Hakuouki - The Demon of the fleeting Blossom von Ascian_Dragon ================================================================================ Prolog: Prolog - Der Beginn eines Abenteuers -------------------------------------------- Prolog Januar 1864 „Das ist also Kyoto...“ Eine beeindruckende Stadt, fand ich, das konnte niemand abschreiten. Selbst die gewöhnlichsten Begrüßungen der Leute, die an mir vorbei gingen, waren freundlich und warmherzig. Sie nickten einem zu oder man lächelte sich gegenseitig an, als würde man zu einer großen Familie dazu gehören. Dennoch... gab es etwas. Etwas, das die Stadt geheimnisvoll wirken ließ. Ich hatte irgendwie das dumpfe Gefühl, das Fremde – die auf der Durchreise waren – wegen einer großen Sache ausgeschlossen werden. Als würde eine unsichtbare große Mauer die Stadt umgeben, um ihr Geheimnis zu wahren. Aber vielleicht ging es nur mir so. „Um...“ Angenehm war es nicht, mit solch einem erdrückenden Gefühl auf den Straßen zu gehen, das musste ich zugeben. Da war es egal, wie nett die Leute waren. „...Nein. Das bilde ich mir nur ein...“ Mein langer Weg nach Kyoto war recht hart gewesen, mein Körper machte langsam schlapp und meine Gedanken kreisten nur um ein warmes Bett, auf das ich liegen könnte. Bislang hatte ich mich mit dem harten Waldboden zufrieden geben müssen. Auch wenn dies für mich eine kleine Ausrede war, meine Schwäche zu begründen, da ich von Natur aus eine sehr hohe Ausdauer hatte. „Um, Entschuldigung!“ Mit einer neuen, teils erzwungenen Motivation – endlich mein Ziel zu erreichen – brachte ich mich endlich dazu, jemanden anzusprechen, der an mir vorbei ging. Freundlich wurde ich angeschaut. „Verzeihung, aber ich scheine mich verlaufen zu haben, könnten Sie vielleicht...?“ „Was soll ich nun machen?“ Erneut war ich verloren. Nicht wie vorhin, als ich nach dem Weg gefragt hatte. Ich seufzte, ließ meinen Blick vom Haus vor mir ab und schaute zum immer dunkler werdenden Himmel. Die Sonne schob sich immer mehr hinter die Häuser, bis sie endgültig ihr Licht vor der Welt verbarg. Die Menschen, mit denen ich sprach, waren zwar nicht unfreundlich und sie konnten mir den Weg zum Ziel weisen, aber... „Der hätte sich nicht einen besseren Zeitpunkt aussuchen können, die Stadt zu verlassen, oder?“ fragte ich mich selbst. Denn außer meinem Vater gab es noch eine weitere Person, auf die ich mich eigentlich – laut ihm – verlassen konnte: Dr. Matsumoto. Er war ein Arzt, der dem Shōgunat diente. Ich selbst hatte ihn nie persönlich getroffen – ich hatte nur eine wage Beschreibung wie er aussah – aber mein Vater pflegte großes Vertrauen in ihm. Er sagte zu mir, ich sollte zu diesem Mann gehen, sollte ich während seiner Abwesenheit in Schwierigkeiten stecken. Unglücklicherweise... Dr. Matsumoto war momentan aus geschäftlichen Gründen außerhalb der Stadt und würde für eine bestimmte Zeit nicht zurückkehren. „Hätte ich vielleicht doch noch etwas warten sollen?“ Natürlich war es unhöflich von mir, unangekündigt zu erscheinen, weswegen ich vor meiner Abreise auch einen Brief losgeschickt hatte. Natürlich hätte er diesen Brief jetzt nicht lesen können, wenn er abwesend war. Vielleicht hätte ich darauf warten sollen, bis er geantwortet hätte, bevor ich ganz allein zu einer Stadt aufbrechen würde, in der ich nie war. „Aber...“ Nein. Ich wusste, dass ich nicht länger warten konnte. »“Kaoru...“ Die sanfte Stimme meines Vaters klang in meinen Ohren. Ich sah von meinen Papieren auf, die als Memoiren für meine Gedichte her hielten. „Ist etwas, Chichi-ue?“ Er schwieg für einen Moment und musterte mich. „Ich... muss für eine Zeit nach Kyoto gehen, vermute ich.“ „Wieder die Arbeit?“ Ich legte die Pinsel beiseite, denn so wie er klang, schien es etwas Besonderes zu sein. Er hatte bislang oft das Haus verlassen, manchmal für mehrere Tage. „Wie lange wirst du weg sein?“ „...Ich befürchte das kann ich nicht so genau sagen. Einen Monat. Vielleicht auch zwei.“ „Hm...“ Es war nicht so, das es mich großartig kümmerte, das ich lange allein sein würde. Im Gegenteil, manchmal genoss ich die einsame Stille, die im Haus herrschte und ich somit meine Gedanken auf Papier bringen konnte. Dennoch verspürte ich das Gefühl von Einsamkeit, die sich in mir staute. Ich war kein Kind mehr, ich konnte ihn nicht anflehen zu bleiben, wie ich es damals immer getan hatte. Zudem war ich ein junger Mann, es würde nur merkwürdig klingen, wenn ich auf den Knien herum rutschen würde. Die größeren Sorgen machte ich mir jedoch um ihn. Er war nicht mehr der Jüngste und Kyoto... Nun. „Sie sagen, die Stadt Kyoto sei gefährlich. Sei vorsichtig.“ Er lächelte und nickte. „Du musst dir keine Sorgen machen. Ich werde dir Briefe schicken, so oft ich kann. Dann weißt du, dass es mir gut geht.“ „...Gut. Versprochen?“« … Vater hielt sein Versprechen. Jeden Tag kam ein neuer Brief, ich kam kaum mit dem Antworten hinterher. Er schrieb, er machte sich Sorgen um mich, auch wenn er mir nie direkt sagte. Irgendwann ebbte der Schwall ab, bis kein Brief mehr kam. Über einen ganzen Monat hörte ich nichts von ihm. Ich begann mir Sorgen zu machen. „Chichi-ue...“ Sie sagten Kyoto sei überfüllt von Rōnin. Es war kein sicherer Ort. Normalerweise dienten Samurai einem Haus. Rōnin waren herrenlose Samurai, von denen gesagt wurde, dass sie oft Leute ausraubten oder ihnen gar das Leben nahmen. Sie waren nichts als gewalttätige Kriminelle, die sich hinter der Bezeichnung der Samurai versteckten und es ausnutzten. Kyoto wurde auch 'die Stadt der Rōnin' genannt. Wie ironisch, das ich mir mehr Sorgen um das Wohlbefinden meines Vaters machte, als um mein eigenes. Wer wusste, wo er sich befand, vielleicht war ihm etwas Schlimmeres widerfahren, als von Rōnin angegriffen zu werden. Vielleicht auch nicht. In meinen Gedanken spielten sich die grausamsten Vorstellungen ab, die mich recht depressiv und angespannt werden ließen. „Hm... Ich sollte zuerst eine Bleibe finden.“ In Gedanken verloren hatte ich nicht mitbekommen, dass die Nacht bereits eingebrochen war. Wenn ich ehrlich war, wusste ich nicht wie lange ich nach meinem Vater suchen würde. Ich hatte etwas Geld bei mir, damit sollte ich eventuell einen Monat lang auskommen, wenn ich es weise nutzte. Wenn ich meinen Vater in der Zeit finden sollte war es gut. Sehr gut. Wenn nicht, hoffte ich Dr. Matsumoto käme zurück, bevor das Geld ausging. Sollte ich nicht in der Lage sein, einen von beiden zu finden... Nun, dann müsste ich wohl zurückgehen. „Nun, wenn das so ist, sollte ich sehr sparsam sein.“ Von Aufgeben war hier nicht die Rede, Geld hin oder her. Ich setzte meinen Weg fort und wich von der Hauptstraße ab. Für mich als Junge sollte ich keine Probleme damit haben, aufzufallen. Das einzige Problem war, das man mich sehr schnell für ein Mädchen halten könnte – ich wurde leider mit einem sehr femininem Gesicht geboren. Man hatte mich daheim davon abhalten wollen, nach Kyoto aufzubrechen, da ich sehr schnell in die Hände von Männern gelangen könnte, die mich eventuell für ihr Vergnügen missbrauchen wollen. Hm...“ Innerlich musste ich grinsen. Die Zeiten, in der man mich entführt hatte, weil man dachte ich wäre ein Mädchen – die Entführer wagten es kein zweites Mal. Man(n) mochte mich mit einem Mädchen verwechseln, aber meine Kampfkunst mit meinem Katana war in meiner Gegend gefürchtet. Kyoto war trotz allem nicht sicher und ich würde nicht in solch einer Stadt aufbrechen, wenn ich nicht die ausreichende Erfahrung der Selbstverteidigung mitbringen würde. Selbst wenn es gefährlich war, ich hatte mir einreden wollen, dass die Gefahren der Stadt nicht auf mich zurück fielen. Doch sollte ich schon sehr bald das Gegenteil erfahren: „Hey, Kleine.“ „Huh?“ brummte ich genervt und drehte mich um. Allein der Ton gefiel mir nicht. Und siehe da: Vor mir standen drei Männer. Rōnin. „Wollt ihr was?“ Ständig wurde ich von meinem Ziel abgehalten. Dies zeigte ich den 'netten' Herren vor mir auch, die mich regelrecht merkwürdig anstarrten. Ich hatte das Gefühl, gleich würde meine Waffe zum Einsatz kommen. Die Finger umfassten unauffällig den Griff. Selbst mein Vater – nachdem er mir anfangs zwanghaft Unterricht erteilt hatte – hatte es übertrieben gefunden, wie ernst ich mein Training nahm. Sogar nachts hatte ich mit dem Schwert geübt, bis ich am nächsten Morgen kaputt war, um den Haushalt zu schmeißen. Niemand aus der Umgebung meines Heimes hatte mich je schlagen können. Mittlerweile waren meine Techniken so gut, das es mir regelrecht egal war, ob sie allein oder zu dritt waren. „Was macht so eine Schönheit wie du hier ganz allein?“ fragte einer. Ich gab nur ein 'Che' vor mir und funkelte ihn an. „Hübsches Schwert hast du da, Kleine.“ Interesse an meiner Waffe, also. Mich nervte es jedoch, das sie doch tatsächlich dachten, ich wäre eine 'sie'. „Scheint ein wenig unpassend für ein kleines Mädchen zu sein, oder?“ sagte ein anderer, taumelnd. „Ja, gib es lieber uns. Wir können es gut für die Verteidigung unseres Landes gebrauchen. Und für den Schutz einer solch jungen Dame.“ „Tzeh... Verteidigung des Landes.“ wiederholte ich und grinste schief. Natürlich. Als wenn ich so naiv wäre. Dennoch würde ich nicht einmal mein Schwert eintauschen wollen, selbst wenn es um mein Leben ging. Es gehörte seit Generationen meiner Familie und es wurde an mich weiter gegeben. Es war eine Art Andenken an meiner Mutter, die mich in jungen Jahren verlassen musste. Dumm nur, das solche Menschen es nie verstehen würden. Doch war es ein guter Zeitpunkt, mich direkt gegen drei Männer zu stellen, mitten in der Nacht in einer Stadt, die ich nicht kannte? … Nein. In solch einer Situation musste ich hinterhältig handeln. Ich würde sie erst einmal von einander trennen und sie einzeln bekämpfen. Ein wenig mit ihnen zu spielen, wäre nichts schlimmes, ich würde sie ja nicht töten wollen. … Ich musterte diese Männer. Und rannte. „Hey! Komm zurück, du kleine Ratte!“ Ich lief durch die Gassen, lachte kurz laut, nur um sie zu provozieren und wurde eins mit dem Schatten. Es war zwar kein leichtes Unterfangen, schließlich kannte ich mich hier nicht aus. Doch mir wurde beigebracht, mich schnell an die Umgebung anzupassen, egal wie fremd sie mir war. An einer Hauswand blieb ich stehen und wartete. … Schritte. Laute Schritte. Die Schritte von einem einzelnen. Ich lächelte schief, hatte mein Plan doch funktioniert. Meine Hand war an meinem Schwertgriff. Die Schritte kamen näher, das schwere Atmen des Mannes und sein leises Gefluche wurden deutlicher. Na, wer würde denn jetzt schon müde werden? Bevor ich jedoch zuschlagen konnte – damit meinte ich, mich auf ihn stürzen und ihn niederschlagen – hielt mich etwas auf. Ein kalter Schauer lief über meinem Rücken, eine erdrückende Stimmung erreichte mich. Ich hielt die Luft an und ging weiter in die dunkle Ecke hinein. Es waren nicht die Rōnin, die mir Angst machten. Ehrlich, sie waren erbärmlich. Da war etwas anderes. Etwas, was mir das Blut gefrieren ließ. … Etwas war hier faul. Das schien der Rōnin in meiner Nähe ebenfalls zu spüren, denn er sah sich ängstlich um. Außer seinem schnellen Atem hörte man nichts. Gar nichts. Es war zu ruhig. „EEEAAAAAAAAAAAAAAAGHHH!!“ Ein Schrei. Ein qualvoller Schrei. „W-Was!?“ Ich zuckte stark zusammen und duckte mich. Der Rōnin vor mir fuhr herum und sah sich panisch um. Es war schließlich sein Freund, der so geschrien hatte. Ich hörte Schritte, er entfernte sich von mir, dennoch war er nah genug, um zu hören, was er von sich gab. „Du...“ hörte ich ihn knurren. „Was ist das?! Wieso stirbt er nicht? Verdammt, wir müssen von hier weg!“ schrie der andere und wollte weglaufen, doch hörte ich das Geräusch, als hätte jemand mit einem Messer durch Stoff geschnitten; der Geruch von Blut fuhr in meine Atemwege. Langsam kroch die Angst in mir hoch. Da war etwas; etwas sehr, sehr gefährliches. Eventuell sogar todbringend. Es war so stark, das selbst ich eine Gänsehaut bekam. Ich versuchte mir vorzustellen, was da draußen lauerte, doch es war so grausam, etwas blockierte meine Gedanken. Trotz allem wollte ich wissen, was passierte. Langsam, vorsichtig und meine Waffe – die ich gezogen hatte – umklammernd schlich ich zum Wandrand und schielte um die Ecke. Kaltes Mondlicht schien auf mich zurück, während es sich auf eine in Blut getränkte Klinge spiegelte. Meine Augen folgten dem Schwert hinauf, zum Arm der sie hielt, umhüllt von einem Haori in hellblau. Hatte diese Person mich gerettet? „Ehehehehehehehehe...“ „H-Hilfe...!“ Ich hörte das Flehen des Rōnin um sein eigenes erbärmliches Leben, ehe er zurück stolperte. Die Person im blauem Haori sagte nichts, ging nur einen wackeligen Schritt nach vorne und erhob sein Schwert. „Aaaaaaaaaaaaaahhhhhh!“ „AAAAHAHAHAHAHAHA!“ Ein helles, kreischendes Gelächter folgte, übertönte den Todesschrei des Mannes; ebenso das Geräusch von zerhacktem Fleisch. Die Klinge sauste herab, wie das Beil eines Metzgers: Es war keine Technik dahinter zu erkennen, keine Fähigkeit. Nur bloßes Töten. Meine Augen weiteten sich. Ich hatte einen Mord beobachtet. Das Adrenalin – was ich bis vorhin hatte, nur um die Rōnin zu verarschen – verschwand mit einem Hauch. Meine Beine wurden weich, sodass ich zu Boden fiel. Meine Augen waren so weit aufgerissen, ich hatte das Gefühl, ich könnte sie nie mehr schließen. Der Rōnin war schon beim ersten Hieb getötet worden, dennoch rammte sich die Klinge des Mörders immer weiter in den toten Körper des Mannes. Das schnelle Herabgleiten durch Fleisch; das Geräusch von brechenden Knochen; die stille Ansammlung von Blut über der Erde. Alles was ich in dieser Szene sah, war Wahnsinn. Ihr einziges Verlangen war rohe, tierische Gewalt. Was immer sie waren, sie waren nicht menschlich. Sie waren... gebrochen. „Hah...“ Ich fühlte wie sich meine Kehle zuschnürte. Ich konnte nicht atmen. Ein warmer, dunkler Geruch wehte nun stärker in mein Gesicht. Es brauchte mich einen kurzen Augenblick, ehe ich realisierte, dass es der kupferne Geschmack von Blut war. Ein kalter Schauer von Angst durchfuhr meinen Körper, verteilte sich in allen Gliedmaßen. Ich hatte Angst. Was sollte ich tun...? Was konnte ich tun? „Du musst weglaufen, Kaoru.“ flüsterte ich mir selbst zu. Ich musste mich dazu bringen, tief Luft zu holen. Das war die Einzige und letzte Chance, die ich hatte. Ich musste – „Ah!“ Doch mein Körper war noch immer betäubt von der Angst, die ich deutlich verspürte. Ich kippte seitlich gegen einige Holzstämme, die an einer Hauswand standen. Mit einem lauten Gepolter kippten sie um. Die Wesen – mittlerweile zu dritt – drehten sich um, ihre blaue Haori in Blut getränkt. Ein unheimliches Grinsen spaltete ihre unmenschlichen Antlitze. Ihre tierische Aufregung, noch ein Opfer zum Zerfetzen gefunden zu haben, war ihnen deutlich anzusehen. „M-Mist!“ Ich musste rennen. Ich konnte noch nicht sterben. … Meine Beine weigerten sich dennoch. Dieses unheimliche Gekicher begann erneut. Langsam umhüllte mich der Schrecken, legte meinen ganzen Körper lahm. Nicht einmal Schreien konnte ich. Ich tastete langsam, quälend den Boden nach meinem Katana ab, welches ich beim Hinfallen verloren hatte. Sollte ich mir damit ins Bein stechen und somit fähig sein, laufen zu können? So wie diese Wesen auf Blut reagierten, würden sie erst recht hinter mir her sein. Sie wirkten wirklich wie Tiere, die ihre Opfer jagten, bis sie es erwischt hatten. Sie näherten sich, ihre Schatten warfen sich über mich. War es das? Ich biss mir auf die Unterlippe. Sie würden keine Gnade zeigen. Ich war tot. Das stand fest: Das war das Ende. Kapitel 1: Prolog - Im Schatten Kyotos -------------------------------------- >>Das stand fest: Das war das Ende.« Ich sah ihnen zu, wie sie ihre blutigen Schwerter erhoben, der Mond spiegelte sich im Metall. Bevor ich blinzeln konnte, sah ich drei Lichtblitze, ehe das Blut zu spritzen begann. Sie spritzten mir ins Gesicht; warm und klebrig. Noch mehr Blut. Langsam spürte ich ein Kribbeln im Rachen und hatte schon beinah das Gefühl, mich übergeben zu müssen. Doch dann hörte ich eine Stimme... „Man ernsthaft...?“ Die Stimme klang zu den enttäuschten Worten jedoch... fröhlich, spöttisch. „Kaum tanz ich hier an, da hast du alles schon erledigt. Hättest du dir nicht einen anderen Tag aussuchen können, um kurzen Prozess zu machen, Saitou?“ Während er sprach, lächelte ein braunhaariger Mann, als amüsierte er sich darüber. „Ich habe nur meine Pflichten getan. Das solltest du auch tun, anstatt es als eine Art Spaß anzusehen.“ brummte ein Dunkelhaariger. „Das ist aber nicht nett.“ Der Amüsierte lachte. Der andere Mann namens Saitou seufzte nur über seinen vergnügten Begleiter, ehe er zu mir sah. Eine kurze Weile musterte er mich. Ob er zu überlegen schien, was er mit mir machen sollte? „Hm, wie wäre es wenn wir ihn töten? Das erspart uns eine Menge Erklärung und Arbeit.“ Seine Stimmlage war hell, aber die Worte waren das Gegenteil. Ich spürte wieder das Adrenalin, als ich mein Schwert ergriffen hatte. Sofort ging ich auf ihn los, er wehrte jedoch meinen Angriff ab und hielt mich von hinten an den Armen fest. Ein leichter Schmerz zog sich in meine Schulter und mein Katana fiel klirrend zu Boden. Ich hörte ihn pfeifen, als wäre er beeindruckt. Saitou hatte eine Augenbraue erhoben, aber dann wandte er sich von mir ab, um die Leichen zu mustern. „Das liegt nicht in unserem Bereich, dies zu entscheiden.“ Der Brünette hielt inne, die Klinge an meinem Hals gerichtet. Ein Seufzen war zu hören, ehe er mich einfach los ließ und ich erneut zu Boden fiel. Schnell drehte ich mich um. War da noch jemand außer ihnen hier? Irgendwie schloss ich aus dieser Konversation heraus, dass sie in einer Gruppe waren oder so. Moment mal, ich erinnerte mich an ein Gerücht, was in meiner Heimat herum ging. Eine Gruppe von Männern in blauen Haori. Meine Gedanken wurden unterbrochen, als ein dunkler Schatten meine Sicht versperrte. Ich schluckte, als ich direkt vor mir eine Klinge sah. Der Waffe mit dem Blick folgend sah ich zu dem Besitzer: Das Mondlicht schien auf sein dunkles, langes Haar, welches im Wind tanzte. Aus mir unverständlichen Gründen sah das Licht in seinem Haar aus wie tanzende Blütenblätter, obwohl in dieser Jahreszeit keine Kirschblüten aufblühen sollten. „Heute Nacht ist das Glück nicht auf deiner Seite.“ Seine Stimme klang kalt und ruhig, wie eine Klinge aus Eis. Blauweißes Mondlicht schien auf sein schmales Gesicht und auf seine mir entgegen gehaltene Waffe. Aber es war nicht das Schwert, was meinen Atem stocken ließ. Es waren seine Augen. Sie waren grimmig und kühl, dennoch sah ich hinter ihnen einen Funken... Ich wusste es nicht. Ich zweifelte nicht daran, das er mich töten würde, doch gleichzeitig wirkte er unruhig. Vielleicht empfand er... Gnade? „Wenn du weg läufst, töte ich dich. Verstanden?“ Ich nickte zögernd. Er meine es wohl ernst, das sah ich ihm an. Er musterte mich kurz, verzog das Gesicht und steckte sein Schwert weg. Dies war eigentlich eine Chance, ihn anzugreifen oder wegzulaufen, doch... etwas hielt mich davon ab. Hatte ich Angst davor, das er mich töten würde? Ich war so überrascht gewesen, das es mir wieder bewusst wurde, das es noch andere Anwesende gab. „Was? Moment mal, Hijikata-san! Bist du sicher? Das Kind sah... nun, alles. Das kann nicht gut enden.“ sagte der Brünette, worauf der Schwarzhaarige die Augen verengte. Die Stirn runzelnd sah er zurück zu dem Anderen. „Ruhe. Du weißt was passiert, wenn wir ihn töten würden.“ … Nun, ich war mir nicht sicher, was sie meinten, aber eins verstand ich: Ich saß tief in der Scheiße. Zudem wirkte es, als sollte dies hier ein Geheimnis sein. Durch die Uniform kam ich zu dem Schluss, dass sie aus derselben Gruppe waren. Doch warum hatten sie sie bekämpft und getötet? Andererseits dachte ich mir nur, das es wohl in jeder Gruppe schwarze Schafe gab. „Ich denke, es wird hart auf uns zurück kommen, wenn wir das Kind laufen lassen.“ So wie mich der Brünette ansah, schien es, als wollte er mich auf keinen Fall gehen lassen. Gefangen nehmen oder töten? Er grinste, als würde er meine Gedanken lesen können. Seinem Blick ausweichend war es wohl das Beste, wenn ich an nichts dachte. Zumindest sollte ich nicht über Dinge nachdenken, die mich nichts angingen. „Also sollen wir einfach Leute umbringen, damit sie uns später keine Schwierigkeiten machen? Nein! Ich entscheide, was wir mit diesem Kind machen, wenn wir zurück sind.“ Also doch Gefangen nehmen? „Ich stimme dem Kommandanten zu. Wenn wir weiter hier verweilen, könnte uns noch jemand sehen.“ Saitou sprach mit einer ruhigen Stimme. Er sah sich um, vermutlich nach weiteren Zeugen. Dann sah er auf die Kreaturen herab, die er getötet hatte. „Ihre Reaktion auf Blut lässt darauf schließen, das sie noch immer nicht bereit sind.“ „...Verdammt. Ich hätte nicht gedacht, das es so weit kommen würde.“ Der Anführer starrte auf die Leichen, seine Miene gefühllos. Als er erneut zu seinen Begleitern sah, verengte er die Augen. „Ihr zwei. Lasst dieses 'Kommander' Getue. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Szene hier niemand sonst mitbekommt.“ „Was?! Das kann nicht dein Ernst sein...“ Der Brünette stieß einen Seufzer aus. „Denkst du nicht, dass unsere Uniformen bereits genug Aufsehen erzielt hat?“ Er hatte recht... Selbst ich hatte von ihnen gehört. Gerüchte über eine Bande von grausamen Männern in blauen Haori, die Leute unmittelbar in der Öffentlichkeit angreifen. Aber- „Nein. Ignoriere es...“ flüsterte ich tonlos zu mir selbst. Es sollte wie ein Befehl klingen, doch war es viel mehr eine Bitte. Meine Gedanken wurden voll gepumpt mit den verschiedensten Vorstellungen, was mit mir passieren würde. Doch vielleicht sollte ich einfach umdenken. Einfach so tun, als wäre es normal, sich mitten in der Nacht ganz normal zu unterhalten, in der Gesellschaft von Leichen, blutüberströmt... „Was sollen wir mit den Leichen tun?“ Kurz überlegte Hijikata. „Nimm ihre Haori. Yamazaki soll sich um den Rest kümmern.“ „Wie du es wünschst.“ „Weitere Männer auf offener Straße nieder geschlagen, huh? Wir machen einen guten Job.“ Der Brünette begann zu lachen. „So lange wir unsere Münder geschlossen halten, denke ich nicht, dass irgendjemand sie mit uns verbindet.“ Der Schwarzhaarige sah direkt zu mir, als er sprach und ich wusste, er meinte damit nicht seine Kameraden. Dass Leute in Kyoto ermordet wurden, nahm in letzter Zeit zu, sodass es beinah üblich war. Immerhin hieß es nicht umsonst, dass diese Stadt gefährlich war. Ich wusste das natürlich, aber es mit eigenen Augen zu sehen? Das war was ganz anderes. Wenn der Tod etwas so Alltägliches in Kyoto war, dann war die Stadt selbst genauso wahnsinnig. „Ach ja... Wir haben dich gerettet, oder? Wie wäre es mit einem 'Danke'?“ „Eh?“ Ich hatte zunächst nicht mitbekommen, dass der Spaßvogel unter ihnen mich meinte. Ich verengte die Augen, als ich es tat. „Gerettet? Was meinst du?“ Naja, gerettet konnte man es nicht nennen. Sicher, er hatte die Verfolger meiner Verfolger getötet, aber-... Gut, er hatte mich gerettet. Ich stand auf, gab ein genervtes Seufzen von mir und verbeugte mich, nachdem ich den Dreck von meinen Klamotten geklopft hatte. „Danke für's Retten...“ brummte ich nur lustlos. Ich ließ meinen Blick über diese Männer schweifen. Saitou schien leicht verwirrt zu sein. Hijikata sah aus, als hätte er auf etwas Saures gebissen. … ... „Was? Ich soll mich bedanken oder nicht?“ Ich sah, wie beide ihre Augen rollten. Der dritte Mann schüttelte sich vor Lachen. „...“ Er nervte mich ganz gewaltig. „Ha! Oh man... Nun, verzeih. Ich hab es gesagt, nicht?“ Schon wieder brach er in lautes Gelächter, so sehr, dass er sich eine Träne wegwischen musste. Was war sein Problem?! „Nun, gern geschehen. Ich bin Souji Okita. Schön zu sehen, dass ein Kind so 'höflich' sein kann.“ Seinen Sarkasmus hätte er sich sparen können. Kurz sah ich zur Seite. Das wurde mir zu blöd. Ich würde am liebsten gehen, aber wie mir gesagt wurde, wäre ich ein toter Mann. „Was zu Hölle tust du, Okita?“ keifte der Vorgesetzte sofort. „Kommandant, ich verstehe dein Anliegen, aber wir müssen verschwinden.“ drängte der Stille. Hijikata nickte. Der Typ, der sich Okita nannte, packte mein Handgelenk, grinste mich an und zog mich hinter sich die Straße runter. Sein Griff war mehr als sanft, seine Finger hatten sich wie stählerne Seile um meinen Arm gebunden. An meiner Situation konnte ich nichts ändern. Lief ich weg, töteten sie mich. Schnell, aber sie würden es. Selbst wenn ich tat, was sie sagten, mein Leben lag in den Hände dieser merkwürdigen Männer. Kurz traf mein Blick den von Saitou, als er von den blutgetränkten Haori aufsah. „Am besten du bereitest dich auf das Schlimmste vor. Ich bezweifle, dass es ein gutes Ende für dich nimmt.“ Seine Worte rammten sich wie ein Messer in meinen Magen. Na super. Entweder laufe ich weg und sterbe oder ich gehe mit und sterbe. Was für eine tolle Wahl. Während wir durch die Nacht schritten, kroch in mir das Entsetzen den Rücken entlang. Es war nicht wegen meines bevorstehenden Todes, der auf mich wartete. Es war etwas anderes. Ich hatte mit jenen Männern gesprochen, sie reinlegen wollen; ihnen eine Lektion erteilen wollen. Nun hatte ich zusehen müssen, wie sie abgeschlachtet wurden, ihre Leichen übersät mit Wunden, durchtränkt in Blut. Diese Grausamkeit hatte sich dermaßen in meinen Kopf eingebrannt, dass ich die Bilder nicht vergessen konnte. Das war auch der Grund meines Entsetzen, meiner Angst. Angst vor dem Wahnsinn, was in den Schatten Kyotos lauerte. Kapitel 2: Kapitel 1.1 - Die Shinsengumi ---------------------------------------- Chapter 1 Januar 1864 „...Hmm...?“ War es schon Morgen? Was war passiert? Ich rieb mir die Augen, ehe es mir wieder einfiel. Mit einem Schlag kamen jegliche Erinnerungen an gestern Nacht zurück. Wenn es nur mein Zimmer wäre, in welches ich mich befand. Ich bewegte meine Arme. Sie hatten mich gefesselt, so fest, das ich mich nicht selbst davon befreien konnte. Sie mussten natürlich sicher gehen, das ich mich nicht hinaus schlich oder ähnliches. Auch wenn dieser Tag anstrengend sein würde – besonders für meine Nerven – wünschte ich mir im Moment nichts Sehnlicher als Zuhause in meinem warmen Futon zu liegen, ungefesselt. Als wenn das alles nur ein blöder Alptraum gewesen wäre... Aber es war dem nicht so. Ich hatte diese Männer getroffen und sie hatten mich mit genommen: In das Hauptquartier der Shinsengumi. Was würde nur mit mir passieren? Ich seufzte und lag da, auf mein Schicksal wartend, als einen kurzen Moment später die Tür aufgeschoben wurde und ein nett aussehender älterer Herr herein kam. „Wie ich sehe, bist du aufgewacht.“ Mit einem leichten Lächeln stellte er sich mir als Inoue Genzaborō vor. „Verzeih, das wir dich so behandeln müssen... Warte einen Moment, ich löse die Fesseln.“ Sein Lächeln wurde breiter, als er schnell und geschickt die Seile entknotete. Meine Hände blieben jedoch verbunden. „...Danke.“ Ich nickte zur Anerkennung. Er lachte kurz auf. „Wenn du mir bitte folgen würdest...“ Er schien meine Verwirrung bemerkt zu haben, denn er sprach weiter: „Sie diskutieren schon seit heute Morgen darüber, was sie mit dir machen sollen. Sie haben sich entschieden, von dir zu hören, was du gesehen hast.“ „...Gut.“ Ich nickte und stand auf. Es war das Beste, wenn ich tat, was sie von mir wollten. Vorerst. Mein Leben hing davon ab und so schnell wollte ich nicht abtreten. Inoue war zwar nett und höflich, weshalb ich auch keine Hintergedanken hatte, ihn irgendwie zu überwältigen, dennoch gehörte er zu der Shinsengumi. Er schien meine Gedanken erraten zu haben und wandte sich zu mir. „Du musst dir keine Sorgen machen. Ich weiß sie wirken recht unheimlich, aber sie sind alle sehr nett.“ Was sollte ich dazu sagen? Was erwartete er von mir? Mir war egal ob sie nett waren oder nicht. Mich würden sie ganz sicher nicht mit Samthandschuhen anfassen, wenn ich erst einmal vor ihnen saß. Selbst Zuhause hörte ich Gerüchte über die brutale Shinsengumi. Es waren keine angenehmen Gerüchte und das ich nun bei ihnen war, machte es nicht einfacher. Es war schwer sich vorzustellen, dass so eine Organisation... nett war. „...“ Inoue brachte mich in einem riesigen Raum, öffnete für mich die Tür. Kaum betrat ich diesen, sah ich mich umzingelt von den Kapitänen der Shinsengumi. Ihre Augen gruben sich in mich, wie kleine Messer, die sich durch mein Fleisch bohrten. Jegliche Gesprächsthemen wurden abrupt unterbrochen. Ich hielt inne und schluckte. „Guten Morgen! Ich hoffe du hast gut geschlafen?“ Ich erinnerte mich an ihn. Okita. Vielleicht war es weil ich umgeben war von merkwürdigen Gestalten, aber es war irgendwie tröstlich, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Auch wenn mich dieser Anblick erneut nervte. Besonders weil er – trotz seines schmierigen Grinsen – dazu bereit war, mich noch immer umbringen zu wollen. Diesen Gedanken schien er nicht abgelegt zu haben. „Nun... Es war nicht sehr... gemütlich.“ brummte ich und hoffte, er merkte, das ich ihn geradezu mit meiner Undankbarkeit erschlagen wollte. „Wirklich?“ Sein Grinsen wurde breiter. „Als ich nach dir geschaut hatte, hast du nicht reagiert, als ich dich geschüttelt hatte.“ ...Bitte was? Es amüsierte ihn wohl, als meine Züge entgleisten. Der Kerl war in meinem Zimmer? Saitou hingegen rollte mit den Augen. „Er verarscht dich nur. Er war nicht mal annähernd in der Nähe deines Zimmers.“ Mit erhobener Augenbraue sah ich zu Okita. Dieser grinste noch immer, sah aber zu seinem Kollegen. „Aah, ich wollte nur sehen, wie er reagiert. Gar nicht nett mich zu verraten, Hajime.“ ... „Ich denke nicht, das Saitou-san etwas Falsches gemacht hat, im Gegensatz zu dir.“ Ich stieß nur einen leicht arroganten Seufzer aus, ehe eine mir bekannte Stimme ertönte. „Ruhe! Ihr klingt wie eine Horde Kleinkinder.“ Hijikata duldete keine weiteren Kommentare. Okita zuckte verstummend mit den Schultern, doch sein Lächeln blieb. „Also Hijikata-san... Das ist dein Zeuge?“ Der Mann der gesprochen hatte... Nun er war eher ein Junge, als ein Mann. Ich hatte gedacht die Kapitäne der Shinsengumi wären älter – zumindest Erwachsen – aber... Sie schienen alle recht jung zu sein. … So gesagt eine Gruppe von Möchtegern Schlägern. „Der ist ja recht mager, huh? Ein Kind ist das.“ Das war Toudou. Auf dem Weg hierhin hatte mir Inoue eine kleine Beschreibung zu den Leuten gegeben, die ich treffen würde. Toudou war der Jüngste von ihnen, der jüngste Kapitän der Shinsengumi. „Du nennst ihn Kind, Heisuke? Mutig.“ Der Mann, der sprach, schmunzelte – hatte dunkles kurzes Haar. So wie er mich ansah, schien es, als wüsste er nicht, was ich – ein Kind – hier verloren hätte. „Jap, recht hat er. Ich wette, jeder der euch zwei zusammen sehen würde, denkt, ihr seid kleine dürre Bälger, die sich hierher verirrt haben.“ Der andere Mann, quer neben ihm, nickte mit zusammen gezogenen Brauen. Ich erinnerte mich, dass Inoue mich vor ihnen gewarnt hatte. Sie waren recht... unreif für ihr Alter, aber dennoch sehr nett. Der mit dem kurzen Haar war Shinpachi Nagakura, der andere mit dem längeren Haar war Sanosuke Harada. „Schnauze, ihr mürrischen alten Bastarde!“ fauchte der Kleinere. Ich sah in ihm irgendwie einen Welpen, der sich vor zwei größeren Köter zu Verteidigen versuchte. Leicht musste ich grinsen. „Den Teufel werde ich, Jung! Du denkst du kannst so mit uns reden?!“ Er wurde an den Haaren gezogen. „Nun, ich bin nicht so reif und 'alt' genannt zu werden. Shinpachi vielleicht, aber... ich nicht.“ „Du Arsch... Ich dachte wir wären Freunde!!“ „Ha ha ha ha! Komm schon, Shin! Würde sich ein reifer Erwachsener so aufregen wie du?“ Ihr kleines Katz-und-Maus-Spiel schien hier Routine zu sein, dennoch behielten sie ihre Blicke in meiner Richtung. Ich spürte etwas anderes als bloße Neugier – vielleicht das Gefühl von Feindseligkeit oder Missgunst... Trotz ihrer lebhaften Diskussion hatten sie meine Anwesenheit nicht vergessen. Auch wenn ich jemand war, von dem man sagte, mir wäre alles gleichgültig, waren ihre Blicke erdrückend. Leicht angeschlagen schaute ich auf den Boden. Wie gerne würde ich in meinem Bett liegen und den Tag genießen... „Ich entschuldige mich für das unmögliche Verhalten mancher Männer hier. Lass dich nicht von ihnen stören.“ sagte ein Mann mit Brille an mich gewandt. Seine Stimme war ruhig und warm, es war fast beruhigend für mich, sodass ich mich ein wenig lockerte. „Sicher? Dabei bist du der unheimlichste von uns allen, Sanan-san.“ Es war eine leicht angehauchte Spur von einem Schmunzeln auf Hijikatas Lippen. Als er gesprochen hatte, nickten die Männer in feierlicher Zustimmung. Es war schwer vorstellbar, dass dieser Mann der Unheimlichste von allen sein soll... „Oh? Wie gemein. Ich kann ihre Gefühle verstehen...“ Er sah zu dem Trio in der Ecke. Aber das unser Dämonenkommandant so denkt...“ Der Mann, den sie Sanan nannten, lächelte und lehnte sich zurück, nachdem er gekontert hatte. Der sogenannte 'Dämonenkommandant' sagte nichts, aber dieses leichte Lächeln verließ sein Gesicht nicht. „Du kannst dich glücklich schätzen, das du so einen guten Freund hast, Toshi.“ ...Hijikata und Sanan hatten irgendwie kühl mit einander gesprochen, weswegen ich dies nicht direkt als 'freundlich' betrachten würde, so wie der Mann gesprochen hatte. „Oh, verzeih. Ich habe mich nicht vorgestellt. Ich bin Isami Kondou, der Leiter der Shinsengumi.“ Der wichtigste Mann also. „Toshi dort ist der Kommandant und Sanan ist unser Oberst.“ „Ah... Kondou? Wieso erzählst du ihm das?“ mischte sich Hijikata ein, bevor der Andere den Rest vorstellen wollte. „Uh... wieso, meinst du, ist es eine schlechte Idee?“ Der Leiter schien nicht direkt derselben Meinung über mich zu sein, wie es der Rest tat. Ich verfolgte die Konversation noch ein wenig. Ich hatte ja keine andere Wahl. „Bevor das Kind all unsere Geheimnisse kennt und ausplaudert, solltest du vielleicht den Mund halten.“ brummte Nagakura und verschränkte die Arme. „Genau! Wieso sich damit belasten? Wir schulden dem Kind nichts.“ Harada linste zu Kondou und brach in Gelächter aus. „Schon, aber es ist nicht so, das es uns schaden würde, wenn wir es ihm erzählen...“ Kondou wirkte ein wenig enttäuscht, ehe Hijikata das Wort erhoben hatte, um etwas gegen Haradas Kommentar auszusetzen. Ich kannte Kondou jetzt seit einigen Minuten und konnte mir schon erahnen, das dieser von seinen Männern sehr gemocht wurde. Er hatte irgendetwas an sich, sein Charisma zog einen mit. Er war ein Mann, den man unmöglich hassen konnte. „...Nun, zurück zum Wesentlichen. Kannst du uns kurz schildern, was gestern Nacht geschah?“ Kondous Blick wanderte zu Saitou, der ein kurzes Nicken von sich gab. „Letzte Nacht waren wir auf Patrouille, als wir einige Rōnin entdeckten. Sie hatten ihre Waffen gezückt, also bekämpften wir sie. Einige unsere Männer erwischen sie, gleichzeitig nahm das Chaos seinen Lauf.“ Er sah zu mir. Ich schluckte. Sie erwarteten wohl, das ich etwas dazu sagte: „Ich hab nichts gesehen.“ Erfolgreich, meine Stimme recht lässig ertönen zu lassen, schien Hijikata sich nochmals meine Antwort durch den Kopf gehen zu lassen. Saitou sagte gar nichts und das dämliche Grinsen Okitas blieb bestehen. „Huh? Bist du sicher, dass du nichts gesehen hast?“ fragte mich Toudou leicht verwirrt. „Ja, ich hab nichts gesehen.“ Wenn ich es mehrere Male sagte, würde man mir früher oder später glauben, so erhoffte ich mir das. „Wirklich... Wenn das wahr ist, sehe ich nicht, was das Problem ist.“ „Warte... Ich dachte Souji hat dir geholfen, bezüglich des Zusammentreffens mit einigen unseren Männern.“ warf Shinpachi ein. Ich hob eine Augenbraue und sah zu Okita, aber sein Lächeln war nicht verschwunden. Was immer er auch dachte, es war ein Mysterium für mich. „Eigentlich...“ Ich seufzte kurz. „Ich wurde von Rōnin verfolgt. Dann haben einige Leute aus der Shinsengumi sich um sie gekümmert.“ Ich zuckte mit der Schulter. Es klang plausibel. „Das heißt also, du hast sie gesehen, wie sie die Rōnin abgeschlachtet hatten.“ Das konnte ich nicht abschreiten. Dennoch wusste ich, sollte ich die Klappe halten, wussten sie wiederum, dass ich gelogen hatte. Harada kratzte sich am Kopf. „In anderen Worten, du hast alles gesehen. Die ganze grausame Prozedur.“ „Nun...“ Ich überlegte was ich sagen sollte. „Du hast ein gutes Herz... Das ist nicht gerade schlecht, aber...“ Was fasste ich aus Haradas Worten? Meine Anwesenheit hatte nichts Gutes für die Shinsengumi zu bedeuten. Würden sie als nächstes sagen, sie hätten keine Wahl als mich umzubringen? Nur weil ich zur falschen Zeit am falschen Ort war? „Ich... sage es schon niemanden.“ brummte ich. Ich musste es weiter versuchen. „Nun... dieser Angriff war mehr ein Zufall... Ich denke nicht, dass du zu den Feinden gehörst, dennoch selbst wenn du es niemanden erzählst, du könntest gefangen genommen und verhört werden. Ich bezweifle, dass du jegliche Art von Folter widerstehen könntest.“ Meine Augen wurden schmal, Sanans Stimme war zwar sanft, aber seine Worte waren eiskalt. „Es ist zwar einfach, vorerst Stillschweigen zu bewahren, aber sollte jemand versuchen, dich... zu zwingen, hast du keinen Grund, unser Geheimnis weiterhin geheim zu halten.“ sprach Saitou und hatte die Augen geschlossen. Souji hingehen starrte weiterhin auf mich. „Wir haben keine Garantie dafür, dass du auch wirklich den Mund hältst. Es wäre falsch, dich gehen zu lassen.“ Er sah in die Runde. „Töten wir dieses Kind. Wenn ihr wollt, dass er schweigt, ist das der sicherste Weg.“ Die Wut kochte in mir. Der Typ machte mich krank. Was war überhaupt dabei, das es in ihren Reihen Männer gab, die das Töten liebten? Es gab immer schwarze Schafe, egal ob in der Familie oder in solch einer Gruppierung. Bevor ich dies in Worten fassen konnte, hatte Kondou schon einen strengen Blick auf Okita gerichtet. „Sei nicht so kaltherzig, Souji. Was bringt uns das, wenn wir einen Zivilisten töten?“ Und endlich, Okitas Grinsen verschwand aus seinem Gesicht und seufzend blickte er auf den Boden. „Ah, ich hab nur gescherzt, sieh mich nicht so an.“ Gescherzt... Innerlich empfand ich Schadenfreude für diesen Kerl. Zumindest würde er vielleicht für eine Weile still sein und nicht grinsen. „Vielleicht hätte es so klingen sollen...“ Auf Saitous Kommentar schnaubte Okita nur, schaute auf die Wand vor sich und verbarg somit sein rot anlaufendes Gesicht. „Aber sollte es nicht etwas geben, was wir tun können? Wir reden schließlich von einem Kind...“ Inoue schenkte mir einen besorgten Blick. Kurz hatte ich ihn angesehen – ihn zeigen wollen, das ich dankbar für seine Fürsorge war – ehe ich zu Sanan sah, der als nächstes sprach: „Ich will ihn auch nicht töten, aber wir können uns nicht darauf verlassen, dass er eventuell Informationen über uns raus bringt.“ Kurz pausierte er. „Informationen über was? Das einige eurer Männer ausgetickt sind? Wenn man mich fragen würde, finde ich das zwar nicht ganz so normal, aber es gibt eben Menschen, die so manche Vorlieben haben!“ warf ich endlich in den Raum. Es wurde geschwiegen. Damit sollte ich klar gemacht haben, das ich mir dabei nichts ungewöhnliches dachte, so wie sie klangen. Mehr als das, was ich gesehen hatte, konnte ich mir ja nicht denken. Wer wusste schon was dahinter steckte. Die Kerle sahen mich an und schienen sich ihre Teile zu denken, ehe Sanan sich an Hijikata wandte, die Augenbrauen krausend. „Ich möchte die Meinung unseres Kommandanten hören.“ sagte er als hätte ich gar nichts gesagt. Dieser hatte keine Wahl im Bezug auf seiner Position. Er musterte mich, seufzte und blickte durch den Raum. „Letzte Nacht töteten wir einige Männer, die gegen den Kodex verstoßen haben. Das Kind war zur falschen Zeit am falschen Ort.“ Ein kleines erleichtertes Gefühl wuchs in mir. „Und ich vermute, das ist alles, was du dazu sagst?“ fragte Sanan nach, ehe Shinpachi sich meldete. „Trotz allem ist es ernst! Wir müssen uns ernsthafte Gedanken darüber machen, dies unter Verschluss zu halten, egal wie er denkt! Wenn die Gerüchte umgehen, dass einige Krieger der Shinsengumi verrückt nach Morden sind, würde es Probleme geben.“ Seine Worte machten Sinn. Egal wie ich es sah, für sie war es eine ernste Angelegenheit. Ich schien auf etwas gestoßen zu sein, was ich selbst zwar nicht als schwerwiegend betrachtete – auch wenn mir jene Erinnerungen Angst machten – aber für sie war es eine große Sache. Hijikata sah ihn grimmig an. „Ich denke Souji läge nicht falsch mit seiner Idee, aber ich tue was Hijikata-san und Kondou-san von mir verlangen.“ gab Harada von sich. „Ich denke wir sollten ihn laufen lassen.“ Toudou wirkte beunruhigt. „Es ist ja nicht so, als wüsste er den Grund, warum sie so ausgetickt sind.“ Wie recht er hatte. Ich wusste den Grund tatsächlich nicht. Doch wenn ich mehr darüber nachdachte, fragte ich mich, was das für ein Grund sein sollte. Männer die scharf aufs Morden war... Es klang plausibel, denn Kyoto war gefährlich und Rōnin waren eben Männer, die wahllos Leute töteten, wenn es sein musste. Oder war es genau das Problem, das jene Männer von der Shinsengumi waren? Fragen über Fragen. Hijikata bemerkte meine Überlegung, denn er sah wütend zu Toudou. „Schweig, Heisuke.“ Kaum waren diese Worte ausgesprochen, schlug sich der Kleine beide Hände auf den Mund. „Oje, nun mit dem was du gehört hast, sollte es uns noch schwerer fallen, dich gehen zu lassen.“ meinte Okita, der zwar nicht grinste, aber mich intensiv musterte. Leicht funkelte ich von ihm zu Toudou. Nur weil der sich verplappert hatte und ich das zufällig mitgehört hatte, waren meine Chancen – hier raus zu kommen und das heil – abgeschwächt? „Ein Mann sollte stets bereit sein, zu sterben. Du solltest dir darüber im Klaren sein.“ Nagakuras Worte rissen mich aus den Gedanken und ließen mich genervt aufstöhne. Musste er davon jetzt reden? Das war mir schon bewusst, aber jetzt zu sterben, daran dachte ich nicht. „Das ist wahr. Ein ehrenvoller Tod ist immer eine Option. Als ich jung war, hab ich ständig ehrenvolle Selbstmorde begangen.“ „Obwohl es nicht so ganz geklappt hat, was Sano?“ Nagakura und Harada begannen zu lachen. Nur waren ihre Witze... nun ja, nicht witzig. Zumindest nicht für mich. Kurz verstummten sie, als sie meinen entnervten Blick sahen. Ob ich mich damit unbeliebt machte? Egal. Saitou tat sein Bestes, sie zu ignorieren. „Hijikata-san... Da wir zu keinem Entschluss kommen, wäre es nicht besser, das ich ihn zurück in sein Zimmer bringe? Bevor wir ihn wirklich töten müssen, nur weil bestimmte Leute ihre Klappe nicht halten können.“ Er deutete auf mich, während er sprach. Da hatte er recht. Am Ende brachte mich einer von ihnen in den Tod. „Stimmt. Kannst du dich darum kümmern?“ fragte Hijikata, mich kurz musternd. Der Stille nickte. „Ich stimme zu. Hier sind zu viele unvorsichtige Männer anwesend.“ meinte Sanan und blickte in die Richtung dreier Leute. „Komm schon, Sanan-san... Was siehst du mich an?“ „Ist das nicht offensichtlich? Wir waren alle ein wenig unvorsichtig, insbesondere du, Heisuke.“ brummte Harada, worauf Nagakura nur nickte, der sich von Sanans Blick ein wenig eingeschüchtert fühlte. Der Genannte schreckte auf. „H-Hey! Es war ein kleiner Fehler, okay?“ Alle Blicke fielen auf ihn. Kurz schaute er in die Runde, dann sah er zu mir, den Kopf senkend und murmelnd: „T-Tut mir Leid.“ Ich seufzte. Vielleicht wäre ich seinetwegen um ein Haar in den Tod gelaufen, doch irgendwie konnte ich ihn nicht dafür... hassen. Er sah mich an, seine Worte ernst meinend. Ich nickte nur. „Gehen wir?“ fragte Saitou. Erneut nickte ich. Was sollte ich schon großartig machen? Viel ließen sie mich nicht tun. Und vielleicht würde ich auch in Zukunft nichts tun können, wenn ich noch heute sterben würde. Kapitel 3: Kapitel 1.2 - Eine kleine Spur ----------------------------------------- Nachdem man mich wieder zurück in mein Zimmer verfrachtet hatte, saß ich dort für eine Weile. Die Zeit nutzte ich, um einen Weg zu finden, meine Fesseln zu lösen. Ich konnte nicht hier rum sitzen und auf meinen Tod warten. Durch Gerüchte hörte ich, das die Shinsengumi von grausamen und bösen Männern besetzt wurde, aber sie wirkten menschlicher als behauptet. Natürlich war mir klar gewesen, das sie momentan darüber diskutierten, mich zu töten oder nicht. Und natürlich wollte ich mir einreden, das sie es nicht taten, andererseits konnte es sein, das sie keine Wahl hätten. Selbst wenn ich an meiner Waffe kommen und sie gegen sie erheben würde, um mein Leben zu verteidigen, bezweifelte ich, das ich gegen mehr als drei gut ausgebildete Männer im Schwertkampf ankommen würde. Es wäre mein sicherer Tod. Es sei denn... Nein. Den 'anderen Weg' durfte ich nicht einschlagen. Ich schüttelte den Kopf. Wieso fiel mir gerade diese Methode ein, wo ich diese bis jetzt zu verdrängen versucht hatte? Nein, ich musste das auf 'menschlicher' Weise lösen. Und ich durfte auf keinen Fall auffallen! „Wie soll ich die denn überzeugen, mich gehen zu lassen?“ fragte ich mich leise und seufzte. Sie hatten schließlich einen Ruf zu verlieren, wenn sie es riskierten, mich gehen zu lassen. Und sollte mich wirklich jemand gefangen nehmen... Wer wusste, was für Feinde sie hatten. Kurz hielt ich inne, als mir einfiel, weshalb ich hier in Kyoto war. Vielleicht sollte ich ihnen davon erzählen, das ich auf der Suche war. Das sollte ich. Ich nickte mir selbst zu, vielleicht verstünden sie dann meine Situation. „Sie scheinen auch noch zu denken, das ich von hier stamme...“ brummte ich nur und sah zur Tür. Schließlich war ich das erste Mal hier, vielleicht drückten sie dann ein Auge zu. Ich holte tief Luft und brüllte so laut ich konnte: „HEY! JEMAND DA?!“ … Stille... Dann wurde die Tür aufgeschoben und einige Köpfe wurden ins Zimmer gesteckt. „Du hast Mumm, das muss ich dir geben. Wir sperren dich ein und suchen nach einer Entscheidung für dich, was dich aber nicht daran hindert, hier herum zu brüllen.“ lachte Nagakura und verschränkte die Arme. Er schien beeindruckt zu sein., aber so laut war ich nun auch nicht gewesen. Es war überhaupt ein Wunder, das ich solch ein Organ besaß. „Gut, du hast nach uns gerufen. Hier sind wir. Hast du dir Gedanken über deinen Tod gemacht?“ Seufzend verengte ich nur eine Auge und drehte ein wenig den Kopf. „Ich wäre bereit, euch zu erzählen, was mich hier her verschlagen hat.“ „Das würde dich zwar nicht aus deiner Lage befreien, nebenbei erwähnt, aber wir hören. Also?“ Saitous kühle Worte ließen mich kalt. „Ich beneide dich zwar nicht um dein Glück, aber du sollst in Frieden ruhen.“ begann Harada, der scheinbar meine Worte ignoriert hatte und so wirkte, als stünde ich vor ihnen, mit meinem Katana an meiner Kehle, bereit diese durch zu schneiden. Toudou nickte nur. „Ein Mann sollte sein Schicksal akzeptieren.“ … Langsam war ich mehr angepisst als vorher. Ich schnaubte nur und sah den Jüngsten von ihnen böse an. „H-Hey... Was... siehst du mich so an?“ Wie verwirrt er aussah. Irgendwie hatte ich einen Drang, etwas fieses zu tun. Da es leider meine Natur war, bewegte sich mein Mund schneller, bevor ich verhindern konnte, was ich aussprach: „Du sagtest, ein Mann sollte sein Schicksal akzeptieren. Denkst du nicht, das es im Allgemeinen falsch ist, jemanden zu töten ohne ihn vorher angehört zu haben?“ Seine Augen verengten sich, interessiert musterte er mich. „Du solltest aufpassen, was du von dir gibst. Du verstehst deine Lage wohl noch nicht, oder? Vielleicht solltest du dich mehr wie ein Kerl benehmen. Akzeptiere es einfach. Wir tun auch was wir tun müssen.“ „Wer sagt denn das ich ein 'Kerl' bin?“ fragte ich ernst. Natürlich war ich kein Kerl, sondern ein Junge. Ich war kein erwachsener Muskelprotz und wurde mit einem femininen Gesicht geboren, was anderen recht schwer fallen würde, mich als männlich anzusehen. Besonders wenn ich mich wie ein Mädchen kleiden würde; niemand würde darauf kommen, das ich ein Mann war. Während ich ihn anstarrte, beobachtete ich, wie sich seine Augenbrauen erst vor Überraschung hoben, sich nachdenklich zusammen zogen und anschließend trat er einen Schritt zurück. „Klar... Versuchst du mir zu sagen, das du ein Mädchen bist oder was?“ Ich antwortete nicht, sondern gab ein freches Grinsen von mir. Es herrschte Stille. Komplette Stille. Es war so still, man könnte die Mäuse niesen hören. Nagakura und Toudou starrten mich mit großen Augen an, als würden diese gleich rausfallen. Da war es vorbei. Ich prustete los und lachte laut über die beiden. Diese Grimassen waren zu herrlich. „Was... ist denn jetzt?“ wollte der Jüngere wissen und schien es noch immer nicht kapiert zu haben. Während ich Tränen lachte, seufzte Saitou nur. „Ihr seid auch so leicht rein zu legen...“ „Nun... Wenn man dich so betrachtet, könnte man echt meinen, du bist ein Mädchen.“ kommentierte Harada diese Sache, sich über seine Freunde amüsierend. „Woher soll ich denn das wissen?! Er kam eben recht glaubwürdig rüber!“ beschwerte sich Nagakura. Mein Lachen hatte mittlerweile aufgehört und ich holte tief Luft. „Herrlich... Bevor ihr andere verurteilt, solltet ihr zweimal hinsehen.“ sagte ich und in der nächsten Sekunde wurde ich wieder ernst. „Es gibt einen wichtigen Grund, weswegen ich hier in Kyoto bin. Und den will ich euch sagen.“ Saitou schien zwar von meiner Aktion nicht begeistert gewesen zu sein, aber ich konnte sowieso nicht aus seiner Mimik herauslesen, was er gerade dachte. „Nun gut. Dann hören wir uns zunächst mal deine Geschichte an.“ Wieder saß ich umringt von den Kapitänen der Shinsengumi. Mittlerweile schienen sich diejenigen, die mich missverstanden hatten, beruhigt zu haben. Teilweise zumindest. Harada musste dies natürlich berichten, weshalb Okita wieder sein Grinsen aufsetzte, nur diesmal nicht an mich gerichtet. Hijikata hingegen schien nicht viel von der Naivität seiner Männer zu halten. Ich konnte wenig für ihre Leichtgläubigkeit, da ich auf diese dämliche Frage nicht geantwortet hatte. Es tat aber gut, ihnen eins auszuwischen, da sie mich hier festhielten. Kondou rieb sich das Kinn. „Es wäre aber in der Tat glaubhaft, wenn du ein Mädchen gewesen wärst. Mir fiel dein hübsches Gesicht schon vorher auf.“ Er nickte sich selbst zu. „Das er sich dennoch einen Spaß erlaubt hat, uns zu verarschen.“ brummte Toudou kleinlaut, mich im Visier behaltend. Ich lächelte ihn nur freundlich an, worauf er wegsah. „Ich habe niemanden verarscht. Ihr hattet mein Schweigen nur anders gedeutet.“ Mit der Schulter zuckend wandte ich den Blick ab. Okita schaute nun zu mir. „Es könnte trotzdem böse auf dich zurückfallen.“ Sein Ausdruck verfinsterte sich, das Grinsen blieb. Das war mir so egal, dachte ich nur. Immerhin, besser als Mädchen abgestempelt zu werden, als ein toter Mann zu sein. „Also... Ich weiß ja nicht. Ich will einen Beweis, damit ich mich beruhigen kann!“ brummte Nagakura und starrte mich ratlos an. Harada kicherte und stieß seinem Freund mit dem Ellbogen in die Seite. „Beweis? Du denkst doch nicht ernsthaft darüber nach, ob er doch noch ein Mädchen ist? Soll ich ihn für dich ausziehen?“ Als er zu mir sah, verstummte er. „Ausziehen ja? Wenn du mit deinen dreckigen Flossen mich anfasst-“ „Nein! Das werdet ihr bestimmt nicht tun! Allein der Gedanke ist absurd!“ Mit hochrotem Kopf hatte Kondou mich verteidigt, sodass ich schwieg und ihm in Zustimmung zunickte. Auch wenn mich der Gedanke nicht los ließ, das auch er sich unschlüssig war, welches Geschlecht ich hatte. „Ich dachte, das wäre die einfachste Lösung dieses Problems.“ Harada lehnte sich zurück und seufzte. Nagakura tat es ihm gleich. „Nun... ob Mädchen oder nicht, was tun wir?“ „Was immer das Geschlecht sein mag, ihn zu töten ist im Allgemeinen falsch. Wir sind dazu berufen, die Öffentlichkeit zu beschützen. Wenn wir einen Zivilisten töten, würde es unseren Ruf schaden.“ erklärte Sanan, der sich nun zu Wort gemeldet hatte. „Ja, schon. Aber wenn 'er', 'sie'... was auch immer, eine Bedrohung für eben diesen Frieden darstellt, haben wir wohl keine andere Wahl.“ Okita mal wieder. Die Shinsengumi hatte momentan sowieso keinen guten Ruf. Immerhin verbreiteten sich immer mehr üble Gerüchte über sie in der ganzen Gegend. Wenn dann auch noch dazu kam, das einige Männer an Mordlust litten, würde das ganz und gar nicht für sie aussehen. Die ganze Stadt würde im Chaos versinken. Ich sah in ihren Gesichtern, das sie sich über die Konsequenzen bewusst waren, die folgen würden, wenn sie sich zu eilig entschieden. „Nun, bevor wir uns endgültig entscheiden, erzähl uns doch deine Geschichte.“ bat mich Kondou und nickte mir zu. Kurz ließ ich meine Augen durch den Raum schweifen, alles war still. „Mein Name ist Kaoru Yukimura.“ Ich erzählte ihnen alles; das ich in Edo lebte, wie ich herkam und nach meinem Vater suchte... „Oh, du bist auch aus Edo? Und du kamst den ganzen Weg hierher, um deinen Vater zu finden?“ Gefühle schienen in den Augen des Leiters auf zu kommen. Meine Geschichte war nicht so rührend wie sie wirklich war. „Was hatte dein Vater in Kyoto zu suchen?“ „Mein Vater ist Arzt. Er heißt Kodou Yukimura und er ist auf die westliche Medizin spezialisiert-“ Kaum war sein Name gefallen, änderte sich die Atmosphäre. Hijikatas finsteres Gesicht wurde noch grimmiger. „Ach so... Dann bist du als der Sohn des guten Doktors.“ Sanans Ausdruck änderte sich zu einem – wie sollte ich es beschreiben? Sein Ausdruck wirkte erheitert, die Augen sagten das Gegenteil. „Ihr kennt ihn also.“ Mein Vater war der Grund, weshalb sich die Stimmung drastisch änderte. Nur warum? Es war Saitou, der die Stille unterbrach. „Die Shinsengumi sucht momentan ebenfalls nach Dr. Kodou Yukimura.“ „Ihr seid hinter ihm her? Wieso? Hat er was getan?“ „Oh nein. Du missverstehst uns gerade.“ Okitas Grinsen war abgeschwächt. „Wir sind nicht, uh, hinter ihm her.“ „So?“ Die Anspannung im Raum wuchs, ebenso meine Neugier. „Er ist ein unterstützendes Mitglied des Shogunats, aber... nun, er verschwand vor Kurzem spurlos.“ „Es könnte sein, dass die Feinde des Shogun ihn als Bedrohung identifiziert haben müssen.“ Meine Augen wurden schmal, während der Stratege weiter sprach, meine Reaktion ignorierend. „Es könnte aber genauso eine Chance bestehen, das er überlebt hat. Denn Ärzte, spezialisierend in westlicher Medizin, sind selten und wertvoll.“ Meine Gedanken schweiften um meinen Vater herum. Wir hatten zwar nicht viel Zeit miteinander verbracht, aber es reichte schon, das ich mir große Sorgen machte. Ob er in Sicherheit war? „Aber mit deiner Hilfe sollten wir ihn ganz sicher finden können.“ Sanans Worte ließen mich aufsehen. Was meinte er 'mit meiner Hilfe'? Doch dann begann ich zu verstehen. Mein Vater schien nicht allzu oft hier gewesen zu sein. Für sie würde es schwer werden, jemanden zu suchen, den sie selten zu Gesicht bekamen. „Du bist sein Sohn. Du solltest dazu in der Lage sein, ihn überall zu erkennen, egal wie er sich verkleiden mag.“ „Ja.“ gab ich sicher zu. Mein ernster Ausdruck ließ ihn lächeln. „Nun, da er sein Sohn ist, können wir ihn auf keinen Fall töten.“ murmelte Hijikata hörbar. Seine Augen fügten noch 'Mehr Arbeit für mich' hinzu. Kurz darauf schaute er mich streng an. „Wenn du versprichst, das du die Sache letzte Nacht vergessen wirst, helfen wir dir auf der Suche nach Kodou. Deal?“ „Ich verspreche, dass die Shinsengumi alles tun wird, um dir zu helfen, Dr. Yukimura zu finden.“ versicherte Kondou. Dies war schon eine Überraschung. Ich dachte eigentlich, sie würden mich gehen lassen. Immerhin schien mein Vater wichtig für sie zu sein. Doch das mir noch ihre Hilfe anboten... „V-Vielen Dank...“ sagte ich nur perplex. Nun hatte ich eine kleine Spur, auch wenn sie mir nicht viel nützte, aber ich wusste zumindest, das mein Vater bis vor Kurzem hier war. „Du musst ja richtig erleichtert sein, dass wir dich nicht killen, huh? ...Nun, vorerst.“ Das Grinsen eines Wolfes, er konnte es nicht lassen. Meine Situation war nicht gerade die Beste, aber besser als nichts. „Total.“ gab ich ironisch von mir, den Brünetten quer vor mir ignorierend. Ich hatte Hilfe gefunden, von der Gruppe, von der ich es am Wenigsten erwartet hätte: Die Shinsengumi. Die Stadt Kyoto – die netten Bewohner mal ausgeschlossen – war nicht sehr nett zu mir gewesen, obwohl ich erst nur einen Tag hier war, aber langsam hatte ich das Gefühl, das Glück kam zurück. Ich hatte dennoch einen lange Weg vor mir und meine Gedanken waren von Sorgen geplagt, aber ich musste optimistisch bleiben. „Mir wäre es lieber, wenn du bei der Aizu wärst, als hier umringt von Männern...“ „Nett gemeint, aber ich bin immer noch ein Junge, ich kann auf mich selbst aufpassen.“ brummte ich. Kondou seufzte nur, ließ den Satz offen, die Arme überkreuzt. Ich hatte wohl keine andere Wahl, außer hier bei der Shinsengumi zu bleiben. Das war klar. „Solltest du etwas benötigen, zögere nicht uns zu fragen. Wir bemühen uns, es dir nicht allzu schwer zu machen.“ Sanan blickte zu mir, seine Mimik hatte sich nicht geändert, aber seine Worte waren warm. Ich lächelte nur. „Danke.“ Schien ich nun etwas Besonderes zu sein, nachdem sie meine Herkunft erfahren hatten? „Wirklich? Wieso sollten wir nett zu ihm sein?“ brummte Nagakura nur leicht gehässig. Da mochte mich wohl jemand nicht. Mein Lächeln wurde breiter, an ihn gewandt, worauf er kurz stutzte und sich räusperte. „... Es ist schwer, fies zu sein, zu so einem Gesicht.“ Das fasste ich als Kompliment auf. „Wie? Du kommst noch immer nicht darüber hinweg, das er dich verarscht hat?“ fragte Toudou leicht überrascht. „Naja, wenn wir ihn wie ein Mädchen kleiden, würde das Hauptquartier um einiges lebhafter sein.“ meinte Harada nur und musterte mich von Kopf bis Fuß. Ich schüttelte den Kopf. „Dann wäre es mir lieber, ihr behandelt mich ganz normal, wie ihr es mit jedem tut.“ „Aber... wir können dich doch nicht als einen Krieger betrachten.“ bemerkte Sanan. Ich erhob meinen Kopf. „Ich bin gut im Schwertkampf, was ist das Problem?“ „Vorerst wirst du dein Schwert nicht viel nutzen. Macht ihn zum Boten oder so. Kondou, du wolltest einen Assistenten? Was ist mit dir, Sanan?“ fragte Hijikata nur an die anderen gewandt. Er zweifelte also an meinen Techniken. Grummelnd machte ich mich wieder klein. „Oh, komm schon, Hijikata-san. Das war deine Idee, du kannst ihn doch jetzt nicht einfach auf jemand anderen schieben.“ lachte Okita nur, mit der Zustimmung des Leiters. „Sehr schön, Toshi. Ich vertraue dir den Kleinen an.“ Ein strahlendes Lächeln war auf Kondous Gesicht. Auch Sanan schien erheitert darüber zu sein. „Da hast du es, Hijikata-san. Kümmere dich gut um ihn.“ Irgendwie schien dies gerade eine Art zu sein, ihren Kommandanten zu ärgern. Dieser schnaubte nur. „...Ihr Arschlöcher.“ Während sie sich stritten, stieß ich einen tiefen langsamen Seufzer aus. Was passierte nun mit mir? Kapitel 4: Kapitel 1.3 - Einsamkeit ----------------------------------- Februar 1864 Ich schob die Tür auf und erzitterte, als der kalte Morgenwind in mein Gesicht wehte. Dunkle Massen von Wolken sammelten sich stillschweigend über der Stadt, ein starker Wind wies ihnen den Weg in die weite Ferne. „Kalt...“ gab ich murrend von mir und rieb mir die Arme. Eine Woche war vergangen, seit ich hier bei der Shinsengumi lebte. Sie gaben mir die Erlaubnis, mich im Hauptquartier frei zu bewegen, doch nach draußen durfte ich nicht. Man gab mir ein eigenes Zimmer und die meiste Zeit saß ich dort allein. Ich hatte nicht die beste Gesellschaft, aber immerhin war dies eine bessere Variante, als getötet zu werden. Ich beschwerte mich nicht. Denn sonst konnte ich es vergessen, das sie mir bei der Suche nach meinem Vater helfen würden. Doch die ganze Zeit herum sitzen, das konnte ich nicht. Aber ich hatte keine Wahl. Seufzend blickte ich auf mein Katana. Zumindest meine Waffe hatten sie mir zurückgegeben. Ich bekam es, als ich klein war. Damals konnte ich nichts damit anfangen, übte mit einem Bambusstock die Grundlagen, ehe ich zu ihm griff. Seit Generationen gehörte es der Yukimura Familie. Der Unterricht, es führen zu können, war eine großartige Erfahrung für mich. Auch wenn ich bisher niemanden getötet hatte – und niemanden töten wollte – ich wusste, irgendwann würde es passieren, das ich diese unbenutzte Klinge in den Rumpf von Jemanden rammen würde. Mir wurde beigebracht, das ich mein Leben verteidigen sollte. Das tat ich auch und bisher hatte niemand größere Schäden davon getragen. Nur wer kämpft, kann gewinnen oder verlieren. Doch wer wegläuft, verliert mehr als nur die Ehre. Langsam begann ich wieder an meine Vergangenheit zu denken. Und wieder war mir bewusst: Ich war nicht normal. Immer wenn ich mich verletzte, schlossen sich die Wunden rasch. Der kleinste Kratzer war nach einigen Minuten weg. Je größer ich wurde, desto mehr realisierte ich es. Als ich meinem Vater davon erzählt hatte, sagte er, es wäre ein Geschenk gewesen, nur sollte ich es niemanden erzählen. Ich tat es wie befohlen. Ich wollte nicht als Monster abgestempelt werden. Doch mit der Zeit begann ich zu ahnen, was mit mir los war. Und ich hatte recht damit. Menschlich war ich nicht. Aber ich war auch kein Monster. Monster töteten wahllos andere – ob unschuldig oder nicht – und ich war nicht so. Ich war zwar anders, aber ich hatte gelernt, wie ein Mensch zu leben. Ich erfuhr ebenfalls, dass mein Vater eigentlich nicht mein richtiger Vater war. Meine leiblichen Eltern setzten mich vor langer Zeit aus. Ich dachte immer, sie wollten mich nicht, weil sie wussten, das ich ein Monster war. Doch gleichzeitig fragte ich mich, ob sie nicht wie ich waren und vielleicht andere Gründe hatten, mich loszuwerden. Dies hatte ich meinem jetzigen Vater nie erzählt, was ich darüber dachte, aber ich sah in ihm eine Vaterfigur, auch wenn ich es mir stets bewusst machte, das er es nicht war. Er verbrachte sein Leben damit, mich groß zu ziehen, dafür war ich ihm dankbar. Auch wenn meine Wunden nie mit einer Narbe zurückblieben, sondern ganz verschwanden, hatte es mich nie abgeschreckt mit dem Schwert zu trainieren. Ich wurde darin gut, besser. Meine Gedanken stoppten, als ich einige Krieger sah, die meine Anwesenheit bemerkten, ihre Gesichter verzogen und auf dem Absatz Kehrt machten. Ich verengte die Augen und blickte arrogant zur Seite. Ich hörte, ein eigenes Zimmer für eine einzelne Person war ein Luxus, den nicht jeder bekam. Selbst die Kapitäne nicht. Dies schien die Soldaten verärgert zu haben, das ein Kind – aufgetaucht vom Nirgendwo – besser behandelt wurde als sie selbst. Kein Wunder das sie sich über mich ärgerten und mich mieden. Sicher konnte ich es ihnen nicht übel nehmen. Doch was konnte ich dafür, wenn man mich nicht mit jemanden in ein Zimmer steckte? Das war allein die Entscheidung der Vorgesetzten. Und doch war ich es, der sie beneidete: Ein oder zwei Mal hatte ich den Einheiten beim Training zugesehen. Gerne hätte ich dort mitgemacht, aber es kam oft dazu, das ich für meine medizinischen Kenntnisse eingesetzt wurde. Schließlich war ich der Sohn eines Arztes und mit mancher Medizin kannte ich mich aus. Und trotzdem: Ich konnte mich frei bewegen, doch sagte Hijikata zu mir, ich sollte mein Zimmer nur wenn nötig verlassen. Es war ein Widerspruch an sich, aber ich gehorchte. Ab und zu wurde ich auf Botengänge losgeschickt, wenn sich einige zu fein waren, das kleine Stückchen durch die Zimmer zu gehen. Aber zumindest konnte ich etwas tun. Für so manche Kapitäne wurde ich dazu genötigt, Tee zu kochen. Als wäre ich ihr Hausmädchen. „Sie beobachten mich ja nur...“ Sollten sie nur. Immerhin hatte ich mich damit abgefunden, Dinge – die mich nichts angingen – zu ignorieren. Ein Fehler meinerseits und sie bekamen Schwierigkeiten. Vielleicht war es das Beste, mich von den Soldaten fernzuhalten. Auch wenn ich es verabscheute, allein zu sein, ich hielt mich an der Abmachung und wich jeder Konversation aus. Es kam selten vor, aber wenn mich einige Krieger ansprachen, gab ich nur wenige Antworten und verschwand auf mein Zimmer. Mittlerweile sprach niemand mehr mit mir, ich vermutete, der Großteil sah in mir sowieso ein arrogantes ignorantes Balg. Ich war eben ein guter Schauspieler. Gelangweilt zeichnete ich kleine Kreise, Punkte, Strichmännchen auf ein Blatt Papier. Sollte ich mich mit jemanden anfreunden, wenn ich schon hier eine Weile sein würde? Keine gute Idee. Ich würde sie sicher nur von der Arbeit abhalten. Der Pinsel stoppte, fiel auf das Blatt und hinterließ eine hässliche Spur Tinte. Irgendwie fühlte ich mich... mies. Eigentlich sollte ich durch die Stadt laufen und nach meinem Vater suchen. Aber stattdessen hielt man mich hier fest. Vielleicht sollte ich Hijikata um Erlaubnis – Halt, stimmt ja. Er war nach Osaka aufgebrochen vor einigen Tagen. … Vielleicht sollte ich diese Gelegenheit nutzen, während er weg war. Eventuell sollte ich mich einfach umsehen. Wenn ich hier schon fest saß, konnte ich genauso gut das Quartier genauer beobachten. Die Zeit hatte ich mir bisher nie genommen. Es gab einige Wege, die kannte ich in und auswendig, andererseits existierten mir nicht bekannte Wege. Ich schloss die Tür hinter mir und ging los. „Keiner da.“ kommentierte ich leise. Ich sah mich um. Die Gänge waren völlig leer. Vielleicht war es gut so, das niemand hier war. Entschlossen ging ich in eine Richtung. Wenn ich schon die Erlaubnis hatte, überhaupt hier herum zu laufen, warum nicht auch nutzen? Auf der anderen Seite mochte es eine schlechte Idee sein. Vielleicht gab es Dinge, die ich nicht entdecken sollte. Ich stieß auf eines ihrer Geheimnisse, als ich das erste Mal hier in Kyoto ankam. Auch wenn ich neugierig war, den Tod hervor eilen wollte ich nicht. Zudem hatte ich versprochen, jene Nacht zu vergessen – auch wenn es leichter gesagt als getan war. Kurz stehen geblieben wandte ich mich um, darüber einig, wieder in mein Zimmer zu gehen, als ich Stimmen hörte... Ich folgte dem Gang und blickte langsam um die Ecke. Am Tor standen – nicht ganz so gut sichtbar, wahrscheinlich beabsichtigt – Nagakura und Harada. Das ich ihre Stimmen von weiter weg gut hören konnte, war auch das von Vater erwähnte 'Geschenk', was mich von den normalen Menschen unterschied. Meine Sinne waren besser als durchschnittlich. „Hey.“ gab ich von mir, die zwei mit Absicht erschreckend. Nur verkniff ich mir das Grinsen. „Was?!“ Nagakura sah mich entsetzt an. Ich musterte sie kurz, sie schienen etwas zu verheimlichen. „Wohin des Weges? Dürfte ich mit?“ fragte ich direkt. Vielleicht konnte ich so die Gelegenheit nutzen, nach meinem Vater zu suchen, wenn ich unter Aufsicht war. Harada seufzte und hob eine Augenbraue. „Nun... mir ist das relativ egal, aber... du wirst dich sicher nicht amüsieren...“ „H-Hey! Nicht, du Idiot, wir können ihn doch nicht mitnehmen! Zudem hast nicht du die Entscheidung zu treffen!“ Der Größere schien nicht begeistert vom Vorschlag seines Freundes zu sein. Da war ganz sicher etwas. Dieser sah mich verwundert an. „Huh? Stimmt ja. Wir dürfen dich nicht rauslassen. Sie lassen dich nicht mal ohne Begleitung aus deinem Zimmer oder?“ „Wer sagt das?“ brummte ich und sah ihn verwirrt an. Begleitung? Seit wann das denn? Ein kurzes Schweigen herrschte, ehe ich die Hände in die Hüften stemmte. „Nun, wo wollt ihr überhaupt hin?“ „Nein, wir wechseln nicht das Thema- Ach was soll es. Wir sind auf dem Weg ins Shimabara.“ „Shimabara.“ wiederholte ich. Meine Züge entgleisten. „Im Rotlichtviertel?“ Nagakura sah abwechselnd zu uns, ehe er ertappt seufzte. „Komm schon, du erzählst einem Kind, das wir ins Shimabara gehen?“ „Du weißt doch, das ich nicht lügen kann. Außerdem ist daran doch nichts Schlimmes.“ „Denkst du. Du gehst ja nur zum Trinken hin.“ „Du etwa nicht, Nagakura-san?“ fragte ich leicht amüsiert. Ich konnte mir die Antwort denken, ich war schließlich auch ein Junge. Nicht das mich so etwas interessierte. Als er sich abwandte, wusste ich bereits Bescheid. Wenn ich mich recht entsann, gab es im Shimabara sicher hübsche Frauen, die einen bedienten. Leute wie Harada – die nur zum Trinken hin gingen – waren sehr selten. „Aber... ihr geht mitten am Tag hin?“ „Ist das nicht der Traum eines jeden Mannes?“ Harada störte es wohl wenig, das ich davon nun Bescheid wusste. Nur verstand ich seine Aussage nicht so richtig. Vielleicht meinte er die Freiheit eines Mannes, tagsüber hingehen zu dürfen? Oder die Freiheit, das Hijikata davon nichts mitbekam? Es sei denn, er war ihre Aktionen bereits gewohnt. „Sicher das es eine gute Idee ist, mitten am Tag trinken zu gehen?“ Eigentlich war es mir recht Schnuppe, wohin sie zogen. Es sollte nicht meine Angelegenheit sein. „Ich weiß was du meinst. Mitten am Tag so etwas durchzuziehen...“ murmelte der Rotschopf und rieb sich das Kinn. Dennoch, Kyoto ist in letzter Zeit recht gefährlich geworden. Da bleibt uns nachts nicht viel Zeit, Spaß zu haben.“ Der Punkt ging an ihn. „Ach scheiß drauf, was richtig ist. Ein Mann sollte leben! Wir sollten feiern, wann und wie wir es wollen!“ rief Nagakura und reckte die Faust in die Luft. Man merkte mir an, das ich mit sowas nicht vertraut war. Sicher machte es Sinn, was er sagte. Nachts hatte die Shinsengumi viel zu tun, da blieb nicht die Zeit zum Feiern. Aber würde so etwas nicht auch Tagsüber passieren? In Gedanken versunken, hatte ich erst mal nicht mitbekommen, als Toudou dazu stieß. „Oh... Kaoru, kommst du etwa mit?“ „Ne... ich habe nicht mal die Erlaubnis dazu. Bevor Hijikata mir den Hals umdreht, lass ich es lieber...“ Mit der Schulter zuckend sah ich, wie sich seine Züge verfinsterten. „Du gehst auch ins Shimabara, Toudou-kun?“ Kurz stutzte er, ehe er mich leicht verunsichert ansah. „Uh, nun... ja. Um, Kaoru... du musst mich nicht Toudou nennen, okay? Es fühlt sich so... alt an, weißt du? Und wir scheinen ja gleich alt zu sein.“ „Wie soll ich dich dann nennen?“ „Nenn mich einfach Heisuke. Das tun alle hier. Wir leben schließlich für eine Zeit zusammen, da geht das in Ordnung.“ „Meinst du?“ Er nickte begeistert. Irgendwie hellte sich meine Miene auf. „Okay... Heisuke.“ „Ja genau! Wie wäre es wenn wir von vorne anfangen? Hallo Kaoru, es ist mir eine Freude dich kennen zu lernen.“ Er verbeugte sich kurz. Mit einem Male war ich nicht mehr so angespannt. „Okay... Es ist mir ebenfalls eine Freude, Heisuke.“ Es war nichts besonderes, aber irgendwie fühlte ich mich aufgemuntert. Allein sein Anblick ließ mich manche Sorgen verdrängen. Es tat gut mit ihm zu reden, auch wenn wir anfangs nicht so das Vergnügen hatten. „Ihr geht aber dennoch hin, oder?“ harkte ich weiter nach. Sie scheinen gedacht zu haben, das ich sie so einfach ziehen lassen würde. Heisuke öffnete den Mund, schloss ihn jedoch wieder, unsicher was er sagen sollte. „I-ich gehe nicht wegen den Mädchen hin! Ich will nur mit den Jungs rumhängen, weißt du?“ Niedlich wie er sich zu rechtfertigen versuchte. Aber ich verstand ihn langsam. Die anderen sahen in ihm eine Art kleinen Bruder, daher drohte man zu vergessen, das Toudou – Heisuke – eigentlich erwachsen war. Zudem hörte ich, das er gut Alkohol vertrug. Während er so da stand und mich breit anlächelte, gab ich es auf, ihn aufhalten zu wollen, auch wenn ich dachte, das wäre das Beste für sie alle. „Nun, vielleicht kannst du uns davon abhalten zu gehen, wenn du dich wie eine Dame kleidest.“ Haradas Worte ruinierten die Stimmung. Entgeistert sah ich ihn an. „Bitte was?“ „Ja man! Du hast ja schon ein recht feminines Gesicht, du sähest sicher süß aus!“ „Du nennst einen Jungen gerade 'süß'...“ brummte ich nur zurück. Sollten sie doch in ihr Verderben gehen. Wie sie mich anstarrten. Ich hielt dem Blick stand, ehe Nagakura das Wort erhob. „Dafür das du uns reingelegt hast, musst du das einmal für uns tun!“ „Was?! Ihr habt euch selbst was eingeredet!!“ Okitas Kommentar sollte ich mir wirklich zu Herzen nehmen. Es fiel wirklich auf mich zurück und wurde schlimmer. „Tze, mal sehen.“ Heisuke sprang vor Freude in die Luft. Ich hatte nicht mal 'Ja' gesagt, als Harada weiter sprach: „Gut, das war kein klares 'Nein', also Kaoru. Vergiss nicht was du versprochen hast.“ „Wo war das bitte ein Versprechen?!“ keifte ich entsetzt zurück. Dem Trio schien mein Ausdruck zu gefallen, denn ich verbarg nichts. Ich spürte die Hitze in meinem Kopf aufsteigend. Beleidigt verschränkte ich die Arme. Nagakura seufzte und hob die Hand. „Sieh es mal von unserer Seite, Kaoru. Jeden Tag schuften wir für Kyoto-“ „Das ist nicht überzeugend genug.“ unterbrach ich knurrend. Auch wenn ich gerade schlechte Laune hatte, er hatte nicht unrecht. Es war normal für Männer, ins Shimabara zu gehen – da ich nicht normal war, zählte ich mich nicht dazu – Mit welchem Grund also sollte ich sie aufhalten? Ich hatte nicht das recht dazu. Vielleicht empfand ich es als Einziger, das es komisch wirkte, wenn Kapitäne tagsüber ins Shimabara gingen. Ich war nur ein Gast und es wäre beinah zu unhöflich, ihnen zu sagen was sie tun sollten. Dennoch nahmen sie sich die Zeit, mit mir zu reden. Im Grunde genommen waren sie recht in Ordnung. „Fein...“ Ein Teil von mir war ein wenig neidisch. Ans Shimabara hatte ich kein Interesse, aber dennoch war ich an diesen Ort gebunden. Mit ihrer Freiheit hätte ich nach meinem Vater suchen können, doch momentan konnte ich nichts tun. „Soll ich dir etwas mitbringen? Eine Kleinigkeit?“ fragte mich Harada. Sein Gesichtsausdruck war recht nett. Kurz überlegte ich. „Um... Gut, wie wäre es mit Pfirsichen? Die kann man ja auch später zusammen essen.“ schlug ich vor. Es wäre dumm von mir, seine nette Geste abzulehnen. Er lachte kurz, ehe er nickte. Heisuke sah mich entschuldigend an. „Sobald Hijikata-san dir die Erlaubnis gibt, raus gehen zu dürfen, gehen wir mit dir wohin du willst.“ Für diesen Gedanken schenkte ich ihm ein sanftes Lächeln. „Danke, Heisuke. Mach dir aber deswegen keine Sorgen. Auch wenn es gerade nicht geht, die Absicht dahinter zählt. Es ist sehr nett gemeint, das allein baut mich auf.“ Er runzelte die Stirn, dann nickte er. Ich trat einen Schritt zurück und sah zu, wie sie sich umdrehten, um aufzubrechen. „Wo wollt ihr denn hin?“ Kapitel 5: Kapitel 1.4 - Schlechte Nachrichten ---------------------------------------------- “Wo wollt ihr denn hin?” Die Stimme von Genzaborou Inoue ließ uns alle einfrieren. Wir drehten uns im Synchron um und sahen den älteren Herrn vor uns stehen, mit dem Fuß auf dem Boden tippend. „Verdammt... Es musste von allen ausgerechnet Gen-san sein, oder?“ Nagakuras Stimme war laut genug, das wir es hören konnten. Ich sah in ihren Blicken die bewusste Schuld, ins Shimabara zu gehen. Wieso sie es auf einmal taten, war mir zu diesem Augenblick nicht klar gewesen, doch irgendwie hatten sie mein Mitleid erregt. „Ich gehe nirgendwo hin.“ sagte ich klipp und klar, die Arme hinter meinem Kopf verschränkend. Immerhin war es ja die Wahrheit. Nur das wir alle vor dem Tor standen und uns unterhielten würde er uns wohl nicht abkaufen. Egal wie nett er war, Inoue war clever. Und er wusste das ich nicht log, denn ich durfte ja nicht raus. „Um... Nun, weißt du, Gen-san!“ stammelte Heisuke vor sich hin, nach einer Ausrede suchend. „J-ja genau wir wollten trainieren gehen!“ Er nickte dabei, als wäre dies die ultimative Ausrede. Nagakura spielte direkt mit. „Ja! Genau! Es ist ein herrlicher Tag, die Sonne scheint, der Wind ist angenehm...“ Naja, wohl kaum. Leicht verzog ich das Gesicht, denn es war zwar nicht so kalt, aber wir hatten immerhin noch Winter. Wenn er es aber so empfand... Ein kurzer Blick von mir sagte ihm, das dieser Teil der Ausrede unsinnig war. Inoue hob eine Augenbraue. „Ist das so?“ Kurz herrschte Stille. „Meine Güte, ihr seid aber fleißig! Wir haben lange nicht mehr zusammen trainiert. Dürfte ich mich euch anschließen?“ Er wirkte sehr glücklich, was man vom Rest nicht behaupten konnte. Der Arme, er tat mir noch viel mehr Leid als diese drei Idioten. Er war so nett und sie mussten ihn anlügen. Dafür würden sie wohl nicht ins Shimabara gehen. Ich kannte Inoue's Position nicht, daher wusste ich nicht, was er machen würde, wenn er die Wahrheit erfuhr. Ein leichter Schatten fiel auf mein Gesicht, meine Schadenfreude verbarg ich nur ein wenig. „Oh man, sorry! Ich würde gern mit euch trainieren, Jungs, aber mir fällt ein, das ich was erledigen muss!“ Etwas erledigen, so so. „Ich hab Kaoru bereits versprochen, das Hauptquartier zu zeigen! Besser jetzt als nie... oder?“ Hatte er? Kurz war ich unschlüssig, ob ich wieder etwas vergessen hätte, als er mich wie ein trauriger Welpe ansah. Die Röte stieg mir zu Kopf, ehe ich nur stumm nickte. Verdammt sei dein Welpenblick, Heisuke! Seine Augen glänzten schon vor Freude, ehe er euphorisch meine Hand nahm und los stolzieren wollte. Nun gut, taten wir ihm den Gefallen und retteten ihn aus seiner misslichen Lage. Aber auch nur, weil er mich aufgemuntert hatte. „Warte mal, Heisuke, denkst du wirklich-“ Bevor Nagakura seinen Satz beenden konnte, grinste Harada verschmitzt und hob die Hand. „Ich komme mit! Wir wollen ja nicht, das die anderen dich ärgern!“ „Was...? Meinst du...?“ Begeistert klang ich nicht, es war ja nicht so, das ich es wollte, das jeder sich so mir gegenüber verhielt. Dennoch könnte ich mich schon selbst verteidigen. Er rannte auf uns zu. „Ach, ich verstehe. Harada-san hat recht. Ich vertraue ihn dir an.“ Inoue schien von dem neu errungenen Plan nichts zu ahnen. „Also, Shinpachi? Wollen wir?“ „Ich hätte es von Heisuke erwartet, aber du, Sano?! Ich dachte du wärst Manns genug, dich gegen sowas zu stellen!“ Die Fingerknochen knackten, das Gesicht lief rot an: Nagakura war sichtlich sauer. „Und ab dafür!“ „Wie?“ Harada schob mich von hinten an, während Heisuke mich hinterher zog. „Shin explodiert gleich!“ Ich hörte Nagakuras Gebrüll, während wir uns aus dem Staub machten. Kaum waren wir außer seiner Sichtweite, begangen die anderen beiden lauthals zu lachen. Ich sah zurück und grinste leicht. Kurze Zeit später lachte ich mit ihnen. Ich empfand kein Mitleid mit Nagakura, im Gegenteil: Er hatte es doch verdient. So viel dazu, das Mann leben und nach belieben feiern sollte. Später hörte ich, dass Inoue und er den ganzen Tag miteinander verbracht hatten. Als er uns wieder getroffen hatte, schossen nicht gerade freundliche Vorwürfe aus seinem Mund, aber verübeln konnte man es ihm nicht. Verträumt beobachtete ich die Schatten, die meine Wand hoch krochen, gefärbt in einem zarten Orange, wie die fallenden Herbstblätter. Die Sonne ging langsam unter. Wie lange ich das wohl mitmachen würde? Während ich hier alleine im Zimmer saß, überkamen mich dunkle Gedanken. Es war frustrierend, wenn ich meine Situation streng betrachtete. So weit war ich gegangen, so weit musste ich noch gehen. Ich hatte einen Moment der Hoffnungslosigkeit, alles schien unmöglich und unerreichbar zu sein. Wie konnte ich mich so fallen lassen? „Ich kann nichts über Vater herausfinden, wenn ich hier festsitze... Nur Hijikata kann mir die Erlaubnis geben, aber der ist nicht da.“ Es hieß nur: Warten. Wie ich dieses Wort hasste. Ich musste damals auf meinen Vater vergeblich warten, wer versicherte mir, das das Warten dieses Mal anders sein würde? Ich schüttelte den Kopf. Sollte ich mich beschweren, würde es meine Situation nur verschlimmern. Natürlich waren sie nett zu mir, dafür war ich ihnen dankbar. Sie behandelten mich nicht wie Dreck, sondern wie einen Menschen, was ich anfangs von ihnen nicht gedacht hatte. Voll und ganz konnte ich ihnen nicht trauen, stets befürchtete ich, in ihren Hintergedanken dachten sie immer noch daran, mich umzubringen. Bei einem Bestimmten war es nicht nur eine Befürchtung. Ich könnte jederzeit der nächste sein, dem sie das Leben nahmen. „Dennoch wirken sie recht nett...“ „Hat dir jemand gesagt, wie unglaublich naiv du manchmal sein kannst.“ Ich fuhr herum. An meiner Tür stand Okita, der mich breit angrinste. „Was tust du hier?“ Ich versuchte Ruhe zu bewahren. Es war schließlich mein eigenes Verschulden, das ich Selbstgespräche führte. „Ach du hast mich nicht bemerkt? Nun, ich bin dran dich zu bewachen.“ „...“ Kurz musterte ich ihn. „Hast du gelauscht?“ „Hm?“ Er sagte nichts, sein Grinsen wurde nur noch breiter. Es war klar, das er mich gehört hatte. Bevor ich ihm meine Meinung geigen wollte, das er gefälligst anklopfen sollte, kam Saitou herein geschneit. „Das ist typisch Souji.“ brummte er. „Warst du die ganze Zeit hier?“ fragte ich stattdessen. Er senkte den Blick, keine Miene verziehend. „Ich bin gerade angekommen. Und es ist ja nicht so, als wenn du etwas gesagt hättest, was dich in Schwierigkeiten bringen könnte.“ Also doch. Es war wohl normal, einfach irgendwo zu lauschen, weil man nichts anderes zu tun hatte. „Ich wollte nur Bescheid sagen, dass das Abendessen fertig ist. Hab ich gestört?“ Saitou musterte Souji, dann mich. Den Kopf schüttelnd seufzte ich nur. Ja, tat ihr nur so, als wäre gar nichts passiert. „Ich dachte, ich warte bis ihr eure Diskussion beendet habt, aber es schien, als könnte diese ewig so weiter gehen.“ Einerseits war ich ihm sogar dankbar, das er uns unterbrochen hatte. Dem Okita traute ich alles zu. Gerade wollte ich etwas sagen, als- Heisuke auftauchte. Als er uns alle sah, verfinsterte sich seine Miene. „Whoa, whoa, whoa! Was geht hier ab, Hajime-kun? Seid ihr dicke Freunde oder was?“ Wohl kaum. „Entschuldige. Ich kam wegen einer Angelegenheit her.“ Kurz wurde sich gegenseitig gemustert, ehe der Brünette dem anderen Mann ein Grinsen entgegnete. Wieso wunderte er sich über Saitou und nicht über Okita, das der in meinem Zimmer stand? „Es ist Zeit fürs Essen! Wenn wir uns nicht beeilen, ist nichts mehr da!“ Die Frage wieder verwerfend nickte ich nur und erhob mich. „Ihr seid spät.“ Der Moment, in dem wir den Raum betraten, sahen Nagakura und Harada zu uns auf. Ersterer schnaubte. „Ihr Kinder seid spät. Wer soll meinen meckernden Magen beruhigen?“ „Du meinst 'knurrenden', Shin. Manchmal macht er es sich zu leicht...“ murmelte Heisuke nur und winkte ab. Von wegen es sich leicht machen. Er war einfach nur kindisch im Moment. „Entschuldigt euch gefälligst bei meinem Magen! Er wollte loslegen, aber ich sagte 'Nein, wir warten!“ „Mein Gott, bist du pingelig, Shin... Naja, es sind alle da, haut rein.“ Harada behielt sein Grinsen, ehe er sich vor seinem Tablett setzte. Ich seufzte. Der reinste Kindergarten hier. Kurz gab ich dem meckernden Alten einen finsteren Blick, ehe sich alle hinsetzten und zu Essen begannen. „Das reicht doch niemals für einen ausgewachsenen Mann... Überleben ist die Devise! Dein Essen gehört mir!“ Shinpachi fischte sich etwas aus Heisukes Tablett. „Hey! Wieso nimmst du immer mein Essen?!“ „Ahahahahaha! Wegen unseres Unterschiedes, Kleiner! Ich habe einen größeren Körper, als brauch ich mehr zu Essen!“ „Ach ja?! Ich bin noch im Wachstum, ich brauche ebenfalls mehr!“ Ein Reiskorn flog an mir vorbei und seufzend schloss ich die Augen. „Sie sind immer so. Entschuldige das du es mit ansehen musst, Kaoru.“ meinte Harada neben mir. Wenigstens war hier keine drückende Stimmung, alle hatten ihren Spaß. „Ist das etwa so etwas Schlimmes? ...Finger weg, das ist mein Essen!“ Saitou schlug mit dem Stäbchen auf Nagakuras Hand, der sich zu seinem Tablett hinbewegt hatte. Zwar war wieder keine Veränderung an seiner Mimik, aber er schien ebenfalls ein wenig geizig zu sein, was das Essen betraf. Ich linste zu Okita. „Schon fertig?“ Er hatte seine Stäbchen beiseite gelegt und beobachtete uns. Mir gab er ein typisches Wolfslächeln. „Ja, ich bin satt. Wenn ich zu viel esse, werde ich noch fett.“ “Hey! Was meinst du mit 'fett'?! … Was soll es! Ich nehme das!“ Der Größere wandte sich an mich, ehe ich seine Hand abfing und mit einer Hand weiter aß. „Denk nicht dran.“ brummte ich nur. Nur weil ich ein Gast war, hieß das nicht, dass ich nichts unternahm, sollte man mir mein Essen nehmen. Kurz drehte er sich weg, dann schnappte er sich Okitas Essen. Dieser lachte. „Bedien dich. Ich denke ich nehme noch etwas Sake zu mir.“ „Ich schließ mich an.“ sagte Harada und auch er schien fertig zu sein. „Du kannst dir auch etwas nehmen, Kaoru. Bedien dich ruhig.“ „...Danke...“ Wie ungewöhnlich nett von ihm, aber ich war noch nicht mit meinem Essen fertig, also musste ich mir darüber keine Gedanken machen. „Du musst beschützen, was dir gehört. Lass dir nicht einfach so das Essen wegschnappen.“ „Hatte ich nicht vor.“ Ich schenkte dem sonst so Stillen ein breites Grinsen. Es war recht lustig mit solchen Gestalten zusammen zu essen. Lange Zeit hatte ich alleine essen müssen, da verfiel man schnell in Depressionen. Ein sanftes Lächeln lag auf meinen Lippen. Es tat gut, in Gesellschaft zu sein. Wie hieß es doch gleich: In Gesellschaft anderer schmeckt das Essen noch besser? „Ah, da ist ja das Lächeln. Wir tun dir schon nicht weh, also kannst du das öfters tun.“ „Harada... Ich bin kein Mädchen...“ brummte ich nur hingegen. Er lachte nur. Natürlich hatte ich es nicht gerade leicht. Dennoch schien es ihm aufgefallen zu sein, wie niedergeschlagen ich gewesen war. Hatte er mich aufmuntern wollen? Nun, was immer der Grund war – ich hoffte es lag nicht an meinem femininem Aussehen – es tat gut. Mein kurz verschwundenes Lächeln blieb vorerst auf meinen Lippen, als Inoue den Raum betrat. „Gentleman, habt ihr einen Moment?“ Sein warmer Ton in der Stimme war zwar da, doch in seinen Augen spielte sich etwas anderes ab. Sofort war die feierliche Stimmung um uns verschwunden. „Ich habe eine Nachricht aus Osaka bekommen. Sanan-san wurde ernsthaft im Kampf verletzt.“ Es wurde ruhig. Selbst ich war ein wenig entsetzt. Inoue setzte fort: Sanan sollte sich um eine Angelegenheit mit den Rōnin kümmern, die einen Textilladen überfallen hatten. Er hatte es zwar geschafft, sie zu verjagen, wurde aber von ihnen verletzt. „Wird er wieder?“ wollte ich wissen. Es war selten, das ich mir Sorgen um andere machte. Vor allem um Menschen, die ich seit Kurzem kannte. „Sein linker Arm trug Verletzungen davon... Er würde es zwar überleben, aber es wird schwer werden... von jetzt an ein Schwert zu führen.“ Ich verstummte. Natürlich war es gut, das er überlebte, aber wenn ein Schwertkämpfer sein Schwert nicht mehr führen konnte... „Er sollte bald hier zurückkehren. Entschuldigt mich, ich muss mir Kondou-san reden.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand. Ich wandte mich an die Anderen. „War es nicht so, das man kein Schwert mit einer Hand führen kann?“ Es war Saitou, der es mir erklärte. „Mit einer Hand zu kämpfen bedeutet weniger Kraft in seinen Hieben. Gegen einen Gegner im selben Level hätte er keine Chance. Zudem, im schlimmsten Falle, sollte seine Verletzung gravierend sein, wird er nie wieder eine Waffe halten können...“ Als war es wirklich so: Sanan, der Mensch, hatte überlebt – Sanan, der Krieger, jedoch nicht. Ein Nicken meinerseits sollte ihm zu Verstehen geben, das ich es kapiert hatte. Selbst der erfahrenste Schwertkämpfer hätte Probleme, ein Schwert mit einer Hand zu führen. Okita seufzte. “Wenn es hart auf hart kommt, muss er es wohl akzeptieren. Aber Sanan ist niemand, der leicht aufgibt.” „Sag das nicht, Souji. Es kommt nicht gut, wenn ein Offizier sich der Truppe anschließt.“ sagte Nagakura. Dies gab mir zu Denken. Das machte irgendwie keinen Sinn. „Was meint ihr mit 'Truppe'? Damit ist doch die Shinsengumi gemeint oder irre ich mich da?“ fragte ich. So wie sie es sagten, könnte mit 'Truppe' etwas anderes gemeint sein. Hatte die Shinsengumi noch eine Untergruppe? Die Gesichter der Anderen wurden bleich. Heisuke jedoch trällerte los: „Nun, eigentlich ja. Die Shinsengumi wird auch 'freiwillige Gruppe der Elite' genannt. Wenn wir über jene 'Truppe' reden-“ „Heisuke!“ Bevor ich blinzeln konnte, war Harada durch den Raum geeilt und hatte seine Faust in Heisukes Gesicht krachen lassen. Dieser stieß hart gegen die Wand hinter sich, der Knall ließ mich zusammen zucken. „Au...“ stöhnte der Brünette. Da er neben mir saß, war es schon erschreckend, wie der Andere auf uns zu geschossen kam und meinen Nachbarn niederschlug. Ich drehte mich zu ihm um und zog die Brauen zusammen. „Alles okay?“ Nagakura seufzte. „Sano, du reagierst über. Heisuke, denk nach bevor du deine verdammte Klappe aufmachst.“ Seine Augen waren ungewöhnlich kalt und streng, ehe er seinen Blick auf mich haften ließ. Damit war klar: Heisuke hatte etwas sagen wollen, was ich nicht wissen durfte. Nur... was? Kapitel 6: Kapitel 1.5 - Die Suche beginnt ------------------------------------------ “Tut mir Leid...“ murmelte Harada und gab dem Jüngeren ein entschuldigendes Nicken. Dieser lächelte nur leicht. „Nah, ich sollte aufpassen, worüber ich rede. Dennoch... Sano, du beginnst dich langsam bei solchen Dingen sehr leicht aufzuregen.“ Normalerweise würde ein einzelner Schlag dieser Art jemanden umhauen, sodass dieser bewusstlos am Boden lag. Heisuke jedoch schien dies locker hinzunehmen. Ein Schlag unter Freunden? Ich hatte es schließlich nicht mit normalen Menschen zu tun. „Das ist alles, was du zu diesem Thema gehört hast, Kaoru. Trotz deiner Neugier bitte ich dich, keine weiteren Fragen zu stellen.“ Nagakuras Stimme war freundlich angehaucht, aber die Augen gaben die Worte kalt wieder. Ich sollte es einfach so hinnehmen? „Die 'Truppe', die Heisuke meint, sind bemitleidenswerte Männer.“ Okitas Stimme war gleichgültig, sein Blick starr. Gut, wenn sie meinten. „Es ist nichts, worüber du dir Sorgen machen musst.“ „Schon klar.“ Ich war nur ein Gast, kein Krieger, obwohl ich mich wehren könnte. Ich brauchte die Wahrheit hinter ihren Geheimnissen nicht kennen. Ich wusste das von Anfang an. „Schlag es dir aus dem Kopf. Wenn du noch weiter gräbst, gerätst du in großer Gefahr.“ Saitous Worte waren die letzten. Ich nickte. Eine Mauer stand zwischen ihnen und mir. Sie war zu lang, zu hoch, um sie zu überwinden. Ich seufzte innerlich. Das Essen hatte ich schweigend beendet und war in mein Zimmer zurückgekehrt. Mein Kopf platzte vor Fragen. Die Shinsengumi. Ich kannte ihre Bedeutung, die 'freiwillige Gruppe der Elite'. Dann gab es noch eine 'Truppe', die etwas anderes zu sein schien. Sanan war ein Teil der Shinsengumi, aber sollte nicht Teil dieser 'Truppe' werden? Es schien wirklich etwas ganz anderes zu sein, als die Shinsengumi. … „Argh!“ Nein! Ich durfte nicht darüber nachdenken. Ich würde mich nur in größere Schwierigkeiten bringen. Meine Nase gehörte nicht in die Angelegenheiten der Shinsengumi. Wenn ich etwas falsches höre oder sehe, könnte ich ein toter Mann sein. „Ich könnte meinen Vater nicht finden, sollte ich sterben...“ Es gab Leute, die sich um mich sorgten. Sie würden traurig sein, wenn sie von meinem Tod erfahren würden. Innerlich verfluchte ich meine Neugier, aber ich hielt mir diese Tatsache vor Augen. Ich legte mich auf mein Futon und versuchte zu schlafen, um jenes Gespräch zu vergessen. July 1864 Es war später Mittag, als Hijikata mich rufen ließ. Ich war erleichtert, als Okita und Heisuke ebenfalls gerufen wurden. Ich hatte zwar keine Angst vor Hijikata, aber mich mit ihm zu unterhalten, gefiel mir nicht. Jeder kleinste Fehler könnte ihn dazu veranlassen, mich rauszuwerfen. „Du kannst das Quartier verlassen.“ „Bitte was?“ Es war schon eine große Überraschung, dies verkündet zu bekommen. Es war mir anzusehen, ebenso meine darauf folgende Heiterkeit. „Du begleitest jene, die auf Patrouille gehen. Du springst, wenn man dir sag „Spring“ und du stirbst, wenn man dir sagt „stirbt“.“ „...Ist das wirklich notwendig?“ Es war schon deutlich genug gesagt, dass ich auf das hören sollte, was man mir sagte. Aber so hart hätte er es sich sparen können. „Hast du verstanden?“ druckte er nach. Ich nickte und salutierte. „Ja, Sir!“ Wenigsten konnte ich raus gehen. Ich konnte mit der Suche anfangen und eventuell Spuren finden. „Souji. Heisuke. Ihr seid heute dran, oder?“ „Ah, jetzt kapier ich es. Deswegen hast du uns gerufen.“ Die Verwirrung in ihren Gesichtern verflog. Heisuke blickte zu den Anderen. „Nun, Souji ist heute mit der ersten Einheit dran.“ „Ja, Heisuke und die achte Einheit haben heute Nacht ihre Patrouille. Ich denke er wäre sicher, wenn er tagsüber mitgeht.“ stimmte dieser zu und sah zu mir. „Vergiss nicht: Läufst du weg, töte ich dich. Und wenn wir auf Rōnin treffen, helfe ich dir nicht da raus, okay?“ Hijikata war nicht gerade begeistert von Okitas Aussage. „Nein, nichts ist okay, Idiot. Warum – denkst du – schicke ich ihn zu dir?“ Okita lachte kurz auf. „Ich renne schon nicht weg. Zudem kann ich mich auch selbst verteidigen.“ brummte ich und verengte meine Augen. Ich gehörte nicht zu der Shinsengumi, aber ich konnte kämpfen. Das durften sie mir nicht verbieten. Zudem vermutete ich, das ich es ihnen leichter machte, wenn ich kämpfen konnte. „Als ich herkam, hatten wir einen Deal. Die Shinsengumi hilft mir auf der Suche nach meinem Vater, dafür renne ich nicht weg und schweige. Ich halte mein Versprechen, dann tu es ebenfalls.“ Aus reiner Höflichkeit verbeugte ich mich vor Okita, der mich leicht verwundert betrachtete, ehe sein Grinsen schwächer wurde. „Verzeih. Ich scheine dich unterschätzt zu haben. Aber du solltest dir klar sein, dass du dich in Gefahr begibst, wenn du bei uns bist. Wenn es dem so ist, dann kannst du gerne mitkommen.“ Ich wusste bereits, dass Kyoto gefährlich war, als ich hergekommen war. Aber es war nicht wichtig. Ich musste meinen Vater finden, alles andere war irrelevant; jede Gefahr nebensächlich. „Die Choshu sind aktiv geworden. Wir wissen nicht, was sie vorhaben, aber es könnte schlecht für uns sein. Ich bevorzuge eigentlich, dich nicht mit zuschicken.“ murmelte Hijikata und tatsächlich sah ich einen Hauch von Sorge in seinem Blick. Die Krieger vom Choshu Reich waren Teil der imperialen Nationalisten Gruppe. Sie hatten in letzter Zeit vermehrt Aktivitäten in Angriff genommen, um ihre Ziele zu erreichen. Die Shinsengumi hingegen waren loyal dem Shogun gegenüber. Seit sich die Oberhäupter uneinig waren, entbrannte ein feindseliger Kampf zwischen der Shinsengumi und dem Choshu Clan. Die feindlichen Aktivitäten machten es der Shinsengumi schon schwer genug, da musste ich nicht noch eine Last drauf setzen. „Warum gibst du mir dann zu solchen Zeiten die Erlaubnis rauszugehen?“ wollte ich wissen. Die Miene des Kommandanten verhärtete sich. „Kodou ist nicht nach Edo zurück gekehrt und wir hörten von ein paar Leuten, die jemanden mit seiner Beschreibung in der Gegen Kyotos gesehen haben. Ob er es wirklich ist, weiß niemand. Zudem habe ich dich seit fast einem halben Jahr hier unter Verschluss gehalten. Die Choshu mögen vielleicht eine Bedrohung sein; wenn sie es nicht wären, wäre es jemand anderes. Irgendwann muss ich dich ja raus lassen, sonst werden wir nie fündig.“ Das war zwar unerwartet, aber es ergab Sinn. Es war klar, das er mich eine Zeit lang daran gehindert hatte, mit der Suche fortzufahren. Dennoch war es für mich ungewohnt zu erkennen, dass er sich auch meinetwegen Gedanken machte. „Vielen Dank.“ Ich verbeugte mich während ich sprach. In letzter Zeit bedankte ich mich viel bei ihnen. Aber das war ich ihnen schuldig. Immerhin lag mein Leben in ihren Händen. „Außerdem scheinen viele unserer Jungs in diesen heißen Tagen aus zufallen. Wir sind also nicht gerade in Topform!“ Heisuke hob den Daumen nach oben, doch sein vermeintlicher Versuch, einen Witz zu reißen, ließ Hijikata nur noch mehr die Stirn faltig runzeln. „Es ist in der Tat verdammt warm geworden...“ kommentierte ich nur. Die Sonne brannte mittlerweile auf Kyoto herab, von einem wolkenlosen Himmel und alle Räume im Quartier waren so stickig, dass man einen Schwindelanfall bekam, sobald man einen Raum betrat. Für manche war diese Hitze zu viel gewesen, weshalb sie krank wurden. „Nun, wenn du gehen willst, geh. Du hast meine Erlaubnis.“ wiederholte der Kommandant nochmals, ehe ich nickte. Ich saß für einen Moment da und ging meine Möglichkeiten durch. Etwas in seinen Worten und in seinem Verhalten sagte mir, ich sollte nicht gehen. Aber wenn ich mit Okita oder Heisuke unterwegs war, sollte alles gut laufen. Dem war ich mir sicher und blickte zu den Brünetten, der bereit war, aufzubrechen. „Was zum...“ Die Straßen waren voll gepackt mit Menschen. Es war nichts Ungewöhnliches von solch einer großen Stadt, dennoch begann mein Herz wild zu schlagen. „Reg dich nicht zu sehr auf, Kaoru. Wir sind geschäftlich hier, nicht zum Spaß.“ erinnerte mich Okita, sein ironisches Grinsen zog mich tatsächlich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. „Schon gut. Es ist nur lange her, das ich so viele Menschen auf einen Haufen gesehen hab.“ gab ich brummend von mir und sah mich um. „Nun. Das Gion Festival startet bald. Die Leute sind viel hektischer als sonst. Dennoch... einige Rōnin verhalten sich recht verdächtig, als halt die Ohren steif.“ „Ja.“ Wir spazierten durch die langen Straßen Kyotos, von der ersten Einheit begleitet. Niemand näherte sich auch nur einen Zentimeter unserer Gruppe; sie machten Platz, hielten Abstand zu uns, nachdem sie die blaue Haori erkannten. Selbst die Bewohner Kyotos fürchteten die Shinsengumi. „Um, Entschuldigung...“ Es war lange her, seit ich damit wieder anfing. Ich hielt so oft ich die Möglichkeit hatte, Passanten auf, die an uns vorbei gingen und nicht direkt die Flucht ergriffen. „Ich suche nach Jemanden. Er ist in den 40ern und spricht mit einem Edo Akzent. Sein Kopf ist kahl geschoren, aber er schaut sehr freundlich aus. Er ist ein Arzt...“ Nach einigen Fehlschlägen schien ich endlich jemanden getroffen zu haben, der auf die Reaktion reagierte. „Oh, ja... Ich denke ich hatte so einen Typen bei Masu's gesehen.“ Während er sprach, deutete er auf einen kleinen Laden, der Holzkohle anbot. „Vielen herzlichen Dank!“ Natürlich könnte es sich um jemand anderes handeln. Aber vielleicht war es auch mein Vater selbst. Okita gab mir einen ernsten Blick, doch bevor er etwas sagen konnte- „Du da! Bist du ein Rōnin? Nenne uns den Namen deines Meisters, wenn du einem dienst!“ rief einer der Soldaten, die uns begleiteten und zog die Aufmerksamkeit ihres Kapitäns auf sich. Dieser zog seine Waffe. „Schöne Scheiße... Ich glaube sie mussten natürlich den schlechtesten Zeitpunkt auswählen, um Streit anzuzetteln...“ Sofort rannte er los, das Schwert bereit haltend. Die Menge begann zu fliehen, rannten in verschiedenen Richtungen; wie Blätter in einem Sturm. „Wh-Whoa!“ Der plötzliche Panikausbruch der Leute zog mich mit. Ich konnte nicht anders, als mit zugehen, doch bemerkte ich ebenfalls, das ich mich immer weiter von Okita entfernte. Vielleicht war es gut, dass ich von ihnen fern blieb. Zwar konnte ich mich wehren, aber es war nicht meine Angelegenheit. Ich lief in eine Gasse, wo ich von der Druckwelle der Menschen verschont blieb und beobachtete das Geschehen. Sollte sich die Szene beruhigt haben, würde ich mich zurück zur ersten Einheit begeben. “Hey, Kleiner! Hier entlang, sonst gerätst du noch zwischen ihre Klingen.” Ein merkwürdiger Typ winkte mich zu sich in den Laden. Kurz musterte ich ihn, ehe ich mich zu ihm wandte. An seinem Antlitz war nichts komisches, aber dennoch musste ich aufpassen. Eigentlich wollte ich höflich ablehnen, in seinen Laden zu kommen, als mir etwas einfiel: Es war der Laden, den mir der Typ gezeigt hatte, wo jemand – ähnlich meinem Vater oder gar er selbst – gewesen sein sollte. „Um... Ist das hier Masu's Laden?“ „Ja.“ Er nickte. Meine Augenbrauen schossen nach oben, Hoffnung! „Super! Wissen Sie, ich suche jemanden und-“ „M-Mr. Keimon! Dieses Kind habe ich mit Okita gesehen! Dem Shinsengumi Kapitän!“ rief plötzlich jemand hinter ihm. „Was?!“ Auch ich war recht perplex. „Die Shinsengumi?! Lauft!“ „O-Oi!“ Bevor ich was sagen konnte, stürmten die Kunden hinaus. Der Laden war leer. „Was zum...“ Es war richtig, das ich die Shinsengumi begleitet hatte, aber diese Reaktion war... übertrieben. Kurz war Stille, als jemand plötzlich auf mich zugerannt kam, mit erhobener Waffe. Ich duckte mich schnell zur Seite, zog meine Waffe und schnitt ihm durchs Bein. Schreiend viel er zu Boden. Was war nun kaputt?! Wo kam der denn her? „... Ich beneide dich nicht um dein Glück.“ Okita stand hinter mir, leicht beeindruckt von meiner Reaktion, ehe ich mein Schwert vom Blut befreite. Er zuckte mit den Achseln, ehe er direkt an meinem Rücken stand. „Halte dich bereit.“ „Was?!“ Was passierte hier? Ich sah nur Männer losstürmen; der Laden platzte von den Klängen aufeinander prallender Schwerter und Umstoßen der Möbel. Hatte ich was verpasst? Kapitel 7: Kapitel 1.6 - Der Kampf im Ikeda Gasthof --------------------------------------------------- “...” Als wir ins Shinsengumi Hauptquartier zurückkehrten, wartete Sanan mit einer Predigt auf uns. Sie war nicht sehr tröstend. Wir knieten eine Weile auf dem Boden, während wir uns seine schimpfenden Worte anhören mussten. Dann – endlich – sprach Okita. “Du musst nicht direkt den Kopf verlieren, Sanan-san. Wir haben trotz allem einige der Choshu Leute festgenommen.” Als der Kampf, an dem ich auch teilgenommen hatte – recht widerwillig – vorüber war, hatten wir ein großes Waffenlager entdeckt und alles, was sich darin befand, konfisziert. Niemand hatte mir etwas erklärt, aber ich hatte mich gut der Situation angepasst. „Meinst du? Also mein Kopf ist da wo er hingehört, Okita. Kannst du das von dir behaupten? Der Mann namens Masu Keimon war in Wahrheit Shuntaro Furutaka, ein Choshu Spion. Dir ist hoffentlich im Klaren gewesen, das die Shinsengumi ihm erlaubt hatte, diesen Laden zu betreiben in der Hoffnung, an Informationen über die Gegner zu kommen?“ Die Stimmung kippte gewaltig. „Ja, ich war mir im Klaren. Nur hatten wir in diesen Augenblick keine andere Wahl gehabt. Ich musste ihn her bringen.“ Seine Entschuldigung war recht schwach, das wusste er selbst. „Nun, es ist ja nicht so, dass es total außer Kontrolle geraten wäre. Wie Souji bereits sagte, sie nahmen einige von ihnen gefangen.“ kommentierte Harada, der die Sache nachdenklich mitverfolgte. „Ja, aber tun dir Shimada und Yamazaki nicht auch Leid? Immerhin haben sie stets ein Auge auf Furutaka geworfen.“ Heisukes Lippen formten sich zu einem kleinen Lächeln. Shimada übernahm das Wort. „Wir schätzen deine Fürsorge, Toudou-kun, aber diese ist unbegründet. In letzter Zeit wussten wir nicht wohin mit Furutaka. Okita-san tat uns einen Gefallen.“ Yamazaki nickte zustimmend. „Furutaka ist jetzt unter Arrest. Ihr hört von uns keine Beschwerden.“ „Man, ihr zwei seid die Stimmen der Unerschütterlichkeit und Vernunft. Souji hingegen...“ Wieso wurde ich das Gefühl nicht los, dass Nagakura Gefallen daran gefunden hatte, Okita noch weiter seine Fehler unter die Nase zu reiben. Seufzend erhob ich das Wort: „Es war meine Schuld. Einige Rōnin haben Ärger gemacht. Um ihnen nicht im Weg zu sein, habe ich mich von der Einheit entfernt und bin nicht direkt zu ihm zurück gegangen, nachdem sich die Menge beruhigt hatte. Bevor ich realisierte, was war, stand ich direkt vor Masu's Laden. Irgendeiner hatte mich mit der Shinsengumi gesehen und los gebrüllt-“ „Wer, aber, sollte auf dich aufpassen?“ Sanan schaute mich an, seine Augen strahlten Härte und Wut aus. Kurz schwieg ich. „Der Kapitän der ersten Einheit kann nicht mal auf so eine Kleinigkeit achten. Ist es das, wozu die Shinsengumi fähig ist?“ Der nette Eindruck, den ich von Sanan hatte, als wir uns das erste Mal getroffen hatten, war verschwunden. Nach seiner Verletzung schien er ein anderer Mann zu sein. Natürlich war dies verständlich, er konnte nicht mehr Seite an Seite mit der Shinsengumi kämpfen, aber gleich sich so dermaßen verändern...? „Ich gab ihm die Erlaubnis. Sie haben nur Befehle verfolgt.“ warf Hijikata ein, als er den Raum betrat. Sanan lächelte diesen schief an, bekam jedoch einen ernsten Blick zurück. „Wenn du hier bist, bedeutet das, dass du fertig mit dem Verhör Furutakas bist, oder?“ wollte Harada wissen. „Sie hatten auf einen Tag gewartet, an dem der Wind stärker war und wollten Kyoto in Brand setzen. Während jeder mit seinen eigenen Problemen beschäftigt ist, wollten sie den Kaiser entführen.“ Seine Worte waren ruhig und besonnen, aber wir alle wussten, was der Inhalt bedeutete. „Die Stadt in Brand setzen? Diese Choshu Typen sind verrückter als ich angenommen hatte.“ brummte Nagakuras Stimme, während er eine komische Gestik machte. „Sie wollten den Kaiser entführen? Klingt etwas widersprüchlich für eine Bande Typen, die sich selbst als Imperialistisch bezeichnen.“ sagte Heisuke und blickte finster drein. Saitou zuckte mit der Schulter. „Durch ihre Aktion konnten wir ihre Pläne nicht weiter ignorieren.“ „Sie treffen sich vermutlich heute Nacht. Wir müssen bereit sein, auszurücken.“ „Verstanden, Kommandant.“ Nagakura begann zu grinsen. „In Ordnung! Endlich, ich dachte ich käme zu gar nichts mehr!“ Alle Anwesenden – außer mir – waren aufgeregt auf ihre Aufgabe heute Nacht. Sehr bald würde es hier lauter werden, während sie sich alle darauf vorbereiteten. Professionell war es nicht gerade, sich über einen Kampf zu freuen, aber ich hatte es schließlich nicht mit normalen Leuten zu tun. Zudem empfand ich es ab und zu ebenfalls als Amüsant, zu kämpfen. Hijikata wandte sich an mich, als hätte er erst jetzt meine Anwesenheit bemerkt. „Wir haben einige Informationen über Kodou. Vor Kurzem hatte er sich mit einigen Choshu Leuten in Masu's Laden getroffen.“ „Was? Er war mit den Choshu unterwegs?“ Das konnte nicht sein, mein Vater war sehr loyal dem Shogun gegenüber. Das war auch der Grund, weshalb die Shinsengumi bereit war, mir zu helfen. „Waren die Choshu nicht die Feinde des Shoguns? Warum sollte er bei ihnen sein?“ Niemand wusste eine Antwort. Die Vorbereitungen standen an. Wie befürchtet, verwandelte sich das Quartier in eine Art Bienenstock, wo alle zusammen durch die Gänge wuselten, und dies hektisch. Ständig liefen Krieger an mir vorbei, manche sogar öfters. Die Anspannung war groß. Mein Aufeinandertreffen bei Masu's hatte ihnen noch mehr Probleme bereitet. Vielleicht könnte ich mich als nützlich erweisen, doch wie sollte ich ihnen helfen? Ich bezweifelte, dass man mich mitkämpfen ließ. Seufzend saß ich in meinem Zimmer. Es war ein ekliges Gefühl, nichts tun zu können. Während ich hier saß und über etwas anderes nachdachte, hörte ich plötzlich Stimmen. „Wir haben nicht genug Männer. Kondou hat nur zehn Männer, die bereit sind zum Kämpfen.“ Saitous Stimme. Ich wagte einen Blick in den Gang. „Hijikata und ich habe jeweils vierundzwanzig Männer, oder? Man, die Hälfte der Jungs liegt flach wegen Bauchschmerzen... Keine lustige Angelegenheit, was Saitou?“ Trotz allem hielt es Harada nicht vom Lachen ab. Wenn ich mich recht entsinne, sollte Kondous Gruppe zum Ikeda Gasthof gehen, Hijikata hingegen zum Shikoku Gasthof. “Meinst du... wir sollten 'sie' mit einbringen? Es ist eine nächtliche Mission, es wäre perfekt. Wir haben den einen Tag einige verloren, aber es sollten noch welche übrig sein, oder?” Während der Rotschopf sprach, fuhr es mir wieder durch die Gedanken. 'Sie'? „Ich habe gehört, das sie nicht für einen Kampf geeignet wären. Sie haben eine recht... schwierige Einstellung. Sie ignorieren Befehle, sobald sie Blut sehen. Es wäre lästig.“ Hörte ich so etwas nicht schon mal? Reaktion auf Blut? Halt, das sollte ich gar nicht hören. Wussten sie nicht, das sie direkt vor meinem Zimmer standen? Ich konnte mich nicht bemerkbar machen. „Da drehen sie sich im Grabe um... Aber haben sie sich nicht selbst dafür entschieden?“ „Sano, du klingst so, als wäre jemand schon tot.“ „Ja, du hast recht. Sie sind ja nicht tot, oder? Nur schwerer nieder zu schlagen.“ … Langsam fuhr ich meine Finger in meine Ohren und schloss die Augen. Meine Neugierde war sehr stark, aber ich hatte sie schon in Schwierigkeiten gebracht. Es wäre nicht richtig, noch weiter reinzubohren. „Oh? Was tust du hier, Yukimura?“ Meine Augen öffneten sich und erblickten Kondou, der direkt vor mir an der Tür stand. „Nun...“ Was sollte ich großartig sagen? 'Ich sitze hier herum und höre zu, wie andere über Nichtmenschliche Leute reden, gar vielleicht über Untote'? „Heute ist echt was los. Die Männer sind regelrecht aufgeregt.“ „Ja...“ Aufgeregt? In einem Falle würde ich eher sagen 'blutdurstig'... „Magst du nicht teilhaben?“ „Teilhaben an was?“ wollte ich wissen, die Gedanken über dieses eine Thema direkt abgeschoben. „Nun, mit uns in den Kampf zu ziehen.“ Meine Augen weiteten sich. Ich durfte mit kämpfen? Sofort sprang ich auf. „Natürlich! Ich bin dabei!“ Leicht erschrocken über meine Reaktion wich Kondou lachend einen Schritt zurück. „Immer mit der Ruhe. Wir wollen nichts überstürzen. Wir sind in der Minderheit, wer weiß wie viele Leute auf uns lauern. Ich will nicht, dass du dich in Gefahr begibst.“ „Gefahr... Ich bin gut im Schwertkampf, ein kleiner Kampf sollte nicht allzu gefährlich für mich sein.“ gab ich zu und strotzte vor Selbstsicherheit. Er trug eben nur zehn Männer mit sich, warum also ablehnen, wenn man ebenso gut sein konnte wie ein normaler Krieger? Zudem war es auch eine Art, mir beizubringen, was ich in solchen Situationen tun sollte. Auf seinem Gesicht legte sich ein breites Lächeln. Kurz danach fand ich mich auf dem Weg zum Ikeda Gasthof, zusammen mit der Shinsengumi. - - Stunde des Hundes, sprich acht Uhr abends. Nachdem wir in Ikeda ankamen, wurde ich erstmal als Bote missbraucht. Solange sie nicht ohne mich in den Kampf zogen, war mir das egal. Zudem war es eine Art Aufwärmen. Als ich zurück kam, hörte ich Nagakura und Okita reden. „Nun, scheint so, als hätten wir den Jackpot geknackt mit diesem Gasthaus. Ich weiß ja nicht, ob sie mutig oder dumm sind, sich in der Nähe des Regierung Gebäudes zu treffen...“ „Ich wusste, dass sie sich hier treffen würden. Immerhin hielten sie ständig ihre Besprechungen hier ab.“ „Ja, aber direkt nach Furutakas Festnahme? Das kommt mir komisch vor. Ich meine, wieso sich nicht woanders treffen? Jede andere normale Person würde sich an ihrer Stelle Sorgen machen.“ „Nun, ganz offensichtlich sind sie eben nicht normal. Und sie treffen sich hier im Ikeda Gasthaus, oder etwa nicht?“ Während sie weiter diskutierten, dachte ich mit. Es könnte ein Trick sein. Vielleicht war es aber auch so, dass sie dachten, das wir denken würden, sie treffen sich woanders, weil es ja sonst zu offensichtlich wäre, wenn sie sich hier trafen. Sie drehten die Logik um und trafen sich hier, nur die Shinsengumi schien schlauer zu sein. Dennoch schienen sich die zwei nicht zu sorgen, ob sie nun doch hier waren oder nicht. Heisuke bemerkte meine Anwesenheit und lief auf mich zu. „Und? Wie sieht es aus? Hast du jemanden von der Aizu gesehen oder von der Justiz?“ Seufzend starrte ich auf das Gasthaus. „Ehrlich gesagt, habe ich niemanden gesehen.“ Er murrte vor sich hin. „Sie haben noch immer keinen Schritt gemacht? Wir haben es ihnen doch gesagt, bevor es dunkel wird-“ „Beruhige dich, Heisuke.“ Nagakura schlug dem Jüngeren spaßeshalber auf die Schulter, während er lachte. „Außerdem ist es nicht so, als täten sie uns einen Gefallen, wenn sie auftauchen würden. Wir sind auf uns allein gestellt, ob sie da sind oder nicht.“ „Ja... schon... Es ist nur... Meinst du nicht, alles allein handhaben ist ein wenig rücksichtslos?“ Seine Worte ergaben Sinn, wir entschieden uns, auf die Verstärkung zu warten. Wir warteten und warteten, doch niemand tauchte auf. - - Stunde des Ebers, sprich ca. zehn Uhr abends. Ich sah zum Himmel auf. Der Mond hatte ein gutes Stückchen seines Weges hinter sich, seit wir an Ikeda angekommen waren. „Verdammt... Ganz schön spät.“ fluchte Nagakura. Die Anspannung war groß. „Was tust du nun, Kondou-san? Es wäre ziemlich blöd, hier herum zu sitzen und nichts zu tun.“ Der Leiter war schon seit einigen Stunden still, doch als Okita sprach, erhob er sich und legte eine Hand auf meine Schulter. „Yukimura. Kannst du vom Gasthaus weggehen?“ „Was?“ Ich hörte wohl nicht richtig. „Die Dinge könnten gefährlich werden. Dieser Ort ist voll von Rebellen. Wir wollen sie nicht fliehen lassen, aber... Sicher ist sicher.“ Ich schätzte seine Sorge, doch ich zog meine Waffe. „Ich bin ein Kämpfer, kein Läufer!“ sagte ich ernst. Kurz betrachtete er mich. „Ich kann auf mich aufpassen.“ Kurz schwieg er eine Minute, dann nickte er, bereit mir zu vertrauen. Er schenkte mir ein Lächeln, dann standen wir bereit und stürmten in das Gasthaus. „Wir sind die Shinsengumi; Befolger vom Leutnant-General des Aizu Reiches! Im Namen des Kaisers seid ihr alle festgenommen!“ Seine laute Stimme führte dazu, dass das sonst zu stille Gasthaus mit Schreien überfüllt war. „Dem Gegner eine laute, gut hörbare Warnung geben, das sie gleich eins über gebraten bekommen. Das ist Typisch Kondou-san.“ amüsierte sich Okita, ehe er die Waffe bereit hielt und lachend ins Gasthaus rein rannte. „Eh, ist doch höflich gemeint, ihnen zu vermitteln, was mit ihnen passiert!“ stimmte Nagakura zu. Er grinste zu Heisuke. „Das nennst du höflich?“ „Wir agieren mit der Vollmacht der Regierung! Leistet Widerstand und es gibt keine Gnade!“ Der Kampf begann. Der Schrei der Männer verschmolz mit dem Klirren der Schwerter; aufgeschobene Türen und Fenster von Männern, die zu fliehen versuchten. Schritte gingen die Treppen hoch und runter. Die Luft füllte sich mit dem stickigem Gestank von Blut, die leblosen Körper der Feinde besudelten den Boden, die rote Flüssigkeit verbreitete sich schnell. „Verdammt! Das sind so viele von ihnen!“ Nagakura war in meiner Nähe, während ich einigen mein Katana gegen das Bein rammte. Töten tat ich sie nicht, aber zumindest würden sie nicht fähig sein zu laufen. „Wir brauchen Verstärkung! Ist jemand noch da draußen?!“ Er rannte weiter ins Haus, ich hielt vorerst Stellung. Ich sah niemanden. Wir waren wirklich die Einzigen hier. Als ich mit meinem Gegner fertig war, zog ich einen verletzten Krieger aus unseren Reihen aus dem Gasthof. Zumindest wollte ich nicht irgendjemanden sterben lassen. Dieser bedankte sich, als ich drauf los stürzte, um den nächsten zu holen. Als ein weiterer Feind auf mich zu rannte, drehte ich mich duckend und ließ meine Klinge durch das Fleisch seines Bauches ziehen. Ein schmerzerfüllter Schrei und der Mann ging zu Boden. Ich schluckte. Es war ein Reflex. Ich wollte einige am Leben lassen, damit sie verhört werden konnten. Den hier hatte ich garantiert in den Tod geschickt. Ehe ich weiter auf die blutende Wunde starrte, riss mich Kondous Stimme aus den Gedanken. „Souji! Bist du in Ordnung?!“ Dann folgte Nagakura. „Scheiße, Heisuke! Stirb mir nicht weg!“ „Verdammt!“ Ich festigte den Griff an meinem Schwert und rannte hinein. Mich um die Verletzten kümmern konnte ich mich gerade nicht. Ich sollte jene helfen, die kurz davor waren, den Tod entgegen zu treffen. Kapitel 8: Kapitel 1.7 - Ein Sieg mit Folgen -------------------------------------------- Als ich wieder ins Gasthaus reingelaufen war, überkam mich der Gestank von Blut. Es war stockdunkel und doch konnte ich die Leichen erkennen, die den Weg versperrten. Ich kletterte über ihnen hinweg, meine eigenen Gefühle und Gedanken abschaltend. Es war nicht gut, mich darüber zu beschweren. Nur wo waren die anderen? Kurz stockte ich. Wenn ich einen von ihnen helfen sollte, musste ich mich entscheiden. Denn zwei konnte ich sicher nicht tragen. Kurz dachte ich nach, entschied mich nach Heisuke zu suchen. Kondou würde sicher bei Souji sein. Zudem hatte sich Heisuke stets um mich gekümmert, jetzt wollte ich es ihm zurückgeben. Als ich mich umsah, hörte ich einen Aufschrei. Schritte hinter mir, ehe ein Rōnin auf mich zu gerannt kam. Ehe ich mich wehren konnte, wurde er jedoch schon niedergestochen: Nagakura. „Kämpf gegen mich, Genosse! Wer hat dir erlaubt, einfach loszurennen?!“ „Aaaaaagh-!“ Der Schrei ließ mein Blut in den Adern gefrieren. Blut spritzte, auch in mein Gesicht. Kurz verzog ich das Gesicht, als Nagakura mich ansah. „Kannst du nach Heisuke sehen? Er ist hinten am Ende des Ganges.“ Ich nickte, dann sah ich jedoch etwas anderes. „Deine Hand.“ murmelte ich. Die Linke war in Blut getränkt, es sah beinah so aus, als wäre ein gutes Stück Fleisch abhanden gekommen. Er blickte darauf und lachte. „Das? Ha... Wusste nicht mal, das ich es hatte. Ich bin okay. Es tut nicht mal weh.“ „Aber...“ Auch wenn ich ihn am Anfang weniger leiden konnte, er war schließlich ein Kamerad. „Niemand kommt an mir vorbei. Hol Heisuke! Ich zähl auf dich.“ Seufzend nickte ich, riss dennoch etwas von meinem Ärmel ab um seine Hand zu verbinden. Schweigend nahm ich wieder mein Schwert kampfbereit und rannte los. Ich wartete nicht auf ein 'Danke', ich konnte schon erahnen, das er es dachte. Es war wirklich dunkel. Kurz vorm Ende des Ganges sah ich in einem Raum jemanden stehen. „Heisuke?!“ Dieser drehte sich erschrocken um, das Schwert vor sich haltend. Sein Gesicht war blutüberströmt – kein schöner Anblick – und es wirkte so, als sähe er nichts. Es schien, als liefe das Blut von seiner Stirn runter. „Kaoru...? Verdammt, was machst du hier?!“ Sein Brustkorb hob sich schwer fällig, das Atmen schien ihn Kraft zu kosten. „Du bist verletzt!“ Nein, wie offensichtlich von mir. „Ich bin hier um zu helfen.“ „Quatsch keinen! Es ist zu gefährlich. Es ist idiotisch gewesen, nach mir zu sehen!“ „Pech, jetzt bin ich hier.“ knurrte ich und kam näher. Er trat einige Schritte zurück in meine Richtung und hatte seinen Blick auf einen Mann gerichtet. „Sieht ernst aus...“ „Hä?“ „Deine Verletzung.“ sagte ich ruhig und sah ihn aus den Augenwinkeln an. Wie er sich wieder aufregte. „E-Es ist gar nichts! Ich fühle mich schon wieder besser!“ Kaum sagte er das, stellte er sich schützend vor mich. Dennoch schwankte er, er war im Moment so schwach, dass das Schwert erzitterte. Der Rōnin vor uns stand jedoch da wie eine Statue; ruhig und gelassen. „Warte...“ Ich verengte die Augen. Etwas war... anders. Irgendetwas war hier komisch... Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Dieser Rōnin, direkt vor uns, trug kein Schwert bei sich. Und dennoch schien er Heisuke Schwierigkeiten gemacht zu haben. Aber keine Zeit zum Denken, ich musste ihm helfen. Ich hielt mein Schwert griffbereit vor mich, den Gegner im Auge behaltend. Er sah meine Aktion, Heisuke hingegen weitete ein Auge. „K-Kaoru!“ „Schweig! Ich kämpfe auch! Ich gebe dir Rückendeckung.“ Kurz sah er mich sprachlos an, ehe er breit grinste. „Also bist du sowas wie mein Auge? Denk nicht daran, viele hatten es versucht und haben verdammt lange gebraucht!“ Es war zwar nicht die Antwort, die ich erwartet hatte, aber ich deutete dies auf ein Ja hin, also erwiderte ich das Grinsen nur schweigend. Der Rōnin stieß einen Seufzer aus, worauf wir zwei uns bereit hielten. „Ich habe keinen Grund, euch zu bekämpfen.“ „Wie...?“ Was meinte er? „Wenn ihr verschwindet, dann muss ich euch nicht töten.“ Ließ er uns... gehen? Bestimmt war es eine Falle. Ich traute ihm nicht, aber etwas in seinen Augen sagte mir, das er es ernst meinte. „W-Wir... können dich nicht gehen lassen. Jeder... der mit den Choshu zu tun hat, ist... ist...“ Heisuke schwankte gefährlich. „Oi, Heisuke?!“ Er konnte kaum stehen. „Übernimm dich nicht. Ich bin nicht von den Choshu.“ Der Typ war mir unheimlich. „Dann nenne uns den Grund, weshalb du hier in Ikeda-“ Es brauchte große Anstrengungen zu Reden, das sah ich ihm an. Er war ein Krieger der Shinsengumi, natürlich durfte er ihn nicht gehen lassen, auch wenn es hieß, das sein Leben in Gefahr war. Ich stand neben ihm und richtete meine Waffe auf den Rotschopf vor uns. Heisukes Schwert begann stark zu zittern. Angst hatte er natürlich keine, aber die Verletzungen waren schwer. Selbst der beste Schwertkämpfer war auch nur ein Mensch. Der Rōnin gab uns noch einen letzten, nicht durchschaubaren Blick, ehe er sich umwandte. „Komm zurück, verdammt!“ „Heisuke!“ Er rannte los, doch rutschte er in einer Blutlache aus und krachte zu Boden. „Verdammt... Verdammt! Es ist nicht vorbei! Warte nur bis wir uns...! Du wirst...“ Er knurrte, versuchte aufzustehen, doch dann kippte er vorn über; verlor jegliches Bewusstsein. Eilig rannte ich zu ihm, drehte ihn auf den Rücken. Die Verletzung an seiner Stirn sah fürchterlich aus. „Zuerst das Blut stoppen!“ sagte ich und riss meinen Ärmel kaputt. Vorsichtig presste ich das Stück Stoff gegen die Wunde. Nachdem ich sie begutachtete, atmete ich erleichtert auf. Es war keine gravierende Wunde. Eine Narbe würde dennoch hinterbleiben. Mein Blick schweifte zum Stirnband, den er getragen hatte; es lag entzweit dort. Wie konnte das passieren? Der Typ hatte nicht mal ein Schwert dabei. Das musste ein harter Kampf gewesen ein. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass es hier überall nach Blut stank. Mir auf die Lippen beißend, legte ich einen Arm von Heisuke um meine Schulter und trug ihn hinaus. … Die Sonne ging auf. Es wirkte wie eine Ewigkeit in der Dunkelheit, doch der Kampf war zuende. Es hatte nur zwei Stunden gedauert, für mich hatte es wie eine ganze Weile gewirkt. Im Ikeda Gasthaus waren zwanzig imperiale Nationalisten. Die Shinsengumi tötete sieben Rōnin, weitere vier wurden verletzt. Ich erfuhr, dass mithilfe der Aizu und der Justiz dreiundzwanzig Leute festgenommen wurden, ebenso der Besitzer des Ikeda, da er den Choshu Rebellen zur Flucht verholfen hatte. Die Shinsengumi gewann einen unglaublichen Sieg gegen eine Mehrzahl von Gegner, aber sie trugen Opfer mit sich: Okita hatte einen Schlag abgekommen und wurde bewusstlos. Heisuke hatte eine Wunde an der Stirn, die nicht aufhören wollte, zu bluten. Nagakura hatte seine linke Hand verletzt. Ein Shinsengumi Krieger verlor sein Leben im Kampf am Eingang des Gasthauses, zwei weitere waren schwer verletzt. Es sah nicht so aus, als würden sie es überleben. Der Kyoto Militär und die Justiz – beides angeführt vom Aizu und Kuwana Reich – hatten ebenfalls Choshu Rōnin bekämpft. Mit ihrer erfolgreichen Standhaftigkeit hatte sich die Shinsengumi einen Namen gemacht. Es schien, das der Frieden in Kyoto bewahrt wurde. Doch ich hätte zu diesem Zeitpunkt nie geglaubt, was für Konsequenzen nach ihrem Sieg in Ikeda folgen würde... August 1864 Nach dem Kampf im Gasthaus gab man mir die Erlaubnis, das Hauptquartier öfter zu verlassen. Durch mein Eingreifen hatte Hijikata noch mehr Vertrauen in mich gesetzt. Auch wenn ich nur das getan hatte, was jeder Krieger machen würde. Es war nichts Besonderes, aber es war hilfreich genug gewesen. An diesem speziellen Tag war ich mit der zehnten Einheit unterwegs, die unter Haradas Leitung stand und heute ihre Patrouille hatte. „Harada-san? Die Shinsengumi patrouilliert heute tagsüber und auch Nachts, oder? Was genau tut ihr eigentlich?“ wollte ich wissen. Harada wirkte im Gegensatz zu seiner Einheit nett und freundlich, während die anderen sich nicht um mich scherten. Ich war ja nur der Junge, der eine bessere Behandlung bekam als sie alle zusammen. „Nun, ich glaube, wir tun eigentlich alles. Auf jeden Fall nehmen wir Leute fest, die ihre Schwerter gegen die Bewohner der Stadt erheben und wir sind hinter jene her, die entweder stehlen oder nicht für ihre Nahrung bezahlen. Manchmal schlichten wir auch Streitangelegenheiten.“ „Leute, die nicht für ihre Nahrung zahlen?“ „Und da wären noch diese Schwachköpfe, die denken, sie könnten sich als Händler tarnen... Wir kümmern uns um alles.“ Es war eigentlich nicht ganz die Antwort, die ich erwartet hatte. Viele Dinge, um die sie sich kümmerten, waren nicht so arg dramatisch, wenn ich zurück dachte, wie aufgeregt sie alle vor dem Kampf im Ikeda gewesen waren. Diese Aktion war um einiges effektiver gewesen, als ihre tägliche Routine Arbeiten. Schließlich hatten sie nur deswegen einen guten Ruf bekommen. Etwas weiter vor uns standen einige Männer aus der Shinsengumi, die uns zuwinkten. „Nagakura-san!“ Unsere Patrouille hatten uns scheinbar zum selben Punkt geführt. „Hey ihr. Und Kaoru, etwas über deinen Dad herausgefunden?“ Ich seufzte nur. „Nicht wirklich...“ „Ah, komm schon. Das wird schon, es gibt immer einen Morgen!“ Sein Optimismus war ansteckend. Ich lächelte und rieb mir den Nacken. „Ja... Hast recht!“ „Also Shinpachi, hast du etwas herausgefunden?“ wollte Harada wissen. „Ne, nichts besonderes, aber... nun, die Leute scheinen in letzter Zeit ziemlich... beschäftigt zu sein, oder irre ich mich?“ Bisher hatte ich nicht darauf geachtet, aber er hatte recht. Sie wirkten recht komisch, wenn nicht sogar nervös. „Ja... Es scheint, als hätten sie ihren Zug gemacht.“ murmelte der Leiter der 10. Einheit. Wessen Zug? „Meinst du, sie befürchten, dass sie sich irgendwann mitten im Krieg befinden?“ „Was?“ Ich horchte auf. Krieg? Es stand ein Krieg bevor? „Oh hast du es nicht gehört? Die Choshu Bastarde wurden außerhalb der Stadt gesichtet. Deswegen gibt es mehrere Patrouillen an diesen Tagen.“ murmelte Nagakura nur und rieb sich das Kinn. „Nun, wir haben sie schließlich in den Arsch getreten im Ikeda. Es ist also kein Wunder, das sie nicht herumstehen und nichts tun wollen.“ Also hatten die Choshu einen Plan? Die Shinsengumi tat ihr Bestes, um Befehle in Kyoto ausführen zu können, denn sie hatten die Stadt vor den rebellierenden Plänen der Choshu bewahrt, was zum Sieg im Ikeda geführt hatte. Aber dies veranlasste den Leuten in Kyoto dazu, sich noch immer vor der Shinsengumi zu fürchten. Einige misstrauten ihnen immer noch und warfen sich auf die Seite der Choshu. Dennoch war ihr Ruf besser als vor der Aktion im Ikeda. „Kyoto hasst den Shogun. Daran können wir nicht viel ändern.“ war Nagakuras Kommentar. „Aber das tut nichts zur Sache. Wir machen nur unseren Job. Wenn die Choshu Kyoto angreifen, schlagen wir sie wieder zurück. Ganz einfach.“ Sie akzeptieren ihre Situation und beschwerten sich nicht. Das waren auch Gründe, weshalb ich die beiden langsam respektierte. „Wenn sie sich nicht bald zurückziehen, bekommen wir neue Befehle von Oben.“ 'Oben' war das Aizu Reich für die Shinsengumi, von denen sie ihre Aufgaben bekamen. „Scheint ernst zu sein, huh?“ Harada nickte nur und begann zu Lachen. „Nun, solche Chancen bekommen wir scheinbar in Zukunft öfters. Wer weiß, wo sich die nächste Schlacht begeben wird. Machst du mit?“ Er sah direkt zu mir. Meine Augenbrauen wanderten nach oben. Mitmachen? Als einer von der Shinsengumi an ihrer Seite in die Schlacht ziehen? „Ich würde sehr gerne...“ sagte ich und lächelte. Sie hatten meine Kampfkünste anerkannt, ebenso meine medizinischen Kenntnisse. Ich war also in vielerlei Hinsicht nützlich für sie. So etwas im Ikeda könnte ich jederzeit tun. Doch andererseits dachte ich an meinen Vater. Viele der Krieger, die sich bereit erklärt hatten, der Shinsengumi beizutreten, sahen ihre Familie selten bis gar nicht. Ich seufzte kurz, dann kratzte ich mich am Kopf. „Nun... Gebt mir ein wenig Zeit, darüber nachzudenken. Es ist eine recht große Entscheidung, hm?“ „Klar. Nimm dir Zeit so viel du brauchst.“ lachte Nagakura. Die zwei hatte ich in letzter Zeit gern gehabt, was wohl auf Gegenseitigkeit beruhte. Kapitel 9: Kapitel 1.8 - Noch mehr Fragen ----------------------------------------- Ein paar Tage vergingen... „Hier ist deine Medizin.“ Mit einem Tablett kam ich in den Gemeinschaftsraum. Darauf stand eine Kanne heißer Sake und Medizin. Letztere war ein medizinisches Pulver Ishidas, hergestellt von Hijikatas Familienbetrieb. „Gib es Souji und Heisuke... Sanan-san könnte es auch nicht schaden.“ brummte Hijikata nur und sah diesen an. Der Brillenträger hob eine Augenbraue, als sein Name fiel. „Oh? Du meinst wirklich, ich benötige es? Meine Verletzungen sind bereits verheilt.“ „Ach gib es eine Chance, Sanan-san. Dieses Zeug haut mächtig rein.“ meinte Okita grinsend, worauf der Andere mit den Augen rollte, aber dennoch seine Medizin nahm. Natürlich waren seine Wunden bereits verheilt. Aber sein Arm arbeitete nicht richtig mit, weshalb ich es anzweifeln durfte, dass solch eine Medizin Wunder bewirken könnte. Jedem hier war klar, dass er niemals seinen Arm so bewegen konnte wie damals. „Mensch, dieses Ishida Pulver mit heißem Sake ist das Beste! Da werd ich glatt neidisch!“ Nagakura hatte sich ebenfalls im Ikeda verletzt, aber er hatte bisher immer beteuert, dass seine Hand verheilt war, trotz der Tatsache, das die Stelle noch immer recht schmerzhaft aussah. Darüber hinaus hatte er wieder mit seinem Training begonnen und ging seine täglichen Runden. Ich hatte sogar mal mitbekommen, dass er Hijikata überzeugt hatte, dass seine Wunden nicht so schlimm waren wie die von Okita oder Heisuke. „Ich hätte nie gedacht, dass Toudou-kun oder Okita-san verletzt von einem Kampf zurückkehren würden...“ bemerkte Inoue und seufzte leicht. Heisuke hingegen schnaubte. „Es war so dunkel da drin! Es war nicht mal ein fairer Kampf, okay?! Der kam plötzlich aus dem Nichts und durchbrach mein Stirnband!“ „Er entzweite es mit einem Schlag? Das ist verdammt beeindruckend.“ Heisuke knurrte auf der Aussage Haradas, welcher daraufhin nur breit lächelte. „Ich hörte, jemand ist dir entwischt, Okita.“ rief Nagakura leicht schadenfroh, als hätte er endlich etwas gefunden, diesen zu ärgern. Okita hingegen lächelte nur. „Es wird nie wieder vorkommen.“ Damit ließ er keine weiteren Fragen zu. Saitou blieb ruhig während der Diskussion, weshalb ich darauf aufmerksam wurde. „Was denkst du darüber?“ wollte ich wissen, hielt meine Stimme aber recht leise, um die anderen nicht zu stören. „Ich frage mich nur. Warum waren diese Männer in der Lage, Souji zu besiegen? Sie behaupten, sie wären keine Mitglieder der Choshu, aber ich meine gehört zu haben, das der Eigentümer des Ikeda ausschließlich Choshu Männer für die Nacht rein gelassen hatte.“ Er hatte einen Punkt. Wenn die Choshu ein geheimes Treffen abhielten, würde man natürlich die Leute bewachen, die ein und aus gingen. Da steckte wohl noch mehr dahinter. „Wenn sie unbemerkt rein kamen, stellte sich die Frage, wie sie es geschafft hätten... und mit welchem Grund?“ War er der Meinung, dass diese Männer schon vorher im Gasthaus waren, bevor die Shinsengumi eingetroffen war? „Das einzige was wir von diesen Männern wissen, sind ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten und Stärke.“ Kaum hatte er den Satz beendet, betrat Kondou den Raum. „Wir haben Befehle vom Aizu Reich erhalten!“ Jegliche Konversation verstummte und alle Augen wanderten zu Kondou. „Um uns gegen einen Angriff der Choshu vorzubereiten, wurde die Shinsengumi an die Front geschickt.“ Wie zu erwarten gab es einen Jubel. „Endlich! Es wurde auch Zeit!“ Nagakura ließ seine Faust in die Hand niedersausen. „Tja, Heisuke, Pech für dich. Während du verletzt bist, kannst du nicht mitkommen und kämpfen.“ Ein Hauch von Schadenfreude war aus der Stimme des Rothaarigen zu hören. „Was??! Komm schon, das ist doch was anderes!“ Heisuke drehte sich zu Hijikata um, in der Hoffnung, dass dieser ihm die Erlaubnis gab, mitgehen zu dürfen. „Auf keinen Fall. Du bleibst hier und bewachst das Hauptquartier.“ Seine Tonlage war kalt und hart wie Stahl. „Wa... Du bist ein echtes Monster, Hijikata-san, weißt du das?! Ein Oni!“ „Muss ich dafür sorgen, dass du deine Klappe hältst?“ Sofort wurde dieser still. Auch wenn ich nicht daran glaubte, dass Hijikata seine eigenen Männer fertig machen würde. Zumindest nicht physisch. Aber er machte es ihnen auch nicht leichter, selbst wenn sie verletzt waren. „Die Verletzungen wären lästig, also bleiben wir hier und bewachen das Quartier wie gehorsame Krieger.“ Sanans bitteres Lächeln hatte nichts Warmes. Heisuke seufzte nur. „Ich denke, ich passe ebenfalls. Ich würde gerne mitkommen, aber ich bin nicht bei vollen Kräften.“ Okita tat sein Bestes um lässig zu klingen, aber man bemerkte den Hauch von Enttäuschung in seinen Worten. Kurz schwieg ich, ehe ich meinen Kopf an Kondou wandte. „Ich nehme an, ich bleibe auch zurück?“ „Ja. Ich bitte dich darum, dass du ein Auge auf Heisuke und Souji wirfst. Ich will nicht, dass sie sich wie schmollende Kinder benehmen.“ Viele der Männer begannen zu grinsen, als er das gesagt hatte. Verständlich. Ein Blick zu den beiden verriet mir, dass sie es ihm in kleinster Weise übel nahmen. Während die Shinsengumi an die Front gingen, blieb eine Handvoll Krieger zurück im stillen Hauptquartier. „...Wenn ich mein Zimmer verlasse, sollte ich keine Probleme bekommen...“ Es war kaum möglich, an so einem großen Ort auf irgendwelche Krieger zu stoßen. Aber wo sollte ich hin? Mir fiel die Bitte Kondous ein. „Okita war im Hinterhof...“ Als jeder den Gemeinschaftsraum verließ, hatte er gemeint, er würde frische Luft schnappen gehen. Sein Verhalten war mir auffällig, denn auch wenn er sich auf dem Weg der Besserung befand, die kalte Luft schien ihm nicht gut zu tun. „Heisuke und Sanan müssten noch im Gemeinschaftsraum sein...“ Heisuke war recht frustriert darüber, zurückgelassen zu werden, Sanan wurde immer kühler und distanzierter in letzter Zeit. Auch wenn ich mir ein wenig Sorgen um Okita machte, ich tendierte dazu, nach Heisuke zu sehen. Mit ihm hatte ich mich schließlich am Meisten angefreundet. … Als ich die Gänge runter ging, hörte ich Heisuke mit jemanden reden. Tatsächlich waren sie im Gemeinschaftsraum geblieben. „Verdammt... Ich wünschte ich wäre gerade ebenfalls dort... Hier herum zu sitzen ist langweilig!“ „Deine Verletzung ist zwar nicht so ernst, aber es ist besser, kein Risiko einzugehen.“ Irgendwie wirkte es, als würde Sanan Heisuke aufmuntern wollen. Wie lange war es her, seit ich Sanan so nett reden hörte? Er war einst ein netter Mann. Irgendwie vermisste ich diesen Sanan. „Ich meine... Ja, es schmerzt immer noch, ich weiß. Und es ist wichtig, unser Hauptquartier zu beschützen, aber...“ Heisuke zupfte an seinem Pony herum, die die Narbe verdeckte, die er an der Stirn trug. Allein der Anblick war genug, um ihn weiter zu beobachten. Es war niedlich. „Nun, sobald deine Verletzungen verheilt sind, kannst du an die Front gehen.“ Man hörte eine dezente Bitterkeit aus Sanans Worten heraus, die zu seinem Lächeln passte, aber Heisuke war zu sehr abgelenkt, es zu bemerken. „Besser als auf ewig verdammt zu sein, den Rest des Lebens als Ausgestoßener zu verbringen.“ Dies war ausschlaggebend für den Jüngeren, der nun realisierte, was er angerichtet hatte, bewegte den Mund wie ein Fisch, der nach Luft rang, brachte aber keinen Ton heraus. Es war also wahr. Sanan konnte kein Schwertkämpfer mehr sein. Es folgte eine peinliche Stille. Ich mischte mich dort nicht ein. Von der Stelle bewegen konnte ich auch schlecht, da sie dann wussten, dass ich gelauscht hätte. Ich hatte keine Wahl, ich sollte zurückgehen. Doch bevor ich mich umdrehte, begann Sanan zu reden. „Aber... durch die richtige Behandlung... sollte ich wieder ein Schwert führen können.“ ...Behandlung? Was meinte er damit? Medizin? Er nahm doch schon dieses Ishida Pulver, es sei denn... er meinte etwas ganz anderes. „Was?! Warte, Sanan-san! Du denkst doch nicht darüber nach, dich der 'Truppe' anzuschließen, oder?!“ Heisukes Selbstmitleid verschwand mit einem Male, anstelle kamen Gefühle wie Unglaube, Entsetzen und... Angst hoch. Dennoch kam mir diese Konversation bekannt vor. Ich hatte sie jene Medizin schon einmal erwähnen hören. Es war in der Zeit, wo ich her gekommen war. Wir hatten zu Abend gegessen, als wir die Nachricht von Sanans Verwundung bekamen. »“Wenn es hart auf hart kommt, muss er es wohl akzeptieren. Aber Sanan ist niemand, der leicht aufgibt.” „Sag das nicht, Souji. Es kommt nicht gut, wenn ein Offizier sich der Truppe anschließt.“« Dort wurde die 'Truppe' erwähnt, aber niemand hatte erklärt was damit gemeint war. „Es funktioniert doch gar nicht! Souji und Hajime mussten sie töten, vergessen?“ Sie mussten sie töten...? Ich erinnerte mich an jene Nacht, die ich wohl nie vergessen würde, aber was hatte sie mit der 'Truppe' zu tun? „Wahr. Es ist noch nicht vollständig, aber sollten wir Kodou finden, sollte er die nötige Unterstützung bieten können.“ Mein Vater? Was hatte er mit ihrer 'Behandlung' zu tun? Irgendwie krachten diese Informationen in meinen Schädel, das ich sie nicht zusammen ordnen konnte. Langsam ahnte ich, dass ich mal wieder auf etwas gestoßen war, was mich gar nichts anging. Warum musste ich mich immer der Neugierde hingeben?! „Verzeih, aber ich muss dich darum bitten, niemanden ein Wort darüber zu verraten.“ Sanans kalte, ruhige Stimme fuhr durch den Raum. Als ich einen Blick wagte, hatte er direkt zu mir gesehen. Ich zuckte stark zusammen. „Uh...? Ja, klar, Sanan. Ich sag es niemanden, aber ernsthaft, du kannst es nicht machen!“ Heisuke schien nicht kapiert zu haben, das er nicht damit gemeint war. Aber was erwartete ich, er hatte mich schließlich nicht bemerkt. Nachdenklich trat ich zurück und begab mich in mein Zimmer. Momentan hatte ich den kleinen Wunsch gehabt, dieses nie verlassen zu haben. Die Choshu Extremisten hatten vorgehabt, das kaiserliche Eigentum anzugreifen. Dies wurde als Hamaguri Rebellion bezeichnet. Obwohl die Shinsengumi zur Aktion aufgerufen wurde, ihre Bemühungen wurden zunichte gemacht. Die meiste Zeit verbrachten sie damit, auf die Verstärkung zu warten, die Kommunikation mit den Vorgesetzten war recht schwach gewesen. Als die Shinsengumi endlich in den Kampf eingeschritten waren, stießen sie auf einige starke Gegner: Chikage Kazama, der Mann der Okita im Ikeda besiegt hatte und behauptete, vom Satsuma Reich zu kommen, hatte sich Hijikata entgegen gestellt. Kyuju Amagiri, der Mann, der Heisukes Stirnband mit bloßer Hand entzweit hatte, ebenfalls ein Satsuma. Als drittes trafen sie auf Kyo Shiranui, der an der Seite der Choshu kämpfte. Wer immer sie waren, sie waren keine Verbündeten der Shinsengumi. Es schien als würden sie schwere Gegner werden. Als sie auf dem Schlachtfeld aufeinander trafen, gab es schwere Verluste. Der Kampf fand sein Ende, als die Kommandanten der Choshu im Kampf getötet wurden. Einige von ihnen konnten entkommen, setzten Kyoto auf ihrer Flucht in Flammen. Als käme es nicht schlimmer, wurde das kaiserliche Landgut im Süden niedergebrannt. Daraufhin wurden einige imperiale Nationalisten auf der Stelle hingerichtet. Die Shinsengumi bekam die Erlaubnis, auch außerhalb Kyotos zu patrouillieren, ihre Standorte verbreiteten sich von Osaka nach Hyogo. Noch dazu behielten sie ihre Routine Aufgaben, Rōnin einzufangen und das öffentliche Gut zu beschützen. Nachdem die Hamaguri Rebellion zu Ende war, wurden die Choshu als Verräter verurteilt. Somit wurden sie zu anerkannten Feinden des Gerichtes. Kapitel 10: Kapitel 2.1 - Itou ------------------------------ Chapter 2 Februar 1865 Nach dem Frühstück eines Tages, fand ich mich auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum mit einem Tablett frischem Tee. „Der Tee ist fertig.“ Es war klar, dass ich nicht viel machen konnte. Innerhalb des Hauptquartiers fühlte ich mich wie eine Maid, die die Jungs hier bedienen sollte, außerhalb war ich der unersetzliche Krieger. Für jeden goss ich den Tee ein und gab es ihnen. Immerhin war es beinah schon Routine, bisher hatte sich aber niemand über meine Teemischung beschwert. „Oh, vielen Dank, Yukimura-kun.“ Inoue gab mir ein warmes Lächeln, als ich ihm seine Tasse reichte. „Es gibt nichts Schöneres als einen heißen Tee an einem solch kalten Tag.“ „Danke...“ Ich ließ es mir nicht anmerken, aber ich war ganz schön stolz auf mich selbst. Immerhin konnte ich mehr als nur Tee kochen und jeder hier wusste es. Dennoch, auch wenn Tee kochen nicht gerade beeindruckend war, meine anderen Fähigkeiten hatten die Jungs jedoch anerkannt. »Es war bereits ein Jahr vergangen, seit ich die Suche nach meinem Vater begann und nach Kyoto zog. Das Leben mit der Shinsengumi war anfangs nicht ganz einfach, aber mit der Zeit gewöhnte man sich schnell daran. Trotz ihrer Hilfe hatte ich in der Zeit keine Spur entdecken können. Aber niemand hatte aufgegeben. Stets waren sie da und munterten mich auf, sollte ich in Depressionen verfallen. Sie hielten mich auf dem Laufenden und durch sie kam ich auch vorwärts. Das Leben mit den Jungs wurde so zur Gewohnheit, das ich es mir kaum vorstellen könnte, wieder von ihnen getrennt zu sein. Sollte ich meinen Vater finden, was würde dann sein? Was würde meine Zukunft für mich bereit legen? Immerhin war ich ihnen keine Last, ich kämpfte entweder an ihrer Seite oder kümmerte mich um die Verletzten, wenn ein Kampf bevorstand. Schritt für Schritt fühlte ich mich akzeptiert von jedem hier, selbst von dem Dämonenkommandanten. Ich hatte meinen Platz in der Shinsengumi gefunden und ich fühlte mich schon wie ein Mitglied von ihnen.« Hijikatas Stimme riss mich aus meinem Gedanken und holte mich zurück in die Gegenwart. „Das Yagi Haus war stets gut zu uns, doch langsam wird dieser Ort überfüllt.“ „Ja, es wird in der Tat enger, besonders weil immer mehr Rekruten zu uns stoßen.“ stimmte Shinpachi zu. „Und es werden immer mehr.“ Heisuke war momentan in Edo, um neue Männer für die Shinsengumi zu rekrutieren. Es war zwar immer gut und notwendig, neue Krieger einzuführen, aber irgendwann würde auch ein Quartier wie dieses an Platzmangel leiden. Die Krieger wurden in kleinen Räumen gequetscht. „Wenn wir in ein größeres Gebäude ziehen könnten, wäre es großartig. Die Jungs beschweren sich langsam immer öfter über die kleinen Räume, in denen sie jede Nacht verbringen müssen.“ brummte Shinpachi und stieß einen Seufzer aus. Langsam aber sicher fühlte ich mich ein wenig schuldig, einen eigenen Raum für mich allein zu haben. „Leichter gesagt als getan. Es wird schwer, jemanden zu finden, der uns sein Quartier zur Verfügung stellen würde. Hast du etwas Bestimmtes im Kopf?“ wollte Souji wissen. Hijikata hatte ein finsteres Grinsen auf den Lippen. „Der Nishi Hongwanji Tempel.“ Soujis Gelächter hallte im Raum. „Ahahahaha! Als würden sie uns dort wohnen lassen! Willst du sie etwa zwingen, uns ihren Tempel zu überlassen, Hijikata? Von dir erwarte ich echt alles.“ Auch wenn ich oft auf Patrouille mit den Jungs war oder auch so in die Stadt ging, von Kyoto hatte ich noch immer nicht alles gesehen. Ich hatte keinen Plan, wo dieser Tempel stand. „Es ist groß, das gebe ich zu, aber ich bezweifle, dass die Mönche einen Haufen Krieger in ihr Tempel lassen. Dennoch wäre die Umgebung perfekt. Man kommt ganz schnell und einfach an bestimmte Orte der Stadt.“ schwärmte Sanosuke, der ein breites Grinsen im Gesicht hatte. Auch ihn schien Hijikatas Plan nicht sonderlich zu verwundern. Die momentane Lage des Hauptquartiers war im Umkreis von Mibu, am Stadtrand Kyotos. Der Rotschopf hatte nicht unrecht, als er andeutete, dass es schwieriger war, von unserem jetzigen Quartier aus zur Stadt zu gelangen. „Sie wollen uns wirklich nicht dort haben?“ Saitou zuckte leicht bei meiner Frage. „Der Nishi Hongwanji Tempel hatte einst mit der Choshu kooperiert. Einige Rōnin hatten dort ihre Bleibe.“ Wenn die Mönche die Choshu unterstützt hatten, machte es dies zu unseren Feinden. Kein Wunder, das sie uns nicht mit offenen Armen empfangen wollten. Das war ein ganz anderes Problem, was die Shinsengumi zu bewältigen hatte. Sich nach einer größeren Bleibe umzusehen war schon schwer genug, aber direkt eine Bleibe, die einst dem Feind gehörte...? Saitou fuhr fort. „Es gibt keinen Zweifel, das sie uns eventuell nicht empfangen wollen. Andererseits hätte die Choshu einen Ort weniger, an dem sie sich verstecken könnten, sollten wir in den Tempel einziehen.“ Das ergab Sinn. Es war nicht nur die ausgezeichnete Umgebung, wir würden die Feinde in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken, dann hätten sie das Problem, sich eine neue Bleibe zu suchen. Was immer für Schwierigkeiten wir bekommen würden, um diesen Tempel zu kriegen, es wäre es wert. „Du denkst doch nicht... darüber nach, uns gegen die Männer vom Kloster aufzudrängen?“ Sanan zeigte deutlich seine Abneigung gegenüber dieser Idee. Hijikatas Stimme war zwar ruhig, aber dennoch streng. „Die Choshu hatten diesen Tempel genutzt, um ihre Männer dort unterzubringen. Sie hätten es niemals ohne die Hilfe der Mönche geschafft.“ „Mir ist in der Tat bewusst, das sie mit der Choshu unter einer Decke stecken, aber...“ Der Brillenträger verstummte. Auch wenn es ihm widerstrebte, ein Gegenargument hatte er scheinbar nicht parat. „Ich stimme Toshi zu, aber auch Sanan liegt im Recht.“ warf Kondou ruhig ein und nickte. „Beeindruckend, Kondou-san. Nur ein Mann mit einer ehrlichen Aufgeschlossenheit kann so rücksichtsvoll zu beiden Parteien sein.“ erklang die helle Stimme eines Schwarzhaarigen. „Oh? Meinst du? Nett von dir, aber ich befürchte, dass ich ein wenig unvorsichtig bin als aufgeschlossen.“ Er wurde rot und räusperte sich, ehe er sich wieder lockerte, während Hijikata und Souji nur finstere Blicke austauschten. »Der Mann, der mit Kondou sprach war Kashitaro Itou, der Stellvertretender Kommandant. Er schloss sich der Shinsengumi vor Kurzem an. Kondou hatte Heisuke in Edo gelassen und brachte Itou und einige seiner Männer mit sich, die sich ebenfalls uns anschließen wollten. Angeblich sollte er der Meister des Hokushin Itto Schwertkampfes sein und leitete eine eigene Schule. Als Itou den Kapitänen vorgestellt wurde, schien niemand direkt begeistert davon zu sein. Sehr bald hatten sich Itou und Kondou zurückgezogen, um miteinander zu reden. „Ich hörte Itou sei ein imperialer Nationalist. Warum sollte jemand wie er sich der Shinsengumi anschließen?“ wollte Saitou wissen. „Er ist also wie die Choshu, huh? Meinst du jemand wie er kommt mit uns klar?“ Hijikata sah kurz zu Sanosuke, dann schnaubte er leicht. „Kondou-san ist dem Kaiser gegenüber sehr loyal. Auch wenn sich der Kaiser und der Shogun nicht einig sind, beide sind trotz allem Nationalisten.“ Sie mochten zwar uneinig sein, wie sie die Regierung zu führen haben, aber niemand wollte, dass eine fremde Nation die Kontrolle über ihr Land ausübte. „Zudem, Kondou ist ohne Zweifel ein Loyalist, aber er hat auch einige Tendenzen, die gegen den Kaiser sprechen...“ Scheinbar waren verschiedene Fraktionen nicht ganz so treu wie sie vorgaben. Würden Kondou und die Shinsengumi in eine Zukunft hinarbeiten, in der das Shogunat die Stadt kontrollierte und gleichzeitig dem Kaiser noch immer Respekt gegenüber bringen? Für alle wäre dies eine erfreuliche Lösung. Wenn das der Fall wäre, dann war Kondous Sicht von nationaler Loyalität eine wunderbare Sache. „Wieso habe ich das Gefühl, das von uns allen Sanan der Einzige ist, der sich über Itous Auftauchen freut?“ fragte Shinpachi und sah zu diesem. „Nun, sie haben beide Itto praktiziert, oder?“ „Er kennt Itou auch schon länger, oder? Zudem ist Sanan auch ein Loyalist...“ Sanosuke und Shinpachi seufzten gleichzeitig. Ich hätte jedenfalls nicht gedacht, dass Itou und Sanan so viel gemeinsam hatten. Sein Ausdruck zeigte jedoch nicht direkt seine Freude. „Ja... Ich hatte Itou einst getroffen. Er ist gut ausgebildet und ein fähiger Rhetoriker. Mit so einem stellvertretenden Kommandanten bin ich wohl weniger nützlich.“ … Sanans Worte hingen schwer in der Luft. Über die Ränge der Shinsengumi wusste ich so viel Bescheid, das ein stellvertretender Kommandant in der Position über dem Oberst war. „Wenn Itou hier ist, bleibt nicht viel Arbeit für mich.“ Dies hatte ich nie bedacht. Sanan fühlte sich von Itou aus seinem Rang geworfen. Eine erdrückende Stille fiel in den Raum. „Wirklich? Ich mag ihn nicht.“ Souji war der erste der sprach, Sanosuke folgte. „Ja, ich weiß was du meinst. Wie er dich ansieht...“ „Genau! Er verhält sich recht... arrogant, weißt du? Er sieht auf jeden herab.“ Jeder stimmte Shinpachi zu. Auch ich konnte ihn nicht gerade ausstehen, dieser Itou schien zwar keine schlechte Person zu sein, denn sonst wäre er nicht hier, aber... er wirkte abschreckend.« Itou's schmales Lächeln erstrahlte in seinem Gesicht, als Sanan seine Meinung zu Hijikatas Idee preisgab und wandte sich an diesen. „Du denkst immer an die Möglichkeiten, Sanan-san. Ich bin beeindruckt, aber ich befürchte, in dieser Hinsicht musst du es überdenken. Es könnte ein Problem geben, ja, aber...“ Sein Ton klang respektvoll, aber es passte nicht zu den Worten, die seine Stimmbänder verließen. „... Bist du nicht auch der Meinung, dass dein nutzloser linker Arm das größere Problem ist?“ Jegliche Wärme, die noch in der Luft hing, verschwand mit einem Schlag. „Natürlich bist du nicht nutzlos, auch wenn du nicht mehr als Krieger dienen kannst. Ich bin mir sicher, dein Verstand und deine Voraussicht werden weiterhin eine gute Unterstützung für die Shinsengumi sein... und für mich.“ Es war als würde Itou ein Messer tief in Sanans Herz rein rammen, so klang es. Ich sah dessen Schulter sinken, als wäre er ebenfalls in den Magen geschlagen worden. Jeder im Raum schwieg, aber die Anspannung und die Wut war deutlich zu spüren. „Wahrscheinlich habe ich dich nicht richtig gehört, Itou.“ knurrte Hijikata, die Stimme hatte den Klang einer Klinge, die gerade an einem Schleifstein geschärft wurde. „Sanan ist ein kluger Mann. Aber mehr als das, er ist auch ein Krieger der Shinsengumi. Er ist nicht nutzlos und er ist nicht ersetzbar!“ Hijikatas letzte Worte fuhren knurrend über die Lippen und waren deutlich genug. „Aber mein Arm...“ Sanan konnte nicht einmal seinen Satz beenden. Egal wie viele Fähigkeiten ein einzelner Schwertkämpfer hatte, Sanan konnte kein Schwert mehr führen. Sie wussten alle, dass der Arm nie richtig verheilen würde und Hijikatas verzweifelter Versuch, seinen Freund zu unterstützen schien den Gemeinten nur noch mehr runter zu machen. „Du liebe Zeit. Das war schrecklich unhöflich von mir. Es wäre wunderbar, wenn die Nachricht käme, dass dein Arm vollständig verheilt ist.“ Itous Lächeln täuschte niemanden und Sanan verfiel in Schweigen. „...Verdammt.“ Der Kommandant murrte leise vor sich hin, aber ich konnte es deutlich hören, da ich direkt neben ihm saß. Doch dem Schwarzhaarigen fiel sein falsches Verhalten auf. Es war das erste Mal - seit ich hier war - das Hijikata ratlos wirkte. Er hatte eine harte Schale, aber er behielt stets die Kontrolle über sich. Allein Sanans Verletzung machte ihn schwer zu schaffen, was auch seine Maske ein wenig abfallen und den weichen Kern offenbaren ließ. „Ah... um... Itou.“ Kondou suchte sich seine Worte sorgfältig aus mit dem verzweifelten Versuch, das Thema zu wechseln. „Würde... Würde es dir etwas ausmachen, dir unsere Trainingshalle anzusehen?“ Itous Augen verengten sich, auf seinen Lippen ein verschmitztes Lächeln. „Du meine... Wie rücksichtsvoll von dir. Klar, natürlich, liebend gerne würde ich mir das ansehen. Eine Trainingshalle! Die Luft überfüllt vom Schweiß der Männer, die nach Stärke streben... Entzückend!“ „Der Schweiß der Männer...? Ja, du hast Recht. In der Halle müffelt es...“ … Itou war eine sehr merkwürdige Person... Nachdem die sich intensiv unterhaltende beiden Männer den Raum verlassen hatten, wanderten alle Blicke zu Sanan. „Sanan, hör nicht auf dieses Arschloch, okay?“ brummte Shinpachi nur genervt und bekam nickende Zustimmung. Doch Sanan sagte nichts. Er erhob sich und ging. „Man, er tut mir echt Leid... Selbst seine eigenen Männer meiden ihn in letzter Zeit.“ Das war das erste Mal, das ich so etwas gehört hatte, doch Sanosuke war niemand, der so etwas einfach so behauptete. Außer den Kapitänen hatte ich von dem Rest nie jemanden wirklich gesehen. „Nun, in letzter Zeit ist er so distanziert. Ich kann mir gut vorstellen, das es der Grund ist.“ Es war nicht schwer zu erkennen, das sie alle dasselbe fühlten... Sanans Verhalten wurde immer schlimmer in den letzten Wochen. „Er war nicht immer so. Damals hatte er sich bemüht, um auf jeden aufzupassen.“ meinte Sanosuke, worauf ich ihn kurz verwirrt ansah. „Ja er war nett, aber es war nur Schein...“ „Meint ihr das ernst...?“ wollte ich von ihnen wissen. Es klang nämlich so, das Sanans Freundlichkeit nur Fassade war. „Was in aller Welt sieht Kondou in diesem Kerl?“ Souji und Hijikata hatten nicht auf die Konversation der anderen beiden geachtet, aber ihre Gesichtsausdrücke waren finster. „Woher soll ich das wissen? Wahrscheinlich hatte er sich gut gesprochen und Kondou beeindruckt mit seinem Scheiß.“ „Warum knöpfst du dich ihm nicht vor, Hijikata? Sag ihm, das die Shinsengumi ihn nicht braucht.“ Leichter gesagt als getan, Souji. Hijikata stieß einen frustrierenden Seufzer aus, rieb sich mit den Fingern die Stelle zwischen den Augen. „Kondou würde es niemals zulassen. Er bewundert Itou. Außerdem hat sein Einstieg einige Männer mitgebracht. Denkst du, sie würden weiterhin bleiben, wenn wir ihn raus schmeißen?“ Der Kommandant hatte recht. Er schien genauso wenig erfreut sein, was Itou betraf, wie Souji, aber sie saßen in der Patsche. „Ja und? Bist du nicht der Oni? Der Kommandant der Hölle? Du solltest Unmögliches möglich machen können!“ „Gut Souji. Wie wäre es, wenn du der Kommandant bist? Dann kannst du das erledigen!“ „Ha! Bloß nicht, das ist zu mühsam.“ Souji grinste und lachte darüber, aber als er fertig war, verdunkelte sich seine Miene abrupt. Ja, jeder konnte Itou nicht leiden. Doch niemand wusste, was sie mit ihm tun sollten. „Magst du ihn auch nicht, Saitou?“ wollte ich wissen, da ich sein Schweigen schon länger bemerkt hatte und neugierig war, wie er darüber dachte. „Wenn eine Organisation wächst, heißt es auch, das man Leute aufnimmt, die eine andere Einstellung mitbringen.“ Dann unterstützte er Itous Ernennung zum stellvertretenden Kommandanten? Gerade wollte ich weiter fragen, da sprach er weiter. „Wie auch immer, wenn jemand seine eigene Absichten erzwingen will, wird die Organisation von innen heraus vermodern und letztendlich zusammen brechen.“ Seine Worte schwirrten in der Luft herum, ein dunkles Omen für die Zukunft der Shinsengumi. Es war zwar aufmerksam, Itou aufzunehmen, aber seine Anwesenheit würde früher oder später das ganze Team ins Chaos stürzen. Die untergehende Sonne schien durch das Fenster in einem zarten, warmen roten Licht als wir entschieden, raus zu gehen, in der Hoffnung, das die frische Brise uns beruhigen würde. „...kalt...“ Trotz der Sonne, die auf uns schien, war der Frühling noch weit entfernt. Sanans Kondition sorgte mich im Moment viel mehr als die Sache mit Itou. „Wenn sein Arm doch nur verheilen würde...“ Der Arm war wohl das Ausmaß seiner Veränderung. Allein der Gedanke, das sein Arm eventuell wieder werden würde, war wie ein Kindertraum und nicht die Wirklichkeit. Das war der Zeitpunkt, an dem ich mich erinnerte... »“Wenn es hart auf hart kommt, muss er es wohl akzeptieren. Aber Sanan ist niemand, der leicht aufgibt.” „Sag das nicht, Souji. Es kommt nicht gut, wenn ein Offizier sich der Truppe anschließt.“« Die Shinsengumi hatte etwas... Geheimnisvolles. Ich wusste nicht was es genau war oder um was es sich genau handelte. Aber es schien, so wie sie immer geredet hatten, dass es nicht ganz so erfreuliche Nebeneffekte beherbergte. „Moment...“ Da war noch etwas. Etwas, was schwere Wunden heilte und etwas mit jener 'Truppe' zu tun hatte. Es könnte noch mehr dahinter stecken, aber ich wusste nichts weiteres. Aber ich wusste, dass es mich umbringen würde, wenn ich mich weiter damit beschäftigte. Andererseits dachte ich, wenn ich heraus fand, was es war, könnte ich vielleicht helfen. „Ich bin schließlich der Sohn eines gut ausgebildeten Arztes.“ Solche Kenntnisse hatte niemand außer mir hier. Die Nacht brach herein. Ich hatte mich entschieden, der Sache auf den Grund zu gehen. Ein ganzes Jahr lebte ich schon hier, hatte mich eingelebt, hatte die Anerkennung der anderen... Wo sollte ich starten? Mein Zimmer befand sich im Yagi Haus, in welches auch die anderen Kapitäne lebten. Es hatte eine Weile gebraucht, bis ich die Gegend in und auswendig konnte. Dennoch gab es einige Räume, in denen ich nie gewesen war. Nehmen wir zum Beispiel Hijikatas Zimmer. Dann gab es noch das Maekawa Haus, wo die anderen Krieger und Rekruten waren. Dort begab ich mich nie, es war also unbekanntes Territorium für mich. „Hm...“ Aber irgendwo sollte ich anfangen. Zunächst dachte ich daran, einfach an den Ort zu gehen, wo ich kaum war, denn dort fand ich bestimmt was. Doch andererseits... „Ich habe mich entschieden.“ Ich suchte die Räume auf, die sich im Yagi Haus befanden und in denen ich nie war. Für den Anfang sollte es reichen. Kapitel 11: Kapitel 2.2 - Die Verwandlung ----------------------------------------- Die Nacht fiel herein, das Yagi Haus stand still in der Dunkelheit. Leise wie möglich schlich ich mich durch die Gänge. Denn sollte mich jemand sehen, bekäme ich wohl Probleme. Kurz stutzte ich und hielt die Luft an. Hatten mir meine Ohren einen Streich gespielt oder hatte ich Schritte gehört? Nach einigen Momenten in stiller Einsamkeit, die ich mit dem Schatten verbracht hatte, wagte ich mich aus meinem Versteck und blickte in den Gemeinschaftsraum. Dort drin saß Sanan. Doch irgendwie hatte ich ein komisches Gefühl. Sollte ich ihn ansprechen...? Während ich darüber nachdachte, drehte er sich um. „Ich hätte nie gedacht, dass es ausgerechnet du sein würdest, der mich erwischt. Unerwartet.“ „Ach ja...?“ Kein Plan was er meinte, aber sein Gesichtsausdruck überraschte mich sichtlich: Er hatte ein friedliches Lächeln auf den Lippen; etwas, was ich seit langem nicht mehr gesehen hatte. Doch es war zu friedlich, als wären all seine Sorgen weggeblasen. „Hm?“ Das Mondlicht schien auf etwas in seiner Hand. „Ich denke, du fragst dich, was das ist?“ Er hielt es in die Höhe. Es war ein dünnes Fläschchen aus Glas, gefüllt mit einer purpurroten Flüssigkeit, was für mich ganz stark nach Gift aussah. „Es ist eine geheime Medizin, die dein Vater Kodou entwickelt hatte, unter dem Befehl des Shogunats.“ Mein Vater sollte für das Shogunat so etwas merkwürdiges machen? „Sie sagten, es erschien zuerst im Westen. Der Inhalt dieser Phiole soll jemanden komplett verändern.“ „Was meinst du mit 'komplett verändern'?“ „Nun, um es einfacher auszudrücken, es macht einen sehr stark und erhöht die bereits vorhandenen Fähigkeiten.“ Wenn das wahr war, dann... „Dennoch gibt es eine schwere Nebenwirkung.“ Sein Lächeln wurde schwächer. „Es ist... Wie soll ich sagen? Es ist zu stark. Die Wirkung ist deutlich erkennbar, aber jene, die es zu sich nehmen, verfallen dem Wahnsinn. Du hast das Ergebnis schon einmal gesehen, oder?“ Natürlich... Das Ergebnis des Wahnsinns hatte ich in der Nacht, in der ich auf die Shinsengumi getroffen hatte, gesehen. „Ich sehe, das du dich erinnerst.“ Seine Augen wurden schmal und er wirkte recht zufrieden. „Sie waren nichts außer blutdurstige Monster. Sie waren nicht in der Lage, rational zu denken.“ „Und wieso...“ Das, was jene Krieger durch leiden mussten, war schrecklich, doch die eigentliche Frage, die sich in meinem Kopf gebildet hatte, war: Auch wenn es der Befehl des Shoguns war, wieso wurde mein Vater in solch einer widerlichen Sache involviert? Und: Wieso ließ der Shogun so etwas Gefährliches mit erhöhtem Risiko und Männerverlust befehligen? Sanan fuhr fort: „Wenn sie ihre Kontrolle verlieren, nachdem sie Blut gesehen haben, sind sie recht unnütz für den Kampf, nicht wahr? Da macht es keinen Unterschied wie stark und wie schwer sie zu töten sind. Kodou hatte seine Experimente an der 'Truppe' ausgeführt, um diese Medizin zu entwickeln.“ „Was?!“ Mein Vater hatte seine Experimente an Menschen ausgeführt, die daraufhin wahnsinnig wurden, wenn sie Blut sahen? Das konnte doch nicht sein, das würde er nie machen. Meine Brust schien sich zu verknoten, sodass ich kaum Luft bekam. Er war so ein netter Mensch gewesen und musste so etwas Unmenschliches erschaffen? Meine Hand ballte sich zu einer schmerzenden Faust. Der Brillenträger schien davon nichts mitbekommen zu haben oder sich nicht dafür zu interessieren. „Unglücklicherweise stoppte der Prozess, nachdem er verschwand. Diese Phiole jedoch repräsentiert die Früchte meiner eigenen Forschung, basiert auf dem, was er hinterlassen hat.“ Er schenkte mir ein kleines Lächeln und schüttelte das Fläschchen. Die Flüssigkeit schwappte langsam hin und her. „Ich habe es so oft wie möglich verdünnt.“ Er war komplett in seiner Welt. Ich wollte ihn so viele Dinge fragen, aber ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Letztendlich verließ eine einzelne Frage meine Lippen: „Wenn du das trinkst... was passiert dann mit dir? Drehst du durch?“ Seine Brauen zogen sich zusammen. „Um ehrlich zu sein, bin ich mir nicht sicher. Ich habe es an niemanden getestet.“ Auch wenn menschliche Testobjekte eine Sache war, die ich absolut nicht unterstützen konnte und wollte, es war klar, das er auch nur die kleinste Vorstellung hatte, was dieses Gebräu mit ihm anstellen würde. Sein Lächeln verschwand. „Wenn ich es nehme, wird mein Arm heilen. Vorausgesetzt ich habe es richtig gemischt.“ „D-Du willst es immer noch trinken?!“ Er hatte keine Garantie dafür, dass es ihn vielleicht sofort umbringen würde. Und sollte er es überleben, würde er durchdrehen. „Das ist Wahnsinn! Du weißt nicht, ob dich dieses Zeug umbringt!“ Diese Substanz verwandelte einen in ein blutdurstiges Monster, was bereits gefährlich war, aber eine neue Version davon, die noch nicht einmal vollständig war... „Ich habe keine Wahl. Das ist der einzige Weg, diesen verdammten Arm zu heilen!“ Sanan schien fast zu explodieren, so wütend schoss er diese Worte heraus. Ich schluckte und wich leicht zurück. „Ich bin schon nutzlos genug. Selbst die eigenen Männer reden schon über mich, wie krank ich doch sei!“ „Was redest du da, verdammt! Du bist ein netter Mann, Sanan-san! Jeder mag dich!“ Egal wie depressiv er war oder sich verhalten hatte, keiner der Kapitäne hatte ihn je ausgeschlossen oder gemieden. Sie waren seine Freunde und sie wollten alle, das er wieder gesund wurde. „Wie kannst du nur denken, dass du nutzlos wärst? Niemand denkt es! Und du solltest es auch nicht denken!“ „Es gibt für mich kein Leben als Schwertkämpfer mehr. Es wirkt fast so, als wäre ich gestorben und doch wandele ich hier herum...“ Sein Lächeln war kalt, zeigte ein wenig Trauer. „Lass mich zumindest als Mann sterben.“ „Nein!“ brüllte ich los und wollte ihn aufhalten. Ich stürzte mich auf ihn und wollte ihm das Fläschchen wegnehmen, doch er drehte sich weg und brachte mich zu Fall. „Das ist nicht deine Angelegenheit. Es ist meine eigene.“ Als ich aufsah, gab er mir ein sanftes Lächeln, das genauso war wie an den Tagen vor seiner Verletzung. Es war der Sanan, den ich am Anfang getroffen hatte; der nette Mann, den alle recht gern hatten. „Wenn ich erfolgreich bin, ist mein Arm verheilt. Die Chancen sind nicht so schlecht wie du es dir vielleicht vorstellst.“ War das seine Art zu sagen, ich sollte mir keine Sorgen machen? Aber wenn er einen Fehler in der Mixtur gemacht hatte oder in seiner Recherche... Niemand wusste, was mit ihm passieren würde. Ich konnte ihn das nicht tun lassen. Ich musste ihn aufhalten. „Deine Entscheidung? Ich soll dich einfach lassen? Denkst du echt, ich kann das einfach? Zusehen wie du dir das Zeug rein kippst und die Nebenwirkungen beobachten? Ich bin nicht der Einzige, der so denkt! Wenn jemand anderes hier wäre, der würde dasselbe sagen, da bin ich mir sicher!“ Kondou, Hijikata... Jeder von ihnen! Wenn Sanan starb, würde dieser Tag ein trauriger sein, für jeden einzelnen Mann der Shinsengumi. Selbst Itou, mal ausgenommen was er gesagt hatte. Er war unhöflich, aber er hatte nie Sanans Fähigkeiten in ein schlechtes Licht gestellt. „Ich bitte um Verständnis... Auch wenn ich mir vorstellen kann, dass Toudou-kun ebenso von mir enttäuscht sein würde, wenn ich es nehme.“ Sein Lächeln war distanziert, als wäre er für Heisuke gedacht, der in diesem Moment in Edo war. „Sollte ich sterben, richte ihm bitte meine besten Wünsche aus.“ „B-Bitte was?! Was meinst du, deine Wünsche ausrichten?! Das macht ihn doch nur fertig!“ Er bat mich, seine letzten Worte zu übermitteln? Ich wollte es nicht tun... Ich konnte es nicht! Sanan gab mir nur ein gekrümmtes Lächeln. „Ha. Das ich von jemanden wie dir bemitleidet werde... Und das nennt sich Oberst der Shinsengumi. Ich befürchte, ich habe dich in eine schwierige Situation gebracht.“ Und damit endete die Konversation. Mit einer einzelnen Bewegung warf er seinen Kopf nach hinten und trank diese merkwürdige Flüssigkeit mit einem Zug. Ein einzelner Tropfen entkam und lief aus seinem Mundwinkel. In meinem Entsetzen hörte ich den Klang eines einzelnen, schweren Herzschlages und das Fläschchen - welches Sanan fallen gelassen hatte - zersprang in viele Teile auf dem Boden. Sein Körper folgte den Scherben und blieb erst einmal regungslos liegen. „S-Sanan-san!“ Wieso? Wieso hatte er das getan? Wieso hat er sich dazu entschieden, den Weg des Todes zu nehmen oder schlimmer: den des Wahnsinns? Ich näherte mich ihm, kroch zu seinem Körper, ehe er seine Hand mir entgegen schoss, um mich aufzuhalten. Unsicher stoppte ich. Er stöhnte vor Qual und krallte seine Finger in sein Oberteil, an seiner Herzstelle. „Hn...ghh...“ Was stand ich hier? Als ich einen Schritt weitergehen wollte- „Ahhhhh!“ Sein rechter Arm holte aus und schleuderte mich durch den Raum. Ich krachte gegen die Wand und riss diese mit zu Boden. Vor Schmerz konnte ich kaum atmen. Nach Luft schnappend versuchte ich etwas zu erkennen, aber meine Sicht war verschwommen. Was war das für eine Kraft? Ich hustete kurz, ehe ich sah, wie Sanan vor mir hockte und seine Hände meinen Hals umfassten. „Eh he... he he he he...“ Ich konnte nicht amten! Die Hände an meinem Hals gehörten zwar Sanan, aber der Mann vor mir war jemand anderes. Sein Haar wurde langsam heller, langsam kroch die weiße Farbe bis hin zu seinen Haarspitzen. Sein Gesicht wurde in Wahnsinn getränkt, er war blass, die Augen... Sie wirkten wie die eines Raubtieren, nicht von einem Menschen. Ich sah solche in jener Nacht. Diese Kreaturen in der Gasse, ihre blauen Haori getränkt in Blut... Monster. Ich biss auf meine Lippe. Nein, das war kein Monster, das war Sanan. Er war ein Mann, den ich kannte und er war ein netter Mensch. „Sa...nan...“ Plötzlich wurde der Griff um meinen Hals lockerer. „Gah!“ Hatte er reagiert? Ich fiel rückwärts, schnappte nach Luft. Mein Hals tat weh, ich spürte noch den warmen Druck, den er hinterlassen hatte. Abdrücke begannen sich zu verdeutlichen. Auf einmal schrie Sanan los, wie ein Tier, schlug sich die Hand ins Gesicht. Aber zwischen seinen Fingern sah ich ein Auge, in der die Vernunft hinter dem Wahnsinn zu erkennen war. Der Sanan, den ich kannte, war noch da. „Nun... Ich scheine fehlgeschlagen zu haben... Wahrscheinlich war ich doch nicht so erfolgreich wie ich gedacht hatte...“ Dieser selbst ironischer Humor! Das konnte nur Sanan sein! Mein Körper war etwas geschwächt – ich wollte einfach nur liegen und einschlafen – aber ich raffte mich auf und taumelte auf ihn zu. „S-Sanan-san! Bist du okay?!“ Natürlich war er es nicht. Wie dumm von mir dies zu fragen. Sanans Atem war schwer, aber er schnaubte kurz. „Du hast keine Zeit... um dich zu sorgen. Töte mich... Jetzt. Solange du...kannst...“ Ihn töten? Ich? „Ich habe versagt. Ich spüre wie mein Verstand schwindet. Sollte ich durchdrehen... würde ich dich töten.“ Seit ich in der Shinsengumi war, hatte ich viele Krieger gesehen, die andere getötet hatten. Auch ich hatte getötet, aber dies war etwas ganz anderes als diese Situation hier. Er bat mich, ihn zu töten. Jemanden, den ich kannte. Jemanden, um den ich mich sorgte. „Ich... kann das nicht.“ „Du musst es tun!“ Seine Finger umfassten erneut meinen Hals. Er war mir so nahe, das eine einzelne Strähne auf mein Gesicht fiel. Seine Augen bohrten sich in meine, als versuchte er mich mit letzter Kraft umzustimmen, bevor die Vernunft zu schwinden begann. Wenn ich ihn nicht tötete, würde er es tun. „Ich weiß das du nur zufällig hier bist... und es tut mir Leid, dich darum zu bitten. Es tut mir sehr Leid...“ Seine rechte Hand ließ meinen Hals los, fuhr zum Griff meines Katanas. Er zog es heraus. Nein, zu spät. Ich realisierte, was er zu tun versuchte, eine Eises Kälte durchfuhr meinen Körper. „Sanan! Das kannst du nicht tun!“ „Es macht es ein wenig schwieriger, aber... eine Klinge durch mein Herz wird mich töten wie jeder andere Mann.“ Verlangte er von mir eine Antwort? Wenn ja, ich hatte keine parat. Ich hatte bereits die Mühe, seine Hände von meinem Schwert zu nehmen, welches er genau auf sich gerichtet hatte. Doch es war nicht so leicht. „Töte... mich...“ flüsterte er abgehakt, kurz davor sich in dem Wahnsinn erneut zu verlieren. „Bitte... lass mich sterben...“ War diese klägliche Stimme noch immer von Sanan? War seine einzige und letzte Hoffnung nur der Tod? Unkontrolliert spürte ich wie meine Augen brannten. Tränen schossen hoch. Ich konnte ihn doch nicht umbringen und die Ratlosigkeit, die ich all die Zeit hatte, brachte mich fast um. Wie konnte ich ihm helfen? Mit welcher Kraft könnte ich ihn aufhalten? Seine Finger waren sie Stahl um meine Hand, die das Schwert umklammerte. „Halt, Sa-!“ „Gyaaaaaaah!“ Er stieß mich von sich weg, schrie wild herum vor Qual. Kurz hatte ich ebenfalls aufgeschrien, da ich mich erschreckt hatte. Ein letzter Schrei und er fiel zu Boden. Es wirkte fast so, als hätte man seiner Marionette die Fäden durchtrennt. „S-Sanan...?“ Mein Körper zitterte stark, ich starrte nur auf den leblosen Körper. „Sanan! SANAN!“ Was war passiert? Ich rüttelte ihn, doch nichts passierte, bis die Tür aufgeschoben wurde. „Kaoru. Sanan...“ Soujis Stimme war für mich eine kleine Hoffnung, auf die ich so verzweifelt gewartet hatte. „Okita! S-Sanan... er-!“ „Lass mich mal sehen.“ Seine Augen waren schmal und ich sah diese durch den Raum schweifen; von Sanans Körper zu mir zur zersplitterten Phiole. Soujis Mund kräuselte sich, ehe er Sanans Arm um seine Schulter legte und hoch hob. „Man sagt, wenn du das trinkst, kann dein Körper das anfangs nicht aushalten. Es schmerzt höllisch und du verlierst die Kontrolle darüber. Er konnte es wohl nicht ertragen und wurde bewusstlos.“ Mein verwirrtes Gesicht und die zurückweichenden Tränen schienen ihn kurz stutzen zu lassen. „Nun, der schwierige Akt kommt erst...“ Und somit ließ er mich allein. Noch saß ich eine Weile da, ehe ich seitlich zu Boden kippte, da mich meine Kräfte verließen. Was würde nun passieren? Ich sollte aufstehen; nachsehen wohin Souji Sanan brachte oder irgendetwas tun... Aber ich war zu erschöpft, als das ich zu irgendetwas fähig war in diesem Moment. Kapitel 12: Kapitel 2.3 - Das größte Geheimnis der Shinsengumi -------------------------------------------------------------- Sanan wurde bewusstlos. Meine Stimme hatte die Kapitäne geweckt, die anschließend in den Raum gerauscht kamen. Sie alle sprachen durcheinander, aber ich verstand nichts davon. Ich war so müde, so viel war passiert. Wenn ich doch nur liegen könnte... Als ich erwachte, lag ich in meinem Zimmer, neben mir saß Souji. „Du kannst echt eine Last sein, weißt du das?“ sagte er und sah mich recht ernst an. Während ich ausgeruht war, ließ ich alles, was in der Nacht passierte, nochmal in meinen Kopf abspielen. Als ich bewusstlos wurde, hatte mich Souji wohl ins Zimmer gebracht... „Wie wäre es, wenn du die letzte Nacht mal erklärst? Wieso warst du mit Sanan dort?“ Er war die ganze Zeit nie besonders nett zu mir, aber dieses Mal war sein Ton härter und strenger, als ich sie je kannte. „Ich hatte das Gefühl, dass jemand im Gemeinschaftsraum war.“ Für einen Moment dachte ich daran zu lügen, doch verwarf diesen Gedanken. Er würde mich sowieso durchschauen. „Ich war neugierig, also habe ich einen Blick gewagt. Sanan war dann da drin.“ Souji verengte schweigend die Augen. Auch wenn ich mich an alles gut erinnern konnte, es war schwierig, es zu verstehen. Doch dann schoss mir eine Frage direkt in den Kopf: „Ist es wahr, das mein Vater etwas damit zu tun hatte... mit dem was Sanan getrunken hat?“ „Hat er dir das gesagt?“ Seine Stimme wurde kälter. Ich nickte, denn was nützte hier eine Lüge, wenn ich die Wahrheit wissen wollte? „Ja hat er. Er sagte, es macht einen sehr stark, aber man verfällt dem Wahnsinn.“ Er sah mich kurz an, als würden seine Augen etwas nach mir suchen. Er seufzte und wirkte erleichtert. „Du bist der Sohn vom Mann, der es hergestellt hat und du hast bereits gesehen, zu welchem Ergebnis es geführt hat... Ich denke, du hast ein Recht, es zu erfahren. Auch wenn es leichter wäre, dich zu töten, aber naja...“ Er sprach wieder in einem helleren Ton, aber die Absicht dahinter war keineswegs 'sanft'. Ich hatte keine Zweifel über seine Leistungsfähigkeit – sowohl physikalisch als auch emotional – mich umzubringen, wenn es nötig wäre. „...Also, hast du Fragen? Vielleicht kann ich sie ja beantworten.“ Das hätte ich nicht erwartet. Kurz dachte ich nach, ich hatte viel zu viele Fragen im Kopf und versuchte sie zu ordnen. „...Wieso ist die Shinsengumi an so etwas beteiligt?“ Es schien wie eine simple Frage zu sein, aber Souji hielt es nicht davon ab, mich spöttisch anzugrinsen. „Nun, du weißt, dass unser Job nicht nur aus Patrouillen besteht, Rōnin festzunehmen und ihnen eine Lektion zu erteilen, oder?“ „Ja.“ Ich war mit ihnen auf Patrouille und hatte die Schwierigkeiten gesehen, mit denen sie konfrontiert wurden. Die meisten Rōnin waren verzweifelt und mit den Gedanken, festgenommen zu werden, umso mehr. Eine Festnahme endete oft in einem Kampf. „Als wir anfingen, waren wir in der Minderzahl.“ Er fügte lachend noch „Jetzt nicht mehr“ hinzu. Nach der Sache im Ikeda wurde die Shinsengumi mit Anwerbungen zugeworfen. „Jedenfalls hatten wir nicht viele Männer und das war richtig enttäuschend. Dann tauchten plötzlich Leute vom Shogunat auf und schlugen uns einen Handel vor, indem wir an ihrem Experiment teilnehmen sollen.“ Verständlich das sie vorm Shogun schlecht 'Nein' sagen konnten, selbst wenn sie diesen Handel nicht wollten. Jener Handel würde einen Vorteil für beide Seiten herausschlagen: Das Shogunat bekam ihre Medizin und die Shinsengumi die Lösung für ihre Mängel an Männer. „Ihr kennt die Nebenwirkung und ihr zwingt die Männer trotzdem, es zu nehmen?“ Souji lächelte. „Wir... zwingen sie nicht, es zu nehmen. Sie wählen dieses Schicksal selbst. Normalerweise, wenn man unsere Regeln bricht, muss man ehrenvollen Selbstmord begehen. Für diese Männer jedoch...-“ „Moment, was?“ Ich hatte schon davon gehört, das die Shinsengumi ihre Regeln streng einhielten, aber... Rituelle Selbstmorde hörten sich... extrem an. „...Für diese Männer hatten wir eine Wahl gelassen: Töte dich selbst oder trinke das Gemisch des Shoguns.“ Der Brünette lachte, als wäre es lustig gewesen. „Verstehst du? Hast du Mitleid mit ihnen?“ Was sollte ich darauf bloß sagen? Was für eine Wahl war das denn? Entweder ein sicherer Selbstmord oder der Verfall in Wahnsinn und Tod durch jemand anderes? Die Männer, die ich in jener Nacht gesehen hatte... Waren ihre letzten Gedanken als Menschen etwa Hoffnung, das sie heil davon kamen und diesen Wahnsinn überlebten? Es klang... unmenschlich. „Etwas, das dich stark macht und dich schwer umbringt sollte gut klingen, oder? Natürlich, so lange dir die Nebeneffekte nichts ausmachen würden.“ Das Lächeln auf seinen Lippen war zwar noch da, aber die Augen strahlten Wut aus. Er würde es nie sagen, aber er sorgte sich um Sanan. Auch ich war in Gedanken bei ihm... War er okay? Würde er sich verändern? Noch mehr verändern als er es bereits war? Schlimmer werden oder wie früher zu der Zeit vor seiner Verletzung? Mein Magen drehte sich bei den Sorgen, die in mir aufkamen. Langsam kam der Morgen. Einer nach dem anderen betrat den Gemeinschaftsraum, müde und fertig von der langen Nacht. Inoue unterbrach die Stille, als er eintrat. „Es scheint, als hätte er den schwersten Part hinter sich.“ Erleichterung. „Er ist eingeschlafen und schaut recht friedlich aus...“ „Sanan ist also nicht durchgedreht?“ Inoue schüttelte auf Shinpachis Frage den Kopf. „Wir wissen es nicht, solange er schläft.“ Die Tür wurde aufgeschoben. „Guten Morgen alle zusammen.“ Die Anspannung wuchs wieder, als Itou rein kam. Ihre Mienen verfinsterten sich und ich hatte den Gedanken: Solange sie das nicht bei meinem Eintreten in ein Zimmer taten, war mir das recht egal. Dann stutzte ich, realisierte das ich mich gerade mit Itou verglichen hatte und wunderte mich, warum in aller Welt ich so etwas tun sollte. „Meine Güte... Ihr seht aber recht grimmig aus. Hat es was mit der letzten Nacht zu tun?“ Er war doch nicht so dumm wie wir alle insgeheim dachten. „Uh... Nein, um...“ Verzweifelt huschten Kondous Augen in den Raum, suchten nach Jemanden, der ihm eine gute Geschichte verkaufen konnte. „Sano! Mach etwas!“ zischte Shinpachi nur. „Was?! Ich?! Uh, also... weißt du, gestern-“ „Du bist so ein schlechter Schauspieler. Lass es sein.“ Soujis Lächeln war leicht verbittert. Die zwei lehnten sich zurück. „Überlass das Reden jemanden, der alles in einen Satz zusammenfassen kann.“ Dabei sah er Saitou an, der nur daraufhin nickte. „Wie du gemerkt hattest, stellvertretender Kommandant Itou, war gestern etwas in unserem Hauptquartier passiert.“ Er hielt Itous Blick stand, während er sprach. „Wir möchten dich jetzt nicht unnötig belasten, stellvertretender Kommandant. Wenn du wünscht, werde ich dir heute Nachmittag einen ausführlichen Bericht über die Sache geben.“ „Oh je...“ Itous Augen verengten sich, ehe er langsam in die Runde blickte. Ein schiefes Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Nun gut. Ich verstehe eure Situation. Ich freue mich über den Bericht später.“ Mit einem anderen, recht merkwürdigen Grinsen erhob er sich, nickte leicht und verließ den Raum. „Scheint so, als lässt er es jetzt vorerst liegen... Er mag es wohl, wie Saitou es regelt.“ Saitou war zwar respektvoll und zuvorkommend, was Itou wohl zu mögen schien, aber... was meinte er mit 'liegen lassen'? „Wir hätten ihn nicht alle von uns sehen lassen.“ Ich sah verwirrt zu Hijikata. „Der einzige Mann, der fehlte, war Sanan. Es würde nicht lange brauchen, bis Itou merkt, das etwas mit ihm passiert ist.“ Da schien der Herr wohl etwas gemerkt, aber es nicht direkt angesprochen zu haben. Langsam begriff ich, was Kondou in ihm sah. Es gab keinen Zweifel, das der Kerl verdammt clever und aufmerksam war. Ich zuckte zusammen, als Sanan durch die Tür kam. Sein Gesicht war blass, aber sonst schien er immer noch der alte zu sein. „Sanan-san! Bist du sicher, dass du jetzt aufstehen und herum laufen solltest?“ Dieser antwortete mit einem kleinen traurigen Lächeln. „Ich bin nur müde. Ein Nebeneffekt von meinem neuen... Zustand, nehme ich an. Jene, die es vor mir getrunken haben, sagten, dass es anstrengend sei, tagsüber zu arbeiten.“ Er schien wirklich verändert zu sein. „Ich bin nicht länger menschlich.“ Er lächelte. „Wen kümmert es, was du bist – du lebst! Das ist genug für mich!“ Ich konnte in Kondous Augen Emotionen aufwallen sehen, der Rest hielt sich zurück. Sie waren zwar glücklich, das ihr Freund lebte, aber was hatte ihm seine Wiederbelebung gekostet?“ „Nun... ist dein Arm verheilt?“ wollte Souji wissen. „Ich bin zwar nicht vollständig gesund, um ein Urteil zu fällen, aber...“ Er hob seinen linken Arm, der sonst immer schlaff an seiner Seite runter hing und spannte seine Hand an. „...Es scheint wirklich verheilt zu sein. Hauptsache, er wird kein Hindernis mehr sein.“ Nun, wenn er all die Sachen durchstehen musste, nur am Ende zu erfahren, das sein Arm noch immer nutzlos wäre... Der Gedanke schien mir recht fies zu sein. Sanosuke legte den Kopf schief. „Aber du kannst nicht ins Sonnenlicht damit oder? Wirst du dennoch an unserer Seite kämpfen können?“ Wenn das Tageslicht einem die Energie nahm, war ein normales Leben recht anstrengend, kaum zu schweigen über das Kämpfen mit der Shinsengumi. „Am besten sagt ihr, ich bin gestorben.“ Seine Stimme war ruhig, fast gleichgültig. „Von jetzt an werde ich in der 'Truppe' agieren, um sie und uns daran zu erinnern, das ein Erfolg möglich ist.“ „Was? Hast du den Verstand verloren?! Weißt du was du da sagst?!“ brüllte Shinpachi aufgebracht. „Natürlich weiß ich das. Tust du es, Nagakura-kun? Der Shogun hat uns befohlen, es geheim zu halten.“ Der Brünette schwieg. „Wenn ich... 'sterbe', bleibt das Geheimnis sicher.“ Er ließ keinen Platz für weitere Diskussionen. „Außerdem, sollte es uns gelingen, die Nebeneffekte zu entfernen, welchen Grund hätten wir, es nicht zu benutzen?“ Niemand war für seine Idee, aber jeder schwieg darüber. Wer übergab schon seinem Freund den Schatten, ein geheimes Leben zu leben? „Wir bekamen diese Aufgabe vom Shogun selbst...“ begann Kondou. Auch wenn Sanans Vorschlag nicht erfreulich war, es hatte eine Logik dahinter. Dieses Medikament war gefährlich, aber man könnte es verbessern: Die Nebeneffekte entfernen... Es würde sehr stark sein. Eine starke Waffe. „...Ich vermute, es ist unsere einzige Chance.“ Mit seinen Worten war es entschieden. „Nun, wenn es das ist, was du wünscht, Sanan, soll es so sein. Nur sorge dafür, das du damit nicht auffliegst.“ brummte Souji, der sich bei der Sache nicht ganz so sicher zu fühlen schien. Sanan hingegen lächelte nur. „Das heißt, das unser Umzug eine Sache ist, die wir nicht länger vor uns schieben können. Wenn wir Sanan vor Itou und seinen Männern verstecken, brauchen wir mehr Platz. Dieser Ort bringt es nicht.“ Saitou nickte. „Wenn wir beabsichtigen, mit der Forschung fortzufahren, dann ist ein Umzug sehr dringend.“ Sanans Schicksal war entschieden, sie wechselten das Thema, wo sie bleiben sollten. … Was immer mein Status war, diese Diskussion war nichts für mich. Das Leben mit der Shinsengumi im vergangenem Jahr war ein Erlebnis gewesen. Letztendlich war es nicht allzu schlecht, mein Leben wurde recht... lustig. Aber die Wahrheit konnte ich nicht ausblenden, das ich nur wegen meiner Verbindung zu meinem Vater nützlich war; eine Wahrheit, die mir schmerzhaft bewusst wurde. Diese Männer hatten zum Teil ihr Leben miteinander verbracht. Meine eigene Zeit mit ihnen war nichts dagegen. Ich konnte zwar kämpfen, aber in den meisten Schlachten durfte ich nicht dabei sein. Außer meinen Kampf- und Medizinwissen war ich nichts. Ich war keiner von ihnen. Ich rief es mir immer wieder in Erinnerung, aber es vertiefte nur meine Einsamkeit, die ich verspürte. June 1865 Drei Monate vergingen, seit wir ins Nishi Hongwanji gezogen waren. Da waren mehr Räume und dies bedeutete, weitere Wege. Jeden Tag in der Woche lief ich die Strecken ab, die ich kennen sollte und langsam kannte ich den Weg. Als ich um die Ecke des Hofes ging, sah ich jemanden im Schatten sitzen. „Da bist du, Sanan-san. Dein Essen ist fertig.“ „Oh, hallo. Danke dir.“ Der Schnee war verschwunden, die Kirschblüten blühten und verwelkten, langsam aber sicher kehrte die Hitze zurück und brachte die Schwalben mit. Sanan und ich tauschten ein Lächeln aus, ehe ich meine Hand gegen die sanfte Brise hielt. „Es ist wirklich warm geworden.“ murmelte ich nur, wie so oft. „Ja, ist es. Unglücklicherweise machen mich die Hitze und das Sonnenlicht zu schaffen.“ „Wirklich...?“ Ich dachte nicht, das die Sonne im Moment so stark war, aber für Sanan, der sich im Schatten versteckte oder in seinem Zimmer saß, musste es recht mühsam sein. Die Nacht als er sich veränderte... Sein Haar wurde weiß und in seinen Augen erkannte ich den Durst nach Blut. Aber in sein friedliches Gesicht zu schauen ließ mich denken, dass jene Nacht eher ein Alptraum war. Wenn mir jemand gesagt hätte, ich hätte es nur geträumt, ich hätte es ihm geglaubt. Aber es war dem nicht so. Sanan verbrachte seine Tage damit, nicht gesehen zu werden und sich vor der Sonne zu verstecken. Er war nun das größte Geheimnis der Shinsengumi. Für einen kurzen Moment schien die Sonne auf Sanans Haar. Ich wusste nicht ob es ein Trick war oder ob mein Verstand mir einen Streich spielte, aber gerade wirkte sein Haar strahlend weiß. „Ah!“ „Ist etwas? Du schaust mich an, als hättest du einen Geist gesehen, was ich als recht unhöflich empfinde.“ „Eh? N-Nein. Überhaupt nicht. Entschuldige.“ Er sah ganz normal aus. Ich hatte es mir wohl eingebildet. Selbst wenn, es war gar keine Frage, das er derselbe Mann war, der einst wahnsinnig geworden war. Es war... irritierend. Kapitel 13: Kapitel 2.4 - Zwillinge? ------------------------------------ Heisuke und ich machten uns rasch einen Weg durch die überfüllte Straße von Kyoto. „Es ist lange her, seit ich mit dir gemeinsam auf Patrouille war, Heisuke.“ „Huh? Oh, stimmt. War ziemlich beschäftigt in Edo gewesen. Ich hoffe, Shin und Sano haben dich nicht geärgert in meiner Abwesenheit?“ „Nein, sie waren recht nett zu mir. Mir geht es gut.“ Ich seufzte leise vor mich hin. „Sie passen zwar stets auf mich auf, aber ich habe noch immer nichts über meinen Vater herausfinden können...“ „Ich habe zwar dein Haus gefunden, nachdem du mir den Weg beschrieben hattest, aber...“ Anscheinend konnte er nicht die richtigen Worte finden. Allein sein Schweigen sagte mir schon, das er dort auch nichts gefunden hatte. Seine Stimmung sank rascher als meine. „Kein Problem. Danke das du dennoch nachgesehen hast.“ bedankte ich mich und schenkte ihm ein Lächeln. Er sah auf und klopfte mir auf die Schulter. „Mach ich gern. Und lass den Kopf nicht hängen! Wer weiß? Vielleicht taucht er irgendwann auf!“ „Wahrscheinlich. Zudem habe ich all eure Hilfe, irgendwann finden wir ihn. Aber was ist mit dir? Hast ja lange herum gedruckst, um nicht in die Stadt zu gehen.“ „Hm... Naja... Ich finde die Stadt hat sich... verändert. Ebenso die Leute...“ „Heisuke?“ Sein aufmunterndes Lächeln, was mir gegolten hatte, war verschwunden. Nostalgie und Trübsinn passten nicht zu ihm. „Hm...?“ Sein Kopf erhob sich leicht, ehe er über die Straße blickte, sich auf die Zehenspitzen stellte und zu winken begann. „Hey! Souji! Hast du etwas gefunden?“ „Ne, gar nichts.“ Okita war ebenfalls auf Patrouille, auch wenn sein Weg anders war als unserer. Er gab mir kurz ein Nicken zur Begrüßung, ehe er zu Heisuke sah und schief grinste „Nun... vorerst ist alles normal. Ich bin sicher, es wird ein Heidenspaß, sobald der Shogun auftaucht.“ „Der Shogun?“ wiederholte ich und hob eine Augenbraue. „Jup. Der Shogun besucht die Stadt, deswegen ist Kondou-san so aufgebracht.“ Wenn der Shogun die Stadt besuchte und die Shinsengumi an seiner Seite war, hätten sie die Chance, bemerkt zu werden. Kondous Reaktion zu dieser Möglichkeit war mehr als verständlich. Ich musste grinsen. „Ach ja? Natürlich ist er das...“ Irgendwas war mit Heisuke. War etwas passiert, worüber ich nichts wusste? Ich sah zu Okita, in der Hoffnung er könnte mir helfen, aber dieser begann auf einmal wie verrückt zu husten. „Okita? Alles okay?“ Sein Gesicht hatte einen schmerzhaften Ausdruck und sein Husten wurde nur noch schlimmer. Er schaute auf, jedoch an mir vorbei auf die Straße. Er verengte die Augen wegen etwas hinter mir und ich drehte mich um, vor mir einige Rōnin in einer Seitengasse. „Whoa! Hey! Was meinst'e mit 'nein'?!“ „Nein! Lasst mich in Ruhe!“ quiekte eine Frauenstimme panisch. „Wir sind Patrioten, verbringen jeden verdammten Tag damit, diese verdammten Ausländer aus unserem Land zu verjagen! Es wär das Mindeste, wenn du uns einlädst! Oder vielleicht... ein wenig Gesellschaft leisten würdest?“ Uns gegenüber waren diese Männer – drei oder vier – die eine junge Dame belästigten. Sie schien wirklich hilflos zu sein. Mein Verstand schaltete um, ehe ich auf die Truppe zu ging, doch etwas huschte an mir vorbei. Etwas Blaues. „Na na na. Wenn Männer wie ihr unserem Lande dienen, dann wäre jeder Krieg bereits verloren.“ Die Menge entfernte sich von Okita und seinen Männern so schnell sie konnte. Niemand wollte sich in ihre Angelegenheiten einmischen oder im Weg sein. Vor allem nicht, wenn die Waffen gezogen wurden. Die Rōnin richteten ihre Blicke auf Okita. „Du... Du gehörst zu dieser Shinsengumi, oder?!“ „Ah, du scheinst ja nicht ganz so blöd zu sein, wie du aussiehst. Also was ist euer Problem?“ Seine Lippen formten sich zu einem schiefen Grinsen, ehe seine Hand langsam zum Schwertgriff wanderte. Die Gesichter der Männer vor ihm wurden bleich, ehe der Anführer von ihnen wütend aufstampfte. „Verdammt noch mal, verpiss dich, du verdammtes Arschloch!“ „Schnauze! Wenn ihr leben wollt, befolgt unseren Anweisungen!“ raunte Heisuke neben mir und der Anblick von weiteren Mitglieder der Shinsengumi schien die Männer einzuschüchtern. Es klappte, denn sie drehten sich um und flohen. „Verfolgst du sie nicht?“ fragte ich mit erhobener Augenbraue, mir ein Grinsen verkneifend, das sie beiden so eine Show liefern mussten. „Und weshalb sollte ich sie verfolgen? Wusste nicht, das du zu der strengeren Sorte gehörst.“ „Strengeren Sorte, huh?“ wiederholte ich nur und stemmte die Hände in die Hüften. Aber recht hatte er, sie hatten keine richtige Kriminalität begangen, auch wenn sie an einige gedacht hatten. Gerade als Heisuke mir etwas sagen wollte, mischte sich das Mädchen ein, welches wir gerettet hatten. „Uhm...“ Schüchtern wie sie war strich sie ihr Kimono glatt. Sie trug einen roten, die Haare kunstvoll hochgesteckt und ihr geschminktes Gesicht machten ihre großen Augen nur noch größer. Ich würde sie jetzt nicht als 'hübsch' bezeichnen, aber als 'niedlich'. Das passte eher. „V-Vielen Dank für eure Rettung.“ bedankte sie sich. Ich winkte ab. „Kein Ding.“ Sie sah zu mir und wirkte irgendwie... erfreut? Ich dachte mir nichts dabei. „Ist es nicht gefährlich, ein Mädchen allein in solch einer Gegend herum zu laufen?“ „I-Ich hatte etwas zu erledigen... I-Ich heiße übrigens Chizuru!“ rief sie und verbeugte sich. Leicht zuckte ich zusammen und hob beide Hände. „Schon gut. Nicht so formell.“ Doch ehe ich mich versah, wurde ich am Arm gepackt. „Whoa! O-Okita?!“ Dieser zog mich direkt neben Chizuru und trat einen Schritt beiseite. Was wollte er denn jetzt damit bezwecken? Ich hoffte, er kam nicht auf die Idee, mich zu verkuppeln oder so. Wobei das eher Shinpachis oder Sanosukes Niveau wäre... Er sah nachdenklich aus. Sich sein Kinn reibend verengte er die Augen. Als ich kurz zu ihr sah, strahlte sie mich an mit einem bezauberndem Lächeln. Doch irgendetwas war doch merkwürdig. „Wie ich es mir dachte. Sie sehen aus wie Zwillinge.“ Er sprach mehr für sich als zu jemand anderen. Jetzt erst fiel mir auf, was merkwürdig war. „Wie Zwillinge?“ Ich musterte sie. Naja, außer das ich nicht so große Augen hatte, könnte sie beinah mein Spiegelbild sein. Mein weibliches Ich, so zu sagen. Wie ich als Mädchen aussehen würde. Wir sahen wirklich gleich aus. Irgendwie fühlte ich mich unwohl. „Wirklich? Ich finde nicht, das sie aussehen wie Zwillinge.“ „Sieh doch richtig hin. Sie sind praktisch identisch. Zieh dem Jungen Kleider an und du würdest sie nicht auseinanderhalten können.“ „Moment mal!“ Das er auf solche Ideen kam – das hätte ich mehr von Shinpachi oder Sanosuke erwartet, die würden mich wohl liebend gerne in Frauenkleider stecken – empörte mich zutiefst und das zeigte ich auch. Das Mädchen – Chizuru – starrte die ganze Zeit nur mich an, Okitas Worte scheinbar nicht beachtend. Dann weitete sie die Augen und fiepte erschrocken auf. „Ich wünschte ich könnte mich erkenntlich zeigen, aber ich habe im Moment keine Zeit! Vergebt mir meine Unhöflichkeit!“ Sie verbeugte sich kurz vor den Anderen, dann wandte sie sich an mich. „Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.“ Sie lächelte und verschwand in der Menge. Ihr Antlitz blieb jedoch in mein Gedächtnis. „Oho, sieht so aus, als steht sie auf dich!“ Mit einem schiefen Grinsen stupste mich Heisuke in die Seite, sodass ich aus den Gedanken gerissen wurde und aufsprang. „Was?! Tz... Frauen bilden sich doch nur etwas darauf ein, wenn man sie rettet!“ brummte ich leise vor mich hin. Soweit ich denken konnte, hatten mich Frauen nie interessiert. Warum? Keine Ahnung. Ich hatte mich selten mit ihnen beschäftigt. „Oh Heisuke. Denkst du das wirklich? Du hast noch einen langen Weg vor dir, bevor du auf Sanos Level bist.“ kommentierte Souji und ging lachend weiter. „Was?! Hey! Was soll das schon wieder heißen?!“ fauchte der Andere und lief dem Größeren hinterher. Mein Blick jedoch fiel auf eine Pfütze, die sich in der Nacht gebildet hatte und spiegelte mein Gesicht darin. Doch es war nicht ich, es war jemand anderes, den ich im Spiegelbild sah. „Chizuru, huh...“ Der Wind trieb das Wasser an und das Bild verschwamm. Irgendetwas lag in der Luft. Nur was? „Kaoru! Beweg dich oder wir lassen dich zurück!“ Schweigend folgte ich Heisukes Stimme und verringerte die Distanz zwischen uns, ehe wir uns auf dem Heimweg machten. Der Tempel war wirklich größer als das Gebäude in Mibu, wie erwartet. Die ganze Shinsengumi konnte sich neue Räume und somit auch mehr Platz ergattern. Als Kondou sprach, hallte seine kräftige Stimme in den Räumen. „Ich denke, ihr alle habt gehört, das Iemochi Tokugawa, der vierzehnte Shogun vom Tokugawa Shogunat die Stadt Kyoto besucht. Die Shinsengumi wurde gebeten, ihn zu begleiten, während er durch die Stadt zum Nijo Schloss geht.“ Die Shinsengumi würde den Shogun begleiten? Der Jubel war groß, der Raum drohte beinah zu Explodieren. „Heh... Ist wohl schwer uns zu ignorieren nach den Vorfällen in Ikeda und Hamaguri, huh? Endlich macht sich unsere Arbeit bezahlt!“ murmelte Hijikata und grinste. Ein Anblick, der recht selten war. „Scheint so, als läge das Schicksal dieses Landes in unseren Schwertern...“ lachte Souji. Hieß es nicht 'Hände'? Aber gut, ich ließ ihnen die Freude. Innerlich wusste ich bereits, das ich hier bleiben müsste, um das Hauptquartier zu bewachen. „Wachende Begleiter, eh... Wenn Sanan doch nur bei uns wäre. Wir haben in der Tat einen großen Verlust erlitten...“ Niemand hatte Itou über Sanans wahre Situation verraten. Tatsache war, das seine ganze Verwandlung geheim gehalten werden konnte, während der ganze Umzug stattgefunden hatte. Womöglich fühlte sich Kondou schuldig, das Sanan nicht daran teil haben konnte, da ich kurz Trauer und Bitterkeit in seinen Blick aufblitzen sehen konnte, bevor er sprach. „Nun da es bald zu hektisch sein wird, um sich vorzubereiten, würde ich vorschlagen, das Toshi, Souji und ich-“ „Entschuldige, Kondou, aber könntest du Souji hier lassen? Ich denke, er wird krank.“ „Was?! Souji, ist es wahr? Bist du in Ordnung?!“ „Der Dämon führt sich auf wie eine besorgte Mutter. Ich denke, das ich in Ordnung bin.“ knurrte Souji nur und rümpfte die Nase. „Hör auf mit dem Scheiß. Du hustest wie verrückt herum seit kurzer Zeit.“ „Gut, gut... Ich denke, jemand ist einfach nur über fürsorglich.“ Sein Grinsen wurde schwächer, bitterer, während er sprach, aber er sah noch okay aus. Vielleicht übertrieb Hijikata wirklich ein bisschen mit der Fürsorge. Ehe ich weiter darüber nachdachte, rührte sich mein Sitznachbar, indem er die Hand erhob. „Heisuke...?“ „Uh... Um, Kondou... Mir geht es... auch nicht sonderlich gut.“ „Du auch, Heisuke? Es ist unser Tag! Ich hatte gehofft, jeder von uns würde den Shogun begrüßen...“ „Ja... tut mir Leid.“ „Nein, deine Gesundheit hat Vorrang! Immer! Ich bin mir sicher, du wirst eine neue Chance bekommen, irgendwann. Dann kannst du dich von der besten Seite zeigen!“ Kondou war recht aufgebracht, aber seine Sorge für Okita und Heisuke drang noch immer durch. Letzterer schien auch recht merkwürdig zu sein in letzter Zeit. Ich machte mir Sorgen. Kondou war fertig mit der Verkündung, als Hijikata sich zu mir drehte. “Okay, was ist mit dir? Willst du mit?” “Eh?” “Was? Hast du mich nicht verstanden?” “D-Doch... aber... ich darf mit?” “Natürlich! Niemanden stört es! Du bist praktisch einer von uns! Wenn du willst, bin ich sehr erfreut, wenn du dich uns anschließt.” rief Kondou und strahlte förmlich. Ich... Ich durfte gehen? Kurz zögerte ich, ein wenig überrascht, ehe Okita und Heisuke zu lachen begannen. „Du musst dir keine Sorgen machen, Kleiner. Niemand ist so verrückt und attackiert den Shogun.“ „Och, es gibt sicher irgendwelche lebensmüde Leute, aber um die sorge ich mich nicht...“ brummte ich und hob eine Augenbraue. „Geh doch einfach mit. Ich wäre überrascht, wenn es jemand wagt, sein Schwert zu ziehen.“ Ich war zwar ein Krieger und laut Kondou gehörte ich praktisch zur Shinsengumi, aber war es wirklich richtig? War es richtig, jene zurückzulassen, die hier im Hauptquartier bleiben mussten, während ich einfach mitgehen konnte? Die ganze Sache und Suche nach meinem Vater hatte mich ziemlich mitgenommen. Ich dachte, am großen Tag der Shinsengumi dabei sein zu können, würde mich ablenken. „Okay, ich bin dabei.“ sagte ich und grinste. Dabei hatte ich meine Faust in meine Handfläche geschlagen, sodass die Fingerknöchel laut knackten. „Immer mit der Ruhe. Du wirst größtenteils als Bote dienen.“ Wie zu erwarten... Kapitel 14: Kapitel 2.4 - Bonus: Schlaflied ------------------------------------------- [Anm: Dieses Kapitel entstand spontan und sollte mal zur Auflockerung dienen. Das ganze Übersetzen macht einen schon irgendwie irre, sodass ein freies Kapitel mal ganz gut tut. Solche Boni werden öfters auftauchen, wenn es passt. Die Handlung findet am Abend statt, nachdem Heisuke wieder zurück gekehrt ist und vor dem Tag, an dem Kondou verkündet, das die Shinsengumi den Shogun begleitet.] Der Tag neigte sich dem Ende. Der Himmel wurde von der untergehenden Sonne in ein zartes Orange gefärbt, verschiedene Rottöne mischten sich und es entstand ein wunderschönes Farbenspiel, was sich über der Stadt bot. Ich saß an der Tür meines Zimmers und starrte in den kleinen Wolken, die schleichend vorüber zogen. Seufzend lehnte ich meinen Kopf gegen den Türrahmen. Es war warm, auch wenn es nun Abend wurde. Ich zupfte leicht an meinem Oberteil und ließ mich nach hinten auf den Rücken fallen. Nach all der Zeit, die ich hier erlebt hatte, wirkte die Tatami Matte unter mir recht verlockend. Die Sache mit jener 'Medizin', die Sanan geschluckt hatte, nur damit sein Arm wieder verheilt wurde... Verstand jemand diese Leute. Ob ich genauso gehandelt hätte? Dieses Risiko einzugehen, wahnsinnig zu werden, nur damit ich wieder kämpfen konnte? Vielleicht musste ich ein richtiges Mitglied der Shinsengumi werden und lange hier bleiben, um dies zu verstehen. Als ich wieder in den Himmel sah, wirkte es so, als hätte jemand mit Blut in den Himmel gezeichnet. Würde viel Blut vergießen in nächster Zeit? … „Oh Kaoru?“ Die Stimme des Brünetten riss mich aus meinen Gedanken, sodass ich mich zuerst aufrichtete. Heisuke kam auf mich zu und hockte sich hin. „Alles okay?“ „Hm? Ja, warum?“ „Naja... du lagst so in der Tür...“ Er wagte einen Blick in das Zimmer, als prüfte er etwas. Ich grinste schief und streckte mich, ehe ich im Schneidersitz in der Tür saß und eine Augenbraue hob. „Ich habe nur den Himmel betrachtet, während ich gewartet habe.“ „Gewartet auf... was?“ „Na auf meinen Zimmerpartner. Hat Hijikata dir nichts gesagt?“ Sein Gesichtsausdruck war recht lustig. Er schien nachzudenken, aber ihm fiel es wohl nicht ein. Nachdem Heisuke aus Edo wieder zurück gekehrt war, hatte Hijikata mir gesagt, das ich mit ihm ein Zimmer teilen werde. Immerhin konnte ich den anderen – besonders Heisuke – derart vertrauen, das sie keinen Mist veranstalten würden. Zudem würden mich die anderen Soldaten dann nicht mit neidischen Blicken anschauen, wenn sie erfuhren, das ich nun kein eigenes Zimmer hätte. „Ernsthaft... Ich habe keinen Schimmer, was soll er mir sagen?“ verlangte er und lehnte sich an den Türrahmen. Kichernd schüttelte ich den Kopf. „Du teilst ein Zimmer mit mir.“ „Oh? Die Sache...“ „Du erinnerst dich jetzt?“ „J-Ja... Stimmt, Hijikata hatte es erwähnt, ich war nur mit den Gedanken woanders.“ „Das bist du in letzter Zeit ziemlich oft, Heisuke. Wirklich alles okay?“ harkte ich nach und sah ihn mit durchdringendem Blick an. Er winkte lachend ab. „Ja! Mir geht es gut! Ist nur ein wenig verwirrend in letzter Zeit. Zudem musste ich die Sache mit Sanan erfahren und...“ Er seufzte schwer. Ein leichtes schiefes Grinsen lag auf meinen Lippen, ehe ich mich erhob. „Das macht uns alle hier zu schaffen. Du bist nicht allein. Aber wenn du jemanden zu reden brauchst...“ Doch halt. Warum sollte er mit mir reden, wenn er Probleme hatte? Ich war schließlich nur ein Gast. Wenn ich jemanden meine Probleme anvertrauen würde, war das was anderes. Aber anders herum? Er hatte schließlich seine anderen Freunde, Shinpachi und Sanosuke. Ich grinste. „Ich bin sicher, es gibt jemanden, der dir gerne zuhört.“ Kurz musterte er mich, ehe er aufsprang und breit grinste. Ah, das war der Heisuke, den ich kennen gelernt hatte. Freudig hielt er mir seine Faust entgegen. „Huh?“ „Danke, Kaoru!“ „Uh... ich hab doch nichts gemacht...“ Kurz ließ ich meinen Blick von ihm schweifen, ehe er mit dem Kopf schüttelte. „Du bist da. Es tut gut, zu wissen, das du ein Ohr für mich offen hast.“ Er hatte meine Absicht also doch irgendwie durchschaut. Lachend legte ich meine Hand an seinen Kopf, worauf er erstarrte. „Jederzeit.“ meinte ich nur und ging anschließend ins Zimmer. Es brauchte einige Minuten, bis Heisuke mir folgte und mich ein wenig beleidigt anmotzte, das ich ihn wie ein Kind behandeln würde. Auf meinem Futon sitzend schüttelte ich nur mit dem Kopf. „Tut mir Leid, war nicht meine Absicht.“ Jemanden auf dem Kopf tätscheln hatte mein Vater stets mit mir gemacht, wenn ich traurig oder in Gedanken war. Es hatte für mich immer bedeutet 'Mache dir keine Sorgen, denn du bist nicht allein'. Und wieder schossen jene Informationen durch meinen Kopf, die ich ergattert hatte. Teilweise unfreiwillig. Er hatte diese Medizin – was für mich eher wie Gift war – entwickelt und sie an Menschen ausprobiert. Lange hatte er daran gearbeitet. Auch in der Zeit, wo er nach Hause kam? Vielleicht sogar viel länger, als ich es mir vorgestellt hätte? Ich setzte mich auf und starrte Heisuke eine Weile an, der es bemerkte, nachdem er sein Futon vorbereitet hatte. „Hm? Du siehst mich an, als würdest du mich etwas fragen wollen.“ Wie er das wohl herausgefunden hatte... „Ich frage mich nur etwas...“ „Das wäre?“ Ob ich es einfach aussprechen sollte? War der Weg eines Schwertkämpfers es wert, ein derartiges Risiko einzugehen und eventuell wahnsinnig zu werden, nur damit man wieder ein Schwert führen konnte? War jene Medizin es wert, seine Menschlichkeit abzulegen, nur um dem Befehl des Shogun zu befolgen? War all das wert, einen liebenswürdigen Menschen in den Wahnsinn zu treiben? Viele Fragen... Keine Antworten. „Was der Sinn hinter dieser Medizin ist. Ich verstehe ihn immer noch nicht.“ Heisuke stutzte leicht, ehe er nun ebenfalls nachzudenken schien. „Niemand war von dieser Medizin begeistert. Nach Sanans Fall erst recht nicht. Ich persönlich hatte von Anfang an Bedenken gehabt... Jemanden in eine unmenschliche Bestie zu verwandeln... Als Shin und Sano mir davon berichtet hatten, wollte ich es zuerst nicht glauben. Immerhin kenne ich Sanan recht gut...“ Es musste schwer sein, so etwas zu verarbeiten, wenn der eigene Freund davon betroffen war. Seufzend legte ich mich auf den Bauch und wippte mit den Beinen hin und her. „Sanan scheint jedoch noch derselbe zu sein... Mehr oder weniger...“ brachte ich murmelnd über meine Lippen. Mein Gegenüber sah kurz zu mir, dann ließ er sich seitlich aufs Futon fallen. „Lassen wir uns überraschen.“ Mit diesen Worten löschte er das Licht und die Dunkelheit fiel über das Zimmer. Ich hörte seinen Atem und schloss die Augen. Hoffentlich war Sanan der einzige, der jene Medizin zu sich nahm. Die Vorstellung, das sich die Shinsengumi zu einer Gruppe von unmenschlichen Bestien entwickeln würde, war beängstigend. Was mein Vater wohl machte? Ob er weiter an diesem Zeug arbeitete? Wenn ich ihn wieder treffen würde, dann würde ich ihn fragen. Einfach fragen. Und darauf hoffen, das er mir eine gute Antwort gab. Ich wollte verstehen, warum er dies tat. Auch wenn er dem Shogun loyal gegenüber war, wieso traf er sich mit dem Choshu Clan? Mit Feinden des Shogun? Ich wollte endlich Klarheit in meinem Kopf... Es war Heisukes Stimme, die mich weckte, während es gerade mal nach Mitternacht war. Verschlafen richtete ich mich auf und sah zum Brünetten, der sich hin und her wälzte, als hätte er einen Alptraum. Ich schob ein wenig die Tür auf, sodass das Mondlicht herein scheinen konnte. Vollmond. Danach wandte ich mich an meinen Zimmergenossen und rüttelte ihn sanft. „Oi, Heisuke.“ flüsterte ich und zuckte zusammen, als sich der Brünette derart erschrak und kerzengerade im Futon saß. Schweißgebadet drehte er langsam seinen Kopf zu mir und weitete die Augen. „Was?“ Leise seufzte ich und fuhr mir durchs Haar. „Hast du schlecht geschlafen?“ „Oh... hab ich im Schlaf gesprochen? Hab ich dich geweckt?“ Wenn ich 'ja' sagen würde, dann fühlte er sich schuldig. Aber mein Schweigen hatte seine Frage wohl beantwortet, sodass er die Schultern hängen ließ und auf die Decke starrte. Seine Finger vergruben sich in den Stoff. „Entschuldige...“ „Wofür? Das du einen Alptraum hattest? Macht doch nichts.“ „Naja, Alptraum...“ Hatte er etwa keinen gehabt? Sah mir aber ganz danach aus... Verlegen kratzte er sich an der Wange, ehe er zu überlegen schien, was er sagen könnte. Jetzt einfach wieder schlafen gehen, wäre doch falsch. Irgendetwas bedrückte ihn. Aber wenn er es nicht sagen wollte, konnte ich ihn auch nicht dazu zwingen. Mir fiel etwas recht kindisches ein, worauf ich kichern musste. Somit gewann ich Heisukes Aufmerksamkeit. „Was ist so lustig?“ Leicht empört schaute er zu mir, ich winkte ab. „Entschuldige, mir fiel nur etwas ein...“ „Hm?“ Erwartungsvoll starrte er mich solange an, bis ich aufgab und tief einatmete. „Immer wenn ich früher einen Alptraum hatte oder nicht schlafen konnte, hatte mir meine Mutter ein Schlaflied vorgesungen... es hatte immer funktioniert.“ „Ein Schlaflied...?“ Er wirkte recht entgeistert, sodass ich ihn leicht verärgert ansah. „Das ist das Einzige, was mich an sie erinnert! Und ja, es war ein Schlaflied! Frauen neigen eben dazu, gerne zu singen, okay?“ „Schon gut, du musst ja nicht gleich ausrasten!“ „Im Vergleich zu deinen Ausraster war das nur eine Brise vor dem Sturm...“ „Hey, so heftig raste ich nun auch nicht aus...“ Das Zimmer wurde in Schweigen gehüllt. Wieso erzählte ich ihm das überhaupt? Aber es stimmte. An das Gesicht meiner Mutter konnte ich mich gar nicht mehr erinnern, so lange war sie schon verstorben. Aber ich erinnerte mich ganz genau an dieses Lied, was sie mir damals vorgesungen hatte. Wenn ich zurück dachte, könnte das Lied auch von ihr handeln. Wie war das? Mein Vater hatte sie unter einem Kirschbaum zum ersten Mal gesehen? Sie hatte geweint, weil in dieser Zeit ihre Eltern in einem Krieg umgekommen waren. „Hey!“ Heisuke riss mich aus den Gedanken. Kurz blickte er traurig drein, worauf ich überrascht die Augenbrauen hob. „Was ist?“ „Nichts... du sahst so... traurig aus. Tut mir Leid.“ „Eh? Tat ich das? Dir musst das nicht Leid tun, ich kann mich gar nicht an sie erinnern.“ „Aber an ihr Schlaflied?“ Dieser Kleine... Mich beherrschend nicht zu knurren, wandte ich mich um und kroch zu meinem Futon. Ich spürte seinen Blick auf meinen Rücken, ehe ich mir die Decke bis zum Kinn hoch zog. „Gute Nacht, Heisuke...“ Es kam vorerst keine Antwort. Eine Weile lag ich wach, ehe ich das Rascheln hinter mir hörte. „Kaoru?“ „Mhm?“ „Singst du mir das Lied vor?“ Der Wind blies über das Land und man hörte das Knarren der Holzbalken des Zimmers. „Was?!“ Ich richtete mich auf und warf ihm einen ungläubigen Blick zu. Verlangte er tatsächlich von mir, das ich ihm ein Liedchen trällerte? „Du sagtest selbst, es half dir beim Einschlafen... und ich kann nicht schlafen.“ „Du bist mutig, das muss ich dir lassen. Der große Unterschied ist, das meine Mutter zumindest singen konnte.“ knurrte ich und legte mich auf den Rücken. Kurz wurde es wieder still. Hatte er aufgegeben? Als ich einen Blick in seine Richtung wagte, hatte er mir den Rücken zugedreht. Dennoch glaubte ich kaum, das er eingeschlafen war. Also gut. Aber nur weil er es war. Ich schloss die Augen und rief mir die Melodie auf, ehe ich mit sanfter Stimme zu singen begann, jedoch leise, damit die Jungs in den benachbarten Zimmern nichts mitbekamen: Mukashi Mukashi – Kako ni Es gab eine Zeit – längst Vergangenheit Sakura ga kireideshita in der die Kirschblüten hell erstrahlten. Kaze ga tochi o fuku Und der Wind – er blies über das Land Sore wa bashodesu. Dies war jener Ort Shoujo wa ki ni arimashita Unter einem Baum stand ein Mädchen Kanojo wa utsukushikatta. Wunderschön war es – so bezaubernd Hanabira ga ochiru. Als ein Blütenblatt auf seine Hand fiel Namida ga ochiru. folgte eine Träne Watashi no kokoro wa toji raremasu. Mein Herz verschließt sich vor allem. Kako o wasuremashita ka? Wie kann ich meine Vergangenheit vergessen? Watashi no kokoro no iya Es hört nicht auf zu schmerzen. Watashi wa anata no koto o kangaeru. Ich muss an dich denken. Watashi wa anata to issho ni itai. Wenn ich mir wünsche bei dir zu sein? Watashi wa anata o mamoritai. Wenn ich doch die Kraft hätte, dich zu beschützen. Watashitoisshoni taizai suru. Bleib bei mir. Watashi o misutenaide Verlass mich nicht Stille. Ich hörte nichts außer dem regelmäßigem Atem von Heisuke, der tatsächlich eingeschlafen war. Leicht lächelnd hatte ich mich auf die Seite gelegt und verfiel ebenfalls dem Schlaf, der sich ganz plötzlich über mich gelegt hatte. Am nächsten Morgen wachte ich durch die Sonnenstrahlen auf, die durch die offene Tür herein schienen. Ich hatte wohl vergessen, sie zu schließen. Mühevoll richtete ich mich auf, streckte mich gähnend und rieb mir die Augen. Kurz fror ich ein, ehe ich einen finsteren Blick zu meinem Bettnachbarn warf, der im Schneidersitz vor sein bereits gefaltetes Futon saß und mich breit angrinste. „Guten Morgen, Kaoru!“ Na wenigstens sah er frisch aus. Ich konnte mich auch nicht beschweren, so schnell wie gestern war ich lange nicht mehr eingeschlafen. „Morgen...“ Nichts änderte daran, das ich ein Morgenmuffel war. Heisuke hingegen sprang auf und rannte zur Tür. Kaum war er durch dieser verschwunden, kam er kurz wieder und lächelte mich freundlich an. „Danke.“ „Huh?“ Verwirrt ließ er mich zurück. Es brauchte nicht lange, da hatte ich es schon verstanden. Schlaflieder waren doch nicht so kindisch, wie erwartet. Ich hoffte nur, das er mich damit nun in Ruhe ließ. Einen Zimmerpartner zu haben war doch ein wenig anstrengender, aber zum Glück war es nicht jemand wie Shinpachi. Von Sanosuke hatte ich einmal Beschwerden mitbekommen, das dieser viel zu laut schnarchte. Mit Heisuke hatte ich dann doch ein gutes Los gezogen bekommen. „Dann mal an die Arbeit!“ sagte ich mehr zu mir und stand endlich auf. [Anm: Der Text ist von mir selbst ausgedacht. Das passende Lied ist inspiriert vom Hakuouki Hekketsu Roku OST – Kanashimi no Wakare (Goodbye without grief). Ob die japanischen Parts grammatisch richtig sind, ka! XD Ich hab einfache Sätze mit dem Google Übersetzer umgewandelt und das Romaji abgeschrieben. Zum Klang passen sie größtenteils zu der Melodie. Also kurz um: die eigentlichen deutschen Sätze sind nur 'Verschönerungen', zum Übersetzen hatte ich einfachere genommen! Aber es geht mir nicht um die Grammatik sondern eher um die Szene. =p] Kapitel 15: Kapitel 2.5 - Oni ----------------------------- Recht, links. Recht, links. Meine Schritte hallten durch die Nacht. „Meine Beine werden müde...“ Es war das Beste, wenn ich eine kurze Pause einlegte und blickte zum Schloss auf. In diesen Tagen wurde das Nijo Schloss zur Bleibe für den Shogun, der die Hauptstadt besuchte. Es war eine ganze Weile, seit er nun im Schloss war. Wir hatten ihn auf der Straße getroffen und dreißig Minuten zum Schloss eskortiert, letztendlich kam er gesund an und es gab keine Komplikationen. Im Moment waren Kondou, Shinpachi, Inoue und die anderen bei den Offizieren, um diese zu begrüßen. „Und an mir bleibt die Drecksarbeit hängen...“ knurrte ich vor mich hin und seufzte leicht. Gut, Drecksarbeit war es keine. Sie war wichtig. Meine Aufgabe war es, den Patrouillen Nachrichten und Änderungen zu vermitteln. Ich war der Laufbursche, so zu sagen. „Doch ein recht wichtiger Job für mich.“ Zurück an die Arbeit. Ich hatte das Schloss schon einige Male umkreist und dennoch standen viele der Männer mit den blau weißen Haori an der Mauer und waren keineswegs nervös oder angespannt. Im Gegenteil, sie waren aufmerksam und gleichzeitig recht locker. Gut, warum sollte man nervös sein? Was für Idioten würden denn bei solch einer Bewachung den Shogun angreifen? Auf einmal schoss es mir eiskalt den Rücken runter. Ich fror ein. Irgendwie kam mir dieses Gefühl bekannt vor. Schritte, die sich auf mich zu bewegten. Augen, die aufleuchteten und Blutlust sowie Gewalt austrahlten. Eigentlich sollte ich abgehärtet sein, da ich eine Weile schon bei der Shinsengumi lebte und solche Kreaturen kannte. Doch die hier waren anders. Schrecklicher. Schlimmer. Stärker. Mein Blick schweifte langsam zum Dach über mir. Ein normaler Mensch würde dort nicht aufschauen, um zu sehen, ob dort jemand war. Doch da war jemand. Das Haus warf einen großen Schatten auf mich. Direkt über mir standen sie, beschienen vom Licht des Mondes. „Ihr...“ „Du hast uns also bemerkt. Doch nicht so lahm wie erwartet.“ Sie waren auffällig, im Gegensatz zu den anderen Kriegern, die ich gesehen hatte. Drei Augenpaare starrten auf mich herab und verhinderten, das ich normal denken konnte. Dennoch hatte ich sie wieder erkannt; ich fügte die Namen ihren Gesichtern zu: Chikage Kazama, blondes Haar, rote Augen. Kyuju Amagiri, rotes Haar, grüne Augen. Kyo Shiranui, langes blaues Haar, violette Augen. Sie hatten eine Verbindung zu den Satsuma und den Choshu und waren der Shinsengumi ein Dorn im Auge, wie im Ikeda Gasthof als auch damals während der Hamaguri Rebellion. Wer immer sie auch waren, sie gehörten nicht zum Shogunat. „Wieso seid ihr hier?“ fragte ich mit lauter Stimme. Ich wollte keine Angst zeigen. Auch wenn sie stark waren, ein Krieger fürchtete sich nicht. Doch konnte ich nicht verhindern, das meine Stimme leicht bebte. „Hey, Kleiner, du solltest dich vielleicht fragen, wie wir hierher gekommen sind, nicht wieso! ...Es war recht einfach, weißt du. Eine kleine Mauer bedeutet nichts für uns Oni.“ Gut, wen interessierte es, wie sie dort hinauf gekommen waren? Das ich vor unnormalen Leuten stand, war mir schon vorher bewusst. Doch warte... Sagte Shiranui gerade 'Oni'? „Wir sind wegen einer speziellen Absicht hier. Und das bist du, Kaoru Yukimura. Wir sind deinetwegen hier.“ sprach Amagiri ruhig. Irgendwie klang es so, als versuchte er einem Kind den Grund zu erklären. „Oni? Ihr wollt mich doch verarschen! Was meint ihr? Ich versteh es nicht.“ Kazama sprang von der Mauer und stand nun mir gegenüber, seine beiden Gefährten folgten ihm wie ein Schatten. „... Wieso so überrascht? Verarschen? Keineswegs. Du bist schließlich einer von uns.“ Seine Stimme klang leicht arrogant, worauf sich meine Nackenhaare aufstellten. Ich wich zurück, je näher er kam. „Schließen sich deine Wunden rasch? Viel zu rasch, vielleicht?“ Ich sah zu Amagiri, der im Gegensatz zum Blonden wohl friedlich mit mir reden wollte. „Heilen deine Wunden schneller als die eines Menschen?“ Das gab mir zu denken. Woher wussten sie das? Ich dachte zurück. Mein Vater hatte mir gesagt, ich durfte dieses Geheimnis unter keinen Umständen preisgeben. Wusste er, was wirklich dahinter steckte? Ein Oni...? „Vielleicht sollten wir es ihm demonstrieren!“ rief Shiranui und richtete die Waffe auf mich. Kurz weitete ich die Augen und meine Hand schnellte zu meiner Waffe. „Genug, Shiranui. Wir sind aus einem Grund hier, also lass diesen Mist.“ Kazama schien eine Art Anführer zu sein. Knurrend steckte der Andere die Waffe wieder ein und schwieg. „Sein Familienname ist der eines Oni und er trägt das Katana vom Oni aus dem Osten. Das sind Beweise genug.“ Mein Familienname? Was stimmte mit 'Yukimura' nicht? Ich verstand echt nicht, was er da von sich gab, aber es änderte nichts daran, das sich der kalte Schweiß über meine Haut bahnte. Es wirkte beinah so, als würde die Dunkelheit über mich herfallen. „Nun, wir brauchen deine Erlaubnis nicht, dich mit uns zu nehmen. Entweder kommst du mit uns oder nicht. Du bist schließlich der Einzige, der uns zu ihr führen kann. Also, komm jetzt mit mir!“ Er streckte seine Hand nach mir aus, mehr als wollte er nach mir greifen, wie blasse Tentakeln eines mysteriösen Monsters in der Dunkelheit. Dann – wie aus dem Nichts – blitzte eine Klinge durch die Nacht. „Hey Genosse! Kindesentführung wird hart bestraft, wisst ihr?“ ertönte Sanosukes Stimme, worauf ich innerlich erleichtert aufatmete und beinah meine Aufmerksamkeit fallen ließ. „...Ihr schon wieder. Ihr seid wie Hunde, die etwas erschnuppert haben.“ „Das Gleiche könnte man über euch sagen.“ Saitou hielt seine Waffe bereit und die Klinge spiegelte das Mondlicht. Kazama wich zurück und knurrte. Erleichtert trat ich einige Schritte zurück, weg von dem Trio und mehr in die Richtung der Shinsengumi, als meine Beine nachließen. Doch anstatt das meine Knie auf dem harten Steinboden aufkamen, hielten mich zwei Hände an der Schulter fest. „Zurück!“ Hijikata. Mit einer Hand zog er mich hinter sich und zog mit der anderen sein Schwert. „Hnn. Ich hatte vermutet, ihr wärt hinter dem Kopf des Shogun her. Was wollt ihr von einem Kind?“ „Ich habe weniger Interesse an Euch oder Euren Shogun in diesem Moment. Dies geht nur uns Oni etwas an.“ „Oni?“ Der Schwarzhaarige verengte die Augen, was ich seitlich erkennen konnte. „Hey... Lange nicht gesehen seit der Hamaguri Rebellion.“ hörte ich Sanosuke reden, welcher seinen Speer zog und sich kampfbereit machte. Shiranui hingegen zog seine Waffe und grinste breit. Saitou stand Amagiri gegenüber. „Auch wenn mir diese Zusammenkunft nicht gefällt...“ Amagiri erhob seine Fäuste. Spannung lag in der Luft, sie war so stark, das ich kaum atmen konnte. Sie standen dort wie Schießpulver, welches gleich hochgehen konnte. Jede kleinste Bewegung könnte sie explodieren lassen. Ganz langsam legte ich meine Hand an meinen Schwertgriff. Wenn sie bereit waren zu kämpfen, dann war ich es auch. Seit die Shinsengumi hier war, fürchtete ich mich nicht. Gerade hatte ich den Griff befestigt, als ich eine Stimme hinter mir flüstern hörte. „Mach dir keine Sorgen um den Kommandanten und die Kapitäne.“ „Y-Yamazaki?! Wann bist du-“ Er tauchte still auf und verschwand, als wäre er selbst der Schatten. „Ich wurde beauftragt, dich zurück ins Hauptquartier zu bringen.“ „Ich... soll einfach weglaufen?“ Wieso? Ich konnte doch kämpfen! Mein Blick fiel auf die drei Paare, die sich schweigend Blickduelle lieferten, ehe sie sich gleich aufeinander stürzten. Vielleicht war es das Beste, das ich sie vorerst kämpfen ließ. Ich nickte Yamazaki zu. „Gut. Gehen wir.“ Ich rannte auf das Shinsengumi Hauptquartier zu, hinter mir Yamazaki, der mir schweigend folgte und scheinbar aufpasste, das niemand hinter uns war. Viele Male hatte ich zurück geblickt und hoffte innerlich, das es den anderen gut ging. Wir erreichten den Tempel und ich atmete tief ein, ehe ich mich an einen Holzbalken lehnte. „Ich kehre zurück zu ihnen. Hier sind zwar nicht allzu viele Männer, aber sollte etwas sein, wende dich an Okita oder Toudou.“ Ich nickte und Yamazaki verschwand in der Dunkelheit. Es war still. Zu still. Der Begriff 'Oni' schoss erneut durch meinen Kopf und bereitete mir eine Gänsehaut, sodass ich am ganzen Körper erzitterte. So etwas gab es doch gar nicht, oder? Ich schüttelte energisch mit dem Kopf und drehte mich um. Den Tempel betrachtend fiel mir auf, das ich mich recht allein fühlte. Es war beängstigend. Yamazaki meinte, ich sollte Souji oder Heisuke aufsuchen. Doch wollte ich das wirklich? Der Tempel wirkte in der Nacht ganz anders. Er wirkte sehr verlassen, jetzt wo die ganzen Mitglieder beim Shogun waren. Es war still, kalt und furchteinflößend. In einer Ecke im Hinterhof stieß ich einen erleichterten Seufzer aus, als ich Heisuke dort sitzen sah. Er hatte den Kopf zum Himmel gerichtet, ehe meine Schritte ihn auf mich aufmerksam machten. „Huh? Kaoru?“ Er blinzelte einige Male, als könnte er nicht glauben, was er da sah. „Was machst du hier allein?! Seid ihr fertig mit dem Shogun?“ Wo sollte ich anfangen? Ich hatte mich auf den Boden fallen lassen und atmete erst einmal tief ein, ehe ich dem besorgten Brünetten die Lage erzählte. Als ich Amagiri erwähnte, spannte sich Heisuke an. Er war schließlich derjenige, der ihm die Narbe an der Stirn zugefügt hatte – mit bloßer Hand. „Der Typ, huh...“ Ich fuhr fort und ließ den Part aus, in der mich die Drei als Oni bezeichneten. Als ich fertig war, schloss er kurz seine Augen. „Verdammt...“ zischte er leise. Meine Arme hatte ich um mich geschlungen. Diese Eises Kälte nagte noch an mir, sodass ich einen zittrigen Atem ausließ. „Du brauchst keine Angst zu haben. Hier bist du sicher. Ich lass niemanden an dich heran.“ Mit der Faust klopfte er sich selbst auf die Schulter und grinste breit. Irgendwie entspannte ich mich. Seine Art munterte mich auf und in seiner Nähe fühlte ich mich in der Tat wohl. „Warte... Ich dachte dir geht es nicht gut?“ Von mir abgelenkt sah ich ihn recht fragwürdig an. Auch wenn er nicht gesagt hatte, wie schlecht es ihm geht, draußen herum zu sitzen um diese Zeit würde es nicht besser machen. Heisuke stutzte und blickte in mein Gesicht. „Oh... Um... Naja, eigentlich... geht es mir gut. Ich hatte gelogen.“ „Wieso denn das?“ Niedergeschlagen schüttelte er den Kopf. „Ich wollte nicht den Shogun begleiten...“ Die Shinsengumi wurde ins Leben gerufen, um Kyoto zu beschützen – dem Land des Kaisers – und sollte ebenso als Leibgarde für den Shogun dienen, wenn er die Stadt besuchte. In solchen Zeiten wurden jene voneinander getrennt, die dem Shogun dienten und jene, die es eben nicht taten. Der Shogun selbst zollte dem Kaiser großen Respekt und wollte für diesen ausländische Einflüsse verhindern. So gesagt, wer dem Shogun diente, diente ebenso dem Kaiser. Das war der Grund für die Existenz der Shinsengumi. Für die Shinsengumi zu arbeiten hieß auch, für den Shogun zu arbeiten, damit dieser in Ruhe über Kyoto herrschen konnte. „An solchen Tagen scheint es, als wäre die Shinsengumi nur ein einfacher Diener des Shogun. Und der tut gar nichts gegen diese Ausländer.“ Also war das der Grund, weshalb Heisuke die Freuden der Anderen nicht teilte, nachdem diese erfahren hatten, das sie den Shogun begleiteten. Er blickte auf den Boden und wirkte abwesend. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Die Shinsengumi hatte nie nach dem Warum gefragt, sondern einfach getan, was der Shogun wollte. Meine politischen Kenntnisse waren recht schwach, da ich mich mit so etwas nie auseinander gesetzt hatte, aber Heisuke war eine lange Zeit in Edo gewesen. Hatte er eine Veränderung in der Shinsengumi bemerkt, die ich nicht bemerkt hatte? Wenn solch eine Organisation wachsen sollte, dann mussten die Mitglieder damit beginnen, die verschiedenen Perspektiven von jedem einzelnen zu akzeptieren. Man konnte sich nicht auf alles fokussieren. Solange die Shinsengumi an Kriegen beteiligt war, man verliert immer wen, ob Freunde oder Bekannte. Ich fragte mich, wie viele Verluste es durch diese Meinungsverschiedenheiten geben würde... Leicht stutzend verwarf ich diesen Gedanken. Es wäre besser, das Hier und Jetzt zu genießen, als sich um die Zukunft zu sorgen. Ich setzte mich nun auf die Bank neben Heisuke und unterhielt mich mit ihm. Die Gedanken an Kazama und seinen Worten begannen für diesen Moment zu verblassen. Viel war passiert. Meine Gedanken drohten zu explodieren. Nachdem die Mitglieder zurückkehrten und diesen verlassenen Ort neues Leben einhauchten, gab es ein Treffen unter Kapitäne. Das Hauptthema waren jene Drei, die am Nijo Schloss aufgetaucht waren: Chikage Kazama, Kyuju Amagiri und Kyo Shiranui. Die hatten sich selbst als 'Oni' bezeichnet und ihre vorherigen Aufeinandertreffen mit der Shinsengumi hatte etwas mit der Satsuma und der Choshu zu tun. Auch wenn nicht ganz klar war, wem sie wirklich dienten. Was jedoch deutlich war, war die Tatsache, das sie – Kazama, Amagiri und Shiranui – nicht auf die leichte Schulter zu nehmen waren. Noch dazu gab es ein weiteres Problem: Wieso waren sie hinter mir her? Hijikata hatte mich gefragt, ob ich eine Ahnung hätte, weshalb sie auf mich fixiert waren, doch woher sollte ich das wissen? Ich hatte sie niemals zuvor gesehen, aber sie schienen mich zu kennen. Sie hatten mich als 'einer von ihnen' bezeichnet. Kazama hatte erkannt, das meine Waffe ein Erbstück war, doch was meinte er mit der 'Waffe des Oni aus dem Osten'? Diese Sache verschwieg ich ihnen. Bis ich nicht wirklich verstanden hatte, was er damit gemeint hatte, konnte ich kaum darüber reden. Sie würden mir sowieso nicht glauben. Ich glaubte mir ja schon kaum. Mein Name war Kaoru Yukimura. Ich bin der Sohn meines Vaters – der ein Arzt und verschwunden war – und meiner Mutter. Ich war ein normaler Junge, der ein Schwert halten konnte und über medizinischen Kenntnisse verfügte. Nichts war außergewöhnlich. Mein einziges Andenken an meiner Mutter war mein Katana. Ich drückte es an mich und schloss die Augen. Wer war ich? Kapitel 16: Kapitel 2.6 - Matsumoto ----------------------------------- June 1865 Das Hauptquartier wurde erfüllt von Lärm und Bewegung. Ich sah einige Krieger an mir vor bei rennen, aufgeregt wegen... Ja, wegen was? Hinter mir hörte ich jemanden schwer atmen, sodass ich mich verwundert zu ihm drehte und feststellen musste, wie böse Itou doch gucken konnte. „Un... Unerhört!! Dass sie so etwas von mir verlangen... Niemals...!“ „Itou-san? Ist etwas?“ Meinen sarkastischen Unterton konnte ich gerade noch verbergen. Was immer ihn so verschreckt hatte, hatte seine Arbeit gut getan. Er sah mich an und es schien beinah so, als würden seine Augen gleich rausfallen. „Ja! Es ist etwas! Und das ist falsch! Wieso sollte ich meine Kleidung ablegen in einem Raum, zusammen mit diesen... diesen Wilden?!“ „Wilden?“ wiederholte ich und hob eine Augenbraue. Kleidung ablegen? „Habe ich was verpasst?“ Itou versuchte sich zu sammeln und richtete sich Haar und Kleidung, ehe er antwortete. „Irgendein Arzt, den Kondou während der Sache mit dem Shogun getroffen hatte unternimmt gerade eine körperliche Untersuchung.“ Wie... interessant und... gewöhnlich. Ich wusste nicht, was sein Problem war; es war notwendig, sich untersuchen zu lassen, vor allem wenn es um Krieger ging, die tagtäglich kämpften. Itou warf einen Blick zu der Halle, die sich etwas weiter im Gang runter befand und schnalzte mit der Zunge. Nur weshalb wurde ich nicht dazu berufen? „Ah...“ Ich verstand schon. Schließlich hatte ich selbst medizinische Kenntnisse und würde reagieren, sollte es mir nicht gut gehen. Zudem war ich sowieso recht selten bis gar nicht krank gewesen. Das würde wohl der Grund sein. Zudem kämpfte ich nicht täglich mit. „Dieses kahle Monster! Er forderte mich auf, mich auszuziehen! Vor den Augen aller! Und als ich mich weigerte wollte er sich darum kümmern! Mir die Klamotten vom Leib reißen! Mit Gewalt! Und die anderen... sie standen einfach nur da! Was sind das nur für unzivilisierte Wilden?!“ „Okay, jetzt regen wir uns ab und atmen tief ein...“ brummte ich. Solche Krieger als 'Wilde' zu bezeichnen empfand ich als recht unhöflich. Schließlich kämpften sie auch für ihn. Vielleicht sollte ich dort mal vorbei schauen, ich könnte von Nutzen sein. „Wie heißt der Arzt?“ „Ich glaube irgendwie... Ryojun Matsumoto.“ „Entschuldigung, wie? Matsumoto-san?!“ Als ich zum ersten Mal in Kyoto war, bestand mein eigentliches Ziel, Doktor Matsumoto zu finden. Mein Vater sagte mir, ich sollte mich an ihn wenden, sollte ich Probleme haben. Unglücklicherweise war er abwesend, als ich angekommen war. „Ich schau dort mal rein.“ „Oh du meine... Du willst diese Wilden wirklich besuchen? Was für ein verdorbener Geschmack...“ Der Typ ging mir auf die Nerven, bloß weg hier. Den Gang runter kam ich zur Halle und wagte einen Blick hinein. „Oh! ...“ Das, was sich vor mir bot, ließ mich kurz stutzen. „Gut, der nächste!“ rief ein kahl geschorener älterer Mann und vor ihm trat Shinpachi hervor, der zu gerne seinen muskulösen Oberkörper präsentierte. „Endlich! Ich bin dran! Sieh es dir an, Dok! Hm? Hm?! Was denkst'e?! Du siehst hier das wundervolle Ergebnis jahrelangen Trainings!“ Schief grinsend trat ich näher und stand hinter dem Arzt, Shinpachi betrachtend. „Dein Körper ist in Ordnung. Vielleicht sollte der Doktor mal deinen Kopf untersuchen.“ hörte ich Heisuke brummen. Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust. Der Punkt ging an ihn. „Was?! Soll ich dir mal die Lichter ausblasen, Zwerg?!“ „Du bist okay, Shinpachi Nagakura. Der nächste!“ „Whoa! Moment mal! Sieh es dir genauer an!“ „Nein, du bist fit, gesund wie ein Tier! Ich denke, ich habe genug gesehen, danke.“ „Mensch, Shinpachi, du lässt die Schlange warten! Beweg dich endlich!“ rief Sanosuke und rollte mit den Augen. „Nein, ich denke nur, man hat nicht genauer-“ „Diese Untersuchung dient dazu, gesundheitliche Probleme zu finden, nicht eine Show daraus zu machen. Jetzt verschwinde!“ Saitous Worte waren die Letzten. Der Größere ließ den Kopf hängen und gesellte sich zu mir. „Na, auch hier?“ „Ja, schon seit einer Weile...“ „Wieso wirst du nicht untersucht?“ „Ich denke, damit Kerle wie du ihn nicht wegen seiner zarten Haut und seinem weiblichen Gesicht überfallen.“ Den Kommentar hätte sich Souji sparen können. Leicht knurrend starrte ich ihn an, ehe er an der Reihe war. Doch jetzt war mir auch klar, warum Itou so verzweifelt war. Er passte nicht zu diesem Haufen. Könnte ich mir nicht einmal vorstellen. „Du musst mehr auf deine Gesundheit achten. Hier, nimm das nach jedem Essen... Oh. Moment, ich muss Nachschub holen.“ Der Arzt erhob sich und ging hinaus. Schweigend folgte ich ihm und auf dem Hinterhof sprach ich ihn an. „Verzeihung?“ „Ja?“ Er sah mich kurz an, dann verengte er die Augen. „Ich muss neue Medizin holen, es wäre eine gute Gelegenheit für mich eine kurze Pause einzulegen. Kannst du mir helfen?“ „Klar. Sehr gerne.“ Ich hatte wohl Glück. Nach den Untersuchungen hatten wir wieder eine kurze Pause gemacht. Gerade als ich Matsumoto ansprechen wollte, kam Kondou um die Ecke. „Ah Doktor. Hallo, Yukimura-kun. Wie ich sehe, hast du ihn gefunden.“ „Ja, danke dir.“ Der Doktor wandte sich lächelnd an mich und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Ich bin deinetwegen hier, Kaoru. Kondou-san hatte mir berichtet, das Kodous Sohn bei der Shinsengumi lebt.“ „Ah... Verstehe.“ Ein kurzer Blick zum besagten Anführer dieser eigenartigen Truppe, da sprach dieser schon. „Ich wusste, dass Kodou und Matsumoto einander Bekannte sind.“ Dann könnte Matsumoto uns vielleicht mehr über den Aufenthaltsort seines Freundes verraten. „Ich habe ihn direkt aufgesucht, nachdem ich herausgefunden hatte, das er wieder in Kyoto ist.“ Die Shinsengumi hatte ihre eigenen Gründe, meinen Vater aufzusuchen. Matsumotos Auftauchen war sehr erfreulich für uns alle. „Ich danke euch beiden.“ Sie lächelten. Doktor Matsumoto erklärte mir, das wir uns nur knapp verpasst hatten. Er war nach Edo aufgebrochen, als ich in Kyoto angekommen war. Er hatte meine Briefe erhalten, aber er wusste nach seiner Rückkehr nicht, wo er nach mir suchen sollte. Das Kondou mich erwähnte, hatte ihn sehr überrascht. „Verzeih das wir uns verpasst hatten. Du musstest eine harte Zeit durchgelebt haben. Gibt es etwas, was du brauchst?“ „Nicht unbedingt. Mir selbst geht es gut, danke. Aber... wissen Sie etwas über meinen Vater?“ Er schaute grimmig, ehe er sprach. Seine Antwort konnte ich mir schon erahnen. „Unglücklicherweise weiß ich genauso viel wie ihr, was mit Kodou passiert ist.“ „Verstehe...“ Man hörte die Enttäuschung heraus, aber was hatte ich mir genau erhofft? Dass Matsumoto eine solch starke Verbindung zu meinem Vater hatte und daher wusste, wo er sich befand? Kondou seufzte leicht. „Ich hörte, du hast die Sache mit dieser... 'Behandlung' mitbekommen. Du weißt was ich meine? Kodous Experimente...“ Meine Augen wurden schmal. Davon hatte ich mitbekommen. Ich war sogar Zeuge, wie sich jemand verwandelte. Mit dem Zeug, was mein Vater entwickelt hatte. „Sagt mir bitte alles über diese Sache. Ich will es wissen.“ Der Kahlköpfige nickte und verschränkte die Arme vor sich. „Kodou hatte zusammen mit der Shinsengumi unter dem Befehl des Shogun gearbeitet, um die 'Rasetsu' zu erschaffen. Rasetsu sind Menschen mit dämonischer Stärke und Geschwindigkeit und mit schnelle sich selbst heilende Eigenschaften.“ „Rasetsu...“ wiederholte ich flüsternd. Es war das erste Mal, das ich von solch einem Begriff hörte. Matsumoto fuhr fort. „Diese Substanz, die normale Menschen in Rasetsu verwandeln, nennen wir 'Ochimizu', Wasser des Lebens. In China nennt man sie 'Sentan'. Kurz um, es verleiht Unsterblichkeit.“ Rasetsu... Ochimizu. Diese Worte klangen so, als gehörten sie zu einem Märchen, eine Geschichte, die man kleinen Kindern erzählte. Nach der Bedeutung dieser Begriffe mehr wie eine Horrorgeschichte. Aber etwas in seiner Stimme sagte mir, das er mich nicht anlog. „Ich hörte schon davon, das es einen zu einem starken, schwer erzwingbaren Gegner macht. Aber erleiden diejenigen, die durchdrehen, nicht unendliche Schmerzen? Und selbst wenn man dies übersteht, ein Hauch von Blut lässt sie wieder durchdrehen...“ Der Arzt nickte langsam, fuhr mit der Hand an sein Gesicht und rieb sich die Stelle zwischen den Augen. Er wirkte müde. „Also weiß du auch darüber Bescheid.“ „Ja.“ >Sie waren Menschen. Gleichzeitig auch keine. Vielleicht waren sie etwas dazwischen oder gar was ganz anderes? Ich wüsste nicht, das man dieses 'Ochimizu' zu etwas Gutem nutzen könnte. Auch wenn dieses Zeug Sanans Arm geheilt hatte, er hatte sehr gelitten während dieses ganzen Prozesses.< „Wieso?“ platzte es aus mir heraus. Mein Vater würde niemals das Leben eines anderen ruinieren, aber seinetwegen leiden Menschen – einige kamen sogar um. „Wieso ist mein Vater an so etwas beteiligt?“ Es war nicht nur mein Vater. Wer wusste, wie viele in dieser schrecklichen Sache involviert waren... „Vielleicht ist das der Grund weshalb Kodou verschwunden ist. Lange würde er es nicht fortsetzen wollen.“ „Aber das Ochimizu war eine Gegenleistung vom Shogun, um die Shinsengumi zu stärken.“ rief Kondou dazwischen, doch Matsumoto schüttelte nur mit dem Kopf. „Es war ein Experiment und es ist fehl geschlagen. Du solltest es hinter dir lassen. Ich wette mit dir, der Shogun hat es ebenso verworfen.“ Kondou stutzte, sicherlich unglücklich darüber das dieser die Entscheidung des Shogun in Frage stellte. „Du hast gesehen, was mit den Männern passierte, an denen es getestet wurde, Kondou. So kann es nicht weiter gehen. Dieses Experiment ist unmenschlich und das weißt du auch.“ Dieser gab ein komisches Geräusch von sich und verstummte. Ich war mir sicher, das Kondou wusste, wie gefährlich dieses Ochimizu war, aber es war ein Befehl des Shogun. Möglicherweise konnte er diesen Befehl nicht verweigern, selbst wenn er es wollte. Schweigen hüllte uns ein, es war beinah zu still, bis- „Ein Außenstehender hat nicht das Recht, sich einzumischen.“ „Sanan-san!“ Der Brillenträger trat aus dem Schatten, sein Gesicht war recht blass, was wohl eines der Folgen war, tagsüber aktiv zu sein. „Du siehst blass aus.“ murrte Kondou leise. „Keine Sorge.“ Er verbeugte sich und wandte sich an den Arzt. „Wir haben diese 'Medizin' effektiv genutzt.“ „Es ist dennoch gefährlich und viel zu stark...“ „Wir haben Kodous Forschung weitergeführt. Ich bin der lebende Beweis, wie Sie sehen.“ Sanan war wirklich der Beweis dafür, das es vielleicht eine Chance gäbe, diese Verwandlung zu überstehen. Nur war es nicht einfach gewesen. Ich bekam noch immer eine Gänsehaut, wenn ich an jene Nacht denken musste. „Vielleicht hast du recht. Aber dieser Erfolg bedeutet nicht direkt, das ihr sein Geheimnis aufgedeckt habt.“ „Ich denke schon. Wenn wir weiter forschen und es entwickeln, werden wir bald mehrere Erfolgsergebnisse bekommen und weniger Fehlschläge.“ „Es geht nicht um die Fehlschläge, sondern allgemein um die Konsequenzen. Dieses Zeug ist kein Leben eurer Männer wert!“ Matsumoto war aufgebracht. Er war mittlerweile aufgesprungen, gleichzeitig hielt er den Großteil seiner Emotionen zurück. „Die Männer, die ihr Leben gaben, sind die Basis der Forschung. Ich lasse sie ganz sicher nicht umsonst sterben.“ Wie Sanan es aussprach, klang extrem. Er ging über Leichen und es war ihm egal, Hauptsache die Verwandlung nimmt an Erfolgen an? „Genug! Hört beide auf. Wieso diskutieren wir dies nicht ein andermal?“ Ich behielt meine Gedanken für mich, das sie sich nicht ganz einig waren, egal wann sie dieses Thema diskutieren würden. „Nun gut.“ Matsumoto wandte sich ab. Egal wie gut sie sich eigentlich verstanden, selbst Kondou hatte mitbekommen, das dieses Gespräch eventuell nicht gerade gut enden würde. „... Wenn du darauf bestehst, Kondou-san.“ Sanans Ausdruck war mehr als deutlich, was er gerade dachte, auch wenn sich ein leichtes Lächeln auf seine Lippen schlich. Er verbeugte sich noch einmal und verschwand genauso schnell, wie er aufgetaucht war. Kondou räusperte sich. „So, ähm, wie gehen die Untersuchungen voran?“ Schnelles Themenwechsel. „Ah, die Sache...“ Matsumotos Miene verfinsterte sich drastisch, die Stimme war knurrig. „Ein Drittel deiner Männer ist entweder krank oder verletzt, oder beides gleichzeitig.“ „Was? Unmöglich!“ „Es ist nicht nur unmöglich, Kondou, es ist die Wahrheit. Was in aller Welt tust du deinen Männern an? Kratzwunden, Platzwunden, Magenschmerzen... Das ganze Gebäude ist dreckig und... es wimmelt von Läusen.“ „Dein ernst?“ „Zuerst solltest du dir ein Zimmer zulegen für ärztliche Versorgungen. Kranke Männer können dort hingeschickt werden. Als Zweites solltet ihr diesen Ort sauber machen. Sonst werde ich dir keine Hilfe sein.“ Führjahrsputz war angesagt? „Verstehe. Wenn es der Arzt so sagt...“ Kondou stieß einen leichten Seufzer aus. Und somit wurde jeder aufgefordert, das ganze Hauptquartier zu putzen. Die Kapitäne wurden ebenfalls dazu verdonnert, ganz gleich was ihre Meinung dazu war. Am folgenden Tag darauf hatte Doktor Matsumoto das Haus unter die Lupe genommen. „Sehr gut, ihr habt alles sauber gemacht.“ Er wirkte zufrieden. „Sollte es auch. Wir haben uns den Arsch aufgerissen.“ brummte Shinpachi, der auf dem Boden lag und tief einatmete. Sie hatten bis heute Morgen schließlich noch die Putztücher geschwungen. Heisuke nickte zustimmend. „Ja, außer Souji. Das einzige, wo sein Hintern Platz genommen hatte, war ein Stuhl. Gemein...“ „Hey, beschuldigt nicht mich, wenn Hijikata sich wie eine über fürsorgliche alte Dame benimmt.“ „Klappe. Du kannst dich frei bewegen solange du nicht jede Minute husten musst.“ Auch wenn sich Hijikata um Soujis Gesundheit sorgte, so zeigte er es nicht. „Wie auch immer, ein sauberes Zuhause ist ganz nett.“ murmelte Saitou und nahm einen Schluck Tee. „Stimmt. Dieser Ort wirkt nun... anders. Vielleicht sollte ich diese Angelegenheit öfters machen lassen.“ Also wollte Hijikata seine Männer neben dem Training auch noch zum Putzen schicken? Wer wohl alles mitmachen würde? „Nun, vielleicht sollten wir einfach jeden Tag putzen!“ lachte Sanosuke. „Gute Idee! Vergewissere dich, das du dein Bestes gibst, Heisuke!“ „Ich?! Whoa, Moment mal! Du bist derjenige mit der größten Energie, Shin! Denk ja nicht, du kommst heil davon!“ „Bevor das alles hier ins Chaos stürzt, helfe ich mit.“ warf ich ein und schenkte dem Trio ein schiefes Grinsen. „Also gut, dann gebt Morgen wieder Gas, Leute!“ „Moment! Wann sagte ich, das ich mit helfe?!“ Heisuke und ich sahen zu dem Größeren und seufzten gleichzeitig, ehe Hijikata sich zu Wort meldete. „Shinpachi, dort liegt Müll, wirf es weg.“ „Fangen wir nicht erst morgen an?“ „Rennt hier nicht herum. Wir haben alles gerade geputzt und ihr werft den Dreck wieder herein.“ brummte Saitou genervt. Ein Kichern konnte ich mir nicht verkneifen. Mir gefiel diese ständigen Diskussionen zwischen den Kapitänen, sodass ich beinah nicht mitbekommen hätte, dass Souji schweigend nach draußen trat. Mir fiel auf, das Matsumoto bei ihm war und sich vom Raum entfernten. Wohin sie wohl gingen? Ich schüttelte den Kopf. Es war nicht meine Angelegenheit, wenn Matsumoto bei ihm war, sollte es Souji gut gehen. Nachdem die Aufregung abklang, machte ich mich wieder an die Arbeit. Kapitel 17: Kapitel 2.6 - Bonus: Des Arztes Assistent ----------------------------------------------------- Matsumoto war tatsächlich hier. Doch konnte ich kaum mit ihm reden. Nachdem ich gewillt war, ihm zu helfen, damit er neue Medizin besorgen konnte, drückte er mir eine Checkliste in die Hand und schickte mich zurück in die Halle. Also gut. Ich band meine Ärmel hoch und ging zum Platz, wo sich Matsumoto hingesetzt hatte. Die Krieger beachteten mich nicht, die Schlange war ebenfalls nicht mehr da. Shinpachi und Sanosuke lieferten sich eine Art Wettbewerb, wer die meisten Muskeln hatte...? Wie auch immer, ich räusperte mich. „Ähm, Jungs? Die Untersuchungen werden fortgesetzt.“ rief ich und wartete. Nichts. Heisuke hatte mich jedoch gehört und kam auf mich zu. „Hey, Kaoru! Was machst du hier?“ „Während Matsumoto-san neue Medizin holt, soll ich mit den Untersuchungen weitermachen.“ „Ah stimmt, du kennst dich ja auch aus mit solchen Dingen.“ „Ich kenne die Grundlagen, das reicht denke ich.“ Ungeduldig tippelte ich mit dem Fuß auf den Boden. Hatte mich niemand gehört? Schnaubend stellte ich mich auf den Stuhl. „Oi! Es geht weiter!“ rief ich ein wenig lauter als zuvor. Einige sahen mich an, doch niemand kam zu mir. Heisuke kicherte leise. Wutschnaubend stapfte ich auf. „JETZT STELLT EUCH AN, IHR UNDISZIPLINIERTES PACK!“ brüllte ich, sodass es einmal im ganzen Raum hallte. Die Gespräche wurden eingestellt und anschließend bildete sich eine Schlange vor mir. „Geht doch...“ brummte ich und sprang vom Stuhl. Der Brünette hinter mir war zurück gesprungen und sah mich beeindruckt an. „Du redest fast wie Hijikata!“ lachte er daraufhin. Ich seufzte. „Hijikata-san würde wohl jeden Einzelnen von euch in die Schlange prügeln. Los, stell dich an!“ Sofort flitzte er los. Die ersten Patienten waren kein Problem für mich. Ich tastete sie ab und fühlte ihren Puls. Ich hielt mich streng an die Liste, was ich beachten musste und bis jetzt gab es nur einen, der sich nicht gut fühlte. Ihn bat ich auf Matsumoto zu warten, damit dieser ihn mit Medizin versorgen konnte. Nach einigen Männern kam mir ein bekanntes Gesicht entgegen. „Warst du nicht schon, Shinpachi?“ wollte ich wissen und hob eine Augenbraue. „Der Dok gab mir keine Beachtung, also wirst du das übernehmen!“ „Niemals.“ meinte ich lachend und winkte ab. „So fit wie du sind die Wenigsten hier, du bist kerngesund.“ „Überprüfe mal seinen Kopf!“ rief Heisuke von weiter hinten. „Dazu habe ich leider keine Mittel.“ „Jetzt sei kein Frosch!“ „Du wirst zu Frosch verarbeitet, wenn du nicht zur Seite gehst.“ „Als wenn du mir was antun könntest.“ lachte der Brünette laut. „Ich nicht, aber Hijikata-san.“ Verstummt ging er endlich, sodass Saitou an der Reihe war. Er setzte sich mir gegenüber und ließ sich von mir untersuchen. Immer wieder schaute ich auf die Liste. „Hm, körperlich bist du fit.“ „Du machst deine Arbeit gut.“ sagte er und erhob sich. Verwundert blinzelte ich ihm nach, ehe ich ein leises 'Danke' murmelte. Sanosuke saß nun vor mir. „Sei aber bitte zart!“ neckte er mich, sodass ich ihn erst einmal entgeistert anstarrte, ehe ich mich an die Untersuchung machte. Seinen Oberkörper abtastend erzitterte er kurz. „Tut es weh?“ „Nein, es hat nur gekitzelt.“ „Wusste nicht, dass du kitzelig bist.“ „Das wissen die wenigsten.“ lachte er nur. Mit einem Lächeln erwiderte ich seine gute Laune und machte ein Häkchen in die Liste. „Du bist gesund. Du kannst gehen.“ „Von dir lass ich mir immer wieder untersuchen. Du drückst nicht so wie Matsumoto-san.“ „Wer weiß, ob ich an der nächsten Untersuchung teilnehme?“ Trällernd ging der Rotschopf weg, sodass die nächsten dran waren. Matsumoto kam wieder und hatte sich um die gekümmert, die Beschwerden hatten. Er sah mir über die Schulter und nickte. „Sehr gut. Die Hälfte kann zu mir kommen!“ rief er und setzte sich ein wenig weiter weg auf einen Stuhl. Meine Schlange teilte sich und ging rüber. Heisuke blieb jedoch auf meiner Linie. Er war auch einer der Letzten. Mit einem breiten Grinsen setzte er sich vor mich. Ihm schien es wieder besser zu gehen. Er war wie immer. Während ich ihn untersuchte, betrachtete ich seinen Oberkörper. Ein leichter Rotschimmer bildete sich auf meine Wangen, ich spürte wie die Hitze in mein Gesicht hochschoss. Nichts anmerken lassen, dachte ich und schluckte. „Huh?“ machte Heisuke und blickte verwirrt drein. Hatte er etwas bemerkt? „Hm?“ Ich tat einfach so, als wäre nichts. Doch insgeheim fragte ich mich, warum ich so reagierte. Ob ich ihn vielleicht um seine Muskeln beneidete? Gut gebaut war er ja. Er wirkte wirklich männlich, hatte kein weibliches Gesicht im Gegensatz zu mir. Das musste es wohl sein. Man konnte erkennen, wie männlich er war. Heisukes Gekicher riss mich aus den Gedanken. „Was ist so lustig?“ fragte ich. „Egal wie lange du mich anstarrst, du wirst nicht weiterkommen, wenn du mit der Untersuchung nicht fortfährst.“ Gerade wollte ich einen Widerspruch leisten, doch ich ließ es bleiben. Mit knallrotem Kopf machte ich weiter und räusperte mich. „Körperlich ist nichts Auffälliges! Kannst gehen.“ brummte ich und mied seinen Blick vorerst. Er stand auf und tätschelte mir auf den Kopf. Grinsend begab er sich zu seinen beiden Freunden, ich hingegen seufzte schwer und fuhr mit der Arbeit fort. Als ich endlich fertig war, streckte ich mich und erhob mich. „Ah, du bist auch fertig.“ hörte ich Matsumoto reden. Ich wandte mich an ihn und nickte. „Ich hoffe ich war eine kleine Hilfe, für Sie.“ „Eine große!“ korrigierte er mich und lachte. „Lass uns nach draußen gehen. Hier ist die Luft so stickig.“ Kurz mich umsehend nickte ich ihm zu und folgte ihm. Vielleicht konnte ich ihn jetzt ausfragen. Nach so langer Zeit erhoffte ich mir wirklich ein paar Antworten. Der Tag konnte nicht besser sein. Kapitel 18: Kapitel 2.7 - Über Kodou ------------------------------------ Ich war draußen und fegte den Boden, als er auftauchte. „Sie lassen dich die Drecksarbeit machen?“ Diese kühle Stimme mit diesem unverkennbaren sarkastischen Unterton kam direkt von hinten. Als ich mich umdrehte, verengte ich die Augen und hielt den Besen kampfbereit vor mir. „Du bist Teil der stärksten dämonischen Blutlinie und machst die Hausarbeit dieser mickrigen Kreaturen?“ Chikage Kazama. Wie ich es an der Stimme schon erwartet hatte. Sein Gesicht zeigte einen Hauch von Überraschung und Ekel, während er mich mit diesen kalten Augen anstarrte. „Und du willst?“ fragte ich schnaubend und versuchte, ruhig zu bleiben. Schließlich war seine Präsenz beinah erdrückend für mich. Man spürte seine Stärke, auch wenn er nicht direkt vor mir stand. „Hmph...“ brachte er heraus. Es klang so, als amüsierte ihn diese Frage. „Meinst du, du könntest dich damit wehren? Der Aufenthalt mit den Menschen tut dir wohl nicht gut.“ „Noch mal: Was willst du hier?!“ knurrte ich und wich zurück. Auch wenn er mich gerade runter machte, unterschätzen sollte man ihn auf keinen Fall. Er war sehr gefährlich. „Beruhige dich. Ich bin nicht zum Kämpfen hier. Zumindest nicht für heute. Ich will nur wissen, was du mit Kodou zu schaffen hast.“ Kodou... Mein Vater? Aber wieso würde jemand wie er meinen Vater erwähnen? „Weißt du etwas über meinen Vater?“ „...Vater? Kodou?“ „Wenn du von Kodou Yukimura sprichst, handelt es sich um meinen Vater.“ „Verstehe...“ Er wirkte überrascht, dann neigte er seinen Kopf zur Neige. Während er wohl zu verstehen begann, wurde meine Verwirrung nur noch größer. „Wieso fragst du?“ Ich wollte wissen, was er wusste. Oder ob er überhaupt etwas wusste? Gerade wollte ich weiter fragen, als... „Mutig, sich einfach in das Territorium der Feine einzuschleichen.“ „Hijikata!“ Der Schwarzhaarige stand nun zwischen Kazama und mir in einer leichten Kampfpose. Wie lächerlich der Besen in meiner Hand doch jetzt aussehen musste. „Was machst du hier am helllichten Tag? Du bist doch nicht zum Schwatzen hergekommen, oder, Kumpel?“ „Weg von ihm!“ Sanosuke und Heisuke gesellten sich zu mir und machten sich ebenfalls Bereit zum Kampf, wenn dieser eintrat. „Ich habe dich reden hören. Wäre ja merkwürdig, Selbstgespräche beim Putzen zu führen.“ lachte der Rotschopf. Gut zu wissen, das er mich nicht für jene Sorte hielt. „Bist du okay, Kaoru? Du bist nicht verletzt?“ Ich schüttelte den Kopf und blickte wieder zu Kazama. „Die Mibu Wölfe kommen auch nur in Gruppen oder?“ „Schnauze!“ knurrte Hijikata und zog sein Schwert. Ich konnte die Spannung richtig spüren, doch Kazama war es, der diese wieder abklingen ließ. „Ich würde sehr gerne eine Weile mit euch spielen, aber ich habe dafür keine Zeit. Lediglich habe ich eine Warnung zu vermitteln: Hört auf, Menschen in Dämonen zu verwandeln.“ Menschen in Dämonen? Er meinte das Ochimizu. „Es ist nicht deine Angelegenheit!“ knurrte der Vizekommandant. „Ja man! Meinst du, wir hören auf jemanden, der ein Kind belästigt, mitten am Tag?“ Der Speerkämpfer verengte die Augen und drängte mich nach hinten. „Idioten. Ich tue euch nur einen Gefallen.“ Tat er das? „Das ist unsere Sache! Halt dich daraus, bevor wir uns darum kümmern!“ „Hmph. Je kleiner der Hund, desto größer das Bellen.“ Ich spürte, wie Heisuke vor Wut kurz davor war, auszuflippen. Kazama wandte sich von den anderen ab und blickte mich fixiert an. „Kodou ist bei uns, Kaoru. Weißt du, was das bedeutet? Dein Vater hat den Shogun verraten.“ „Was...?“ Sein unheimliches Lächeln verstärkte die Verwirrung in mir. „Was nützt es dir noch, bei diesen Menschen zu bleiben? Denk darüber nach.“ Mit diesen Worten verschwand er; drehte sich um und wurde eins mit dem Schatten in einer Seitengasse. Was war nun los? Wer waren sie und warum waren sie hinter mir her? Mein Vater war bei ihnen? An ihrer Seite? Hatte den Shogun verraten? Mein Kopf schmerzte, zu viele Informationen und aufkommende Fragen. Wieso häuften sich die Fragen ins Unermessliche, wieso fand ich keine Antworten? Trotz allem bereitete mir eine Sache große Sorgen: Was wurde aus meinem Vater? „Hat er echt den Shogun verraten...?“ Wieder eine Frage ohne Antwort. Bis jetzt hatte ich geglaubt, er würde für den Shogun arbeiten, aber jetzt? Wie viel wusste Kazama und warum? Je mehr ich darüber nachdachte, desto bewusster wurde mir: Ich wusste viel zu wenig. „Lass dich nicht unterkriegen, Kaoru. Hauptsache ist doch, das er lebt, oder?“ Ich wusste nicht wie mein Blick aussah, was Heisuke so besorgt aussehen ließ. Er tat sein Bestes, um mich aufzumuntern, aber gerade schien es nichts zu nützen. Immerhin hatte ich so viele Fragen. „Außerdem wissen wir nicht, ob der Punk die Wahrheit sagt! Wir schnappen uns alle Rōnin, um Informationen über deinen Vater herausfinden zu können.“ „Stimmt. Wir haben keinerlei Gründe, diesem Kazama zu glauben.“ stimmte Sanosuke zu und legte eine Hand auf meinen Kopf. „Wir haben noch immer die Einheit, die nach Kodou sucht. Irgendwann finden sie etwas.“ Selbst Hijikata versuchte mich aufzumuntern. „Danke...“ Wie konnten sie nur so nett zu jemanden wie mich sein? Ich war doch nur ein Gast. … Der einzige Grund, weshalb ich bei ihnen bleiben durfte, war, das ich Kodous Sohn war. Es hatte sich zwar nicht geändert, aber... „Ich lass dich alles wissen, sobald ich etwas herausgefunden habe, okay? Kopf hoch, Kaoru!“ Ich nickte ihm zu. Ihre Worte – vor allem Heisukes – machten mich irgendwie glücklich. Von diesem Zeitpunkt an besuchte Matsumoto öfters die Shinsengumi, um sich Krieger anzusehen. Die 'Truppe' wurde zu 'Rasetsu Einheit' umbenannt, aber es blieb noch immer im Verborgenen. Dennoch verstand ich nicht, warum sie damit weiter machten. Es dauerte nicht lange, bis ich mir wünschte, nie etwas über die Rasetsu oder das Ochimizu erfahren zu haben. October 1866 Der Shogun begann reinen Tisch zu machen. Das Choshu Reich wurde als erklärte Feind des Gerichts anerkannt und der Shogun ergatterte Verbündete, die sich gegen die Choshu stellen sollte. Die Absicht war, das ganze Reich von den Feinden zu vernichten, doch das Eingreifen der Satsuma und anderen Reichen ließ diesen Plan kampflos scheitern. Dennoch verfiel das Choshu Reich in Schweigen, was aber nur kurz anhielt. Ihre Respektlosigkeit dem Shogun gegenüber konnte man nicht länger ignorieren. Kondou schickte einen Boten, der die Situation untersuchen sollte, doch wurde dieser wieder zurückgeschickt. Durch ihre Ungehorsamkeit befahl der Shogun eine zweite Einheit gegen die Choshu... „Hey, Leute, hört her!“ rief Shinpachi und wirkte recht aufgeregt. „Hm?“ machte ich nur, der gerade dabei war, anderen Tee einzuschütten. „Hast du schon wieder Ärger gerochen?“ Sanosuke lachte kurz. „Nein! Schlimmer: Lord Iemochi ist tot!“ „WAS?!“ Lord Iemochi, der vierzehnte Shogun vom Tokugawa Shogunat soll tot sein? Ich hatte ihn nie persönlich getroffen wie einige aus der Shinsengumi und dennoch spürte ich einen Knoten in meinem Brustkorb. Die Shinsengumi war seine Leibgarde und er war das Symbol des Shogun. „Bist du sicher? Man, das wird ja immer schlimmer in letzter Zeit...“ murmelte der Rotschopf, dessen Lachen sofort nach Shinpachis Nachricht abgeebbt war. „Was wird mit der Einheit gegen die Choshu passieren? Wurde ein neuer Shogun gewählt?“ „Mehr weiß ich auch nicht darüber...“ „Es wäre gegen die Moral, ohne einen Herrn in die Schlacht zu ziehen...“ „Ich weiß. Ich habe auch ein komisches Gefühl dabei. Die Choshu kamen viel zu oft davon. Ich hoffe, sie kriegen was sie verdienen, aber...“ Schweigen. Kurze Zeit danach ließ das Shogunat eine große Armee gegen die Choshu anlaufen, doch ein großer Verlust belastete die anderen Reiche, sodass es weniger Truppen gab als erwartet. Der Tot von Iemochi war ein weiterer Schlag gegen die Moral einer Armee und einige Reiche zogen sich aus dem Krieg zurück. Die zweite Einheit gegen die Choshu endete in einer schockierenden Niederlage für die Armee des Shogunats. Dies war der Moment, indem die Regierung des Shogunats zu schwanken begann – nach 260 Jahren. „Warm...“ brummte ich und fuhr mit der Hand durch mein nass geschwitztes Haar. Kyoto war eine schöne Stadt, aber ich käme damit auch gut ohne diese unerträgliche Hitze klar. „Stimmt.“ Es war Saitou, den ich dieses Mal auf einen Rundgang begleitete und blickte umher. Vorsicht war geboten, denn die Choshu könnten überall sein. Zwar hieß es, das sie Kyoto verlassen hätten, aber einige befürchteten, das sie sich noch immer irgendwo versteckt hielten. Dies war auch der Grund, weshalb die Shinsengumi noch mehr Vorsicht einbrachten als jemals zuvor. „Ich schau mal in dem Laden dort. Warte hier.“ „Okay.“ Der Größere verschwand mit einigen Männern in dem Gebäude, um dieses zu untersuchen. „Ich bin von der Shinsengumi. Ich untersuche den Laden jetzt.“ „J-Ja, natürlich.“ Ich wartete, ehe ich Stimmen hörte. „Hey! Du stehst mir im Weg, Kleiner!“ Eine Gruppe von recht mürrisch aussehenden Rōnin machten sich brüllend auf den Weg in meiner Richtung und verscheuchten jeden, der ihnen im Wege stand. Seufzend wollte ich mich von ihnen abwenden. Scheinbar die Sorte, die behaupten, sie wären großartige Krieger, nur um entweder zu stehlen oder zu töten. „Hey du Zwerg! Weg da!“ Der Anführer holte mit einem Bein aus, um ein spielendes Kind beiseite zu treten. Gerade wollte ich ihn davon abhalten- „Zurück, ihr Rebellen!“ Woher sie plötzlich kam, wusste ich nicht. Aber eine junge Frau stellte sich zwischen dem Kind und dem Rōnin. „Was? Was willst du denn, Lady? Du wagst es, uns zu befehligen? Willst du dich mit uns anlegen?!“ Der Kerl schien ein starkes Temperament zu besitzen. Er zog seine Waffe – ganz gleich, wer vor ihm stand – und ließ die Waffe auf die Frau niedersausen. Die Klinge prallte jedoch an einer anderen ab – an meiner. „Wer bist denn du?!“ „Ziemlich peinlich, eine unbewaffnete Frau anzugreifen.“ brummte ich nur und drängte ihn zurück. Ich konnte nicht länger mit ansehen, wie sich eine Frau gegen die Männer auflehnte und ich zusehen musste. „Was hast du gesagt?!“ fauchte er laut und holte erneut aus. Den Angriff parierend drehte ich mich und schlug mit dem Schwertgriff gegen seine Magengrube. Er taumelte zurück und blickte auf zu mir. „Du miese kleine-“ „Wie? Immer noch nicht genug? Ein wahrer Krieger sollte Menschen beschützen und nicht angreifen, vor allem keine Frauen und Kinder!“ „Zeig es ihm, Junge!“ rief ein Mann, der zusah und auch die anderen Schaulustigen begannen mich zu unterstützen. „Raus aus unserer Stadt, ihr verdammten Rōnin!!“ brüllte ein weiterer. Ich machte mich wieder Kampfbereit und grinste leicht. Immerhin konnten sich die Menschen hier durch meine Aktion zusammen gegen die Rōnin stellen. Wie hieß es doch gleich? Zusammen war man stark. „Ihr Bastarde!“ Er verlor die Kontrolle. Er rannte auf mich zu, die Waffe schwingend. Ich duckte mich und trat ihm gegen das Bein. Kurz schwankte er, doch dann fiel er plötzlich um. „Huh?“ Ich blickte auf und sah Saitou, der hinter ihm gestanden hatte und ihn wahrscheinlich mit dem Schwertgriff außer Gefecht gesetzt hatte. „Nehmt sie fest und bringt sie in unser Hauptquartier.“ sagte er und seine Einheit salutierte, ehe sie das taten, was sie machen sollten. „Das war ziemlich rücksichtslos. Du hättest mich rufen müssen.“ „Tut mir Leid, aber hatte ich das nicht gut im Griff gehabt?“ „Schon, aber es war dennoch eine lebensmüde Aktion!“ Die junge Frau hinter mir trat hervor, nachdem sie das Kind zu seiner Mutter geschickt hatte. War das die Frauensprache für 'Vielen Dank für die Rettung'? Ich rümpfte die Nase und wandte mich zu ihr. „Es ist nichts passiert. Oder bist du verletzt?“ Kurz schaute sie mich intensiv an, ehe ihre Gesichtszüge weicher wurden. „N-Nein. Schließlich hast du mich ja gerettet, oder? Und ich habe nicht gedankt. Verzeih meine Unhöflichkeit. Vielen Dank. Ich muss gestehen, du hast großen Mut bewiesen. Nicht viele trauen sich den Rōnin entgegenzustellen.“ „Naja im Endeffekt hat Saitou ihn außer Gefecht gesetzt.“ Verlegen kratzte ich mich an der Wange und seufzte leicht. Mein Gegenüber begann zu kichern. „Du musst nicht so schüchtern sein. Ich denke, unser Treffen ist Bestimmung.“ „Meinst du...?“ Was meinte sie wohl? Bestimmung? „Oh wie unhöflich von mir! Ich denke nicht, das ich nach deinen Namen gefragt habe, oder? Ich möchte mich gerne mit dir anfreunden, aber es ist schwer, wenn man den Namen nicht weißt. Also, verrätst du ihn mir?“ Eigentlich sollte sie sich zuerst vorstellen, ehe ich einen Blick zu Saitou warf. Schließlich war er der Retter in letzter Sekunde, auch wenn ich mit dem Kerl allein fertig geworden wäre... „Oh, ich weiß, wer er ist. Saitou-san, oder? Die Shinsengumi ist recht bekannt hier. Und du bist?“ „Mein Name ist Kaoru Yukimura. Freut mich dich kennenzulernen.“ „Es freut mich dich kennenzulernen, Kaoru! Du kannst mich Sen nennen.“ „Sen-san?“ „Oh je, du musst nicht so formell sein. Wir sind im selben Alter, also kannst du dich ruhig normal mit mir unterhalten.“ „Einfach Sen?“ „Ja, genau.“ Sie nahm meine Hand in ihre und wirkte recht ernst. „Wir müssen uns unbedingt wiedersehen, Kaoru.“ Sie drückte meine Hand sanft, ehe sie sich umdrehte. Ihr Kimono wehte bei der Bewegung und dann verschwand sie in der Menge. Irgendwie ging alles zu schnell. Verwirrt starrte ich ihr nach, dann wandte ich mich an Saitou. „Ich bin verwirrt.“ murmelte ich und wusste gar nicht was ich sagen sollte. Sie war so nett und offenherzig, als kannten wir uns schon länger. Weibliche Freunde hatte ich kaum – sogar gar keine – und es störte sie gar nicht? Ich dachte immer, Frauen hätten ihre eigenen Köpfe. Saitou musterte mich kurz, ehe er einen merkwürdigen Ausdruck zeigte. „Hey... Was soll dieser Blick?“ Ich sah eine Art Deja-Vu, als ich mit Souji und Heisuke einem Mädchen geholfen hatte. Heisuke konnte seine Gedanken nicht unausgesprochen lassen. Ich hoffte, Saitou war in diesem Moment nicht genauso. „Lass uns weitergehen.“ war nur seine Antwort. Gut, wenn er meinte. Ich folgte ihm, ehe er auf dem Absatz Kehrt machte und die Straße herunter lief. Kapitel 19: Kapitel 2.8 - Ein neuer Shogun ------------------------------------------ Es fühlte sich wie Sommer an: Jeder Tag war heißer als der vorherige. An diesen besonders heißen Tag schlenderte ich zur Veranda, auf welcher Kondou sich eine Pause gönnte. In meiner Hand ein Tablett mit Tee. „Ihr Tee, Kondou-san.“ sagte ich höflich. Ganz gleich ob ich alle anderen dutzte, Kondou war eine respektvolle Person in meinen Augen, mit dem man sich zwar locker unterhalten konnte, aber die Unterschiede unserer Positionen war deutlich klar. „Oh, vielen Dank!“ Auch wenn es ihm sicher nichts ausmachte, wenn ich ihn wie die Anderen wie einen, nun ja 'Freund' betrachten würde. Im Grunde war er ja auch ein guter Freund. In letzter Zeit schien er jedoch in Gedanken. Viel war passiert. Viel schlechtes, nach Iemochis Tod. Von uns allen hatte Kondou die schwierigste Zeit, vielleicht wäre es besser, wenn ich ihn in Ruhe ließ. „Matsumoto untersucht gerade Souji.“ hörte ich ihn sagen. Stimmt, Souji hatte in der Tat zu viele Hustanfälle in letzter Zeit. Ob ihm eine schwierige Grippe bevorstand? „Hat er etwas gesagt?“ „Nein. Nichts. Ich hoffe nur, es ist nichts ernstes. Sollte ihm etwas zustoßen, könnte ich ihr niemals mehr unter die Augen treten...“ „Ihr?“ wiederholte ich und hob eine Augenbraue. „Ja.“ Er runzelte die Stirn. „Als wir nach Kyoto gereist sind, hatte mich Mitsu – seine ältere Schwester – gebeten, auf ihn zu achten. Wenn ich sie wütend mache... Uh, mich gruselt es, wenn ich darüber nachdenke...“ Allein die Vorstellung, dass Kondou – der Anführer der Shinsengumi, der mehrere Kriege geführt hatte im Namen des Shogun – Angst vor einer einzelnen Frau hatte... brachte mich zum Grinsen. „Hey, das ist nicht lustig! Ich bevorzuge es lieber, mit Rōnin zu kämpfen, als mit ihr zu diskutieren... Sie... ist speziell.“ „Da wären wir zu Zweit.“ Hijikata gesellte sich zu uns und schmunzelte leicht, was man sehr selten zu Gesicht bekam. Zumindest in meinem Fall. „Ich hoffe alles wird gut. Sollte was mit Souji sein, dann möchte ich, das du es Mitsu sagst, Toshi.“ „Warum soll ich das tun? Du bist hier der Boss!“ „Das sagst du so leicht.“ Es war ja wirklich lustig, ihnen zu zuhören – was mich jedoch wunderte, das sich Hijikata scheinbar genauso vor dieser Mitsu fürchtete – aber ihr Verhalten war schon recht seltsam. Was befürchteten sie denn, wie es um Souji stand? „Ach ja. Hast du von der Tafel gehört, drüben bei der Sanjo Ohashi Brücke?“ Jene Tafel wurde vom Shogun angebracht, die die offizielle Erklärung darüber war, das die Choshu als Feinde des Kaisers anerkannt wurden. „Irgendwelche Arschlöcher hatten es aus dem Boden gerissen und in den Kamo geworfen.“ „Ja. Davon habe ich gehört. Haben sie es nicht wieder in Ordnung gebracht?“ „Haben sie. Dasselbe passierte. Ich denke, dass sie uns darum bitten werden, uns darum zu kümmern.“ „Es wurde in der Nacht heraus gerissen, oder? Was meinst du? Sollen wir Sanans Rasetsu Einheit dafür benutzen?“ Hijikata stutzte und schluckte. „Die Rasetsu Einheit...“ „Eine schlechte Idee?“ Der Schwarzhaarige schnitt eine Grimasse und verschränkte die Arme vor seiner Brust. „Sie mögen zwar für solch eine Aufgabe perfekt sein, aber sie tendieren dazu, dies auf zu leichter Schulter zu nehmen. Was immer wir ihnen für eine Aufgabe geben, es endet immer im Massaker. Sie schlachten die Rōnin aus und verunstalten sie so, das man sie nicht mehr wiedererkennt. Sie gehen meist zu weit. Wir sind keine Gruppe von rücksichtlosen Mörder, aber sie hören ja nicht auf mich. Sie wollen unbedingt etwas töten, was anderes machen sie nicht.“ erklärte er und Kondou begann zu überlegen. Ich hatte dies alles ruhig mit angehört, doch musste ich wieder an jene Zeit vor mehr als einem Jahr denken, als ich nach Kyoto kam: Die Rasetsu. Sie wirkten meist so, als wären sie vom Teufel besessen; sie zerhacken die Körper der bereits Getöteten und hatten Spaß dabei. Dieses wahnsinnige Grinsen auf ihren Gesichtern würde ich wohl nie vergessen, egal was ich tun würde. „Ich hätte einige andere Ideen.“ „Gut, ich überlasse es dir, Toshi. Ach ja, hast du von Lord Yoshinobu Hitotsubashi gehört, der alten Leibgarde des Shogun?“ „Was ist mit ihm? Ich hörte einige Leute sagen, er wäre Ieyasus Wiedergeburt. Ich kann dies zwar nicht bezeugen, aber ich hörte, er wäre verdammt scharfsinnig...“ Bevor ihre Diskussion über die Politik erst richtig losging, entschuldigte ich mich und zog mich zurück. Ich dachte an das, was Hijikata gesagt hatte. Sannan benahm sich in letzter Zeit recht seltsam, noch seltsamer als zuvor und seine Rasetsu Einheit wurde immer gewalttätiger. Viele Fragen waren in meinem Kopf, aber was mir die meisten Sorgen bereiteten waren die Rasetsu. Und wie Hijikata es vorhergesehen hatte, wurde die Shinsengumi beauftragt, die Tafel an der Sanjo Ohashi Brücke zu bewachen. Es stellte sich heraus, das die Randalierer aus acht Männern dem Tosa Reich zugehörten. Sanosuke und seine Einheit waren gut vorbereitet und konnten sie gefangen nehmen, bevor sie zum Angriff losstürmen wollten. Sanosuke bekam eine großzügige Belohnung von der Aizu und er lud die anderen Kapitäne zum Trinken ins Shimabara ein. Ich hingegen blieb im Tempel und verbrachte das Abendessen allein. Mir verging jedoch der Appetit, wenn ich daran dachte, was so passiert war. Was wohl aus der Shinsengumi werden würde? Oder der Rasetsu Einheit? Ich driftete gedanklich ab, als Sanan den Raum betrat. „Oh, Sanan-san.“ Meine Freude – ihn zu sehen – hielt sich in Grenzen. Mit ihm alleine zu sein war nicht gerade das, was ich mir unbedingt wünschen würde. „Das Ochimizu ist unglaublich! Die Rasetsu, die wir erschaffen haben, sind ein voller Erfolg! Nur Idioten würden es einen Fehlschlag nennen, weil sie einfach nicht verstehen, wie es funktioniert! Mit diesem Wissen brauchen wir uns nie wieder zu fürchten! Vor den Tosa nicht, vor den Choshu nicht. Vor niemanden! Stimmst du mir da zu, Yukimura-kun?“ „Äh...“ Verlangte er von mir eine ehrliche Antwort? Er kam herein, um zu prahlen, das er es hin bekommen hatte, aber was erwartete er von mir? Ich hatte keine Ahnung von solchen Dingen und wollte es auch gar nicht. Zudem sah sein Blick recht seltsam aus. Er sah nicht aus wie Sanan. Seine Augen glänzten, sie strahlten etwas aus, was dem Wahnsinn nahe kam. Nun wirkte er noch merkwürdiger als zu der Zeit, bevor er zum Rasetsu wurde und nachdem er seinen Arm verletzt hatte. „Sag etwas! Du gibst diesen Idioten nicht recht, oder? Sie verstehen gar nichts!“ „Nun ich verstehe es auch nicht so richtig, dürfte ich mich der Antwort enthalten?“ Seine linke Hand umfasste mein Handgelenk – sie fühlten sich an wie eiskalte Seile – und hob meinen Kopf an, damit ich ihn anschaute. Schluckend versuchte ich mich aus seinem Griff zu befreien, doch war es nutzlos. Er war zu stark. „Du tust mir weh, Sanan-san...“ brummte ich leise, ehe ich zusammen zuckte, als er den Griff verstärkte. Sein Blick wurde wahnsinniger und ich befürchtete, das er bald den Verstand verlor, als ich eine mir bekannte Stimme hörte: „Was hältst du ihn so fest, Sanan? So verschreckst du das arme Kind nur.“ Souji grinste nur, ehe er eine Hand auf Sanans Schulter legte. Hinter ihm standen Saitou und Heisuke. „Oh, ich... habe mich wohl gehen lassen. Entschudligt.“ Hinter den Gläsern seiner Brille veränderte sich der Blick und Sanan wirkte wieder normal. „Ihr seid früh dran. Ich dachte ihr würdet noch ein bisschen feiern.“ „Sano will bis zum Morgengrauen durchmachen, solange Shin ihn nicht davon abhält. Da ich nicht viel ausrichten kann, bin ich schon mal gegangen.“ meinte Heisuke und schob sich zu mir. „Also sind es nur ihr drei?“ „Hijikata verbringt die Zeit mit einer Lady aus Sumi namens Kimigiku. Sie sitzt bei ihm die ganze Zeit. Als Vizekommandant bekommt er wohl alle Frauen...“ „Kimigiku?“ fragte ich mit erhobener Augenbraue. „Ja. Sie war recht hübsch... Ich habe die Befürchtung, das Sano nicht mehr genug hat, sie zu bezahlen.“ „So, so...“ Wenn sie so hübsch war, wie Heisuke meinte, dann würde es wohl auch für einen Mann wie Hijikata schwer fallen, nein zu sagen. Nur machte er auf mich nie den Eindruck, das er sich auch für so etwas interessieren würde. Das machte mir nur wieder bewusst, was für verborgene Seiten manch einer haben konnte. „Was ist? Du siehst so nachdenklich aus.“ fragte Saitou und hatte den Blick auf mich gerichtet. „Huh? Nein, alles in Ordnung.“ „Du siehst müde aus. Vielleicht sollten wir alle gehen...“ Seine letzten Worte galten Sanan, der kurz stutzte, dann seufzte. „Ja. Das wäre wohl das beste. Wir unterhalten uns ein anderes Mal.“ murmelte er. Ich hoffte wirklich, es gäbe kein 'anderes Mal'. Mit ihm allein zu sein war wirklich etwas, was ich niemals freiwillig machen würde. „Du solltest dich ausruhen, Kaoru.“ „Werde ich. Vielen Dank.“ Ich nickte Saitou kurz zu, dann sah ich wie Souji vor der Tür stehen blieb und Sanan aufhielt. „Sanan... Dieses... Ochimizu... Heilt es auch Krankheiten und so?“ „Natürlich. Ich war ein normaler Mensch, aber jetzt bin ich zu etwas Anderem wieder geboren. Ich bin mir sicher, es heilt auch unheilbare Krankheiten.“ Sie gingen nebeneinander her und unterhielten sich, bis ich sie nicht mehr hörte. Wieso interessierte sich Souji denn dafür? Gut, wenn ich darüber nachdachte, hatte er eigentlich nie richtig seine Meinung dazu abgegeben. Außer einmal, das ihm die Leute Leid taten. „Ich denke, man kann Sanan Souji überlassen.“ murmelte Saitou und erhob sich. Sein Blick war undurchschaubar, was er dachte, las ich nicht heraus. Kurz schwieg er, ehe er das Zimmer verließ. Heisuke starrte ihnen nach, dann seufzte er, die Schulter sackten nach unten. „Sanan hat sich... verändert.“ Scheinbar begannen auch die anderen Kapitäne Sanans Veränderungen mitzubekommen. Heisuke wurde für einen Moment still. Mied er meinen Blickkontakt? „Was ist?“ wollte ich wissen und harkte nach. Der Brünette zuckte leicht, ehe er schluckte und den Mund aufmachte. „Sano erzählte, ...als er und seine Einheit angegriffen wurde, stand bei den Rebellen jemand, der aussah wie du.“ „Was? Wie ich?“ „Ja... Er meint aber selbst, die Person war recht umhüllt, er schaffte es jedoch, einen kurzen Blick auf das Gesicht zu werfen...“ „Okay? Ich war aber die ganze Zeit hier.“ Diese Information war ein wenig erschreckend. Dennoch gab es genug Leute, die meine Aussage bestätigen können. Kurz verengte ich die Augen. „Jemand der aussah wie ich... Moment.“ Ich erinnerte mich schwach daran, aber gab es nicht jemanden, der tatsächlich aussah wie ich? Laut Soujis Aussage? Wie hieß sie gleich? „Chizuru.“ Heisuke sah auf und schien sich auch zu erinnern. Doch auf mich machte die gute Dame nicht den Eindruck, das sie kämpfen konnte. Ich erfuhr, das sie versucht hatte, die Gefangenen zu befreien, aber als man sie bemerkte, floh sie. Die Arme verschränkend dachte ich nach. Der Schein konnte trügen. Sie könnte ein Spion gewesen sein. Das Jahr erreichte bald sein Ende und ich war wieder einmal draußen und kehrte den Boden. Ich hatte viele gefallene Blätter auf einen Haufen gekehrt und begann damit, die Schöneren heraus zu picken. Eigentlich würde ich viel mehr tun, aber ohne Eskorte ließen sie mich nicht in die Stadt. „Oh, du machst deine Arbeit recht gut.“ Ich richtete mich auf und lächelte. „Hallo, Kondou-san.“ begrüßte ich ihn. Er rieb sich die Arme. „Ganz schön kalt, was? Ich bin schon lange in Kyoto, aber auf so ein Wetter kann ich noch immer verzichten.“ Er blickte auf den Blätterhaufen, dann auf die Paar in meiner Hand. Verwirrung stand in seinem Blick. Ich grinste und wedelte damit herum. „Ich sammle einige Blätter, die man nachher für das Rösten von Kartoffeln benutzen kann. Sie wärmen, mögt Ihr auch welche?“ „Geröstete Kartoffel? Ah da werden Erinnerungen wach.“ „Hm?“ Kondou schweifte wieder gedanklich ab. Er war eben ein beschäftigter Mann – die Shinsengumi zu organisieren war nicht leicht. „Ihr seid in letzter Zeit viel unterwegs. Übernehmt Euch nicht.“ „Hm? Oh richtig. Naja, wenn ich viel zu tun habe, bedeutet das nur, das die Shinsengumi gebraucht wird. Es ist eine Ehre.“ „Wohl wahr.“ In den letzten Wochen hatten Kondou und Hijikata öfters den Tempel verlassen, um sich mit den Offizieren des Shogunats zu treffen. Scheinbar war wirklich viel zu tun. „Hier bist du, Kondou-san.“ Hijikata tauchte auf – wenn man vom Teufel sprach. „Oh, Toshi. Wo warst du? Ich hatte dich gesucht. Sie haben den nächsten Shogun gewählt. Es wird wohl Lord Yoshinobu Hitotsubashi sein.“ Die Augenbrauen des Vizekommandanten zogen sich zusammen. „Ihn, huh? Hoffentlich ist er so, wie viele behaupten.“ „Musst du in alles etwas Schlechtes sehen?“ „Wer ist Lord Hitotsubashi?“ warf ich in das Gespräch und ließ die beiden erst einmal verstummen. Ich hatte schwach in Erinnerung, das er der Kommandant der Shogun Einheit im Kampf am Hamaguri Tor war. Kondou erklärte es mir: „Man sagt, er ist sehr klug; manche glauben, er wäre der zweite Lord Ieyasu.“ Er schaute kurz zu Hijikata, ob dieser etwas ein wandte. „Der Kaiser vertraut ihm, er hat eine schnelle Auffassungsgabe. Keine so schlechte Wahl, oder?“ Ein kleiner Hauch von Stolz lag in seiner Stimme, als würde er über einen Bekannten reden. Wenn es wahr war, was er sagte, könnte dieser Shogun das Shogunat und den kaiserlichen Hof vereinen. Dies würde die Krise verhindern, die eventuell unsere Nation zerstörte. „Gut, er ist intelligent.“ „Und was ist dann das Problem?“ harkte Kondou nach. Hijikata schüttelte den Kopf. „Vergiss es. Es spielt keine Rolle, wer der Shogun ist. Wir kämpfen für ihn, egal wer es ist.“ „Richtig. Wenn wir unser Bestes geben, wird der Shogun und das Shogunat in Sicherheit sein.“ Irgendwie schien es, als wäre Kondou der Einzige, der in diesem Shogun etwas Besonderes sah. Nur zwanzig Tage, nachdem Lord Yoshinobu offiziell zum neuen Shogun ernannt wurde, verstarb der Kaiser. Es kamen harte Tage auf die jüngere Schwester des Kaisers zu – Kazunomiya – welche Lord Iemochi geheiratet hatte und somit als Symbol für die Vereinigung galt, aber auf beiden Seiten konnte es kaum einer fassen. Sein Nachfolger war der kaiserliche Prinz: Ein kleiner Junge im Alter von 15 Jahren. Während diesem Tumult hatte niemand die Aktionen des Choshu Reiches geachtet. Das ganze Land schien unter Druck zu sein. Kapitel 20: Kapitel 3.1 - Durst nach Blut ----------------------------------------- Chapter 3 April 1867 Die Jahreszeiten vergingen und der Frühling kam. In Kyoto blühten die Kirschbäume auf und gab der Stadt eine festliche Atmosphäre. Umhüllt von der lebensfrohen Umgebung sah alles viel liebevoller aus, als gäbe es nichts Böses. Souji beobachtete mich mit einem schiefen Grinsen. „Lass dich nicht so gehen, auch wenn unser Rundgang gerade wie ein Spaziergang wirkt.“ „Schon klar.“ Wir hatten zwar keinen speziellen Weg vor uns, aber die Suche nach meinem Vater hatte hohe Priorität. Aber das wusste ich. Es war ja nicht so, das ich mich völlig der Schönheit der Kirschblüten hingeben würde. In der Nähe hörte ich Stimmen. Der Inhalt des Gesagten klang recht verdächtig. Rōnin? Mein Blick fiel auf eine Gruppe von Männern, die auffällig durch eine Seitengasse huschten. Der Ausdruck in meinem Gesicht musste derart lustig ausgesehen haben, da mich Soujis Gelächter aus den Gedanken riss. „Verschwende deine Energie nicht an solch kleinen Fischen.“ „Kleine Fische?“ „Wenn es welche vom Choshu Reich wären, würden sie nicht laufen. Sie würden mehr Aufsehen erregen. Diese Sorte laufen nur, wenn sie uns erblicken. Kleine Fische eben.“ „Wenn du meinst.“ „Sie mögen vielleicht etwas Kriminelles verbrochen haben. Aber die Shinsengumi schreckt sie in letzter Zeit sehr oft ab.“ „Die Shinsengumi ist auch recht berühmt geworden.“ „Wie man es sieht. Kommt darauf an, wer vor dir steht.“ Recht hatte er: Die Shinsengumi hatte viel Aufsehen erregt, aber es war wie ein zwei-schneidiges Schwert. Manche zeigten Respekt und Gehorsamkeit, andere wiederum das Gegenteil. Ihre auffällige Uniform wurde zu einem Symbol, gleichzeitig gab es einige Streitigkeiten, ob man nicht die Uniform ändern sollte. Andere – wie Itou zum Beispiel – fanden, man sollte die Uniform ändern, da sie nicht so modern wirkte... „Ist Itou eigentlich wieder zurück?“ „Ich glaube schon. Auch wenn es mir lieber wäre, wenn er da geblieben wäre, wo er hingegangen ist.“ „Er wollte neue Rekruten anwerben oder? Aus seinem Bekanntenkreis habe ich gehört.“ „Das ist es, was er meinte, aber ich frage mich, was er wirklich vorhat.“ „Inwiefern 'wirklich vorhaben'?“ „Naja, denkst du echt, er würde sich wirklich um die Shinsengumi kümmern?“ Diese Frage überraschte mich ein wenig. Ich wusste wie Souji auf Itou zu sprechen war. Aber würde dieser der Shinsengumi beitreten, um ihr zu schaden? Er mochte zwar recht taktlos sein, aber ich bezweifelte, das er Mumm hätte, eine Gruppe starker Männer zu hintergehen. „Ich weiß nicht, was ich von ihm denken soll...“ murmelte ich nur und seufzte leicht. „Ich habe andere Dinge im Kopf, als an ihn zu denken.“ gestand ich. Souji grinste leicht, dann blickte er in die Menschenmenge. Als er sprach, klang es so, als würde er mehr zu sich selbst sprechen. „Kondou ist viel zu nett. Er hätte ihn einfach töten sollen.“ „Oi, Okita, jetzt übertreibst du es ein wenig.“ Seine Tendenz, alles und jeden zu töten nahm ich langsam nicht mehr ernst, aber wenn er mal wütend war, würde ich ihm alles zu trauen. Auch wenn er Itou nicht leiden konnte – er war ein Kamerad. Ob er wollte oder nicht. Sie waren Mitglieder derselben Gruppe. Mein Blick fiel auf die Menge, als ich etwas entdeckte. Oder eher: Jemanden. „Chizuru?“ Inmitten der Menschen, die vor uns herliefen, stand sie – jene, die mir ähnlich sah. Mein Spiegelbild sozusagen, wenn ich tatsächlich ein Mädchen gewesen wäre. Sie würde ich überall wieder erkennen. Ich verengte die Augen. „Oi, Chizuru!“ rief ich und rannte los. „Hey!“ hörte ich Souji rufen. Die Gerufene zuckte stark zusammen, sah mich auf sich zu rennen, dann begann sie zu laufen. Vielleicht bekäme ich Schwierigkeiten, wenn ich mich von Souji entfernte, aber ich konnte sie nicht aus den Augen verlieren. „Verzeih, Okita! Das ist aber wichtig!“ Kurz hatte ich zu ihm gesehen, wie verwirrt er mir hinterher blickte, ehe ich in der Menge verschwand. Ich rannte so schnell ich konnte und bekam Chizuru zu fassen. Mit einem nicht allzu festen aber bestimmten Griff schnappte ich nach ihrem Handgelenk und kam mit ihr zum Stehen. Wir beide waren außer Puste, sodass wir erst einmal nach Luft schnappten. „Wieso läufst du weg?“ brummte ich und hob eine Augenbraue. Sie sah mich leicht panisch, teils überrascht an. „D-Du bist plötzlich los gelaufen... ich hatte Angst...“ „Angst vor was? Hast du was verbrochen, was ich wissen sollte?“ Kurzes Schweigen ihrerseits. Ich stemmte die Hände in meine Hüften und legte leicht den Kopf schief. „Einer von den Shinsengumi sah jemanden, der aussieht wie ich. Auf der Sanjo Ohashi Brücke, war etwas länger her. Könntest du es gewesen sein?“ Sie wirkte nervös. „N-Nun... Ich weiß nicht. Ich gehe öfters zur Brücke... Ist... Ist das etwa ein Problem?“ „Auch nachts?“ Sie strich sich eine Strähne hinter ihr Ohr und mied meinen Blick. Zum Lügen wurde sie wohl nicht geboren. So wie sie sich verhielt, könnte sie in der Tat jene gewesen sein. Doch warum sollte sie der Shinsengumi im Weg stehen? „Es war in einer Herbstnacht. Klingelt da etwas? Ein nächtliches Aufeinandertreffen mit der Shinsengumi bei der Arbeit...“ „Wenn es so ist, dann müssen wir uns unterhalten.“ hörte ich Okita reden, der nun hinter mir stand. „Wenn du denkst, du könntest uns reinlegen, endet das mit deinem Tod.“ Wieso drohte er ihr? Eine einfache Frage hätte auch gereicht. Chizuru schluckte und verbeugte sich. „D-Du bist Okita von der Shinsengumi. Danke nochmals, das du mir auch geholfen hattest.“ „Also?“ Er setzte ein unechtes Lächeln ab, die Hand fuhr zu seinem Schwertgriff. Chizuru wich ängstlich zurück. „D-Du willst mich töten? W-Wieso denn? Viele Menschen gehen zur Sanjo Ohashi Brücke. Sowohl am Tag als auch bei Nacht, aber... ich gehe nicht in deren Nähe... Wegen dieser Sache mit der Tafel.“ Sie sah kurz zu mir, scheinbar suchte sie in mir nach Hilfe. Sie wirkte tatsächlich nicht so, als ob sie einer Fliege etwas zu leiden tun könnte. Aber sollte man dem vertrauen? „Ihr verdächtigt mich, weil ich jemanden ähnlich sehe? Ich weiß ehrlich nichts.“ Flehend schaute sie abwechselnd zu uns, ehe ich zu Souji blickte. „Glaubst du ihr?“ „So wie sie sich verhält, könnte sie bestimmt keine Waffe richtig halten...“ brummte ich nur und musterte sie. In ihrem Kimono könnte sie sich auch nicht bewegen, es sei denn, sie hätte sich an jener Nacht umgezogen. Leider wusste Sanosuke auch nicht, was sie trug, sie hatte einen Umhang oder so etwas benutzt. „Sagst du das, weil sie ein Mädchen ist? Oder weil sie aussieht wie du?“ „Weder noch. Aber denk mal darüber nach, warum sollte sie noch hier sein, wenn sie es war? Müsste sie sich nicht verstecken?“ Souji starrte mich eine Weile an, schien zu überlegen. Ich traute ihr zwar nicht, weil etwas an ihr merkwürdig war – aber ich glaubte ebenso nicht, das sie in der Lage wäre, die Shinsengumi aufzuhalten. Man könnte sie jedoch beobachten lassen. „K-Kann ich jetzt gehen?“ Ich musterte sie kurz. Souji nickte, ehe sie sich verbeugte und mit eiligen Schritten davon ging. Ich wollte mich gerade an ihn wenden, als er wie verrückt zu husten begann. „Oi, geht es dir gut?“ Er hatte sich an einer Hauswand gelehnt und hustete unkontrolliert; sein ganzer Körper erzitterte. „Okita?!“ „Bleib zurück!“ Er hob eine Hand und bedeckte mit der anderen seinen Mund. Kurz wartete ich. Viel konnte ich nicht tun, wenn er krank und ansteckend war, wäre es wohl besser, wenn ich zurück blieb. Sein Husten ebbte nach einer Weile ab. „Okita?“ „Hm? Was ist?“ Er sah mich wieder mit diesem schiefen Grinsen an, wie er es immer tat, mal seine blasse Hautfarbe ausgenommen. „Du siehst ziemlich... blass aus. Wollen wir uns irgendwo setzen?“ „Oh, ich war nur müde. Du warst derjenige, wegen dem ich so rennen musste.“ „Verzeih.“ Ein kleines Lächeln lag auf meinen Lippen, Souji hingegen wurde wieder ernst. „Zu dem Mädchen. Sie über die Tafel auszufragen war wichtig. Da stimme ich dir zu.“ Ich nickte. Schließlich wollte ich auch etwas für die Shinsengumi tun und wenn sie eben mal an uns vorbei lief, warum nicht fragen? Sie war zudem die einzige hier, die mir am Ähnlichsten war. „Aber auch wenn- nein, gerade weil es wichtig war, hättest du nicht selbst handeln dürfen. Was wäre wenn sie wirklich ein Feind gewesen wäre? Könntest du dich darum kümmern?“ „Wenn sie mich angegriffen hätte, hätte ich mich gewehrt.“ Sie war schließlich nur ein Mädchen. „Was wäre, wenn sie dich in eine Falle gelockt hätte? Hast du darüber nachgedacht?“ „Hm...“ machte ich. Auch wenn sie nicht den Anschein gemacht hatte, mich anzugreifen, hatte Okita recht. „Entschuldigung.“ Er tätschelte meinen Kopf und seufzte, den Kopf schüttelnd. „Du musst mehr aufpassen. Ich kann nicht immer auf dich Acht geben.“ Ich schwieg. Da wollte ich der Shinsengumi einen Gefallen tun und nun hatte ich eventuell mehr Schwierigkeiten gebracht. „Tut mir Leid.“ murmelte ich erneut. „Gut, Lektion ist vorbei.“ Er wirkte müde. Außerdem ging die Blässe in seinem Gesicht nicht weg. Ehe ich mich ein weiteres Mal entschuldigen konnte, schnitt er mir das Wort ab. „Sei nicht so scheu. Du kannst dich auf uns verlassen, wenn du Hilfe brauchst. Egal wie oft ich dir noch den Arsch retten muss.“ Er begann wie immer zu lachen, was mich zum Schmunzeln brachte. In der Nacht lag ich wach. Heisuke war noch bei Shinpachi und Sanosuke und schien dort zu übernachten. Nach so langer Zeit kam es mir seltsam vor, wieder einen Raum für mich zu haben. Ich dachte über die Ereignisse nach und dies führte dazu, das ich leichte Kopfschmerzen bekam. So viel war passiert, so wenig hatte ich getan. Ich konnte zwar kämpfen, aber wer ließ mich dazu? Stets musste ich im Tempel bleiben, ich war doch kein Kind mehr. Es ärgerte mich, das sie mir – trotz Anerkennung meines Kampfstils – wenig zutrauten. Irgendwie musste ich sie davon überzeugen, mich ernster zu nehmen. Und damit würde ich morgen anfangen. „Aber dafür brauche ich meinen Schlaf.“ brummte ich und legte mich auf die Seite. Ich hatte die Augen gerade geschlossen- Als mich ein lauter Knall aufschreckte. Es kam vom Gang außerhalb meines Zimmers. Mein Katana gepackt kroch ich zur Tür und steckte den Kopf hinaus. Mitten im Gang stand einer der Shinsengumi Krieger. „Oi, geht es noch lauter?“ knurrte ich nur. Es war dunkel und ich konnte nicht erkennen wer es war. Doch merkwürdiger als dies, rührte er sich nicht. Er stand nur da. Also stand ich auf und trat aus dem Raum. Ein Fehler. „Kann ich dir helfen? Brauchst du etwas?“ „Blut... Ich brauche Blut...“ Ein Rasetsu! Er wandte sich an mich, das Mond beschien sein Gesicht, welches purer Wahnsinn zeigte. Die Augen leuchteten wie Flammen in der Nacht; das Haar leuchtete im matten Schein silbern. Scheinbar gehörte er zu der Rasetsu Einheit, schien aber durchzudrehen. Das Schwert gezogen warf ich die Hülle in die Ecke des Zimmers und stand kampfbereit vor der Kreatur, die ich wage als Mensch bezeichnen würde. Auch wenn ich den größten Zweifel hatte, das ich gegen ihrer unmenschlichen Stärke eine Chance hatte, wollte ich bereit sein zu kämpfen. Zweifellos rannte er jedoch genau auf mich zu, die Waffe ebenfalls gezogen. Mit lauten Schritten holte er aus. Mit ganzer Kraft konnte ich seinen Hieb aufhalten, seine Klinge prallte an meiner ab. Aber der Schlag war so stark, das ich in die Knie ging. Meine Reaktion war recht langsam, seine Klinge sauste erneut und schnitt sich durch das Fleisch meines Arms. Laut schrie ich auf und stolperte zurück, das Blut spritzte gegen die Wand und mein Schwert fiel zu Boden. Die freie Hand presste ich an meine Wunde, doch schien es kaum zu helfen. Die dicke Flüssigkeit floss meinen Arm runter, tropfte auf den Boden und bildete eine kleine Pfütze. „Ja... Blut... Gib mir Blut...“ Er kroch auf mich zu – wie ein Tier, welches seine Beute begutachtete. Je näher er kam, desto weiter wich ich zurück, bis ich die Wand hinter mir spürte. Kein Ausweg! Meine Waffe lag weiter weg, an ihr kam ich nicht dran. Was also tun? Auf einmal schossen Okitas Worte in meinen Kopf. »Sei nicht so scheu. Du kannst dich auf uns verlassen, wenn du Hilfe brauchst.« Wie recht er hatte. Denn mein Tod war nicht ihr Geheimnis wert. „IRGENDJEMAND! HILFE!“ „Blut... Bluuuuuut...!“ Der Rasetsu hatte sich vor der kleinen Blutpfütze gebeugt und begann es vom Boden zu lecken. Angewidert wandte ich mein Gesicht weg, doch dann fiel mir auf, das er abgelenkt war. Langsam krabbelte ich zu meinem Schwert. „Nicht genug! Nicht genug!“ Er sah auf – direkt zu mir. Mein Ärmel war in Blut getränkt, dies schien er gerochen zu haben. Mit einem Male stand er auf und taumelte auf mich zu. Sein Grinsen glich einem Alptraum. „Gib mir mehr von deinem Blut...“ „Vergiss es!“ fauchte ich wütend und hielt mein Schwert ganz fest mit einer Hand. Er stürzte sich auf mich, kurz schaltete sich mein Verstand aus... Kapitel 21: Kapitel 3.2 - Die Shinsengumi teilt sich auf -------------------------------------------------------- „Hey! Lebst du noch?!“ Ich hörte Hijikatas Stimme und noch nie war ich so erleichtert, sie zu hören. „Ja...“ Er tauchte in meiner Tür auf, das Schwert vor sich bereit haltend. Er staunte nicht schlecht, als er das Bild sah, was sich ihm bot: Ich saß nassgeschwitzt neben der Leiche des Rasetsu, mein Schwert ragte aus seinem Rücken heraus. Als er mich angegriffen hatte, stach ich mit voller Wucht mein Schwert durch seinen Brustkorb. Sanan hatte mir damals – als er sich verwandelt hatte – verraten, wo ich zielen musste. Ich hatte dafür nicht geübt, aber es schien geklappt zu haben. Der Schwarzhaarige steckte sein Schwert weg und kam näher. Weitere Schritte folgten und schon kamen die anderen Kapitäne. „Oh Scheiße!“ rief Shinpachi und hielt sich die Nase zu. Sanosuke jedoch kümmerte sich nicht um die Leiche, sondern eher um mich, ebenso wie Heisuke. „Kaoru! Alles okay?“ „Nein...“ Ich wollte aufstehen, aber meine Beine reagierten nicht. Ich war fix und fertig. „Dein Arm!“ rief der Brünette und begann herum zu zappeln. Ich fuhr mit der Hand über die Wunde. Es schmerzte nicht mehr so wie vorhin. Mir wurde aufgeholfen, als ich erneut Schritte hörte. Nicht nur die Kapitäne hatten den Lärm gehört. „Was geht denn hier ab?!“ „Verdammt.“ Niemand hatte mit Itou gerechnet, der auf einmal an der Tür stand und mehr als schockiert auf die Leiche starrte. „Was ist mit diesem Mann passiert?! Oh, der ganze Raum ist voller Blut! Was für eine Sauerei.“ Andere Probleme hatte er auch nicht? Ein kurzer Blick zu mir ließ ihn kurz stutzen, ehe ihm meine Waffe im Rumpf der Leiche auffiel. „Wieso wurde er getötet? Ich verlange eine Erklärung!“ „Es war mein Fehler, verzeiht.“ Sanans Auftauchen überraschte jeden von uns. Die eigentliche Absicht war, ihn zu verstecken, ebenso die Rasetsu Einheit. Itous Gesichtsausdruck zufolge war dieser wohl kaum begeistert. „S-S-Sanan?! Was tust du hier?!“ „Ich werde es später erklären. Zuerst müssen wir dieses Massaker wegräumen.“ Sanan blickte recht erschöpft und dennoch streng. Als Kommandant der Rasetsu Einheit schien er die volle Verantwortung zu übernehmen, sobald jemand die Kontrolle verlor. „Es ist nicht deine Schuld, Sanan.“ meinte Shinpachi. „Es war nur ein Nebeneffekt der Medizin, oder? Nichts, was du ändern könntest.“ „W-Was?! Was sagst du da? Medizin? Über was reden die, Sanan?“ Heisuke hätte die 'Medizin' vielleicht nicht erwähnen sollen. Doch dies änderte nichts an der Situation. Sanan hatte sich Itou gezeigt, er würde bald die ganze Wahrheit erfahren. „Ich befürchte, ich kann die Information nicht länger verheimlichen.“ murmelte der Brillenträger. Wer wusste, ob Itou all das glauben würde? Wer würde damit rechnen, das die Shinsengumi ein Geheimnis hatte – eigene Männer in unmenschliche Monster zu verwandeln? Itou starrte intensiv auf Sanan, als müsste er gerade verarbeiten, das er wirklich dort stand. „Mir wurde gesagt, das Sanan tot wäre! Ich habe dieser Information zweifellos geglaubt. Ihr habt euch alle gegen mich verschworen! Dabei bin ich der Stellvertretender Kommandant der Shinsengumi! All das, ohne mich zu informieren... Ich hoffe für euch, das ihr eine zufriedenstellende Erklärung für all das habt!“ „Wenn alles, was du kannst, herum meckern ist, tue uns den Gefallen und halt doch einfach mal deine Klappe!“ fauchte Hijikata, dem Itous Geheule ebenso auf den Wecker ging wie uns allen. „Was?! Wie kannst du es wagen, in so einem Ton mit mir zu reden! Hijikata, du-“ „Beruhigt euch jetzt alle mal! Itou, ich denke, Toshi wollte sich nicht an solch einen Ton vergreifen. Wir sind nur gerade alle etwas erschöpft und geschockt... Wenn du verstehst.“ warf Kondou ein, der direkt hinter Itou aufgetaucht war. „Oh, ich verstehe sehr wohl! Ich verstehe, das ich nicht länger in einer unzivilisierten Gesellschaft bleiben möchte, in der es von Wilden handelt! Und zu dir, Sanan, wenn du hier fertig bist, will ich wissen, warum du nicht tot bist – wie es jeder hier behauptet hatte – und warum man dies vor mir verheimlicht hat!“ „Hijikata-san! Wir sollten Kaoru wegbringen.“ brummte Heisuke, ehe Sanan sich plötzlich krümmte. „Hörst du mich, Sanan?!“ Dieser begann zu schreien. Langsam begriff ich, was vor sich ging. Sein Gesichtsausdruck wurde in Schmerz getränkt, er reagierte nicht auf die Rufe seiner Freunde. „Was ist los, Sanan?“ rief Shinpachi. Der Brillenträger blickte in meine Richtung. Hijikata reagierte. „Zurück!“ Ehe man sich versah, wurde sein Haar weiß. Es ging so schnell, das keiner rechtzeitig reagieren konnte. Wie eine bissige Schlange schnappte er nach meinem Handgelenk und zog mich zu sich. Heisuke konnte mich nicht rechtzeitig festhalten. Er hielt mich vor sich und drückte auf meine Wunde. Der Schmerz durchzog meinen Körper, sodass ich die Augen zukniff. „Blut...“ Meine Knochen drohten unter seinen Griff zu zerbersten, so fest hielt er mich. „Gib mir dein Blut...“ „Ahh!“ „Hör auf, Sanan!“ hörte ich Sanosuke brüllen. „Verdammt! Der Geruch von Blut macht ihn wahnsinnig!“ „Lass ihn los, Sanan!“ Sie alle zogen ihre Schwerter, zögerten jedoch. „Haltet ihn am Boden! Wir müssen ein wenig gröber sein.“ knurrte Hijikata. Meine Sicht verschwamm leicht, der Druck war allmählich zu stark. Meine Waffe steckte noch in der Leiche des Anderen, als das ich nach ihr greifen könnte. Zeigte ich etwa wieder Schwäche? Während die anderen sprachen, fixierte ich mich auf meine Atmung. Zuerst ging sie unregelmäßig, doch dann schaffte ich es, ruhiger zu werden. Es war zwar Sanan, aber ich ließ mir doch nicht gefallen, das man mich so behandelte – Gast hin oder her. Ich wurde langsam wütender, ehe ich seine Hand packte, die an meinem verletzten Arm war. „Jetzt ist aber genug!“ fauchte ich und es war, als bekäme ich einen Adrenalinschub – denn ich schaffte es, seine Hand von mir zu ziehen und taumelte von ihm weg. Heisuke schnappte mich und zog mich ein wenig zurück, während die anderen sich schützend vor mich stellten. „Hey! Ihr werdet Sanan doch nicht töten, oder?! Ich erlaube das nicht!“ kreischte Itou und wollte sich einmischen, als Kondou ihn packte. „Itou, es wird gefährlich hier. Wir sollten es den anderen überlassen. Komm jetzt!“ „Was? Kondou-san?! Was tust du-?! Lass mich los!“ Die zwei verschwanden, sodass die Anderen ein Problem weniger hatten. „Das wird schwer...“ brummte Shinpachi und seufzte hörbar. „Er war schon immer stark gewesen... und nun... naja.“ hörte ich Heisuke reden. Ihre Stimmen klangen ein wenig entfernt. Der Adrenalinschub von vorhin war verschwunden und das spürte ich deutlich. Sanans Lache ließ mich jedoch erzittern. „Blut... Ja, ich brauche Blut...“ Er leckte sich über die Finger, an denen mein Blut klebte. Mir stellten sich die Nackenhaare auf, ehe Heisuke nun schnaubte. „Jetzt reicht es! Los jetzt!“ „Wir greifen gemeinsam an!“ „Wartet!“ Hijikata hob einen Arm und beobachtete Sanan. „Was? Auf was wartest du, Hijikata?!“ brüllte Shinpachi entsetzt, das Schwert beinah hibbelig vor sich hin und her schwingend. „Er... macht etwas.“ Der Schrei Sanans ließ uns alle stark zusammen zucken, ehe sich seine Haarfarbe zurück in das natürliche Braun färbte und der Wahnsinn aus seinem Blick verschwand. „Sanan?“ „Was... Was ist passiert?“ Er blickte in die Runde, wirkte recht verwirrt. Doch als er mich sah und das Blut an seiner Hand, schien er zu begreifen. „Yukimura-kun? Was...“ Erleichtert, das er wieder zu sich gekommen war, ließen meine Beine nach, sodass ich erst einmal zu Boden ging. Heisuke hielt mich fest und rief recht panisch meinen Namen. „Was ist denn jetzt los?“ fragte Sanosuke, der sich kurz an mich gewandt hatte. „Woher soll ich das wissen?“ brummte Hijikata. Wenigstens mussten sie ihren Freund nicht nieder stechen. Doch wie konnte sich Sanan selbst zurück verwandeln? Selbst dieser war scheinbar überrascht deswegen. „Verstehe... Ich bin durchgedreht.“ „Und auf einmal bist du wieder normal. Ich verstehe nur nicht, wieso...“ „Wie...? Ich... weiß auch nicht.“ Kurzes Schweigen. „Wie auch immer, das können wir später herausfinden. Wir sollten den Raum säubern. Bringt die Leiche weg.“ befahl der Vizekommandant und wandte sich an uns. Sanosuke seufzte. „Also der Boden muss raus.“ „Und die Tür muss ersetzt werden...“ Sie begutachteten das Zimmer, was gemacht werden musste, als sich Hijikata an mich und Heisuke wandte. „Heisuke, bring ihn ins Krankenzimmer. Er wird in mein Zimmer untergebracht.“ „Was...? Das ist nur ein Kratzer, ich kann auch-“ „Tu was ich sage!“ Den Kopf sinkend nickte ich nur und ließ mich von Heisuke aus dem Zimmer bringen. Im Krankenzimmer angekommen begann Heisuke sofort nach Desinfektionsmittel und Verbände zu suchen. Ich saß auf dem Boden und starrte vor mich hin. „Kaoru?“ „Huh?“ Leicht den Kopf schief legend beobachtete ich den Brünetten, wie er sich vor mich hin hockte und an meinem Oberteil zerrte. „Du hast verdammt viel Blut verloren.“ sagte er und schluckte, ehe er meinen Arm frei machte. Mit einem feuchten Tuch tupfte er das Blut vorsichtig ab. Schmerzen spürte ich keine. „Hm... Scheint ja doch nicht so tief zu sein.“ Moment. Der Typ hatte seine Klinge praktisch in meinen Arm gepresst, rein theoretisch dürfte es schon eine tiefe Wunde sein. Während sich mein Kopf aufklärte, weitete ich die Augen. Ich erinnerte mich als Kind, das sich meine Wunden schneller schlossen, als normal. Wieder hatte ich Kazamas Worte im Kopf. Bei einem Oni würden die Wunden schneller heilen. Ich zuckte zusammen, sodass Heisuke kurz aufschreckte. „Hab ich dir weh getan?!“ „N-Nein. Es... scheint wirklich nur ein kleiner Schnitt zu sein. Danke.“ murmelte ich und wollte nach dem Verband greifen, doch zitterten meine Hände so stark, das ich es sein ließ. „Du hast wirklich Pech mit den Rasetsu...“ „Danke, das habe ich auch gemerkt.“ brummte ich nur und seufzte leicht. Während er meine Wunde versorgte, dachte ich nach. Meine Zusammentreffen mit den Rasetsu war nie recht glimpflich ausgegangen. Als ich Heisuke beobachtete, wie er meinen Arm verband, begann ich vor mich hin zu lächeln. Verwundert schaute er mich an. „W-Was ist?“ „Nichts. Danke dir.“ „Keine Ursache... Ich bring dich noch zu Hijikatas Zimmer, dann werde ich den anderen helfen.“ meinte er und half mir auf die Beine. Ich nickte und betrachtete kurz unsere Hände, die einander berührten, dann folgte ich ihm. „Huh...? Schon morgen?“ Die Sonne schien durch das Fenster und von draußen hörte ich das Zwitschern der Vögel. Das Zimmer, in dem ich mich befand, gehörte nicht mir. Kurz brauchte ich einen Moment, ehe ich mich an alles erinnern konnte, was in der Nacht passiert war. Der Kerl, der durchdrehte, der Schmerz in meinen Arm- „Stimmt!“ Ich blickte auf diesen und begann ihn abzubinden. Seufzend schloss ich die Augen. Die Wunde hatte stark geblutet. Es war ein tiefer Schnitt gewesen, aber jetzt sah man nur noch einen leichten blassen Strich auf der Stelle, an der gestern eine Fleischwunde geklafft hatte. Wie befürchtet. Es heilte schneller als bei einem normalen Menschen. Auch wenn es gut war, das die Wunde geschlossen war, wenn das jemand sehen würde... Ich verband die Stelle wieder. Es wäre klüger, noch länger einen Verband zu tragen. Denn was würden sie sonst denken? Jeder hatte gesehen wie stark es geblutet hatte. Ich stand auf und machte mich auf den Weg zum Gemeinschaftsraum, um zu sehen, wer alles da war. Zu meiner Überraschung kam mir Itou entgegen. Nicht das ich seinetwegen überrascht war, sondern eher bei dem, was hinter ihm her lief: Heisuke und Saitou. „Guten Morgen.“ brummte ich und blieb stehen. „Ach du bist es! Guten Morgen! Schön dich wohlauf zu sehen.“ „Danke.“ Er schien recht gut gelaunt zu sein. Anders als letzte Nacht. „Ist was passiert?“ „Oh hohoho! Willst du es wissen?“ „Ja.“ „Sag ich nicht!“ Die Schultern senkend starrte ich ihn entgeistert an. Was hatte der Typ eigentlich? „Ha ha ha! Naja, du wirst es herausfinden. Nicht wahr, Toudou-kun? Saitou-san?“ Meine Augenbraue wanderte nach oben, während meine Augen zu eben jene huschten. „J-Ja... Irgendwie...“ Kurz trafen sich unsere Blicke, ehe er schnell weg schaute. Merkwürdig. „Hm?“ machte ich und wollte gerade weiter nach harken, als Saitou zu Wort kam. „Diese Information brauchst du nicht zu wissen.“ Im Gegensatz zu seinem Kamerad blickte Saitou mich an, emotionslos wie immer. „Wir sollten gehen, Itou.“ „Uh... ja... Man sieht sich, Kaoru.“ Und da schwanden sie dahin. “Bist du sicher, das du schon aufstehen kannst?” Inoue und Shimada schauten besorgt auf, als ich den Raum betrat. „Mir geht es gut. Ich hab gut geschlafen.“ „Das ist gut. Ich habe gehört, was passiert ist. Tut die Wunde noch weh?“ „Kaum, es war wohl nicht so tief wie angenommen. Verzeiht, wenn ich euch Sorgen bereitet habe.“ Eigentlich war es bereits komplett verheilt. „Ich rannte gerade Itou über dem Weg. Ist etwas passiert?“ „Ah... du hast sie also gesehen.“ murmelte Inoue und senkte den Blick. „Sie haben sich recht merkwürdig verhalten und Itou hat auch etwas Unverständliches gesagt.“ „Nun. Itou und einige anderen gehen.“ sagte Shimada. Gehen? Wohin? „Sie wollen eine neue Gruppe bilden, anders als die Shinsengumi.“ „Was? Wieso...?“ „Itou hatte ein Treffen mit dem Kommandant und Hijikata.“ »„Wächter des kaiserlichen Grabes?“ Kondou schluckte, während Itou recht stolz zu reden begann. „Ja. Ich habe die Absicht einige meiner Männer zu nehmen und zu gehen. Wir werden zu den offiziellen Wächtern des kaiserlichen Mausoleum. Ich hatte diesen Schritt schon länger bedacht, aber nach letzter Nacht... dachte ich, es wäre der richtige Zeitpunkt. Ich wusste, das mein Auftreten in der Shinsengumi nicht jeden erfreut hat, aber dennoch dachte ich, wir könnten zusammenarbeiten. Ich denke, ich lag falsch.“ „Sag schon, Itou! Du willst die Shinsengumi aufteilen!“ knurrte Hijikata nur und schnaubte hörbar. „Nenne es wie du es willst, aber ich kann nicht länger in der Gesellschaft von solchen Wilden wie ihr bleiben.“ „Wenn du darauf bestehst, unterstütze ich das. Aber erinnere dich – was auch immer letzte Nacht passiert ist, handelt auf Befehl vom Shogunat. Wir können nicht erlauben, das du dieses Geheimnis preisgibst.“ „Dann schlage ich einen Deal vor: Lass mich friedlich weggehen und ich hülle mich in Schweigen. Zudem möchte ich auch einige deiner Männer mitnehmen.“ „Gut, aber nur wenn sie nichts dagegen haben.“ „Natürlich. Ich bin auch gewillt, mit euch weiterhin zu kooperieren. Eine Einstellung, die den anderen nicht behindert und uns gegenseitig Vorteile beschafft.“ „Kooperieren? In Ordnung. Toshi? Was meinst du?“ „Es ist deine Entscheidung, nicht meine.“« „Dann... sind Heisuke und Saitou...“ „Ja. Sie verlassen die Shinsengumi mit Itou. Ich muss gestehen, ich bin überrascht. Inoues letzte Worte bekam ich kaum mit. Die Tatsache, das ich diese beiden vielleicht nicht mehr wiedersehen würde war schockierend. „Keine Sorge. Wir halten dennoch Kontakt zu ihnen.“ meinte Kondou und lächelte matt. Wieso wurde ich das Gefühl nicht los, das die Shinsengumi zu zerfallen begann? „Aber ihr lässt sie doch nicht einfach von dannen ziehen oder?“ Inoues Gesichtsausdruck ähnelte meinen. „Natürlich nicht. Wir lassen ihn doch nicht einfach machen, was er will. Er mag zwar die Shinsengumi verlassen, aber ich habe noch immer ein Auge auf ihn.“ „Ist es echt in Ordnung? Das Itou und die anderen gehen?“ „Dass Itou und seine Männer gehen, ist nicht das Problem.“ Seine Stimme wurde leiser. „Auch wenn es mich ein wenig überrascht hatte, das Heisuke und Saitou mit dieser Ratte gehen.“ „Das war mehr als nur 'ein wenig'.“ murmelte Kondou nur, ehe das Gesprächsthema sich änderte und mit der Politik zu tun hatte. Ich zog mich zurück und schlenderte langsam durch den Gang. Ich hätte nie gedacht, das so etwas passieren würde. Ich machte mir Sorgen um die Wächter. Warum hatten sich Heisuke und Saitou diesem Typen angeschlossen? Würde ich sie je wiedersehen? Ich blieb stehen. Wieso machte ich mir solche Gedanken? War es, weil wir so lange zusammen waren? Allein der Gedanke, dass Heisuke nicht mehr hier sein würde. Es konnte doch kein Abschied sein! Ich wollte ihre Beweggründe wissen. Ob sie noch da waren? Vor mir stand Yamazaki. „Ich hörte, du wurdest verletzt? Geht es dir besser?“ Er war recht schweigsam – wie Saitou, nur noch extremer – aber dennoch war er recht nett zu mir, wenn wir uns mal über dem Weg liefen. „Ja. Mir geht es gut. Hast du Heisuke und Saitou gesehen?“ „Toudou-kun und Saitou-san?“ Er verengte die Augen. Es war klar, was er darüber dachte, es war ihm anzusehen. „Schon gut.“ murmelte ich und wollte gerade weitergehen, als er mich aufhielt. „Sie sind den Weg runter.“ Er deutete in die Richtung Vorhof. „D-Danke!“ rief ich, mehr erfreut als beabsichtigt. „Wenn du mit ihnen reden willst, beeil dich. Sobald sie weg sind, hast du keine Chance mehr, mit ihnen zu reden.“ „Okay!“ Kapitel 22: Kapitel 3.3 - Das Geheimnis der Oni ----------------------------------------------- „Heisuke! Saitou!“ Ersterer drehte sich verwundert um, dann grinste er schief. „Ah... du hast uns doch noch eingeholt...“ murmelte er und kratzte sich an der Wange. „Stör ich? Ich kann auch wieder-“ „Nein, nein! Ich... Ich wollte mit dir reden...“ Das Lächeln, was er mir gab, wirkte erzwungen. Kurz verengte ich die Augen. „Ich dachte mir schon, das du uns aufsuchen willst. Sag, was du zu sagen hast.“ murmelte Saitou und benahm sich wie immer. Eigentlich wollte ich nur wissen, weshalb sie die Shinsengumi verließen. Zumindest Heisuke hatte stets den Eindruck in mir erweckt, dass er alles für sie tun würde. „Ich wollte es von euch hören. Wieso verlasst ihr die Shinsengumi?“ Heisuke schluckte und suchte nach Worten. Verlegen rieb er sich mit dem Finger unter die Nase. „Nun, Itou und ich waren auf derselben Schule. Er war mein Vorgesetzter und er ist der Shinsengumi beigetreten, weil ich es ihm angeboten hatte. Ich... bin ihm was schuldig, weiß du? Nach all der Sache fühle ich mich für ihn verantwortlich.“ Er hatte ein gutes Herz. Es war kein Wunder, das er Itou nicht einfach zurücklassen konnte, aber... „Das bedeutet aber, das du dafür alle anderen zurücklässt. Du siehst sie vielleicht nie wieder.“ „Ich bin kein Gefolge von Itou... Und da ich schon immer ein nationaler Imperialist war, wäre es für mich wohl besser, ein Wächter der kaiserlichen Grabstätte zu sein, als für das Shogunat zu arbeiten.“ Kondou und er mochten sich zwar in Bezug auf die Nation gut verstehen, aber sie teilten unterschiedliche Meinungen gegenüber dem Shogun und dem Kaiser. Als ich still blieb, fuhr er fort. „Ich würde sehr gerne eine Weile bleiben. Immerhin sind wir schon eine Weile zusammen gewesen, oder?“ Sein Blick verlor sich im Horizont und allein durch sein Antlitz wirkte er recht allein gelassen. Ob er wirklich gehen wollte? „Was ist mit dir, Saitou?“ fragte ich und meine Augen huschten zu diesen. „Ich habe meine Gründe, weshalb ich mich Itou angeschlossen habe.“ „Bist du auch ein nationaler Imperialist?“ „Ja. Kondou und Hijikata mögen zwar eine gute Absicht hinter der Shinsengumi haben, aber sie liegen falsch. Der Ausstoß ausländischer Einflüsse kann man nicht länger dem Shogunat überlassen.“ „Und weil du mit ihnen nicht einer Meinung bist, gehst du einfach und siehst sie eventuell nie wieder?“ Saitou nickte. „Wenn ich meine Absichten erfüllen will, muss ich meine eigenen Gefühle zurück drängen.“ Kurz schwieg ich. „Wenn das alles ist, dann bitte ich um Entschuldigung.“ Mit diesen Worten ging er, drehte sich von uns ab und folgte dem Weg aus dem Hauptquartier der Shinsengumi. Ich schnaubte wütend. „Und wenn du dich eines Tages der Shinsengumi stellen musst?! Würdest du dennoch gehen?!“ „Kaoru...“ Heisuke hob beide Arme, scheinbar um mich zu beruhigen. Es machte mich wütend. Saitou machte mich wütend. Er ließ all seine Freunde einfach im Stich, nur damit er seine eigenen Absichten nachgehen konnte? Wie konnte er das gefühllos wegstecken? Spürte er denn gar nichts? Verstummend ließ ich meine Schulter sinken, ehe ich zu dem Brünetten sah. „Ihr ändert eure Meinung nicht, oder?“ Dieser mied meinen Blick und schwieg. Wutschnaubend packte ich seinen Kopf und drehte ihn zu mir, sodass sich unsere Augen direkt trafen. „Niemand würde wollen, das ihr geht. Es würde niemanden stören, wenn ihr es euch doch anders überlegt. Wer garantiert euch, das wir uns nicht eines Tages mit gezogenen Waffen gegenüber stehen werden?“ „Sag das nicht... Es hat mich eine lange Zeit gebraucht, mich zu entscheiden.“ „Und du denkst, das ist richtig? Fühlst du genauso wie Saitou? Dass du deine eigenen Gefühle vergessen solltest, damit du das tun kannst, was du tun musst? Würde es dir leicht fallen, gegen deine einstigen Freunde zu kämpfen?“ Er wirkte ratlos. Heisuke war so ehrlich und unkompliziert, gleichzeitig konnte er seine Gefühle nicht richtig schildern wie andere. Er berührte meine Hand, verharrte kurz, ehe er sie von seinem Gesicht nahm und mich einfach mit sich zog. Auf dem Hinterhof setzten wir uns auf eine steinerne Bank. „Es ist... warm geworden...“ Er richtete seinen Kopf zum Himmel. Er war klar und wolkenlos und die warmen Sonnenstrahlen schienen direkt auf uns. „Nun... Ich weiß... sehr gut sogar, dass niemand Itou leiden kann. Aber ich denke nicht, das er falsch liegt. Zumindest nicht komplett.“ „Tut er nicht...“ Aber 'nicht falsch liegen' und 'vertrauenswürdig' zu sein waren völlig verschiedene Begriffe. War er es wirklich wert, die Shinsengumi zu verlassen? Gerade setzte ich zur Frage auf, als Heisuke zu antworten begann. „Der Kaiser... Der Shogun... Wer ist im Recht, wer liegt falsch? Ich bezweifle, das wir alle wissen, wer den richtigen Weg wählt, bis alles vorbei ist. Ich weiß auch, das Itou Pläne hat, die er uns nicht verraten hat...“ „Dann-“ „Aber ich habe das Gefühl, ich kann etwas für das Land tun. Mit Itou. Ich muss mich vergewissern, ob ich richtig liege. Deswegen... gehe ich mit ihm. Vorerst.“ „Heisuke...“ „Du musst verstehen... Es ist nicht so, das ich die Shinsengumi hasse. Ganz und gar nicht.“ Ich lächelte matt. Ich verstand was er meinte und doch schmerzte mein Herz ein wenig. Akzeptieren? Das konnte ich nicht. Das wollte ich nicht. „Das ist mir klar.“ begann ich und starrte auf den Boden. „Es ist nur... ich würde gerne noch länger an deiner Seite sein, Heisuke.“ Kurz schwiegen wir, ehe ich einen Blick zu ihm warf. Er hatte mich überrascht angesehen, dann schaute er weg. „Danke... ich weiß das zu schätzen. Ich mein, ich empfinde genauso... Ich bin auch recht traurig darüber, das ich dich... euch verlassen muss... aber... uh... E-Es ist hart für uns beide, okay?“ Sah ich da einen roten Schimmer auf seinen Wangen? Das musste ihm nicht peinlich sein. Irgendwie wirkte es komisch, weil seine Worte mich glücklich machten. Ich war nicht der Einzige, der sich wohl alleine fühlen würde, wenn wir getrennte Wege gingen. „Ich habe es kapiert, Heisuke.“ sagte ich grinsend. „Uhm... danke für alles...“ murmelte er und blickte langsam wieder in meine Richtung. „Danke dir, dass du mir deine Gefühle anvertraut hast. Ich schätze es sehr.“ „Gut zu hören... Ich... Ich wollte, das wir dies schon mal geklärt haben.“ Er wirkte erleichtert. „Oh... dann kann ich dir gar nicht bei der Suche nach deinem Vater helfen.“ „Schon okay. Mach dir darüber keine Sorgen. Nur sei... vorsichtig, Heisuke.“ „Na klar. Ich werfe mein Leben nicht einfach so weg. Ich verspreche es!“ Meine Wunde war nun komplett verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Dennoch trug ich weiterhin ein Verband, damit keine unnötigen Fragen auftauchten. Es blieb nicht einmal eine Narbe zurück. Nachdem Itou und sein Gefolge – die Wächter der kaiserlichen Grabstätte – das Gebäude verließen, wirkte dieses recht leer. Langsam fiel die Shinsengumi entzwei und diesen Prozess konnte ich nicht aufhalten. War es einfach nur normal, das eine solche Organisation irgendwann zusammenbrach oder würden die Dinge schlimmer werden? July 1867 Vielleicht sollte ich schlafen. Ich lag in meinem Zimmer – was nun wirklich mein eigenes war – und starrte auf die Decke. Ich war hellwach und es war keine Spur von Müdigkeit an mir zu spüren. War es die Nervosität? Oder war es der Adrenalinschub vom Training heute Mittag? Bis gerade hatte ich an meiner Kampftechnik gearbeitet und könnte die ganze Nacht durchmachen. Doch wenn ich keinen Schlaf bekam, würde ich den morgigen Tag verschlafen. Also zwang ich meinen Augen, sich zu schließen. Kaum war dies der Fall, wurde meine Tür geöffnet. „Bist du wach?“ Hijikata. „Ja.“ „Du hast Besuch.“ Besuch? Für mich? Wer würde mich denn besuchen? Ich sprang auf und folgte dem Vizekommandanten in den Gemeinschaftsraum, in welchem Kondou, Souji, Shinpachi und Sanosuke saßen. Alle Kapitäne also und... „Hallo, Kaoru! Wie geht es dir?“ „S-Sen?“ Diese strahlte mich an und ihre Art hatte eine beruhigende Wirkung auf mich. Wir hatten uns in Kyoto getroffen, sie war etwa in meinem Alter, aber war... einzigartig. Irgendetwas an ihr fand ich merkwürdig und ich konnte noch immer nicht sagen, was es war. Aber warum kam sie extra zur Shinsengumi? Neben Sen hockte eine recht hübsche Dame, gekleidet wie ein Ninja. „Oh, ja sie gehört zu mir. Meine Leibgarde.“ Leibgarde? Noch mehr Fragen. Die Männer schwiegen während unserem Gespräch. „Okay und wieso bist du hier?“ fragte ich und wartete auf eine Antwort. Ganz gleich was vorfallen würde, die Jungs würden mir die Entscheidung überlassen. „Um dich mit uns zu nehmen.“ „Äh...“ Irgendwie war an diesem Satz etwas komisch. Als ich ihn mir einige Male durch den Kopf gehen ließ, stutzte ich. „Was? Ich verstehe nicht.“ „Richtig. Du verstehst die Situation nicht, aber das geht in Ordnung. Du musst mir vertrauen, das tust du doch, oder?“ „Das geht jetzt ziemlich schnell...“ murmelte ich. „Wir haben keine Zeit! Wir müssen uns vorbereiten.“ mischte sich die Leibgarde von Sen ein, worauf es kurz still wurde. „Moment. Warum sollte ich mit euch gehen? Weswegen?“ „Ja man! Das frage ich mich auch! Ihr schneit hier rein, bittet uns, ihn zu sehen und dann kommt sowas! Jetzt erklärt mal was Sache ist!“ raunte Shinpachi wütend und ich musste mit dem Kopf schütteln. Wenn er etwas nicht verstand, bekam er sehr schnell Kopfschmerzen. „Also?“ Ich blickte in ihre Augen. Sen seufzte schwer. „Gut. Ihr habt ja recht. Ich sollte wohl von vorn beginnen.“ Sie ließ ihre Augen durch den Raum schweifen. „Ihr habt sicher Bekanntschaft mit Kazama gemacht, oder? Ich hörte, ihr habt die Schwerter gekreuzt.“ Hijikata verengte die Augen und knurrte. „Woher weißt du das?“ „Oh, nun, ich bekomme viel zu hören, was in Kyoto passiert.“ „Sag mir nicht, du bist so etwas wie Kazama und seine Gang...“ „Ich würde es bevorzugen, nicht mit ihm verglichen zu werden, aber ja. In gewisser Weise sind wir uns ähnlich.“ „... Okay. Du sprachst von Kazama.“ „Er tauchte im Ikedaya, am Hamaguri und im Nijo auf. Er hat eine Verbindung zu der Satsuma und der Choshu, nicht wahr?“ „Nun, das behauptet er zumindest, aber es hatte den Anschein, das er sich um die Reichskämpfe nicht schert.“ murmelte Souji und sein schwarzhaariger Sitznachbar nickte. „Er ist dennoch ein Feind der Shinsengumi, egal was er ist und zu wem er gehört.“ „Dann wisst ihr also, das er hinter eurem kleinen Freund her ist?“ Sie deutete auf mich und sofort fielen alle Augen auf mich. Das war uns irgendwie jedem bewusst, aber der Grund dahinter war mir nicht sehr klar gewesen. „Wir haben es gemerkt. Wir haben ebenso mitbekommen, wie sich Kazama und sein Gefolge selbst als 'Oni' bezeichnet haben – nicht das wir an so etwas glauben.“ warf Kondou ein. „Nun... wir müssen einsehen, das sie es einige Male verdeutlicht hatten, das ihre Kräfte sich von den eines normalen Menschen stark unterscheidet.“ „Hah, du scheinst es ja zu wissen, Sanan?“ … Die Atmosphäre im Raum wurde ungemütlich. Vielleicht wollte Souji die Stimmung etwas auflockern, aber es hatte nicht recht geklappt. „Also... Sen, leg los.“ bat ich sie, als die Stille günstig war. „Ihr wisst also, das sie Oni sind? Exzellent. Das spart mir einige Erklärungen. Ich bin ebenfalls kein Mensch. Auch ich gehöre zu den Oni.“ Sen war eine Oni? „Fakt ist, ich bin eine Prinzessin. Senhime.“ Sie verneigte sich elegant, so wie sich eine Prinzessin verhalten sollte. „Ich komme aus einer Familie ausgebildeter Ninja, die seit Generationen Senhimes Familie dient.“ stellte sich die Leibgarde vor und verneigte sich ebenfalls. „Kein Wunder, das du so freundlich warst. Du hast Informationen über die Shinsengumi gesammelt.“ „Ich habe nicht die geringste Ahnung, was Sie meinen.“ Ein scheinbar unschuldiges Lächeln lag auf ihren Lippen, ehe sie den Kopf senkte. „Du kennst sie?!“ rief Shinpachi entsetzt. „Beruhige dich, Shinpachi und schau genauer hin. Das ist Kimigiku. Sie... ist nur anders gekleidet als das letzte Mal, wo wir im Shimabara waren.“ „WAS?!“ Der Größere starrte Sanosuke ungläubig an, dann versuchte er eben Jene wieder zuerkennen. Ihm wurde ebenfalls zu gelächelt. „Wir Oni leben seit langer Zeit in diesem Land. Die höchsten Offiziere des Shogunats und auch einige Reiche wissen von uns.“ fuhr Sen fort und es war zwar schockierend, aber die Sache nach Kazama machte es leichter, es zu akzeptieren. Wenn man darüber nachdachte, waren sie wirklich nicht menschlich gewesen. Und wenn es schon Rasetsu gab, warum dann nicht auch so etwas wie Oni? „Die meisten Oni haben keine Interesse an den Menschen und bevorzugen es, unter sich zu leben. Friedlich und zurück gezogen. Dennoch gibt es hochrangige Menschen, die die Kräfte eines Oni anerkennen und sie um Unterstützung bitten.“ „Und... die Oni gehorchen?“ „Viele tun es nicht. Sie fühlen, das sie sich nicht verantwortlich fühlen, für das, was die Menschen beabsichtigen. Die Absicht der Menschen bedeutet ihnen gar nichts. Aber einige lehnten die Zusammenarbeit ab und die menschlichen Oberhäupter wurden zornig. Sie schickten große Armeen und zerstörten das Zuhause der Oni.“ Die Vorstellung war schrecklich. Gleichzeitig erschreckend war, das ich es mir irgendwie bildlich vorstellen konnte. Als stünde ich davor und sähe es mit eigenen Augen. „Viele Oni Clans reisten durch die Länder und versteckten sich. Doch nach nicht allzu langer Zeit schlossen sich die Oni den Menschen an. Es gibt im Moment wenige Oni, die eine reine Blutlinie haben.“ „Ich vermute, Kazama gehört dazu?“ fragte Kondou, worauf Sen nickte. „Die größte reinblütige Oni Familie im Westen ist die Kazama Familie, welche die Unterstützung des Satsuma Reiches hat. Der Kopf jener Familie habt ihr bereits getroffen: Chikage Kazama.“ Seinen Namen ließ ich mir stumm durch den Kopf gehen. Er war also der Anführer einer mächtigen Oni Familie. „Im Osten regiert die mächtigste Familie Yukimura.“ Kapitel 23: Kapitel 3.4 - Die verlorene Blutlinie ------------------------------------------------- „Was?!“ „Ich hörte von der Vernichtung der Yukimura Familie, aber es schien Überlebende zu geben. Einer davon bist du, Kaoru. In dir fließt das Blut einer mächtigen und reinen Linie. Ich spüre eine mächtige Präsenz bei dir.“ „Moment, das kann nicht sein...“ „Doch. Du bist ein Oni. Verzeih, das ich es so sage, aber es ist die Wahrheit.“ Tiefes Schweigen umhüllte den Raum. Dass ich ein Oni sein sollte, wollte ich ihr gar nicht glauben. Doch warum sollte sie lügen? Je mehr ich darüber nach dachte, umso logischer wirkte alles, was passiert war. Wenn ich es in einer anderen Perspektive betrachtete, dann ergab alles einen Sinn. Doch warum war Kazama hinter mir her? „Wenn Kaoru wirklich ein Nachkomme aus dieser verlorenen Familie ist, dann ist es klar, warum Kazama hinter dir her ist.“ „Eigentlich nicht.“ „Einige Oni haben die Gabe, ihre Auren zu unterdrücken, sodass sie praktisch unsichtbar für andere waren. Doch Familienmitglieder können sie dennoch aufspüren.“ erklärte Sen und sah mich an. „Das... heißt, er will mich dafür benutzen, jemanden aus meiner Familie aufzuspüren... Aber sagtest du nicht, meine Familie wäre...“ „Ich sagte, es gibt Überlebende. Und du bist einer davon. Es gibt noch jemanden aus der Yukimura Familie, die überlebt hat, aber unter unserem Schutz steht.“ „Und... warum will Kazama, das ich... diesen Jemand finde?“ „Nun. Wenn zwei reinblütige Linien sich miteinander vereinen, bekommen sie umso mächtigere Nachkommen.“ „Ah... Also sucht er eine Braut?“ fragte Kondou und hob eine Augenbraue. Ich war noch immer verwirrt. Jemand, der außer mir überlebt hatte, war also weiblich? „Ja. Und er wird weiter versuchen, an sie ran zu kommen. Er kann sie selbst nicht aufspüren und wir können sie so gut es geht verstecken... Aber er wird dich dazu benutzen, zu tun, was er will. Selbst mit Gewalt. Und da wird selbst die Shinsengumi hilflos sein, denn gegen die Kraft eines wahren Oni...“ „Hey man, Prinzessin! Denkst du nicht, du unterschätzt uns gewaltig?“ Shinpachi war aufgesprungen, die Fäuste vor sich geballt. „Shinpachi hat recht, du kannst uns ruhig mehr zu trauen.“ Sanosuke sah kurz zu mir, dann wieder zu der Brünetten, die leicht seufzte. „Der Grund, weshalb ihr die Aufeinandertreffen mit Kazama überlebt habt, ist jener, das er seine vollständige Kraft nicht auf euch ausgeübt hat.“ „Soll er es doch versuchen. Ich würde gerne die wahre Macht eines Oni sehen.“ Sanan verstand die Situation wohl nicht, oder? Die Kapitäne waren ein Kinderspiel für Kazama, sie konnten ihn kaum aufhalten. Allein die Vorstellung, dass er irgendwann seine volle Kraft einsetzen würde... „Lass mich eines klarstellen, Lady. Wir sind die Shinsengumi. Die Wölfe aus Mibu. Wir ziehen unsere Schwänze nicht ein wegen einem Oni oder zwei.“ knurrte Hijikata und da sprach wieder der stolze Vizekommandant. Souji nickte ihm zu. „Ganz recht. Außerdem haben wir den Dämonenkommandanten schlechthin, oder?“ „Du musst das letzte Wort haben, oder?“ „Ich verstehe, wie ihr euch fühlt, aber... Ihr müsst begreifen, das es nicht dieselben Männer sind, gegen die ihr sonst immer kämpft. Deswegen würde ich euch bitten, Kaoru uns zu überlassen. Seine Chance, vor Kazama unentdeckt zu bleiben und somit seine Familie zu beschützen, ist weitaus höher, als wenn er hier bleibt.“ „Hey, gib uns eine Chance. Denkst du, wir können ihn nicht beschützen?!“ „Und was meinst du mit 'Chance'? Wenn du seine Sicherheit nicht garantieren kannst, sehe ich keinen Grund, ihn auszuhändigen.“ Shinpachi und Sanosuke hatten sich zu mir gesellt und legten jeweils eine Hand auf meine Schulter. „Sieh mal, Lady, du bist kein Mitglied der Shinsengumi, deswegen würde ich sagen, halte dich aus unserer Angelegenheit heraus.“ Charmant wie immer, Souji, dachte ich mir, doch ich spürte, wie ich mich freute, von ihnen beschützt zu werden. Doch wenn ich selbst ein Oni war – noch dazu ein Mitglied aus einer mächtigen Blutlinie – sollte ich nicht in der Lage sein, mich selbst zu verteidigen? „Was ist mit Ihnen, Hijikata-san? Sie kennen Kazamas Kräfte. Wenigstens Sie sollten auf die Prinzessin hören und uns Kaoru überlassen.“ meinte Kimigiku und verbeugte sich mit einem Lächeln. „Das ist etwas anderes.“ Ihr Lächeln fror ein. „Ich weiß nicht wie stark unser Gegner ist, aber es ändert nichts daran, das wir – im Namen der Shinsengumi – in der Lage sind, Kaoru zu beschützen. Zudem seid auch ihr Oni. Warum sollten wir euch glauben?“ „Wissen Sie nicht, mit wem Sie reden? Senhime ist ein Nachkomme des Suzuka Gozen-“ „Kimigiku! Das hat nichts zur Sache beizutragen.“ Sens Stimme war zwar ruhig und freundlich, aber sie war bestimmt. „Ich stimme Hijikata zu. Er sollte bei der Shinsengumi bleiben. Zudem scheint er auch sich selbst verteidigen zu können. Wenn er aus solch einer starken Familie kommt, sollte er nicht in der Lage sein, sich mit Kazama messen zu können?“ fragte Sanan und schien praktisch meine Gedanken gelesen zu haben. Kimigiku funkelte ihn an. „Kaoru schien bis vorhin nicht gewusst zu haben, das er ein Oni ist. Wie soll er in kurzer Zeit seine Kräfte kontrollieren können, die er nie eingesetzt hatte?“ „Er könnte.“ stimmte Sen zu und lächelte mir zu. „Aber wie Kimigiku bereits erwähnte, seine Kräfte vollständig ausnutzen zu können, braucht seine Zeit. Währenddessen könnte Kazama ihn überwältigt haben. Aber wir stoßen bereits auf ein Problem. Gibt es keinen Weg, dich zu überzeugen?“ fragte sie, an mich gewandt. Ihre Absicht, mich und somit auch meine Familie zu beschützen, war nett gemeint. Ich schätzte es sehr. Dennoch war es falsch für mich, die Shinsengumi zu verlassen. So viel hatte ich mit ihnen erlebt. Und so viele Fragen hatte ich offen. Durch die Shinsengumi könnte ich an meinen Vater gelangen – sofern er mein Vater war. Kondou, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, erhob die Stimme. „Yukimura-kun. Was sagst du zu all dem?“ „Ich? Nun...“ Kurz senkte ich den Blick. Ich wollte nicht gehen. „Verstehe. Es ist wohl schwer, wenn alle zuhören. Sprich dich mit Senhime aus. Allein.“ „Kondou, was zum-“ Hijikata – und auch die anderen – waren über diesen Vorschlag mehr als entsetzt. „Es sollte jemand als Zeuge dabei sein. Die Prinzessin wird sicher Kimigiku-san mit nehmen.“ Selbst Sanan setzte sich für mich ein. Langsam wurde das aufkommende Gefühl unheimlich. „Nein, das ist nicht nötig. Ich denke, Yukimura hat schon mehrere Male bewiesen, das er auf sich selbst achten kann. Ich bezweifle, das er etwas Dummes machen würde. Oder?“ „Ich würde euch niemals verraten. Niemanden von euch.“ sagte ich und wirkte erleichtert. Sie kannten mich wohl scheinbar so gut, das sie wussten, das ich nicht gehen würde. „Wenn Kondou es sagt.“ Soujis Worte sprachen für jeden Anwesenden. „Und du entführst ihn nicht, wenn ihr alleine seid?“ fragte Sanan und seine Brillengläser leuchteten kurz auf im Licht der Flammen. „Seid unbesorgt. Ich bin nicht wie Kazama.“ „Sen ist keine schlechte Person.“ warf ich brummend ein. Schließlich war sie freundlich zu jeden gewesen, egal was sie gesagt hatten. Sie blickte zu mir. „Vielen Dank, Kaoru.“ Einige Minuten später befanden wir uns in meinem Zimmer. „Ich weiß, das die Dinge heute zu viel für dich waren und es tut mir sehr Leid.“ Kaum waren wir alleine, war sie wieder die Sen, die ich kennen gelernt hatte. Die, die ich gerettet hatte, vor einigen Monaten, auf den Straßen Kyotos. „Schon gut. Ich sollte mich eher für die Jungs entschuldigen, sie haben recht fiese Dinge gesagt.“ „Naja, zu erwarten oder? Ich habe zu viel von ihnen verlangt und das zu plötzlich. Nicht jeder Mensch würde die Existenz der Oni einfach so akzeptieren. Aber egal, zurück zur Sache. Was sagst du zu meinem Angebot? Hast du darüber nachgedacht?“ Hatte ich. Wenn es Sen gewesen wäre, die ich zuerst getroffen hätte, als ich nach Kyoto kam, dann wäre ich wohl bei ihr geblieben. Aber sie war eben nicht jene gewesen, bei der ich letztendlich lebte. „Die Shinsengumi scheint wirklich zu glauben, dich beschützen zu können. Ich zweifele nicht an ihrer Einstellung, sondern an ihren Fähigkeiten, muss ich gestehen.“ Womöglich hatte sie recht. Mensch gegen Oni, der Gewinner war klar. Einem Oni gegenüber zu treten bedeutete Furchtlosigkeit. Die Shinsengumi war mächtig und gut ausgebildet. Viele Male hatte ich sie kämpfen gesehen, manchmal konnte ich an ihrer Seite mitkämpfen. Sie strotzten vor Energie, doch es gab auch welche, die durch 'jene Macht' ihre Leben ließen. „Würdest du mit uns kommen? Es ist gefährlich, selbst für dich – du, der seine Kraft noch nicht kontrollieren kann.“ „Sen...“ Sie wirkte ernst, aber sie war ehrlich und friedlich. Sie suchte einen Weg für mich, nicht kämpfen zu müssen – eventuell könnte ich sogar ein neues Leben beginnen. Aber das war nicht ich. Es war nicht meine Bestimmung. „Ich... würde jetzt sagen, als Mann könnte ich es mir nicht erlauben, mich hinter Frauen zu verstecken, wo ich doch selbst kämpfen kann und das nicht einmal so schlecht. Für die anderen aus meiner Familie würde ich auch bis zum Tod kämpfen. Aber all das...“ Ich schüttelte den Kopf. „All die Jahre dachte ich, es gäbe nur mich und meinen Vater. Die ganzen Monate lang hatte ich nach ihn gesucht, dadurch habe ich wunderbare Menschen kennen gelernt. Ich würde gerne mit ihnen bis zuletzt Seite an Seite kämpfen. Nur durch sie finde ich Antworten auf meine Fragen. Einfach wegzulaufen... ich würde sie verraten.“ Meine Gedanken schweiften ab zu einer bestimmten Person. Er hatte die Shinsengumi verlassen, weil er den richtigen Weg finden wollte. Ich wusste, dass – wenn ich mit Sen gehen würde – ich es bereuen würde. Ihre Augen wurden schmal. „Kann es sein...?“ „Huh?“ Verwirrt sah ich auf. Sie grinste auf einmal. „So ein Blick hat nur eines zu bedeuten: Jemand aus der Shinsengumi?“ „Eh?“ Ihre Frage war vielleicht recht normal gemeint, aber irgendwie warf sie mich völlig aus der Bahn. „Wie meinen?“ „Ob es wegen einer bestimmten Person ist, weshalb du ungerne gehen willst?“ Ich überlegte kurz. Dann nickte ich leicht. Auch wenn ich sie alle recht mochte, es gab nur einen, wegen dem ich alles durchmachen würde. „Verstehe. Gut, ich frage nicht weiter, ich verstehe dein Dilemma. Es wäre falsch, dich weiterhin zu bitten, mitzukommen.“ „Danke fürs Warten.“ murmelte ich, als wir zurück in den Gemeinschaftsraum gingen. Alle Köpfe wandten sich an uns, ehe wir uns hinsetzten. „Wie ist die Entscheidung?“ fragte Kondou und wirkte recht neugierig. Sen verneigte sich. „Nach einer kleinen Diskussion haben wir beschlossen, die Dinge zu lassen, wie sie sind.“ „Aber... Prinzessin. Seid Ihr sicher?“ „Schweig. Ich denke, Kaorus Gründe haben eine höhere Priorität.“ „Gut. Die Shinsengumi übernimmt jede Verantwortung für sein Wohlergehen.“ Kaum hatte der Kommandant der Shinsengumi diese Worte ausgesprochen, kamen die anderen direkt auf mich losgeschossen. „Überlasst alles mir!“ „Natürlich. Ich bin mir sicher, Shinpachi gibt dir andere Gründe zur Sorge. Aber es ist schön, dich weiterhin bei uns zu haben.“ „Echt? Du willst bei uns bleiben?“ Auf Soujis Frage grinste ich nur. „Das macht dich aber nicht zu einem besonderen Gast. Du kriegst dieselbe Behandlung wie alle hier!“ brummte Hijikata, auf dessen Lippen ein leichtes Lächeln lag. Ich nickte. Ich gehörte einfach hierhin. Sen nahm meine Hände und sah in meine Augen. „Sei vorsichtig. Und vergiss nicht, ich bin auf deiner Seite.“ „Vielen Dank Sen.“ Sie strahlte, ehe sie mir einen Kuss auf die Wange gab und anschließend mit Kimigiku verschwand. Seufzend wälzte ich mich in meinem Bett hin und her. Der Schlaf wollte nicht kommen und mein Kopf drohte zu platzen. Ich ließ Sens Worte immer wieder vom Neuen abspielen. Ich war ein Oni und gleichzeitig das Oberhaupt einer verlorenen reinen Blutlinie, gleichzeitig war ich nicht der Einzige, der überlebt hatte. Doch wie konnte ich die anderen aufspüren? Sollte ich mich auf ihre monströsen Kräfte konzentrieren? Gerne würde ich wissen, wer mit mir verwandt war. Und ob mein Vater wirklich mein Vater war? Erneutes Seufzen. Ich hatte mich entschieden, bei der Shinsengumi zu bleiben, aber war das richtig? Hätte ich doch gehen sollen? Natürlich wollte ich bleiben, aber wenn sie meinetwegen zu Schaden kämen, das könnte ich mir nicht verzeihen. Stärker. Ich musste stärker werden. Ich musste für die kämpfen, die wichtig waren. … Meine Gedanken wurden unterbrochen, als ich Geräusche hörte. Gebrülle und Klänge aufeinander prallende Klingen kamen von draußen und hallten durch die Nacht. „Verzeih, dich zu solch einer Zeit zu belästigen, aber es ist ein Notfall.“ Shimadas Stimme ertönte vor meiner Tür. Ich richtete mich auf. Die Tür wurde aufgeschoben und sein Gesichtsausdruck wirkte recht nervös. „Was ist passiert?“ „Die Oni greifen uns an.“ „Was?!“ Ich packte meine Waffe, doch er hob die Hand. „Sie sind hinter dir her, deswegen musst du hier bleiben.“ „Ich kann kämpfen!“ fauchte ich. Da hatte ich endlich einen Sinn gefunden, Leben anderer auszulöschen und dies blieb mir verwehrt? Meine Hand umfasste mein Schwertgriff, dann lockerte sie sich wieder. Den Shinsengumi vertrauen. Sie sagten, sie könnten mich beschützen. Seufzend ließ ich den Kopf hängen. „Gut, hilf du den anderen.“ „Ich wurde beauftragt, dich zu beschützen.“ Plötzlich – wie aus dem Nichts, wie ein Schatten – tauchte Amagiri hinter Shimada auf. Jetzt konnte ich auf einmal seine Aura spüren – nein, praktisch sehen: Sie war rötlich und flackerte wie eine hoch lodernde Flamme, gefüttert mit noch mehr Zündstoff. „Ist etwas?“ Shimada hatte ihn nicht bemerkt. „Hinter dir!“ Er drehte sich um, doch nicht schnell genug. Mit einem Schrei flog er durch den Raum und krachte in die gegenüberliegende Wand. Er fiel zu Boden und rührte sich nicht. „Shimada?!“ Als ich zu ihm laufen wollte, wurde ich mit einem Arm gepackt und über die Schulter gelegt. Sein Griff war stark. „Du kommst mit mir. Zwinge mich bitte nicht, dir wehzutun. Es könnte Probleme geben.“ Mit diesen Worten ging er durch die Tür. Wo wollte er mich hinbringen? Ungehindert benutzte er den Hinterausgang, während die Shinsengumi woanders kämpfte. Ich hörte Schwerter aufeinander prallen, aber ich sah niemanden von ihnen. Vielleicht sollte ich schreien? Als würde er meine Gedanken lesen, sprach Amagiri. „Schweig und niemand wird verletzt. Wir wollen dich lebend und nicht den Tod deiner Kameraden.“ Wieder sah ich Shimada vor Augen, wie er versucht hatte, mich zu beschützen, aber nun reglos am Boden lag. Sie verletzten niemanden? Pah! Amagiri war zwar ruhig und wirkte nicht so gefährlich wie Kazama, aber ich traute ihm nicht. Wenn ich ihn machen ließ, gäbe es keine Garantie, zu entkommen. Kaum hatten wir die Straße angesteuert, fing ich an wie verrückt herum zu brüllen. „LASS MICH RUNTER!!!“ Sein Versuch, mich zum Schweigen zu bringen, schlug fehl. Kapitel 24: Kapitel 3.5 - Die Welt verändert sich ------------------------------------------------- „Hey, was geht hier ab – Eine Entführung?!“ Heisuke war die letzte Person, die ich erwartet hätte, aber umso mehr erfreute es mich, ihn zu sehen. Er jedoch starrte entsetzt zu uns. „W-Was macht ihr da?!“ „Wie was machen wir?! Wonach sieht es denn aus?!“ fauchte ich recht übel launig, als würde ich dies freiwillig mitmachen. „Du! Du bist dieser Kerl aus Ikeda!“ Heisukes Überraschung wandelte sich in Zorn um und machte sich kampfbereit. „Hätte nicht gedacht, das wir uns überm Weg rennen. Aber gut, wir müssen da noch etwas klären!“ „Oh?“ Ganz klar: Amagiri schien verwirrt zu sein. Hatte er keinen Schimmer, worüber Heisuke sprach? Das machte diesen umso wütender. „Sag mir nicht, du hast es vergessen! Du hast mir diese Narbe verpasst!“ Er schob sein Haar zur Seite und präsentierte eine beinah senkrechte Narbe auf seiner Stirn, die knapp zwischen seinen Augen endete. „Ah... Ich erinnere mich. Gut zu sehen, das du überlebt hast.“ „Mach dich nicht über mich lustig, verdammt! So leicht kommst du mir nicht davon!“ fauchte er und zog die Waffe. Sofort rannte er auf uns zu, doch Amagiri wich gekonnt aus. „Was?!“ „Verschwende deine Zeit nicht mit kämpfen. Du hast wohl nichts gelernt seit unserem letzten Treffen.“ „Schnauze! So leicht gebe ich nicht auf!“ Er schwang das Schwert und führte einen Doppelangriff aus, doch die trafen den Rotschopf nicht. „Verdammt... Ich treffe ihn nicht.“ Da hatte der Kampf gerade angefangen und er konnte ihn nicht treffen. Moment. Natürlich war er nicht darüber frustriert, das er nicht traf – er konnte Amagiri nicht ernsthaft schlagen, ohne mich eventuell zu treffen. Ich war so gesagt im Weg. Er hibbelte herum, murmelte einige Worte, ehe er einen neuen Versuch starten wollte. Mit einem Male begann ich herum zu zappeln. Stark, wilder. Irgendwie musste ich Amagiri ablenken. Ihn dazu bringen, mich los zulassen. „Das ist gefährlich. Bitte halte still.“ Hättest du gerne. Ich zog meine Waffe und hielt die Klinge an meinen Arm. Amagiri reagierte und wollte mit das Schwert abnehmen, als ich mich zur Seite drehte und somit aus seinen Fängen befreite. Ich rollte auf den Boden und hockte neben Heisuke. „Das war... verrückt.“ hörte ich diesen sagen, ehe ich grinste und meine Waffe bereit hielt. „Interessant. Aber wie zu erwarten, von einem Yukimura Mitglied.“ Die Augen verengend hob ich meine Waffe vor mich, ihn genau im Visier behaltend. Er ging einen Schritt auf uns zu, ehe ich etwas hörte. Es war ein Flüstern, anschließend ein kleiner Ausstoß von einer starken Energie. Dies schien Amagiri ebenfalls gespürt zu haben, denn er hielt an. „Wir haben zu viel Aufmerksamkeit gezogen. Ich ziehe mich fürs Erste zurück.“ Damit war er verschwunden. Kurz herrschte Stille, die Menschen kamen in Bewegung. Dann wandte ich mich an Heisuke. „Danke. Du hast mich gerettet.“ sagte ich und lächelte. „Ja... Bin froh, das es dir gut geht.“ Er schenkte mir ein typisches Grinsen, ehe er zur Seite blickte und die Augen verengte. „Verdammt. Ich habe es ihm nicht heimgezahlt. Ich konnte ihn kaum treffen. Er... ist verdammt gut.“ Er wirkte frustriert. Aber es war wohl eine Art, Respekt zu zeigen. Was immer er von Amagiri dachte, er bewunderte seine Stärke. „Lass den Kopf nicht hängen. Schlecht bist du nicht.“ „Ich hätte es ohne dich gar nicht geschafft. Wenn du ihn nicht abgelenkt hättest... Ich wüsste gar nicht, was dann passiert wäre. Vielleicht habe ich nicht hart genug trainiert, seit ich die Shinsengumi verlassen habe... Ich fühle mich so nutzlos.“ „Heisuke? Wie läuft es... drüben?“ „Hm... Naja...“ Er starrte in die Ferne. „Ich dachte ich hätte den richtigen Weg gewählt, aber... seit ich gegangen bin, denke ich über die Zeit nach, die ich mit der Shinsengumi verbracht habe. Und in letzter Zeit benimmt sich Itou recht komisch.“ Heisuke wirkte recht verloren. Aber wenn er so dachte und die Dinge mit Itou nicht so klappten, käme er vielleicht zurück zur Shinsengumi. Als ich den Mut fasste, ihn zu fragen, tauchte eine Gruppe von Leuten auf. Der Uniform nach Mitglieder der Shinsengumi. „Verdammt. Ich muss los. Bis dann!“ „Heisuke!“ Er rannte in die Dunkelheit der Nacht, ehe ich mich richtig von ihm verabschieden konnte. Ich wusste, dass er sich der Shinsengumi nicht zeigen durfte, aber ich hoffte, wir könnten irgendwann wieder miteinander reden. Der nächste Tag kam allmählich zu schnell. Seufzend bespritzte ich mein Gesicht mit kaltem Wasser, ehe ich mich zum Gemeinschaftsraum begab. Die Kapitäne und einige andere Männer waren bereits dort. „Guten Morgen.“ begrüßte ich Inoue und Yamazaki, die in der Nähe des Eingangs saßen. Sie antworteten leise, ehe sie weiter miteinander sprachen. Shimadas Name fiel. „Wie geht es ihm?“ „Der Schlag hat ihn umgehauen, aber er kam mit leichten Kratzern davon. Er wird bald wieder seinen Dienst antreten können.“ Ich seufzte erleichtert auf. Wenn Shimada meinetwegen ernsthaft verletzt wäre... „Oh, Kaoru. Shimada möchte dich um Verzeihung bitten, da er nicht in der Lage war, dich zu beschützen.“ „Was? Ich sollte derjenige sein, der sich bei ihm entschuldigen sollte!“ Alles wurde still, als Kondou den Raum betrat. Er war recht ruhig und nachdenklich, aber jetzt sah er ziemlich ernst aus. Irgendetwas hatte er doch. „Uh oh. Was ist los? Du schaust so grimmig, Kondou-san, das macht selbst dem Kleinen hier Angst.“ lachte Inoue und deutete auf mich. „Ich habe doch keine Angst...“ murmelte ich und hob eine Augenbraue, während die anderen lachten. „Entschuldige.“ Er schenkte mir ein breites Grinsen, ehe er in der nächsten Sekunde wieder streng schaute. „Ihr wollt alle wissen, was Sache ist oder? Nun... Der Nishi Hongwanji Tempel will uns nicht mehr hier haben.“ „Sie sagen, wir sollen gehen, meinst du?“ fragte Yamazaki und verengte die Augen. „Nun in so vielen Worten sagten sie es nicht aber... ja.“ „Ich hatte es mir schon denken können, das dieser Tag irgendwann kommen würde, aber jetzt... Was sollen wir tun?“ Inoues Worte verstummte die Anwesenden. Die Mönche hier im Tempel waren Imperialisten, Verbündete vom Choshu Reich. Sie waren nie darüber begeistert gewesen, das die Shinsengumi ihren Tempel als Bleibe verwendet hatten. „Das ist plötzlich. Meinst du, es hat mit der Sache letzter Nacht zu tun?“ „Ich denke nicht, ich weiß es. Sie wollen nicht, das man hier kämpft. Aber ich zweifele nicht daran, das die Choshu, vielleicht auch die Satsuma ihre Hände im Spiel haben.“ Der Kampf letzte Nacht war nur meine Schuld gewesen. Ich senkte den Blick. „Verzeiht. Es ist meine Schuld.“ „Ist es nicht. Wir haben die Mönche gezwungen, uns hier bleiben zu lassen.“ sagte Kondou und schüttelte dabei den Kopf. Es änderte jedoch nichts daran, das wir gestern Nacht praktisch ihre Moral gestört hatten und ihnen somit einen Grund gegeben hatten, uns rauszuwerfen. „Was tun wir aber nun? Wenn wir hier raus müssen, sollten wir nach einer neuen Bleibe suchen.“ „Nicht ganz, Yamazaki-kun. Wir haben bereits eine neue Bleibe, gesponsert von Nishi Hongwanji Tempel selbst.“ „Wie überaus großzügig. Sie wollen uns wohl tatsächlich nicht mehr bei sich haben.“ kommentierte Inoue nur, doch so schlecht wäre der Vorschlag nicht. „Nun das ist auch der Grund, weshalb ich ihr Angebot angenommen habe.“ Was uns überlassen wurde, war ein Grundstück, bezahlt von Nishi Hongwanji Tempel. Es wurde zum dritten Hauptquartier der Shinsengumi: Das Fudodo Dorf. In der Zeit, in der der Sommer kam, verließ die Shinsengumi den Tempel, in welchem sie mehr als zwei Jahre verbracht hatte. November 1867 Eine Windböe fegte die restlichen Blätter von den Bäumen und beförderte sie auf den Straßen Kyotos. Es war kalt und das spürte ich durch meine Klamotten. Ich zitterte leicht. „Man, ist das kalt.“ „Ja, der Wind ist recht kühl geworden. Aber wir haben es tagsüber nicht mit einer Eiseskälte zu tun, wie in der Nacht.“ sagte Sanosuke und streckte sich. Es war November und die Temperatur fiel erheblich, wir konnten unseren eigenen Atem sehen, während wir unseren Rundgang machten. Ich hauchte meine Hände an und rieb sie, in der Hoffnung, das sie wärmer wurden. „Sind deine Hände kalt?“ fragte mich der Rotschopf und nahm meine in seine. „Ich kann sie für dich wärmen.“ „Oi, ich bin ein Kerl! Mir macht die Kälte nichts aus!“ brummte ich mit einem leichten Rotschimmer auf meinen Wangen. Der musste mich doch nicht wieder wie ein Mädchen behandeln. „Hey, Sano! Was tust du da?! Du solltest arbeiten und dich nicht an kleine Jungs ranschmeißen!“ hörte ich Shinpachi rufen, wobei der Angesprochene mit den Augen rollte. „He, niemand ist so ein Gigolo wie du! Er fror und ich wollte nett sein.“ „Und was heißt hier ranschmeißen?!“ brummte ich nur zu dem Größeren und funkelte ihn lecht genervt an. Shinpachi hatte ebenfalls seinen Rundgang zu machen und scheinbar hatten sich unsere Routen gekreuzt. Viele Wege zweier Patrouillen kreuzten sich, aber es war wirklich Zufall, wenn man sich tatsächlich begegnete. Konnte aber auch sein, weil Sanosuke und ich hier größtenteils herum trödelten. Während sie sich ankeiften, beobachtete ich sie dabei. Freundschaft war doch etwas tolles und das meinte ich nicht ironisch. Dieses Mal zumindest nicht. „Was grinst du denn so?“ wurde ich vom Größeren aus den Gedanken gerissen. „Vielleicht schaust du recht lustig, Shinpachi. Du solltest was daran ändern.“ Eigentlich fiel mir nur ein, das ich zu solch einer Zeit Chizuru begegnet war. Zusammen mit Souji und Heisuke... Meine Gedanken schweiften ab. Seit über einem halben Jahr waren Saitou und Heisuke Wächter der kaiserlichen Grabstätte, somit auf Itous Seite. Sanosuke und Shinpachi musterten mich, ehe Ersterer in den Himmel sah. „Die Shinsengumi hat sich verändert... Ebenso wie der Rest dieser gottverdammten Welt.“ brummte er. „Ja. Als würde das Shōgunat dem kaiserlichen Hof all seine Macht übergeben.“ murmelte ich. Wenn dies wirklich passieren würde... Shinpachi nickte mir zu. „Ja, sehr gut, jetzt weißt du, wie groß der Verlust ist, den Itou und seine Anhänger angerichtet haben!“ knurrte er und schlug sich die Faust in die Handfläche. „Wir haben jetzt weniger Mitglieder.“ „Halb richtig! Wir haben einige Männer verloren, das stimmt. Diejenigen, die überzeugte Imperialisten waren, sind eh als erster gegangen!“ „Das würde bedeuten, jene, die geblieben sind, wären Loyalisten. Aber auch nicht alle...“ meinte Sanosuke und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ja, weißt du noch, als man Kondou dazu befördert hatte, dem Shogun direkt zu dienen und alle anderen somit zu seinen Gefolgsmännern machte? Nicht jeder war glücklich darüber.“ „Das war in der Zeit, in der wir ins Fudodo Dorf gezogen sind.“ murmelte ich und erinnerte mich zurück. Einige Männer wollten gehen. Manche von ihnen bekamen die Erlaubnis zu gehen, andere wiederum wurden in die Rasetsu Truppe gezwängt. Kondous Beförderung hatte die Beziehung zum Shogun geändert. Während wir vorher indirekt mit ihm verbunden waren, konnten wir jetzt direkt zu ihm sprechen. Für einige Mitglieder war dies ein Problem. „Wir denkt ihr darüber?“ „Ich bin nicht direkt begeistert.“ gestand Sanosuke. „Ja, man. Ich hab die ganze Drecksarbeit nicht getan, um ein Haustier des Shogun zu werden.“ Niemand war glücklich darüber, insbesondere Shinpachi. Wir liefen noch ein Stückchen und unterhielten uns über verschiedene Dinge, als Sanosuke gähnte. „Dein Gequatsche ist Einschläfernd, Shinpachi. Du kannst ihm ruhig sagen, das er die Klappe halten soll, bevor er dich langweilt.“ meinte er an mich gewandt. Ich grinste schief. „Ach lass ihn reden. Ich finde es ganz lustig, wenn er sich so aufregt.“ „Haha, siehst du Sano? Du hast keinen Sinn für Humor, er schon! Sollen wir fortfahren? Was weißt du über den Aufstieg des Meiji Kaisers vor zwei Monaten und über die Wiederherstellung der kaiserlichen Herrschaft im letzten Monat?“ „Nun, die Wiederherstellung wurde eingeführt, als das Tokugawa Shōgunat seine Kräfte über die Regierung des Kaisers zurück erlangte, oder? Da war doch was.“ „Du weißt schon genug. Ein Mann namens Ryoma Sakamoto vom Tosa Reich war derjenige, der einen Weg fand, für den Kaiser an Macht zu kommen, ohne dem Shōgunat zu schaden.“ Unglücklicherweise, so fuhr Nagakura fort, hatte Sakamoto es geschafft, den Ärger der Loyalisten und Imperialisten auf sich zu ziehen und gewann den Hass beider Seiten. „Kurz um: die Wiederherstellung bedeutet, das Tokugawa all seine Autorität verloren hatte. Nun, so lautet die offizielle Geschichte.“ „Eigentlich hat er immer noch genug Macht , denn die Regierung kann nicht ohne jemanden funktionieren, der im Hintergrund alles regelt. Die Satsuma plant etwas, aber wir wissen nicht, was es ist. Aber die Welt wird sich nicht über Nacht ändern, wir werden also sehen.“ Als ich mich umschaute, fand ich, dass Harada Recht hatte. Es sah wirklich nicht aus, als würde sich alles auf einen Schlag ändern. Die Gasthöfe waren überfüllt mit Reisenden; die Teeläden bezauberten die Gegend mit einem angenehmen Duft. Das Leben ging weiter, davon unabhängig, was der Shogun tat oder nicht tat. Die Stadt wirkte unverändert, aber irgendwann würde eine Welle kommen, die uns alle mitriss. Ich sah zu Shinpachi auf und sprach Dinge aus, über die ich erst jetzt gerade nachgedacht hatte: „Ich wusste gar nicht, das du so intelligent bist, Nagakura. Du kennst dich mit politischen Dingen aus.“ „Wusste nicht...? Warte, was dachtest du denn bis jetzt von mir?!“ Kapitel 25: Kapitel 3.5 - Bonus: Ein Schwur ------------------------------------------- Zack! Mein Schwert steckte in dem Bambuspüppchen, mit dem ich trainierte. Es waren bereits Stunden vergangen, seit ich angefangen hatte, meine Techniken auszureifen. Langsam machte sich die Erschöpfung in meinen Armen erkennbar. Ich zog meine Waffe heraus und strich mit meinem Ärmel drüber. Es war richtig sauber und dennoch sah ich das ganze Blut vom Rasetsu, den ich getötet hatte – jene Nacht, bevor Itou beschlossen hatte, uns zu verlassen. Seufzend setzte ich mich auf einen Stein und starrte vor mich hin. In letzter Zeit hatte ich viel erlebt. Es waren auch viele Wochen vergangen, seit ich Heisuke das letzte Mal gesehen hatte. Seitdem hatte auch Kazama nicht mehr zugeschlagen. Seufzend hob ich einen kleinen Kieselstein auf und warf ihn in den Teich, scheuchte somit die Fische darin auf. Auf den Boden blickend leerte ich meine Gedanken. In letzter Zeit – nachdem ich Amagiri getroffen hatte – begann ich, Auren aufzuspüren. Ich stellte mir einfach jene Aura von Amagiri vor und hatte sie mit einem Menschen verglichen. Nachdem mir die Unterschiede klar waren, versuchte ich stets, einen Oni aufzuspüren. Erst heute sollte es mir gelingen: Denn tatsächlich konnte ich eine Aura wahrnehmen, die sich in der Nähe der Stadt bewegte. Die Weite zu erkennen hatte ich auch von Amagiri abgeschaut. Als er nämlich verschwand, konnte ich sogesagt eine Distanz abschätzen. Ich verengte die Augen und erhob mich. Ich sollte Hijikata darum bitten, mich in die Stadt zu lassen. Schließlich wollte ich mehr über meine Vergangenheit wissen. „Kommt nicht in Frage!“ „Aber... wieso?“ Der Schwarzhaarige knurrte mich regelrecht an, sodass ich erst einmal die Hoffnung verlor. „Es ist weder die Aura von Kazama, noch von einem seiner Leute. Wirklich!“ „Was macht dich so sicher? Vielleicht sind es andere, die wir gar nicht begegnet sind und dann schnappen sie dich!“ „Dann schick mir jemanden mit!“ Ich wollte jetzt nicht aufgeben. Die Aura war noch schwach da, was mir bedeutete, das sie noch in der Stadt war. „Bitte Hijikata-san! Nur ein einziges Mal! Vielleicht bekomme ich auch etwas über meinem Vater heraus! Ich kann doch nicht einfach hier rumsitzen...“ Wimmern und betteln; wie tief war ich gesunken? Als ich realisierte, was ich von ihm verlangte, verbeugte ich mich nur und bat um Entschuldigung. Immerhin hatten sie die Güte gehabt, mich bei sich zu behalten und mich zu beschützen. Ich verstand Hijikatas Grund, mich nicht gehen zu lassen, wenn dort ein Oni war. Aber es könnte ja einer sein, der eventuell mehr über die Yukimura wusste. „Yamazaki!“ rief er und neben mir kniete der Brünette auch schon. Leicht zuckte ich zusammen. „Ja?“ „Begleite Yukimura in die Stadt.“ Meine Miene hellte auf. Er ließ mich gehen? Doch er funkelte mich an. „Da es dunkel ist, werdet ihr euch der Patrouille anschließen, die gleich ihren Rundgang startet.“ „Echt? Meinst du nicht, der Oni wird aufschrecken, sobald die Shinsengumi antanzt?“ brummte ich nur, doch das war etwas, was ich vielleicht unausgesprochen lassen sollte. Yamazaki beobachtete mich aus den Augenwinkeln und schwieg. Kondou stand an der Tür, den ich erst jetzt bemerkt hatte und rieb sich das Kinn. „Kannst du orten, wo genau dieser Oni ist?“ „Äh...“ Ich drehte mich ein wenig in seine Richtung und starrte auf den Boden. Die Stadt war groß und selbst in den Jahren meines Aufenthaltes wusste ich nicht immer, wo sich was befand. Also konzentrierte ich mich und malte mir gedanklich eine Karte. „Ein wenig südöstlich..., da laufen recht viele... Ich denke, da laufen viele Männer rum.“ „Südöstlich von was?“ „Vom... Vom Gasthaus neben dem Manjū Stand, der immer im Sommer aufmacht.“ „Ah... Moment südöstlich... da ist das Shimabara.“ „Oh.“ Dann war es kein Wunder, das ich diese Gegend nicht allzu gut kannte. Dort war ich bis jetzt noch nie. Also war jener Oni – dessen Geschlecht ich im Gegensatz zu den Menschen noch nicht heraus erkennen konnte – entweder ein Kerl, der das Shimabara besuchte... oder eine Frau? „Ich denke nicht, das sich ein Mann dort einfach so umschauen kann. Da müsste man schon eine Frau sein!“ lachte Kondou, doch zu meinem Leidwesen ließen seine Worte dem Vizekommandanten eine Idee aufblühen – eine die mir nicht gefiel und ihn mit Recht als Dämonenkommandanten betitelte. „Sie kommen also von Edo und möchten hier einen Probetag machen, damit sie eventuell hierher ziehen können?“ fragte mich eine Geisha, die vor mir herlief. Ich lächelte – gespielt. „Ja, Miss.“ Sie brachte mich in ein Zimmer, in der eine weitere saß, die ich nur zu gut kannte: „Kimigiku-san. Hier ist ein Gast, der überlegt, nach Kyoto zu ziehen und möchte hier einen Probetag machen.“ sagte die Frau und verneigte sich kurz. Die total veränderte Ninja musterte mich, weitete kurz die Augen, dann nickte sie und schickte die Frau weg. Mich zu sich winkend kniete ich mich vor ihr hin. „Kaoru?“ Ich nickte und seufzte. „Es war Hijikatas Idee.“ brummte ich nur. Das ich hier mit einer hochgesteckten Frisur – mit falschem Haarteil – und einem einfachen Mädchenkimono war, durfte ich dem Schwarzhaarigen verdanken. Dieser hatte diese glorreiche Idee – dank Kondou – mich als Mädchen verkleidet ins Shimabara einzuschleusen. Kurz erklärte ich Kimigiku die Lage, ehe sie mich anlächelte. „So ist das also.“ „Das ist jetzt aber nicht Sen, die ich gespürt habe oder?“ „Nein, Senhime ist momentan außerhalb Kyotos. Du hast ein gutes Gespür bekommen. Es ist wahr, das hier eine weitere Oni ist.“ Also ein Weiblicher. Ich prägte mir die Aura ein. „Nur ist sie gerade schwer beschäftigt. Du wirst eine Weile warten müssen.“ „Kein Problem. Ich warte auch die ganze Nacht, wenn es sein muss.“ Sie nickte mir zu ehe sie sich noch fertig machte. Scheinbar musste sie gleich an die Arbeit. Kurz hielt sie inne. „Wenn Hijikata-san dich als Mädchen hier einschleust... wieso arbeitest du dann nicht?“ „Was?“ „Das war doch sein Plan gewesen, oder etwa nicht?“ „N-Nun ja.“ „Befehl ist Befehl.“ Sie rief einige Damen zu sich, erklärte ihnen kurz die Lage, bevor sie sich an mich wandten. „Hab Spaß!“ Sie ließ mich allein mit diesen Frauen, die sich gleich danach zu Dämonen entpuppten, ehe sie mir die Kleider vom Leibe rissen und ihre Arbeit taten. Ein kläglicher Schrei meinerseits hallte im Raum, wer wusste, wer es noch gehört hatte... Es dauerte nicht allzu lange, bis ich mich endlich im Spiegel betrachten durfte. Mein Gesicht wurde nicht extrem wie das einer Geisha geschminkt, aber ich erkannte mich kaum wieder: Die Augen waren betonter und mein bereits weiblich angehauchtes Gesicht erstrahlte nun deutlich. Mein Haar wurde mir gerichtet und ich trug einen dunkelroten Kimono mit drei Schichten, dazu passend einen schwarzen Obi mit goldenem Band und in meinem Haar steckte Schmuck, dessen Wert ich gar nicht errechnen wollte. „Wunderschön. Wenn Sie ein Mädchen wären, dann würden sich die Herren um Sie reißen.“ schwärmte einer der Damen, die nun ganz entzückt waren. Schön für sie. Mir schnürte der fest gebundene Obi eher die Luft ab. Wie konnte eine Frau darin nur laufen? Um die Hüfte zwickte es fürchterlich. Ich stand kerzengerade und konnte mich gar nicht bücken. Eine andere steckte mir einen Fächer zu. „Huh?“ „Wenn jemand Sie fragt, ob Sie einen Tanz ausführen, dann sagen Sie, dass heute ein spezieller Tag ist, an dem gut ausgebildete Meiko aus anderen Städten ihre Künste vorführen. So meiden Sie, dass Sie tanzen müssen.“ Gut zu wissen. Frauen machten sich wohl nichts daraus, eine kleine Notlüge zu präsentieren. Doch halt. Was sagte ich denn, wenn es Stammkunden gab und mich fragen, woher ich käme? Als ich fragen wollte, wurde mir bereits eine Bestellung und eine Wegbeschreibung an den Kopf geworfen. Seufzend nahm ich das Tablett an mich und ging den Weg runter. Gott sei Dank hatten sie mir normale Geta dafür gegeben. In solche traditionellen Schuhen, die Maiko eigentlich trugen, hätte ich sicherlich nicht laufen können. Langsam hatte ich das Zimmer erreicht, in der ich die Bedienung spielen sollte und räusperte meine Stimme, sodass sie weiblicher klang. „Ihre Bestellung, die Herren.“ sprach ich höflich und öffnete die Tür. Man sagte mir, ich sollte das Tablett kurz abstellen, die Tür öffnen, mich verneigen, das Tablett wieder nehmen und es den Kunden bringen. Kaum hatte ich aufgesehen, froren alle Adern unter meiner Haut zu Eis: Vor mir saßen keine geringeren als Kashitarou Itou, Saitou Hajime und... Heisuke. „Ah, da ist der Sake ja! Mensch braucht ihr lange.“ brummte Itou, der recht... nun... betrunken klang. Sein Blick war recht merkwürdig, ebenso seine Haltung. Natürlich war er vorher ebenfalls komisch drauf gewesen, aber jetzt war es... ich weiß nicht. „Ja, komm rein und schenke ein, Weib!“ Unfreundlich wie eh, dachte ich mir nur, setzte mir ein gezwungenes Lächeln auf und kniete mich neben ihn, ihm die Schale auffüllend. Meine Blicke huschten zu den anderen beiden. Saitou starrte mich an, Heisuke hatte den Kopf weg gedreht. Gerade stand ich auf, als Itou es mir gleich tat. Erschrocken zuckte ich zusammen, ehe er aus dem Zimmer stürzte. Man hörte ihn würgen. Zu viel trinken war eben nicht gut. Besonders für jemanden wie ihn. Saitou erhob sich, schaute mich kurz an – war das ein Lächeln auf seinen Lippen? – und ging zu seinem Vorgesetzten nach draußen. Heisuke und ich schwiegen. „Euer Herr ist wohl nicht gerade in Topform, wie?“ begann ich und sah anschließend zu dem Brünetten, welcher stark zusammen zuckte, mich kurz ansah, dann wieder wegsah. „Uh... n-naja... 'Herr' ist... wohl... ein wenig...“ „Was habt Ihr, Toudou-san?“ fragte ich weiter. Ich lächelte nun wirklich und hockte mich direkt vor ihm. Er zuckte erneut zusammen und blinzelte verdutzt. „W-Woher...?!“ Erkannte er mich nicht? Wieder hatte er den Kopf weg gedreht, ehe ich mich nach vorne beugte und ihn zwang mich anzusehen. Mit hochrotem Gesicht starrte er in meine Augen... und begann zu realisieren. „K-KAORU?!“ „Pscht!“ zischte ich und hielt seinen Mund zu, die Tür betrachtend. Dann stand ich auf und schloss sie. „Was...? Wieso? Warum – Häää?!“ „Jetzt bleib mal ruhig, Kleiner. So überrascht mich zu sehen?“ „Nun... du... siehst anders aus.“ „Oh.“ Gerade hatte ich wieder vergessen, das ich eigentlich nicht hier sein durfte. Leicht beschämt setzte ich mich hin und seufzte. „Entschuldige.“ „Aber... was machst du hier? Vor allem... so?“ „Ich bin...“ Auf der Suche nach einem Oni. Wollte ich das etwa sagen? Immerhin wusste er noch gar nicht, das ich einer war. Als ich es erfuhr, war er bereits bei Itou. „wegen einer Mission hier. Ich suche jemanden, der hier arbeitet.“ „M-Mission?“ „Und ihr? Ihr seid doch nicht zum Vergnügen hier, oder?“ Bedrückendes Schweigen. Wollte er es mir nicht sagen? Seufzend rieb ich mir den Nacken, ehe ich es einfach sein ließ. Ihn zu fragen würde ihn in Schwierigkeiten bringen und das wollte ich nicht. „Wie geht es dir?“ fragte ich stattdessen. Zuerst verwundert blickte er mich an, ehe er sich zu entspannen schien. „Es... geht... ja.“ „Wie... glaubwürdig.“ „Nein, wirklich. Ich meine... dich zu sehen, erleichtert mich.“ Kurz spannte ich mich an. Ob er die Shinsengumi wirklich vermisste, wie er es einmal angedeutet hatte? Ich kicherte und rückte etwas näher. „Gut, das dich meine Anwesenheit ein wenig aufmuntert.“ „Wobei ich noch immer nicht verstehe, warum du in diesem Aufzug...“ „Frag nicht. Wirklich. Das ist alles der Plan eines Dämonenkommandanten und der ist viel mehr eine Strafe als eine richtige Mission.“ „Hijikata zwingt dich, das zu tragen?“ Kurz wurde es erneut still, als der Brünette zu lachen begann. Ich nickte nur, während er sich nicht halten konnte und sich zu Boden warf. „Das ausgerechnet der darauf kommt!“ „Och, ich denke, wenn du noch da wärst, hätte er dich vielleicht auch dazu gezwungen.“ murmelte ich nur und versuchte mir Heisuke im Kimono vorzustellen. „Dann habe ich noch mal Glück gehabt-“ Er stoppte abrupt. Ich musste ihn nicht ansehen, um zu wissen, was er hatte. Er wollte zurück. Doch warum tat er es nicht? Hatte er noch immer nicht das gesehen, was er sehen wollte? Die Welt von Itou? Wie sie funktionierte und warum? Ob sie richtig war oder falsch? Seufzend legte ich eine Hand an seinen Kopf. „Ich werde den anderen berichten, das es dir gut geht. Lass den Kopf nicht hängen. Denk immer daran, bei uns bist du immer Willkommen.“ Er lächelte leicht und wollte etwas erwidern, als die Tür aufgerissen wurde. Sofort setzte ich mich wieder normal hin und auch Heisuke schreckte hoch. Itou kam taumelnd herein und setzte sich hin, Saitou folgte ihm im Stillen. „Wünschen die Herren noch etwas Sake?“ fragte ich und könnte innerlich teuflisch lächeln. Itou noch mehr leiden zu lassen machte mich um einiges zufrieden, auch wenn er mehr verdient hätte. Dieser starrte mich wütend an, ehe er den Kopf abwandte. „Tanz!“ „Wie bitte?“ „Du sollst tanzen, bist du taub?!“ „Entschuldigt, aber ich bin nicht für den Tanz eingeteilt. Am heutigen Tag sind einige Meiko aus anderen Städten hier, ich könnte eine für Euch rufen lassen.“ erklärte ich höflich. „Nein. Ich will das du tanzt, sonst wird deine Vorgesetzte etwas zu hören bekommen.“ Eigentlich war es mir ja sowas von egal, was meine 'Vorgesetzte' zu hören bekam. Ich war aus eigenen Gründen hier und nicht, um zu tanzen. „Ist es dir egal, wenn ich den Laden dicht machen lasse?“ „Den Laden dicht machen lassen? Wohl kaum, mein Herr. Das Shimabara ist recht bekannt und ich bezweifle, das die anderen Herrschaften wollen, das dieser Laden geschlossen wird.“ Es wurde still. Ich dachte nach. Wenn er mich verpetzen würde, könnte ich zwar abhauen und niemand würde wissen, das ich es war, aber gleichzeitig müsste ich meine Suche nach der Oni abbrechen. Das wäre nicht ganz so toll. Also stand ich auf. „Itou, wäre es nicht besser, wirklich jemanden rufen zu lassen?“ fragte Heisuke unsicher. Es war nett, das er mich unterstützen wollte. Der Schwarzhaarige blickte ihn an, dann abfällig auf mich. „Hm, vielleicht wäre es das. Eine billige Prostituierte würde wohl kaum die Kunst des Tanzes verstehen.“ „Wie war das?“ knurrte ich. Er stellte mich als Prostituierte hin? Er bezeichnete mich als Weib, obwohl er doch derjenige mit dem scharfen Blick war? Das bekam er noch zurück. Ich zog meinen Fächer aus dem Obi. „Schön, wenn der Herr einen Tanz sehen will, dann soll er ihn bekommen. Ich hoffe, ihr werdet wegen Eurer Beleidigung zu Grunde gehen, so einen Tanz werdet Ihr nie wieder zu Gesicht bekommen!“ Die letzten Worte zischte ich regelrecht und rief jemanden her, der Koto spielen konnte. Eine weitere junge Dame, richtig geschminkt wie eine Geisha, gesellte sich zu uns und verneigte sich höflich. „Die werte Herren möchten einen Tanz sehen. Bitte zeig alles, was du kannst, als wäre es das letzte, was sie jemals sehen werden.“ Begeistert von diesen Worten setzte sie sich in die Ecke und begann zu spielen. Hijikata würde es heimgezahlt bekommen. Itou auf jeden Fall. Ich bewegte mich langsam zu den Klängen der Koto und vergaß, das ich einen Kimono trug. Ich hatte meinen Vater öfters einen Fächertanz tanzen sehen und einmal hatte ich sogar Hijikata dies tun sehen. Heimlich natürlich. Er machte das recht gut und ich versuchte es ihm gleich zu machen. Was mir bei diesen Tänzen stets aufgefallen war, das man beinah dieselben Bewegungen machte, wie bei einer Schwertführung. Das hieß also: Mein Fächer war mein Schwert. Und ich tanzte mit ihm. Die Augen geschlossen und mich der Melodie hingebend tanzte ich und meine Bewegungen wurden flüssiger. Je schneller die Klänge wurden, desto schneller wurde ich. Gegen Ende passierte es sogar, das ich mich wie bei einem Kampf bewegte und endete mit der Pose, meinen Fächer genau auf Itou zu richten. Die Augen verengend verbeugten wir 'Mädchen' uns und die Koto Spielerin öffnete die Tür. Mit einem Male spürte ich einen Oni ganz in der Nähe und an unserem Zimmer ging vorbei: „Oi... Chizuru!“ Hinaus stürzend rannte ich ihr hinterher. Sie erschrak, als ich ihre Hand schnappte und mit mir zog. In einem freien Zimmer lud ich uns herein und schloss die Tür. „E-Entschuldigung, aber ich muss-“ „Chizuru! Ich bin es!“ „Eh?“ Sie brauchte eine Weile, ehe sie die Augen weitete. Nervös blickte sie in allen Seiten, ehe ich mich zu ihr herunter hockte und ihre Hand nahm. „Keine Sorge. Ich bin nicht wegen der Shinsengumi hier. Sondern wegen dir.“ „W-Warum?“ „Weil... ich ein Oni bin und andere aufspüren kann.“ Ich senkte meine Stimme, aber sie hatte es deutlich gehört. Mit großen Augen sah sie mich an. „E-Ein Oni?“ Ich nickte. Sie war also der Oni, den ich aufgespürt hatte. Ich musste lächeln, als sie erleichtert wirkte. Dann kam es wie ein Blitz über mich: Ich sah ein Dorf. Zwei Kinder, die miteinander spielten und Blumenkränze bastelten. Flammen. Tote. Die zwei Kinder liefen los, doch wurden sie voneinander getrennt. Das waren wir: „Schwester...“ Sofort zuckte sie zusammen. Erinnerungen, die ganz plötzlich zurück kamen? Und doch hatte ich das Gefühl, als wüsste ich es schon lange. Seit wir uns das erste Mal in Kyoto begegnet waren, hatte ich ein merkwürdiges Gefühl. Ich wusste nun, was es war. Mit einem Male zog ich sie an mich und umarmte sie. „Chizuru... Du... bist meine Schwester.“ flüsterte ich und kniff die Augen zu. Weinen wollte ich nicht. Ich war ein Mann. Doch das Zittern von Chizuru ließ den Damm brechen. Wahrscheinlich wusste sie es schon länger, hatte aber nie etwas gesagt. Lange saßen wir dort, im Stillen weinend und uns eng umschlingend. Sie war es, die sich zuerst löste. Sie sah mich lächelnd an. „Und ich hatte gedacht, wir würden uns nie wieder so nennen dürfen.“ „Warum hast du es mir nicht gleich gesagt? Dann wären wir schon viel früher zusammen gewesen.“ „Das konnte ich nicht...“ Traurig senkte sie den Blick. „Du hattest nicht den Anschein gemacht, dich zu erinnern. Deswegen durfte ich nichts sagen. Senhime sagte, ich solle warten, bis du nach mir suchst...“ „Senhime?“ Sie kannten sich? Halt, sie erwähnte doch, das jemand aus meiner Familie unter ihrem Schutz stünde - „Du bist Sens Schützling?“ Sie nickte. „Weil man mich nicht aufspüren kann, wenn es niemand aus der Familie ist, haben sie mir angeboten, bei ihnen zu bleiben. Anfangs hatte man befürchtet, Kazama würde dich kriegen und du würdest mich verraten.“ „Wieso sollte ich das tun?“ fragte ich leicht enttäuscht. Sie schaute mich an und fühlte sich wohl schuldig. Entschuldigend senkte sie den Blick. Ich schüttelte den Kopf. „Ich konnte mich bis vor Kurzem an nichts erinnern. Und selbst wenn es mir früher einfallen würde: Ich würde dich niemals verraten.“ sagte ich bestimmt. Die Brünette wirkte erleichtert. Sie strahlte. „Ich bin unendlich glücklich, das es dir gut geht. Nachdem wir getrennt wurden, wurde ich von Onkel Kodou aufgenommen, nachdem du zu den Nagumo geschickt wurdest. Sie haben dich mies behandelt. Man brachte mich zu Senhimes Familie und Onkel hatte dich zu sich geholt. Niemand wollte uns wieder vereinen, weil es sicherer wäre. Als ich von Senhime hörte, das du hier in Kyoto wärst, wollte ich dich unbedingt sehen. Ich hatte dich auch gefunden, aber dann kamen diese Männer. Dass du mich retten wolltest hätte ich nie gedacht. Ich war so überglücklich, das aus dir ein mutiger und guter Mann wurde.“ erzählte sie mir und bei den letzten Worten wischte sie sich eine Träne vom Gesicht. Also war mein Vater mein Onkel gewesen? Meine Verwirrung schien sie erkannt zu haben. „Kodou ist ein entfernter Verwandte von uns. Aber als einziger wurde er zu unserem Erziehungsberechtigten. Er zog dich wie einen Sohn auf, weil er von unseren Eltern gebeten wurde, dich zu einem Krieger aufzuziehen, damit du später mich beschützen und die Familienehre wiederherstellen kannst.“ Sie zog unter ihrem Kimono ein Kodachi hervor. Es sah aus wie mein Katana. „Unsere Erbstücke. Sie sind die Erkennungsmerkmale, das wir dem Yukimura Clan angehören.“ Ich zog auch meine Waffe hervor und wir schauten uns an. Ich lockerte mein Kimono und kniete mich vor ihr nieder. „Ich, Kaoru Yukimura, schwöre hiermit, auf mein Katana, das ich dich beschützen werde, egal was kommen mag. Ich bin der Einzige, der die Kraft hat, dich zu beschützen. Indem ich weiß, wo du dich befindest, wird niemand von mir erfahren, wo du sein wirst. Darauf kannst du dich verlassen.“ Die Waffe ziehend hielt ich sie vor mich und betrachtete sie. Chizuru wirkte beeindruckt, zog auch ihre und hielt die Klinge an meiner. „Lass uns schwören, das wir eines Tages ein gemeinsames Leben führen können. Als Geschwister, wie es hätte sein sollen. Ohne Kampf und ohne Krieg...“ Ein Klang ertönte zwischen unseren Schwertern und es war still, bis er abklang. Ich nickte, dann steckten wir die Waffen wieder ein. „Doch zuerst muss ich der Shinsengumi helfen. Ich habe ihnen versprochen, mit ihnen als Krieger hinter dem Geheimnis unseres... Onkels zu kommen.“ Sie nickte verständnisvoll. Ihre Hände umfassten mein Gesicht. „Kaoru. Ich bin wirklich froh, dich als meinen Bruder wiedersehen zu können.“ „Ja. Ich bin auch froh.“ Ich strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, dann gab ich ihr einen Kuss auf die Stirn. „Und wenn du etwas brauchst, egal was, lass es mich wissen. Bis ich meine Aufgabe erfüllt habe, werde ich nicht in der Lage sein, dich oft zu besuchen, aber ich werde stets an dich denken.“ „Dasselbe gilt für mich. Wenn alles vorbei ist, begegnen wir uns wieder.“ Es war ein Schwur unter Geschwistern. Sie ging wieder an die Arbeit und ich hatte mich derweil umgezogen. Kimigiku stand hinter mir, nachdem ich wieder meine ursprüngliche Kleidung trug, die ich in einem Beutel bei mir gehabt hatte. „Habt ihr euch ausgesprochen?“ „Ja. Vielen Dank für die Hilfe.“ Höflich verneigte ich mich vor ihr. Ich musste Hijikata danken, denn jetzt wusste ich viel mehr über meine Vergangenheit. Ich hatte eine Schwester. Und einen vermeintlichen Vater, der eigentlich mein Onkel war. Aber all das hätte ich nie herausgefunden, wenn Hijikata nicht diese glorreiche Idee gehabt hätte. „Bitte beschützt sie solange an meiner Stelle.“ „Das werden wir. Pass auf dich auf.“ Ich schlenderte durch die Gänge, als mir Heisuke entgegen kam. Leicht verwundert blickte er mich an. Ich musste wohl komisch geschaut haben. Aber konnte man es mir verübeln? Ich war glücklich im Moment. „Was ist los? Du strahlst förmlich...“ „Meinst du? Das ist sicher noch die Schminke.“ kicherte ich und sah in den wolkenlosen Himmel. Der Mond war heute schön. Ich hatte eine niedliche Schwester, stellte ich fest. „Nun... es... es stand dir.“ „Was?“ Mit erhobener Augenbraue starrte ich zum Brünetten, der meinen Blick wieder mied. Seufzend wandte ich mich an ihn. „Präge es dir gut ein, das siehst du nicht noch einmal.“ „W-Was?! W-Wieso sollte ich es mir einprägen? Ich mein, nur weil es dir stand, heißt es nicht, das ich es bedauern würde oder so...“ Ich legte sanft meine Hände an seine Wangen, sodass er zu mir schaute. Seine Wangen färbten sich leicht rosa. Ich schenkte ihm ein sanftes Lächeln und ließ von ihm ab. „Ihr seht aus, als würdet ihr bereits gehen?“ fragte ich und suchte nach Itou und Saitou. Heisuke nickte leicht. „Also müssen wir uns wohl verabschieden, was?“ Es wirkte so, als wollte er das gar nicht. Kurz schwiegen wir, ehe er zu mir sah. „Wir sehen uns wieder!“ „Das will ich doch hoffen.“ meinte ich nur grinsend. „I-Ich meine... ich... ich will euch alle wiedersehen... Aber das wird recht schwierig und deswegen...“ „Heisuke.“ „Ja?“ Ich hielt ihm den kleinen Finger hin. Er stutzte und wirkte unsicher. „Ich verspreche dir, das wir uns wiedersehen.“ sagte ich ernst. Kurz zögerte er, dann harkte er seinen kleinen Finger in meinen ein. Grinsend hauchte ich einen kleinen Kuss auf diesen, worauf Heisuke seine Hand zurückzog und mich mit hochrotem Kopf ansah. „Also, bis bald.“ Mein Lächeln schien ihn wieder zu beruhigen, sodass er mir auch endlich ein Lächeln schenkte. „Bis bald, Kaoru.“ Kapitel 26: Kapitel 3.6 - Kampf um das Geheimnis ------------------------------------------------ Es gab einen Mann namens Ryoma Sakamoto. Er war ein Rōnin vom Tosa Reich und hatte sich mit der Satsuma und der Choshu verbündet. Für eine Weile war es dem Justiz Kommissar aus Kyoto, Mimawarigumi und selbst der Shinsengumi unmöglich, ihn zu finden. Nach seinem Auftritt bei der Wiederherstellung der kaiserlichen Herrschaft wurde allen befohlen, ihn in Ruhe zu lassen. Ich hatte nur die geringste Ahnung, wer er war und was er getan hatte, aber ich hatte herausgefunden, das er auf irgendeiner Weise ein wichtiger Kerl war. Als Inoue ihn erwähnte, horchte ich auf. „Ryoma Sakamoto wurde getötet.“ „Bist du sicher, Gen? Weiß jemand, wer es getan hat?“ fragte Sanosuke und wirkte recht nachdenklich. „Sakamoto hatte viele Feinde. Es hätten die Imperialisten oder die Loyalisten sein können. Man was für ein Chaos. Wenn es ein persönlicher Akt gewesen wäre, würde ich ganz klar auf Miura aus Kishu wetten.“ brummte Shinpachi und verschränkte die Arme vor sich. Souji saß daneben und grinste breit. „Ja. Meinst du, sie verdächtigen uns? Verdammt, wenn der Kerl eh getötet werden würde, hätte ich das gerne übernommen.“ „Das ist nicht gerade... lustig. Wir waren doch diejenigen, die ihn auf jeden Fall in Ruhe lassen sollten, oder?“ Während die beiden sich unterhielten, dachte ich nach. Ich hatte Sakamoto nie getroffen – es war ein Wunder, das ich ihn überhaupt kannte – aber sein Tod schien etwas hinterlassen zu haben. Etwas schwerwiegendes. Inoue fuhr fort. „Wie ihr alle wisst, wurde eine Entscheidung weit über uns getroffen und Kondou hatte den Befehl, Ryoma Sakamoto in Ruhe zu lassen. Unglücklicherweise sieht das ganze Land dies anders. Eine Schwertscheide, welches einem Mitglied der Shinsengumi gehörte, war am Tatort aufgefunden. Es wurde eine Anfrage für eine öffentliche Untersuchung gestellt.“ „Eine Schwerthülle? Eine einzelne? Das sollte als Beweis reichen?“ fragte ich und glaubte es kaum, das sie anhand einer Schwertscheide direkt wüssten, wer es getan hätte. „Ich denke, das haben sie sich selbst ausgedacht. Das ist ganz offensichtlich eine List. Wem gehört sie denn, laut denen?“ fragte der Rotschopf. Der Ältere blickte ernst. „Nun, sie sagen, es wäre... deins, Harada.“ Von allen Leuten, die den Mord eventuell praktiziert haben könnten, verdächtigen sie Sanosuke?! „Echt, Sano? Man, ich wünschte ich wäre dabei gewesen.“ kommentierte Souji breit grinsend und nahm einen Schluck Tee. Sanosuke jedoch schüttelte den Kopf. „Vergiss es, Okita. Das ist idiotisch, meine Schwertscheide ist bei mir.“ Er präsentierte dies. Inoue lächelte schwach und nickte. „Ich verdächtige dich nicht, niemand tut es hier. Leider tut es der Rest der Nation nicht. Ich denke, sie haben Probleme, den richtigen Täter zu finden. Es gibt Gerüchte, das Kyutaro Miura aus Kishu die Shinsengumi gebeten haben soll, Ryoma zu töten.“ Miura. Nagakura hatte ihn vorhin erwähnt. Er hegte einen persönlichen Groll Sakamoto gegenüber, was ihn verdächtigen würde. „Ich bin sicher da sind einige Leute, die es zu gerne der Shinsengumi anhängen würden, aber egal, wer es getan hat und wer diese Gerüchte in die Welt setzt, wir waren es nicht.“ rief dieser und schlug mit der Faust gegen die Wand. „Es sei denn, Sanan hat beschlossen, etwas anderes zu tun, außer seine Nase in die Bücher zu stecken.“ meinte Souji und der Raum verfiel in Schweigen. „Wie... geht es Sanan in letzter Zeit? Unser Ruf wurde schon in Mitleidenschaft gerissen, aber die Gerüchte über die nächtliche Patrouille hört sich verdammt schlimm an.“ bemerkte Sanosuke. Sanan benahm sich immer schräger, aber ihn zu verdächtigen hielt ich gar nicht mal für falsch. Dass sich die Rasetsu Einheit nicht kontrollieren konnte, war schon vorher klar, egal wie viel sich Sanan Mühe gab, dies zu verhindern. Zudem war ich ihm mal auf den Gängen begegnet, sein Antlitz wirkte ausgehungert, als würde er stets nach Blut dürsten. „Wir müssen vorsichtig sein. Niemand darf etwas über die Rasetsu erfahren!“ „Über diese Sache...“ Hijikata betrat den Raum, düster blickend wie immer, nachdem Shinpachi gesprochen hatte. „Ah, Kondou. Hijikata und WHOA!“ Ich zuckte leicht zusammen, als Sanosuke so überrascht klang. Als ich aufsah, stand hinter den beiden Eingetretenen niemand anderes als... „Saitou?! Was zur Hölle tust du denn hier?!“ stellte Shinpachi die Frage, die wir uns alle stellten. „Oh, hallo Saitou-kun. Es ist lange her. Was wurde aus der Wache?“ Was redete Inoue da? Es wirkte so, als wäre es klar gewesen, das Saitou wieder hier war, nachdem er die Shinsengumi für die Wache der kaiserlichen Grabstätte verlassen hatte. Eigentlich dürften wir gar nicht mit ihm reden. „Mit dem heutigen Tag ist Saitou wieder bei uns in der Shinsengumi.“ „Was? Moment Hijikata! Wir sind ja froh, das er wieder zurück ist – nimm es nicht falsch auf, aber... Was ist nun mit der Wache? Und Itou?“ Es war Saitou, der Sanosukes Frage beantwortete. „Du missverstehst etwas, aber es ist verständlich. Ich war nie ein Gefolge von Itou.“ „Eigentlich hat sich Saitou Itou angeschlossen, um ihn auszuspionieren. Unter Toshis direktem Befehl.“ Mit diesen Worten machte alles Sinn. Wie war das? Wenn man seinen Feinen täuschen will, muss man zuerst seine Freunde täuschen. Saitou hatte es ziemlich gut hinbekommen. „Was? Komm schon, Saitou, es ist total unfair von dir, einfach zu gehen und alleine Spaß zu haben, ohne mich da mit hinein zu ziehen.“ schmollte Souji und schnitt eine Grimasse. „Man, du hast mich echt erschreckt. Nicht cool, Kondou.“ knurrte Shinpachi nur und funkelte Kondou an, welcher lachend abwinkte. „Verzeiht das ich es euch verheimlicht hatte. Es war aber streng geheim.“ Es war eine Überraschung, das Saitou wieder da war, aber ich war erleichtert. Ihm ging es gut. Doch wie ging es Heisuke? „Nun, jedenfalls ist es noch zu früh, sich zu freuen. In den letzten sechs Monaten in der Wache wurde eins klar: Itou und seine Anhänger planen etwas gegen die Shinsengumi.“ „Was planen sie?“ fragte Inoue und legte den Kopf schief. „Itou will die Rasetsu Einheit verraten, um dem Shogunat zu schaden. Es wird sogar davon geredet, das er mit der Satsuma zusammen arbeitet.“ Hijikata seufzte leicht, nachdem er gesprochen hatte. Wenn die Existenz der monströsen Rasetsu ans Licht käme... Der Ruf des Shogunats wäre zerstört und die Shinsengumi würde ebenfalls darunter leiden. Das konnte selbst ich sagen. „Da ist noch mehr: Itou hat vor, den Anführer der Shinsengumi zu töten.“ „D-Du meinst Kondou-san?!“ Ernsthaft? Dieser einfältige selbstverliebte Typ wollte Kondou töten? Ich zweifelte zwar nicht daran, was Saitou berichtete, aber fassen konnte ich es auch nicht. Kondou blickte ernst und wirkte angespannt, sagte dazu aber nichts. Kurz blickte er zu Hijikata. „Die Wache will die Shinsengumi vernichten... Ihr habt das mit Sakamoto gehört, oder?“ fragte dieser. Sanosuke nickte. „Ja. Irgendeinen Scheiß darüber, ich wäre der Mörder.“ „Nun, dies verdankst du der Wache der kaiserlichen Grabstätte. Sie haben diese Gerüchte in die Welt gesetzt, das Kyotaro Miura aus Kishu die Shinsengumi angeheuert und Harada ihn mit seinem Schwert getötet hätte.“ Hijikata erwähnte, dass Miura beteuert hätte, er hätte es nicht getan, aber es würde sicher jemand kommen, um ihn umzubringen. „Deswegen wird Saitou Miura bewachen. Es würde merkwürdig aussehen, wenn er wieder zurückkehrt, Itou ist leider nicht dumm. Er wird es bemerken.“ „Verstanden. Bis diese Sache nicht geregelt ist, lasse ich mich hier nicht mehr blicken.“ sagte Saitou und nickte dem Vizekommandanten kurz zu. Dieser pausierte und es wurde kurz still. Jeder von uns spürte, das etwas sehr wichtiges kommen würde. „Kashitarou Itou... Es ist wohl nicht genug, das du die Rasetsu Einheit verraten und somit unseren Deal zerstören willst. Du willst sogar Kondou töten, huh...?“ murmelte er mehr zu sich, als würde er einen letzten Moment mit einem ehemaligen Kameraden teilen. Dann sah er auf, die Stimmlage kalt wie stahl. Die Stimme eines Dämonen: „Wir haben keine andere Wahl, es musste so weit kommen. Itou muss sterben.“ „Hm. Ich vermute du hast wohl recht. Da kann man nichts machen.“ stimmte Kondou zu. Es war beschlossen. Die Shinsengumi würde Kashitarou Itou töten. Und mit ihm unser Geheimnis. „Zuerst werden wir Itou in Kondous zweites Haus einladen. Ich werde ebenfalls dort sein. Wenn er tot ist, können wir seine Leiche nutzen und die restliche Wache locken. Nagakura, Harada, ich beauftrage euch beide und eure Einheiten dazu.“ „Hey Hijikata! Wen soll ich töten?“ mischte Souji mit und wirkte recht aufgeregt bei der ganzen Sache. „Niemanden. Du hast Bettruhe. Du hustest immer noch, du bist krank. Saitou wird einige Tage hier bleiben, damit du jemanden zum spielen hast.“ knurrte Hijikata. Der Brünette rollte mit den Augen. „Du bist ein richtiges Arschloch, Hijikata...“ Es wirkte viel zu locker für einen geplanten Mord. Während alle durcheinander sprachen, war ich kurz abwesend, als ich eine Hand an meiner Schulter spürte: Saitou. „Es wird das Ende der Wache der kaiserlichen Grabstätte sein. Wenn wir Heisuke zurück haben wollen, muss das jetzt sein oder es ist zu spät.“ Ich schluckte. Er hatte recht, wenn wir die Wache töten sollten, das würde Heisuke mit einschließen! „Hijikata... Was tust du mit Heisuke?“ wollte ich wissen und funkelte diesen an. „Ist das nicht offensichtlich? Wir retten ihn natürlich!“ rief Shinpachi breit grinsend. Doch Hijikata blieb ernst. „Nein. Wehrt er sich, stirbt er.“ „Was? Du kannst das doch nicht verlangen?! Du willst Heisuke töten lassen?! Er gehört doch zu uns!“ brüllte ich aufgebracht, doch er reagierte nicht. Stattdessen stand er auf und verschwand durch die Tür. Ich sprang auf. „Ist es dir egal, was aus ihm wird?!“ „Natürlich nicht. Ganz tief in ihm will Toshi ihn auch retten, ich weiß das. Ich... Ich werde mit ihm darüber reden.“ Die letzten Worte waren mehr geflüstert, kurz räusperte er sich, als wäre es ihm peinlich gewesen, das er so laut geworden war. Ich realisierte, wie sehr Kondou darunter litt. Sie alle litten darunter, selbst Hijikata. „Verzeiht. Ich wollte so etwas nicht... sagen.“ „Nein, nein, du musst dich nicht entschuldigen. Es freut mich sehr, das du dich um Heisuke sorgst.“ Er atmete tief ein, dann lächelte er. Anschließend wandte er sich an die zwei Beauftragten und sprach mit gesenkter Stimme: „Ich sage dies euch nicht als Anführer, sondern als Isami Kondou selbst. Lasst Heisuke am Leben. Und wenn ihr könnt, überzeugt ihn zur Rückkehr in die Shinsengumi.“ Die beiden grinsten. „Klar.“ „Überlass es uns, Boss!“ „Gut. Ich hoffe jedem ist seine Aufgabe klar?“ Ich hob die Hand und spürte, wie mein Herz raste. Adrenalin. Ich wollte etwas tun. „Mir wurde kein Befehl erteilt. Ich will helfen.“ „Das ist nicht gerade eine schöne Aufgabe...“ „Ich bin auch ein Krieger. Ich kann ein Schwert führen und habe in den letzten Wochen nur noch trainiert. Ich bitte um Anteilnahme!“ Ich verbeugte mich so tief, das meine Stirn den Boden berührte. Es war wahr: Es war keine Patrouille, wie ich sie sonst kannte. Es war ein beauftragter Mord an einen ehemaligen Kameraden und ein Angriff auf jene, die die Shinsengumi verlassen hatten. Leute, die jeder von uns kannte, eventuell sogar besser als andere. Dennoch wollte ich helfen. Heisuke durfte nicht sterben. Und ich wollte es verhindern. „Du verstehst, das es nicht das ist, was du gewohnt bist, oder?“ fragte Shinpachi leise und kratzte sich an der Wange. Sanosuke seufzte. „Wir töten jemanden, der einst einer von uns war. Vielleicht müssen wir sogar Heisuke töten.“ „Behandelt mich nicht wie ein Kind, das bin ich schon lange nicht mehr. Ich weiß, was ihr tun müsst. Ich weiß, was es bedeutet. Die Shinsengumi steckt in Schwierigkeiten und bevor ich hier sitzen und auf eine gute Nachricht hoffen muss, will ich dazu beitragen. Vielleicht kann ich Heisuke überreden, wieder zurück zu kommen.“ Nach all den Erlebnissen, die ich durch die Shinsengumi erfahren hatte, konnte ich wirklich nicht einfach so tun, als wäre nichts gewesen. Ich hatte mir geschworen, ihnen zu helfen. Wenn all das vorbei sein würde, wollte ich nichts bereuen. Ich hob den Kopf – ich fühlte mich gestärkt, als wäre ich tatsächlich ein Krieger. „Außerdem... auch wenn es vielleicht dreist, sowas zu sagen, aber ich sehe mich als Mitglied der Shinsengumi.“ Meine Worte schienen Kondou zu erreichen. Er seufzte leicht, als wollte er dennoch nicht, das ich darin involviert wäre, aber gleichzeitig sah ich Erleichterung. „Du bist gewillt, es durchzuziehen. Gut.“ Alles an Wärme verschwand aus seinem Gesicht. Kein Ärger stand darin geschrieben, ebenso wenig die Grausamkeit. Er sah mich an, wie er seine anderen Männer anschaute, wenn er ihnen eine Aufgabe erteilte. „Was, also, willst du tun?“ Ein finsteres Grinsen schlich sich auf meine Lippen. „Ich hole Heisuke aus dieser Scheiße heraus.“ Kyoto war eine Stadt mit vielen Straßen, einige davon lagen sehr abgeschieden von den anderen: Die Aburano Koji war eine von diesen und dort standen Nagakura, Harada und ich mitsamt der Einheiten, um unsere Aufgabe zu erfüllen. „Die sollten jede Minute auftauchen.“ hörte ich Shinpachi sagen. Wir hatten Itous Leiche inmitten auf die Kreuzung gelegt, als Lockvogel für die anderen Wachen. Ich hatte den toten Körper im Blick, doch empfand ich weder Mitleid noch Trauer. Ich konnte ihn noch nie leiden, besonders weil er dachte, er wäre etwas besseres gewesen. Ein Teil von mir konnte sogar Okita verstehen, ich wäre gern derjenige gewesen, der ihm die Waffe in den Rumpf gerammt hätte. Wenn Itou weiterhin am Leben gewesen wäre, würde er eine Gefahr für die Shinsengumi darstellen. Ich verstand es zu gut. „Du musst nicht hinsehen.“ sagte Sanosuke und legte eine Hand an meinen Kopf. Genervt sah ich ihn an, doch er meinte es nur gut. Ich war jünger als sie alle, vielleicht fühlten sie sich verantwortlich. Aber ich erwähnte es bereits: meine Kindheit war schon lange vorbei. „Nett von dir, aber du musst wissen, das ich bereits Schlimmeres erlebt habe.“ Ich hatte selbst getötet und einige Male war es sogar bewusst. Einen Rückzieher zu machen wäre peinlich. Zudem hatte ich mir das Ziel gesetzt, Heisuke zurück zu holen. Egal was passieren würde. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörten wir Schritte und die Wache bemerkte die Leiche. „Was... Itou-san? Wer könnte so etwas getan haben?!“ rief einer von sechs oder sieben Leuten, die gerade die Leiche betrachteten. Einer von ihnen war... „Heisuke.“ Er hatte uns scheinbar nicht bemerkt, aber der schweigsame und niedergeschlagene Junge vor uns hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem Heisuke, den ich kannte. Sanosuke und Shinpachi hatten ihn ebenfalls entdeckt und schlossen kurz die Augen, innerlich für etwas beten wie es schien. „Gut. Los jetzt.“ sagte Shinpachi. „Ja.“ Die beiden traten hervor, zückten ihre Schwerter. Heisuke weitete die Augen. „...Shin. Sano... Du bist auch hier, Kaoru?“ fragte er, als würde er träumen. Die Anderen von der Wache kochten vor Wut. „Nagakura! Harada! Habt ihr Itou-san getötet?!“ Das Gebrüll riss Heisuke aus seinen Gedanken. Als er sich umdrehen wollte, ertönte ein Schuss. Kapitel 27: Kapitel 3.7 - Eine Falle mit Verlusten -------------------------------------------------- „Was ist hier los?“ fragte einer der Wache und sah sich um. Niemand hatte von ihnen gefeuert. Die Shinsengumi hingegen auch nicht. „Okay, welcher Idiot hat geschossen?!“ wollte Shinpachi wissen und blickte umher. „Idiot? Das ist gar nicht nett. Jedenfalls, hey, ihr Menschen! Ich will mit euch spielen!“ Zwei Schatten traten aus der Dunkelheit und die Gesichter erkannte ich sofort. „Shiranui. Amagiri.“ Es überraschte mich, das sie da waren. Aber schnell legte sich dies. Sie steckten eventuell unter einer Decke. „Was tut ihr denn hier?“ rief Sanosuke, sein Speer bereit haltend. „Was denkt ihr denn? Wir arbeiten. Haben euch beobachtet, wie ihr diese Idioten von der Wache in eine Falle gelockt habt.“ Shiranui schwang einen Arm und gab seinen Leuten ein Signal. Wir waren umzingelt. „Ich bin ein wenig überrascht, das ihr so viele Männer habt. Sieht ganz nach Satsuma aus, was?“ knurrte Nagakura und richtete sein Schwert auf den Schützen. Die Wachen reagierten bei der Erwähnung der Satsuma und wichen leicht zurück. Shiranuis rothaariger Kollege verengte die Augen. „Verzeiht den Hinterhalt, aber wir haben Befehle, die wir zu befolgen haben.“ „Befehle von der Satsuma? Gehörte dein Freund nicht zu den Choshu? Sag mir nicht, du hast die Seiten gewechselt, Shiranui?“ rief unser Rotschopf. Dieser grinste breit. „Pech für euch, die Satsuma und die Choshu sind Verbündete. Solltet ihr euch nicht Sorgen um, uh, euch machen?“ Während er sprach, kam die Gruppe Krieger hinter ihm näher. Ich wollte meine Waffe ziehen, doch Harada hielt mich auf. „Stell dich an die Hauswand und bleib hinter mir. Ich werde jeden umbringen, der zu nahe kommt.“ Er und Shinpachi stellten sich vor mich. Gut, da die Oni hier waren, hieß es doppelte Gefahr für mich. Aber wehrlos ergab ich mich nicht. Ich spürte die Anspannung der Shinsengumi, die ihre Waffen zog und schluckte. „Hey, wenn ihr von der Satsuma seid, warum greift ihr uns an?!“ brüllte eine Wache. „Huh? Ach ja... ihr wart mit diesem... Itou, oder? Nun ich hörte, wir sollten uns bei euch für Sakamoto bedanken.“ Meinte er den Auftragsmord von Ryoma Sakamoto? Dann waren die Satsuma und die Wachen Verbündete? „Gute Arbeit. Glücklich? Gut. Du darfst jetzt sterben.“ Mit diesen Worten erschoss Shiranui die Wache, der mit einem ersticktem Schrei zu Boden ging. Also doch nicht? „Ihr Bastarde! Wie könnt ihr uns hintergehen, Hunde der Satsuma!“ „Hey, tu einfach deine Arbeit. Außerdem hattet ihr doch auch eure alten Verbündete verraten oder? Wie war das, Harada von der Shinsengumi soll Sakamoto umgelegt haben?“ Er schielte zu eben jenen, der knurrte. „Ich wusste es!“ Wie Hijikata befürchtet hatte, steckte Itou hinter diesen Gerüchten. Heisuke sagte nichts. Sein Blick war auf dem Boden gerichtet. Hatte er es gewusst? „Wir brauchen euch nicht wirklich, aber wir wollen sicher gehen, das ihr die Klappen haltet. Ich denke wohl ein wenig zu laut hier, also wäre es wohl besser, euch einfach zu töten, damit ihr still seid!“ Die Wachen waren keine Idioten. Es war eindeutig, das das Bündnis mit der Satsuma nicht lange halten würde. Die Shinsengumi und die Wachen waren kurz davor, sich einander die Köpfe einzuschlagen, als Amagiris Stimme durch die Straße hallte. „Ihr seid in der Unterzahl. Ich hätte jedoch einen Vorschlag für die Shinsengumi.“ „Der wäre?“ Sanosuke schien etwas zu befürchten. „Gebt uns Kaoru Yukimura. Wenn ihr das tut, lassen wir euch laufen.“ „Was?! Amagiri, du bist nicht befugt dazu, der Shinsengumi ein Angebot zu-“ „Ich denke, du missverstehst etwas.“ sagte er zum Satsuma Krieger gewandt. „Ich befolge die Befehle des Reiches bis zuletzt, aber sie ist nicht vorrangig.“ „Aber...“ Ein weiterer Schuss. Shiranui streckte sich, den Revolver in seiner Hand. „Noch jemand? Wenn ihr den ersten Schuss überlebt, hören wir zu, was ihr zu sagen habt.“ Die anderen der Satsuma zuckten stark zusammen, als er zu lachen begann. Er tötete einfach seine eigenen Leute. Als würde er den Unterschied zwischen Feind und Verbündete nicht kennen. Wie eine Bestie, die die Satsuma nicht kontrollieren konnte. „Nun, da wir keine weiteren Unterbrechungen haben, wie lautet eure Antwort?“ Kein einziger Laut war zu hören. Die Oni, die Satsuma, die Wache und die Shinsengumi warteten auf eine Antwort. „Hast du den Mann gehört, Sano? Was tun wir nun?“ hörte ich Shinpachi reden. Er grinste breit. „Du fragst auch noch? Diese Typen sind echt armselig, selbst Heisukes schlechte Witze sind besser.“ Dieser schaute auf. Die anderen beiden grinsten schelmisch. Vielleicht bildete ich mir das nur ein, aber es wirkte so, als würden sie für Heisuke für einen Moment lang lächeln. Shiranui lachte laut. „Ich liebe es, wenn ihr Typen hart drauf seid! Denkt ihr, ihr könnt all diese Männer töten?“ Er gab ein Zeichen und die Satsuma rannten los. Die Shinsengumi und die Wache hielten sich für den Angriff bereit. Mein Blick fiel auf Heisuke, welcher die Situation realisierte, doch nur langsam sein Schwert zog. Er wich zurück. Wer war der Feind? Die Shinsengumi? Die Satsuma? Die Wache selbst? Er wirkte verloren in diesem ganzen Kampf. Allein und verunsichert. Ich holte tief Luft, mein Schwert schnellte aus der Hülle und die Klinge durchbohrte Fleisch. Ich wich gekonnt allen Angriffen aus, es wirkte fast so, als würden sich die Menschen langsamer bewegen. Oder ich bewegte mich zu schnell. Mit einer Drehung war ich aus diesem Getümmel und stand Heisuke gegenüber. Dieser zuckte stark zusammen. „Kaoru? W-Was machst du hier, du Idiot?! Du könntest getötet werden!“ brüllte er und zog mich hinter sich. Ich grinste nur. Seit langem hörte ich seine Stimme und sie klang nach ihm. Auch wenn er verärgert zu sein schien. „Hey, hast du mich gerade nicht kämpfen sehen?“ fragte ich und sah auf mein Schwert. „D-Das ist egal! Du...“ Er suchte nach Worten. Bevor er weiter meckern konnte, warf ich ein. „Du musst zurück kommen. Zur Shinsengumi! Jeder will, das du zurückkommst!“ „Ich... kann nicht...“ „Doch. Du kannst. Die Anderen... nein... Ich will, das du zurück kommst!“ Kurz zögerte er, behielt jedoch weiterhin die Anderen im Blick. „Ich kann nicht gehen. Nicht jetzt. Ich habe das alles getan, weil ich dachte, Itou würde dieses Land zum Guten verändern. Deswegen bin ich hier...“ „Glaubst du das etwa noch immer?“ „Ich weiß nicht. Aber... wenn er sagt, er hätte Sakamoto getötet und lässt es aussehen, dass Sano es gewesen war, fühlt es sich falsch an. Aber die Shinsengumi tötet Itou einfach mitten auf der Straße? Das ist genauso falsch.“ Jemand von der Satsuma brüllte ihm etwas zu. Heisuke ließ das Schwert sinken. Er lachte, aber es war nicht echt. Es war viel mehr gezwungen, lustlos. Mein Herz zerbrach, wenn ich darüber nachdachte, das meine Worte ihn leiden ließen. „Ich denke, ich lag falsch, diesen Weg zu wählen. Ich hab in letzter Zeit viel an die Shinsengumi gedacht.“ „Und wir haben an dich gedacht.“ „Es...“ Um uns herum ertönten die Klänge der aufeinander prallenden Klingen. Er drehte sich zu mir um und schenkte mir ein trauriges Lächeln. „Ich würde gerne wieder zurück, aber wenn ich zur Shinsengumi zurückkehre... weiß ich nicht mehr, wofür ich kämpfen soll.“ „Heisuke...“ „Was tust du da, Toudou?! Töte diesen Jungen! Er ist von der Shinsengumi!“ brüllte ein weiterer Mann, der in unsere Richtung lief. Die Augen verengend schwang ich mein Schwert und wehrte den Angriff ab. Ehe die Wache zu einem weiteren Zug kam, riss er die Augen auf und fiel zu Boden. Heisuke hatte ihn mit seinem Schwert die Kehle durch geschnitten. Ich sah überrascht zu ihm, er schockiert auf seine Hand. Als er sprach, glich dies eher einem Flüstern. „Entschuldige... aber ich bin eine echte Null als Wächter. Ich bin ihm gefolgt wegen... ich weiß nicht. Ich dachte, ich hätte einen Grund.“ Mehrere von der Wache näherten sich uns. Heisuke umklammerte sein Schwert und atmete tief ein. „Ich hab genug von Politik, Idealen und den ganzen Scheiß! Loyalität. Nationalismus. Nichts hat eine Bedeutung!“ Seine Stimme wurde lauter und seine zögernde Haltung wurde bestimmter. „Ich scheiß darauf, ob ich gegen hundert Männer kämpfe oder gegen tausend Dämonen!“ Kurz stutzte er und wandte sich an mich. Er grinste, wie ich es von ihm kannte. Das war der Heisuke, den ich kennen gelernt hatte. „Egal was ist. Ich bin für dich da! Jeder, der dir zu nahe kommt, kriegt es mit mir zu tun!“ Ich strahlte und nickte leicht. Von ihm beschützt zu werden machte mich glücklich. „Ich kämpfe für dich.“ Mit einem lauten Aufschrei stürzte er sich in den Kampf. Kurz sah ich ihm nach, ehe ich mitmischte. Viele von den Feinden versuchten uns aus dem Hinterhalt heraus anzugreifen, doch wir fielen nicht darauf herein. Nagakuras Schwert tanzte in dem spritzenden Blut und fallenden Leichen. „Ihr seid in der Überzahl, das bedeutet aber nichts! Wer sterben will, kommt zu mir!“ brüllte er. „Ha! Ihr hättet uns den Jungen übergeben und um euer Leben betteln sollen! Denkt ja nicht, ich lasse euch schnell sterben!“ Shiranui wollte gerade auf Shinpachi schießen, als Sanosuke sich dazwischen warf und ihn vom Schießen abhielt. „Ha. Vorsicht, Shiranui. Hier sind viele Leute. Du könntest jemanden von deinen Männern treffen!“ lachte er. Dieser schnaubte. „Verdammt! Ich kann hier nicht richtig schießen! Ihr seid nutzlos und steht mir im Weg!“ fauchte er und traf einem Satsuma Krieger in den Rücken, als dieser versehentlich vor ihm stand. Ein wenig bewunderte ich die drei schon. Sie waren ausgezeichnete Krieger, aber in dieser Nacht wirkten sie ganz anders als sonst. Wir alle standen zusammen und die Kapitäne fegten die Gegner weg, als wären es kleine Fliegen. Während ich mich gegen einige auf mich zu kommende Feinde wehrte, hörte ich Amagiris tiefe Stimme durch das Gegröhle der Kämpfenden hindurch. „Du willst dich mir alleine stellen? Dein Mut ist bewundernswert.“ „Ja, nun, leider sind wir knapp an Kriegern. Also musst du dich mit mir begnügen.“ Heisuke stand ihm gegenüber. „Du warst schon das letzte Mal nicht in der Lage, mich zu schlagen. Es wird sich auch nicht ändern, was wirst du also tun?“ Er hatte recht, Schwerter machten ihm nichts aus, er wehrte sich weiterhin mit bloßer Hand, als wären seine Fäuste aus Stahl. Heisuke schwang seine Waffe, doch traf er ihn wieder nicht. Dies nutzten die anderen aus der Satsuma und umzingelten ihn. „Heisuke!“ rief ich und lief auf ihn zu. Mit aufgerissenen Augen schaute er zu mir, ehe ich Rücken an Rücken an ihm stand. „Überlass mir die kleinen Fische!“ „B-Bist du sicher?“ „Ich bin nicht hier, um zuzusehen. Wenn ich dich wieder zurückholen will, dann kämpfe ich auch dafür!“ Er sagte nichts. Er wandte sich wieder zu Amagiri und sofort schossen wir los. Die Satsuma Krieger konnte ich von Heisuke weg locken und so stark waren sie auch nicht, sodass sie zu Boden fielen. Er sollte sich um Amagiri kümmern, ich würde den lästigen Rest für ihn beseitigen. So viel hatte er für mich getan, jetzt war ich an der Reihe. Mein Training war nicht umsonst. Und meine Oni Kräfte waren erkennbar, auch wenn sie nicht vollständig ausgeprägt waren. Das Schwert eines anderen ergreifend, drehte ich mich und schnitt durch die Kleidung der Gegner. Ich konzentrierte mich darauf, nicht getroffen zu werden, was ganz gut klappte. Doch als ich mich drehte, stand auf einmal Amagiri vor mir. „Wa-?!“ Heisuke fuhr herum und sah den Rotschopf bei mir stehen. „Du scheinst gelernt zu haben. Aber dir wird das nicht viel nützen, wenn wir dich mit uns nehmen.“ sagte er und holte aus. Es war kein Schlag – viel mehr ein Schubsen – doch der Druck war so heftig, das es mich glatt gegen die nächste Hauswand beförderte. Ich krachte durch das Holz, schrie auf und spürte, wie sich meine eigene Waffe durch mein Bein gebohrt hatte. Als ich es heraus zog, fiel ich zu Boden. Leicht benommen verlor ich in diesem Moment kurz das Wahrnehmungsvermögen. Ich hörte Heisuke meinen Namen schreien, doch realisierte ich zu langsam. Den Kopf schüttelnd blickte ich hoch. „Bleib liegen und wehr dich nicht. Dann wird niemand verletzt.“ „Lügner...“ knurrte ich und versuchte aufzustehen. Was hatte der für eine Kraft? Ein normaler Mensch würde dabei umkommen. Er wandte sich an den Brünetten und ging langsam auf ihn zu. Wenn er diese Kraft auf ihn ausübte – Mit ganzer Kraft stand ich wieder auf wackeligen Beinen und stützte mich auf meiner Waffe ab. „Kaoru! Pass auf!!“ rief Heisuke. Ich drehte meinen Kopf zur Seite und sah zwei Krieger auf mich zu rennen. Mein Bein drohte wieder schlapp zu machen, sodass ich auf die Knie ging. „Verdammt...“ Ich holte mit dem Schwert aus, doch ein Schuss ertönte und meine Waffe fiel mir aus der Hand. Shiranui grinste vor sich hin, ehe er einen Hieb von Sanosuke auswich. Gerade als ich mich wieder den Kriegern widmete, sausten ihre Schwerter auf mich zu. Keine Zeit zum Ausweichen-! Ich hörte das Geräusch, als würde etwas Scharfes ins Fleisch schneiden. Als es noch immer nicht weh tat, öffnete ich die Augen und sah die Beiden tot ineinander liegend. Ein Schwert steckte in dem Rumpf des einen, ein Wakizashi im Hals des anderen. Die Waffen kannte ich doch. Als ich mich umdrehte, erblickte ich Heisuke, der noch immer den Arm nach vorn ausgestreckt hatte, nachdem er geworfen hatte. Er grinste leicht. „Du... Idiot!“ zischte ich leicht. Anstatt um sich selbst zu kümmern, sorgte er sich immer um die Anderen. Gerade mein Leben war das seine nicht wert. „Dein Mut ist beeindruckend.“ Amagiri holte mit seiner Faust qualvoll langsam aus. „Aber idiotisch.“ Ohne seine Schwerter war Heisuke wehrlos. Und der Wurf ließ ihm keinen Raum, auszuweichen. Sein Schrei ließ alle Adern in mir erfrieren. Er klang so schmerzhaft. „HEISUKE!“ brüllte ich und stolperte nach vorn, in seine Richtung. Die anderen beiden Kapitäne reagierten auf meinen Schrei und kämpften sich zu uns. „Wie können die so stark sein? Lauft! Rückzug!“ hörte ich einen der Satsuma Krieger rufen. „Jetzt laufen sie? Zuerst mir im Weg stellen, dann aufgeben? Bah! Hilft nichts...“ Mit diesen Worten verschwanden die Oni und einige der Krieger, die überlebt hatten. Von der Wache stand niemand mehr. Die Aburano Koji Straße war rot. Meine Hand war rot beschmiert. Heisukes Worte, die er hustete, waren ebenfalls... rot. „Ha... Sieht so aus, als hätte ich versagt...“ „Sprich nicht, verdammt! … Scheiße, es sieht schlecht aus!“ flüsterte Sanosuke, der versuchte, die Blutung zu stoppen. Amagiri hatte ihm scheinbar tausende Knochen gebrochen und Organe zerquetscht. Alles war voller Blut. Ich saß nur daneben und starrte ihn an. „Verdammt, Heisuke! Du kannst hier nicht sterben!“ brüllte Shinpachi, der ihn hielt. Würde er tatsächlich sterben? Nie wieder kommen? Ich schüttelte den Kopf. „Nein! Heisuke! Stirb nicht!!“ flehte ich und ergriff seine Hand. Sein Händedruck war sehr schwach. Er zitterte, doch gleichzeitig lächelte er. „Entschuldige... Ich... Ich wollte echt noch eine Weile bei dir sein... Heh... Wurde ziemlich zugerichtet, oder? … Es tut mir Leid, Kaoru...“ Ich schüttelte den Kopf und strich ihm das Blut vom Mundwinkel. Mein Leben war doch nicht so wichtig, das er sich dafür opfern musste. Mein Hals hatte einen Knoten und hinderte mich am Sprechen. „Mir geht es gut... Mach... dir keine Sorgen... um mich...“ Wir rannten durch die Nacht, Nagakura und Harada trugen Heisukes besiegten Körper zurück zur Shinsengumi. Jede Minute fühlte sich wie eine Stunde an und mit jeder Sekunde drohte mein Herz entzwei zu brechen. Der Attentat auf Itou und die Zerstörung der Wache des kaiserlichen Grabes wurde später als Aburano Koji Vorfall bezeichnet. Die Shinsengumi und die Wache waren überrascht, als die Satsuma aufgetaucht war, die von den Oni begleitet wurde. Beide Gruppen gerieten in die Falle der Satsuma und das Schlachtfeld war das reinste Chaos gewesen. Während der Nacht musste Heisuke – der tödlich verletzt wurde – das Ochimizu trinken und somit zum Rasetsu werden. Andernfalls hätte er sterben müssen. Während ein Teil der Shinsengumi auf der Aburano Koji Straße gekämpft hatten, wurde das Hauptquartier von Chikage Kazama angegriffen. Das monströse Zeug, was mein Vater hergestellt hatte, verschlang die Shinsengumi langsam. Wie lange würde es also dauern, bis das Ochimizu die ganze Shinsengumi vernichten würde? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)