Krähenwinter von DerkhanBlue ================================================================================ Kapitel 1: The call of the white crow ------------------------------------- Hi! Die Idee zu dieser Story ist mir gekommen, als ich ein gleichnamiges Gedicht gelesen hab. Ich habe versucht dem Geschehen in der Story etwas märchenhaftes zu geben, es aber trotzdem nicht zu übertreiben... Würd gerne wissen, was ihr davon haltet und obs mir gelungen ist. Ansonsten: Viel Spaß! Part 1 The call of the white crow "Ich geh dann mal!", rief ich und schloss die Tür hinter mir. Sofort wurde ich von einem eisigen Wind erfasst und kristallklare Schneeflocken wirbelten mir ins Gesicht und nahmen mir jegliche Sicht. Ich streifte mir die Kapuze meines Mantels über den Kopf, ging die wenigen Stufen der Terrasse hinunter und bannte mit einen Weg durch das Gartentor zur Straße. Es hatte fast die ganze Nacht über geschneit und der Schnee reichte mir fast bis zu den Knien. Hoffentlich hörte der Schneefall bald auf, so dass mein Großvater den Schnee wegschaufeln konnte. Auf der Straße bot sich mir der gleiche Anblick wie jeden Winter. Schnee soweit ich sehen konnte. Er lag überall. Auf der asphaltierten Straße, auf den Dächern der Häuser, in den Gärten... Gut dass ich früher losgegangen war, denn ich hatte einen langen Schulweg und bei dem Wetter... Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den Anderen. Der Schnee peitschte mir ins Gesicht. Außer mir war niemand unterwegs. Irgendwie kein Wunder. Die sibirischen Winter waren noch nie einfach gewesen, aber dieser übertraf sogar die Erfahrung meines Großvaters. So sagte er jedenfalls. Aus eigener Erfahrung konnte ich nicht sprechen, denn ich war gerade 14 geworden und hatte natürlich auch dementsprechend viele Winter erlebt. Fast über die Hälfte meines Weges hatte ich nun hinter mich gebracht und dennoch hatte ich keinen einzigen Menschen getroffen. Schneefall und Wind in allen Ehren, aber einige mussten doch wohl oder übel zur Arbeit gehen, oder? Plötzlich schreckte mich ein schriller Schrei aus meinen Gedanken. Wie angewurzelt blieb ich stehen und sah in die Richtung, aus welcher der Schrei gekommen war. <>, dachte ich dann und lächelte über meine etwas zu angespannten Nerven. Es war nur eine Krähe gewesen! Nichts Besonderes. Krähen gabs schließlich fast überall. Auf der Spitze eines kahlen Baumes, welcher am Rande der Straße stand, thronte eine gräulich-schwarze Krähe und krähte aus vollem Halse ihr schiefes Lied. Ich lächelte über mich selbst und setzte meinen Weg fort. Fast im selben Augenblick bemerkte ich aus den Augenwinkeln eine flatternde Bewegung und die veranlasste mich, mich wieder umzudrehen. Aber was war denn das? Eine ganze Schar schwarzer Krähen flog heran und ließ sich auf dem Baum nieder. Dann stimmten sie alle zusammen an und schrien. Zuerst leise, dann immer lauter. Bis das Geschrei und Gekreische nicht mehr auszuhalten waren. Ich wollte weglaufen. Ich wollte einfach nur weg und den Lärm hinter mir lassen! Doch es ging nicht. Meine Beine gehorchten mir nicht. So blieb mir nichts Anderes als stehen zu bleiben und mir die Ohren zu zuhalten. Immer noch peitschte der Schnee unbarmherzig vom Himmel und malte mit seinem Gewirbel wundersame Muster in die Luft. Doch ich hatte nur Augen für die Krähen. Eine unsichtbare, aber deutlich spürbare Macht zwang mich, die Krähen anzusehen. Fassungslos starrte ich zu ihnen hinauf. Dann, genauso unerwartet wie sie gekommen waren, erhoben sich die Krähen in die Luft. Wie auf Kommando starteten sie und flogen... genau auf mich zu! Sie waren schnell. Ich konnte nur blinzeln und schon waren sie bei mir angelangt. Und immer noch hörten ihre Schreie nicht auf. Ich presste meine Handflächen noch enger an meine Ohren, aber das half nicht. Die Krähen fingen an, mich zu umkreisen. Schwarzen Schatten gleich wirbelten sie in einem halsbrecherischen Tanz um mich herum und vermischten sich mit den Schneeflocken. Immer schneller und lauter wurden sie. Ich fand mich inmitten eines schwarz-grau-weißen Wirbels aus Schnee, Vogelkörpern und Federn wieder. Mir wurde schwindelig und ich hatte das Gefühl, mein Trommelfell müsste jeden Moment platzen. In meinem Kopf drehte sich alles und ich drohte umzukippen. Mit halb geschlossenen Augen und betäubt vom Lärm fischte ich blindlings nach Halt. Fand ihn jedoch nicht und kippte nach vorne. Ich schrie. Ich schloss meine Augen nun gänzlich, hielt mir beide Arme vors Gesicht und machte mich darauf gefasst, im eiskalten, hohen Schnee zu landen. Aber der erwartete Aufprall kam nicht. Ich landete weich, als ob mich jemand aufgefangen hätte. Auch der Chor aus Krähenstimmen erlosch, als hätte es ihn nie gegeben. Langsam wagte ich es wieder, meine Augen zu öffnen und sah... nichts. Nichts als Schwärze. Samtschwarze und vollkommene Schwärze. Ich versuchte mich aufzurichten. Doch angesichts dessen, dass ich nicht einmal mich selber sehen konnte, erwies sich dieses Unterfangen als schwierig. Nur spüren konnte ich meinen Körper, aber nicht sehen. Wo... Wo war ich? Was war passiert? Mein Kopf schmerzte, machte das Denken schwer und die alles verschlingende Dunkelheit tat ein Übriges. Plötzlich fühlte ich, dass ich nicht mehr alleine war. Soweit das in der Finsternis möglich war, drehte ich mich um und musste die Augen zusammenkneifen, denn das helle Licht blendete. Es drang auch durch die Lider, doch nach und nach gewöhnten meine Augen sich daran und ich konnte sie wieder aufmachen. Was ich sah, ließ mich den Atem anhalten. Vor mir, etwa in Augenhöhe, schwebte eine Krähe. Aber was für eine! Sie war weiß. Vom Schnabel bis zur Schwanzspitze. Ihre Federn waren so weiß, dass man es eigentlich gar nicht mehr als weiß, sondern als kristallfarben, bezeichnen konnte. Sie schien in der Luft zu hängen. Wie erstarrt schwebte sie da und blickte mich an. Was für schöne Augen sie doch hatte! Und was für traurige... Sie waren nicht etwa schwarz oder gar weiß, nein, sie waren silberfarben. In ihnen lagen Weisheit, Sanftmut, Gerechtigkeit und noch so vieles andere... und Traurigkeit, Schmerz. Ich hatte das Gefühl, als würden diese Augen mich um Etwas anflehen. "Was... Was willst du mir sagen..?", fragte ich vorsichtig mit zitternder Stimme. Das Nirgendwo, in dem wir uns befanden, schien meine Worte begierig zu verschlingen. Doch ich war mir sicher, dass die Krähe, die eher einer Taube glich, sie gehört hatte. Lange Zeit war es still. Unerträglich still. Dann... "Hilf... uns!" Die Krähe hatte sich nicht bewegt, aber ich war mir sicher, dass dieser Hilferuf von ihr stammte. "Hilf uns!", hallte es wieder und die weiße Krähe begann sich aufzulösen. "Hilf uns!" "A... Aber wie?!", rief ich. Die Krähe verblasste weiter. "Nein! Warte!", rief ich wieder. Ich spürte wie ich mich in Bewegung setzte und wie ich meine rechte Hand nach vorne streckte. Ich lief los, als ob ich die weiße Krähe dadurch am Verschwinden hindern könnte. "So warte doch! Wer seid ihr?! Und wie soll ich euch helfen?!" Doch ich bekam keine Antwort. Die Krähe löste sich auf und es blieb nichts übrig. Da ich immer noch nichts sehen konnte, stolperte ich über etwas und fiel hin. Und diesmal wirklich in den Schnee. "Aua!" Da erscholl von irgendwoher Lachen. Ich rieb mir den Knöchel, der sich schmerzlich meldete, spuckte scheußlich schmeckenden Schnee und blickte die Quellen des Lachens wütend an. Der Schneefall hatte endlich aufgehört. "Wie witzig!", schnappte ich. Vor mir standen Sascha und Sergej, zwei meiner Klassenkameraden. "Alles in Ordnung, Wita?", fragte Sascha und reichte mir seine Hand. Selbst Tölpel wie die Beiden wussten, wie gefährlich es im Winter auf der vereisten Straße werden konnte. Ich ließ mir hochhelfen. "Danke!" "Du musst ganz schön mit den Gedanken woanders gewesen sein, wenn du über so einen Brocken stolperst.", sagte Sergej immer noch lachend. Mein Blick folgte seinem ausgestreckten Arm. "Oh!" An der Stelle erhob sich ein großer Stein und ragte sogar aus dem Schnee. "Wir sollten gehen, sonst kommen wir zu spät.", sagte ich dann, klopfte den Schnee von meinem Mantel und ging los. Schnell hatten mich die beiden Jungs eingeholt. "Hey, Wita, was ist denn heute los mit dir? Du machst ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter!", scherzte Sascha. "Das geht dich gar nichts an!", erwiderte ich. Daraufhin vertieften sich die Beiden in eine Diskussion über Autovergaser oder sowas in der Art. Mir konnte das nur recht sein, ich musste nachdenken: War das alles wirklich passiert? War die weiße Krähe eine Einbildung gewesen? Aber wenn alles wirklich passiert war, wo waren dann die ganzen kreischenden Krähen geblieben? Über all das wollte ich mir erst mal klar werden, bevor ich mit jemandem darüber sprach. Oder sollte ich vielleicht überhaupt kein Wort darüber sagen? Auch in der Schule war ich den ganzen Tag unaufmerksam und zerstreut. "Ist Semenova Wita anwesend?", die Klassenlehrerin kontrollierte die Anwesenheitsliste. Fast die Hälfte der Klasse fehlte. Entweder sie hatten sich eine ordentliche Grippe eingefangen oder ihr Schulweg war bis zum Gehtnichtmehr zugeschneit. Wäre nicht das erste Mal, dass sowas passierte. Ich schaute gedankenverloren aus dem Fenster und machte mir immer noch meine Gedanken. "Wita! Semenova Wita!", sagte Galina Gurivna, wie alle unsere Lehrerin nannten, lauter. Sascha, der genau vor mir saß, drehte sich zu mit um und zischte: "Wita! Nach dir wird verlangt!" Ich schreckte hoch."Ah! Ähm... Hier! Bin anwesend!", rief ich dann und hob meinen rechten Arm. "Schön.", meinte die Lehrerin und klappte das Klassenbuch zu. "Dann schlagt doch bitte die Seite..." Wieder wandte ich mich zum Fenster. Zum Glück wurde ich an diesem Tag nicht im Unterricht ausgefragt, denn ich hätte sowieso keine Antwort gewusst... Als gegen vier Uhr Schulschluss war hatte ich mir etwa folgende Überlegungen zurechtgelegt: Was am Morgen geschehen war hatte ich mit nur eingebildet. Ich war über diesen Stein gestolpert und hatte mir den Kopf gestoßen, so dass ich alles in meiner Ohnmacht geträumt hatte! Schnell machte ich mich auf den Nachhauseweg und war froh, Ordnung in meine Gedanken gebracht zu haben. Unterwegs überlegte ich, was heute noch zu tun war. <>, zählte ich durch. <> Der Schnee war nicht mehr so tief, so dass ich schneller voran kam, als am Morgen. Zu Hause angekommen zog ich meinen Mantel aus und ging in die Küche. Es war zum Glück noch genug Wasser da, so musste ich nichts aus dem Brunnen im Garten besorgen. Ich setzte Teewasser auf und trat ans Fenster. Meister Frost hatte einen wunderschönen Palast samt Garten auf die Fensterscheibe gezaubert. Verträumt betrachtete ich das Gemälde. Doch plötzlich zuckte etwas wie ein greller Blitz durch meinen Kopf und ich sah für einige Sekunden die weiße Krähe vor mir und hörte ihre flehende Stimme: "Hilf uns!" Die Eingangstür fiel ins Schloss und mein Großvater rief: "Wita! Bist du schon zu Hause?" Ich konnte nichts erwidern. Ich stand wie gelähmt da und starrte auf die Fensterbank. Wie aus heiterem Himmel war dort eine weiße Krähenfeder aufgetaucht... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)