariku im Visier. Warum hatte
sich dieser Idiot auch einmischen müssen? Wieso konnte er nicht einmal die
Klappe halten? Malik konnte sich nicht mal vorstellen, in welche Schwierigkeiten
er sich damit gebracht hatte.
Malik verließ seine Kabine. Er brauchte niemanden, der ihm den Weg in die
Zentrale zeigte. Notechis-Schiffe hatten grundsätzlich denselben Aufbau.
Schon beim Eintreten sah er das Hologramm seines Vaters. Kura trat zur Seite und
Malik stellte sich vor das Hologramm. Er war das jüngere Abbild seines Vaters.
„Es ist also wahr. Du lebst.“
„Wie du siehst.“ Sein Vater und er hatten immer ein kühles Verhältnis
zueinander gehabt. Sein Vater sah in ihm nur seinen Nachfolger und nicht
wirklich seinen Sohn. Früher hatte er regelrecht nach der Anerkennung seines
Vaters gelechzt, doch inzwischen könnte es ihm nicht gleichgültiger sein.
„Wir haben lange nach dir gesucht.“
Natürlich hatte man nach ihm gesucht. Und zwar nur nach ihm. Nicht nach den
drei Soldaten, die bei ihm gewesen waren.
„Hätte man mich nicht mit hirnlosen Amateuren auf diese Mission geschickt,
dann wäre das gar nicht nötig gewesen. Ich konnte nichts ausrichten, dank
diesem nutzlosen Pack. Ich saß auf einer verlassenen Raumstation fest und dann
musste ich mich auch noch mit Abschaum abgeben um überhaupt irgendwie dort
wegzukommen.“ Malik redete sich in Rage, auch wenn es nur gespielt war. Es war
nicht sein Plan gewesen auf der Raumstation festzusitzen, aber wütend war er
nur darüber, dass er jetzt auf dem Weg nach Hause war.
Er sah wie sein Vater missbilligend das Gesicht verzog. „Ich erwarte einen
vollständigen Bericht bei deiner Rückkehr.“
„Natürlich, Vater.“ Malik wandte sich zum Gehen. Für ihn war das Gespräch
beendet.
„Malik.“ Der Angesprochene blieb stehen, drehte sich jedoch nicht um. „Ich
bin froh, dich lebendig zu sehen, mein Sohn.“
Malik verließ den Raum, ohne etwas darauf zu erwidern. Ja, jeder schien so froh
zu sein, dass er lebte... außer er selbst.
Mariku versuchte eine bequeme Sitzposition zu finden, was nicht sehr einfach
war. Seine Hände waren auf seinen Rücken gefesselt, doch diesmal nicht mit
Metallketten, sondern mit einer Art Energiefesseln, die kaum Bewegung zuließen,
wenn man sich nicht die Haut aufbrennen wollte.
Zumindest waren sie diesmal alle zusammen, wobei Mariku in der Dunkelheit nur
die Umrisse der anderen sehen konnte. Jonouchi war neben ihm und Bakuras und
Ryous weiße Haare schimmerten leicht.
Trotz seiner Situation machte sich Mariku jedoch mehr Sorgen um Malik, als um
sich selbst. War mit ihm alles in Ordnung? Wer war dieser Kerl? Wenn er Malik
auch nur anfasste... Mariku murrte. Nichts tun zu können, machte ihn
wahnsinnig. Er seufzte und ließ seinen Blick schweifen, auch wenn er in der
Dunkelheit nicht viel sah. Sie schlitterten wirklich von einer Katastrophe in
die nächste. Wie würde es mit ihnen weitergehen? Diesmal konnten sie wohl
nicht mit Maliks Hilfe rechnen. Er konnte sich nicht gegen seine eigenen Leute
stellen.
Mariku legte den Kopf in den Nacken. Auch wenn Malik nicht glücklich darüber
schien, dass er nach Hause zurückkehrte. Was war der Grund dafür? Mariku
konnte sich nicht vorstellen, dass es nur mit diesem Kerl zusammenhing, auch
wenn Malik klar Angst vor ihm hatte.
Mariku kniff die Augen zusammen, als plötzlich Licht in ihre Zelle fiel. Er
drehte den Kopf zur Seite bis das Licht wieder verebbte und nur noch ein sanfter
Schein in die Zelle erhellte.
Kura hockte vor ihm und betrachtete Mariku. Er packte ihn am Kinn und drehte
seinen Kopf hin und her. „Schwächlicher Abschaum.“ Er lispelte stark, was
seiner Stimme die Schärfe nahm, doch ein bedrohlicher Unterton schwang trotzdem
mit. „Was findet er an dir?“
Mariku versuchte seine Miene unbewegt zu lassen. Er durfte nicht auf ihn
reagieren. Sein Volk war sicher nicht erfreut darüber, dass sich Malik auf
einen Menschen eingelassen hatte. Es war also besser, wenn das zwischen ihnen
ein Geheimnis blieb. Und diesem Typen würde er sowieso nichts erzählen.
„Na, wie stehst du zu meinem kleinen Bruder?“
Marikus Augen weiteten sich überrascht. Maliks Bruder? Das war sein Bruder? Das
konnte nicht sein. Er starrte ihn an, sah ihm in die Augen, die dieselbe Farbe
hatten wie Maliks.
„Hat mich nicht erwähnt, hm?“ Kura grinste und der Druck, den er auf
Marikus Kinn ausübte verstärkte sich. „Gefällt er dir?“
Mariku presste die Lippen aufeinander. Warum hatte Malik Angst vor seinem
eigenen Bruder? Kuras Schwanz legte sich langsam um seinen Hals. Noch drückte
er nicht zusammen.
„Spielst dich als sein Beschützer auf, hm?“
Er würgte Mariku leicht.
„Ich hab... keine Ahnung... wovon du redest“, brachte Mariku hervor und
versuchte seine Lungen mit Sauerstoff zu füllen. Der Würgegriff wurde stärker
und das Grinsen auf Kuras Gesicht breiter.
„Natürlich nicht“, sagte er schließlich und ließ Mariku los. „Was
könntest du ihm schon bieten?“ Er stand auf und wandte sich zum Gehen, doch
kurz vor der Zellentür drehte er sich um und kehrte zurück. Wieder ging er vor
Mariku in die Hocke.
„Hast du sie gesehen?“ Sein Grinsen war so abartig, Mariku hätte es ihm am
liebsten aus dem Gesicht geschlagen. „Die Narben auf seinem Rücken?“ Mariku
spannte seinen Körper an. Plötzlich schlug ihm das Herz bis zum Hals. Kura
strich Mariku über die Wange, dann stand er auf und sah verächtlich auf ihn
hinunter. „Das war ich.“
Mariku konnte sein Pokerface nicht mehr aufrecht erhalten. Wut und Hass fluteten
seinen Körper. Er zerrte an den Fesseln und ignorierte den Schmerz, der dadurch
durch seinen Körper schoss. Er war nicht stark genug es mit dem brennenden Zorn
in ihm aufzunehmen. „Du verfluchter Bastard!“
Es knackte gefährlich, als Marikus Kopf zu Seite flog. Er schrie auf. Der
Schmerz zog sich von seinem Nacken über seine gesamte Wirbelsäule nach unten.
Er hatte jetzt eine gute Vorstellung davon, wie sich ein gebrochenes Genick
anfühlen musste.
Warmes Blut lief ihm übers Gesicht, wo Kuras raue Schuppen ihm eine
Gesichtshälfte aufgerissen hatten. Er konnte sein linkes Auge nicht mehr
öffnen.
Kura hatte ihm mit voller Wucht seinen Schwanz ins Gesicht geschlagen. „Ich
werd’s genießen dich umzubringen!“, zischte er. „Ich werd dir jeden
Knochen im Leib brechen und dir anschließend die Haut abziehen. Ganz langsam
und Malik wird dabei zusehen.“
Mariku reagierte nicht darauf. Er konnte sich kaum noch bei Bewusstsein halten.
Außerdem traute er sich nicht den Kopf zu drehen.
Die Dunkelheit kehrte zurück, als Kura ging.
„Mariku? Bist du in Ordnung?“ Er hörte zwar Bakuras Worte, aber war nicht
mehr in der Lage sie zu verarbeiten. „Mariku?“
Mariku gab einen undefinierten Laut von sich. Seine Zunge fühlte sich an, als
würde sie ihm gar nicht gehören. Er schmeckte Blut in seinem Mund. Warum hatte
er nur den Mund aufgemacht? Konnte er nicht einmal die Klappe halten? Aber
allein der Gedanke, dass dieser Dreckskerl Schuld an Maliks Narben war, machte
ihn rasend. Und dann war er auch noch sein Bruder! Mariku wimmerte. Er hing in
seinen Fesseln und konnte kaum seinen Oberkörper aufrecht halten.
Er musste zu Malik. Er musste ihn vor diesem Kerl beschützen.
Malik hatte sich auf dem Bett zusammengerollt und strich über die freie Fläche
neben sich. Es war seltsam, wie schnell er sich an Marikus Nähe gewöhnt hatte
und wie sehr er ihn vermisste. Er sah sein grinsendes Gesicht vor sich und
schlug wütend auf die Matratze. Mariku hatte alles durcheinander gebracht, nur
wegen ihm war er jetzt in dieser Situation. Er hätte ihn umbringen sollen.
Malik schauderte, als er plötzlich daran dachte, wie Mariku ihn berührt hatte.
Er spürte die Hitze in sich, die sonst nur die Sonne in ihm verursachte. Er
wollte ihn sehen, aber er konnte es nicht riskieren Kuras Aufmerksamkeit noch
weiter auf ihn zu lenken.
Malik drehte sich auf den Rücken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
Was würde passieren, wenn er zurückkehrte?
Nichts.
Es würde alles seinen gewohnten Gang gehen, als wäre er nie weggewesen. Ein
paar Tage Erholung bis alle Wunden verheilt waren und dann würde er wieder das
tun, was von ihm erwartet wurde. Er war nicht nur Sohn des Herrschers, sondern
auch Commander. Er würde Soldaten befehligen und weitere Vorbereitungen für
den kommenden Krieg treffen.
Malik schloss die Augen.
Einen Krieg, den er nicht wollte.
Er hatte schon einmal in einem Krieg gekämpft. Es genossen zu töten und zu
quälen. Er hatte Familie zerrissen, nur um sich am Leid der Hinterbliebenen zu
ergötzen. Er hatte jeden Befehl ausgeführt, je grausamer, desto besser. Malik
verspürte keine Scham über das was er getan hatte. Er empfand kein Mitleid
für die, die unter ihm und seinem Volk gelitten hatten, doch er vermisste es
auch nicht.
Er war aufgewachsen in dem Glauben, das die Notechis unsterblich waren, dass
niemand sie besiegen konnte.
Sie waren stolz und mächtig gewesen, blutdurstig und nicht aufzuhalten.
Bis die Supernova kam.
Und plötzlich waren sie am Boden gewesen.
Keine Heimat mehr.
Fast ausgerottet.
Die stolzen Notechis plötzlich nur mehr ein Schatten ihrer selbst. Krankheit
und Wahnsinn hatten um sich gegriffen und noch mehr von ihnen dahingerafft.
Hunger hatte sie zu Feinden werden lassen.
Die Bilder des Elends hatten sich tief in Maliks Gedächtnis gebrannt. Er liebte
sein Volk zu sehr um es noch einmal so zu sehen. Er wollte diesen Krieg nicht,
doch damit stand er allein. All die Jahre hatte sein Vater daraufhin gearbeitet
und das Volk hatte ihn unterstützt.
So waren sie nun einmal: kampflustig und blutdurstig.
Wieso konnte niemand sehen, dass es Wahnsinn war?
Sie würden nicht wie damals einem zusammengewürfeltem Haufen unerfahrener
Soldaten gegenüberstehen, sondern einer Allianz, die Jahrzehnte lang Soldaten
ausgebildet hatte, nur um sicherzustellen, dass ein Krieg wie damals nicht
wieder passieren würde.
Was hatten sie dem entgegenzusetzen? Ein paar Veteranen und einen Haufen
Grünschnäbel, die von einem richtigen Kampf keine Ahnung hatten.
Malik wollte kein Teil dieses Kriegs sein, deshalb hatte er sich auf diese
Mission schicken lassen, deshalb hatte er die drei Soldaten umgebracht, die bei
ihm gewesen waren. Er hatte verschwinden wollen. Erst die Veri-Galaxie und
anschließend vielleicht noch weiter.
Er wollte keiner von denen sein, die sein Volk mit offenen Augen ins Verderben
führten.
Doch jetzt kehrte er nach Hause zurück und er würde wieder Commander Malik
sein und einen Krieg planen.
Kapitel 14
Malik stand auf der Kommandobrücke und beobachtete, wie der Planet, auf dem
sich die Notechis niedergelassen hatten, langsam näher kam. Malik weigerte
sich, ihn als seine Heimat zu bezeichnen. Obwohl er schon viele Jahre dort
gelebt hatte und die Vegetation der seines Heimatplaneten sehr ähnlich war,
fühlte sich Malik immer noch fremd. Eher wie ein Parasit als ein Bewohner.
Malik beobachtete die Vorgänge der Notechis, die das Schiff steuerten. Manche
von ihnen kannte er, doch die meisten waren noch jung und kratzten gerade mal
ans Erwachsenenalter. Malik würde ihnen noch mindestens 100 Jahre geben, bevor
sie wirklich bereit waren in einen Krieg zu ziehen, doch diese Zeit hatten sie
nicht mehr.
Er unterdrückte ein Seufzen und straffte die Schultern. Niemand durfte
mitbekommen, dass er in irgendeiner Form Zweifel hegte.
Als Kura neben ihn trat, spannte sich sein Körper an und seine Sinne
konzentrierten sich auf ihn. Anmerken ließ er sich davon jedoch nichts.
„Freust du dich auf zuhause?“
„Natürlich“, erwiderte Malik sofort. „Ich war lange genug weg und von
Abschaum umgeben.“
„Wie lange willst du deine Gefangenen noch behalten?“
„So lange wie nötig“, erwiderte Malik scharf. Er hatte sie den ganzen Flug
über nicht gesehen und wusste noch nicht einmal, ob sie überhaupt noch alle
lebten. Nicht, dass ihn jemand anderes als Mariku interessieren würde. Er hatte
versucht einen Weg zu finden ihn zu befreien, doch solange sie an Bord des
Raumschiffs waren, gab es nichts, dass er tun konnte. Das würde sich jedoch
auch nicht ändern, wenn sie erstmal in den Zellen festsaßen. Malik schloss die
Augen und verfluchte seine Situation.
Mariku keuchte schmerzerfüllt auf, als man ihn auf die Beine zog und nach vorne
schubste. Seine Schritte waren wacklig und unsicher und seine Muskeln
protestierten. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren und war in den letzten
Stunden (oder Tagen?) mehr bewusstlos gewesen als wach. Blut klebte überall an
seiner Kleidung und seinem Körper. Er konnte sein linkes Auge nicht öffnen und
war überrascht, dass es überhaupt noch da war. Sein Gesicht pochte
schmerzhaft, während sein Körper versuchte die zerstörte Gesichtshälfte zu
heilen.
Das Licht blendete ihn, als sie aus der Zelle gebracht wurden, doch Mariku war
endlich froh wieder frische Luft atmen zu können. Anzu ging vor ihm, Ryou
hinter ihm. Zumindest glaubte er, dass es Ryou war, aber vielleicht war es auch
Bakura.
Als sie das Raumschiff verließen, zuckte Mariku zusammen. Er hatte die letzten
Stunden in andauernder Stille verbracht und plötzlich strömten unangenehm
viele Geräusche auf ihn ein. Es herrschte ein Zischen und Fauchen um ihn herum.
Mariku versuchte sich so gut wie möglich umzusehen. Um sie herum wimmelte es
von Notechis. Manche betrachtete sie abschätzig, doch die meisten schienen sie
gar nicht wahrzunehmen. Als würden sie gar nicht existieren oder es nicht wert
sein wahrgenommen zu werden.
Als sein Blick auf Malik fiel, blieb Mariku stehen. Ryou prallte gegen ihn und
jemand stieß Mariku etwas Hartes in die Seite. Es war links von ihm, weshalb er
nichts erkennen konnte. Er ging weiter, ließ Malik jedoch nicht aus den Augen.
Er sah anders aus. Seine Körperhaltung war aufrechter, stolzer und seine
Bewegungen wirkten noch graziler als zuvor. Er strahlte eine kühle Erhabenheit
aus und er hatte denselben arroganten Gesichtsausdruck, der Mariku so nervte.
Trotzdem war er froh ihn zu sehen. Es schien ihm gut zu gehen.
Malik stand neben einer Frau, die ihn kurz in die Arme nahm, doch Malik löste
sich schnell wieder von ihr als wäre es ihm peinlich. Es lag jedoch ein
Lächeln auf seinen Lippen und sein Gesichtsausdruck wurde etwas sanfter.
Wer war sie?
Sie löste den Zopf, der ihre langen, schwarzen Haare zusammenhielt. Die
Schuppen, die ihr Gesicht bedeckten, schimmerten in einer Mischung aus Schwarz
und Blau. Ihre Gesichtszüge kamen Mariku vertraut vor. Er folgte der Bewegung
ihres Arms, als sie ihn ausstreckte und Malik über die Wange strich. Sie sahen
sich ähnlich, deshalb kam sie ihm so vertraut vor.
Ob sie seine Mutter war?
Oder seine Schwester?
Mariku verlor beide aus den Augen. Malik hatte ihn keines Blickes gewürdigt.
„Lass das, Isis.“ Malik schob den Arm seiner Schwester beiseite. Es war ihm
nicht direkt unangenehm, er mochte es nur nicht, wenn Isis es in der
Öffentlichkeit machte.
„Ich bin froh, dich lebendig zu sehen.“
„Mich bringt nichts um“, erwiderte Malik. Isis war eine der wenigen
Personen, der er die Freude über seine Rückkehr wirklich glaubte.
„Aber du bist verletzt.“ Ihr Blick ruhte auf der Verbrennung. Obwohl einige
Tage seitdem vergangen waren, heilte die Haut nur langsam.
Malik machte eine unwirsche Handbewegung. „Es wird heilen.“ Er lenkte das
Gespräch auf ein anderes Thema. Zwar wusste er, dass sein Vater auf ihn
wartete, doch der Wunsch ihn zu sehen hielt sich in Grenzen. „Wie war deine
Hochzeit?“ Isis‘ Angetrauter war ein hochrangiger Offizier und es war nicht
unbedingt das, was man eine Heirat aus Liebe nennen konnte. So etwas gab es bei
ihrem Volk nur selten. Es ging darum die besten Gene zu verbinden und zu
verbreiten, Gefühle spielten hierbei keine Rolle.
„Sie hat noch nicht stattgefunden.“
„Wieso?“
Isis sah ihn mahnend an. „Ist das nicht offensichtlich? Ich war krank vor
Sorge um dich. Wie soll ich heiraten, wenn du nicht da bist?“
Malik schüttelte grinsend den Kopf. „Vater war sicher nicht sehr begeistert
darüber.“
Isis zischte. „Natürlich nicht. Er war außer sich, aber denkst du, ich lass
mir von diesem alten Mann was sagen?“ Sie lachte kurz. „Aber jetzt bist du
wieder zurück.“ Sie strich ihm durch die Haare und Malik verdrehte die Augen.
Isis war wirklich unbelehrbar.
Malik machte sich auf den Weg zu seinem Vater. Der Bericht an ihn war fertig und
ein einziges Lügenkonstrukt.
Lord Ishtar stand mit dem Rücken zu Malik und drehte sich auch nicht um, als er
eintrat. Sein Blick war aus dem Fenster gerichtet, durch das er einen guten
Ausblick über das geschäftige Treiben der Notechis hatte.
Malik legte seinen Bericht auf den Tisch und wartete.
Es verstrichen einige Minuten bis sein Vater sich schließlich zu ihm umdrehte
und Malik aus kalten Augen musterte. Seine Miene war streng und unbewegt. Er
erlaubte sich keine Gefühlsregung.
„Ich sehe du bist wohlbehalten zurückgekehrt.“
Malik erwiderte nichts. Er beobachtete wie sein Vater den Bericht zur Hand nahm
und ihn schnell überflog. Für einen Augenblick verzog sich seine Miene
missbilligend, dann legte er den Bericht zurück auf den Tisch.
„Du hast Gefangene genommen.“
Keine Frage, sondern eine Feststellung. Man hatte ihm natürlich schon von
Mariku und den anderen berichtet.
„Ich gehe davon aus, dass sie uns nützliche Informationen der Sternenallianz
geben können.“ Eine weitere Lüge.
„Sie waren nicht in Ketten gelegt, als man dich gefunden hat.“
Ein arrogantes Lächeln umspielte Maliks Lippen. „Ich brauche keine Ketten um
diesem Abschaum seinen Platz zu zeigen.“
Sein Vater schien mit dieser Antwort zufrieden zu sein. „Wir werden sie
befragen, sobald diese vermaledeite Hochzeit vorüber ist. Deine Schwester hat
sich hierbei als äußerst stur erwiesen.“
Deine Schwester...
Es hieß bei ihm immer nur deine Schwester.
Nie meine Tochter oder Isis.
Wäre ihre Mutter noch am Leben, würde er mit ihr wahrscheinlich genauso reden.
Deine Tochter.
Als hätte er nichts mit ihr zu tun.
Dass er Malik als seinen Sohn bezeichnete, war schon verwunderlich genug, doch
Malik wusste auch, dass sich das ganz schnell ändern konnte. Solange er den
Worten seines Vaters Gehorsam schenkte und sich als guter Kämpfer zeigte, war
er in seinen Augen würdig, doch würde er jemals von Kura und ihm oder
schlimmer noch, Mariku und ihm, erfahren, würde er ihn wohl eigenhändig
umbringen.
Mariku hatte längst die Orientierung verloren. Teilweise hatte er das Gefühl,
sie würden im Kreis gehen, doch der lange Weg zu den Zellen bot ihm auch genug
Gelegenheit sich umzusehen. Die meisten Notechis ignorierten sie, besonders die,
die älter aussahen. Von den Jüngeren wurden sie meistens neugierig gemustert,
als hätten sie noch nie eine andere Alienspezies gesehen.
Mariku bekam einen kleinen Einblick in das Leben der Notechis und es war
schlimmer, als er es sich vorgestellt hatte. Es war ihm klar gewesen, dass
Notechis von klein auf zu Kriegern erzogen wurden, doch mit welchen Mitteln
schockte Mariku.
Die Kinder kämpften gegeneinander und mit Kämpfen meinte Mariku wirklich
kämpfen. Es war kein Übungskampf mit Holzschwertern, hier floss Blut und davon
nicht zu wenig. Die Schwachen wurden aussortiert oder starben gleich auf dem
Trainingsplatz. All das geschah unter den herrischen Stimmen der Ausbilder.
Mariku schauderte. Hier wurden keine Krieger herangezüchtet, sondern Bestien.
Und Malik war eine von ihnen.
Malik atmete hörbar aus, als er die Tür hinter sich schloss. Er lehnte sich
gegen das Metall und schloss die Augen. Er genoss die Stille und Kühle seines
Zimmers, auch wenn er wusste, dass er nicht allein war.
Als er die Augen öffnete, stand Rishid in der Nähe; stumm und regungslos wie
eine Statue. Malik konnte nicht abstreiten, dass er sich freute ihn zu sehen.
Rishid war immer mehr ein Bruder für ihn gewesen, als es Kura je sein konnte.
Er war sein Diener, sein „Leibwächter“ und der einzige, dem er wirklich
vertraute. Seit Anfang an wusste Rishid über Kura und ihn Bescheid. Er hatte
sich um Malik gekümmert, als dieser nach dem ersten Mal kaum noch in der Lage
gewesen war aufrecht zu stehen. Er hatte sich um seine Wunden gekümmert ohne
ein Wort des Vorwurfs oder eine Belehrung.
Malik betrachtete die Narben, die eine Hälfte von Rishids Gesicht zierten.
Notechis Haut vernarbte nur, wenn ihr eigenes Gift im Spiel war. Gift von
Kindern war noch zu schwach dafür, doch ab einem bestimmten Alter war es stark
genug um Narben auf den Körpern ihrer Artgenossen zurückzulassen. Rishids
Narben gingen auf Kuras Konto, genauso wie die Narbe auf Kuras Wange von Rishid
stammte. Es hätte ihm damals fast das Auge gekostet.
Sie hatten wegen Malik gekämpft und wegen dem, was Kura mit ihm gemacht hatte.
Man hatte sie gewaltsam auseinanderreißen müssen und Malik hatte Rishid
verboten sich jemals wieder einzumischen.
Aber damals hatte er auch noch gedacht Kura würde ihn lieben. Fast hätte er
aufgelacht. Andererseits hatte er es auch genossen und nach dem Krieg war der
Sex mit Kura das Einzige, dass ihm das Gefühl gegeben hatte überhaupt noch am
Leben zu sein. Es war nicht nur sein Rücken, der vernarbt war.
„Meister Malik.“ Unwillkürlich musste er an Mariku denken, der ihm erzählt
hatte, dass Malik in seiner Sprache „König“ bedeutete. „Ich freue mich,
dich wohlbehalten wiederzusehen.“
Malik lächelte, doch es galt nicht Rishid, sondern dem Gedanken an Mariku.
„Wohlbehalten ist eher fraglich.“ Malik zog den Kampfanzug aus. Die Wunde an
seiner Schulter war immer noch nicht geheilt, was ihm Sorgen bereitete. Sie
pochte und die Haut spannte sich um die Wunde.
„Soll ich mir das mal ansehen, Meister Malik?“
Malik nickte und ließ sich aufs Bett sinken. Rishid tastete seine Schulter ab.
„Hier ist eine harte Stelle. Fühlt sich an, als wäre etwas unter der Haut,
dass da nicht sein sollte.“
„Hm, es war eine eher altmodische Waffe.“
„Es wird wehtun.“
„Okay.“
Malik biss die Zähne zusammen, als Rishid seine Haut öffnete und seine Finger
in die Wunde schob. Er krallte sich in die Bettdecke und versuchte an etwas
anderes zu denken als den Schmerz. Wie es Mariku wohl ging? Er hatte
mitbekommen, als sie aus dem Schiff gebracht worden waren, doch er hatte es
nicht gewagt ihnen auch nur einen Blick zuzuwerfen. Er durfte kein Risiko
eingehen, auch wenn er Mariku wirklich gerne sehen würde. Vielleicht konnte er
ihn heimlich herbringen lassen.
Malik keuchte schmerzerfüllt, als Rishid seine Finger zurückzog. Ein
deformiertes Stück Metall lag auf seiner Handfläche.
„So ein kleines Ding“, murmelte Malik. „So viel Ärger.“
Bakura öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder. Seine Zunge fühlte sich
schwer an und er schluckte. Sein Mund produzierte übermäßig viel
Flüssigkeit, weil er durstig war. Er hatte seit Tagen kein Blut mehr getrunken
und wäre er nicht gefesselt, hätte er sich schon im Raumschiff auf Mariku
gestürzt. Der Geruch seines Blutes hatte sich in seiner Nase festgesetzt und
vernebelte ihm den Verstand. Er wollte trinken. Er wollte Blut schmecken.
„Steckt ihn in eine Einzelzelle.“ Kura deutete auf Ryou und richtete seinen
Blick anschließend auf Mariku. Er hatte es sich nicht nehmen lassen die
Gefangenen bis zu den Zellen zu begleiten. Kura packte Marikus Haare und zog
seinen Kopf zurück. Mariku keuchte schmerzerfüllt. Seine Kehle war zu trocken
und zu rau für einen Schrei. „Ich kann’s kaum erwarten mich um dich zu
kümmern.“ Er senkte die Stimme, als er weitersprach: „Ich schick Malik bei
dir vorbei, damit er zusehen kann, wie du krepierst.“
Mariku erwiderte nichts und war nur froh als Kura ihn wieder losließ. Er hatte
keine Kraft mehr für eine Auseinandersetzung.
„Der hier kommt auch in eine Einzelzelle.“ Er machte eine unwirsche
Handbewegung. „Die andere könnt ihr...“ Sein Blick fiel auf Bakura.
„Warte.“ Er packte Bakura am Kinn und hob seinen Kopf leicht an. Bakuras
eigentlich braune Augen hatten eine rötliche Farbe angenommen. Kura zeigte
seine spitzen Zähne als er grinste. „Nehmt dem hier die Fesseln ab und steckt
ihn dann mit den anderen in eine Zelle. Ich bin sicher“, er leckte sich über
die Lippen, „Malik braucht nicht alle lebend.“
Er stieß Bakura zu Anzu und Jonouchi in die Zelle und lachte, als sich die Tür
schloss.
Bakura rutschte sofort an die Wand, die am weitesten von Anzu und Jonouchi
entfernt war.
„Bakura“, zischte Jonouchi, „komm her und mach uns los.“ Doch Bakura
rührte sich nicht. Er stemmte seine Beine in den Boden und drückte sich gegen
die Wand. „Bakura?“
„Bakura, alles in Ordnung?“ Anzu kam näher.
„Bleib weg“, rief Bakura heiser. Anzu hatte vor ihm nichts zu befürchten.
Ihr Blut hatte nicht die richtige Konsistenz für ihn, aber Jonouchi war genau
richtig. Allein daran zu denken wie das Blut durch seine Adern floss, zerrte an
Bakuras Selbstbeherrschung. Noch war er bei klarem Verstand, aber er wusste,
dass er diesen Zustand nicht mehr lange aufrechterhalten konnte. Dieser
verfluchte Notechis! Er hatte es ganz genau gewusst. Nur deshalb hatte er ihm
die Fesseln abnehmen lassen. Dieser kranke Bastard.
„Bleibt weg“, wiederholte Bakura leise.
Ryou hatte die Augen geschlossen und hielt den Kopf gesenkt. Sein Körper hatte
aufgehört zu zittern, stattdessen war er in eine Starre gefallen. Er wusste,
wie er sich zu verhalten hatte. Er sah nicht auf, als jemand in seine Zelle
trat, doch sein Körper war angespannt und seine Atmung wurde etwas schneller.
Man packte ihn am Kinn und riss seinen Kopf hoch. Ryou öffnete die Augen. Es
war Kura. Ryou schluckte. Das bedeutete nichts Gutes.
Ohne etwas zu sagen ließ Kura seine Finger über Ryous Wange streicheln. Die
Berührung war schon fast zärtlich.
„Du bist ein braver Sklave, nicht wahr?“ Kura grinste. „Du weißt genau,
was du tun musst.“ Kuras Blick wanderte von Ryous Gesicht zu seinen Federn.
Früher waren die Federn für sie nicht von Wert gewesen. Notechis waren sowieso
mit einem sehr langem Leben gesegnet und verkaufen stand für sie nie zur
Debatte. Warum andere Spezies stärken?
Doch seit dem Zusammenbruch waren Cygni-Federn für sie interessanter geworden.
Kura strich an den langen, weißen Federn entlang und Ryou wimmerte.
„Hast du Angst?“
Ryou nickte langsam.
Kura kam ihm ganz nah. „Das solltest du auch“, flüsterte er, dann stand er
auf und sah auf Ryou hinunter. Mit einem Tritt beförderte er Ryou gegen die
Wand seiner Zelle. „Wertloser Abschaum“, fauchte Kura. Er trat wieder näher
an Ryou heran, der schwer atmend seine Hand gegen seine Brust drückte. Jeder
Atemzug brannte.
Kuras Schwanz legte sich um Ryous Hals und hob ihn auf Augenhöhe. „Was läuft
zwischen Malik und diesem minderwertigen Menschen?“
Ryou antwortete nicht. Er konnte auch gar nicht, denn Kura drückte ihm die Luft
ab. Kura schmetterte ihn gegen die Wand und ließ seinen Hals los.
„Rede, du Wurm!“ Er platzierte einen Fuß auf Ryous Brust.
„Nichts“, brachte Ryou hervor. „Ich weiß nichts.“
Er würde sowieso sterben, da dachte er nicht einmal im Traum daran diesem
Monster die Information zu geben, die es wollte.
„Lüg mich nicht an!“
„Fick dich.“
Ryou keuchte schmerzerfüllt auf, als Kura ihm in die Seite trat. Er biss die
Zähne zusammen. Selbst wenn er Kura die Wahrheit verraten würde, würde es
keinen Unterschied machen.
Kura packte seinen Kopf. „Sag’s mir!“
„Lutsch meinen Schwanz.“ Woher Ryou diesen plötzlichen Mut hatte, wusste er
selbst nicht. Vielleicht war er es einfach Leid den Schwanz einzuziehen. Ryou
knallte mit dem Hinterkopf gegen die Wand und er blinzelte schnell. Der Raum
drehte sich und ein kribbeliges Gefühl breitete sich in seinen Beinen aus. Er
sah zu Kura hoch, in dessen Gesicht sich der blanke Zorn widerspiegelte. Als
Kura in ihm Hals packte, wusste Ryou, dass er zu weit gegangen war. Wenigstens
war er in den letzten Augenblicken noch mutig gewesen, auch wenn’s dumm
gewesen war.
Ryous Schrei ließ das Glas zittern. Kura ließ ihn los und drückte seine
Hände gegen seine Ohren. Blut tränkte Ryous Haare und Daunen. Der Schmerz, der
sich in seinem Körper ausbreitete, war mit nichts zu vergleichen, dass er je
gespürt hatte. Das Glas der Zellentür bekam einen Sprung und Kura brachte Ryou
mit einem Tritt zum Schweigen. Ryou röchelte und sank in sich zusammen. Seine
Augen blieben weit aufgerissen und starrten in die Leere.
Kura betrachtete die Feder in seiner Hand. Der untere Teil war mit Blut
verschmiert. Ein Grinsen legte sich wieder auf Kuras Lippen. Er sah zu Ryou, der
apathisch an ihm vorbei sah.
Kura verließ Ryous Zelle und sein Blick fiel auf den Riss in der Scheibe. Die
Stimme eines Cygni konnte gefährlich sein. Er hatte immer noch ein leichtes
Pfeifen in den Ohren.
„Was hast du mit Ryou gemacht?“, fauchte Bakura und hämmerte gegen die
Scheibe. Als er Ryous Schrei gehört hatte, war sein Durst vergessen gewesen.
„Du verdammter Bastard!“
Kura drückte die ausgerissene Feder gegen die Scheibe und Bakuras Augen
weiteten sich entsetzt. Inzwischen waren sie blutunterlaufen und das Braun hatte
sich in ein tiefes Rot gewandelt.
„Ich bring dich um!“, schrie Bakura und fletschte die Zähne. „Ich bring
dich eigenhändig um!“ Er trat und schlug gegen die Scheibe, doch diese hielt
stand.
Kura lachte. „Ich kann’s kaum erwarten.“ Bakuras Schreien und Fluchen
verfolgte ihn, als er weiterging. Vor Marikus Zelle blieb er stehen. Mariku lag
zusammengerollt auf dem Boden und rührte sich nicht.
Kura zischte. Allein Mariku zu sehen machte ihn wütend. Er öffnete die Zelle
und kniete sich neben Mariku. Er drehte seinen Kopf, doch Mariku reagierte gar
nicht auf ihn. Er hatte schon wieder das Bewusstsein verloren.
Am liebsten hätte Kura seinen Kopf unter seinem Stiefel zerschmettert. Er hatte
mitbekommen, wie Malik den Menschen angesehen hatte. Er hatte Angst um ihn. Er
bedeutete ihm etwas.
Und er würde alles zerstören, was Malik wichtig war.
Malik wischte das Blut weg und ließ die Schulter kreisen. Es fühlte sich jetzt
schon besser an als zuvor, auch wenn seine Bewegung noch etwas eingeschränkt
war.
„Du solltest ihn noch eine Weile ruhig halten.“
Malik verdrehte die Augen. Rishid war immer so überfürsorglich. „Ich hatte
schon schlimmere Verletzungen“, tat Malik seine Worte ab und zog sich wieder
an. Er strich sich die Haare zurück. Sein Körper war angespannt und er
schaffte es einfach nicht diese Anspannung abzuschütteln. Seine Gedanken
kreisten hauptsächlich um Mariku und je mehr er versuchte sich auf etwas
anderes zu konzentrieren, desto mehr drängten sie sich ihm auf.
Er hasste es.
Er hasste es, wie er für Mariku fühlte. Dieses dumme Grinsen... und die Art,
wie er ihn berührt hatte.
Malik schauderte und das war etwas, das nicht häufig passierte.
„Alles in Ordnung, Meister Malik?“
„Ja“, antwortete Malik. Er sah Rishid an. „Ich bin nur hungrig. Holst du
mir was zu essen?“
„Natürlich. Etwas Bestimmtes?“
„Früchte.“
Rishid nickte kurz. Malik musste nicht erklären welche Früchte er haben
wollte. Yago – eine kleine Frucht, süß mit einem Hauch von sauer. Malik
könnte sich tagelang davon ernähren. Es war das einzige, was er an diesem
Planeten wirklich mochte.
Als Rishid gegangen war, streckte sich Malik auf seinem Bett aus. Er vergrub
sein Gesicht im Kissen und strich gedankenverloren über die Bettdecke. Ob er
später zu Mariku gehen konnte ohne das Kura davon erfuhr? Malik biss sich auf
die Unterlippe.
Wieder Mariku.
Immer Mariku.
Warum war er ihm nicht egal?
Er war minderwertig. Abschaum. Nicht mal würdig ihn anzusehen.
Malik stieß einen frustrierten Laut aus, packte sein Kissen und warf es in
Richtung Tür. Mariku brachte ihn völlig durcheinander. Er war noch nie
jemandem begegnet, der ihn so... er wusste nicht, wie er es beschreiben sollte.
Er sah nicht auf, als sich die Tür öffnete. „Du bist schon wieder da?“ Als
Rishid nicht antwortete, sah Malik doch auf und seine Miene verdunkelte sich,
als er sah, dass es Kura war. „Was willst du?“ Malik stand vom Bett auf.
Kura zu sehen machte ihm klar, dass er es nicht riskieren konnte zu Mariku zu
gehen. Er wusste nicht, wer zu Kuras Freunden gehörte und wer ihm berichten
würde. Er konnte niemandem vertrauen.
Kura leckte sie über die Lippen. „Du gehst mir aus dem Weg und das gefällt
mir nicht.“
„Verschwinde, Kura.“ Ihm fiel die weiße Feder auf, die in Kuras Haaren
steckte. Klebte da auch noch Blut dran? Malik verengte die Augen. Er hatte ein
ganz mieses Gefühl. „Was soll die Feder?“
„Ach die.“ Kura drehte die Augen nach oben und zog sich die Feder aus den
Haaren. „Ein Geschenk von deinem Cygni-Freund.“
Malik verzog erst keine Miene, doch dann packte er Kura am Kragen und zog ihn
näher. „Wag es nicht noch mal diesen Abschaum als meinen Freund zu
bezeichnen!“, fauchte er Kura an und zeigte die Zähne. „Und lass die Finger
von meinen Gefangenen!“
„Reg dich ab.“ Kura zog den Stoff seines Shirts aus Maliks Fingern. „War
nur eine Feder, sind ja noch fünf andere da.“
Am liebsten hätte Malik ihm das Grinsen aus dem Gesicht geschnitten. Er sah die
Feder an und biss sich auf die Unterlippe. Am besten wäre es, wenn er Mariku
einen schnellen Tod schenkte. Andernfalls würde Kura ihn auf die grausamste Art
quälen, die ihm einfiel und er würde nichts dagegen tun können, ohne
auffällig zu werden.
„Fass sie nie wieder an! Ich brauch sie bei klarem Verstand für die
Befragung.“ Malik tippte seinem Halbbruder bei jedem Wort energisch gegen die
Brust.
Kura packte sein Handgelenk und küsste Maliks Finger. Maliks riss den Arm
zurück und drückte ihn beschützend gegen seine Brust. Mit aufeinander
gepressten Lippen sah er Kura an, dessen Gesichtsausdruck plötzlich
überraschend ernst wurde.
„Früher hat’s dich doch auch nicht gestört.“ Er kam einen Schritt näher
und strich Malik die Haare zurück. Sein Schwanz legte sich um Maliks Bein.
Malik wandte den Blick zur Seite und antwortete nichts. Es abzustreiten wäre
eine Lüge gewesen. Anfangs hatte er es gehasst, dann geliebt und sich fast
schon verzweifelt an Kura geklammert, nur um es dann wieder zu hassen. Trotzdem
hatte er nur selten widersprochen.
„Du hast es genauso genossen wie ich.“ Kura hatte die Stimme gesenkt und
Malik hob den Blick.
Auch das stimmte. Trotz dem Schmerz und der Erniedrigung, die er dabei verspürt
hatte, hatte es ihm gefallen.
Kuras Lippen waren Maliks inzwischen so nah, dass er sie schon fast spüren
konnte. Maliks Mund war leicht geöffnet und sein Blick auf Kuras Lippen
gerichtet. Er leckte sich über seine eigenen Lippen und berührte dabei auch
Kuras. Kura schaffte es immer wieder ihn einzuwickeln.
„Oder soll ich lieber diesen erbärmlichen Menschen holen?“
Diese Worte rissen Malik aus seiner Trance. Mit aller Kraft stieß er Kura von
sich, doch der hatte immer noch seinen Schwanz um Maliks Bein geschlungen und
Malik verlor das Gleichgewicht. Er landete rücklings auf dem Bett.
Kura konnte sein Gleichgewicht halten und lachte. „Hab ich etwa deinen wunden
Punkt erwischt?“
„Verpiss dich, Kura.“
Doch Kura kam wieder näher und drückte Malik zurück auf die Matratze, als
dieser sich aufsetzen wollte. „Ich frage mich nur, wie er noch am Leben sein
kann.“
„Ich weiß nicht, was du meinst“, fauchte Malik, doch berührte unterbewusst
sein linkes Handgelenk.
Die Geste entging Kura nicht. Amüsiert sah er auf Malik hinunter. „Ich denke,
du weißt genau, was ich meine. Du und der Mensch...“ Er machte ein gespielt
entrüstetes Gesicht. „Wie konntest du nur so tief sinken?“
Malik trat Kura in den Bauch und stieß ihn damit von sich. „Verschwinde.“
Ein leiser, bedrohlicher Unterton schwang in seiner Stimme mit. „Oder ich sorg
dafür, dass du wieder ganz unten anfängst.“
Wut verzerrte für einen Moment Kuras Gesicht, dann packte er Malik am Hals.
Malik riss die Augen auf und unternahm nichts gegen Kuras Griff. „Pass lieber
auf, dass dein Vater nichts von den Narben auf deinem Rücken erfährt oder von
wem sie sind.“ Er ließ Malik wieder los, der sofort von Kura wegrutschte und
vorsichtig seinen Hals berührte.
Rishid kehrte zurück und verzog missbilligend das Gesicht, als er Kura sah.
Kura schenkte ihm ein überhebliches Grinsen und rempelte ihn an, als er nach
draußen ging.
„Alles in Ordnung, Meister Malik?“
Malik setzte sich wieder aufrecht hin. „Natürlich.“ Er nahm Rishid das
Tablett mit den Yago-Früchten ab. „Lass mich allein.“
„Meister Malik...“
„Lass mich allein!“, fauchte Malik ihn an.
Rishid verbeugte sich kurz und verließ das Zimmer.
Malik bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Er musste zu Mariku. Sobald wie
möglich.
Kapitel 15
Durst.
Er hatte solchen Durst.
Seine Augen waren rot. Er hatte keine Iris mehr und keine Pupille. Seine Welt
war in Rot getaucht.
Bakura öffnete den Mund.
Er hörte das Blut.
Roch es.
Konnte es schon fast schmecken.
Blut.
Er brauchte es.
Bakura erhob sich langsam. Schwerfällig. Er stützte sich an der Wand ab. Der
Durst machte ihn wahnsinnig.
Jonouchi und Anzu lagen auf dem Boden auf der anderen Seite der Zelle. Sie
schliefen.
Bakura konnte nicht schlafen. Nicht, solange der Durst an ihm nagte.
Anzu interessierte ihn nicht. Ihr blaues Blut war zu dünn und hatte nicht die
richtigen Nährstoffe für ihn.
Jonouchi dagegen... Bakura leckte sich über seine trockenen Lippen.
Jonouchi schlief ruhig. Sein Herz schlug gleichmäßig und pumpte Blut durch
seinen Körper.
Blut.
Bakura fiel auf die Knie. Er kroch weiter, weil seine Beine ihn nicht mehr
trugen. Der Blutdurst machte ihn wahnsinnig und gleichzeitig auch schwach. Er
hielt es nicht länger aus. Er konnte an nichts anderes mehr denken als zu
trinken.
Bakuras Atem beschleunigte sich. Nur noch wenige Zentimeter trennten seine
Zähne von Jonouchis Hals. Jonouchis Herzschlag widerhallte Laut in seinen
Ohren.
„Es geht ganz schnell“, flüsterte Bakura und riss den Mund auf. Er bog
Jonouchis Kopf leicht zurück. Später würde er es bereuen, aber momentan war
sein Gewissen abgeschaltet. Jonouchi war nicht mehr ein Freund, er war nur noch
Nahrung. Seine Instinkte hatten übernommen.
Die Haut brach unter dem Druck von Bakuras Zähnen. Blut füllte seinen Mund und
er schloss genüsslich die Augen.
Jonouchi dagegen riss seine Augen auf und begann um sich zu schlagen. Er konnte
nicht schreien. Er erwischte Anzu mit seinem Fuß, was diese aus dem Schlaf
riss. Sie setzte sich auf und rieb sich die Augen. Ihre Nachtsicht war nicht
sonderlich gut ausgeprägt, weshalb sie eine Weile brauchte um zu erkennen was
vor sich ging.
„Bakura!“ Sie versuchte Bakura von Jonouchi zu ziehen, doch es war
erfolglos. Sie zerrte an seinen langen Haaren, doch Bakura schubst sie zur Seite
ohne von Jonouchi abzulassen. Er knurrte leise.
„Hör auf! Hör auf!“ Sie schlug auf ihn ein, versuchte ihn mit heißem
Wasser davon abzubringen Jonouchi auszusagen, doch sie war zu geschwächt um
genug Wasser zu produzieren. Es war noch nicht mal heiß.
Keine ihrer Bemühungen brachte Bakura dazu von Jonouchi abzulassen. Jonouchis
Körper zuckte nur noch.
Bakura richtete sich auf und leckte sich über die Lippen. Er atmete tief durch
und grinste, während das fremde Blut in seinen Kreislauf aufgenommen wurde und
seinen Körper stärkte. Trotzdem schwankte sein Oberkörper. Er hatte schon
lange keinen blindwütigen Blutrausch mehr gehabt.
„Du Monster“, flüsterte Anzu schluchzend.
Bakura richtete seinen Blick auf sie. Seine Augen waren immer noch rot. Er
grinste, dann lachte er leise. Es widerhallte in der kleinen Zelle.
Schwach waren Anzus Schreie in Ryous Zelle zu hören, doch er nahm es gar nicht
wahr. Er war zu sehr gefangen in seinem Schmerz. Es war nur eine Feder gewesen,
aber Ryou fühlte sich, als hätte man ihm den Bauch aufgeschlitzt und seine
Gedärme auf dem Boden verteilt, während er wieder und wieder durchlebte, wie
er den toten Körper seiner Schwester fand. Der Verlust einer Feder war
verbunden mit den schlimmsten körperlichen und geistigen Schmerzen, die jede
Skala sprengten. Es war nicht verwunderlich, dass sie davon verrückt wurden.
Ryou versuchte krampfhaft seinen Verstand beisammen zu halten. Er durfte den
Schmerzen nicht nachgeben. Er musste... er musste... Ryou wimmerte und zog seine
Knie bis an sein Kinn.
Er hasste sich selbst für seine Schwäche; fühlte sich zurückversetzt in die
Zeit vor dem Krieg.
Flashback
Ryou stolperte durch das Flüchtlingscamp. Das Schluchzen und die verzweifelten
Schreie gingen ihm selbst nach der langen Zeit in Sklaverei noch unter die Haut.
Seine Kleidung und sein Gesicht waren blutverschmiert, doch es war nicht sein
Blut. Er hatte aber auch keine Ahnung wessen Blut es war.
Jemand sprach ihn an, doch Ryou schüttelte nur den Kopf. Er hatte keine Zeit zu
reden und er wollte nicht, dass ihn jemand durchcheckte. Er musste weitergehen.
Weiter seine Eltern suchen.
Tränen stiegen Ryou in die Augen. Der Gedanke an seine Eltern brachte Amane
zurück in seine Erinnerungen. Sie war tot. Er hatte sie nicht beschützen
können.
Ryou ballte die Hände zu Fäusten. Das Bild seiner toten Schwester würde ihn
niemals loslassen. Die Feder ausgerissen, das Gesicht blutig gekratzt mit den
eigenen Klauen. Und dann die leeren Augenhöhlen. Ryou schauderte. Das grausame
Lachen der Notechis widerhallte immer noch in seinem Kopf. Auch etwas, das er
nie wieder vergessen würde.
Ryou schüttelte den Kopf und biss sich auf die Unterlippe. Er musste sich
konzentrieren. Seine Eltern waren noch hier irgendwo. Er hatte sie zwar seit
Wochen nicht mehr gesehen, aber er war sich sicher, dass sie hier waren.
Tränen stiegen Ryou in die Augen. Sie mussten hier sein. Was sollte er denn
ohne sie machen? Er war doch kaum mehr als ein Kind. Ryous Blick wanderte
rastlos von einem Cygni zum nächsten auf der Suche nach einem bekannten
Gesicht. Wieso waren ihm alle nur so fremd?
Er erreichte das improvisierte Krankenlager und eilte durch die Reihen der
Verletzten. Ryou hatte viel Leid und Schrecken in den letzten Jahren gesehen und
trotzdem hätte er am liebsten die Augen zugemacht und seine Hände auf die
Ohren gedrückt.
Jemand packte ihn am Arm und Ryou wäre fast nach vorne gefallen. Mit großen
Augen drehte er sich zur Seite und starrte denjenigen an, der ihn festhielt. Ein
älterer Cygni. Er murmelte wirres Zeug, sein Gesicht war blutig und ihm fehlte
ein Bein. Der größte Schrecken für Ryou war aber, dass er nur noch eine Feder
hatte.
Panisch versuchte Ryou sich loszureißen. „Lass mich los!“ Seine Stimme war
schrill. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er versuchte den Griff mit seiner
anderen Hand zu lösen, was nur dazu führte, dass er dort auch gepackt wurde.
Ryou wimmerte und stemmte sich mit seinem gesamten Gewicht von dem Cygni weg.
Ryou stolperte zurück, als er plötzlich wieder losgelassen wurde. Er prallte
mit den Rücken gegen jemanden, was ihn vor einem Sturz bewahrte.
„Ryou!“
Der Klang seines Namens ließ ihn erleichtert ausatmen. Er drehte sich um und
lächelte.
„Mana.“ Er fiel dem Mädchen um den Hals. Endlich ein bekanntes Gesicht.
„Ich bin so froh dich zu sehen.“
„Ich freu mich auch.“ Sie erwiderte die Umarmung und drückte Ryou leicht an
sich. „Ich hab gehört, was mit Amane passiert ist.“ Ryou ließ von ihr ab
und senkte den Blick. „Es tut mir so leid.“
Ryou nickte nur. Er war nicht in der Lage darüber zu reden. „Hast du meine
Eltern gesehen?“, fragte er leise und sah Mana hoffnungsvoll an.
Sie zögerte mit der Antwort und wich seinem Blick aus. „Deinen Vater
nicht“, begann sie vorsichtig.
„Aber Mama?“, fragte Ryou sofort.
Mana presste die Lippen aufeinander. „Ja, ich hab sie gesehen.“
Ryous Miene hellte sich auf. Ihm entging völlig die Traurigkeit in Manas Mimik.
Er ergriff ihre Hand. „Wo ist sie?“
„Komm mit.“
Sie führte ihn aus dem Krankenlager und durch das Camp. Sie kamen nur langsam
durch die Flüchtlingsmassen. Soldaten dirigierten die Flüchtlinge durch das
Camp. Dadurch, dass Ryou und Mana noch Kinder waren, konnten sie sich ungesehen
zwischen den Erwachsenen bewegen.
Doch je näher sie dem Rand des Camps kamen, desto langsamer wurden Ryous
Schritte. Schließlich ließ er Manas Hand los und blieb stehen. „Wo gehen wir
hin?“
Mana drehte sich um, vermied aber Ryous Blick. „Lass uns weitergehen.“
„Wo bringst du mich hin?“ Ryous Stimme war schrill geworden.
Mana schabte unruhig mit dem Fuß über den matschigen Boden. „Deine Mutter
ist...“ Sie konnte es nicht aussprechen. Ryou tat ihr so leid. Sie hatte
selbst ihre Eltern verloren, doch das war schon ganz am Anfang des Krieges
gewesen. Zumindest hatte sie ihren Bruder noch.
„Aus dem Weg, Kinder!“, schnauzte ein Soldat sie an. Er und ein zweiter
Soldat trugen eine Trage an ihnen vorbei. Ryou starrte den Cygni an, der darauf
lag. Es war der, der ihn zuvor gepackt hatte. Seine Augen standen weit offen und
starrten leer in den Himmel. Unbewusst berührte Ryou die Stelle, die der Cygni
gepackt hatte. Er sah den Soldaten hinterher. Sie brachten den Toten in die
Richtung, in die selbst unterwegs waren. Dorthin, wo all die Toten waren.
Ryou richtete seinen Blick auf Mana.
„Ryou“, sagte sie leise und streckte die Hand nach ihm aus.
„Nein“, flüsterte Ryou. „Nein!“ Seine Stimme wurde lauter. Er schrie
seinen Schmerz hinaus, während Mana die Arme um ihn schlang und ihn an sich
drückte.
Ruckartig setzte Ryou sich auf und unterdrückte einen Aufschrei. Die Zelle um
ihn herum drehte sich und er musste sich mit einer Hand an der Wand abstützen.
Ryou schüttelte kurz den Kopf um das benebelte Gefühl loszuwerden. Sein
Körper befand sich immer noch im Schock über den Verlust der Feder, doch
langsam erlangte er wieder Kontrolle darüber.
Vorsichtig berührte die Wunde und zuckte zusammen. Schmerz schoss durch seinen
Kopf. Ryou ließ sich zurückfallen und lehnte sich gegen die Wand. Er atmete
tief durch.
Was hatten die Notechis mit ihnen vor? Ryou war überrascht, dass sie überhaupt
noch lebten. Hatte Malik damit zu tun? Ryou wusste immer noch nicht, wie er zu
ihm stehen sollte. Er war ein Notechis und stolz darauf, doch er hatte ihnen
auch mehrmals den Hals gerettet. Andererseits hatte er Honda getötet. Ryou hob
den Blick und starrte an die Zellendecke. Diesmal saß er nicht in Dunkelheit,
wie im Raumschiff, sondern eine kleine Lampe tauchte die Zelle in ein dämmriges
Licht.
Ryou kroch auf das Glas zu, er traute seinen Beinen nicht, und legte seine Hand
auf die glatte Oberfläche. Er drückte sein Gesicht schon fast gegen die
Scheibe, doch der Gang draußen war, trotz des Lichts der anderen Zellen, zu
dunkel um etwas zu erkennen. Es sah jedoch nicht so aus, als gäbe es Wachen.
Ryou sah nach oben und streckte die Hand aus um den Riss in der Scheibe zu
berühren. Es war selbst überrascht, dass seine Stimme dazu in der Lage war
Glas zum Springen zu bringen. Wenn er die Tonlage nochmal schaffen würde, dann
käme er vielleicht hier raus.
Und was dann? Durch eine Armee von Notechis schleichen? Das wäre nur eine
erneute Selbstmordmission.
Ryou legte sich auf den Boden und streckte die Arme von sich. Wäre er nur nie
Pilot geworden.
Malik beobachtete die jüngeren Notechis bei ihrem Training. Es kam ihm vor wie
gestern, als er selbst noch auf dem Trainingsplatz stand und rücksichtslos
jeden zerrissen hatte, der ihm zwischen die Finger gekommen war. Es war wichtig,
das Töten früh zu lernen um jegliche Hemmungen zu verlieren und wer die
eigenen Leute ohne mit der Wimper zu zucken töten konnte, der würde auch vor
anderen Rassen keinen Halt machen.
Maliks Blick wanderte von den Kindern zu ihrem Ausbilder. Malik kannte ihn
nicht, aber er sah, dass er jünger war als er selbst. Malik schüttelte den
Kopf. Er konnte einfach nicht fassen, dass sein Vater wirklich Krieg führen
wollte. Diese Grünschnäbel brauchten noch weitere hundert Jahre bis sie
endlich so weit waren. Malik selbst war auch noch jung, es würde noch ein paar
Jahre dauern bis sein Schwanz wuchs, aber er hatte immerhin die Erfahrung, die
diesen Neulingen noch fehlte und es gab zu wenige Veteranen um diese
Unerfahrenheit auszugleichen. Malik hatte damals einen rasanten Aufstieg hinter
sich gelegt. Dass er Commander war, hing nicht damit zusammen, dass sein Vater
jetzt Lord war. Er hatte es aus eigener Kraft geschafft und hätten sie den
Krieg nicht verloren, dann hätte er wohl selbst seinen Vater im Rang
überholt.
„Meister Malik.“ Malik wandte den Blick nicht von den kämpfenden Kindern
ab. „Deine Schwester wünscht dich zusehen.“
Malik nickte und stand auf. Die Hochzeitsvorbereitungen waren im vollen Gange.
Normalerweise waren Hochzeiten keine große Sache, doch Isis war nun mal die
Tochter des Herrschers und da wurde eine große Sache daraus gemacht. Malik war
überrascht, dass sein Vater das mitmachte. War ihm Isis doch nicht so egal, wie
er immer tat? Oder wollte er vor dem Volk nur gut dastehen?
Wohl eher Letzteres.
Malik war die Ablenkung ganz recht. So konnte er wenigstens Kura aus dem Weg
gehen.
„Das ist doch alles dämlich!“
Malik fing verdutzt das Bündel weißen Stoffes auf, das ihm entgegen kam, kaum
als er das Zimmer seiner Schwester betrat.
„Was denk er, was ich bin? Sein Anziehpüppchen?“
„Lady Isis...“
„Nenn mich nicht Lady oder ich stech dir die Augen aus!“, fauchte Isis das
Mädchen an, das ihr scheinbar beim Ankleiden hätte helfen sollen. Das Mädchen
machte sich klein und trat einige Schritte von Isis weg.
Malik faltete den Stoff auseinander und betrachtete das Kleid. Edelsteine waren
in den feinen Stoff gewebt worden und glänzten in den verschiedensten Farben.
„Hat bestimmt ein Vermögen gekostet.“ Malik legte das Kleid beiseite.
„Das interessiert mich einen Scheiß!“ Malik überlegte, wann er seine
Schwester das letzte Mal so aufgebracht erlebt hatte. „Ich zieh das nicht
an!“
„Das wird deinen Zukünftigen aber nicht freuen.“
„Dann soll er’s selber anziehen!“ Sie warf dem Mädchen einen bösen Blick
zu. „Was machst du hier noch? Raus!“
Das Mädchen raste regelrecht aus dem Zimmer.
Isis ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Ich bin eine Kriegerin und ich werde
mich auch entsprechend kleiden. Mein Rang ist höher als seiner und wenn er auch
nur im Traum daran denkt, dass ich sein kleines Weibchen werde, dann reiß ich
ihm den Schwanz ab.“ Sie ballte die Hände zu Fäusten. „Beide!“
Malik schmunzelte. Isis‘ Mann würde keine leichte Zeit mit ihr haben. Ob er
wirklich wusste, worauf er sich da einließ? Malik setzte sich neben sie.
„Warum bist du wirklich wütend?“
Isis‘ Körper entspannte sich etwas. „Krieg steht bevor und Vater erwartet,
dass ich zuhause bleibe und Kinder bekomme.“
Malik wusste nicht, was er dazu sagen sollte ohne seine Schwester zu verärgern.
Auch wenn sie eine ausgezeichnete Kämpferin war, war er froh, dass sie
wahrscheinlich nicht mit in den Krieg ziehen würde.
Isis erwartete jedoch gar keine Reaktion von Malik. Sie ließ sich weiter
lauthals über ihren Vater, ihren Zukünftigen und auch sonst über alles
Mögliche aus, doch plötzlich brach sie mitten im Satz ab und wurde
ungewöhnlich still.
Malik sah sie an. Ein trauriges Lächeln lag auf den Lippen seiner Schwester.
„Manchmal wünsch ich mir nur eine einfache Soldatin zu sein, dann könnte ich
heiraten, wen ich will, oder gar nicht heiraten und einfach nur meinen Spaß
haben.“ Sie legte den Kopf in den Nacken. „Er ist kein schlechter Kerl, aber
nicht das, was ich mir vorgestellt hatte.“
„Warum hast du dann zugestimmt?“
Seufzend stand Isis auf. „Weil es meine Pflicht ist.“ Sie nahm das Kleid zur
Hand und ließ den Stoff durch ihre Finger gleiten. „Versprich mir was,
Malik.“ Sie drehte sich lächelnd um. „Heirate wenigstens du jemanden, den
du wirklich liebst.“
Wieso musste er ausgerechnet jetzt an Mariku denken? Und wieso schlug sein Herz
nur so schnell? Malik nickte langsam.
Isis hielt das Kleid vor sich. „Und, wie seh ich aus?“
„Wunderschön.“
Mariku schlug blinzelnd die Augen auf, doch selbst diese einfache Aufgabe erwies
sich als Anstrengung. Seine Augenlider klebten zusammen und er hatte nicht die
Kraft die Hand zu heben um sich die Augen zu reiben. Zumindest konnte er auch
sein linkes Auge wieder öffnen, auch wenn seine Sicht nur verschwommen war.
Nicht, dass es viel zu sehen gab, dafür war das Licht zu schwach. Der Boden war
außerdem eiskalt.
„Scheiße“, murmelte er und drehte sich auf den Rücken. So fühlte es sich
bestimmt an, wenn man von einem LKW überfahren wurde. Jeder Muskel schmerzte,
selbst Muskeln von denen er nicht mal gewusst hatte, dass er sie hatte. Seine
Schultern fühlten sich steinhart an.
Mariku brauchte einen Moment um sich zu orientieren. Er war immer noch in der
Zelle, aber er hatte keine Ahnung wie viel Zeit vergangen war. Wo waren die
anderen? Lebten sie überhaupt noch? Seine Gedanken waren vernebelt, als wäre
er noch gar nicht richtig wach.
Mariku seufzte und versuchte sich aufzusetzen. Überrascht bemerkte er, dass er
gar keine Fesseln mehr trug, oder zumindest, dass sie nicht aktiviert waren. Er
hatte zwar immer noch die Metallreifen um die Handgelenke.
Er sank jedoch stöhnend wieder zurück auf den Boden. Jetzt war ihm nicht nur
schlecht, jetzt war ihm auch noch schwindelig. Vorsichtig betastete er seine
linke Gesichtshälfte. Die Wunde war verkrustet und er spürte nur ein leichtes
Ziehen, wenn er sie berührte. Dieser Bastard hatte ihn voll erwischt. Er hatte
ihm hauptsächlich die Seite und die Wange aufgerissen, doch sein Auge war
größtenteils verschont geblieben. Wenigstens etwas. Er hatte schon
befürchtet, dass er sich von seinem Auge verabschieden musste. Er hoffte nur,
das verschwommene Sehen würde wieder vergehen.
Mariku schaffte es schließlich doch sich aufzusetzen und beugte sich nach
vorne. Er würgte, aber sein Magen war leer.
„Scheiße“, sagte Mariku noch einmal.
Er sollte sich wohl mehr Sorgen um sich selbst machen, doch seine Gedanken
wanderten ganz automatisch zu Malik. Hoffentlich ließ dieser Bastard seine
Finger von ihm. Er konnte nicht fassen, dass das Maliks Bruder war. Mariku
knirschte mit den Zähnen.
Die Tür zu Marikus Zelle öffnete sich und er sah auf. Zwei Notechis traten
wortlos ein. Mariku beobachtete sie näher kommen und wehrte sich nicht, als sie
ihm einen Sack über den Kopf zogen. Er hörte das Surren der Energiefesseln,
als sie aktiviert wurden. Mariku wurde auf die Beine gerissen und würgte
erneut. Der raue Stoff rieb an seiner Wunde. Mariku stolperte nach vorne und das
einzige, das ihn auf den Beinen hielt, war der starke Griff an seinem Oberarm,
der sich anfühlte, als würde er ihm gleich die Knochen brechen.
Mariku fiel auf dem Weg mehr als einmal über seine eigenen Füße und wurde
jedes Mal wieder unbarmherzig zurückgerissen. Wo führten sie ihn hin? Was
hatten sie mit ihm vor? War es jetzt an der Zeit zu sterben? Mariku hatte sich
inzwischen an diesen Gedanken gewöhnt. In der letzten Zeit war er schon sooft
davor gestanden draufzugehen, dass es nichts Unheimliches mehr an sich hatte.
Inzwischen hatte er so die Schnauze voll davon, dass es ihm sogar ganz recht
wäre. Mariku unterdrückte das Lachen. Leid tat ihm nur seine Familie; sie
würden nie erfahren, was mit ihm passiert war.
Malik fuhr sich durch die Haare, als er die Tür hinter sich schloss. Er hatte
ja unbedingt noch Kura über den Weg laufen müssen. Malik ballte die Hände zu
Fäusten. Bevor er jedoch weiter über sein kurzes, aber ärgerliches Gespräch
mit Kura nachdenken konnte, klopfte es an der Tür. Malik zuckte zusammen. Für
einen Moment dachte er, es wäre Kura, doch Kura klopfte nicht.
„Commander Malik, wir bringen den Gefangenen.“
Malik straffte die Schultern. „Bringt ihn rein.“ Malik verzog keine Miene,
als Mariku durch die Tür geführt wurde. Sein Gesicht war verhüllt, doch Malik
sah an seiner Körperhaltung, dass er in keiner guten Verfassung war. Er deutete
den beiden Notechis zu gehen und Mariku sank sofort auf die Knie, als sich der
Griff an seinem Oberarm löste.
Malik wartete noch einige Augenblicke, nachdem sich die Tür wieder geschlossen
hatte, dann löste er erst Marikus Fessel, bevor er vor ihm auf die Knie sank
und ihm den Sack vom Kopf zog.
„Nein“, flüsterte er und berührte vorsichtig Marikus linke
Gesichtshälfte.
Mariku sah Malik an und ein schiefes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Es
tat gut Malik zu sehen.
„Dein Bruder ist kein Fan von mir.“
Malik verzog das Gesicht. „Er ist nur mein Halbbruder.“
„Deshalb war er so sauer, als ich ihn einen Bastard genannt hab.“
Malik presste die Lippen aufeinander. Wieso hatte Mariku nur so ein Talent
dafür sich in Schwierigkeiten zu bringen? Er konnte froh sein, dass Kura ihm
„nur“ das Gesicht aufgerissen hatte.
Mariku schloss die Augen, als ihm Malik mit seinen kühlen Fingern über das
Gesicht strich. „Schön dich zu sehen“, flüsterte er, „auch wenn ich grad
echt scheiße aussehe.“
„Nein.“
„Lügner.“ Mariku öffnete die Augen und grinste. Malik konnte nicht anders
als das Grinsen zu erwidern.
„Wir haben nicht viel Zeit zu reden. Kura darf nicht erfahren, dass du hier
bist, aber ich wollte dich unbedingt sehen.“ Er half Mariku auf die Beine und
stützte ihn. Mariku seufzte, als Malik ihn auf die weiche Couch setzte.
„Was ist sein verdammtes Problem?“, murrte Mariku. Mit dem Daumen
streichelte er über Maliks Handrücken. Malik wusste nicht, was er antworten
sollte. Er hatte sich nie wirklich für das geschämt, was zwischen ihm und Kura
passiert war, aber jetzt vor Mariku tat er es plötzlich. „Er benimmt sich,
als wärst du sein Eigentum.“
Malik hob überrascht die Augenbrauen. „Was hat er dir erzählt?“
„Das deine Narben von ihm sind, dieses kranke Schwein.“
Malik konnte mit dem Begriff „Schwein“ nichts anfangen, aber Marikus Tonfall
implizierte, dass es eine Beleidigung war. „Oh“, war seine einzige
Reaktion.
„Oh?“, wiederholte Mariku. „Mich wundert’s, dass du ihm nicht den Kopf
abgerissen hast, als er dich das erste Mal angefasst hat.“ Malik hielt den
Blick gesenkt und entzog seine Hand aus Marikus Griff. Mariku brauchte einen
Moment um Maliks Verhalten zu deuten. „Oh“, sagte er schließlich. „Es hat
dir gefallen.“ Das war das Letzte, mit dem er gerechnet hätte, besonders
nachdem er Maliks Reaktion auf seinen Bruder erlebt hatte.
Malik nickte langsam. Wieso nur schämte er sich so? Zuvor hatte er sich nur
für seine Schwäche geschämt, weil Kura ihn dominierte, aber jetzt schämte er
sich für den ganzen Akt. Er wollte nicht, das Mariku schlecht von ihm dachte.
Er wollte nicht, dass er ihn für „ein krankes Schwein“ hielt. Was, wenn er
ihn abstoßend fand? Warum war dieser Gedanke plötzlich so erschreckend? Es war
nicht so, dass er es jetzt noch genoss, aber früher hatte er regelrecht danach
gelechzt.
Mariku merkte, dass er etwas Falsches gesagt hatte. Er berührte Malik an der
Wange und drehte seinen Kopf in seine Richtung. „Es ist okay. Das ist ja
nichts Schlimmes.“
„Lügner“, widersprach Malik, der sich von Marikus Worten nicht täuschen
ließ.
Statt sich zu rechtfertigen, lehnte Mariku sich vor und küsste Malik. Im ersten
Moment schreckte Malik zurück, doch dann schloss er die Augen und genoss den
Kuss. Da war wieder das Herzrasen und Kribbeln. Für einen Moment konnte er
alles um ihn herum ausblenden. Marikus Zunge schlüpfte in seinen Mund und rieb
sich gegen Maliks Zunge. Malik schlang diesmal seine Zunge nicht um Marikus,
sondern überließ diesem die gesamte Kontrolle. Die Anspannung fiel von ihm ab
und er entspannte zum ersten Mal, seit er wieder zuhause angekommen war.
Leider war der Moment nur von kurzer Dauer.
„Ich weiß nicht, wie ich euch diesmal rausholen soll.“ Er strich Mariku
über die gesunde Wange.
Mariku zuckte mit den Schultern. „Ist okay.“ Er nahm Maliks Hand und küsste
seine Fingerrücken. „Ich bin nur froh, dass ich dich noch mal sehen
konnte.“
„Hör auf so was zu sagen.“
„Du kannst echt richtig süß sein“, sagte Mariku mit einem Schmunzeln.
Malik verdrehte die Augen und stand auf. „Die Situation ist wirklich ernst! Du
wirst sterben und es wird langsam und schmerzvoll werden.“
„Warum hast du eigentlich keinen Schwanz?“
Malik war zu verblüfft um zu antworten. Er brauchte auch eine Weile um die
Frage zu verstehen. „Das ist doch jetzt überhaupt nicht wichtig!“
„Ich kann nicht sterben, bevor ich das nicht weiß.“
„Ist das alles nur ein Witz für dich?“
Mariku hatte Malik noch nie so besorgt gesehen. Er hatte wirklich Angst um ihn.
„Tut mir leid.“ Mariku ergriff Maliks Hand und stand auf. Seine Knie
fühlten sich weich an, doch er schaffte es stehen zu bleiben. „So ist es nur
leichter, alles zu ertragen.“ Mit dem Zeigefinger strich er die Konturen von
Maliks Gesicht nach. „Außerdem tut mir alles weh, ich bin schon fast froh,
wenn’s endlich vorbei ist.“
Malik lehnte sich nach vorne und legte seine Stirn auf Marikus Schulter. „Du
ahnst gar nicht, was dir noch bevorsteht“, murmelte er.
„Dann bring‘s du zu Ende.“ Malik sah überrascht auf. „Ein Biss oder ein
Kratzer, das würd doch ganz schnell gehen, und bei dem was mir dein Bruder
angedroht hat, wär’s wohl besser so.“
Malik trat einen Schritt zurück und sah auf seine Hände. Mariku hatte recht.
Wenn er ihn umbrachte, dann wäre es schnell vorbei. Ein bisschen Gift und
Mariku würde ersticken. Niemand würde in Frage stellen, warum er es getan
hatte. Malik legte eine Hand auf Maliks Brust. Sein Gift tränkte den Stoff
seines Shirts. Er sah Mariku an.
„Komm schon“, flüsterte dieser. „Wär nicht das erste Mal.“ Marikus
Herz raste. Er musste zugeben, dass er trotz der coolen Fassade mehr als nervös
war. Er wäre innerhalb von einer Minute tot; er hatte schon einmal erlebt, wie
Maliks Gift wirkte und diesmal war er bei Kräften.
Malik ließ die Hand sinken und lehnte stattdessen seine Stirn gegen Marikus
Brust. „Ich kann nicht.“
„Schon gut. Also, warum hast du keinen Schwanz?“
Malik seufzte. „Ich bin noch nicht alt genug.“
„Dir wächst also noch einer?“
„Ja.“
„Heiß.“ Malik sah Mariku mit gehobenen Augenbrauen an. Mariku zuckte nur
grinsend mit den Schultern. „Wenn man nicht versucht mich damit zu erwürgen,
dann...“ Sein Grinsen wurde etwas breiter, doch nur für kurz, denn die
Anspannung ließ die Schmerzen wieder aufflammen.
Malik schüttelte nur den Kopf und sah dann zur Tür. „Es wird Zeit.“
Mariku beugte sich vor und küsste Malik noch einmal. „Okay.“
„Das tut mir jetzt gleich leid.“
„Wa-aaaaaaaah!“ Malik hatte vier lange Kratzer auf Marikus Brust
hinterlassen. Mariku presste den Stoff seines Shirts gegen seine Brust.
„Es muss echt aussehen.“
„Es fühlt sich auch sehr echt an“, murrte Mariku.
Sie gingen zurück zur Tür und Malik aktivierte die Fesseln. Er gab Mariku
einen letzten Kuss, bevor er ihm den Sack über den Kopf zog. Die Kratzer waren
nicht tief, doch sie tränkten trotzdem Marikus Oberteil mit Blut.
Malik öffnete die Tür und winkte die Wachen wieder zu sich. Sie hatten nicht
direkt vor seiner Tür gewartet, sondern weiter den Flur hinunter. Ohne Fragen
zu stellen oder den Kratzern auf Marikus Brust auch nur einen Blick zu
würdigen, führten sie ihn wieder zurück in seine Zelle.
Malik seufzte, als sich die Tür schloss. Vielleicht wäre es besser gewesen,
wenn er Mariku nicht gesehen hätte.
„Meister Malik.“
Malik sprang fast aus seiner Haut. Rishid! Er war die ganze Zeit hier gewesen,
hatte alles gesehen. Malik war so an seine Anwesenheit in seinem Zimmer
gewöhnt, dass er ihn gar nicht bemerkt hatte. Malik konnte sich nicht erinnern,
jemals eine solche Panik verspürt zu haben. Aus dieser Situation konnte er sich
nicht herausreden. Er starrte Rishid an, die Augen weit und der Körper
angespannt. Er musste ihn töten, bevor er irgendjemanden von dem erzählen
konnte, was er gerade gesehen hatte.
„Es gäbe eventuell eine Möglichkeit ihn zu retten.“
„Was?“
Kapitel 16
Bakura fuhr aus dem Schlaf hoch. Sein Atem ging schnell und sein „Albtraum“
lastete noch schwer auf ihm. Nein, Bakura sah sich um, es war kein Albtraum
gewesen. Sein Blick fixierte sich auf Jonouchis leblosen Körper, während eine
Welle der Schuld über ihn hinweg wusch. Nicht nur, dass Ryou ihm das nie
verzeihen würde, auch er selbst würde es sich lange vorwerfen. Er hatte einen
Freund getötet. Bakura ballte die Hände zu Fäusten. Er würde den Notechis
umbringen, der ihn in diese Lage gebracht hatte; auch dafür, was er Ryou
angetan hatte.
Bakura wandte den Blick von Jonouchi ab. Es gab sowieso nichts mehr was er für
ihn tun konnte. Zumindest war er jetzt wieder gestärkt und er trug keine
Fesseln. Vielleicht hatte er eine Chance sie hier rauszubringen.
„Anzu?“
Anzu hob langsam den Kopf und der Blick, den sie ihm schenkte, ließ Bakura
unbewusst ein Stück zurückrutschen. Sie betonte jede Silbe als sie sprach:
„Sprich mich nicht an!“
„Anzu, bitte...“
„Du hast ihn umgebracht!“
Bakura senkte schuldbewusst den Blick. „Ja.“ Er hatte nicht vor seine Tat zu
verteidigen, auch wenn es nicht ganz seine Schuld war. Er hätte nichts tun
können um es aufzuhalten. Hätte er nicht getrunken, wäre er es, der jetzt tot
wäre.
Bakura stand auf. Seine Beine fühlten sich etwas steif an, doch ansonsten
merkte er kaum etwas von den Anstrengungen der letzten Tage. Jonouchis Blut
hatte eine bessere Wirkung auf ihn als erwartet. Er trat einen Schritt auf Anzu
zu, welche sofort versuchte weiter von ihm wegzurutschen.
„Ich tu dir nichts. Ich will nur die Fesseln lösen.“
„Fass mich nicht an!“
„Anzu.“
„Bleib weg!“ Sie rutschte bis in die Ecke und ließ Bakura nicht aus den
Augen.
Bakura seufzte und vermied es sichtbar die Augen zu verdrehen. Wenn Anzu keine
Hilfe wollte, dann sollte sie ihre Fesseln eben weiterhin tragen. Stattdessen
betrachtete Bakura das Glas, dass sie davon abhalten sollte zu entkommen. Er
legte seine Hände darauf und tastete daran entlang, doch er fand weder Spalt,
noch Riss. Er stemmte sich dagegen, doch das brachte nichts. Er wusste, dass es
eine Tür gab, doch sie verschmolz so gut mit dem Glas, dass Bakura sie nicht
finden konnte. Zumindest nicht durch tasten.
Bakura schloss die Augen und legte ein Ohr an die Scheibe. Er klopfte nur leicht
dagegen, doch er hörte die Schwingung, die durch das Glas ging. Er klopfte noch
einmal dagegen und langsam formte sich ein Bild vor seinem inneren Auge. Er sah
die Scheibe und die Störung, die die Tür im Glas verursachte.
Bakura öffnete die Augen wieder und ging nach rechts. Er konnte die Tür mit
offenen Augen nicht sehen, aber jetzt wusste er, wo sie war. Aufgrund der
Öffnung war das Glas an dieser Stelle instabiler und leichter zu brechen.
Bakura wusste nur nicht, ob reine Gewalt ausreichte. Mehr hatte er nur leider
nicht.
Bakuras Augen weiteten sich leicht. Doch, er hatte mehr. Er drehte sich wieder
zu Anzu um, die ihn immer noch wütend anstarrte. „Du kannst doch auch Eis
machen, nicht wahr?“ Anzus wütender Blick wandelte sich in Misstrauen.
„Damit können wir das Glas aufsprengen.“
Doch Anzu schüttelte den Kopf und wandte den Blick ab. „Ich könnte, aber ich
bin zu schwach.“
„Verdammt!“ Bakura trat gegen die Scheibe.
„Bakura?“ Es war Ryous Stimme, die schwach von nebenan zu hören war.
„Ryou!“ Bakura war erleichtert seine Stimme zu hören, auch wenn sofort das
schlechte Gewissen anklopfte. Er hatte einen von Ryous Freunden umgebracht, wie
sollte er ihm das erklären? „Wie geht’s dir? Bist du in Ordnung?“
„Hatte schon bessere Tage.“
Bakura lächelte leicht. Zumindest hatte Ryou seine Bissigkeit nicht verloren.
„Aber er hat dir eine Feder ausgerissen?“
Ryou schwieg für eine Weile. „Ja“, sagte er schließlich, „aber nur eine,
das ist noch okay. Mach dir um mich keine Sorgen. Wie geht’s euch?“
Bakura warf einen Blick über die Schulter. Anzu hatte die Lippen aufeinander
gepresst, sah ihn jedoch nicht mehr an. Er vermied es Jonouchi anzusehen.
„Alles in Ordnung.“ Er schaffte es nicht, es Ryou zu beichten. Er wollte ihn
nicht noch weiter belasten. „Weißt du was von Mariku?“
Kurze Stille.
„Er müsste in der anderen Zelle neben euch sein.“
„Okay, ich geh schnell auf die andere Seite, ja?“
„Es ist jetzt nicht so als könnt ich davonlaufen.“
Immer noch mit einem Lächeln auf den Lippen, wandte sich Bakura in die
Richtung, in der Marikus Zelle lag. „Mariku? Mariku?“ Doch er erhielt keine
Antwort. „Mariku?“ Bakura biss sich auf die Unterlippe. War er immer noch
ohnmächtig? „Mariku!“ Er war doch nicht tot? Seine Verletzungen waren
ziemlich schwer gewesen und dieser weißhaarige Notechis hatte es auf ihn
abgesehen. „Mariku, wehe du bist tot!“
Schritte hallten durch den Gang und Bakura zog sich von der Scheibe zurück. Er
wollte keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, damit am Ende nicht noch seine
Fesseln wieder aktiviert wurden. Er ließ sich auf den Boden sinken, schloss die
Augen und lauschte. Die Glasscheibe dämpfte die Geräusche, doch Bakura konnte
trotzdem hören, dass es drei Personen waren. Zwei hatten einen festen Schritt,
die dritte wurde mehr geschleift, als dass sie selbst ging. War es Mariku?
Bakura hörte das Piepen, als der Code für die Zelle nebenan eingegeben wurde.
Die Notechis schubsten Mariku hinein, welcher auf den Boden fiel, dann schloss
sich die Tür wieder.
Die Notechis überprüften nicht die anderen Zellen, sondern zogen sich wieder
zurück. Bakura wartete noch einige Augenblicke ab, bis er sicher sein konnte,
dass sie wieder allein waren, dann rutschte er an die Scheibe.
„Mariku?“
Grummeln war von nebenan zu hören.
„Geht’s dir gut?“
„Ich lebe.“ Mariku löste sein Shirt vorsichtig von seinen frischen Wunden.
Er biss die Zähne zusammen. Man sollte meinen so ein paar Kratzer wären nichts
im Vergleich zu seinem Gesicht. „Die Frage ist, wie lange noch.“
„Wo warst du?“
„Bei Malik.“
„Und?“ Bakura drückte sein Gesicht schon fast gegen die Scheibe.
„Nichts Und. Wir werden alle sterben und es wird lang und schmerzvoll.“
*
Malik starrte Rishid mit offenem Mund an. Hatte er sich gerade verhört?
„Was?“, wiederholte er.
„Während der Hochzeit wird niemand auf die Gefangenen achten“, begann
Rishid seinen Plan zu erläutern, doch Malik hörte gar nicht zu. Er war immer
noch zu verblüfft. Während Rishid noch sprach, ging Malik auf ihn zu und
packte ihn schließlich am Kragen. Rishid verstummte.
„Weißt du überhaupt, was du da sagst?“ Malik flüsterte schon fast. „Das
ist Hochverrat.“
Es war nur selten, dass Rishid lächelte, aber jetzt tat er es. „Das ist die
Beziehung zu einem Nicht-Notechis auch.“
Malik ließ Rishid los und wandte sich ab. „Wir haben keine Beziehung.“
„Aber du willst, dass er überlebt und die Hochzeit ist die einzige
Gelegenheit.“
„Wie stellst du dir das vor? Ich hab während der Hochzeit keine Zeit!“
Malik schüttelte den Kopf. „Ich muss die ganze Zeit da sein.“
„Ja, du schon, Meister Malik, aber ich nicht.“
„Ich... nein“, Malik schüttelte wieder den Kopf, „das geht nicht.“
„Es gibt keinen anderen Weg.“
„Es ist Hochverrat. Sie werden uns beide hinrichten.“
Diesmal war es Rishid, der den Kopf schüttelte. „Sie werden mich hinrichten.
Ich werde für alles die Verantwortung übernehmen.“
Malik presste die Lippen aufeinander und sah Rishid an. Er wog die Chancen ab.
Niemand würde während der Hochzeit auch nur einen Gedanken an die Gefangenen
verschwenden; es würde keine Wachen für sie geben und auch im restlichen
Gebäude und bei den Raumschiffen würde kaum jemand sein. Außerdem hatte
Rishid ein ausgesprochenes Talent sich lautlos und unauffällig zu bewegen.
Aber würde er es auch schaffen Mariku und die anderen ungesehen bis zu den
Raumschiffen zu bringen?
Mariku allein wäre sicher weniger ein Problem, aber er würde niemals die
anderen zurücklassen. Bis zur Raumschiffhalle war es weit und die
Wahrscheinlichkeit, dass sich trotz allem jemand in diesem Areal aufhielt war
hoch.
„Warum willst du das für mich tun?“
„Weil es meine Aufgabe ist dich zu beschützen, Meister Malik, und ich schon
viel zu oft versagt habe.“
Malik konnte den Blickkontakt nicht halten. Er wusste, dass Rishid von Kura
sprach und die Narben auf seinem Rücken wurden immer mehr zur Last. Er dachte
an Mariku und dessen dämliches Grinsen. Er wollte nicht, dass Kura ihm noch
mehr antat.
Malik fiel Rishid um den Hals. Er war selbst über den plötzlichen
Gefühlsausbruch überrascht. Das letzte Mal hatte er Rishid als kleines Kind
umarmt. Er hatte sich jedoch nicht zurückhalten können. Er war Rishid dankbar
für alles, was er all die Jahre für ihn getan hatte, auch wenn er ihm das nie
gesagt hatte. Rishid war mehr ein Bruder für ihn, als Kura es je sein würde.
„Rette ihn.“
*
Malik zuckte nicht einmal mit der Wimper, als Kura ihn gegen die Wand drückte.
Er legte eine Hand auf Kuras Brust und schob ihn von sich. Er verschwendete
keine Energie darauf etwas zu Kura zu sagen. Egal was er sagte, Kura würde ihm
sowieso weiter folgen. Er würde ihn so lange nicht in Ruhe lassen, bis er hatte
was er wollte.
Malik wusste, dass es besser wäre, wenn er sich unter die anderen Notechis
mischte, anstatt in sein Zimmer zu gehen, wo Kura so gut wie freie Hand hatte,
doch seine Beine trugen ihn ganz automatisch zu seinem Zimmer. Er hoffte, dass
Rishid da war, doch diese Hoffnung wurde schnell zunichte gemacht.
Malik schloss die Augen, als Kura die Arme um ihn legte und etwas grob sein Kinn
packte. „Inzwischen macht mich dein kleines Spielchen ziemlich an“,
flüsterte Kura ihm ins Ohr und küsste seine Schläfe.
„Spielchen?“
„Du spielst den Unnahbaren.“
Malik musste sein Gesicht nicht sehen um zu wissen, dass er grinste. Er riss
sich aus Kuras Umarmung los. „Du langweilst mich einfach nur.“
Kura drehte Malik herum und packte ihn am Kragen. „Du wagst es?“
„Ich?“ Malik versuchte seine Stimme ruhig zu halten. „Du hast wohl
vergessen, dass DU unter MIR stehst!“
Kura stieß Malik von sich, packte ihn aber gleich wieder am Arm. „Ich zeig
dir gleich, wer hier unter wem ist“, zischte Kura. Sein Griff war eisern, doch
Malik verzog keine Miene. Plötzlich kehrte das Grinsen auf Kuras Lippen zurück
und das verunsicherte Malik mehr als wenn Kura wütend war. „Aber ich versteh
schon, du willst was anderes oder besser gesagt, jemand anderen, nicht wahr?“
Er packte Malik am Kinn. „Diesen erbärmlichen Menschen.“ Kura ließ Malik
los und trat von ihm zurück. „Wie war der Sex mit ihm, hm?“
„Ich weiß nicht, wovon du redest.“
Kura lachte. „Ach Malik, wie lange willst du’s noch leugnen? Hast du ihn
gefickt?“ Malik antwortete nichts. „Oder er dich?“
„Verschwinde Kura.“
„Er hat dich gefickt, das ist mehr dein Ding. Der große, angesehene Krieger,
bewundert von allen, Commander Malik“, spottete Kura. „Was würden sie
sagen, wenn sie wüssten, dass du dich erst von deinem Bruder und dann von
diesem Abschaum hast ficken lassen?“
Es fiel Malik schwer ruhig zu bleiben. „Du bist nur mein Halbbruder.“
Kuras Mundwinkel sanken leicht herab, doch er fing sich schnell wieder. „Also
streitest du’s nicht ab? Hast du seinen Schwanz geritten, wie du meinen immer
reitest?“
„Raus!“
„Wie kommt’s, dass der noch lebt?“ Kura musterte Maliks Körper.
„Vielleicht, weil nichts passiert ist?“, zischte Malik. „Wenn du nicht
mehr zu sagen hast, als diese widerlichen Anschuldigungen, dann verschwinde
endlich!“
Kura kam wieder näher und strich Malik über die Wange. Schließlich packte er
Maliks Haare und presste ihre Lippen aufeinander. Der Kuss währte nur Sekunden,
bevor Malik sein Knie in Kuras Magen rammte. Kura sackte leicht zusammen und
presste seine Hand gegen seinen Bauch. Wütend sah er Malik an, sagte jedoch
nicht.
„Verzieh dich, Kura, bevor ich dir die Kehle rausreiße.“
Kura knirschte mit den Zähnen, sagte jedoch nichts mehr.
Als sich die Tür laut krachend hinter Kura schloss, ließ sich Malik auf sein
Bett fallen. Er berührte seine Lippen. Wäre es nicht einfacher, wenn er
endlich einfach nachgab?
*
Malik betrachtete sich im Spiegel und strich unnötigerweise seine sowieso
glatte Uniform noch einmal glatt. Er war nervös, nicht wegen der Hochzeit,
sondern wegen der Befreiung von Mariku. Er wusste nicht, was Rishid geplant war.
Obwohl er Rishid gefragt hatte, wie sein Plan aussah, hatte dieser es vorgezogen
es ihm nicht zu verraten. Seiner Ansicht nach war es besser, je weniger Malik
wusste.
Rishid legte die Hände auf Maliks Schulter. „Ganz ruhig.“ Er sprach leise.
„Es ist alles vorbereitet.“
„Mir wär lieber, es wär schon vorbei“, murmelte Malik und strich erneut
über seine Uniform. Bevor Malik noch mehr sagen konnte, trat Isis ein. Trotz
ihres Gemeckers trug sie das Kleid doch. Nach der eher wilden Art, wie ihre
Haare hochgesteckt waren, vermutete Malik, dass sie es selbst getan hatte.
„Du siehst wunderschön aus.“
„Ich seh aus wie ein Püppchen.“
„Ich würd dich sofort heiraten.“
Isis ließ sich auf einen Stuhl fallen, ohne dabei großartig auf das Kleid zu
achten. Sie trug Kampfstiefel darunter. „Das wär mir tausendmal lieber. Ich
wünschte, dieses Theater wäre schon wieder vorbei.“
Malik nickte nur. Er wünschte sich auch, dass der Tag schon vorbei wäre.
*
Malik füllte sich bereits zum zweiten Mal das Glas mit Nias, einem
alkoholischem Getränk, gewonnen aus Früchten, die auf diesem Planeten wuchsen.
Die Zeremonie hatte gerade erst begonnen, aber er hörte gar nicht zu. Sein
Blick wanderte zu Rishid, der fast am anderen Ende des Saals stand. Er schenkte
Malik keine Aufmerksamkeit, sondern hatte seinen Blick auf Isis und ihren
Verlobten gerichtet. Malik wusste, dass Rishid schon immer eine kleine Schwäche
für Isis gehabt hatte, aber aufgrund seines niederen Rangs hätte er nie eine
Chance gehabt.
Malik richtete seinen Blick ebenfalls wieder auf das Pärchen und musterte ihren
So-gut-wie-Ehemann. Er hatte ihn zwar schon öfter gesehen, aber ihm nie
wirklich Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei war er wirklich kaum zu übersehen.
Isis war hochgewachsen, aber neben ihrem Angetrauten wirkte sie klein und
zerbrechlich. Während Malik sein Training hauptsächlich auf Agilität
ausgelegt hatte, hatte sich Isis‘ Mann auf Stärke konzentriert. Malik hatte
noch nie viel von brachialer Gewalt gehalten. Er sah zu Kura, der einige Tische
weitersaß und sich auch mehr für den Inhalt seines Glases, als für die
Hochzeit interessierte. Auch Kura bevorzugte Stärke über Beweglichkeit,
weshalb Malik in einer direkten Auseinandersetzung für gewöhnlich der
Unterlegene war. Malik leerte sein Glas mit einem Zug und wandte den Blick
wieder ab. Er versuchte sich an den Namen des Bräutigams zu erinnern, aber er
wollte ihm einfach nicht einfallen. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern,
welchen Rang er einnahm. Isis‘ hatte gesagt, er war unter ihr, daher ging er
von Offizier aus.
Malik schenkte sich nach und hob das Glas gleich an die Lippen. Es war
wahrscheinlich keine gute Idee, dass er so viel trank, aber er kam einfach nicht
mit der Nervosität klar und wollte auch nicht, dass sie jemand bemerkte. Die
Warterei machte ihn noch wahnsinnig.
Malik ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen. Um ihn herum saßen
hauptsächlich höherrangige Notechis; Veteranen des Krieges. Malik kannte sie
alle.
Sie unterhielten sich leise über die Hochzeit und schienen mit Isis‘
Angetrautem zufrieden zu sein, auch wenn manche der Überzeugung waren, die
eigenen Söhne wären besser für sie geeignet.
Malik schmunzelte. Er kannte die Söhne und Isis hätte jeden einzelnen von
ihnen zum Frühstück verspeist.
„Malik.“
Malik wandte den Kopf. „General Zone?“
Zone wedelte wirsch mit der Hand. Er hatte auch schon einige Gläser Nias intus.
„Wir haben Seite an Seite Abschaum ausgelöscht, du bist der Letzte, der mich
mit irgendwelchen Titeln ansprechen muss.“ Er grinste breit und legte einen
Arm um Maliks Schulter. „Aber jetzt hör mir zu, du bist ein großartiger
Kämpfer, ein ausgezeichneter Commander und du bist in einem guten Alter.“ Er
griff nach seinem Glas und nahm einen tiefen Schluck. „Weißt du, wer noch in
einem guten Alter ist? Meine Tochter. Sie war noch zu jung für den Krieg
damals, aber inzwischen ist sie eine bemerkenswerte Kämpferin, flink und
stark.“ Es schwang viel Stolz in seiner Stimme mit. „Und wunderschön
obendrein!“ Er deutete auf eine Gruppe junger Frauen, nicht weit von ihrem
Tisch entfernt.
Malik hatte keine Ahnung, wer die Tochter des Generals war. „Sie ist wirklich
eine Augenweide“, sagte er trotzdem um ihn zufrieden zu stellen.
„Nicht wahr? Sie würde dir gute Kinder schenken.“
Malik trank sein Glas leer, bevor er antwortete. „Das ist wirklich ein
großzügiges Angebot und ich fühlte mich geehrt, dass du denkst, ich wäre gut
genug für deine Tochter.“
Zone lachte leise und klopfte Malik auf den Rücken. „Sie ist jederzeit für
dich bereit.“
Malik lächelte gezwungen. Eher würde er sich die Hand abhacken. „Wir haben
jedoch einen Krieg vor uns, der meine ganze Aufmerksamkeit verlangt. Wenn, dann
muss das warten, bis wir uns zurückgenommen haben, was uns zusteht.“
Das Gesicht des Generals wurde ernst. „Natürlich, ich verstehe.“
Malik entspannte sich leicht, als General Zone seine Aufmerksamkeit wieder
jemand anderem zuwandte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt.
*
Malik hielt die Flasche im letzten Moment fest, bevor sie umkippen und ihren
Inhalt auf dem Tisch verteilen konnte. Die Zeremonie war vorbei und das richtige
Saufgelage hatte begonnen. Er spürte die Auswirkungen des Nias, versuchte
jedoch einen klaren Kopf zu behalten. Die meisten waren längst betrunken und
die Stimmung war ausgelassen. Malik suchte in der Menge nach Rishid, doch konnte
ihn nirgends entdecken. Er verschwendete keine Zeit mit den Versuch Nias in sein
Glas zu schütten, sondern trank direkt aus der Flasche. Es ging los...
*
Ohne Eile entfernte sich Rishid von der Feier und wandte sich dem Hauptgebäude
der Stadt zu. Notechis bevorzugten das Leben in Städten, anstatt in kleinen
Dörfern. Es gab nur zwei große Städte auf dem Planeten, die von den Notechis
bewohnt wurden. Sie trugen auch keine besonderen Namen, sondern wurden nur
Hauptstadt und Nebenstadt genannt. Die Nebenstadt existierte nur zu
Trainingszwecken. Das ganze Areal war eine einzige Kampfzone. Die Kinder wurden
noch in der Hauptstadt trainiert, doch ab einem bestimmten Alter mussten sie in
die Nebenstadt und dort gab es keine Spielereien mehr.
Auf der Straße außerhalb des Festsaals war ebenfalls viel los. Nicht alle
passten in den Saal, aber niemand wollte sich die Feierlichkeiten entgehen
lassen, weshalb auf der großen Hauptstraße gefeiert wurde. Die Sonne war
bereits untergegangen, doch Lichter schwebten durch die Straße. Rishid hatte
Schwierigkeiten voranzukommen, doch viel mehr Sorgen machte er sich darüber,
wie er ungesehen wieder rauskommen würde. Der Raumschiffhafen lag abseits der
Hauptstraße und man konnte ihn vom Hauptgebäude direkt betreten, doch es
bestand trotzdem ein Risiko. Wenn es sein musste, konnte er ein oder zwei
Notechis töten, sollten sie sich ihm in den Weg stellen, aber gegen mehr konnte
er nichts ausrichten.
Die Massen wurden weniger, je näher er dem Hauptgebäude kam.
„Hey, Rishid!“ Rishid blieb stehen und sah zur Seite. Zwei Notechis saßen
auf einer kleinen Mauer. Mehrere Flaschen Nias standen vor ihnen. Rishid kannte
sie nur flüchtig. „Trink mit uns.“
„Ich muss etwas für Meister Malik holen.“
„Meister Commander Malik.“ Der Sprecher lachte und stieß sein Glas gegen
das seines Freundes. Sie tranken und lachten beide, während Rishid seinen Weg
fortsetzte und das Hauptgebäude betrat. Er hoffte, dass es kein Fehler gewesen
war, Malik zu erwähnen.
Kaum schloss sich die Tür hinter ihm, verstummte der Lärm der Straße und
Stille hüllte ihn ein. Rishid schloss die Augen und lauschte, doch er schien
wirklich allein zu sein.
Rishid eilte durch das Gebäude, bis er plötzlich Stimmen vernahm. Er huschte
durch eine der Türen und drückte sich gegen die Wand. Je mehr Leute ihn sahen,
desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass man ihn mit der Flucht der
Gefangenen in Verbindung brachte und das würde nicht nur ihn, sondern auch
Malik in Gefahr bringen. Und das war etwas, dass er nicht zulassen konnte. Seit
Maliks Geburt war er darauf gedrillt worden auf ihn aufzupassen. Er hatte seine
eigenen Bedürfnisse zur Seite geschoben um sich um Malik zu kümmern und er
hatte es nie bereut. Malik war ihm wichtiger, als jedes Gesetz der Notechis,
weshalb er jetzt auch auf dem Weg war Hochverrat zu begehen.
Rishid trat wieder auf den Flur, nachdem die Gruppe vorbeigegangen war.
Außerdem hatte er gesehen, wie Malik den Menschen ansah und wie er mit ihm
umging, er konnte nicht zulassen, dass er starb. Von klein auf hatte Malik ein
härteres Training durchlaufen als die anderen Kinder. Lord Ishtar war schon
immer besonders ehrgeizig gewesen und hatte Malik bis zur Erschöpfung
trainieren lassen. Es hatte sich ausgezahlt, Malik war der jüngste Commander
seit tausend Jahren und ein hochangesehener Krieger, doch Rishid hatte schon
immer das Gefühl gehabt, dass ihm etwas fehlte.
Rishid betrat den Zellenblock. Malik war dieser Mensch wichtiger als sein Stolz,
also würde Rishid ihn retten und wenn es das Letzte war, was er tat.
*
Malik wusste nicht, wie es dazu gekommen war. Vielleicht hatte er auch einfach
zu viel getrunken, doch als General Zone plötzlich seine Tochter in seine Arme
geschoben hatte, war ihm keine Ausrede eingefallen um den Tanz zu vermeiden.
Wobei Tanz doch zu viel gesagt war, immerhin war er betrunken und selbst
nüchtern tanzte er für gewöhnlich nicht. Notechis mochten auf dem
Schlachtfeld noch so grausam sein und auch abseits davon eher gefühlskalt, doch
Feste und Tanzen ließen sie sich nicht entgehen.
Zones Tochter war schon irgendwie hübsch. Ihre Haare waren gefärbt, rotes Haar
war nicht natürlich unter den Notechis, und passte perfekt zu ihren dunkelroten
Schuppen. Trotz ihres zierlichen Körperbaus hatte sie einen festen Griff. Sie
trug ebenfalls Kampfstiefel unter dem Kleid, genau wie Isis.
„Tut mir Leid wegen meines Vaters, Commander.“ Sie sah kurz auf und wandte
den Blick dann verlegen zur Seite.
„Schon okay, ähm...“ Wie war ihr Name noch mal? Er war doch nur so kurz
gewesen. Verdammt!
„Aber wenn ich etwas für dich tun kann, dann musst du das nur sagen,
Commander Malik.“ Sie drückte sich leicht gegen ihn und Malik wusste nicht,
wie er reagieren sollte.
„Ich komme darauf zurück, wenn nötig, Aki“, murmelte er. Aki, genau, das
war ihr Name! Sie lächelte und strich ihm über die Brust. Ihre Absichten waren
klar, doch Malik dachte nicht im Traum daran, darauf einzugehen.
Er war erleichtert, als das Lied zu Ende war und er sich mit einer knappen
Entschuldigung von Aki lösen konnte. Er hatte noch gar nicht mit seiner
Schwester gesprochen und wollte das nachholen. Malik musste sich auf seine
Schritte konzentrieren um nicht zu torkeln. Wieso hatte er nur so viel
getrunken? Ob Rishid Mariku schon befreit hatte? Ob alles gut gegangen war?
Hoffentlich erwischte ihn niemand. Was sollte er tun, wenn er Rishid und Mariku
verlor?
Malik stieß mit jemandem zusammen. Er hatte sich noch nie solche Sorgen
gemacht, jemanden zu verlieren. Er hatte sich überhaupt noch nie Sorgen um so
etwas gemacht. Sterben gehörte dazu. Malik hob den Blick um zu sehen mit wem er
zusammengestoßen war. Er schluckte. Es war Kura.
*
Mariku sah auf, als sich seine Zellentür öffnete. Was wollten sie denn jetzt
schon wieder von ihm? Es war nur ein einzelner Notechis und keiner von denen,
die ihm für gewöhnlich das Essen brachten. War das sein Henker? Nein, er ging
davon aus, dass es Kura persönlich sein würde, der ihn dafür abholte. Mariku
musterte ihn kurz. Eine Gesichtshälfte war vernarbt und Mariku musste
unweigerlich grinsen.
„Wenn das verheilt ist, seh ich wahrscheinlich so aus wie du.“
Ohne etwas zu sagen, kniete sich Rishid neben Mariku und dieser erwartete jeden
Moment das Surren der Fesseln zu hören, doch stattdessen fielen sie zu Boden.
Mariku starrte Rishid überrascht an.
„Malik schickt mich“, flüsterte Rishid mit schwerem Akzent.
„Malik“, wiederholte Mariku leise. Rishid zog ihn auf die Beine und Mariku
musste sich an der Wand abstützen. „Wo ist er?“
Doch Rishid schüttelte nur den Kopf. „Sei leise und komm mit.“
Mariku sah ihn misstrauisch an. Konnte er ihm vertrauen? Schickte wirklich Malik
ihn? Oder war das ein Trick? Doch er hatte auch keine andere Wahl, weshalb er
Rishid aus der Zelle folgte.
Als nächstes war die Zelle mit Bakura und Anzu an der Reihe. Bakura sagte
nichts, sondern sah Mariku nur fragend an. Mariku zuckte mit den Schultern. Sein
Blick fiel auf Jonouchis Leiche und jetzt war er es, der Bakura fragend ansah.
Bakura wandte schuldbewusst den Blick zur Seite.
Anzu ließ sich ohne Widerworte die Fesseln abnehmen und vermied es irgendwen
anzusehen.
Als Rishid Ryous Zelle öffnete, stürzte Bakura sofort zu ihm und schloss ihn
in die Arme. „Ich bin so froh, so froh“, murmelte er und drückte Ryou an
sich. Ryou genoss die Umarmung, traute der ganzen Sache jedoch nicht. Mit
zusammengekniffenen Augen sah er Rishid an. „Wer ist er?“
„Er sagt, Malik schickt ihn.“
„Ist er vertrauenswürdig?“
Mariku zuckte nur mit den Schultern.
„Seid leise und beeilt euch. Wir haben nicht viel Zeit.“ Rishid wurde etwas
nervös. Der schwierige Teil stand ihnen noch bevor.
„Ich trau ihm nicht.“
„Wir haben keine andere Wahl“, erwiderte Mariku. Sie folgten Rishid.
„Traust du ihm?“
„Ich vertraue Malik.“
„Er hat Honda umgebracht“, zischte Ryou.
„Und Bakura Jonouchi.“ Mariku zuckte schon fast beiläufig mit den
Schultern.
„WAS?“ Ryou sah sich um. Es stimmte, Jonouchi fehlte. Sein Magen zog sich
zusammen und sein entsetzter Blick richtete sich auf Bakura.
Bakura schloss die Augen. Hatte Mariku das jetzt sagen müssen?
Doch bevor die Situation weiter eskalieren konnte, mischte sich Rishid ein.
„Seid endlich still! Oder wollt ihr, dass wir alle sterben?“
„Lass uns später darüber reden“, flüsterte Bakura und wollte Ryous Hand
nehmen, doch Ryou zog sich von ihm zurück. Bakura seufzte.
Mariku ging neben Rishid, während sie Schleichwege durch das Gebäude nahmen.
„Wer bist du?“, fragte Mariku leise. Er wollte mehr über ihren potenziellen
Retter wissen und in welcher Beziehung er zu Malik stand.
„Unwichtig.“
„Wieso hilfst du uns?“
„Du hörst erst auf zu fragen, wenn ich antworte, nicht wahr?“
„Ja.“
Rishid lächelte. „Ein Sturkopf, genau wie Malik.“
„Kennst du ihn schon lange?“
„Sein ganzes Leben.“
„Also, wer bist du?“
„Mein Name ist Rishid und meine Aufgabe ist es, Malik zu beschützen.“
„Nicht sehr erfolgreich.“ Rishid blieb stehen, sodass Mariku gegen ihn lief.
Er packte Mariku am Kragen und hob ihn hoch. Mariku wartete auf den Schmerz,
doch er kam nicht. Rishid atmete tief durch und stellte Mariku wieder auf die
Füße.
„Ich weiß.“ Er klang bitter. Für einen Moment rührten sie sich nicht.
„Ich habe versagt und das ist mein Versuch, es zumindest etwas wieder gut zu
machen.“ Er wandte sich von Mariku ab. „Und jetzt kommt, es ist nicht mehr
weit.“
Mariku schwieg den Rest des Weges. Er fühlte sich schlecht wegen dem was er
gesagt hatte. Rishid gefiel die Sache mit Kura genauso wenig wie ihm. Er konnte
sich vorstellen, dass Rishid Kura sicher auch am liebsten umbringen würde.
Ungesehen gelangten sie zu den Raumschiffen und Rishid war ihr Glück schon fast
nicht geheuer. Er erwartete jeden Moment einer Gruppe zu begegnen, doch auch der
Raumschiffhafen lag ruhig vor ihnen. Rishid deutete der Gruppe zu warten, ging
eine Runde und lauschte auf Geräusche, doch außer ihnen war niemand anwesend.
„Es ist bereits alles programmiert“, erklärte Rishid, als sie vor dem
kleinen Raumschiff standen, dass er für die Flucht vorbereitet hatte. „Ihr
verlasst den Planeten und springt. Ihr gelangt direkt ins Gebiet der
Sternenallianz. Von dort aus müsst ihr euren Weg alleine finden, aber ihr seid
zumindest in Sicherheit.“
„Wo ist Malik?“
Rishid sah Mariku kurz an. „Beeilt euch.“
„Ich flieg nicht ohne Malik.“
„Du hast keine andere Wahl.“
„Ich lass ihn nicht hier.“
Rishid seufzte. „Er hat mich vorgewarnt, dass du wahrscheinlich so reagieren
wirst und ich soll dir etwas ausrichten.“
„Was?“
„Idiot.“ Und bevor Mariku reagieren konnte, schlug Rishid ihn mit einem
gezielten Schlag in den Nacken KO. Mariku sackte nach vorne, doch Anzu fing ihn
auf und schleifte ihn ins Raumschiff.
„Verschwendet keine Zeit.“
„Sag Malik...“ Ryou räusperte sich. „Sag ihm, danke.“
Rishid nickte. „Das nächste Mal, wenn wir uns wiedersehen, werden wir Feinde
sein.“
Ryou grinste. „Das sind wir doch schon die ganze Zeit.“
Kapitel 17
Unbeholfen versuchte Malik sich selbst Bandagen anzulegen. Sie rutschten über
seinen Rücken und rieben an den frischen Wunden. Malik biss die Zähne
zusammen. Er hob die Verbände auf und versuchte es erneut. Er hatte viel zu
viel getrunken und dumme Entscheidungen getroffen. Eine dumme Entscheidung um
genau zu sein. Es war jedoch am besten, wenn er sich wieder daran gewöhnte. Es
würde keinen Mariku mehr geben. Nie wieder. Noch hatte niemand gemerkt, dass
die Gefangen verschwunden waren, doch es würde nicht mehr lange dauern.
Frustriert warf Malik die Bandagen in eine Ecke. Doch zumindest musste er sich
um ihn keine Gedanken mehr machen. Mariku war weg. In Sicherheit.
Malik strich sich die Haare zurück. Alles war wieder beim Alten: er war dort,
wo er hingehörte; bei seinem Volk. Er würde helfen diesen Krieg vorbereiten
und versuchen ihre Verluste so gering wie möglich zu halten. Er würde sich von
Kura ficken lassen und seinen Selbsthass an den Schwächeren auslassen. Malik
ballte die Hände zu Fäusten, sodass sich seine Krallen in die Handfläche
gruben. Blut rann zwischen seinen Fingern hindurch, doch er spürte den Schmerz
gar nicht.
„Sag nichts“, fauchte er Rishid an, als dieser eintrat. Er saß zwar mit dem
Rücken zur Tür, doch es konnte nur Rishid sein. Kura war jetzt für eine Weile
befriedigt und würde ihn in Ruhe lassen, ansonsten gab es niemanden, der ohne
anzuklopfen seine Räumlichkeiten betreten würde.
Rishid ging an Malik vorbei und hob die Verbände auf. Maliks Augen folgten
jeder seiner Bewegungen. Schweigend bandagierte er ihm den Rücken.
„Ich hatte keine andere Wahl“, sagte Malik leise. „Ich muss das tun. Alles
muss wieder wie früher werden.“ Malik streckte den Rücken durch. „Ich darf
keine Schwäche zeigen.“
„Was ist mit dem Menschen?“
„Er ist weg“, fauchte Malik. „Es ist egal, was mit ihm ist.“
„Du hättest mit ihm gehen sollen.“
„Sei still!“ Malik stand auf und drehte sich zu Rishid um. Er sah auf ihn
hinunter, da Rishid immer noch auf dem Boden kniete. „Für mich ist er
tot.“
„Er wollte nicht ohne dich fliegen.“
„Raus!“ Malik deutete zur Tür und Rishid erhob sich.
„Er liebt dich.“
„RAUS!“ Rishid kam der Aufforderung nach und ließ Malik allein. Malik sank
auf den Boden. „Als ob ich das nicht weiß“, flüsterte er.
„Fass mich nicht an.“ Ryou stieß Bakura von sich, als dieser sich um seine
Wunde kümmern wollte. „Fass mich einfach nicht an.“
„Ryou, bitte...“
„Nein, du hast Jou umgebracht.“
„Ich...“
„ER WAR MEIN FREUND!“
Bakura presste die Lippen aufeinander. Er wusste, dass es nutzlos war im Moment
mit Ryou zu reden, doch er war nicht bereit zu schweigen. „Ich hatte keine
Wahl.“
„Oh, willst du dich jetzt rechtfertigen?“
Bakura knirschte mit den Zähnen. „Nein, aber...“
„Kein Aber! Ich hätte weder dich, noch ihn“, er deutete auf den immer noch
bewusstlosen Mariku, „mitnehmen sollen. Das war die dümmste Entscheidung
meines ganzen Lebens.“
„Ich wär gestorben.“
„Und wenn ich in der Zelle gewesen wär, hättest du dann mich ausgesaugt?“
Bakura starrte Ryou an und antwortete lange nicht.
„Ja.“ Er hatte keine Kontrolle über sich, wenn er durstig war. Er hätte
selbst vor Ryou keinen Halt gemacht.
„Sprich mich nie wieder an.“ Ryou wandte seine Aufmerksamkeit auf Anzu, die
das Schiff steuerte. „Wie sieht’s aus?“
„Der Notechis hat nicht gelogen. Wir sind wieder zurück und sollten in zwei
Stunden in Aequo landen können.“ Sie lehnte sich zurück. „Wir haben’s
geschafft.“
„Ja, wir schon.“ Er warf einen Blick über die Schulter zu Bakura, der auf
dem Boden hockte und auf seine Füße starrte. Er hatte Honda und Jonouchi
verloren und obwohl er und Bakura sich näher gekommen waren, hätte er lieber
ihn und Mariku zurückgelassen.
Mariku rührte sich und setzte sich stöhnend auf. „Wo bin ich?“ Er hatte
das Gefühl, sein Kopf würde explodieren. Es gab nicht einen Teil seines
Körpers, der nicht wehtat.
„In Sicherheit.“
Langsam kehrten die Erinnerungen zurück. Sie waren gerettet, aber Malik war
nicht bei ihnen. „Malik. Wir müssen umdrehen! Wir müssen Malik holen.“
„Halt’s Maul, Mariku“, fuhr Ryou ihn an. „Malik hier, Malik da, ich
kann’s nicht mehr hören. Ich hätte ihn umbringen sollen, als ich die
Gelegenheit dazu hatte. Sei froh, dass du lebend aus der Sache rausgekommen
bist.“
„Ich lass ihn nicht zurück!“
„Wenn du nicht still bist, dann schlag ich dich nochmal nieder.“
Mariku sah zu Bakura, als würde er von ihm Hilfe erwarten, doch Bakura mied
seinen Blick. „Ich geh zurück, sobald wir landen.“
„Tu was du nicht lassen kannst. Ich bin froh, wenn ich keinen von euch je
wiedersehen muss.“
Als Malik seinem Vater gegenübertrat, wusste er bereits, warum er ihn hatte
rufen lassen. Er wartete ab bis sein Vater sprach, so wie immer. Lord Ishtars
Gesicht zeigte keine Wut, doch sie war deutlich in seiner Stimme zu hören als
er schließlich sprach: „Die Gefangen sind weg.“
„Weg?“ Malik hob eine Augenbraue.
„Verschwunden! Ausgebrochen!“
„Das ist unmöglich.“
Lord Ishtar schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch. „Die Zellen sind
leer!“
„Das ist unmöglich“, wiederholte Malik etwas lauter. „Wie sollen sie
entkommen sein?“
„Sag DU es mir!“
„Soll ich sie befreit haben?“ Diesmal ließ Malik deutliche Wut in seiner
Stimme mitschwingen.
„Wer sonst?“
Malik machte es seinem Vater nach und schlug seine Fäuste auf den Tisch. Er
beugte sich vor. „Willst du mich beleidigen, Vater?“, zischte er. Sie
starrten sich an und keiner schien den Blick abwenden zu wollen.
Es war Malik, der schließlich den Blick senkte. „Aber vielleicht solltest du
Kura fragen.“
„Kura?“ Sein Vater verzog das Gesicht, als wär ihm ein unangenehmer Geruch
in die Nase gestiegen. Er redete nicht gerne über Kura und schien in seinem
Leben nichts mehr zu bereuen, als ihn gezeugt zu haben.
„Er hat den Menschen mehrmals verletzt, genauso wie den Cygni. Es würde mich
nicht überraschen, wenn er sie umgebracht hätte, weil er sich nicht
kontrollieren kann. Du kennst sein Temperament.“ Er ging ein Risiko ein, alles
auf Kura zu schieben, doch wenn er es schaffte, wäre er Kura los.
Sein Vater ging jedoch nicht sofort darauf ein, auch wenn ihm der Gedanke nicht
abwegig erschien. „Rishid ist in der Nähe der Zellen gesehen worden.“
„Rishid? Er war auf der Hochzeit.“
„Niemand hat ihn später gesehen.“
„Jeder war so betrunken, General Zone hat später nicht mal seine eigene Frau
erkannt. Der einzige, der regelrecht besessen von den Gefangenen war, war
Kura.“
Die Körperhaltung seines Vaters lockerte sich etwas. „Ich hatte nicht
erwartet, dass mein eigener Sohn mit diesem Verrat im Zusammenhang steht. Du
kannst gehen. Ich werde Kura befragen lassen.“
Niemand sprach, außer Anzu, die in Verbindung mit dem Hafen auf Aequo stand und
dafür sorgte, dass sie landen konnten. Ansonsten hatte niemand mehr etwas
gesagt, seit Ryou gedroht hatte, Mariku nochmal niederzuschlagen. Bakura starrte
auf den Boden, Ryou nach draußen und Mariku kaute auf seiner Unterlippe, die
längst blutete. Inzwischen wusste er, dass sein Plan Malik zu holen, dumm war.
Er wusste noch nicht einmal in welcher Galaxie Malik sich befand. Er hatte keine
Ahnung, wie der Planet der Notechis hieß, und selbst wenn er je wieder einen
Fuß darauf setzen würde, wäre er wohl schon im nächsten Moment tot. Malik
hatte viel riskiert sie rauszuholen, trotzdem war Mariku wütend, dass er
zurückgeblieben war.
Mariku schlug gegen die Wand, doch bereute es gleich darauf. Schmerz zog sich
durch seinen ganzen Körper. Er legte den Kopf in den Nacken und schloss die
Augen, wartete, dass der Schmerz wieder abebbte. Was sollte er tun, sobald sie
landeten? Außer medizinischer Hilfe suchen. Er hatte kein Geld und konnte somit
noch nicht einmal nach Hause zurück. Im Moment hatte er gar nichts, außer den
Fetzen, die er trug.
Von Ryou und Anzu konnte er keine Hilfe erwarten, doch vielleicht konnte ihm
Bakura etwas aushelfen. Er sah ihn an, doch Bakura starrte immer noch auf den
Boden, den Kiefer angespannt. Er wollte nicht seine Familie bitten. Sie würden
ihm helfen, doch er wollte sie nicht noch weiter belasten. Trotzdem musste er
sich bei ihnen melden. Sie machten sich inzwischen sicher Sorgen um ihn. Wie
viel Zeit war eigentlich vergangen? Er hatte sein Zeitgefühl verloren.
Mariku stand auf, weil er es leid war rumzusitzen. Er musste sich jedoch an der
Wand abstützen. Er richtete seinen Blick nach draußen und sah Aequo zum ersten
Mal. Sie waren immer noch im All, doch sie kamen den Planeten stetig näher,
sodass er inzwischen schon fast ihr gesamtes Blickfeld einnahm.
Malik trat nach vorne und legte seine Hände auf Ryous Rückenlehne. Er hatte
noch nie den Landeanflug auf einen Planeten gesehen und war überwältigt von
dem Anblick. Mit offenem Mund beobachtete er, wie er mehr und mehr erkennen
konnte. Sie brachen durch die Wolkendecke und vor ihnen erstreckte sich ein
Ozean. Eine lilafarbene Sonne tauchte alles in ein sanftes Licht.
„Wow“, flüsterte Mariku.
Valor, die Hauptstadt Aequos und Sitz der Führer der Sternenallianz, schwebte
über dem Wasser. Die Gebäude erstreckten sich hoch in den Himmel und je näher
sie kamen, desto mehr Details zeichneten sich für Mariku ab. Schiffe tummelten
sich auf dem Wasser und die hellen Fassaden der Gebäude spiegelten die
Sonnenstrahlen, was ihnen ebenfalls einen lilafarbenen Farbstich gab.
„Wunderschön.“ Für einen Moment vergaß Mariku alles. Er genoss einfach
nur den Anblick Valors, der einen beruhigenden Einfluss auf ihn hatte. Er konnte
es kaum erwarten durch die Straßen zu schlendern und einmal keine Angst um sein
Leben haben zu müssen.
„Ich hab keine Zeit für sowas!“, maulte Ryou Anzu an, kaum waren sie aus
dem Schiff. „Ich muss zum Senatorenrat!“
„Du brauchst medizinische Versorgung.“ Anzu klang unerbittlich.
„Anzu!“ Ryou sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. „Die
Notechis planen einen Krieg! Ich darf keine Zeit verschwenden.“
Anzu packte sein Handgelenk und obwohl sie geschwächt war, war ihr Griff immer
noch fest. „Du lässt deine Wunden versorgen.“ Ihr Blick richtete sich auf
Bakura und wanderte schließlich zu Mariku. „Das schadet uns allen nicht.“
Ihr Blick wanderte wieder zu Ryou. „Die Notechis werden nicht in der nächsten
Stunde angreifen.“
Ryou stieß hörbar Luft aus. „Schon gut.“ Erst jetzt ließ Anzu seinen Arm
los.
Mariku folgte ihnen und versuchte sie nicht aus den Augen zu verlieren, während
er gar nicht wusste, wo er zuerst hinsehen sollte. Es war das erste Mal, dass er
eine Stadt auf einen fremden Planeten sah (zumindest die erste, auf der er nicht
um sein Leben fürchten musste). Auf Jupiter hatte er den Raumhafen nicht
verlassen und nicht viel vom Planeten gesehen.
Lange genießen konnte Mariku den Anblick von Valors Straßen jedoch nicht.
Seine Sicht wechselte von scharf zu verschwommen, als würde er eine Brille auf-
und wieder absetzen. Der ständige Wechsel sorgte für Kopfschmerzen.
Auch Bakura schien Schwierigkeiten zu haben. Sein Atem ging schwer und er
blinzelte schnell. Er murmelte etwas zu sich selbst, doch Mariku konnte nur
sehen, wie sich seine Lippen bewegten.
„Was ist los?“, fragte Mariku ihn leise.
Bakura deutete in den Himmel und Mariku hob den Blick. Erst jetzt konnte er
sehen, dass es nicht eine Sonne war, sondern zwei. Eine kleinere Sonne stand
neben der großen am Himmel und pulsierte in einem dunkleren Violett. „Wenn
man die Strahlung nicht gewohnt ist, dann ist es ziemlich anstrengend hier zu
sein.“ Bakuras Stimme klang heiser. Anzu und Ryou schienen nicht betroffen zu
sein.
Mariku war froh, als sie die Klinik betraten. Seine Sicht verbesserte sich
sofort und die Kopfschmerzen ließen nach. Jeder von ihnen musste ein Formular
ausfüllen, anschließend wurden sie in getrennten Räumen untergebracht. Mariku
sah sich um. Der Raum erinnerte ihn stark an die Untersuchungsräume, die sie
auch auf der Erde hatten. Er setzte sich auf die Liege und wartete. Der Raum
hatte keine Fenster, dafür aber einen Bildschirm, der jedoch nicht
eingeschaltet war.
Mariku berührte seine verletzte Gesichtshälfte. Sie war verkrustet und Mariku
musste dem Drang widerstehen, sie aufzukratzen. Er konnte nicht fassen, dass er
das wirklich überlebt hatte. Glück im Unglück nannte man das wohl.
Die Tür öffnete sich und ein Alien mit langer Schnauze und grüner Haut trat
ein. Die gelben Augen musterten Mariku kurz, dann richteten sie ihren Blick auf
das Klemmbrett, dass der Arzt in der Hand hielt.
„Mariku Nijad?“
„Ja.“
„Mensch?“
„Ja.“
Die Stimme des Arztes klang monoton und roboterhaft, Mariku gefiel das nicht. Er
trug kein Namensschild und stellte sich auch nicht vor. Stattdessen legte er
sein Klemmbrett auf die Seite und nahm Marikus Gesicht in seine Hände. Sie
waren kalt, trotzdem tat die Berührung weh und Mariku zog scharf Luft ein.
„Irreparable Beschädigung des Gesichtsgewebes. Kannst du dein Auge ganz
öffnen?“
„Momentan nicht.“
Er ließ Marikus Gesicht los und zog eine Lampe aus der Kitteltasche. Er
leuchtete Mariku in die Augen. „Normale Reaktion der Augen. Keine
Beschädigung bisher. Du hast Glück gehabt.“ Er machte einige Notizen. Mariku
versuchte sie zu lesen, konnte aber nicht sagen, ob es eine fremde Sprache oder
die Handschrift einfach nur grausig war. „Zieh dein Oberteil aus.“
Mariku versuchte es, doch scheiterte. Er konnte die Arme nicht hoch genug heben
um sein Shirt auszuziehen. Dadurch, dass er so lange gefesselt gewesen war, war
sein Körper steifer als er zuvor angenommen hatte. Er folgte den Anweisungen
sich auf den Bauch zu legen und der Doktor schnitt sein Shirt auf. Diesmal
fühlten sich die kalten Hände angenehm auf seiner Haut an. „Brandwunden auf
dem Rücken. Fast verheilt. Sehr überraschend.“ Er tastete seinen Rücken von
unten nach oben ab. An der Schulter angekommen, schob er den Ärmel beiseite.
„Bisswunde. Selber Heilstatus wie Brandwunden, jedoch älter. Welche
Behandlung hast du zuvor bekommen?“
„Ein Mittel, das mein Freund entwickelt hat.“
Die Hände verschwanden von seinem Körper. „Außergewöhnlich.“ Zum ersten
Mal veränderte sich der Tonfall des Arztes; er klang wirklich interessiert,
doch stellte keine weiteren Fragen mehr, sondern tastete nur Marikus Körper ab,
auf der Suche nach versteckten Verletzungen.
Als er nichts fand, setzte sich Mariku wieder auf. Das getrocknete Blut sorgte
dafür, dass sein Shirt an seinem Platz blieb. Es klebte an ihm schon fast wie
eine zweite Haut und das war kein angenehmes Gefühl. Er zupfte am Stoff, doch
der Arzt hob sein Kinn an und Mariku konzentrierte sich wieder auf ihn.
Die zuvor starre Miene betrachtete seine Wunden jetzt kritisch und er schien zu
überlegen, was die beste Behandlung für ihn wäre. Es verstrichen einige
Minuten bis der Arzt Marikus Kinn los ließ und zum Bildschirm an der Wand ging.
Er legte seine Hand auf den Tisch davor und der Bildschirm schaltete sich ein.
Sein Arzt wischte mit der Hand durch die Luft und das Bild änderte sich mit
jeder Bewegung. Die Schrift war fremd für Mariku, doch es gab jedes Mal ein
Bild dazu. Die Bewegungen stoppten bei etwas, das aussah wie Bandagen und noch
einmal bei einer Tube. Der Arzt streckte die Hand aus, zögerte und wischte dann
weiter durch die Luft. Diesmal stoppte er bei einer Augenklappe. Er bestätigte
die Eingaben und neben dem Bildschirm bildete sich ein Loch in der Wand. Was
Mariku zuvor noch auf dem Bildschirm gesehen hatte, war jetzt in den Händen des
Doktors.
Er legte Mariku die Augenklappe an und Mariku zuckte zusammen, als das Band die
Wunden berührte.
„Zwar zeigt dein Auge momentan keine Anzeichen von Beschädigung, doch das ist
keine Garantie, dass das so bleibt. Die Wunden sind tief und du kannst froh
sein, dass du dein Gesicht noch hast.“ Er zupfte die Augenklappe zurecht,
während er sprach. „Was hat diese Verletzung verursacht?“
Mariku wusste nicht, ob es eine gute Idee war, die Notechis zu erwähnen. Alle
glaubten sie wären ausgestorben und er wollte keine unnötige Panik
verursachen. Vielleicht würde man ihm auch nicht glauben, deshalb log er:
„Irgendwas mit einem verdammt kräftigen Schwanz.“ Er zuckte mit den
Schultern. „Kenn die Spezies nicht, aber wir werden keine Freunde werden.“
Der Doktor nickte nur kurz und fragte nicht weiter nach. Die Paste, die er auf
Marikus Gesicht auftrug, war kühl, dock sie stank bestialisch und Mariku
würgte einige Male. „Es ist wichtig, dass du jeden zweiten Tag
vorbeikommst.“ Er öffnete die Bandagenpackung und sehr zu Marikus
Überraschung legten sie sich von selbst um seinen Kopf. Sie passten sich
perfekt Marikus Verletzungen an. „Dein Rücken und die Schulter brauchen keine
Behandlung mehr“, erklärte sein Arzt, während er Marikus Namen auf die Tube
schrieb und sie zurück in die Wandöffnung steckte. „Sie bestehen bereits
hauptsächlich aus Narbengewebe, da kann ich nichts mehr tun.“
Mariku zog sich sein Shirt komplett vom Körper und knüllte es zusammen.
„Eine Frage hab ich noch.“ Der Doktor richtete seinen Blick auf Mariku.
„Was hat es mit der Sonne hier auf sich? Ich fühl mich krank, wenn ich
draußen bin.“
„Nicht jeder kommt sofort mit der Strahlung klar. In ein paar Tagen wirst du
jedoch nichts mehr merken.“ Zum ersten Mal legte sich ein Lächeln auf die
Lippen des Arztes.
Vor dem Behandlungszimmer wartete Bakura auf ihn. „Hat man dich wieder
zusammengeflickt?“
„Einigermaßen. Der Arzt schien sehr interessiert an deinem Mittel zu sein,
zumindest klang er so, als ich ihm davon erzählt hab.“
Bakuras Miene hellte sich auf. „Wirklich?“, fragte er begeistert. „Hat er
noch mehr gesagt?“ Als Mariku den Kopf schüttelte, senkten sich Bakuras
Mundwinkel wieder.
„Wo ist Ryou?“
„Zum Senatorenrat. Hat so getan als würden wir uns gar nicht kennen. Dachte
ich wart auf dich, weil du mindestens genauso viel Ahnung hast was du jetzt
machst wie ich.“
Ryou stand den Senatoren gegenüber, die auf ihren erhöhten Stühlen regelrecht
über ihm thronten. Er hatte einigen Radau machen müssen, bis man die Senatoren
für ihn zusammenrufen hatte lassen. Er hatte sich auch nicht von den schwer
bewaffneten Wachen einschüchtern lassen. Sein Anliegen war wichtig und er hatte
keine Zeit den bürokratischen Weg zu nehmen. Bis dahin hätten die Notechis sie
längst überrannt.
Ryou starrte die Senatoren an. Es waren fünf; je ein Vertreter der größten
Rassen in der Sternenallianz. Ein Cygni war nicht unter ihnen. Cygni waren nicht
geschaffen für die Rolle eines Anführers, zumindest glaubte sein Volk das.
Ryou hatte die Lippen aufeinander gepresst und wartete auf eine Reaktion. Er
hatte soeben alles erzählt, was sie erlebt hatten, doch die Senatoren ließen
sich Zeit mit ihrer Reaktion.
„Das ist unmöglich“, sagte schließlich einer von ihnen. Es war eine Seire,
dieselbe Spezies wie auch Anzu. Ihre tiefblaue Färbung schimmerte bei jeder
Bewegung, als würden sich Sonnenstrahlen auf Wasser reflektieren.
„Sie sind alle tot!“ Der Rakas schlug mit der Faust auf den Tisch vor ihm.
Seine pelzigen Ohren waren aufgestellt und zuckten nervös. Rakas waren eine
Kriegerrasse wie die Notechis, nur besaßen sie Ehre und Mitgefühl.
„Ich hab sie gesehen!“, fauchte Ryou bevor noch jemand etwas sagen konnte.
„Sie bereiten sich auf den Krieg vor und wenn wir nichts unternehmen,
überrennen sie uns.“ Die Senatoren tauschten Blicke untereinander aus.
„Der Verlust einer Feder kann schlimme Folgen haben.“ Es war ein Ejderha,
der sprach. Der kalte Tonfall jagte einen Schauer über Ryous Rücken. Die
blauen Augen bohrten sich in seine braunen, doch Ryou hielt dem Blick stand.
„Ich bin nicht verrückt“, presste er hervor. „Ich habe drei Zeugen und im
Hafen steht eins ihrer Schiffe!“ Ryou konnte einfach nicht fassen, dass die
Senatoren so stur waren.
„Wie seid ihr entkommen?“, fragte ein Basani.
Ryou hatte die Details ihrer Flucht ausgespart, da er es selbst nicht glauben
würde, wenn ihm jemand erzählen würde, er wäre von einem Notechis gerettet
worden. Er zögerte, doch hatte diesmal keine Wahl: „Der Notechis, der mit uns
reiste, hat uns geholfen.“ Bevor Ryou den Satz überhaupt zu Ende hatte
sprechen können, erfüllte das Lachen der Senatoren den Raum. Er presste die
Lippen aufeinander.
„Das ist lächerlich“, sagte die Seire schließlich und erhob sich von ihrem
Stuhl.
„Ryou sagt die Wahrheit.“
Sie hielt in der Bewegung inne und drehte sich wieder um. Auch Ryou drehte sich
um. Er hatte nicht einmal gemerkt, wie noch jemand eingetreten war. Zu seiner
großen Überraschung war es Seto, der zu seiner Unterstützung gekommen war.
„Ich habe den Notechis gesehen. Er hat einen Teil meiner Crew ausgelöscht.“
Seto stellte sich neben Ryou und hielt einen Mikrochip in die Luft. „Hierauf
befindet sich der Beweis.“
Die Senatorin setzte sich wieder. Diesmal lag tiefe Sorge in ihrem Gesicht. Ryou
war wütend. Ihm glaubten sie nicht, aber Seto, dem Piraten, schon? Was lief nur
falsch in dieser Welt?
Der Ejderha sprach als erstes: „Wie soll das möglich sein?“
„Unmöglich! Das ist es!“, fuhr der Rakas dazwischen. Er zeigte seine
spitzen Zähne, während er sprach.
„Wir sollten es akzeptieren.“ Die leise Stimme ließ sogar den Rakas
zusammenzucken. Die Sylech hatte sich die ganze Zeit ruhig gehalten. Die tiefen
Falten in ihrem blassgrünen Gesicht zeigten, dass sie deutlich älter war, als
die anderen Senatoren. Ihre Handbewegungen waren langsam und ruhig. „Die
Notechis sind zurückgekehrt, es wird Zeit, dass wir uns vorbereiten.“ Sie sah
Ryou an und lächelte leicht. Ryou spürte, wie der Ärger in ihm sich legte.
„Es ist jedoch wichtig, nicht in Panik zu verfallen.“ Sie wandte ihren Blick
zu den anderen Senatoren. „Die Völker dürfen nicht in Panik geraten. Wir
müssen Schweigen; fürs erste.“ Sie sah Ryou wieder an. „Wir alle.“
Ryou nickte kurz. Er war erleichtert, dass sie ihm endlich glaubten.
Mariku kniff die Augen zusammen. Man sollte meinen nach all den Wunden, die er
inzwischen hatte, würde ihn ein leichtes Brennen nicht mehr stören. Er sah auf
seinen Arm, als die Krankenschwester die Markierungspistole zur Seite legte.
Kurz pulsierte ein verschlungenes Zeichen in giftgrün auf seiner Haut, dann
löste es sich langsam auf bis nichts mehr zu sehen war. Die Stelle begann zu
jucken.
„Nicht anfassen!“, sagte die Krankenschwester in einem scharfen Ton und
Mariku ließ die Hand wieder sinken. „Hier.“ Sie reichte ihm einen
dunkelgrauen Mantel mit Kapuze. „In einer Woche zurückbringen.“ Ihr Blick
war ernst und Mariku nickte nur. Der Mantel würde ihn die nächsten Tage vor
der Sonnenstrahlung schützen bis er sich hoffentlich an sie gewöhnt hatte.
Danach musste er ihn zurückgeben. Deshalb hatte man ihn auch mit dem Symbol des
Krankenhauses markiert, so würden sie ihn überall finden, sollte er den Mantel
nicht zurückgeben. Mariku fand das übertrieben, doch er beugte sich den Regeln
und war erstmal froh, dass er einen Schutz hatte.
Bakura hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und den Mantel eng um sich
geschlungen. Er reagierte auf die Sonnen noch empfindlicher als Mariku. „Was
hast du jetzt vor?“, fragte Bakura, als sie das Krankenhaus verließen. Trotz
des Mantels fühlte er sich gleich schwach und ausgelaugt, doch es war weniger
schlimm, als nach ihrer Ankunft.
Mariku zuckte mit den Schultern. Er hatte keine Idee, wie es weitergehen sollte.
Er hatte nichts. Keine Klamotten, kein Geld und niemanden an den er sich wenden
konnte. Er brauchte Geld, aber dafür musste er arbeiten, aber erst brauchte er
neue Kleidung, denn so wie er im Moment aussah, würde ihn niemand nehmen. Für
Kleidung brauchte er aber wiederum Geld. Mariku seufzte. Es sah schlecht für
ihn aus. „Was sind deine Pläne?“
Bakura zupfte an seiner Kapuze. „Mich erstmal von dem ganzen Scheiß erholen,
dann mal sehen.“ Er senkte die Stimme bevor er weitersprach: „Wenn die
Senatoren Ryou Glauben schenken, dann wird sich bald auf den Krieg vorbereitet
und auch, wenn ich echt Schiss hab, jeder, der dann etwas Ahnung von Medizin
hat, ist gefragt. Neben Soldaten, versteht sich.“
Mariku ließ sich Bakuras Worte durch den Kopf gehen. Krieg. Er wusste nicht,
was das für ihn bedeutete. Er war kein Soldat, sondern Mechaniker und
Möchtegern-Pilot. Konnte er etwas beitragen? Wollte er überhaupt? Würde er
dann Malik wiedersehen? Er biss sich auf die Unterlippe. Eigentlich wollte er
jetzt nur noch nach Hause. Er vermisste seine Eltern und die Beschaulichkeit.
Hätte er die Erde doch nur nie verlassen.
„Soll ich dir was leihen?“
„Huh?“ Er war zu sehr in Gedanken vertieft gewesen um auf Bakuras Worte zu
achten.
„Geld. Soll ich dir Geld leihen?“
Mariku fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken sich Geld zu borgen.
„Und jetzt sag bloß nicht nein, weil du siehst aus als wärst du schon mal
verdaut worden. Warte hier.“ Bakura verschwand in ein gläsernes Gebäude,
zumindest wirkte es auf Mariku als wäre es aus Glas, doch kaum schloss sich die
Tür hinter Bakura, konnte er ihn nicht mehr durch die Scheibe sehen. Oder
zumindest dachte er das. Er trat neugierig näher. Er konnte ins Innere sehen,
doch nichts rührte sich. Ein Tisch stand an der gegenüberliegenden Wand, der
den Eindruck einer Rezeption machte. Davor standen mehrere Gruppen von Tischen
und Sesseln. Bakura oder andere Leute konnte er nirgends sehen.
Es dauerte nicht lange bis Bakura zurückkam. Er reichte Mariku einen kleinen
Beutel Münzen. „Das sollte für neue Klamotten, was zu essen und ein-zwei
Nächte Unterkunft reichen.“
„Danke.“ Marikus Finger schlossen sich fest um den Beutel. „Ich geb’s
dir zurück, sobald ich kann.“
„Ja, kein Stress. Wer weiß, ob du dazu je die Gelegenheit bekommen wirst.“
Bakura zuckte mit den Schultern und sah nach oben in den Himmel. Mariku wusste,
auf was er anspielte.
„Was hat es mit den Scheiben hier auf sich?“, wechselte er das Thema.
Bakuras Blick folgte seinem Fingerzeig. „Oh, das ist nur eine Illusion, damit
man von draußen die Geschäfte drinnen nicht sieht.“
„Warum macht man es dann aus Glas?“
Mit einem leichten Grinsen zuckte Bakura wieder mit den Schultern. „Gibt
komische Aliens. Hast du dir schon überlegt, was du jetzt machst?“
„Zuhause anrufen. Meine Eltern machen sich bestimmt Sorgen.“
„Ich glaub da die Straße runter sind Holo-Zellen.“
„Okay, ich schau mal.“ Mariku zögerte. Es fiel ihm schwer von Bakura
Abschied zu nehmen. Er fühlte sich verloren.
„Also“, Bakura strich sich durch den Nacken, „mach’s gut und pass auf
dich auf.“ Bakura wandte sich zum Gehen, doch Mariku hielt ihn auf.
„Kann ich dich irgendwie erreichen?“
„Denke nicht, aber wenn ich dich suche, dann folg ich einfach der Schneise der
Verwüstung.“ Bakura grinste und klopfte Mariku auf die gesunde Schulter.
„Halt dich von Ärger fern.“ Er senkte die Stimme. „Und Notechis.“
Schweigend sah Mariku dabei zu, wie Bakura in der Menge verschwand.
Mariku wandte sich schließlich in die entgegengesetzte Richtung. Es herrschte
reges Treiben auf den Straßen und Mariku ließ das Gefühl nicht los, dass man
einen Bogen um ihn machte. Es war keine Überraschung. So wie er aussah, würde
er sich selbst auch aus dem Weg gehen. Er wollte gar nicht wissen, wie er roch.
Er hielt den Mantel vorne zu und tastete mehrmals nach den Münzen in seiner
Hosentasche um sicher zu gehen, dass sie immer noch da waren. Außerdem musste
er darauf achten, wo er hintrat. Durch die Augenklappe war sein Sichtfeld
eingeschränkt und er konnte Abstände und Entfernungen weniger gut
einschätzen.
Mariku schlüpfte in eine freie Holo-Zelle, zog den Mantel aus und ließ sich
auf den Sessel sinken. Er betrachtete sich in der spiegelnden Wand gegenüber.
Furchtbar war eine Untertreibung. Kein Wunder, dass man ihm aus dem Weg ging. Er
hatte zwar kein Blut mehr im Gesicht, doch dafür klebte es an seiner Kleidung
und das nicht zu wenig. Er trug immer noch die Fetzen, die einmal sein T-Shirt
gewesen waren. Seine Haare waren fettig und ein einziges Fiasko. Bartstummeln
zogen sich über die heile Wange und sein Kinn. Er sah zwanzig Jahre älter aus.
Er zog den Münzbeutel aus der Hosentasche und fingerte eine der Münzen heraus.
Holografische Telefonate waren zwar kostenlos, doch man brauchte trotzdem erst
einmal eine Münze um sie zu aktivieren. Nach dem Gespräch bekam man sie
zurück.
Mariku hatte keine Ahnung, wie spät es auf der Erde war und er hoffte, er
würde irgendjemanden erreichen. Es dauerte eine Verbindung aufzubauen und mit
jeder Minute, die verstrich, sank Mariku das Herz tiefer. Er sehnte sich danach
ein vertrautes Gesicht zu sehen.
Es rauschte und langsam begann sich ein Bild aufzubauen. Seine Mutter erschien,
ihre kurzen, hellbraunen Haare waren zerzaust und ähnelten Marikus Frisur. Sie
machte einen müden Eindruck, doch als sie Mariku erkannte, riss sie die Augen
auf und schlug sich die Hand auf den Mund.
„Hi Mum“, sagte Mariku leise, dann versagte ihm die Stimme. Er vermisste
seine Mutter und er würde viel dafür geben, wenn er jetzt bei ihr sein
könnte.
„Mariku“, flüsterte Ayasha Nijad und Tränen traten in ihre hellblauen
Augen. „Mein Junge.“
„Wein doch nicht, bitte, mir geht’s gut.“
„So siehst du nicht aus!“ Der vorwurfsvolle Ton ging in ihren Tränen unter.
Mariku sah, wie ihr jemand die Hand auf die Schulter legte und sie hoch sah. Ein
Hologramm seines Vaters erschien. Mariku kannte ihn als streng, aber liebevoll,
so erschöpft hatte Mariku ihn noch nie gesehen. Außerdem sah er plötzlich
viel älter aus.
„Wir haben uns Sorgen gemacht. Du bist nie in der Schule angekommen.“
„Ich weiß.“ Mariku senkte den Blick. Er fühlte sich schuldig, weil sich
seine Eltern solche Sorgen um ihn gemacht hatten. „Es gab... Probleme, viele
Probleme.“
„Was ist mit deinem Gesicht? Bist du verletzt? Ist das Blut?“ Die Fragen
sprudelten aus seiner Mutter hervor, wie die Tränen, die immer noch über ihre
Wangen liefen.
„Es ist eine lange Geschichte.“
„Ich habe Zeit!“, erwiderte Ayasha mit Nachdruck und wischte sich mit dem
Handrücken die Tränen weg. „Ich hab vier Wochen nicht gewusst, ob du lebst
oder tot bist, ich habe alle Zeit dieses verdammten Universums.“
Vier Wochen? Mariku starrte seine Eltern ungläubig an. So viel Zeit war
vergangen? „Tut mir Leid“, flüsterte er und bereute es nicht zuhause
geblieben zu sein. Langsam erzählte er, was ihm die letzten Wochen widerfahren
war, ließ dabei jedoch seine Beziehung zu Malik aus, auch den Krieg ließ er
weg. Er wollte seine Eltern nicht beunruhigen.
„... und jetzt bin ich erstmal hier“, endete er seine Geschichte. Seine
Eltern hatten ihn nicht einmal unterbrochen.
„Oh, Mariku.“ Seine Mutter vergrub ihr Gesicht in den Händen und
schluchzte.
Sein Vater sah ihn nur an und schien nach den passenden Worten zu suchen.
„Komm nach Hause“, schluchzte seine Mutter.
„Das ist nicht so einfach.“
„Wir schicken dir Geld“, sagte schließlich sein Vater, „und dann kommst
du nach Hause.“
Mariku hatte befürchtet, dass er das sagen würde. Er schüttelte den Kopf.
„Ihr habt schon zu viel für mich ausgegeben.“
„Sei kein Idiot! Du kannst froh sein, dass du noch lebst.“
Doch Mariku blieb stur. „Ich such mir hier einen Job und dann verdien ich mir
das Geld um nach Hause zu kommen.“
„Mariku...“ Ayasha klang weinerlich.
Ihr Mann legte einen Arm um ihre Schulter. „Er ist erwachsen und fähig seine
eigenen Entscheidungen zu treffen.“
Ayasha sah ihn entgeistert an, doch sagte nichts. Sie wandte sich wieder Mariku
zu. „Aber wenn du es dir anders überlegst, dann sag sofort Bescheid.“
„Mach ich.“ Mariku lächelte.
„Und ruf mich regelmäßig an.“
„Versprochen.“
„Wenn du irgendwas brauchst...“
„... dann meld ich mich sofort“, beendete Mariku den Satz. „Ich komm
klar.“ Die Worte waren dazu da um seine Mutter zu beruhigen. Er selbst hatte
keine Ahnung was er machen sollte, sobald er diese Holo-Zelle verließ. Es fiel
ihm schwer sich zu verabschieden und auch seine Mutter wiederholte mehrmals alle
guten Ratschläge, die ihr einfielen.
„Es wird Zeit“, sagte schließlich Marikus Vater.
„Ja“, stimmte Mariku zu.
„Werd schnell wieder gesund“, sagte Ayasha leise, „und pass auf dich
auf.“
„Mach ich. Bis bald.“
„Bis bald, Mariku.“
Mariku blieb noch eine Weile sitzen, nachdem das Hologramm seiner Eltern
verschwunden war und dachte nach, was er jetzt tun sollte. Ab jetzt war er auf
sich allein gestellt. Er sah an sich hinunter. Erstmal brauchte er neue
Klamotten und anschließend einen Platz zum Schlafen. Mit einem Mal fühlte er
sich ausgelaugt.
Er zog den Mantel wieder über und trat nach draußen. Die Sonnen standen etwas
tiefer als zuvor, doch es machte nicht den Eindruck, als würde es bald dunkler
werden und Mariku fragte sich, ob es hier jemals dunkel wurde.
„Jo, Mariku.“
Überrascht sah Mariku sich um und war noch überraschter als er Bakura sah.
„Hatte gehofft, dass du noch hier bist.“ Bakura war nicht allein gekommen.
Ryou und Anzu waren direkt hinter ihm und mit etwas Abstand folgte Seto. Mariku
hob überrascht die Augenbrauen, als er den Piraten sah. „Lange Geschichte.“
Bakura grinste. „Aber es sieht so aus, als würden wir unser Zeug
zurückbekommen.“
Mariku fühlte etwas Erleichterung. Zumindest würde er so seine Klamotten und
auch etwas Geld bekommen.
„Beeilt euch“, drängte Ryou. Bakura und Mariku hatten es nur Anzu zu
verdanken, dass sie ihre Sachen überhaupt zurückbekamen, und dass sie
zufällig Bakura über den Weg gelaufen waren. Ryou war nicht bester Laune, denn
er verhandelte immer noch mit Seto über die Rückgabe von Amane. Dass sie noch
nicht in Einzelteile zerlegt worden war, glich sowieso einem Wunder.
Mariku ging neben Bakura, doch als er nach Details fragte, bekam er nur
Schulterzucken zur Antwort.
Als sie den Raumhafen erreichten, betrachtete Seto interessiert das
Notechis-Schiff. Ryou hatte es ihm zum Tausch gegen Amane angeboten.
„Hm, es ist in einem guten Zustand.“
„Ist es und aus hochwertigem Material.“
„Ich werde darüber nachdenken.“
Ryou knirschte mit den Zähnen, als er Setos hochmütiges Lächeln sah. Er
wusste, dass der Pirat allein aus dem Grund ablehnen würde, um ihn zu
verspotten.
Mariku war erleichtert, als er seine Tasche fast unbeschädigt vorfand. Das
Display war verschmiert und die Träger abgerissen, doch sonst sah sie in
Ordnung aus. Mariku wischte das Display sauber und aktiviert es. Es flackerte
kurz, doch funktionierte ansonsten einwandfrei. Sie sollten sich beeilen, doch
Mariku nahm sich trotzdem die Freiheit sich noch eben umzuziehen. Er fühlte
sich gleich viel besser, nachdem er in frische Kleidung geschlüpft war. Die
alten Sachen nahm er mit um Ryou nicht noch mehr zu verärgern.
Er überlegte, ob er zu den anderen noch etwas sagen sollte, bevor er ging,
entschied sich dann aber dagegen. Ryou wollte sowieso nicht mit ihm reden und
von Bakura hatte er sich schon verabschiedet.
Langsam stieg er die Treppe hinunter, seine Tasche an sich gedrückt. Mit nur
einem Auge war es gar nicht so leicht nicht daneben zu treten.
Ziellos streifte Mariku durch die Straßen. Jetzt, da er wieder vernünftige
Klamotten trug, machte niemand mehr einen Bogen um ihn und er musste aufpassen,
dass er mit niemandem zusammenstieß. Es war lästig, dass er nur ein Auge
benutzen konnte.
Die beiden Sonnen standen inzwischen noch tiefer und das Licht war dämmrig
geworden, doch nach Nacht sah es immer noch nicht aus. Außerdem war es immer
noch warm. Mariku fächelte sich Luft zu. Unter dem Mantel war es viel zu warm,
aber kaum nahm er die Kapuze ab, wurde ihm sofort wieder schwindelig.
Mariku kaufte sich an einem Straßenstand ein Sandwich. Er wusste nicht genau
was die Zutaten waren, doch er verschlang es mit Heißhunger und im Moment war
es das Beste, dass er je gegessen hatte.
Er leckte sich die Finger ab und wischte sie an seinem Shirt sauber. Er fühlte
sich immer noch hungrig, wollte aber nicht riskieren, dass er sich überaß.
Mariku sah sich um. Als nächstes brauchte er einen Schlafplatz, einen
günstigen, doch wie sollte er so einen finden? Ob es irgendwo eine
Touristeninformation gab? Er suchte nach einem Schild, doch auf die Schnelle
fand er keins. Er ging weiter die Hauptstraße entlang und ließ seinen Blick
nach links und rechts schweifen, auf der Suche nach etwas, das ihm weiterhelfen
würde. Doch mit jedem Schritt, den er machte, wurden seine Beine schwerer. Er
wollte schlafen und sich ausruhen. Mariku blieb seufzend stehen. Er musste
jemanden fragen.
„Entschuldigung!“ Er sprach die erstbeste Person an, die an ihm vorbeiging.
Es war eine alte Frau, zumindest sah sie danach aus. Ihre Haut war grünlich und
ziemlich faltig. Sie trug einen Hut und bewegte sich langsam. „Entschuldigung,
können Sie mir sagen, ob es hier eine Touristeninfo gibt?“
Ihre Antwort verstand Mariku nicht und als sie seinen verwirrten
Gesichtsausdruck sah, zuckte sie entschuldigend mit den Schultern und ging
weiter.
Auch bei den nächsten zwei hatte Mariku kein Glück. Sie sprachen zwar die
Handelssprache, konnten ihm aber auch nicht weiterhelfen.
Frustriert trat er einen Schritt zurück und stieß dabei gegen jemanden. Er
musste seine Kapuze festhalten, damit sie ihm nicht vom Kopf rutschte.
„Tut mir sehr leid“, entschuldigte sich Mariku sofort. Es war ein Mann, den
Mariku angerempelt hatte, und trotz seiner Kapuze kam er ihm irgendwie bekannt
vor. Der Mann sah ihn an und Mariku schnappte überrascht nach Luft. Es war der
Alte, der ihm auf Jupiter geholfen hatte.
„Oh, was für eine Überraschung.“ Die Mundwinkel des Alten hoben sich
leicht. „Wer hätte gedacht, dass wir uns wiedersehen.“ Er musterte Mariku.
„Auch wenn dein Zustand das letzte Mal besser war.“
Mariku kratzte sich an seiner gesunden Wange. „Hab viel hinter mir.“
„Du siehst verloren aus.“
„Kann man so nennen, ja, war nicht geplant, dass ich hier lande und jetzt such
ich ein Hotel, oder so was in der Art.“ Er zuckte mit den Schultern.
Der Alte schwieg für einen Moment und Mariku fühlte sich mehr als unwohl unter
seinem Blick. Er verlagert sein Gewicht unruhig. „Komm mit, Junge“, sagte
der Alte schließlich und wandte sich zum Gehen.
Mariku hob überrascht die Augenbrauen. Bevor er jedoch noch etwas sagen konnte,
war der Alte längst losgegangen. Trotz seines fortgeschrittenen Alters legte er
ein ziemliches Tempo vor. Mariku hatte Schwierigkeiten Schritt zu halten und
musste aufpassen ihn nicht aus den Augen zu verlieren.
Sie zweigten von der Hauptstraße ab und Mariku fiel es etwas leichter ihm durch
die leereren Nebenstraßen zu folgen. Der schwere Mantel jedoch machte ihm zu
schaffen, genauso wie die Hitze. Mariku fächelte sich Luft zu. Es war keine
drückende Hitze, nicht wie auf Abulu, es war... anders. Mariku hatte keine
Worte dafür, weil er sich so noch nie gefühlt hatte. Es war unangenehm, aber
angenehm zugleich.
Als sie endlich stehen blieben, atmete Mariku schwer. Dem Alten merkte man das
rasche Tempo nicht an.
„Wo sind wir?“, keuchte Mariku und stützte sich an der Wand ab. Seine
verletzte Gesichtshälfte pochte wegen der Anstrengung. Er konnte keinen Schritt
mehr gehen.
„Bei mir.“ Der Alte trat an die Tür und ein Laser scannte seine Augen.
Mariku zog die Stirn kraus. Für einen Augenblick sah es so aus, als hätten
sich seine Augen verändert. Er schüttelte den Kopf. Das musste er sich
eingebildet haben.
Mariku zögerte, als der Alte ins Haus verschwand. Er sah nach drinnen und vor
ihm lag ein stinknormaler Flur. Sollte er es wirklich wagen? Aber er hatte das
Schlimmste schon hinter sich, was sollte noch passieren?
Eine angenehme Kühle empfing ihn, als er das Haus betrat. Die Haustür schloss
sich von selbst. Eine der Türen stand offen und Mariku spähte in den Raum. Die
Wohnung des Alten sah normal aus. Keine obskuren Dinge, keine übertriebene
Elektronik, nur gewöhnliche Möbel. Zumindest soweit Mariku sehen konnte.
Er trat ein und wieder schloss sich die Tür hinter ihm von selbst. Er stellte
seine Tasche ab, zog den Mantel aus und streifte seine Schuhe ab, doch blieb
weiterhin in der Diele stehen und wartete auf eine Anweisung des Alten.
„Wie ist dein Name, Junge?“ Der Alte legte seinen Umhang ab und Mariku
konnte ihn zum ersten Mal richtig betrachten. Er hatte grau-weißes Haar, das
seine Schultern berührte und einen Vollbart. Er sah aus wie ein Mensch in
seinen 50igern, doch sicher konnte er sich nicht sein.
„Mariku.“ Er ließ seinen Nachnamen weg. Viele Aliens fanden das Prinzip
eines Nachnamens befremdlich und er wusste immer noch nicht, ob der Mann vor ihm
ein Mensch war.
„Mariku also.“ Irgendetwas an seinem Ton gefiel Mariku nicht.
„Warum bin ich hier?“
Der Alte hob seine buschigen Augenbrauen. „Du hast doch einen Platz zum
Schlafen gesucht und ich gebe dir einen.“
„Warum?“
„Ich habe ein paar Fragen an dich.“
Fragen? Er verengte die Augen zu Schlitzen. Das gefiel ihm nicht. In welcher
Scheiße war er jetzt nur wieder gelandet?
Plötzlich lachte der Alte. „Hab keine Angst. Mein Name ist übrigens
Akunadin.“
„Nur weil ich jetzt deinen Namen weiß, heißt das nicht, dass ich dir
vertraue“, murrte Mariku.
„Du siehst aus, als hättest du schon mal den falschen Leuten vertraut.“
Mariku fasste sich an den Verband. „Es war nicht seine Schuld“, sagte er
leise und mehr zu sich selbst.
Akunadin hob interessiert eine Augenbraue, lenkte aber auf ein anderes Thema.
„Wie wär’s, wenn du dich wäschst und etwas isst?“
Mariku war nicht wohl bei dem Gedanken, aber im Moment hatte er keine andere
Wahl. Akunadin war momentan der einzige auf diesem Planeten, der bereit war ihm
zu helfen.
Mariku ließ das Wasser über seinen Rücken laufen und sah dabei zu, wie es im
Abfluss verschwand. Der Arzt hatte ihm gesagt, der Verband könne ohne Probleme
nass werden, wobei nass das falsche Wort war. Egal, wie viel Wasser auf den
Stoff traf, er blieb trocken.
Die Dusche tat gut und entspannte ihn. Er wusste nicht, was es mit Akunadin auf
sich hatte, doch wenn er vorhatte Fragen zu stellen, dann würde auch Mariku
Fragen stellen.
Er fragte sich, wie es Malik ging. Hatte man ihn mit ihrer Flucht in Verbindung
gebracht? Was war mit seinem Halbbruder? Mariku ballte seine Hände zu Fäusten,
als er an ihn dachte. Er hatte noch nie jemandem den Tod gewünscht, aber dieser
Bastard sollte im schlimmsten Drecksloch verrecken, das er kannte und am
liebsten würde er ihn selbst dort hin befördern.
Als Mariku trocken, rasiert und angezogen war und sich im Spiegel betrachtete,
fühlte er sich wieder wie ein Lebewesen. Nur Schlaf fehlte ihm.
Er verließ das Badezimmer und sofort stieg ihm der Geruch von Essen in die
Nase. Sein Magen grummelte.
„Gerade richtig“, sagte Akunadin und stellte einen Topf dampfender Suppe auf
den Tisch, dazu einige Scheiben Brot. „Ich habe nicht vor, dich zu
vergiften“, fügte Akunadin hinzu, als er Marikus misstrauischen Blick sah.
„Setz dich und iss etwas.“
Mariku setzte sich und füllte sich den Teller selbst mit Suppe. Er aß erst
zaghaft, doch der Hunger überkam ihn und er interessierte sich nicht mehr
dafür, ob Akunadin etwas hineingemischt haben konnte. Das Brot war süßlich
und schien in seinem Mund förmlich zu schmelzen.
„Also Mariku...“
Mariku stoppte in seinen Bewegungen und sah Akunadin an.
„...du scheinst ein ziemliches Abenteuer hinter dir zu haben.“
„Nicht nur eins.“ Mehr sagte Mariku nicht. Ihn ließ das Gefühl nicht los,
dass Akunadin bereits mehr über seine Erlebnisse wusste, als er zugeben wollte.
War vielleicht ihre erste Begegnung auf Jupiter schon kein Zufall gewesen? Wer
war Akunadin? Er sah aus wie ein Mensch, doch war er wirklich einer?
„Was ist mit deinem Gesicht passiert?“
„Hatte eine Begegnung mit einem Bastard.“
Akunadin merkte, dass er mit dieser Taktik bei Mariku nicht wirklich weiterkam.
„Es gibt Gerüchte“, Akunadin machte eine Pause, sein Blick war auf Mariku
fixiert, „über Notechis.“
Klirrend fiel Marikus Löffel in den fast leeren Teller. Mit einer Mischung aus
Panik und Misstrauen sah Mariku Akunadin hat. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.
„Woher...?“ Sein Mund fühlte sich trocken an.
„Gut, die Gerüchte waren gelogen“, gab Akunadin zu, „aber ich erkenne ein
Notechis-Schiff, wenn ich es sehe und ich muss zugeben, ich war wirklich
überrascht, als ich gesehen hab, dass du ausgestiegen bist. Was macht dieser
junge Mensch auf einem Notechis-Schiff? hab ich mich gefragt und bin neugierig
geworden. Also, Mariku, warum warst du auf einem Notechis-Schiff und wer ist
für deine Wunde verantwortlich?“
Mariku sah ihn mit offenem Mund an. Er war zu überrascht um etwas zu sagen,
obwohl ihm zig Fragen durch den Kopf schossen.
Akunadin räumte den Tisch ab, während Mariku noch nach Worten suchte.
„Malik.“
Die Teller fielen Akunadin aus der Hand, doch er fing sie, bevor sie auf den
Boden trafen. Mariku starrte die Tischplatte an, weshalb er es nicht mitbekam
und auch Akunadins überraschten Blick nicht sah.
„Wir sind ihm begegnet, nachdem wir vom Kurs abgekommen sind.“ Und erneut
erzählte Mariku seine Erlebnisse, anders als er sie seinen Eltern erzählt
hatte, und doch ließ er erneut seine Beziehung zu Malik weg.
Schweigen kehrte ein, nachdem Mariku verstummt war. Mariku hörte das
Stimmengewirr von draußen durch das offene Fenster. Selbst das Starten der
Raumschiffe nahm er schwach in der Ferne wahr. Akunadins Blick ruhte auf ihm,
seine Mimik war starr.
„Malik, huh?“, sagte er schließlich überraschend leise. Wehmut klang in
seiner Stimme mit. „Ich kenne ihn und seinen Vater.“
Mariku hob überrascht die Augenbrauen. „Du bist kein Mensch“, sprach er
seine Vermutung laut aus.
Akunadin lachte. „Nein, doch man kann sich unbehelligt bewegen, wenn man
aussieht wie einer.“ Er stand auf. „Was du siehst ist nur eine Illusion,
eine Lüge, die für mich jedoch überlebenswichtig ist. Wenn du die Wahrheit
kennst, dann wirst du verstehen.“
Mariku sprang auf, als sich Akunadin vor ihm zu verändern begann. Er trat
einige Schritte zurück und stolperte dabei fast zweimal über den Stuhl. Er
wich zurück bis er die Wand im Rücken spürte.
Ryou streifte durch sein Raumschiff, als würde er alles zum ersten Mal sehen.
Seto hatte sich schließlich doch auf den Tausch eingelassen, nachdem Ryou ihn
schon fast angebettelt hatte. Es war erniedrigend gewesen, doch Amane war mehr
als nur ein Schiff. Sie war sein Zuhause.
Ryous Finger glitten an der Wand entlang, über Kratzer und Einschusslöcher.
Seit er Amane besaß war sie noch nie in einem so ramponierten Zustand gewesen.
Es würde Wochen dauern sie reparieren zu lassen, vielleicht sogar länger, und
dann hatte er immer noch keine Crew. Ryou knirschte mit den Zähnen. Anzu war
die einzige, die noch übrig war von den Leuten, die in den letzten Jahrzehnten
so etwas wie eine Familie für ihn geworden waren.
Ryou schlug gegen die Wand. Auf dieser Reise hatte er so gut wie alles verloren.
Er würde nie wieder Passagiere transportieren. Er ließ sich auf seinen Stuhl
fallen und sah zu Jonouchis und Hondas Plätzen. Falls er je wieder irgendetwas
transportieren würde. Krieg würde kommen und niemand konnte etwas dagegen tun.
Ein Teil von ihm wollte weglaufen; Amane reparieren lassen und einfach weg, in
irgendein fernes Sternensystem.
Ryou ballte die Hände zu Fäusten. Doch er hatte sich geschworen kein Feigling
mehr zu sein. Er würde bleiben und kämpfen!
Es klopfte und Ryou zuckte zusammen. Es war Bakura.
„Was willst du noch?“, fuhr er ihn an. Hatte er nicht schon genug
angerichtet?
„Mich entschuldigen.“
Ryou schnaubte. „Dein Tonfall klingt nicht nach einer Entschuldigung.“
„Stimmt.“ Bakura zuckte mit den Schultern. „Ich wollte nur überleben.“
„Ich bin sicher, das wollte Jonouchi auch“, erwiderte Ryou bitter.
„Überleben des Stärkeren.“
Es war das erste Mal, das Ryou Bakura ansah, seit dieser den Raum betreten
hatte. „Bist du hier um mich noch wütender zu machen?“
„Nein, eigentlich will ich, dass du nicht mehr wütend auf mich bist.“
„Du machst das richtig gut.“ Ryou wandte seinen Blick wieder ab. „Und
jetzt verpiss dich.“
Doch Bakura blieb. Ryou knirschte mit den Zähnen. Konnte er nicht einfach
gehen? Es war so schon schwer genug.
Er sah Bakura an. „Ich hab noch nie jemanden getroffen, der mich in einem so
kurzen Zeitraum so sehr genervt hat wie du.“
Bakura grinste. „Ein besonderes Talent.
Ryou verdrehte die Augen. „Keins auf das du stolz sein solltest.“
„Es freut mich übrigens, dass du dein Schiff wieder hast. Ich hätte nicht
geglaubt, dass du das je wieder siehst.“
„Ich auch nicht“, murrte Ryou. „Dank euch wäre es ja fast weggewesen.“
„Hey, ich hab gar nichts gemacht.“
„Du hast dich für diesen idiotischen Menschen und den Abschaum eingesetzt.“
„War doch ein spannendes Abenteuer.“
„Oh ja, und was für eins! Es ist immer wieder toll mehrmals fast zu
krepieren, gejagt und gefoltert zu werden“, fauchte Ryou.
Bakura hob abwehrend die Hände. „Ich mach doch nur Scherze. Dein Schiff
heißt Amane, hm? Schöner Name. Was bedeutet er?“
Ryou öffnete den Mund, für einen Moment gewillt, die Namensherkunft zu
erklären, doch dann entschied er sich anders: „Das geht dich nichts an.“
„Okay, vielleicht sagst du’s mir ein anderes Mal.“ Bakura betrachtete
Ryou, der wieder den Blick abwandte. „Was hast du jetzt vor? Reist du ab?“
„Was denkst du?“ Ryou gestikulierte wild. „Mein Schiff ist ein
Schrotthaufen und ich hab keine Crew. Ich flieg erstmal nirgends hin. Und jetzt
verzieh dich endlich!“
Doch Bakura zögerte. „Ich bleib in der Stadt, also, wenn du Hilfe brauchst
oder ich irgendwas für dich tun kann, du weißt schon.“ Er grinste.
„GEH!“
Mariku starrte Akunadin an. Sein Blick wanderte von dem langen, schuppigen
Schwanz zu den Schuppen in seinem Gesicht und auf den Händen. Sie hatten die
Farbe von blassem Lila, das an manchen Stellen blau schimmerte. Die Fingernägel
waren Klauen und die Pupillen Schlitze.
Notechis.
„Wie...?“ Mehr brachte Mariku nicht heraus. Zog er Notechis irgendwie
magisch an? Verströmte er irgendein Kairomon, oder was war los?
„Es ist eine sehr starke Illusion nötig um zu verstecken, was ich wirklich
bin. Der Umhang und die Kapuze sind ein zusätzlicher Schutz.“ Akunadin
veränderte sein Aussehen erneut bis er wieder nicht von einem Menschen zu
unterscheiden war. Er setzte sich und sah Mariku abwartend an. Als Mariku jedoch
keine Anstalten machte sich von der Wand wegzubewegen, seufzte er. „Bitte setz
dich doch wieder. Ich werde dir nichts tun.“
Ohne Akunadin aus den Augen zu lassen, stellte Mariku langsam den Stuhl wieder
auf und ließ sich darauf nieder. Ihm schwirrten tausend Fragen durch den Kopf
und er wusste nicht, welche er zuerst stellen sollte.
Akunadin nahm ihm die Entscheidung ab: „Natürlich ist es ein Risiko auf einem
Planten im Herzen der Sternenallianz zu leben, aber ich wollte damals nach dem
Krieg aktiv dabei helfen die Zerstörung wieder gutzumachen.“
Mariku hob die Augenbrauen. Das war das Verrückteste, das er seit langem
gehört hatte, und er hatte in den letzten Wochen viel erlebt.
Akunadin schmunzelte, als er den Unglauben in Marikus Gesicht sah. „Ich war
Offizier in der Armee der Notechis. Kaltherzig und gnadenlos, so wie wir alle
erzogen werden. Ich habe unzählige Unschuldige getötet.“ Er sah auf seine
Hände, als würde immer noch Blut an ihnen kleben. „Wir hatten dieses kleine,
unbedeutende Dorf ausgelöscht. Einfach so. Weil wir es konnten.“ Er zuckte
mit den Schultern. Es lag kein Bedauern und auch keine Reue in seinem Tonfall.
„Aber irgendwas ist passiert in dieser Nacht. Ich stand in den Überresten
dieses Dorfes, über und über mit Blut besudelt, irgendwer hatte angefangen die
Häuser in Brand zu stecken, und hab mich gefragt Warum?“ Er sah Mariku ernst
an. „Als Notechis stellst du keine Fragen. Du kämpfst und hinterfragst nicht.
Auch auf das werden wir trainiert.“ Er seufzte. „In dieser Nacht bin ich
desertiert und wurde damit als Verräter gebrandmarkt. Von da an wurde ich von
allen gejagt, der Sternenallianz und meinen eigenen Leuten.“
Akunadin machte eine Pause und ließ Mariku Zeit, das eben gehörte zu
verarbeiten.
„Bereust du’s?“, fragte Mariku schließlich.
Akunadin schüttelte den Kopf. „Ich würde es immer wieder tun. Ich hielt mich
erst versteckt, dann fing ich an von Planet zu Planet zu reisen, was sich als
gar nicht so leicht herausstellte, bis ich einen Illusionisten fand, der mit
helfen konnte.“
„Was ist mit Malik?“ Akunadins Geschichte war interessant, Mariku fiel es
schon fast schwer sie zu glauben, doch er wollte endlich mehr über Malik
erfahren.
Ein Lächeln legte sich auf Akunadins Lippen. „Ich kenne ihn, sehr gut sogar.
Er ist mein Neffe.“
„Was?“ Mariku stand so abrupt auf, dass er Stuhl umfiel.
„Sein Vater ist mein Bruder.“
Mariku stellte den Stuhl wieder auf. Sein Mund stand offen, während er Akunadin
ansah, ungläubig, aber gierig nach mehr Informationen.
„Es freut mich zu hören, das Malik doch nicht die hirnlose Kampfmaschine
geworden ist, zu der sein Vater ihn erziehen wollte. Malik ist damals sehr
schnell in den Rängen aufgestiegen.“ Mariku hörte den leichten Stolz aus
Akunadins Stimme, auch wenn er vermutete, dass er das ganz unbewusst tat. „Es
ist jedoch bedauerlich, dass er zurückgeblieben ist.“ Akunadin presste die
Lippen aufeinander.
Mariku senkte den Blick. Der Gedanke an Malik stimmte ihn traurig. Er ballte die
Hände zu Fäusten. Es machte ihn wütend, dass er nichts tun konnte um Malik zu
helfen. Mariku begann zu zittern. Er war so nutzlos und schwach.
Akunadin legte ihm die Hand auf die Schulter und Mariku sah auf. „Es wird ihm
nichts passieren. Er ist gerissen und weiß, wie er sich zu verhalten hat, um
nicht aufzufallen.“
Doch Mariku schüttelte den Kopf. Es war nicht die Sorge, das Malik auffliegen
könnte, die ihn so aufwühlte. „Kura“, zischte er. „Er... er...“
Wütend schlug er mit seinen Fäusten auf den Tisch.
Mariku hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und starrte an die dunkle
Decke. Er hatte schließlich doch Akunadins Angebot angenommen bei ihm zu
bleiben, zumindest vorerst. Er war dabei noch einmal über das, was Akunadin ihm
erzählt hatte, nachzudenken, doch seine Wunden hatten angefangen zu jucken und
das machte ihn fast wahnsinnig. Am liebsten hätte er sein Gesicht wieder
aufgekratzt. Nur ein Grund mehr, warum er nicht einschlafen konnte. Dabei war
das weiche Bett ein Traum und obwohl es auf diesem Planeten nicht dunkel wurde,
sorgte eine Metallplatte am Fenster für Dunkelheit und Totenstille. Mariku
hörte seinen eigenen Atem.
Akunadin hatte ihn nicht über Kura befragt, nachdem er so wütend geworden war,
sondern ihn nur ins Bett geschickt. Er musste schlafen, hatte er gesagt. Mariku
drehte sich auf den Bauch. Als ob er das konnte. Er war erschöpft, aber zu
erschöpft um einzuschlafen und dann waren da noch das Jucken und seine Sorge um
Malik. Würde er ihn je wiedersehen?
Unruhig drehte sich Mariku wieder auf den Rücken und kniff die Augen zusammen,
als seine Schulter unangenehm stach. Er war ein Wrack. Da half es auch nicht,
dass Schulter und Rücken angeblich so gut wie verheilt waren. Er merkte den
Schmerz immer noch. Zumindest glaubte er das. Und dieses Jucken!
Mariku versuchte die Bandagen zur Seite zu schieben, doch die saßen bombenfest.
Er schaffte es nicht mal sie einen Millimeter zu bewegen. Er versuchte über
ihnen zu kratzen, doch es brachte nichts. So würde er niemals einschlafen.
Wie spät es wohl war? Mariku setzte sich auf und suchte nach einer Uhr, doch er
fand nicht mal einen Lichtschalter. Seufzend ließ er sich wieder zurücksinken.
Das würde eine lange „Nacht“ werden.
Ryou betrachtete sich im Spiegel und sein Blick blieb bei der fehlenden Feder
hängen. Er seufzte. Er fühlte sich seltsam ohne sie, doch konnte er auch froh
sein, dass er noch all seine Sinne beisammen hatte. Manche wurden schon beim
Verlust einer Feder verrückt. Ryou berührte die Stelle, tastete in das kleine
Loch hinein und zuckte zusammen, als Schmerz sich durch seinen Kopf zog. Er nahm
die Hand weg und drehte sich vom Spiegel weg. Sein Raum war ein einziges Chaos.
Seto und seine Leute waren nicht gerade zimperlich vorgegangen, als sie ihn
durchsucht hatten. Ryou schob einige Kleidungsstücke mit dem Fuß beiseite.
Zumindest hatten sie seinen Geheimtresor nicht gefunden.
Ryous Finger strichen über den glatten Boden. Selbst wenn sie ihn gefunden
hätten, hätten sie ihn nicht öffnen können. Linien erschienen auf dem Boden
und zogen sich durch den ganzen Raum. Ryou wurde in ein hellblaues, schon fast
weißes Licht getaucht. Er legte beide Hände auf den Boden und das Licht wurde
grün.
Ryou stand auf. Die grüne Farbe breitete sich aus, bis der gesamte Boden, die
Decke und die Wände grün leuchteten. Nur neben seinem Bett gab es eine kleine
Stelle, die weiß geblieben war. Ryou legte seine Hände in das weiße Feld und
erneut veränderte sich die Farbe. Aus grün wurde rot und das Leuchten ließ
nach, bis wieder nur Linien zu sehen waren. Die Linien bewegten sich durch den
Raum und sammelten sich schließlich an einer Stelle nicht unweit von Ryou. Es
machte „Klick“ und es erschien ein Loch in der Wand.
Ryous Finger zitterten leicht, als er die Kiste herausnahm. Hätten sie seinen
Tresor geplündert, dann wäre alles verloren gewesen. Er hätte Amane nicht
mehr reparieren lassen können, er hätte... einfach nichts mehr gehabt. Er
öffnete die Kiste, die fast bis zum Rand mit Münzen gefüllt war. Es würde
reichen um Amane zu reparieren, zumindest hoffte er das.
„Ryou?“
Ryou zuckte zusammen und schlug den Deckel der Kiste zu. Er drehte sich um und
entspannte sich etwas, als er sah, dass es Anzu war.
„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.“
„Schon gut.“ Ryou stand auf. „Was gibt’s?“
„Nun ja“, Anzu sah zur Seite. Das Wasser in ihrem Körper bewegte sich
unruhig. Ryou kannte sie lange genug um zu wissen, dass ihr etwas Größeres auf
dem Herzen lag. „Jetzt, mit dem bevorstehenden Krieg, ich meine“, sie trat
unruhig von einem Bein auf das andere, „ich wollte fragen, ob es vielleicht
okay wäre, wenn ich...“ Sie brach ab und sah Ryou an. „Ich meine, es ist
mir unangenehm, dich in dieser Situation alleine zu lassen, aber ich würde
wirklich gerne meine Familie sehen.“
Ryou lächelte schwach. „Ist in Ordnung.“
„Wirklich?“
Ryou zuckte mit den Schultern. „Ist nicht so, als hätte ich Arbeit für
dich.“
Anzu umarmte ihn. „Aber wenn ich irgendwas für dich tun kann...“
„Geh zu deiner Familie“, murmelte Ryou. Ohne Anzu wäre er ganz allein, doch
er würde sie nicht davon abhalten ihre Familie zu sehen. Die Zeiten würden
noch schwer genug werden.
Ryou fühlte sich verloren, als Anzu durch die Tür ging. Jetzt hatte er
wirklich niemanden mehr, doch einen Vorwurf machte er ihr nicht. An ihrer Stelle
würde er auch nichts anderes tun.
Ob er Anzu jemals wieder sehen würde?
Im Nachhinein fragte er sich, ob er zu streng und zu hart mit seinen Freunden
umgegangen war. Besonders mit Jonouchi war er manchmal nicht besonders nett
umgesprungen. Ryou biss sich auf die Lippe. Trotzdem hatte Jonouchi ihm das nie
übel genommen und hatte Ryou nicht einmal einen Grund gegeben an ihrer
Freundschaft zu zweifeln. Ryou seufzte. Jetzt war es dafür sowieso zu spät. Er
setzte sich wieder auf sein Bett und sah sich um. „Jetzt sind es wieder nur du
und ich, Amane. So wie ganz am Anfang.“
Schweißgebadet schreckte Mariku aus einem unruhigen Schlaf. Sein Atem ging
schnell und sein Herz raste. Hektisch sah er sich um, versuchte sich zu erinnern
wo er war.
Nur langsam wurde ihm bewusst, dass er nicht in Gefahr war. Er ließ die Decke
los, die er krampfhaft festgehalten hatte. Erschöpft ließ sich Mariku zurück
ins Kissen sinken. Er schauderte, als er an seinen Traum dachte, dabei konnte er
sich nicht einmal daran erinnern, was passiert war. Trotzdem hatte er ein
seltsam beklemmendes Gefühl hinterlassen. Mariku schob die Decke von sich und
fächelte sich Luft zu.
Wie lange hatte er geschlafen?
Wie spät war es?
Dass er keine Uhr hatte, nervte ihn. Er brauchte ein Gefühl von Zeit.
Mariku stand auf und schob das Metall zur Seite, dass das Fenster verdeckte. Er
kniff die Augen zusammen. Zu hell. Er schob das Metall wieder vor. Er konnte
nicht mal durch den Sonnenstand bestimmen wie spät es war, weil es einfach nie
dunkel wurde.
Mariku seufzte. Der Planet war jetzt schon anstrengend und er war erst... er
wusste noch nicht einmal, wie lange er jetzt schon hier war. Ein Tag? Zwei? Oder
sogar schon länger? Vielleicht würde er sich aber auch daran gewöhnen.
„Akunadin?“, fragte Mariku, als er das Zimmer verließ. Wieder kniff er die
Augen zusammen. Er blinzelte schnell, bis er sich an das Licht gewöhnt hatte.
„Akunadin?“ Doch er bekam keine Antwort. Er suchte nach dem Notechis, doch
fand ihn nicht.
Mariku ließ sich in der Küche auf einen Stuhl sinken. Er hatte ihm noch nicht
mal eine Nachricht hinterlassen. Wann würde er zurückkommen? Was sollte er in
der Zwischenzeit machen?
Sein Magen knurrte und Marikus Blick fiel auf den Topf, der auf dem Herd stand.
Es war bestimmt noch Suppe da. Er stand auf und hob den Deckel an. Ein kleiner
Rest Suppe war noch im Topf, Mariku war sich jedoch nicht sicher, wie der Herd
zu bedienen war. Er drückte aufs Display, doch nichts geschah. Er drückte
etwas energischer, doch der Herd war nicht bereit mit ihm zu kooperieren.
Mariku seufzte genervt und öffnete den Kühlschrank. Das war zwar nicht
besonders höflich, aber wenn Akunadin ihn allein ließ, was sollte er machen?
Der Inhalt des Kühlschranks brachte ihn nicht weiter. Das meiste kannte er noch
nicht einmal und für den Rest brauchte er den Ofen. Er schloss den Kühlschrank
wieder.
Dann würde er sich eben draußen etwas besorgen. Er hatte noch etwas von dem
Geld übrig, das Bakura ihm gegeben hatte. Er zog sich rasch an, doch als er
Akunadins Wohnung verlassen wollte, musste er feststellen, dass die Tür keine
Klinke besaß. Mariku suchte nach einem Schalter oder ähnlichem, doch da war
nichts. Er stemmte sich gegen die Tür, doch die gab natürlich keinen
Millimeter nach.
„Der will mich doch verarschen.“
Das Bett quietsche, als sich Bakura auf die andere Seite drehte. Murrend zog er
sich die Decke über den Kopf. Die Sonnen und die damit verbundene Strahlung
machten ihm zu schaffen. Es war nicht so schlimm, wie auf dem Wüstenplaneten,
da die Sonnen weitaus weniger Wärme abstrahlten, doch die Tatsache, dass es nie
Nacht wurde, saugte ihm jegliche Energie ab. Wenn er wirklich vorhatte zu
bleiben, würde er seinen Blutkonsum erhöhen müssen.
Grummelnd setzte Bakura sich auf. Dass sein Zimmer dunkel war, half etwas, doch
er war zu lange draußen unterwegs gewesen. Immer noch in die Decken gewickelt
stand Bakura auf und schlurfte zum Kühlschrank.
Ein fahles, blaues Licht erhellte den Raum, als er ihn öffnete. Er nahm einen
Blutbeutel heraus und machte sich nicht die Umstände ein Glas zu holen. Gierig
trank er bis der Beutel leer war. Bakura leckte sich über die Lippen und
schloss genießerisch die Augen. Er fühlte sich gleich etwas besser.
Natürlich war es idiotisch, dass er ausgerechnet hier blieb, doch abgesehen
davon, dass er nicht genug Geld hatte um sich überhaupt eine Reise zu leisten,
wusste er auch nicht wohin er sollte. Nach Hause bestimmt nicht.
Bakura setzte sich wieder aufs Bett. Er würde im Krankenhaus nach Arbeit
fragen, dann konnte er sich mehr leisten, als das karge Zimmer in dem er gerade
saß. Und er musste seine Forschungen fortführen. Mariku hatte ihm gute
Ergebnisse geliefert, aber die Nebenwirkungen mussten reduziert werden. Er
brauchte einen Ersatz für sein Blut.
Bakura nutzte seinen Fuß um seine Tasche näher zu ziehen. Er hob sie hoch und
holte ein Notizbuch heraus. Es war alt, altmodisch und hatte seine besten Zeiten
bereits hinter sich, doch Bakura hing sehr daran. Er blätterte es durch. An
jeder Seite klebten farbige Post-its und manche Seiten waren so lose geworden
über die Jahre, dass er sie wieder hatte einkleben müssen. Bis auf die letzte
Seite, war jede Seite vollgeschrieben.
Er hatte unterschiedliche Inhaltsstoffe für sein Medikament notiert, wieder
welche ausgestrichen und neue aufgeschrieben. Es gab seitenweise Nebenwirkungen
und Beobachtungen. Er hatte alles bis auf das kleinste Detail aufgeschrieben.
„Heilung stark beschleunigt“, murmelte er, während er Marikus Ergebnisse
notierte. Bis auf die Blutabhängigkeit war alles perfekt gelaufen. Er musste
wirklich einen Ersatz finden. Bakura tippte mit dem Stift auf das Papier.
Vielleicht gab es im Krankenhaus einen Stoff.
Er las sich seine Notizen noch einmal durch. Sobald der Krieg kommen würde,
wäre sein Mittel eine große Hilfe.
Bakura grinste. Und vor allen Dingen würde es Gold wert sein. Er hörte bereits
die Münzen klimpern und fühlte sich nur etwas schlecht, dass er Profit aus
dieser schrecklichen Situation ziehen wollte.
Er zuckte mit den Schultern. Am Ende drehte es sich doch immer nur ums Geld.
Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)