Ach, du süßes Internatsleben von Leto ================================================================================ Kapitel 1 „Nein!“ Trotzig verschränkte Malik die Arme vor der Brust. „Aber Malik…“ „Nein!“ „A…“ „Nein!“ „Lass mich doch…“ „Nein!“ Isis seufzte. „Rishid, sag du mal was.“ „Ja, Rishid, sag ihr, dass das Blödsinn ist.“ Die Ishtars saßen beim Mittagessen und Rishid hatte sich aus der Diskussion zwischen Malik und Isis herausgehalten, doch jetzt verlangten beide, dass er etwas dazu sagte. Hilflos sah er von einem zum anderen. „Also, weißt du Malik, immerhin ist Isis dein Vormund und…“ Ein wütender Blick von Malik ließ ihn verstummen. „Andererseits sollte Malik selbst entscheiden ob er…“ Jetzt war es Isis’ Blick, der ihn nicht weiter sprechen ließ. „Ach, macht das doch unter euch aus.“ Mit diesen Worten stand er auf und verließ die Küche. „Rishid!“, riefen Malik und Isis wie aus einem Munde, doch Rishid war schon verschwunden. „Ich geh da jedenfalls nicht hin!“ „Doch, das wirst du!“ „Nein!“ „Oh doch. Du hast keine Wahl, denn ich hab dich schon angemeldet.“ „Spinnst du?“, keifte Malik und funkelte seine ältere Schwester zornig an. „Ich geh auf kein beschissenes Internat! Meine Freunde sind alle hier.“ „Oh ja, deine Freunde, die bringen dich nur auf falsche Gedanken. Deine Noten sind katastrophal, du kannst froh sein, dass du das letzte Schuljahr überhaupt geschafft hast. Ständig bist du unterwegs. Jedes Wochenende auf einer anderen Party. So kann das nicht weitergehen.“ Malik schnaubte. „Ich will mein Leben eben genießen.“ „Aber nicht auf Kosten deiner Zukunft.“ Isis blieb hartnäckig. Sie hatte lange darüber nachgedacht, ob sie Malik wirklich auf ein Internat schicken sollte, aber es war ihr einfach keine andere Wahl geblieben. Ihr Bruder hatte einen Dickkopf, der seinesgleichen suchte und er wuchs ihr über den Kopf. Er verlor einfach seinen Respekt vor ihr und tanzte ihr regelrecht auf der Nase herum. Sie hatte alles versucht, aber sie bekam Malik einfach nicht unter Kontrolle. Isis hatte Angst, dass ihr kleiner Bruder auf die schiefe Bahn geraten könnte. Er hatte schon einmal Schwierigkeiten mit dem Gesetz bekommen. „Und was ist mit meiner Freundin?“, beschwerte sich Malik weiter. Was dachte sich Isis dabei? Keine zehn Pferde würden ihn in ein Internat kriegen. „Du kannst sie ja an manchen Wochenenden und in den Ferien besuchen.“ Isis hätte auch nichts dagegen, wenn Malik seine sogenannte Freundin nicht mehr traf. Dieses Mädchen war alles andere als ein guter Umgang für ihn. Malik lachte höhnisch. „Ja klar. Steck dir das Internat sonst wo hin!“ Der Stuhl fiel zu Boden als Malik abrupt aufstand und aus der Küche rauschte. Isis seufzte. Sie hatte noch vier Wochen um Malik zu überzeugen. Das würde ein hartes Stück Arbeit werden. „Die spinnt doch“, fluchte Malik ins Telefon und sah seine Schwester, die gerade dabei war seine Koffer zu packen, wütend an. Die letzten drei Wochen hatten sie nur gestritten und keiner von beiden wollte nachgeben. Rishid hielt sich aus der Sache immer noch raus. „Nein, die meint das ernst. Das kann doch echt nicht wahr sein. Die packt schon wieder meine Koffer, als ob das was bringen würde!“ Isis seufzte. Es war schon das dritte Mal, dass sie Maliks Koffer packte. „Ja, wir sehen uns später. Bis dann.“ Er legte auf. „Kannst du mal damit aufhören?“ „Es wäre einfacher, wenn du mir helfen würdest, du weißt besser, was du brauchst.“ „Ich brauch gar nichts. Ich bleib hier!“ Es war nur noch eine gute Woche bis zum Schulanfang. Isis fragte sich, wie sie Malik ins Auto bekommen sollte. „Ich spring einfach während der Fahrt raus“, murrte Malik und starrte wütend aus dem Fenster. Er trug nur Shorts und ein Shirt. Rishid hatte ihn im Schlaf überrascht und ins Auto getragen. Er war noch viel zu schlaftrunken gewesen um sich zu wehren. „Ihr spielt mit unfairen Mitteln.“ „Freiwillig wärst du doch nie eingestiegen“, erwiderte Isis und war froh, das ihr kleiner Bruder im Auto saß und sie ihre Heimatstadt seit zwei Stunden hinter sich gelassen hatten. Auch die gepackten Koffer lagen gut verstaut im Kofferraum. Sollte Malik etwas vermissen, war er selbst schuld, er hatte ja nicht packen helfen wollen. „Warum muss es denn so weit weg sein? Gab’s keins in der Nähe?“ „Ich habe nur Gutes über dieses Internat gehört. Du wirst dich dort bestimmt wohl fühlen.“ Isis warf ihrem Bruder ein Lächeln zu, doch der tötete immer noch die vorbeiziehende Landschaft mit seinem Blicken. „Es wird dir gefallen. Eine sehr familiäre Umgebung und es gibt jede Menge Sportmöglichkeiten. Außerdem wirst du nicht von irgendwelchen Mädchen abgelenkt.“ Malik wandte seine Aufmerksamkeit seiner Schwester zu. „WAS? Sag das noch mal!“ „Nun ja“, sie lächelte verlegen, „es ist ein reines Jungeninternat.“ Isis hatte ihm dieses kleine Detail verschwiegen. Es hätte ihn sowieso nur noch mehr aufgeregt. „WAS?“, brüllte der Jugendliche erneut. „Dreh sofort um!“, befahl er Rishid, der am Steuer saß, dieser ignorierte ihn kurzerhand. Konnte dieser Tag eigentlich noch schlimmer werden? Ein Jungeninternat. Ein JUNGENinternat! Isis hatte jetzt komplett den Verstand verloren. Er würde dort keine fünf Minuten bleiben. Die letzten zwei Stunden hatte er sich mit dem Gedanken getröstet, dass er wenigstens mit ein paar süßen Mädchen zusammen in einem Gebäude leben würde und jetzt das? Das würde er nicht überleben. „Jetzt schau doch nicht so, was sollen denn die Leute von dir denken?“ Malik warf ihr einen tödlichen Blick zu und Isis seufzte. Noch eine halbe Stunde, dann würden sie das Internat erreichen. Hoffentlich benahm sich Malik beim Gespräch mit dem Direktor. Isis hatte ein paar Mal mit dem Direktor telefoniert und ihm die Probleme mit Malik geschildert. Er war ein sehr freundlicher Mann und hatte sie wieder aufgebaut. Nach fast drei Stunden Fahrt parkte Rishid auf dem Parkplatz des Internats. „Zieh dir was an. Ich hab dir ein paar Sachen zurechtgelegt. Sie liegen ganz oben auf den Koffern.“ Isis schnallte sich ab und öffnete die Autotür. Malik rührte sich kein Stück. Er hatte wieder die Arme vor der Brust verschränkt und starrte einfach nur geradeaus. „Malik bitte, jetzt benimm dich nicht wie ein Kleinkind.“ Sie machte den Kofferraum auf und holte einige Kleidungsstücke heraus um sie Malik anschließend auf den Schoss zu legen. „Bitte, gib der Schule wenigstens eine Chance. Du findest sicher ganz schnell Anschluss und wirst viel Spaß haben.“ Malik seufzte und löste seinen Gurt. Na gut, dann würde er sich das Ganze eben mal ansehen. Er hatte ja sowieso keine andere Wahl und er hatte auch keine Lust von Rishid ins Gebäude getragen zu werden. Als er sich komplett angezogen hatte stieg der junge Mann aus und musterte das Internatsgebäude skeptisch. Es war alt und machte eher den Eindruck eines Gefängnisses. „Können wir wieder nach Hause fahren? Ich fühl mich hier nicht wohl.“ Isis nahm seinen Arm. „Komm, wir schauen uns das jetzt mal an.“ Grummelnd riss sich Malik los und vergrub seine Hände in den Hosentaschen. Rishid öffnete die große Tür. „Klopft man nicht normalerweise an?“ „Das geht schon in Ordnung“, antwortete Isis und gemeinsam betraten sie die Eingangshalle. Malik war beeindruckt. Der Eingangsbereich war riesig und doch irgendwie gemütlich. Er wirkte sehr einladend. Malik sah sich um. Von außen hatte das Gebäude eher trist und grau ausgesehen, doch von innen machte es schon was her. Er musste zugeben, dass es ihm gefiel. „Malik, kommst du?“ Isis und Rishid waren schon weitergegangen während Malik noch die Halle bewundert hatte. Mit schnellen Schritten holte er wieder auf und Isis klopfte an eine Eichentür. Von drinnen war ein „Herein“ zu hören. Isis drückte die Klinke hinunter und öffnete die Tür. Die drei Ishtars betraten das Büro des Direktors, das nicht minder beeindruckend war als die Eingangshalle. Es war bei weitem nicht so groß, aber trotzdem fühlte sich Malik ganz klein als er sich umsah. An den Wänden standen Regale voller Bücher. Neben der Tür thronte ein majestätischer Falke auf einem Podest und Malik dachte er würde im nächsten Augenblick los fliegen, bis er bemerkte, dass er nur aus Porzellan war. „Ah, Frau Ishtar, schön Sie wiederzusehen.“ Ein kleiner Mann kam um den Schreibtisch herum. Sein Haar und auch sein Oberlippenbart waren schon mit grau durchzogen. „Es freut mich auch, Herr Minamoto.“ Isis gab dem Mann die Hand. Als nächstes begrüßte er Rishid. Malik hob die Augenbrauen. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass seine Geschwister mal weggewesen wären um hierher zu kommen. „Und das muss Malik sein. Es freut mich dich endlich kennen zu lernen.“ Er wandte sich Malik zu und schüttelte auch seine Hand. „Setzten Sie sich doch. Leider habe ich nur zwei Stühle, aber ich kann noch einen holen.“ „Nicht nötig.“ Malik winkte ab. „Saß jetzt eh lange genug im Auto rum.“ Herr Minamoto lächelte ihn kurz an und nahm dann wieder hinter seinem Schreibtisch Platz. Isis und Rishid setzten sich auf die Stühle vor dem Tisch während Malik sich neben seine Schwester stellte. „Es freut mich sehr, dass ich Malik wohl in Zukunft zu meinen Schülern zählen kann.“ Er sah ihn an. „Es mag schwer sein sich von seinen Freunden zu trennen, aber keine Sorge, du wirst keine Probleme haben hier Anschluss zu finden.“ Malik war skeptisch. Er hatte überhaupt keine Lust hier mit jemandem Freundschaft zu schließen. Er wollte nach Hause, auch wenn der Direktor ein netter Mann zu sein schien. „Wir haben ja schon so gut wie alles geklärt. Es fehlen nur noch ein paar Unterschriften, auch von Malik.“ „Und wenn ich nicht unterschreibe?“, warf Malik ein. Isis wollte etwas sagen, doch Herr Minamoto war schneller. „Deine Schwester hat mir schon erzählt, dass du unserer Schule eher abgeneigt bist, aber ich bitte dich, schau sie dir doch erst einmal in Ruhe an und lerne deine Mitschüler kennen. Du wirst sehen, es wird dir gefallen. Wenn nicht“, er hob die Hände, „steht es dir frei zu gehen.“ Malik griff nach dem Stift und setzte seine Unterschrift neben die seiner Schwester. „Na gut, ich schau mit den Spaß hier mal an“, murmelte er. „Gut.“ Der Direktor nahm die Papiere und den Stift wieder entgegen. „Brauchen Sie Hilfe beim Koffer hoch tragen?“ „Nein, das geht schon“, antwortete Rishid. „Nun gut.“ Er wandte sich Malik zu. „Dein Zimmer ist im dritten Stock, Raum 66. Du musst einfach nur der linken Treppe nach oben folgen und dann weiter die Treppen nach oben bis du im dritten Stock bist. Dort wendest du dich nach rechts und am Ende des Flurs ist dein Zimmer. Denkst du, dass du da alleine hinfindest?“ Er lächelte Malik an. „Wird schon gehen“, meinte Malik nur und verließ dann das Büro zusammen mit Isis und Rishid. „Ist doch toll hier nicht? Herr Minamoto ist wirklich ein sehr netter Mann“, sagte Isis als sie auf dem Weg zurück zum Auto waren. „Wenn du’s so toll findest, dann bleib du doch hier.“ Im Grunde war er immer noch nicht begeistert davon sein nächstes Schuljahr hier zu verbringen. Wenigstens war es nur ein Jahr. „Sehr witzig, Malik.“ Rishid öffnete den Kofferraum und nahm zwei Koffer heraus. Malik nahm die Reisetasche, die noch im Kofferraum war. „Denkst du, du reichst damit?“, fragte Isis und betrachtete nachdenklich die Koffer und Tasche. „Du wolltest mir ja nicht packen helfen.“ „Wird schon reichen.“ „Jetzt sei doch mal etwas optimistischer. Vielleicht ist dein Zimmergenosse auch schon da.“ „Oh klasse“, grummelte Malik. An das hatte er ja gar nicht gedacht. Hoffentlich war der Typ, mit dem er sich das Zimmer teile, gut drauf und kein Freak oder ähnliches. Sie hievten das Gepäck bis in den dritten Stock. Raum 66 befand sich fast am Ende des Flurs. Außer Atem sank Malik auf eins der Betten. Rishid stellte die Koffer daneben ab. Toll, jeden Tag in den dritten Stock, da brauchte er keinen Sportunterricht mehr. „Ist doch ein schönes Zimmer“, meinte Isis und strahlte ihren Bruder regelrecht an. „Und was für eine großartige Aussicht. Es gibt sogar einen See in der Nähe.“ Sie ging zum Fenster und öffnete es. „Ja, wenn du meinst“, murmelte Malik und schloss die Augen. „Brauchst du noch irgendwas?“ „Ja, ne Fahrt nach Hause.“ „Du Sturkopf.“ Isis wandte sich vom Fenster ab. „Willst du dich nicht wenigstens von uns verabschieden?“ „Tschüss, auf Wiedersehen“, antwortete Malik ohne sie anzusehen. „Malik, später bereust du’s nur dich nicht anständig verabschiedet zu haben.“ Malik seufzte und stand auf. Er umarmte erst seine Schwester, dann Rishid. „So, und jetzt verzieht euch, sonst steig ich wieder mit ins Auto ein.“ Isis nahm ihn noch einmal in die Arme, doch ihr Bruder drückte sie weg. „Jetzt wird’s peinlich.“ „Ruf uns an, wenn was ist, okay?“ „Jaja.“ Er klopfte seine Taschen ab. „In welcher Tasche ist mein Handy?“ „Das ist zu Hause. Handys sind hier nicht erlaubt.“ Malik stöhnte gequält auf. Womit hatte er das nur verdient? Isis wurde gar nicht mehr fertig damit sich zu verabschieden. Erst als Rishid sie sanft am Arm nahm und zur Tür dirigierte konnte sie sich von ihrem kleinen Bruder lösen. Als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel ließ sich Malik wieder auf’s Bett fallen. Er rieb sich die Augen und starrte dann an die Decke. Wenigstens waren die Betten bequem. Er setzte sich wieder auf und sah sich zum ersten Mal richtig um. Die Wände waren sandfarben gestrichen und neben den zwei Betten gab es noch genauso viele Schränke und Schreibtische. Irgendwie war es ja schon gemütlich. Es gab noch eine weitere Tür im Raum. Neugierig öffnete Malik sie und stellte erleichtert fest, dass es ein Badezimmer war. Er hatte schon befürchtet, es gäbe hier eine Art Gemeinschaftswaschraum. Malik wandte sich den Schränken zu. In einem davon lagen Klamotten. Sein Zimmergenosse war also schon da. Er war neugierig auf ihn. Malik holte seine Koffer und begann einzuräumen. Er bemerkte nicht, wie sich die Tür öffnete. „Hey, geiler Arsch.“ Vor Schreck hätte sich Malik fast den Kopf gestoßen. Im Türrahmen stand ein Junge in seinem Alter. Seine langen Haare waren schneeweiß und die braunen Augen musterten ihn interessiert. Das Grinsen in seinem Gesicht ging Malik jetzt schon auf den Geist. „Dein Gesicht ist auch ganz hübsch.“ „Was?“ Sein Gegenüber verdrehte die Augen. „Bist du schwerhörig? Ich hab gesagt, du hast nen geilen Arsch.“ Okay, der Tag war soeben noch schlimmer geworden als er ohnehin schon war. „Oh klasse, ne Schwuchtel.“ „Was hast du gesagt?“ „Wer ist jetzt der Schwerhörige von uns beiden? Warum muss ich mir das Zimmer mit ner Schwuchtel teilen?“ „Die Schwuchtel poliert dir gleich die Fresse.“ Der weißhaarige Junge ballte seine Hände zu Fäusten. „Komm doch, ich zeig dir schon wer wem die Fresse poliert“, knurrte Malik und ballte seine Hände ebenfalls zu Fäusten. Der fremde Junge entspannte sich. „Du bist cool“, sagte er schließlich grinsend. Verwirrt blinzelte Malik einige Male, dann ließ er die Fäuste sinken. „Du erinnerst mich an meinen besten Kumpel.“ Er kam näher und streckte Malik die Hand hin. Malik ergriff sie. „Ich bin Bakura und wie’s aussieht teilen wir uns ab jetzt wohl das Zimmer. Ich hoffe, du hast kein Problem damit, dass du das nächste Jahr neben ner Schwuchtel schlafen musst.“ „Aber tatsch mich bloß nicht an!“ Bakura winkte ab. „Bist eh nicht mein Typ, aber nen geilen Arsch haste trotzdem. Darf ich jetzt auch deinen Namen erfahren?“ „Malik.“ „Okay Malik, freut mich.“ Er legte ihm den Arm um die Schulter. Malik wusste nicht ob ihm das gefallen sollte. Dieser Bakura war ihm nicht ganz koscher. „Hör zu, ich mag vielleicht ne Schwuchtel sein, aber mein Kumpel und ich, wir sind echt tolle Typen. Wir werden ne Menge Spaß haben.“ Irgendwie beschlich Malik gerade ein ungutes Gefühl, dass sich ihre Definitionen von Spaß unterschieden. Bakura ließ ihn los und schloss das Fenster, welches Isis zuvor geöffnet hatte. „Aber eins sollten wir klarstellen: niemand fasst meine Sache an, klar?“ „Pass du lieber auf, dass du MICH nicht anfasst, klar?“ „Werd mal locker. So ein bisschen Liebe unter Männern hat noch keinem geschadet.“ „Ich warne dich!“ Bakura lachte. „Keine Sorge, ich bin es nicht von dem du was zu befürchten hast.“ Kapitel 2 Schwungvoll wurde die Zimmertür geöffnet und Malik sah überrascht auf. Bakura brauchte sich gar nicht umdrehen, um zu wissen, wer gerade hereingekommen war. „Vor ihm solltest du dich in Acht nehmen“, murmelte er Malik zu und schenkte seine Aufmerksamkeit anschließend dem Neuankömmling. „Mariku! Ich hab mich schon gefragt wann du endlich auftauchst. Du hast dich die ganze Zeit nicht gemeldet.“ Doch er bekam keine Antwort von Mariku; er hatte nicht mal dessen Aufmerksamkeit. Er starrte unverhohlen Malik an und dieser hob eine Augenbraue. Malik musterte ihn abschätzig. Sein sandfarbenes Haar stand wild vom Kopf ab, als wäre er in einen Sturm geraten, die lavendelfarbenen Augen, welche ihn ebenfalls musterten, wirkten interessiert. Soweit Malik es aus der kurzen Distanz abschätzen konnte, war er ungefähr so groß wie er selbst, nur besser trainiert. „Mariku!“, sagte Bakura eindringlich und boxte ihm gegen die Schulter. Erst das riss den Jungen aus seiner Starre. „Oh Bakura, hallo!“ Er grinste ihn an und wandte seinen Blick anschließend wieder auf Malik. „Wer ist der Kleine?“ „Was heißt hier Kleiner?“, fauchte Malik. Er überbrückte die kurze Distanz zwischen ihnen und baute sich vor Mariku auf. Mit seinem 1,80 hatte er bisher immer alle überragt und keiner hatte es gewagt ihn Kleiner zu nennen. „Reg dich ab.“ Mariku wedelte unwirsch mit der Hand durch die Luft. „Ich kann dich aber auch Sweetheart nennen, wenn dir das lieber ist.“ „Wie wär’s wenn du mich gar nicht ansprichst?!“ Mariku hob seine Augenbrauen. „Du hast ein ganz schönes Temperament, das gefällt mir, Sweetheart.“ „Nenn mich nicht so“, knurrte Malik ihn an und ballte wieder seine Hände zu Fäusten. Er hatte keine Angst vor Mariku und würde auch nicht davor zurückschrecken sich mit ihm zu prügeln. Vielleicht würde man ihn auch gleich wieder von der Schule werfen, dann wäre er diese Schwuchteln auch los. „Wenn du mir deinen Namen verraten würdest, dann könnt ich den benutzen.“ Mariku zuckte grinsend mit den Schultern. „Er heißt Malik“, antwortete Bakura stattdessen. Sein Tonfall klang genervt. Es gefiel ihm nicht von seinem besten Freund ignoriert zu werden, besonders da sie sich den ganzen Sommer über nicht gesehen hatten und jeder Versuch Mariku zu erreichen gescheitert war. Mariku war der Tonfall nicht entgangen und auch Bakuras Gesicht sprach Bände. „Eifersüchtig, Baby?“ Er nahm Bakura am Kinn, doch dieser packte seinen Arm am Handgelenk und drückte ihn von sich. „Da kennst du mich aber schlecht.“ „Also ja.“ Trotzdem schenkte Mariku seine Aufmerksamkeit wieder Malik, der inzwischen wieder seine Sachen einräumte. Mariku lehnte sich neben ihm gegen die Schranktür. „Gut, Malik, damit wären wir ja immerhin schon einen Schritt weiter. Ich bin Mariku, wie du sicherlich mitbekommen hast.“ „Interessiert mich nicht“, erwiderte Malik kühl. Zum wiederholten Male fragte er sich, womit er das alles verdient hatte. Er hoffte, dass es an dieser Schule auch noch normale Menschen gab. Was hatte sich Isis nur bei der Sache gedacht? Er würde ihr das nie verzeihen. „Komm schon, verrat mir ein bisschen was über dich. Irgendwelche Hobbies? Lieblingsessen? Sexuelle Vorlieben?“ Malik hatte ihn so plötzlich am Kragen gepackt, das Mariku gar nicht reagieren konnte. „Jetzt hör mir mal genau zu“, schärfte er ihm ein, „ich bin nicht so ne Drecksschwuchtel wie ihr und wenn du mir noch einmal zu Nahe kommst, dann schlag ich dir so die Fresse ein, dass dich niemand mehr erkennen wird. Haben wir uns verstanden?“ Überraschung lag in Marikus Blick und im ersten Moment wusste er keine Erwiderung, doch dann grinste er wieder. Ein Grinsen, das Malik jetzt schon in den Wahnsinn trieb. „Das macht mich echt scharf.“ Malik stieß den Jungen von sich, sodass er gegen die Schranktür knallte. Mariku rieb sich den Hinterkopf. „Lass mich in Ruhe“, spie Malik ihm regelrecht entgegen und verließ anschließend mit festen Schritten das Zimmer. Die Tür knallte er hinter sich zu. „Was läuft denn bei dem verkehrt?“, murrte Mariku. Seine Hand lag immer noch auf seinem Hinterkopf. „Das du aber auch immer übertreiben musst.“ Mariku sah seinen besten Freund an und seufzte. „Er sieht ihm so ähnlich.“ Ein trauriges Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Fang nicht damit an, Mariku.“ Bakura legte die Arme um ihn. „Lass ihn in Ruhe, okay?“ Er streckte sich und knabberte an Marikus Ohr. Mariku antwortete ihm nicht; er sah zur Tür durch die Malik verschwunden war. Er spürte einen Stich als die Erinnerung wieder wach wurde. „Mariku komm schon“, schnurrte Bakura. „Schenk mir ein bisschen Aufmerksamkeit. Du hast dich den ganzen Sommer nicht gemeldet.“ Nur langsam kehrte Mariku aus seinen Erinnerungen zurück. Er sah Bakura an und lächelte. „Sorry, aber Otogi und ich sind quer durch’s Land gereist. Kein Cent in der Tasche, aber ein Motorrad.“ Er löste sich aus Bakuras Umarmung und ging im Zimmer auf und ab. „Ich besorg mir auch ein Motorrad. Ich und ein Motorrad, stell dir das mal vor.“ Freudig sah er Bakura an. „Wär das nicht total geil?“ „Nur wenn du mich mitnimmst.“ Mariku grinste und öffnete seinen Gürtel. „Das kommt ganz drauf an, wie brav du bist.“ Malik wollte sich die Augen mit Bleiche ausspülen. Er gab Dinge, die wollte er nie im Leben zu sehen bekommen und zwei Männer beim Sex zu erwischen, gehörte für Malik ganz eindeutig dazu. Bakura und er schwiegen sich an. Zumindest Bakura schien die ganze Sache peinlich zu sein. Mariku hatte sich nicht von Maliks plötzlichem Auftauchen beirren lassen. Er bekam das Bild einfach nicht mehr aus seinem Kopf und hatte auch Bakura seitdem nicht mehr in die Augen sehen können. „Gute Nacht“, murmelte Malik und zog sich die Decke über den Kopf. Es war halb acht als Maliks Wecker ansprang und die beiden jungen Männer aus dem Schlaf riss. Gähnend richtete Malik sich auf und stoppte das nervige Piepsen. Grummelnd drehte sich Bakura zu ihm und sah ihn verschlafen an. „Bist du wahnsinnig? Es ist“, er warf einen kurzen Blick auf die Uhr, „oh fuck, halb acht. Du hast sie doch nicht mehr alle!“ „Ich will in Ruhe frühstücken“, erklärte Malik und schwang sich aus dem Bett. Bakura murrte etwas Unverständliches und vergrub sich wieder unter der Decke. Malik trottete zum Schrank, um sich seine Schuluniform zu holen, und verschwand anschließend im Bad. Er begutachtete sich im Spiegel, nachdem er sich angezogen hatte. Die marineblaue, fast schwarze Uniform sah gut an ihm aus. Er richtete sich den Kragen und war froh, dass er keine Krawatte tragen musste, sowie in seiner alten Schule. Er hatte die Dinger noch nie leiden können. Bakura lag immer noch im Bett als Malik das Zimmer verließ. Er ging die große Treppe nach unten in die Eingangshalle und brauchte einen Moment um sich zu orientieren. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wo sich der Speisesaal befand. Unsicher ging er nach links und hatte Glück: er fand den Speisesaal auf Anhieb. Zwei lange Tische standen nebenbeinander und gleich neben der Tür, an der linken Wand, gab es ein Buffet. Als er das Essen sah, überkam ihn der Hunger und er füllte sein Tablett mit allerlei Sachen. Malik sah sich um. Es gab noch viel Platz an den Tischen, doch er wusste nicht, wo er sich hinsetzen sollte. Noch nicht mal seine anderen Klassenkameraden kannte er, damit er sich zu diesen setzen könnte. Schließlich ließ er sich in der Nähe einer Schülergruppe nieder, die ihm interessierte Blicke zuwarfen, aber sonst nichts weiter sagten. Malik schnitt sein Brötchen auf und bestrich es großzügig mit Marmelade. Während er aß, beobachtete er die anderen Schüler. Die meisten saßen in kleinen Grüppchen zusammen und unterhielten sich, tauschten ihre Ferienerlebnisse miteinander aus. Sein Blick fiel auf einen weißhaarigen Jungen, von dem er zuerst dachte, es wäre Bakura, doch bei genauerem Hinsehen, erkannte er, dass es nicht sein Zimmergenosse war. Ein Buch lag aufgeschlagen vor ihm auf dem Tisch und er las darin, während er Cornflakes langsam zu seinem Mund beförderte. Plötzlich, als hätte er Maliks Blick bemerkt, hob er seinen Kopf und sah Malik direkt an. Verwundert hob er die Augenbrauen und Malik senkte verlegen, weil er ihn die ganze Zeit angestarrt hatte, den Blick. Bakura ließ seinen Blick durch den Saal gleiten und blieb schließlich bei dem Jungen, den Malik mit ihm verwechselt hatte, hängen. Er stieß Mariku an, der nach ihm in den Raum gekommen war, und nickte zu dem Jungen hinüber. Sie grinsten sich an und ließen sich je links und rechts von ihm auf der Sitzbank nieder. „Hey Ryou, so allein?“, sprach Bakura ihn an, doch Ryou sah nicht einmal auf. „Was denn? Redest du nicht mehr mit mir?“ Mariku griff in der Zwischenzeit nach dem Brötchen, das Ryou noch auf seinem Teller liegen hatte. Genervt sah Ryou auf. „Was willst du?“ „Darf ich dir jetzt noch nicht mal mehr einen guten Morgen wünschen?“ „Hast du noch nicht getan“, erwiderte Ryou schnippisch und warf Mariku einen ärgerlichen Blick zu, als er sich auch noch über seinen Joghurt hermachte. „Was liest du da eigentlich?“, wollte Bakura wissen und zog das Buch unter Ryous Fingern hervor. Ryou griff danach, doch Bakura streckte seinen Arm von sich, sodass Ryou nicht rankam. „Was ist das für ne Sprache?“ Er blätterte durch die Seiten, doch er konnte nichts von dem lesen, was dort geschrieben stand. „Englisch“, erklärte Ryou. Er lehnte sich über Bakura hinweg und versuchte wieder an sein Buch zu kommen, doch Bakura ließ sich zurücksinken. Ryou seufzte. Er kniete sich hin und stützte sich mit einer Hand auf Bakuras Brust ab, sodass dieser gezwungen war, sich auf die Bank zu legen. „Oh Ryou, doch nicht vor den anderen“, säuselte Bakura grinsend. Verwirrt sah Ryou auf ihn hinunter und wurde sich erst jetzt der Stellung bewusst, in der sie sich befanden: sein Knie befand sich zwischen Bakuras Beinen und spreizte sie somit, seine Hand drückte ihn auf die Sitzbank. Röte kroch ihm ins Gesicht und sein Herz begann etwas schneller zu schlagen, doch er presste die Lippen aufeinander und fixierte seinen Blick auf sein Buch. Er bekam es zu fassen und zog es aus Bakuras Griff. Bakura setzte sich auf, nachdem Ryou sich wieder normal hingesetzt hatte. Das Buch ruhte auf Ryous Schoß. „Du hast ein ganz schönes Gewicht, weißt du das?“ Er rieb sich die Brust. „Selber schuld!“ Ryou sah auf seine Teller, die in der Zwischenzeit von Mariku leer geräumt worden waren und seufzte genervt. Womit hatte er das nur verdient? Malik hatte die Szene mit Interesse verfolgt und dabei Marikus Blick geflissentlich ignoriert. Scheinbar war er nicht der einzige, der mit den Beiden Probleme hatte. Er stand auf, um sein Tablett wegzuräumen und wusste genau das Marikus Blick ihm folgte. Solange er ihn nur anstarrte war das okay, auch wenn es ihn trotzdem ärgerte, er wollte nur nicht von ihm angesprochen werden, sonst würde er ihm wirklich eine reinhauen. Kurz darauf betrat Malik das Klassenzimmer und sah sich um. Die meisten Plätze waren schon besetzt. Er seufzte und ließ sich auf der Fensterseite in der zweiten Reihe nieder. Als er nach draußen sah, konnte er jedoch nicht viel sehen, denn ein großer Ahornbaum wuchs vor dem Fenster und versperrte die Sicht. Direkt vor ihm saß Ryou, der wieder in sein Buch vertieft war. Malik fragte sich, ob er ihn ansprechen sollte. Bisher kannte er ja noch niemanden und wenn er wirklich Probleme mit Bakura und Mariku hatte, konnten sie vielleicht ganz gute Freunde werden. Gerade, als er sich nach vorne beugen wollte, betrat der Lehrer das Klassenzimmer und Malik ließ sich wieder auf seinen Stuhl sinken. Der Blick des Lehrers glitt durch die Klasse und blieb schließlich bei Malik hängen. Er lächelte ihn an. „Malik Ishtar, nicht wahr?“ Malik nickte. „Ich bin Herr Kimura, es freut mich, dich bei uns begrüßen zu dürfen. Komm doch bitte nach vorne und stell dich kurz vor.“ Maliks Begeisterung hielt sich in Grenzen, als er sich erhob. Aller Augen waren auf ihn gerichtet. „Ich bin Malik, ich komm aus Domino und bin nur hier, weil meine Schwester denkt, ich bau zu viel Scheiße... oh sorry“, sagte er schnell mit einem Seitenblick auf Herrn Kimura. Bevor dieser jedoch etwas sagen konnte, wurde die Tür geöffnet und Mariku und Bakura betraten das Klassenzimmer. Herr Kimura sah auf seine Armbanduhr. „Nur fünf Minuten zu spät. Wie das?“ „Ach wissen Sie“, erklärte Bakura während sie nach hinten gingen, „wir dachten uns, am ersten Tag könnten wir ausnahmsweise mal pünktlicher kommen als sonst.“ Er ließ seine Tasche neben dem Tisch fallen und setzte sich. Herr Kimura wandte seine Aufmerksamkeit wieder Malik zu. „Hast du deine Bücher schon bekommen?“ Malik schüttelte den Kopf. „Okay, dann soll dich Ryou nach dem Unterricht in die Bibliothek begleiten. Er kann dir sagen, welche Bücher du brauchst.“ Damit war Malik entlassen und durfte sich, zu seiner Erleichterung, wieder hinsetzen. „Ryou, unser kleiner Streber“, flüsterte Bakura so laut, dass alle ihn hören konnten. Ryou drehte sich um und zeigte ihm den Mittelfinger. „Meine Herren, bitte reißt euch zusammen“, ermahnte sie ihr Lehrer. Der Unterricht zog sich in die Länge und Malik bekam das Gefühl, dass sich die Uhrzeiger gar nicht bewegen würden. Er machte sich hin und wieder Notizen, schrieb ab, was auf der Tafel stand, doch die Worte erreichten ihn nicht. Er dachte an seine Freunde in Domino, die jetzt all den Spaß ohne ihn hatten. Sie hatten sich noch nicht einmal richtig voneinander verabschieden können. Als endlich die erlösende Glocke zu hören war, streckte sich Malik gähnend. Er sah zu Ryou, der ihm den Rücken zugewandt hatte und seine Bücher in seine Tasche packte. Gerade als er sie sich umhängen wollte, wurde er angerempelt. Er stolperte nach vorne und die Tasche fiel ihm aus den Händen. Seine Bücher rutschten über den Boden. „Oh, sorry, hab nicht aufgepasst“, entschuldigte sich Mariku mit sarkastischem Unterton. Lachend stiegen Bakura und Mariku über ihn hinweg, während sich Ryou hinkniete und seine Bücher wieder einsammelte. Malik kniete sich ebenfalls hin und half ihm. „Hier.“ Er reichte ihm zwei seiner Bücher. „Danke.“ Er packte alles wieder in seine Tasche und verschloss sie, dann sah er Malik seufzend an. „Lass uns schnell machen. Ich hab auch noch anderes zu tun.“ Er drehte sich um und verließ mit großen Schritten das Klassenzimmer. Verwundert sah Malik ihm hinterher und musste sich beeilen um mit ihm Schritt zu halten. Etwas mehr Freundlichkeit hatte er schon erwartet. An der Treppe wartete Ryou auf ihn. Seine Augen folgten Bakura, der, mit Mariku scherzend, die Stufen nach oben stieg und erst als er außer Sicht war, schenkte er Malik wieder für einen Moment seine Aufmerksamkeit. Sie nahmen die rechte Treppe in den zweiten Stock. Sie schwiegen sich an und Ryou vermied es, Malik auch nur einen Blick zu schenken. Plötzlich blieb Ryou stehen und Malik war ein paar Schritte ohne ihn weiter gegangen, bis er es bemerkt hatte. Er ging zurück und folgte Ryou in die Bibliothek. Ein „Wow“ konnte Malik nicht verhindern. Es war kein Vergleich zu der „Bibliothek“, die es in seiner alten Schule gegeben hatte. Lange Bücherreihen erstreckten sich vor ihnen. Der Raum bestand aus zwei Ebenen und Malik bekam seinen Mund gar nicht mehr zu. So viele Bücher hatte er noch nie an einem Ort gesehen. Zielstrebig ging Ryou an den langen Regalen entlang und Malik musste schon fast laufen, um ihn nicht zu verlieren. Nach kurzer Zeit hatte er schon die Orientierung verloren, doch Ryou kannte den Weg. Er führte ihn bis an die hintere Wand. Das Regal vor ihnen war fast leer. Ryous Finger glitt über die Buchrücken, bis er fand, was er gesucht hatte. Er reichte es Malik ohne sich umzudrehen. Malik nahm es entgegen. „Hast du öfter Probleme mit Bakura und Mariku?“, fragte er schließlich. Die Stille nervte ihn und er konnte es nicht ausstehen, wenn man ihn behandelte als wäre er gar nicht wirklich da. „Was geht dich das an?“, erwiderte Ryou kühl. Verärgert sah Malik ihn an. Was hatte der Junge nur für ein Problem? „Ich frag ja nur, weil ich hab auch Ärger mit ihnen und das nur nach einem Tag, na ja, zumindest mit Mariku“, sprudelte es aus Malik heraus. „Und weil ich sonst auch noch niemanden hier kenne, dachte ich...“ Ryou drückte ihm den Rest seiner Bücher in die Hände. „Kein Interesse. Ich komm alleine mit ihnen klar.“ Er ging an Malik vorbei, wieder zurück Richtung Ausgang. Malik folgte ihm mit einigem Abstand. Wut kochte in ihm hoch und er hasste es immer mehr hier zu sein. Als er aus der Bibliothek trat, konnte er Ryou schon nicht mehr sehen. Malik grummelte und stopfte seine Bücher in die Tasche. Sie war schwer, doch sein Magen knurrte und er wollte erst etwas essen, bevor er die Bücher, die er nicht brauchte, auf sein Zimmer brachte. Im Speisesaal sah er Ryou wieder. „Eingebildeter Fatzke“, murrte Malik und setzte sich so weit von ihm weg wie er konnte. Er konnte eine Freundschaft nicht erzwingen und er hatte es auch nicht nötig sich mit Ryou anzufreunden, doch ihn so anzublaffen war wirklich übertrieben gewesen. Er war halb mit seinem Mittagessen fertig als er Gesellschaft bekam: Mariku und Bakura setzten sich neben ihn. „Was willst du?“, fauchte er Mariku sofort an. Mariku hob abwehrend die Hände. „Ich wollte mich für gestern entschuldigen. Wir hatten einen schlechten Start.“ Malik schnaubte abfällig. „Ich reiß mich auch zusammen, keine Kommentare über deinen geilen Arsch zu machen.“ Malik knirschte mit den Zähnen. „Es sei denn, du willst lieber mit Ryou befreundet sein.“ Bakura lehnte sich nah zu ihm, sodass Malik gezwungen war, ein Stück von ihm wegzurutschen, wodurch er jedoch näher an Mariku kam. Er schob beide von sich und sah zu Ryou. Ihre Blicke trafen sich, doch Ryou wandte seinen Kopf zur Seite. „Du bist viel zu cool für Ryou“, erklärte Mariku. Misstrauisch sah Malik ihn an. Er traute ihm kein Stück. „Wenn ihr aufhört mir auf die Pelle zu rücken, dann denk ich vielleicht darüber nach.“ Fast gleichzeitig standen die jungen Männer auf. „Wir sehen uns.“ Mariku grinste und zwinkerte Malik zu, doch da dieser nicht zu ihm aufsah, bemerkte er es nicht. Erst als sie weg waren, hob Malik seinen Blick und sah ihnen hinterher. Sie setzten sich in Ryous Nähe, doch waren zu weit entfernt, sodass Malik nicht hören konnte, was sie sagten. Doch Ryou konnte es hören und es verdarb ihm den Appetit. Er warf Malik wütende Blicke zu. Die Aufmerksamkeit, die Bakura dem Neuen jetzt schon schenkte, passte ihm nicht. Er war eifersüchtig. Ryou presste die Lippen zusammen. Als Malik den Saal verließ, rannte Ryou ihm jedoch hinterher. „Malik!“ Der Gerufene blieb stehen und drehte sich überrascht zu Ryou um. „Sorry wegen vorhin. Ich hab mich ziemlich scheiße verhalten.“ Er verbeugte sich leicht. „Es tut mir leid.“ „Schon okay“, murmelte Malik verwundert. Damit hätte er eigentlich nicht gerechnet. „Ich hab heute wohl einen schlechten Tag. Gibst du mir noch ne Chance?“ Wenn Bakura Malik seine Aufmerksamkeit schenkte, dann würde er sich eben mit Malik anfreunden. Solange er Bakura nah sein konnte, war ihm jedes Mittel recht. Er lächelte Malik an, der nichts von all dem ahnte. Kapitel 3 Mariku ließ seine Zunge an Bakuras Ohr entlang gleiten. Er spielte mit dem Ohrläppchen und biss sanft hinein. „Lass das“, murrte Bakura und wollte Mariku wegschieben, doch Mariku hielt seine Hände fest. „Malik flippt wieder aus, wenn er kommt.“ „Ach, der ist noch ne Weile weg“, flüsterte Mariku und ließ Bakuras Hände los. Seine Finger glitten unter das Shirt seines Freundes, während er seine Lippen auf Bakuras presste. Bakura gefiel die ganze Sache nicht, doch er schaffte es auch nicht ihm zu widerstehen. Das Mariku aber auch immer seinen Kopf durchsetzen musste. Bereitwillig öffnete sich sein Mund für Marikus Zunge. Marikus Finger streichelten seinen Bauch und Bakura verspürte ein angenehmes Kribbeln. Er keuchte als Mariku seine Brustwarzen reizte. Er hatte seine Berührungen vermisst. Mariku zog ihm das Shirt über den Kopf und ließ es einfach auf den Boden fallen. Bakura sank auf die Matratze zurück. Mariku machte immer einen auf harter Kerl, doch seine Berührungen waren zärtlich, auch wenn Bakura wusste, dass er auch anders sein konnte. Mariku beugte sich nach unten und ließ sein Zunge über Bakuras Brust wandern. Bakura schloss seine Augen, als Marikus Lippen sich um seine rechte Brustwarze legte. Sanft biss er zu und entlockte Bakura leises Keuchen. Bakuras Finger krallten sich in Marikus Haare und zogen ihn hoch. Verlangend presste er seine Lippen auf Marikus und ließ seine eigenen Hände über Marikus Oberkörper gleiten. Er zerrte das Shirt nach oben und berührte die weiche Haut darunter. „Erst nicht wollen und dann kann’s nicht schnell genug gehen, was?“, flüsterte Mariku grinsend. „Halt’s Maul“, brummte Bakura und zog seinem Freund das Shirt über den Kopf. Es landete neben seinem eigenen auf dem Boden. Mariku grinste. Er küsste Bakura wieder, während seine Hände an Bakuras Oberschenkel entlang nach oben glitten. Seine rechte Hand blieb in Bakuras Schritt liegen und massierte ihn durch den Stoff hindurch. Malik rieb sich die Schulter. Seine Tasche war schwer wegen der vielen Bücher. „Hey, ich geh eben nach oben und leg die Bücher ab. Wir sehen uns dann in der nächsten Stunde, okay?“ „Klar“, erwiderte Ryou lächelnd, doch es erstarb, kaum hatte Malik ihm den Rücken zugewandt. Zwei Stufen auf einmal nehmend stieg Malik die Treppe nach oben, doch nach der Hälfte ging er normal weiter, da es mit den Büchern doch anstrengender war als sonst. Schnell ging Malik auf sein Zimmer zu und drückte Klinke nach unten. Fast wäre ihm die Tasche von der Schulter gerutscht, als er die beiden Jungen auf dem Bett sah. Das konnte doch wirklich nicht wahr sein! Mit geübten Fingern öffnete Mariku den Knopf und Reißverschluss von Bakuras Jeans. Ungeduldig glitten sie hinein, strichen zuerst nur über den Stoff der Shorts und glitten schließlich auch in diese. Bakura stöhnte, als er Marikus kühle Finger an seiner Erregung spürte. Mariku strich sanft darüber und entlockte Bakura damit immer wieder Laute der Lust. Mit der zweiten Hand zog er in der Zwischenzeit die Hose von Bakuras Beinen. Er zog seine rechte Hand zurück, weshalb Bakura sich entrüstet aufsetzte, doch Mariku drückte ihn wieder zurück und kümmerte sich dann wieder darum seinen Freund auszuziehen. Als dessen Hose auf dem Boden landete, küssten sie sich wieder leidenschaftlich. Es waren Bakuras Finger, die sich nun an Marikus Hose zu schaffen machten, doch er hatte es einiges schwerer als sein Freund, da Mariku zusätzlich noch einen Gürtel trug. „Was hab ich dir über Gürtel gesagt?“, murrte Bakura. Mariku lachte nur leise und half Bakura dabei seine Hose zu öffnen. Noch hatte keiner von beiden Malik bemerkt, der immer noch an der Tür stand und keinen Laut von sich gab. Am liebsten hätte er sie ja wieder angefaucht, so wie das erste Mal, als er sie erwischt hatte, doch sein Mund blieb geschlossen. Seine Kehle fühlte sich trocken an und er konnte seinen Blick nicht von den halbnackten Körpern abwenden. In seinem Bauch kribbelte es und mit Schrecken musste er zugeben, dass ihn der Anblick der beiden Jungen nicht so kalt ließ wie es eigentlich sollte. Mariku küsste Bakuras Brust, die sich schnell hob und senkte. Seine Zunge glitt tiefer, seine Hände strichen unaufhörlich über den Stoff der Shorts. Stöhnend legte Bakura den Kopf in den Nacken. Marikus Finger glitten am Saum der Shorts entlang und gerade als er sie hinunterziehen wollte, ließ ihn ein dumpfes Geräusch aufsehen. Malik war die Tasche von der Schulter gerutscht und er spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht kroch als sich die Blicke der beiden Jungen auf ihn richteten. Stumm starrten sie einander an bis Mariku von Bakura herunterstieg. Auch in Malik kam wieder Bewegung; er hob seine Tasche auf und starrte auf den Boden, als er an Bakuras Bett vorbei zu seinem eigenen ging. Er legte seine Tasche aufs Bett und begann seine Bücher auszuräumen. Als er wieder aufsah stand Mariku neben ihn und sah ihn interessiert an. „Ist was?“, fragte Malik schroff. „Wie lange hast du uns zugesehen?“ „Wer sagt, dass ich euch zugesehen habe?“ „Die Ausbeulung deiner Hose“, antwortete Mariku grinsend und Malik sah schnell an sich nach unten, doch es war nichts zu sehen. „Erwischt!“ Malik sah wieder auf und in Marikus grinsendes Gesicht. „Hat‘s dir gefallen?“ „Du bist so ein verficktes Arschloch. Ich könnt dir den ganzen Tag eine reinhauen“, zischte Malik und schob Mariku zur Seite um an ihm vorbeigehen zu können, doch Mariku packte ihn am Handgelenk und drückte ihn an sich. Er war immer noch geil und Malik spürte seine Erregung deutlich an seinem Hintern. „Lass mich LOS!“ Er versuchte sich aus Marikus Griff zu befreien, doch der andere war stärker und ließ seine Hand über Maliks Körper gleiten. „Ein bisschen scheint’s dir gefallen zu haben“, flüsterte Mariku, als er zwischen Maliks Beinen angekommen war. Er vergrub sein Gesicht in Maliks Haaren. Er roch gut. Malik keuchte überrascht auf. Er drückte sich von Mariku weg, doch dessen Arm lag wie ein Schraubstock um seinen Oberkörper. „Lass es bleiben, Mariku“, sagte Bakura bestimmt, während er sich wieder anzog. Mariku ignorierte ihn und ließ es sich nicht nehmen Malik weiter zu befummeln, während sich dieser gegen seinen Griff stemmte und ihn verfluchte. „Mariku!“ Bakura legte seinem Freund die Hand auf die Schulter und zog ihn leicht zurück. Mariku ließ Malik los und schlug Bakuras Arm beiseite. Sein Gesichtsausdruck war eine Mischung aus genervt sein und Wut, doch bevor er etwas sagen konnte schlug Malik ihm mit der Faust ins Gesicht. Mariku stolperte zurück und fasste sich ins Gesicht. Er schmeckte Blut in seinem Mund. Bevor Malik noch einmal auf ihn losgehen konnte, stellte sich Bakura zwischen sie und packte Malik bei den Schultern. „Ganz ruhig.“ Malik hielt zwar still, doch er sah nicht Bakura an, sondern Mariku, der sich das Blut von den Lippen wischte. „Wenn du mich noch einmal anfasst, dann schlag ich solange auf dich ein bis dein Gesicht nur noch Brei ist“, drohte Malik mit leiser Stimme. Mariku lachte. „Komm doch.“ Er winkte ihn zu sich. Malik zuckte nach vorne, doch Bakura hielt ihn fest. „Mariku geh!“ „Du hast mir nichts zu sagen.“ „GEH!“ Bakura sah seinen Freund über die Schulter hinweg böse an. Mariku schnaubte verächtlich, stieg über Bakuras Bett und verschwand aus dem Zimmer. „Was ist dir denn über die Leber gelaufen?“, fragte Ryou, als er Maliks Gesichtsausdruck sah. „Mariku“, knurrte Malik und ließ sich auf den Stuhl fallen. „Als ob’s nicht schon reichen würde, dass er ständig mit Bakura auf unserem Zimmer rumvögeln muss, muss er auch noch an mir rumtatschen. Ich hoffe, er kriegt ein hübsches Veilchen.“ Er schlug mit der Faust in seine Handfläche. „Mit Bakura, hm?“, murmelte Ryou und biss sich auf die Unterlippe. Er wandte den Blick aus dem Fenster. Natürlich wusste er, das Bakura und Mariku regelmäßig Sex hatten und doch versetzte es ihm immer wieder einen Stich im Herzen. „Alles in Ordnung?“, fragte Malik. Fast schon hätte Ryou ihn wieder angefaucht, doch er riss sich zusammen. „Sicher.“ Er lächelte. „Soll ich dir nach dem Unterricht das Gelände zeigen?“, wechselte er das Thema und Maliks Miene hellte sich auf. Die Grünanlagen um das Schulgebäude waren riesig. Sie glichen einem Park und Malik genoss es in der Sonne spazieren zu gehen. „Ich hatte nicht erwartet, dass das alles hier so groß ist“, sagte er beeindruckt als sie bei den Sportplätzen angekommen waren. Im Grunde fehlte nur noch ein Schwimmbecken um das Bild perfekt zu machen. „Ja, so hab ich auch reagiert, als ich alles zum ersten Mal gesehen habe“, erklärte Ryou. Malik war nicht so schlimm, wie er heute Morgen noch angenommen hatte. „Wie lange gehst du hier schon zur Schule?“ „Zwei Jahre.“ „Hat man dich auch zur Strafe hierher geschickt?“ Malik verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah nach oben in den strahlend blauen Himmel. „Ich war schon immer auf irgendwelchen Internaten.“ Ryou zuckte mit den Schultern. Er hatte sich längst damit abgefunden, dass sein Vater zu beschäftigt war mit seiner Arbeit um sich wirklich um ihn zu kümmern. „Echt? Oh man, für mich ist das der Horror. Meine Schwester hat mich hierher geschickt, weil sie denkt, ich hatte schlechten Umgang an meiner vorherigen Schule. Ich sollte ihr mal erzählen mit welchen Leuten ich hier Umgang habe.“ Er seufzte. „Dich hab ich aber damit nicht gemeint“, fügte er hinzu. „Du bist der erste normale Mensch mit dem ich hier geredet hab. Na ja, Bakura scheint hin und wieder auch ganz vernünftig, zumindest solange Mariku nicht dabei ist.“ Bei der Erwähnung von Bakuras Namen stoppte Ryou für einen Moment was Malik natürlich nicht entging. Er sah den Jungen fragend an. „Was hältst du von Bakura?“ Malik zog die Augenbrauen nach oben. „Mir ist er am sympathischsten, wenn er sich von mir fernhält.“ „Also findest du ihn nicht... anziehend?“ Malik lachte. „Ganz sicher nicht. Ich steh nicht auf Kerle. Ich hatte ne verdammt heiße Freundin bevor ich hierher kam und die hätte ich lieber behalten.“ Ryou atmete erleichtert aus. Malik war ihm soeben ein ganzes Stück sympathischer geworden und wenn Mariku Interesse an ihm zeigte, würde sich Bakura auch von ihm fernhalten. Er lächelte leicht. „Sag mir nicht, du stehst auf ihn?“ Ryous Antwort war nur ein Schulterzucken. Er wollte nicht darüber reden und war froh, das Malik auch nicht mehr dazu sagte. Seufzend ließ sich Malik auf eine Bank sinken. War denn hier jeder schwul oder passierte das einfach, wenn man zu lange nur mit Jungs zu tun hatte? Wie im Gefängnis. Malik wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Er würde ganz sicher nicht so werden! Ryou hatte sich nicht hingesetzt. „Ich hab noch ein bisschen was zu tun. Kommst du alleine klar?“ Malik lehnte sich zurück. „Sicher. Wir sehen uns später.“ Er sah Ryou hinterher, als dieser in Richtung Schule zurückging. Ob er Isis anrufen sollte? Doch er schüttelte den Kopf. Nein, sie sollte nicht denken, dass er sie vermissen würde. Sie würde schon noch sehen, was sie davon hatte, ihn in so einer Schule abzuladen. Sollte sie sich doch melden, wenn sie etwas von ihm wollte. Er sah blinzelnd nach oben. Die Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht fühlten sich gut an. Gähnend sank Malik auf sein Bett. Die frische Luft und die Wärme hatte ihn müde gemacht und Unterricht machte sowieso auch immer müde. Er hatte seine Bücher neben dem Bett gestapelt. Zumindest hatten sie nicht schon am ersten Tag Hausaufgaben bekommen. Malik drehte sich auf den Bauch und vergrub sein Gesicht im Kissen. Er war allein im Zimmer und genoss die Stille. Er gähnte noch einmal und drehte den Kopf zur Seite. Ein kleines Nickerchen bis zum Abendessen war sicher nicht falsch. Leise glitt die Zimmertür auf und Mariku warf einen kurzen Blick in den Raum. Als er Malik auf dem Bett liegen sah grinste er. Gut, er hatte gehofft, er würde ihn hier treffen. Bakura hatte sich verzogen, wohin wusste Mariku nicht und er hatte sonst keine Unterhaltung. Er ging neben Maliks Bett in die Hocke und strich ihm einige Haarsträhnen zurück. Er sah süß aus, wenn er schlief. Zumindest machte er so den Mund nicht auf. Vorsichtig fasste er sich ins Gesicht. Seine linke Seite war leicht angeschwollen von Maliks Schlag. Begierig ließ er seine Augen über Maliks Körper wandern. Als er ihm über die Wange streichelte, begann Malik sich zu rühren. Unwirsch wedelte er mit der Hand vor seinem Gesicht und schlug dabei gegen Marikus Hand. Langsam hob Malik seine Augenlider und zuckte erschrocken zurück als er Mariku sah. „Was zum Teufel machst du hier?“ „Mir ist langweilig.“ „Das ist nicht mein Problem.“ „Doch, jetzt schon.“ Mariku setzte sich aufs Bett. „Unterhalte mich.“ Wütend starrte Malik den anderen Jungen an. Sein linkes Auge wies ein leichtes Veilchen auf. „Soll ich dir rechts auch noch eins verpassen?“, murrte er und ballte die Hand zur Faust. Mariku hob abwehrend die Hände. „Du solltest weniger aggressiv sein.“ „Du solltest weniger mit mir reden.“ Mariku grinste. „Du gefällst mir. Du bist nicht auf den Mund gefallen.“ „Aber du fliegst gleich auf die Fresse, wenn du dich nicht von meinem Bett verziehst.“ Er konnte sich nicht erklären, wieso Mariku ihn so wütend machte. Er brauchte ihn nur sehen und es begann in ihm zu brodeln. „Wir wär’s, wenn wir stattdessen da weiter machen, wo wir heute Nachmittag aufgehört haben?“ Oh, deshalb machte er ihn so wütend. „Du willst echt noch ein zweites Veilchen, was?“, fauchte Malik und drohte mit der Faust. „Ich will...“ Mariku packte ihn so überraschend am Arm das Malik nach hinten rutschte. Das Bett war zu Ende und die beiden Männer landeten auf den Boden. Malik wurde die Luft aus den Lungen gepresst, als Mariku mit seinem Gewicht auf ihm landete. Für einen Moment hatte er das Gefühl zu ersticken. Hastig schnappte er nach Luft. Das Zimmer drehte sich und Malik musste die Augen schließen. Es drehte sich weiter. Mariku lag immer noch auf ihm, doch Malik war zu benommen um ihn von sich zu schieben. „Alles in Ordnung?“ Er spürte Marikus Atem in seinem Gesicht. „Nein“, antwortete Malik ohne die Augen zu öffnen. Marikus Gewicht verschwand. Stattdessen wurde er plötzlich hochgehoben und fand sich schon im nächsten Moment auf seinem Bett wieder. „Da siehst du, was du davon hast.“ „Leck mich.“ „Wenn ich das tue, dann schlägst du mich wieder.“ Malik antwortete nichts darauf. Sein Schädel brummte und ausnahmsweise genoss er Marikus kühle Finger in seinem Gesicht. „Besser?“, fragte Mariku leise und massierte Malik die Schläfen. „Ja“, seufzte Malik und driftete leicht ab. Der Schmerz ließ nach und er fühlte sich immer noch müde, weil er so abrupt aus dem Schlaf gerissen worden war. Als er Marikus Lippen auf seinen eigenen fühlte, wehrte er sich zunächst nicht. Erst als Marikus Zunge in seinen Mund glitt trat er zu. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rollte Mariku vom Bett und landete wieder auf dem Boden. Seine Hände drückten gegen seinen Schritt. „Ich hab dich gewarnt!“, zischte Malik und setzte sich auf. Mariku murrte nur und drehte Malik den Rücken zu. Er presste die Lippen aufeinander. Malik hatte nicht nur einen harten Schlag, sondern auch einen harten Tritt. Mit dem Fuß stupste Malik gegen Marikus Rücken. „Willst du hier jetzt ewig rumliegen?“ „Fick dich!“ „Du bist ja jetzt nicht mehr dazu in der Lage“, lachte Malik. Sein Kopf pochte immer noch dumpf, doch das er Mariku auf den Boden befördert hatte hob seine Laune. Schwerfällig richtete Mariku sich auf. Wut zeichnete sich deutlich in seinem Gesicht ab. Sein Arm schoss vor und seine Finger schlossen sich um Maliks Hals. Mit beiden Händen griff Malik nach Marikus Arm und zerrte daran, doch er konnte nichts gegen ihn ausrichten. Ohne eine Miene zu verziehen drückte Mariku zu und Maliks Augen weiteten sich vor Schreck. Mariku beugte sich vor. „Wenn du das noch einmal machst“, flüsterte er Malik bedrohlich zu, „dann wirst du das bereuen.“ Er stieß Malik von sich und verließ anschließend das Zimmer. Hastig saugte Malik Luft in seine Lungen und fasste sich an den Hals. Was war denn bei dem verkehrt? Schweiß rann ihm über die Stirn. Für einen Moment hatte er wirklich gedacht, Mariku würde ihn umbringen. Er sank zurück auf die Matratze und versuchte die Panik in seinem Inneren zu beruhigen. Mariku ließ sich auf sein Bett sinken und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Verflucht! Wie hatte er nur so die Kontrolle verlieren können? Sein Körper zitterte. Das hätte nicht passieren dürfen. „Verdammt, verdammt, verdammt“, murmelte Mariku und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Ryou legte das Buch zur Seite und rieb sich die Augen. Er saß in einer der hintersten Ecken der Bibliothek und las. Die Ecke war sein Rückzugsort. Hier hatte er seine Ruhe, denn die meisten Schüler mieden die Bibliothek und kamen nur selten hierher. Ryou lehnte sich gegen die Wand und schloss die Augen. Heute war wirklich ein seltsamer erster Schultag gewesen. Als er an den Zwischenfall mit Bakura beim Frühstück dachte, schlug sein Herz ein bisschen schneller. Dieses Jahr musste es einfach so weit sein. Seit zwei Jahren lief er Bakura jetzt schon hinterher und dieses Jahr würde etwas passieren. Er biss sich auf die Unterlippe. Es musste einfach. Es war ihr letztes Jahr. Anschließend würde er Bakura wahrscheinlich nie wieder sehen. Was hatte er schon zu verlieren? Ryou bemerkte nicht, dass er beobachtet wurde. Er wurde fast immer beobachtet, wenn er in der Bibliothek war. Zumindest für eine Weile ruhte der Blick eines weiteren Besuchers auf dem Jungen. Manchmal auch für Stunden. Wie ein Schatten verharrte er zwischen den Regalen. Er mochte es Ryou zu beobachten. Seine Gefühle waren in seinem Gesicht abzulesen. Bakura senkte den Blick. Es war selten geworden, das Ryou überhaupt eine Emotion ihm gegenüber zeigte. Er hatte die Aufmerksamkeit genossen, die Ryou ihm im ersten Jahr geschenkt hat, doch während des zweiten war es immer weniger geworden, dabei wusste er, dass Ryou immer noch in ihn verliebt war. Ob er ihn mehr hätte beachten sollen? Bakura biss sich auf die Unterlippe. Er mochte Ryou, auch wenn er es nie zugab, doch er hatte ihn nie zu nahe an sich herankommen lassen. Genau genommen ließ er niemanden nah an sich heran, mit Ausnahme von Mariku und selbst der hatte lange gekämpft. „Was mach ich hier eigentlich?“, flüsterte Bakura und seufzte. Am liebsten wäre er zu Ryou gegangen, hätte sich neben ihn gesetzt und ganz zwanglos eine Unterhaltung gestartet. Nur sie zwei. Ohne Mariku, der sich immer einmischte. Leicht schüttelte Bakura den Kopf und warf einen letzten Blick auf Ryou. Sie würden sowieso nie eine Chance haben. Und es war besser, wenn niemand erfuhr, dass er je hier gewesen war. Die Zeit verging schneller als Malik erwartet hatte. Fast ein Monat war vergangen und er hatte sich größtenteils eingelebt. Ryou und er hatten sich besser angefreundet und doch hatte Malik das Gefühl, als würde der andere Junge eine gewisse Distanz wahren, doch Malik störte sich nicht daran. Hauptsache er musste nicht alleine rumhängen. Es gab immer noch regelmäßig Ärger, wenn Mariku und er aufeinander trafen. Zwar war Mariku nicht mehr ganz so schlimm wie am Anfang, doch seine Worte brachten Malik immer wieder auf 180. Allein ihn anzusehen machte Malik aggressiv, doch er fühlte auch einen leichten Anflug von Panik, wenn er sich daran erinnerte, was in den ersten Tagen geschehen war. Seine Hand wanderte dann automatisch zu seinem Hals. Er konnte das ungute Gefühl nicht abschütteln. Schwer atmend wischte sich Malik mit dem rechten Unterarm über die Stirn und stützte seine Hände anschließend auf seinen Oberschenkeln ab. „Malik!“ Sofort richtete sich Malik wieder auf und fing im letzten Moment den Basketball auf, den Ryou ihm zuwarf. Sie befanden sich mitten im Sportunterricht und Maliks Shirt klebte an seinem Oberkörper, da sie fast ununterbrochen Basketball spielten. Mariku stellte sich ihm in den Weg. Malik grinste ihn herausfordernd an und dribbelte den Ball schließlich um ihn herum. Er gab ihn an seinen Klassenkamerad Jonouchi ab, der ihn wiederum an Ryou abgab. „Du bist ziemlich gut“, keuchte Mariku und wischte sich mit der Hand durch’s Gesicht. „Du bist einfach nur mies“, erklärte Malik grinsend. Bakura schaffte es Ryou den Ball abzunehmen und warf ihn zu Mariku, doch Malik war schon zur Stelle um den Ball zu übernehmen. Er umspielte Mariku erneut und warf den Ball Richtung Korb. Der Basketball umkreiste das Metall und fiel anschließend durch das Netz. Malik und Ryou klatschten die Hände ineinander. Bisher lag ihr Team in Führung. Bakura gab Mariku eine Kopfnuss. „Hör auf so viel zu gaffen und konzentrier dich lieber aufs Spiel“, motzte er ihn an. „Sei mal locker. Ist doch nur ein Spiel.“ Mariku zuckte mit den Schultern. „Hey Bakura!“, rief Ryou und warf ihm den Ball zu. „Ihr schwächelt heute ganz schön.“ Ryou lachte und Bakura knirschte wütend mit den Zähnen. Seine Finger krampften sich um den Ball. Gerade als Ryou sich umdrehen wollte, warf Bakura den Basketball wieder in Ryous Richtung. Die Augen des Jungen weiteten sich überrascht, doch er reagierte zu langsam: der Ball traf ihn mitten ins Gesicht. Ryou taumelte und fiel auf seinen Hintern. Er presste sich die Hand ins Gesicht. Er schmeckte Blut und vor seinen geschlossenen Augen tanzten Sterne. Er hörte Schritte und Bakura fluchen. Ryou blinzelte, Tränen standen ihm in den Augen. „Sorry“, hörte er Bakura direkt neben sich sagen. Ryou presste die Augen wieder aufeinander. Ihm wurde schlecht, wenn er versuchte sie zu öffnen. Blut rann ihm zwischen den Fingern hindurch. Jemand hob ihn hoch und er vermutete, dass es Bakura war. „Bring ihn bitte ins Krankenzimmer“, sagte ihr Sportlehrer. Ryou spürte, wie ihm das Blut über die Lippen rann und von seinem Kinn tropfte. Er hielt die Augen geschlossen während er Richtung Krankenzimmer getragen wurde. Kühle Luft wehte ihm über das Gesicht, als sie die Sporthalle verließen. Seine Hand krallte sich in Bakuras Shirt. Plötzlich fühlte er sich schummrig im Kopf. Er hatte das Gefühl, das Bewusstsein zu verlieren. „Hey, werd jetzt bloß nicht ohnmächtig“, murmelte Bakura und beschleunigte seine Schritte. Mit dem Fuß stieß er die Tür zum Krankenzimmer auf und legte Ryou vorsichtig auf die Liege. „Wo ist diese verdammte Tussi?“, murrte er als er die Krankenschwester nirgends entdecken konnte. „Hey, ist jemand da?“ Doch niemand antwortete ihm. „Verdammt!“ Bakura packte kurzerhand das Handtuch, welches neben einem Waschbecken an der Wand hing und drückte es Ryou vorsichtig gegen die Nase. „Nicht, das du verblutest.“ „Ich würde dir ja danken, aber du bist an allem schuld“, sagte Ryou kühl. Als er sich über die Lippen leckte, schmeckte er sein eigenes Blut. „Du hast mich doch provoziert“, verteidigte sich Bakura. „Kein Grund mir den Ball ins Gesicht zu werfen.“ „Du hast mir letztes Jahr die Nase blutig geschlagen. Jetzt sind wir Quitt.“ „Hattest du aber auch verdient gehabt“, erwiderte Ryou und versuchte sich aufzusetzen, doch er rutschte nur wieder schmerzerfüllt stöhnend auf die Liege zurück. „Ich schau mal, ob ich hier noch irgendwas Nützliches finde.“ Bakura entfernte sich vom Bett und begann die Schränke zu durchsuchen. Er fand Wattepads und ein Kühlkissen. Er tränkte ein Tuch mit Wasser und kam mit den Sachen ans Bett zurück. Vorsichtig legte er das Kissen auf Ryous Stirn und dieser zuckte zusammen. „Zu kalt?“ „Geht schon.“ Ryou ließ das Handtuch sinken und drückte stattdessen die Wattepads gegen seine Nase. Die Blutung hatte schon fast aufgehört. „Du siehst aus, als hättest du nen Menschen gefressen“, erklärte Bakura amüsiert, während er mit dem feuchten Tuch das Blut von Ryous Lippen wischte. „Dann wäre es wenigstens nicht mein eigenes und ich hätte nicht solche verdammten Kopfschmerzen“, erwiderte Ryou und konnte ein kleines Grinsen nicht verhindern. Er genoss es mit Bakura alleine zu sein. Endlich kein Mariku, der sie beide störte. „Ich frag mich, wo die Krankenschwester steckt.“ Ryou zuckte mit den Schultern. „Nicht so wichtig. Ich werd schon nicht an Nasenbluten krepieren.“ „Auch wieder wahr.“ Er glitt mit dem Tuch tiefer, an Ryous Hals entlang. Bakura leckte sich über die Lippen. Er spürte ein angenehmes Kribbeln in seiner Brust. Sein Herz schlug schneller als sonst. Ryou und er waren alleine. Er schob seine Finger leicht vor und ließ sie wie zufällig über die weiche Haut streichen. Ryou entging das nicht und er schloss die Augen. Gänsehaut kroch über seinen Körper. So nah waren sie sich schon lange nicht mehr gewesen. Als er Bakuras Atem auf seinem Gesicht spürte, öffnete er seine Augen wieder. Er blickte direkt in Bakuras. Er sah, wie er schluckte und sich über die Lippen leckte. Seine Finger strichen über Ryous Wange. „Blutet es noch?“, fragte er flüsternd. „Nein“, antwortete Ryou genauso leise. Seine Augenlider senkten sich langsam und er spürte schon fast Bakuras Lippen auf seinen eigenen, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde. Schnell richtete sich Bakura auf und wirbelte herum. „Was willst du hier?“, fauchte er Mariku an. Seine Hand hatte sich zur Faust geballt und er hatte noch nie so sehr das Bedürfnis gehabt Mariku zu verletzen wie im Moment. Auch Ryou biss sich auf die Unterlippe und hatte die Finger in das Laken gekrallt. Mariku! Schon wieder! Immer war es er, der zwischen ihnen stand! Er hasste ihn, verabscheute ihn. Er hatte alles was Ryou wollte. „Ich soll nach euch gucken“, erwiderte Mariku in einem gelangweilten Tonfall. Er sah von Bakura zu Ryou und begann dann zu grinsen. „Stör ich?“, fragte er ohne seinen Blick von Ryou abzuwenden. Die Verachtung stand ihm ins Gesicht geschrieben und Mariku sonnte sich regelrecht darin. Ryou knirschte mit den Zähnen. Er wusste, das Mariku es wusste; Mariku wusste, dass er Bakura mochte und es bereitete ihm eine sadistische Freude sich immer wieder zwischen sie zu stellen. „Wieso solltest du?“ Bakura zuckte mit den Schultern und sah zur Seite. „Kommst du dann wieder? Oder willst du weiter Babysitter spielen?“, fragte Mariku spöttisch. Er hatte Ryou nicht aus den Augen gelassen. „Komme gleich.“ Bakura sah über die Schulter zu Ryou. „Kommst du klar?“ „Sicher“, antwortete Ryou abweisend. Zusammen mit Mariku verschwand Bakura aus dem Raum. Ryou seufzte genervt. Er war wütend. Auf Mariku, auf Bakura, auf sich selbst. Er rutschte von der Liege und musste sich gleich wieder hinsetzen. Der Raum drehte sich. Ryou atmete tief durch. Es war also alles beim Alten geblieben. Vorsichtig stand er wieder auf und stützte sich an der Wand ab. Seine Beine fühlten sich schwach an, doch er setzte einen Fuß vor den anderen. Er wollte nicht länger hier bleiben. Er brauchte keinen Bakura, der ihm half. Er brauchte niemanden! Bakura lief im Zimmer auf und ab und machte Malik damit wahnsinnig. „Hör auf!“, fauchte er ihn an, doch Bakura ignorierte ihn. In seinem Kopf schwebte immer noch der Vorfall des Nachmittags herum. Er spürte Ryous Atem und fast auch seine Lippen. Malik knirschte mit den Zähnen. Er packte eins seiner Schulbücher und warf es in Bakuras Richtung. Es traf ihn an der Schulter. „Spinnst du?“, fuhr er Malik an. „Ich hab gesagt, du sollst aufhören! Wenn du rumlaufen willst, dann mach das draußen. Hier nervt’s!“ „Leck mich!“, erwiderte Bakura nur. „Nein danke.“ Malik wich dem Buch aus, das Bakura ihm zurückwarf. Bakura begann wieder auf und ab zu gehen und Malik verdrehte die Augen. „Wenn du dir solche Gedanken um Ryou machst, solltest du vielleicht zu ihm gehen.“ Wie vom Donner gerührt blieb Bakura stehen. „Ich weiß nicht, wovon du redest.“ „Voll ins Schwarze.“ Malik verschränkte zufrieden die Arme hinter dem Kopf. „Ich weiß nicht, was das zwischen euch ist und im Grunde interessiert’s mich nen Scheiß, aber es nervt mich, also klärt es endlich.“ Bakura ließ sich auf sein Bett fallen. „Misch dich nicht in Dinge ein von denen du keine Ahnung hast!“ Er klang wütend und sein abschätziger Blick verärgerte Malik. Das hatte er nun davon, dass er einen Ratschlag gegeben hatte. Er machte eine wegwerfende Handbewegung und kümmerte sich wieder um seine Hausaufgaben. „Das nimmt noch ein schlimmes Ende“, murmelte er, ohne das Bakura es hörte. „Aber wehe, man kommt dann heulend zu mir gerannt.“ Frustriert schlug Ryou mit der Faust gegen die Fliesen. Das Wasser, welches auf seinen Körper prasselte, war eiskalt, doch es störte ihn nicht. Zorn brodelte in ihm und erhitzte seinen Körper. Ihm war zum Heulen zumute, doch er weigerte sich die Tränen fließen zu lassen. Er hatte genug geheult. Es hatte sowieso keinen Sinn. Er schlug wieder gegen die Wand. Die Heulerei hatte ihm doch den ganzen Schlamassel eingebrockt. Weil er früher schwach war, den Mund nicht aufbekam, von Selbstbewusstsein keine Spur. Wäre er nur früher schon so wie heute gewesen, dann hätte er jetzt kein Problem mit Mariku, und auch nicht mit Bakura, doch er hatte es satt ihm hinterher zu laufen. Ryou drehte das Wasser ab und wickelte sich in ein Handtuch. Er sah in den Spiegel und hasste den Jungen, den er darin sah. Während er sich selbst anstarrte kamen Erinnerungen zurück. Erinnerungen von seinem ersten Tag an dieser Schule: Schüchtern sah Ryou sich im Zimmer um. Nur kurz schaffte er es dem Blick seines neuen Zimmergenossen standzuhalten. Er machte ihn nervös und während der abschätzigen Musterung fühlte er sich plötzlich ganz klein. „Ha-Hallo, ich bin Ryou“, stammelte er und spielte nervös mit dem Saum seines Shirts. „Was auch immer“, erwiderte Mariku kühl. Er schien nicht begeistert zu sein, dass er das Zimmer teilen musste. Ryou rührte sich nicht. Er fühlte sich unwohl und der Blick des anderen Jungen machte es nicht besser. „Willst du da den ganzen Tag stehen bleiben?“, schnauzte Mariku ihn an und verdrehte die Augen. Ryou zuckte zusammen. „Ne-Nein!“, sagte er hastig und wollte einen Schritt nach vorne gehen, doch genau in diesem Moment wurde er angerempelt. Ryou verlor sein Gleichgewicht und fiel über seinen eigenen Koffer. Marikus Gelächter schallte durch das Zimmer. Ryou rappelte sich wieder auf. Tränen standen ihm in den Augen und er hatte sich den Ellbogen aufgeschürft. Er sah den Jungen an, der ihn angerempelt hatte: schneeweißes Haar und dunkle braune Augen. Ryou konnte den Blick nicht abwenden. Er verspürte ein angenehmes Ziehen in seiner Brust. „Was bist du denn für einer?“ Der amüsierte Klang seiner Stimme brachte Ryou in die Wirklichkeit zurück. Verlegen sah er zur Seite und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Ne ziemliche Heulsuse.“ Bakura lachte und stieg über Ryous Koffer hinweg. „Und mit so was muss ich mich jetzt in Zukunft herumschlagen“, murrte Mariku. „Dass sie überhaupt jemanden nahe an dich ranlassen wundert mich eh“, lachte Bakura. „Besonders so was.“ Sie sprachen über Ryou als wäre dieser gar nicht anwesend. Ryou versuchte die Worte nicht an sich rankommen zu lassen, doch trotzdem verletzten sie ihn. Ryou packte seinen Koffer und stellte ihn neben den Schrank. Bakura sah Mariku grinsend an. „Was denkst du, sollen wir ihn anständig begrüßen?“ Mariku erwiderte sein Grinsen und nickte. Unsicher sah Ryou von einem zum anderen und wich zurück, dabei wäre er fast wieder über seinen Koffer gestolpert. „Was habt ihr vor?“ Er traute den beiden keinen Meter weit. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Er wollte weglaufen, doch Bakura packte ihn am Arm und drückte ihn an sich. „Geht ganz schnell. Versprochen“, flüsterte Bakura, doch sein Grinsen machte seine Worte unglaubwürdig. Ryou strampelte und stemmte sich gegen Bakura, doch der andere Junge war stärker. Mariku hatte in der Zwischenzeit das Fenster geöffnet, während Bakura Ryou halb darauf zutrug. Ängstlich sah Ryou zum Fenster und wollte sich mit den Füßen in den Boden stemmen, doch Bakura hatte ihn hochgehoben. „Lass das!“ Seine Stimme war schrill vor Panik. „Bitte, bitte nicht!“ Tränen liefen ihm über die Wangen und er schnappte überrascht nach Luft, als er plötzlich kopfüber aus dem Fenster hing. Seine Augen waren weit aufgerissen, während er nach unten starrte. Sein Körper war in eine ängstliche Starre gefallen. Er vergaß zu schreien und zu weinen. Er starrte einfach nur nach unten. „Ich hatte gehofft, er würde mehr schreien“, sagte Mariku enttäuscht. „Ich auch“, murrte Bakura und zog Ryou wieder hoch. Als Ryou wieder festen Boden unter seinen Füßen spürte, löste er sich aus seiner Starre. Sein Körper begann zu zittern und sein Atem beschleunigte sich. Bakura hielt ihn fest, bevor er in die Knie ging. Ryous Finger krallten sich an ihm fest und er drückte sein Gesicht in Bakuras Shirt. Bakura legte ihm die Hand auf den Hinterkopf während Ryous Körper von Schluchzern geschüttelt wurde. „Ganz ruhig“, flüsterte Bakura ihm beruhigend zu. Ryou schnaubte abfällig und wandte den Blick vom Spiegel ab. Er konnte sein eigenes Gesicht nicht mehr ertragen. Seit seinem ersten Tag war er schikaniert worden. Das erste Jahr war die Hölle gewesen, doch im zweiten Jahr hatte er endlich gelernt sich zu verteidigen. Trotzdem ließ vor allen Dingen Mariku keine Gelegenheit aus ihn irgendwie fertig zu machen. Wie er sich trotz allem in Bakura verlieben konnte, konnte Ryou bis heute nicht nachvollziehen. Ryou zog sich an und verließ das Badezimmer. Sein Blick fiel auf Mariku, der auf dem Bett lag und die Augen geschlossen hatte. Sein Fuß wippte im Takt der Musik, die er mit seinem MP3-Player hörte. Ryou knirschte mit den Zähnen. Was wohl passierte, wenn er ihn eines Nachts einfach abstach? Kapitel 4 Ryou war genervt. Die ganze Schule war mal wieder im Aufruhr, denn Ende Oktober gab es immer eine kleine Party um die Gründung der Schule zu feiern. Alkohol war natürlich offiziell nicht erlaubt, aber es gab immer ein paar Leute, die es schafften Alkohol einzuschmuggeln und ihre eigene Party zu machen. Allen voran Mariku. Der Grund, warum Ryou gelernt hatte das Fest zu hassen. Im ersten Jahr hatten Mariku und Bakura ihm Alkohol eingeflößt und er hatte sich daraufhin vor der ganzen Schule lächerlich gemacht. Mariku und Bakura hatten zwar heftigen Ärger bekommen, aber das hatte nicht verhindert, dass die anderen Schüler wochenlang über ihn gelacht hatten. Letztes Jahr hatte er die Feierlichkeiten gemieden und dieses Jahr würde er es auch wieder tun. Verpassen würde er sowieso nichts. „Hey Ryou!“ Der Junge blieb stehen und drehte sich zu Malik um. Er konnte ihn inzwischen besser leiden und beneidete ihn für sein Selbstbewusstsein. Malik war in der kurzen Zeit, die er hier war ziemlich beliebt geworden und schien mit jedem klar zu kommen. Von Mariku mal abgesehen, aber außer Bakura kam sowieso niemand mit Mariku klar. „Freust du dich auch schon auf die Party? Sie soll ganz lustig sein, hab ich gehört.“ „Nein, und ich werd auch sicher nicht hingehen“, antwortete Ryou und setzte seinen Weg mit Malik zusammen fort. „Nicht?“ Malik sah ihn überrascht an. „Wieso?“ Doch bevor Ryou irgendetwas antworten konnte, fuhr Malik herum und das Klatschen einer Ohrfeige war zu hören. „Ich hab dir schon so oft gesagt, du sollst den Scheiß lassen. Ich brech dir die Nase, du dummes Arschloch!“ Ryou brauchte sich nicht umzudrehen um zu wissen, dass es Mariku war. Die beiden begannen zu streiten und Ryou verdrehte die Augen. Er war sich ziemlich sicher, dass die beiden am Ende zusammen im Bett landen würden. Als Malik die Turnhalle betrat war die Party schon im Gange. Er hatte versucht Ryou doch noch zum Mitkommen zu überreden, doch sein Freund war eisern geblieben. Deshalb gesellte sich Malik zu seinen anderen Klassenkameraden. Sie begrüßten ihn freudig. „Hey Malik“, Honda legte ihm den Arm um die Schulter und senkte die Stimme, „kommst du später mit Jou, mir und noch ein paar anderen raus? Wir haben ein paar Flaschen Alk besorgt.“ „Klar“, antwortete Malik grinsend. Plötzlich wurde Honda von ihm weggezogen und zur Seite geschubst. „Pass auf, wem du hier zu Nahe kommst, Junge“, zischte Mariku. „Spinnst du eigentlich?“, fauchte Malik ihn an und tippte sich gegen die Stirn. „Der hat dich nicht anzufassen!“ „Benimm dich nicht wie so ein eifersüchtiger Freund.“ Wieso hatte er einfach keine fünf Minuten Ruhe vor ihm? Aber eigentlich hatte er ja damit rechnen können, dass er wieder Mariku im Nacken hatte. Er war wirklich lästig. Mariku zog ihn zur Seite. „Wie wär’s, wenn wir von hier verschwinden und unsere eigene kleine Party haben?“ „Wie wär’s mit Nein?“ „Komm schon, wird lustig.“ „Gibst du eigentlich nie auf?“ „Nein, ich krieg was ich will“, erklärte Mariku selbstsicher. Er hielt immer noch Maliks Hand und wertete das schon als einen kleinen Erfolg. Es störte ihn nicht, dass Malik so abweisend und aggressiv ihm gegenüber war. Das machte alles viel interessanter und aufregender. Sein Sieg würde umso süßer sein. „Willst du tanzen?“ Malik sah ihn genervt an. Hörte Mariku ihm überhaupt zu? Überrascht schnappte Malik nach Luft als Mariku ihn plötzlich näher zog. Es war ihm unangenehm ihm so nah zu sein und er drückte ihn schnell wieder von sich, doch Mariku ließ nicht locker. „Bist du eigentlich blöd, oder so?“ „Nein, aber echt geil auf dich.“ Malik fasste sich an den Kopf. Er wusste nicht mehr, was er dazu sagen sollte; Mariku ignorierte ja sowieso alles was er sagte. Er riss sich von ihm los und steuerte den Ausgang an. Solange Mariku da war, konnte er die Feier sowieso nicht genießen. Er hätte sich Ryou anschließen und etwas mit ihm machen sollen. Mariku folgte ihm. „Warte Malik, sieh das nicht so ernst.“ Er holte ihn draußen ein und packte ihn am Handgelenk. „Jetzt warte doch.“ Malik riss sich wieder los. Er konnte es nicht fassen wie hartnäckig Mariku war. Er ballte die Hände zu Fäusten. Ein Spruch noch und Malik würde ihm eine reinhauen. Er hatte keine Angst vor ihm, auch wenn er ihn das letzte Mal bedroht hatte, aber was sollte Mariku ihm schon antun? „Lass uns zu mir gehen, hm? Dann zeig ich dir die längste Praline der Welt.“ Malik lachte laut los. „Du hast nur ein Duplo in der Hose? Arme Sau, die Natur muss dich ja wirklich hassen!“ „Heute sind wir ja wieder besonders schlagfertig.“ Sein Tonfall machte deutlich, dass er es nicht zum Lachen fand. Malik seufzte. „Hör zu Mariku, ich hab echt die Schnauze voll von dir und deinen dummen Sprüchen. Lass uns einen Deal machen, okay?“ Mariku sah ihn interessiert an. „Du hast gesagt, du hast ein bisschen Alkohol, also lass uns was trinken und etwas quatschen, aber nicht mehr. Nur trinken und quatschen und dafür lässt du mich in Zukunft in Ruhe. Deal?“ Nachdenklich sah Mariku ihn an. Er wippte mit dem Kopf nach links und rechts als würde er abwägen. „Muss ich dich dann die ganze Zeit in Ruhe lassen?“ „Ja.“ „Schlechter Deal. Ich nerv dich eine Woche lang nicht.“ „Vergiss es.“ „Okay, einen Monat, aber nur, wenn du mich im Trinkspiel schlägst!“ „Deal.“ „Deal.“ Sie besiegelten es mit einem Handschlag. Ryou befeuchtete seine Finger und blätterte um. In der Bibliothek war es still, er hörte auch nicht die Musik der Feier. Noch dazu war Ryou so in sein Buch vertieft, dass er noch nicht einmal das Ankommen einer weiteren Person bemerkte. Bakura blieb stehen und lehnte sich gegen das Regal. Er war ebenfalls der Party ferngeblieben, sehr zu Marikus Ärger, doch er hatte heute andere Dinge im Sinn. Trotzdem hatte er es sich nicht nehmen lassen den Alkohol zu genießen, weshalb er jetzt leicht angetrunken war, doch das machte ihm nichts. Er hatte sich etwas Mut angetrunken. Er trat zwischen den Regalen hervor und räusperte sich. „Ryou?“ Der Angesprochene zuckte überrascht zusammen und klappte dabei das Buch zu. „Bakura?“, fragte er ungläubig. Unruhig setzte er sich aufrechter hin. „Was willst du hier?“ Bakura zuckte nur mit den Schultern. „Du bist nicht auf der Party.“ Er kam langsam näher. „Du auch nicht.“ Misstrauisch beäugte er Bakura als sich dieser neben ihn setzte. Was wollte er? Verstohlen sah er sich um. Wartete Mariku auch noch irgendwo? „Mariku hängt eh nur die ganze Zeit an Malik und sonst ist die Feier sowieso richtig öde.“ „Und was machst du dann ausgerechnet bei mir?“ Ryou war nervös. Er traute der ganzen Sache nicht. „Stör ich dich?“ „Nicht... direkt.“ Lächelnd lehnte sich Bakura in seine Richtung und Ryou roch den Alkohol. „Bist du betrunken?“ „Nein, nur ein kleines bisschen vielleicht. Willst du auch? Dann hol ich uns eine Flasche.“ Ryou schüttelte den Kopf. Kein Alkohol mehr für ihn. „Ist okay.“ Bakura ließ seinen Blick schweifen. „Echt schön hier. Hier hat man seine Ruhe vor so Idioten wie Mariku... oder mir.“ Ryou widersprach nicht. Bakura seufzte. „Ich hatte gehofft, du würdest mir irgendwie widersprechen bei dem Teil, dass ich ein Idiot bin.“ Ryou konnte nicht anders als lachen und Bakura stimmte mit ein. Als Bakura Ryou die Hand auf den Oberschenkel legte hörte dieser auf zu lachen. Die Situation wurde ihm immer suspekter. „Was soll das werden?“ „Ich dachte, wir machen da weiter, wo wir letztens aufgehört haben“, erklärte Bakura flüsternd und strich an Ryous Oberschenkel nach oben. Mit der anderen Hand strich er über Ryous Wange. Ryou biss sich auf die Unterlippe und ließ sich von Bakura streicheln. „Wird das wieder so ein blödes Spielchen?“, fragte Ryou flüstern. Bakura schüttelte den Kopf. Er strich mit seinem Daumen über Ryous Lippen. „Das wird Sex. Und nur Sex. Ist das für dich in Ordnung?“ Ryou nickte. Körperliche Liebe war besser als gar keine. Er erwiderte Bakuras Kuss sofort und öffnete willig seinen Mund für seine Zunge. Bakura zog Ryou auf seinen Schoß und drückte ihn näher an sich. Mariku stellte zwei Flaschen auf den Tisch. Eine war noch voll. Die zweite war schon zur Hälfte geleert worden. „Woher hast du die?“ „Geheimnis“, flötete Mariku. Er stellte zwei Schnapsgläser neben die Flaschen. „Denkst du, du hast eine Chance gegen mich?“ „Dich trink ich zweimal unter den Tisch.“ Mariku lachte. Er nahm die schon geöffnete Flasche und goss Malik ein. „Zeig mir, was du drauf hast.“ Der Alkohol brannte sich seinen Weg Maliks Kehle hinunter und er verzog kurz das Gesicht. „Zu hart für dich?“ „Kein Alkohol ist zu hart für mich.“ Mariku setzte sich Malik gegenüber und trank sein Glas leer. Er füllte ihnen wieder nach. „Also, erzähl mal, warum wurdest du hierher verbannt?“ Malik winkte ab. „Meine Schwester war der Meinung, ich hätte an meiner alten Schule schlechten Umgang.“ Er prostete Mariku zu und leerte das Glas mit einem Zug. „Wenn sie wüsste, dass mein Umgang hier noch schlechter ist.“ Er lachte und leerte das nächte Glas. „Dumme Kuh, und dann ausgerechnet noch ein Jungeninternat. Scheiße man, hatte wohl Angst ich schwängere ein Mädel bevor ich mit der Schule fertig bin.“ „Bei mir braucht sie sich da keine Sorgen machen.“ Mariku streckte die Hand nach Malik aus, doch dieser schlug sie zur Seite. „Tatsch mich nicht an, schenk mir lieber nach.“ „Also wartet jetzt ne Ische auf dich zuhause?“ Malik gab einen abfälligen Laut von sich. „Einer meiner Kumpels hat die sich sicher schon geschnappt. Egal, war eh nur zum Ficken gut.“ Er stieß mit Mariku an und trank aus. Ihm war inzwischen wohlig-warm Dank des Alkohols, doch mehr merkte er davon noch nicht. Er trank das nächste Glas aus. „Und du kannst mit Frauen gar nichts anfangen?“ Mariku schenkte sich nach. „Nein.“ Er leckte sich über die Lippen. „Noch nie.“ „Nie?“, fragte Malik ungläubig. „Niemals, nie, nicht?“ „Nein.“ Mariku trank und schenkte nicht nur bei sich, sondern auch bei Malik wieder ein. „Weiber bringen mich einfach nicht in Stimmung.“ Er zuckte mit den Schultern. Malik schüttelte den Kopf. Er konnte das nicht nachvollziehen. „Und ich hab damit auch einen Vorteil: Ärsche gibt’s hier genug für mich, aber Titten findest du keine. Ich hab keine Not.“ Malik konnte nichts anderes tun als lachen. Er konnte nicht fassen, dass er hier mit Mariku saß und trank und sich einfach nur unterhielt. „Du bist ja gar nicht so zum Kotzen, wenn du dich mal benimmst.“ „Ich bin ein ganz Lieber... manchmal.“ Sie lachten zusammen. „Cheers.“ Sie stießen wieder an und tranken. Bakura schob eine Hand unter Ryous Shirt und streichelte die weiche Haut darunter. Seine andere Hand strich durch Ryous Haare. Begierig küssten sie sich und Ryou rieb sich so aufreizend an ihm, das Bakura längst hart war. Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass Ryou gar nicht so unschuldig war, wie er immer angenommen hatte. Zumindest wusste er genau, wie man küsste. Ryous Finger waren auch schon längst unter seinem Oberteil und hatten es hochgeschoben. Ihre Lippen lösten sich voneinander und Ryou zog Bakura den Stoff vom Leib. Sein eigenes folgte kurz darauf. Sofort küssten sie einander wieder. Ryou war so nervös, wie schon lange nicht mehr. Sex war kein Neuland für ihn, trotzdem war es diesmal etwas Besonderes, denn es war Bakura. Oft genug hatte er sich vorgestellt, wie der Sex mit ihm sein würde und gleich würde er es herausfinden. Küssen konnte er zumindest. Er ließ seine Finger an Bakuras Oberkörper nach unten wandern. Was ihn wirklich interessierte lag immer noch vom Stoff verborgen. Ryou löste sich von Bakuras Lippen und setzte seine Küsse auf dessen Hals fort. Er wanderte tiefer über seinen Brustkorb während er von seinem Schoß rutschte und mit den Fingern Bakuras Hose öffnete. Ryou ließ seine Zunge um Bakuras Nabel kreisen bevor er seinen Weg nach unten fortsetzte. Mit den Fingern hatte er schon begonnen Bakuras Erektion leicht zu reiben, zumindest durch den Stoff. Als er am Rand der Shorts angekommen war zog er daran und Bakura hob die Hüfte leicht an und zog seine Hosen weiter nach unten. Begierig schlossen sich Ryous Lippen um das harte Fleisch. Stöhnend legte Bakura den Kopf in den Nacken. Er hatte mehr damit gerechnet, dass er Ryou einfach schnell ficken würde und anschließend wieder ging, doch mit Ryous Mund um seinen Schwanz war er gerne bereit die Sache in die Länge zu ziehen. Er sah nach unten und legte seine Hand auf Ryous Hinterkopf. Sanft streichelte er ihm durch die Haare. Wer hätte schon ahnen können, dass der Junge so talentiert war? Lachend lehnte sich Malik gegen Mariku und hätte dabei fast den Inhalt seines Glases verschüttet. Schnell trank er es aus, doch trotzdem rann ihm etwas Schnaps über das Kinn. Mariku beugte sich vor und leckte es weg. Malik schob ihn weg. „Du bist ganz schön stur“, lallte er lachend. Inzwischen war er mehr als nur leicht angetrunken, doch sie hatten noch eine halbe Flasche und bisher hatte noch niemand ihr Trinkspiel verloren. Mariku hatte mit steigendem Alkoholkonsum wieder angefangen ihn anzumachen und Malik konnte es nicht lassen ihn zu ärgern und etwas zu provozieren. Er war seit einer Weile nicht mehr Herr seiner Sinne und fand Marikus Anmachversuche deshalb äußerst amüsant. Inzwischen saßen sie auch nicht mehr am Tisch, sondern auf dem Bett. „Ich kann nichts dafür, dass du so geil bist.“ „Ach ja?“ Malik kniete sich hin und legte seine Arme um Marikus Hals. „Was findest du denn besonders geil?“ Mariku legte seine Hände an Maliks Hüften und musterte ihn. „Das kann ich erst beurteilen, wenn ich dich nackt gesehen hab.“ Malik ließ sich zurücksinken und zog sein Shirt nach oben. „Schenk mir lieber nach, Schwuchtel.“ Ryous Stöhnen passte zu seinem Aussehen: es war süß. Sein Gesichtsausdruck war das erotischste was Bakura seit langem gesehen hatte. Bakura führte einen weiteren Finger in Ryou ein und lauschte mit Freuden seinem Stöhnen. „Bakura.“ Ryou küsste ihn. „Ich will lieber deinen Schwanz.“ Bakura zog seine Finger zurück und wollte Ryou eigentlich auf den Rücken legen, doch Ryou machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Bakura hatte sowieso das Gefühl, dass Ryou die Situation schon die ganze Zeit beherrschte. Bakura war bisher nicht wirklich zum Zug gekommen. Doch es störte ihn auch nicht. Es machte ihn sogar an, dass Ryou plötzlich so dominant war. Ryou hatte immer noch den Geschmack von Bakuras Schwanz im Mund; ein Geschmack, den er nicht wieder so schnell vergessen würde. Er ließ sich auf Bakuras Erregung nieder und stöhnte laut auf. Danach hatte er sich schon so lange gesehnt. Er legte seine Hände auf Bakuras Schultern und verwickelte ihn wieder in einen Kuss. Gemächlich bewegte er die Hüften. Er wollte den Sex voll auskosten, denn es war wahrscheinlich der einzige, den er mit Bakura bekam. Bakuras Hände strichen über seinen Rücken. Konnte diese Nacht einfach nie enden? „Wir haben nicht mehr so viel“, stellte Mariku enttäuscht fest und wedelte mit der fast leeren Flasche vor Maliks Gesicht herum. Malik saß inzwischen zwischen Marikus Beinen, mit dem Rücken gegen seine Brust gelehnt. Marikus Hand lag unter Maliks Shirt auf dessen Bauch und streichelte dort sanft über die Haut. Malik nahm ihm die Flasche ab und nahm einen Schluck daraus. „Und wer hat jetzt gewonnen?“ „Ich“, bestimmte Malik selbstsicher. „Da widerspreche ich aber.“ „Du hast hier gar nichts zu sagen.“ Mariku nahm ihm den Schnaps wieder weg und trank selbst einige Schlucke. „Hey, gib’s zurück.“ Malik streckte sich nach der Flasche, aber Mariku hielt sie aus seiner Reichweite. Malik drehte sich um. „Gib her!“ Mariku lachte nur. Er hob die Flasche an die Lippen und trank. Malik wollte ihm die Flasche entreißen, doch damit sorgte er nur dafür, dass der Schnaps Marikus Shirt durchtränke. „Schau dir diese Sauerei an“, maulte Mariku und stellte die leere Flasche beiseite. Malik war nicht bereit den Alkohol zu verschwenden. Er leckte und saugte an Marikus Hals bis hinunter zu seinem Schlüsselbein. Mariku grinste. „Dafür, dass du keine Schwuchtel bist, gibst du ne verdammt gute Schwuchtel ab.“ Malik boxte ihm in den Bauch. „Halt’s Maul, Arschloch.“ „Und jetzt? Kein Alk mehr da.“ Malik zog eine Schnute. Mariku nahm ihn am Kinn und lehnte sich nach vorne. „Wie süß.“ Er küsste leicht Maliks Lippen. Malik drehte den Kopf zur Seite, doch Mariku ließ sich davon nicht aufhalten. Er küsste Maliks Wange und seinen Hals. „Lass das gefälligst“, nuschelte Malik und schob Mariku von sich. Mariku ließ sich zurücksinken und winkte Malik zu sich. Malik grinste. „Was denkst du, was jetzt passiert?“ Der andere Junge zuckte nur mit den Schultern. Leise lachend krabbelte Malik über ihn. Mariku streckte die Hand aus und ließ sie wie schon zuvor unter Maliks Oberteil wandern. Wieder streichelte er über seinen Bauch. „Du bist ganz schön frech.“ „Hat dich vorhin auch nicht gestört.“ Er ließ seine Hand höher wandern und stellte mit Vergnügen fest, dass Malik eine Gänsehaut bekam. „Ist schon eine Weile her, hm? Und mit einer zweiten Person im Zimmer ist alles nicht so einfach.“ „Ach, sei einfach still.“ „Ah Bakura, so gut“, stöhnte Ryou und krallte seine Fingernägel in Bakuras Rücken. Während sich Ryou auf Bakura bewegte stimulierte dieser zusätzlich seine Erregung mit der Hand. Ryou schwirrte der Kopf. Er war sich seiner Umgebung gar nicht mehr bewusst und stöhnte ungehalten. Bakura erging es ebenfalls nicht anders. Für ihn zählten nur noch Ryou und dessen Körper, der sich so hingebungsvoll auf ihm bewegte. Sein Rücken brannte von den Kratzwunden, die Ryou ihm zufügte, doch es kümmerte ihn wenig. „Bakura, ah, Bakura.“ Ryou presste seine Lippen auf Bakuras. Seine Zunge drang forsch in Bakuras Mund ein und dieser ließ sich nur zu gern dominieren. Er war das ja schon von Mariku gewohnt, doch bei Ryou fühlte es sich anders an. Besser. Ryou löste den Kuss wieder, doch sein Gesicht blieb dem Bakuras ganz nah. „Ich komme“, hauchte er. „Bakura.“ Ryou schloss die Augen. Sein Körper erzitterte und verkrampfte sich als er kam. Bakura drückte Ryou an sich, schmierte Sperma an seinen Rücken und erreichte seinen Höhepunkt kurz danach. Malik wimmerte und Mariku strich ihm sanft über die Wange. „Gleich ist es gut.“ Er schob sich behutsam tiefer in Maliks Körper und dieser presste die Augen zusammen. „Es wird besser“, flüsterte Mariku Malik zu und küsste seine Wange. Mariku ließ seinen Blick über Maliks nackten, erregten Körper wandern. Es war der geilste Anblick seit langem. „Mariku“, wimmerte Malik. Seine Finger hatten sich ins Laken gekrallt. Mariku sah ihn wieder an. Maliks Augen waren vom Alkohol verklärt und morgen würde er sich wahrscheinlich nicht einmal mehr an das erinnern können was passiert war, aber Mariku war selbst betrunken genug um es zu vergessen. Gierig küsste er Malik und dessen Lippen öffneten sich bereitwillig für seine Zunge. Während sie sich küssten, begann Mariku in Malik zu stoßen. Dieser wimmerte in den Kuss hinein, doch er unterbrach ihn nicht. Marikus Hände streichelte über Maliks Körper bis hinunter zwischen seine Beine. Malik legte stöhnend den Kopf in den Nacken und Mariku küsste seine Kehle. Maliks Welt drehte sich. Sein Alkoholpegel machte es unmöglich für ihn einen klaren Gedanken zu fassen. Sein Körper wurde mit den unterschiedlichsten Gefühlen geflutet; Abneigung, etwas in ihm sagte ihm, dass er gar nicht wollte was gerade passierte; Schmerz, er hatte das Gefühl zu zerreißen, als Mariku in ihn eingedrungen war; Lust, so viel Lust. Marikus Name lag auf seinen Lippen. Ryou stolperte durch die Dunkelheit zurück zu seinem Zimmer. Seine Beine fühlten sich an wie Pudding. In seinem Bauch kribbelte es noch und wenn er zurückdachte begann sein Herz wieder schneller zu schlagen. Er spürte Bakura immer noch. Irgendwie hatte er auch noch gar nicht realisiert, was passiert war. Er grinste. Bakura hatte sich kurz nachdem sie fertig gewesen waren wieder verzogen und Ryou war noch eine Weile sitzen geblieben. Als er müde geworden war, hatte er sich angezogen und jetzt wollte er nur noch in sein Bett und noch mal in Ruhe über alles nachdenken. Das Licht brannte noch als Ryou das Zimmer betrat und ihm stieg sofort der Alkoholgeruch in die Nase. Malik und Mariku lagen im Bett, nackt und schliefen. Mariku hatte seine Arme um Malik gelegt. Ryou schüttelte nur den Kopf. Das war ja schneller gegangen, als er erwartet hatte. Er hob die zwei leeren Flaschen vom Boden auf und stellte sie auf den Tisch. Wie konnte man nur so viel saufen? Er ging ins Bad um sich zu waschen und sich umzuziehen. Ryou gähnte und streckte sich. Er freute sich jetzt auf sein Bett. Kapitel 5 Malik murrte. Nur langsam erwachte er aus seinem Schlaf und kam in den „Genuss“ der hämmernden Kopfschmerzen. Malik jammerte leise und drehte sich auf die andere Seite. Er kuschelte sich an den warmen Körper neben ihm. Malik riss die Augen auf. Er blickte direkt auf eine muskulöse Brust. Schnell setzte er sich auf und musste erst gegen den leichten Schwindel ankämpfen. Er hob die Decke an und stellte fest, dass nicht nur er, sondern auch Mariku nackt war. „Nein“, flüsterte er. „Nein, nein, nein, nein.“ Er strampelte mit den Beinen, stemmte sich gegen Mariku und schob ihn vom Bett. „Du widerliches Schwein!“, brüllte er. Die Kopfschmerzen waren vergessen. „Du kranker, perverser Scheißkerl!“ Ryou, im anderen Bett, zog sich die Decke über den Kopf. Er hatte schon geahnt, dass das passieren würde. Mariku rieb sich den Hinterkopf und sah verschlafen und verwirrt auf. „Was los?“, nuschelte er. Er verstand die Welt nicht mehr. „Du verdammtes Arschloch!“ Malik warf ihm ein Kissen ins Gesicht und sprang auf. So schnell er konnte sammelte er seine Kleidung auf und zog sich notdürftig an. „Bäh! Bäh! So widerlich!“ Er schauderte und stürmte aus dem Zimmer. Mariku saß immer noch auf dem Boden und sah sich verwirrt um. Was war gerade passiert? Malik schimpfte und fluchte immer noch, als er sein eigenes Zimmer betrat und schreckte damit Bakura aus dem Schlaf. „Was ist los?“, fragte Bakura gähnend. Ihm war letzte Nacht gar nicht aufgefallen, das Malik gar nicht in seinem Bett lag. Er hatte andere Dinge im Kopf gehabt. „Das ist so widerlich!“, sagte Malik laut. „Ich muss duschen!“ Und schon war er in dem kleinen Badezimmer verschwunden. Bakura hob verwundert die Augenbrauen und ließ sich zurück auf die Matratze fallen. Was hatte Mariku denn jetzt schon wieder angestellt? Wie ein Irrer schrubbte Malik über seinen Körper. Ihn schüttelte es regelrecht, als er daran dachte, was zwischen ihm und Mariku vorgefallen war. Auch wenn er sich kaum erinnerte, sprach das getrocknete Sperma zwischen seinen Beinen Bände. Er schrubbte noch stärker. Wie hatte er sich nur darauf einlassen können mit Mariku was zu trinken? Das war das Dümmste, was er je in seinem Leben getan hatte. Natürlich musste Mariku die Gelegenheit ausnutzen, wenn er stockbesoffen war und sich nicht wehren konnte. Was hatte er denn anderes erwartet? „Wäääh!“, rief Malik und schauderte. Er hatte Sex mit einem Mann gehabt – gab es etwas Widerlicheres? „Ich glaub, ich muss kotzen“, sagte er zu sich selbst und schrubbte bis die Haut rot war. „Was hast du jetzt schon wieder angestellt?“, fragte Bakura und setzte sich zu Mariku aufs Bett. Mariku trank die Wasserflasche leer und wischte sich über den Mund. „Nichts“, antwortete er schließlich. Bakura sah ihn ungläubig an. Die leeren Schnapsflaschen sagten deutlich, dass sich Mariku, wahrscheinlich zusammen mit Malik, erheblich einen hinter die Binde gekippt hatte. „Er hat Malik gebumst“, antwortete Ryou vom Bett aus. Er war immer noch nicht aufgestanden und hatte den beiden Jungen auch den Rücken zugewandt. Er war noch nicht dazu bereit Bakura zu sehen. Sein Herz klopfte allein vom Klang seiner Stimme schon schnell genug. „Hast du?“, hakte Bakura sofort nach. „Kann sein.“ Mariku rieb sich das Kinn. „Aber ich kann mich nicht richtig erinnern.“ Er zog die Stirn kraus. Die Geschehnisse der letzten Nacht waren verschwommen. Er konnte nicht mit Sicherheit sagen, dass er mit Malik geschlafen hatte und das ärgerte ihn. Seine Erinnerung spuckte nur Fetzen der letzten Nacht aus. „Das ist Vergewaltigung!“ Mariku verdrehte die Augen. „Papperlapapp. Er hat sich doch an mich rangeschmissen, das hättest du mal sehen sollen.“ „Er war betrunken.“ „Aber ich doch auch“, verteidigte sich Mariku. Seit wann war Bakura denn so ein Moralapostel? „Er hat sich nicht gewehrt... glaub ich.“ „Du kannst ihn nicht einfach ficken, nur weil er betrunken ist. Du weißt doch genau, dass er das nicht will. Er ist nicht schwul!“ „Halt’s Maul“, fuhr Mariku seinen besten Freund an. „Ich hab die Schnauze voll von deinen Belehrungen. Ich hab ihn gefickt, und jetzt? Soll er mich doch anzeigen, wenn’s ihm nicht passt.“ Er stand auf und ging Richtung Bad. „Mariku!“ „Verpiss dich!“ Kraftvoll schlug er die Tür hinter sich zu. Bakura seufzte. Er sah zu Ryou, doch dieser hatte ihm den Rücken zugewandt. Es hatte ja sowieso keinen Sinn später noch einmal auf Mariku einzureden. Er würde es einfach nicht lernen. Malik saß auf dem Bett und hatte sein Gesicht in den Händen vergraben. Er versuchte das wenige zu vergessen, was er von der letzten Nacht noch wusste, doch je stärker er es versuchte, desto mehr Erinnerungen kamen zurück. Wie hatte er das nur zulassen können? Hatte er wirklich Mariku angebaggert? Hatte er wirklich einen Orgasmus von all dem gehabt? Malik schauderte. Er würde nie wieder Alkohol trinken. „Malik?“ Bakura war ins Zimmer zurückgekommen. Als Malik aus dem Bad gekommen war, war er schon weg gewesen. „Wie geht’s dir?“ Malik hob den Blick und sah Bakura an. „Was glaubst du, wie’s mir geht?“, fauchte er ihn an. „Es ist so wi-der-lich.“ Er strich sich mit beiden Händen die Haare zurück. „Willst du darüber reden?“ „Nein! Bloß nicht! Ich will das vergessen und so tun, als wäre es nie passiert und jetzt lass mich in Ruhe!“ Bakura presste die Lippen aufeinander. Zumindest in einer Sache waren sich Malik und Mariku einig: sie wollten nicht mit ihm reden. Trotzdem würde das noch eine Menge Ärger zwischen den Beiden geben. Als sich Mariku aus dem Zimmer verzogen hatte, stand auch Ryou endlich auf. Er streckte sich ausgiebig und öffnete das Fenster um den Geruch von Schnaps und Schweiß loszuwerden. Er zog Grimassen vor dem Spiegel nachdem er sich die Zähne geputzt hatte. Er sah nicht anders aus als sonst und nichts deutete darauf hin, dass er mit Bakura geschlafen hatte. Ryou kämmte sich die Haare. Trotzdem hatte sich nichts verändert. Bakura hatte ihm gesagt, dass es nur Sex war und Ryou hatte das akzeptiert. Er liebte Bakura, daran hatte sich nichts geändert und jetzt hatte er ihm endlich näher sein dürfen, als fast kein anderer und doch fühlte er sich leerer als vorher. Er sollte glücklich sein, aber er war es nicht. Ryou ließ sich auf den Toilettendeckel sinken und strich sich über die Augen. Nein, er wollte nicht weinen. Tränen hatten überhaupt keinen Sinn. Er krallte seine Fingernägel in seine Unterarme und biss sich auf die Unterlippe. Als die Haut brach und die Lippe aufplatzte, sodass Blut floss, fühlte er sich wieder etwas ruhiger. Das Blut tropfte über sein Kinn und Ryou wischte es weg. Die Kratzer an seinen Armen brannten, doch er fühlte sich besser. Ryou atmete tief durch und zog sich an. Mariku saß auf einer Bank und warf Steinchen in den Teich, als sich Bakura zu ihm gesellte. Schweigend setzte er sich neben seinen Freund und beobachtete das unruhige Wasser. „Ich hab ihm nicht wehgetan“, sagte Mariku plötzlich. Er hatte die letzte Stunde mit dem Versuch verbracht, sich die letzte Nacht in Erinnerung zu rufen. Er sah Malik vor sich, wie er sich das Shirt hochzog und ihm nah kam. Er hatte zugelassen, dass er ihn streichelte und sich gegen ihn gelehnt. Malik mochte jetzt etwas anderes behaupten, aber der Sex hatte ihm gefallen. „Ich hab ihn zu nichts gezwungen.“ Bakura seufzte. Er musste überlegen, was er antworten sollte, wenn er Mariku nicht wieder wütend machen wollte und Mariku war verdammt leicht zu erzürnen. „Es war trotzdem nicht korrekt“, begann er vorsichtig, „vielleicht wollte er es als er betrunken war, aber auch wenn’s ihm gefallen zu haben scheint, es ist besser, wenn du ihn in Zukunft in Ruhe lässt.“ Mariku schwieg und warf weiter Steine ins Wasser. „Ich glaub, ich bin in ihn verliebt“, sagte er plötzlich, doch Bakura war nicht überrascht. Er lachte auch nicht, denn er kannte Mariku lange genug um zu wissen, dass er darüber nicht scherzte. Er hatte es schon vermutet, denn Mariku war niemand, der sich lange auf eine Person fixierte, doch Malik war seit Schuljahresanfang sein Lieblingsthema. Bakura strich seinem Freund durch die Haare. „Mein kleiner Idiot.“ „Ich bin größer als du“, widersprach Mariku und Bakura lächelte. Er beugte sich vor und küsste Mariku sanft. Mariku legte seine Hand auf Bakuras Hinterkopf und zog ihn näher. Es lag kein sexuelles Verlangen in ihrem Kuss, nur tiefe Freundschaft. „Du hast mit Ryou geschlafen“, sagte Mariku plötzlich. Bakura war so überrascht, dass er nicht wusste, was er dazu sagen sollte. „Wa-woher weißt du das?“ „Ich hab geraten.“ Mariku lehnte sich zurück. „Also hast du’s wirklich gemacht.“ Bakura nickte. „War gut?“ „Ja. Sehr.“ „Und wie geht’s weiter?“ Bakura zuckte mit den Schultern. „Gar nicht, denke ich.“ Mariku streichelte Bakuras Wange mit seinen Fingerrücken. „Bist du sicher?“ Bakura nickte nur. „Komm mir bloß nicht zu nahe“, fauchte Malik kaum als er Mariku sah. Mariku hob abwehrend die Hände. „Reg dich ab. Ich mach doch gar nichts.“ „Du hast ja auch schon genug angestellt“, fuhr Malik ihn weiter an. Inzwischen erinnerte er sich recht gut an das, was passiert war und war von sich selbst beschämt. Er schob lieber alle Schuld auf Mariku. „Hey, es ist nicht so als hättest du es...hmpf.“ Der Rest des Satzes wurde von Maliks Hand abgewürgt. Er hatte sie auf Marikus Mund gedrückt. „Sei still! Das ist nie passiert, hörst du? Nie!“ Er nahm seine Hand wieder von Marikus Mund. „Nur fürs Protokoll: jetzt bist du mir nahe gekommen.“ Ohne darauf eine Antwort zu geben ging Malik an ihm vorbei. Mariku sah ihm hinterher. Unruhig wälzte sich Bakura in seinem Bett. Seit er mit Ryou geschlafen hatte, schlief er nur sehr schlecht und wenn, dann hatte er Albträume. Hatte er einen Fehler gemacht? War der Sex daran schuld, dass all diese schrecklichen Erinnerungen wieder hochkamen? Er kannte Ryou kaum und vertraute ihm nicht, doch er zog ihn an und so hatte er seinen Trieben nachgegeben. Es war schön gewesen, für den Moment, doch inzwischen bereute er es. Er zog die Decke enger um sich. Er hätte sich einfach nie darauf einlassen sollen. Nur langsam driftete Bakura in einen unruhigen Schlaf ab. Gehetzt rannte ein kleiner Junge einen langen, dunkeln Flur entlang. Er hatte keine Fenster und es gab keine Türen. Ein Ende war nicht in Sicht. Die Kleidung des Jungen war blutverschmiert. Sein weißes Haar rot verfärbt. Immer wieder warf einen Blick über die Schulter um zu sehen, ob er noch verfolgt wurde. Er hörte Schritte, schlurfend und langsam und er rannte schneller, doch egal wie schnell er lief, die Schritte kamen immer näher. Bakura keuchte. Tränen rannen ihm über die Wangen. Plötzlich stolperte er und fiel der Länge nach hin. Er wollte wieder aufspringen und weiterlaufen, doch er konnte nicht, etwas hielt ihn fest. Panisch drehte Bakura sich um und erstarrte vor Angst. Die eisblauen Augen waren dumpf und leblos. Der Mund des Mannes, der ihn festhielt, öffnete sich, doch Bakura konnte nicht verstehen, was er sagte. Blut klebte überall an dem Mann und in seinem Herzen steckte ein Messer. Als der Mann anfing, das zu lange T-Shirt, welches Bakura trug, nach oben zu schieben, kam wieder Leben in den Jungen. Er schlug und trat um sich, doch es zeigte keine Wirkung. Er konnte sich aus dem eisernen Griff nicht befreien. Bakura wimmerte. Kalte Finger berührten die kindliche Haut. Er hatte aufgehört sich zu wehren, es hatte sowieso keinen Sinn. Er würde niemals entkommen. Bakura schloss die Augen. Er wusste nur zu gut was ihn erwartete. Er schrie laut, als der Schmerz durch seinen Körper zuckte. „Bakura! Bakura!“ Bakura schreckte aus dem Schlaf hoch. Seine Augen waren weit aufgerissen und er zitterte am ganzen Leib. Er war schweißdurchnässt und sein Herz raste. „Du hast geschrien wie am Spieß.“ Bakura sah zur Seite. Im schwachen Licht der Nachttischlampe konnte er Malik erkennen. Nur langsam beruhigte er sich wieder. Es war nur ein Traum, nur ein Traum... nein, es war mehr als das. Es hatte keinen Sinn, wenn er sich etwas vormachte, es mochte jetzt ein Traum gewesen sein, doch er entsprang seinen Erinnerungen. „Alles okay?“ Malik trat nervös von einem Bein auf das andere. „Ich hab nur schlecht geträumt“, murmelte Bakura und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ihm war kalt und er zog die Decke wieder hoch. „Sorry, dass ich dich aufgeweckt habe.“ „Soll ich jemanden holen?“ „Ach Quatsch“, er zwang sich ein Lächeln auf die Lippen, „war doch nur ein Traum.“ Malik sah ihn ein letztes Mal mit hochgezogenen Augenbrauen an und drehte sich dann um, um sich wieder hinzulegen. Er löschte das Licht. An Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken. Er wollte nicht noch einmal zurück in diese grausame Traumwelt. Er hatte diesen Traum schon lange nicht mehr gehabt und er hatte gehofft, er würde ihn nie wieder haben. Die Erlebnisse seiner Kindheit begleiteten ihn wie ein Schatten und hatten dafür gesorgt, dass er niemandem traute oder sich jemandem öffnete. Er hatte seine Angst vor anderen Menschen größtenteils bezwungen, auch Dank Mariku, doch die Angst von jemandem verletzt zu werden den er liebte, saß so tief, dass es dafür keine Heilung gab. Er drehte sich auf die Seite. Er hätte niemals zulassen sollen, dass er Ryou so nahe kam. Fast hätte Ryou gelacht. Es war wirklich idiotisch, was er hier tat. Einfach nur dumm und trotzdem öffnete er sacht die Haut mit einem Messer. Er war sich darüber bewusst, dass es nichts brachte, außer ein paar Narben, doch er fühlte die Erleichterung, wenn er sein Blut sah. Es war als würden all seine Sorgen zusammen mit dem Blut aus seinem Körper fließen. Sein Verhältnis zu Bakura war noch schlechter als zuvor. Er hatte sich keine großen Hoffnungen gemacht, doch Bakura behandelte ihn immer mehr wie einen Fremden, nein, noch schlimmer; er behandelte ihn, als wäre Ryou gar nicht da. Das nervte ihn. Das nervte ihn noch mehr, als wenn er ihn ärgerte, da hatte er zumindest noch etwas Aufmerksamkeit bekommen. Wütend warf Ryou das Messer auf den Boden. Das war doch alles zum Kotzen! Er hätte gern jemanden mit dem er über alles reden konnte, doch Malik konnte er sowieso vergessen. Bei dem drehte sich doch sowieso alles nur um Mariku und seit sie gefickt hatten, war es noch schlimmer. Malik tat so als hätte Mariku ihn mit der Pest infiziert. Ryou konnte darüber nur die Augen verdrehten. Es würde sowieso nur damit enden, dass sie es erneut miteinander trieben. Seufzend stand er auf und hielt seinen Arm unter den Wasserhahn. Vorsichtig wusch er das Blut ab und achtete darauf, dass nirgends auch nur ein Tropfen übrig blieb. Mariku sollte nicht noch einen Grund haben ihn aufzuziehen. Seit Malik ihn noch mehr verteufelte als sonst schon, war er noch unausstehlicher. Ryou hätte nicht erwartet, dass das noch möglich war, aber Mariku schaffte es einfach. Wieso war er nur in so einem Irrenhaus gelandet? Irgendwie hatte hier jeder einen Knacks in der Birne. Außer Mariku, der war einfach nur ein Arschloch. Malik brütete über seinen Hausaufgaben, doch er konnte sich nicht darauf konzentrieren. Er hatte kurz davor mit seiner Schwester telefoniert und ihr mitgeteilt, wie sehr er es hier hasste und dass er es nur mit Psychopathen zu tun hatte und das sie ihn gefälligst sofort wieder von der Schule nehmen solle. Isis hatte gelacht. Die dumme Pute hatte verdammt noch mal gelacht. Am liebsten wäre Malik durch den Hörer gesprungen. Und dann laberte sie ihn auch noch zu, dass das alles nicht so schlimm sei und er das eine Jahr schon durchstehen würde. Wütend warf Malik seinen Stift gegen die Wand und schlug sein Buch zu. Er hatte immer noch nicht verarbeitet, was zwischen ihm und Mariku vorgefallen war. Er ekelte sich vor sich selbst. Das Schlimmste waren die Träume. In seinen Träumen passierte es immer wieder und wenn er aufwachte, war er hart. Malik schüttelte sich. Es war so widerlich. Apropos Träume... Er sah zu Bakuras leeren Bett. Sein Zimmergenosse schrie in letzter Zeit immer wieder im Schlaf. Er hatte versucht zu erfahren, was mit ihm los war, doch Bakura blockte nur ab. Seine Albträume schienen jedenfalls ziemlich heftig zu sein. Jedes Mal, wenn Malik ihn weckte, stand ihm das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Malik stand auf und holte seinen Stift. Er würde Bakura gerne helfen, aber das konnte er nicht, solange er nicht mit ihm redete. Der einzige, der wahrscheinlich Bescheid wusste, war Mariku und mit dem würde er in tausend Jahren nicht reden. Mariku warf einen Tennisball gegen die Mauer und fing ihn anschließend wieder. Er würde gerne mit Malik reden und sich entschuldigen, doch jedes Mal, wenn er es versuchte, endete es nur in einem fürchterlichen Streit. Noch viel mehr Sorgen machte er sich aber um Bakura. Er sah seinem Freund an, dass mit ihm etwas nicht stimmte, aber Bakura wollte nicht darüber reden. Er sagte nur immer, dass alles in Ordnung war, doch sogar ein Blinder konnte sehen, dass er log. Er war unachtsam, unkonzentriert und schreckhaft. Das gefiel ihm nicht. Auch Ryou benahm sich irgendwie seltsam. Er hatte erwartet, dass er glücklicher war. Da schwärmte er schon so lange für Bakura und dann hatten sie endlich Sex und Ryou zog ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Trotzdem beschäftige Bakura ihn mehr, immerhin waren sie seit vielen Jahren beste Freunde. Doch wie konnte er ihm entlocken was los war, wenn er nicht mit ihm reden wollte? Es gab nur eine Möglichkeit: Malik. Sie teilten sich ein Zimmer, Malik wusste daher vielleicht mehr ohne sich dessen bewusst zu sein. Mariku seufzte. Das konnte ja nur schiefgehen. „Verpiss dich!“ Mariku verdrehte die Augen. Er hatte es ja geahnt. „Ich will nur...“ „Verschwinde!“ „Nur ganz kurz...“ „Mir egal. Geh weg oder ich hau dir eine rein.“ „Dann hau mir eine rein, aber ich gehe nicht, bevor ich nicht mit dir geredet hab.“ Er fing das Kissen auf, das Malik nach ihm warf. „Ich will deinen Scheiß nicht hören!“ Mariku packte Malik am Handgelenk, drückte ihn gegen die Wand und legte ihm die Hand auf den Mund. Malik versuchte sich zu befreien, doch er war chancenlos. „Hör zu, es geht ausnahmsweise mal nicht um dich“, fauchte Mariku. „Ich will wissen, was mit Bakura los ist, das ist alles. Bist du ein braver Junge und lässt mich mit dir darüber reden?“ Mit grimmigen Blick nickte Malik. „Gut.“ Mariku nahm seine Hand weg und brachte einige Schritte Abstand zwischen sich und Malik. „Also, er redet nicht mit mir. Ist dir irgendwas an ihm aufgefallen in letzter Zeit?“ „Na ja“, Malik rieb sich das Handgelenk, an dem Mariku ihn gepackt hatte, „mit mir redet er auch nicht, aber er schreit seit neustem im Schlaf. Er sagt es sind nur Albträume, aber der hat so ne Panik jedes Mal. Er...“ Doch Malik konnte nicht noch mehr sagen, denn Mariku stürmte schon wieder aus dem Zimmer. „Mariku, hey!“, rief er ihm hinterher. „Arschloch.“ Bakura fand seinen Freund am Fußballplatz, wo er den Jungs der höheren Klassen beim Training zuschaute. Es war zwar November, aber noch nicht zu kalt um drinnen trainieren zu müssen. „Er ist wieder da, nicht wahr?“ „Ich weiß nicht, wovon du redet“, antwortete Bakura ohne sich umzudrehen. „Du weißt ziemlich genau von was ich rede. Du hast wieder Albträume.“ „Nein“, stritt Bakura es ab. Wieso konnte Mariku ihn nicht in Ruhe lassen? Reden half doch auch nichts. „Doch. Ich hab mit Malik geredet, er hat es mir erzählt.“ „Sicher, dass ihr geredet habt? Ihr schreit euch doch sonst nur immer an.“ „Wenn es um dich geht, hab ich keine Zeit für seine dummen Spielchen.“ Bakura sah auf. „Du weißt, dass ich für dich da bin. Immer. Wieso wolltest du es verheimlichen?“ Bakura seufzte. „Es sind nur Träume. Die vergehen wieder.“ „Aber es ist besser, wenn du darüber redest.“ „Das nützt GAR NICHTS!“ Bakura fuhr sich durch die Haare. „Ich hätte niemals mit ihm schlafen dürfen. Nie! Es war so dumm!“ Mariku setzte sich neben seinen Freund und nahm ihn in die Arme. „Aber du magst ihn doch. Lern ihm zu vertrauen und zu lieben.“ „Es geht nicht“, flüsterte Bakura. „Es geht einfach nicht. Ich kann ihn nicht lieben.“ Kapitel 6 Anfang Dezember fing es an zu schneien. Dichte Schneeflocken hüllten die Landschaft in ein weißes Kleid. Malik und Mariku hatten sich einigermaßen zusammen gerauft, zumindest brüllte Malik nicht sofort los, wenn er Mariku auch nur sah. Bakuras Albträume hatten nachgelassen und auch Ryou hatte sich wieder etwas geöffnet und verbrachte seine Zeit wieder mehr mit Malik. Trotzdem hatte er ihm gegenüber immer noch nicht erwähnt, was zwischen ihm und Bakura vorgefallen war. Nach Maliks Erlebnis mit Mariku war das wohl auch besser. Die Klinge setzte er trotz allem an. Es war schon fast zur Gewohnheit geworden. Ein Laster, wie rauchen. „Verdammt noch mal!“ Wütend knallte Malik den Hörer auf die Gabel. Kurz darauf hob er wieder ab und hämmerte die Telefonnummer von Zuhause regelrecht in das Nummernfeld, doch zu seinem großen Ärgernis bekam er kein Freizeichen. Seit zehn Minuten versuchte er schon zuhause anzurufen, doch keiner seiner Versuche war von Erfolg gekrönt. Außer Rauschen hörte er gar nichts aus der Leitung. „Na, geht’s nicht?“ Erschrocken zuckte Malik zusammen und sah Bakura genervt an. Dieser nahm ihm nur den Hörer ab, hob ihn ans Ohr und schüttelte den Kopf. „Das kannst du vergessen. Warte lieber bis der Schneefall leichter wird.“ „Was?“ Bakura legte auf. „Kommt im Winter öfter vor. Die Leitung ist nicht so gut und wenn dann viel Schnee da ist, dann bricht sie total zusammen.“ „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“ „Doch, mein voller Ernst.“ Bakura zuckte mit den Schultern. „Probier’s einfach jeden Tag, vielleicht hast du ja mal Glück. Ansonsten ist Weihnachten hier auch echt schön. Gibt auch Geschenke, was Kleines zumindest.“ „Toll“, erwiderte Malik ironisch. „Das hab ich mir immer gewünscht.“ Er hatte gehofft, er konnte seine Weihnachtsferien zuhause verbringen. Zwei Wochen Ruhe wären eine wahre Erholung gewesen. Vielleicht hätte er Isis auch davon überzeugen können, dass er wieder auf eine normale Schule kam. Wenn er ihr all die Dinge über Mariku erzählte, dann holte sie ihn bestimmt wieder zurück. Na ja, fast alle Dinge. Bakura legte einen Arm um Maliks Schulter. „Die Plätzchen sind wirklich fantastisch und es gibt kleine Kuchen, ein Traum“, schwärmte Bakura. „Bleib bei uns, du wirst es nicht bereuen. Wir können auch an den See fahren und Schlittschuhlaufen.“ „Es gibt hier einen See?“, fragte Malik erstaunt. „Ja, so ne Stunde von hier ungefähr.“ „Hm, klingt gar nicht so übel.“ „Siehste. Hier ist es auch echt chillig in den Ferien.“ Er machte eine ausschweifende Handbewegung. „Wir haben alles für uns.“ „Aber dann hab ich wieder Mariku im Nacken“, murrte Malik mit finsterer Miene. „Ich kann ihn ein bisschen von dir fernhalten, aber er ist halt mein Kumpel.“ Bakura zuckte mit den Schultern. „Versuch dich ein bisschen mit ihm zu arrangieren.“ Malik öffnete den Mund um empört zu widersprechen, doch Bakura ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Ja, ich weiß, was passiert ist, aber es lässt sich eh nicht mehr ändern und ihr könnt euch nicht jedes Mal die Köpfe einschlagen, wenn ihr euch seht.“ „Ich weiß“, seufzte Malik. „Warum bist du in Ordnung und er nur so ein Vollidiot?“ Bakura grinste nur. Verträumt sah Ryou aus dem Fenster, ein Lächeln lag auf seinen Lippen. Er liebte den Winter und den Schnee. Er mochte es, wenn alles weiß wurde und das Leben sich irgendwie verlangsamte, zumindest fühlte es sich für ihn so an. Alles wurde ruhiger und bedächtiger. Als würde die Welt schlafen und der Schnee war die Decke. Ryous Lächeln wurde breiter. Seine Mutter hatte ihn, als er klein war, gerne „ihre kleine Schneeflocke“ genannt. Auch ein Grund, warum er den Schnee so liebte, er erinnerte ihn an seine Mutter. Traurig wandte er den Blick ab. Er vermisste sie. Wenn sie noch am Leben wäre, dann würde es ihm jetzt sicher besser gehen. Er wäre nicht hier und er hätte nie Bakura kennen gelernt. Mit zittrigen Fingern strich er über seinen Unterarm. Überall waren Schnitte, verheilte und frische. Er konnte nicht damit aufhören. Er hatte es versucht, doch je länger er darauf verzichtete, desto stärker wurde sein Bedürfnis zu heulen. Er blutete lieber, als auch nur eine Träne zu vergießen. Ryou lachte leise. Was für ein Idiot er doch war, aber er konnte nicht mehr zurück. Er öffnete das Fenster und Schnee wirbelte in das kleine Badezimmer. Ryou fröstelte leicht, doch es störte ihn nicht. Er setzte sich auf das Fensterbrett und ließ die Beine nach unten baumeln. Er wagte es nicht nach unten zu sehen, denn die Höhenangst war er immer noch nicht los. Tief atmete er die kalte, frische Luft ein. Er fühlte sich unglaublich frei. Summend saß er auf dem Fensterbrett bis ihm zu kalt wurde, dann kletterte er zurück ins Bad und schloss das Fenster. Ryou nahm das Messer zur Hand und fuhr vorsichtig über die Klinge. Etwas Blut klebte daran. Er drehte den Wasserhahn auf um sie sauber zu machen. Das Blutrinnsal auf seinem Arm war getrocknet und gerade, als er es abwaschen wollte, öffnete sich die Tür. „Ryou verdammt, wie lang willst du...“ Mariku stockte, als er Ryou sah. Geschockt ließ dieser das Messer fallen und zog den Ärmel über seinen Arm. Es war zu spät; Mariku hatte es gesehen. Marikus Augen verengten sich. „Was soll das werden?“, fragte er scharf. Ryou antwortete nichts, sondern versuchte sich an Mariku vorbei zu drängen, doch Mariku packte ihn am Handgelenk und drückte Ryou gegen den Türrahmen. „Ich wiederhole mich nur ungern, aber ich frage dich noch mal: was soll das werden?“ „Das geht dich nen Scheißdreck an!“, fauchte Ryou und versuchte Mariku von sich zu drücken. „SAG’S MIR!“ „Seit wann interessieren dich die Probleme anderer?“ „Seit du ein Idiot bist!“ Ryou presste die Lippen aufeinander. „Was soll der Mist? Bist du jetzt völlig bekloppt?“ Ryou drehte den Kopf zur Seite. Was wusste Mariku schon? Er hatte doch keine Ahnung! Mariku packte ihn am Kinn und zwang Ryou ihn anzusehen. „Krieg ich jetzt endlich mal eine Antwort?!“ „Leck mich.“ Mariku ließ Ryou los und trat einen Schritt zurück. „Du brauchst Hilfe“, sagte Mariku mit ruhiger Stimme. „Du auch“, erwiderte Ryou und rieb sich das Handgelenk. „Lass mich einfach machen, was ich will. Das hat mit dir gar nichts zu tun!“ „Ist das wegen Bakura?“ „Was weißt du schon.“ „Genug. Ich kann dir helfen.“ Ryou brach in schallendes Gelächter aus. Ihm kamen sogar die Tränen. „Du? Du bist doch selbst kaputt! Lass mich in Ruhe, Mariku. Du hast doch keine Ahnung, wie ich mich fühle.“ Mit diesen Worten rannte Ryou aus dem Zimmer. „Doch, ich weiß das ganz genau“, flüsterte Mariku. Selbst Malik bemerkte, dass mit Mariku etwas nicht stimmte. Er schien sich kaum noch für ihn zu interessieren und war in Gedanken meistens ganz woanders. Nicht, dass Malik das störte... zumindest eigentlich sollte ihn das nicht stören, doch es war einfach ein ungewohntes Gefühl nicht mehr im Mittelpunkt von Marikus Aufmerksamkeit zu stehen. Es machte ihn unruhig, doch er wollte auch nicht bei Bakura nachfragen. Am Ende würde das nur einen falschen Eindruck erwecken. Doch auch Ryou benahm sich seltsam. Malik hatte das Gefühl, Ryou würde Mariku noch mehr aus dem Weg gehen als er selbst. Er hatte Ryou gefragt, aber der zuckte nur immer mit den Schultern und sagte, dass alles okay wäre. „Mariku.“ Bakura hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah seinen Freund ernst an. „Raus mit der Sprache.“ „Hm?“ Mariku sah verwirrt auf. „Irgendwas ist im Busch.“ „Ich weiß nicht, was du meinst.“ Mariku hatte mehrmals den Versuch unternommen mit Ryou zu sprechen, aber Ryou hatte einen Dickschädel aus Granit. Er machte sich Sorgen um den Kleinen. Auch wenn er ihn ständig ärgerte, so mochte er Ryou... irgendwie zumindest. Er wollte nicht, das Ryou weiter abrutschte. „Mariku“, sagte Bakura langsam. „Hatten wir die Situation nicht erst vor kurzem schon mal, nur anders rum?“ „Es geht nicht um mich“, seufzte Mariku. Es wäre wohl am besten, wenn er Bakura davon erzählte. Vielleicht kam er an Ryou ran. Andererseits, wenn Bakura der Auslöser war, konnte er es schlimmstenfalls noch schlimmer machen. „Geht’s um Malik?“ Mariku schüttelte den Kopf. „Um wen dann?“ „Ich kann’s dir nicht sagen, noch nicht.“ Bakura zog die Stirn kraus. „Du machst mich nur noch neugieriger.“ Mariku stand auf und legte seine Hände auf Bakuras Schultern. „Tu mir einen Gefallen: red mit Ryou, okay?“ Er hatte beschlossen, dass es wohl doch besser war, wenn Bakura und Ryou die Sache klärten. Ryou war sowieso nicht gut auf ihn zu sprechen, am Ende war er es selbst noch, der alles schlimmer machte. „Mit Ryou?“ Bakura sah Mariku erstaunt an. „Was ist mit ihm?“ Er hatte ja mit vielen gerechnet, doch nicht, dass sich Mariku plötzlich um Ryou sorgte. Stand dieses Jahr denn komplett auf dem Kopf? Verkehrte Welt? „Ich will nicht mit ihm reden.“ „Tu’s oder ich zwing dich. Ihr müsst miteinander reden.“ „Lass es bleiben, Mariku. Misch dich nicht in Dinge ein, die dich nichts angehen!“ Hatte Mariku denn überhaupt nicht zugehört? Er wusste doch, dass durch Ryou die Albträume zurückkamen. Wieso wollte er ihn jetzt zwingen mit ihm zu reden? Was sollte das? Er hatte mit Ryou nichts zu mehr zu besprechen. Sie hatten Sex gehabt. Das war alles. Er hatte es Ryou zuvor gesagt und er war einverstanden gewesen, wenn er sich davon mehr erhofft hatte, dann war das nicht sein Problem. Und was mischte sich Mariku überhaupt ein? „Komm du erst mal mit Malik klar!“ Mit diesen Worten ließ er Mariku einfach stehen. „Verdammt noch mal“, murmelte Mariku und fasste sich an den Kopf, „bin ich der einzige Vernünftige hier?“ Trotzdem gab Mariku nicht auf. Er ließ nichts unversucht um mit Ryou und Bakura zu reden, aber beide blockten ihn immer wieder ab. Mariku machte das wütend. Am liebsten hätte er beiden die Köpfe zusammengeschlagen. Das war doch zum Kotzen! Wie konnte man nur so starrsinnig sein? Er versuchte auch immer ein Auge auf Ryou zu haben, doch der schaffte es immer wieder Mariku abzuschütteln. Mariku fühlte sich gestresst und dann war auch noch Winter. Er hasste den Winter. Innerlich war er aufgewühlt. Winter stresste ihn sowieso immer und dann auch noch Bakura und Ryou. Er hatte das Bedürfnis sich zu vergraben. Mariku sah auf den Kalender und fühlte sich nicht besser. Er wollte nicht, dass dieser Tag kam. Mariku setzte sich. Was lief dieses Jahr nur falsch? Malik verstand gar nichts mehr. Jeder verhielt sich seltsam. Es war unschwer zu erkennen, das zwischen Mariku, Bakura und Ryou irgendetwas vorgefallen war, doch keiner war bereit mit ihm zu sprechen. Zumindest Bakura und Ryou nicht, bei Mariku hatte er es nicht versucht, doch langsam begann die Neugierde Überhand zu gewinnen. Er wollte endlich wissen, was Sache war. Als er Mariku die Treppe hinuntergehen sah, rannte er ihm hinter. Er atmete tief durch und rief nach seinem Klassenkamerad. Mariku zuckte zusammen und blieb stehen. Er sah Malik überrascht an. Malik holte zu ihm auf und atmete erst mal tief durch. „Ich muss mit dir reden.“ „Ich hab keine Zeit.“ Er wollte gehen, doch Malik packte ihn am Ärmel. „Dann nimm dir die Zeit. Ich will jetzt wissen, was hier abgeht.“ Mariku sah zur Eingangstür und seufzte. „Komm mit.“ Malik zögerte kurz und folgte ihm dann doch. Mariku schob seine Hände in seine Jackentaschen. Eigentlich wollte er nicht, dass Malik mitkam, aber er wollte auch nicht länger warten. Er war schon die ganze Zeit so unruhig. Schweigend ging Malik neben Mariku her. Wo wollte er hin? Und warum sagte er nichts? Er wollte endlich eine verdammte Erklärung! Gerade als er Mariku darauf ansprechen wollte, begann dieser seine Erklärung: „Erst mal musst du mir versprechen, dass du es niemandem erzählst und auch nicht mit Bakura und Ryou darüber sprichst. Versprichst du mir das?“ Malik nickte. „Bakura und Ryou haben miteinander geschlafen.“ Überrascht blieb Malik stehen. Mariku ging noch ein paar Schritte, bevor er es bemerkte. Er blieb ebenfalls stehen und drehte sich zu Malik um. „Warum so überrascht?“ „Ich wusste das nicht“, murmelte Malik. „Oh bitte“, Mariku verdrehte die Augen, „so wie du dich aufgeführt hast, hätte ich dir auch nichts erzählt.“ Malik presste die Lippen aufeinander. „Und jetzt komm.“ Sie setzten ihren Weg durch den Schnee fort. Malik bereute es, dass er sich nicht noch eine Jacke geholt hatte. Er verschränkte seine Arme vor der Brust und schob seine Hände unter seine Achselhöhlen. „Ich weiß nicht, was genau zwischen ihnen vorgefallen ist, jedenfalls, Ryou...“ Er zögerte. Sollte er es Malik wirklich erzählen? „Ryou, er, er verletzt sich selbst.“ Wieder blieb Malik stehen und Mariku seufzte genervt. Er packte ihn am Oberarm und zog ihn hinterher. „Ich versuche zwischen den beiden zu vermitteln, aber das sind solche Sturköpfe!“ Er kickte in den Schnee. „Vollidioten! Alle zwei! Ich könnte sie graaaaah!“ Malik war erstaunt Mariku so besorgt zu sehen. So hatte er ihn noch nie erlebt, dabei hatte er immer gedacht, dass zumindest Ryou ihm immer egal war. Manchmal war Mariku wohl doch nicht so übel. „Das war‘s eigentlich. Das ist die ganze Misere.“ „Soll ich nicht lieber irgendwie helfen? Ich kann mit Ryou reden.“ „Nein“, widersprach Mariku bestimmt. „Ich hätte es dir gar nicht erzählen sollen.“ Er stellte sich vor Malik und blockierte ihm den Weg. Er wollte nicht, dass Malik sah wohin er ging. Sie waren schon zu nah. „Geh zurück bevor du erfrierst.“ Er warf einen nervösen Blick über die Schulter. Malik folgte seinem Blick. „Ist das ein Kreuz?“ „Geh jetzt.“ Mariku wollte ihn wegschieben, doch Malik drängte sich an ihm vorbei. „Ist das... ein Grab?“ Er sah zu Mariku, doch dieser hatte den Blick abgewandt. Malik bekam eine Gänsehaut; nicht nur wegen der Kälte. „Du hättest das nicht sehen sollen“, sagte Mariku langsam und hob seinen Blick. Er zog den Reißverschluss seiner Jacke nach unten und zog sie aus. Er hielt sie Malik hin. „Zieh das an, sonst bist du die Ferien über krank.“ Malik zögerte erst, dann griff er doch nach der Jacke und zog sie sich über. Es war einfach zu kalt. Mariku ging auf das Grab zu und Malik begann sich unwohl zu fühlen. Er sollte nicht hier sein. Warum war er nicht gegangen, als Mariku ihn darum gebeten hatte? Stumm stand er da und sah zu Mariku. Das Malik ihn beobachtete machte Mariku noch nervöser. Die Situation war so schon schlimm genug. Sanft wischte er den Schnee vom Kreuz. Er hatte es selbst gemacht. Mariku schloss die Augen. Es war schon so viele Jahre her und doch kam er jedes Jahr an seinem Todestag hierher. An anderen Tagen schaffte er es nicht. „Ich vermiss dich“, murmelte Mariku. „Es tut mir leid.“ Doch seine Worte waren nur Wind. Es war zu spät. Mariku biss sich auf die Unterlippe. „Es tut mir so leid. Ich hätte dich nie wegstoßen sollen.“ Er sah nach oben in den grauen Himmel und dann zu Malik. „Das ist Malik. Er mag mich nicht sonderlich, aber ich...“ Er sprach den Satz nicht zu Ende. „Vergib mir“, flüsterte er, dann drehte er sich um. „Du hättest auch gehen können“, sagte er. „Ich...“, doch Malik wusste nicht, wie er den Satz beenden sollte. Warum hatte er gewartet? Es interessierte ihn, wer hier begraben lag, doch er fand es falsch zu fragen. „Willst du deine Jacke wieder?“, fragte er stattdessen. „Nein, lass sie an bis wir wieder drin sind.“ Schweigend gingen sie nebeneinander zurück. Malik warf Mariku nervös Seitenblicke zu. Sollte er etwas sagen? Die Stille war ihm unangenehm. Mariku hatte seinen Blick auf den Boden gerichtet; er wartete darauf, dass Malik nachfragte. Was sollte er dann antworten? Ihm alles erzählen? Es ging ihn nichts an. Sollte er ihm genau das sagen? Doch Malik verhielt sich grad so friedlich, er wollte das nicht riskieren. Doch Malik fragte nicht nach und Mariku war erleichtert. Es war schwer für ihn darüber zu sprechen. Außer dem Direktor und Bakura kannte niemand die Wahrheit. „Danke.“ Malik reichte Mariku seine Jacke. „Kein Problem.“ „Wir... ähm... sehen uns“, stammelte Malik und rannte die Treppe nach oben. Mariku sah ihm hinterher. Als Malik am ersten Ferientag zum Frühstück ging, war es unmöglich die Weihnachtsdekoration zu übersehen, die scheinbar über Nacht angebracht worden war. Richtig in Ferienlaune war Malik jedoch nicht, auch nicht in Weihnachtsstimmung. Sein Geburtstag stand auch vor der Tür, aber den würde er dieses Jahr wohl kaum feiern. Er hatte bis zuletzt gehofft, dass er doch noch nach Hause konnte, aber das Telefon war immer noch tot. Er hatte es jeden Tag probiert, aber kein Glück gehabt. Der Speisesaal war fast leer, nur wenige Schüler verbrachten ihre Ferien im Internat, darunter auch Ryou, Bakura und Mariku. Seufzend ließ sich Malik auf einen Stuhl sinken und nippte am Orangensaft. „Morgen“, murmelte Ryou und setzte sich neben ihn. „Morgen.“ Malik warf ihm einen kurzen Blick zu. „Schlecht geschlafen?“ „Ziemlich“, gähnte Ryou und löffelte lustlos seine Cornflakes. „Warum bist du nicht liegen geblieben?“ Ryou zuckte mit den Schultern. „Mariku nervt, wie immer halt.“ Malik konnte sich denken mit was Mariku Ryou „nervte“. Als hätte er seinen Namen gehört, betrat Mariku den Speisesaal, kurz nach ihm Bakura. Die beiden sahen nicht aus, als hätten sie ein friedliches Aufeinandertreffen gehabt. Mit grimmigen Gesichtern setzte sich Bakura neben Malik und Mariku ließ sich gegenüber von Malik auf einen Stuhl sinken. Die Atmosphäre war geladen und Malik zwang sein Frühstück so schnell wie möglich hinunter. Vielleicht sollte er einfach alle Drei in einen Raum sperren und sehen was dabei rauskam. So konnte das doch nicht weitergehen. Aber er hatte es Mariku versprochen nichts zu sagen. Malik stand auf und räumte seinen Teller weg. Aber wieso hielt er sich überhaupt dran? Mariku war ein verdammtes Arschloch. Trotzdem, Malik dachte an das Grab hinter der Schule, es war ein ernstes Thema. Es ging hier um mehr als ihre Auseinandersetzungen. Malik seufzte. Er hasste diese Schule. Am Morgen seines Geburtstags stapfte Malik ziellos durch den Schnee. Er hasste Schnee. Er war kalt und eklig, aber er hatte es im Gebäude nicht mehr ausgehalten. Bakura war gereizt und aggressiv und Malik kurz davor ihn anzuschreien. Außerdem hatte Bakura wieder angefangen schlecht zu träumen. Malik gähnte. Das hielt nicht nur Bakura wach, sondern auch ihn selbst. Er hatte es Mariku sagen wollen, aber der war nicht weniger gereizt. Er zog sich die Kapuze über den Kopf und blieb vor dem kleinen Teich stehen. Malik ging in die Hocke und wischte den Schnee zur Seite, darunter kam die Eisschicht zum Vorschein. Malik übte mit der Hand Druck darauf aus. Das Eis gab nach und er hörte es knacken. „Eignet sich nicht so gut zum Schlittschuhlaufen.“ Malik erschrak und richtete sich wieder auf. „Ich bin mal eingebrochen, danach hatte ich die schlimmste Grippe meines Lebens.“ Mariku kam hinter einem Baum hervor. „Sorry, dass ich dich so angefaucht hab.“ Er hatte seine Hände in seinen Jackentaschen vergraben. „Schon okay.“ „Das Ganze stresst mich ein bisschen.“ Er kam näher. „Geht’s nicht voran?“ „Kein bisschen.“ Mariku seufzte. „Solche Sturköpfe hab ich im Leben noch nicht gesehen.“ Er wischte den Schnee von der Bank und setzte sich. Malik zögerte einen Moment und tat es ihm dann nach. „Es gibt da noch was.“ Mariku lehnte sich nach vorne und Malik sah ihn abwartend an. „Ich wollte mich dafür entschuldigen, dass ich dich flach gelegt habe, als du betrunken warst.“ Malik war so sprachlos, dass er nicht wusste, was er dazu sagen sollte. Hatte er sich gerade verhört? Was lief denn jetzt verkehrt? Was war mit Mariku los? Musste er sich Sorgen machen? „Das war nicht richtig. Ich war zwar auch betrunken, aber ich hätt’s auch gemacht, wenn ich’s nicht gewesen wär. Es war schön und ich kann nicht sagen, dass ich es bereue, weil es war wirklich gut, aber es war falsch und deshalb tut’s mir leid.“ Malik schwieg lange und dachte über Marikus Worte nach. Plötzlich schien er ein weniger großes Arschloch zu sein als sonst. Wer hatte schon ahnen können, dass Mariku auch vernünftig sein konnte? So war er ja fast sympathisch. Ihre gemeinsame Nacht hinterließ jedoch immer noch einen bitteren Nachgeschmack, wenn auch inzwischen weniger. Er hatte sich damit abgefunden. Es war eben passiert und er war betrunken gewesen. Jeder machte irgendwas Dummes, wenn er betrunken war. Und er würde einfach niemandem davon erzählen. „Gut, hm?“, sagte er schließlich. „Ich hab mir viele Gedanken darüber gemacht, was du antworten könntest, aber das war nicht dabei“, lachte Mariku. „Naja, dafür, dass es mein erstes Mal auf diese Art war und ich auch noch betrunken war.“ Mariku lachte nur noch mehr und auch Malik stimmte mit ein. Es war angenehm sich so mit Mariku zu unterhalten, auch wenn das letzte Mal mit Sex geendet hatte. Diesmal hatten sie aber wenigstens keinen Alkohol. „Du bist ja echt der Hammer.“ „Ja, das hab ich schon öfter gehört.“ Mariku grinste. „Ich muss dir aber noch was sagen.“ „Noch mehr? Solange kennen wir uns doch noch gar nicht.“ „Heute hast du ja richtig gute Laune.“ Malik zuckte grinsend mit den Schultern. „Jedenfalls, happy Birthday.“ Mariku zog ein grotesk verpacktes Geschenk aus der Jackentasche. „Danke“, sagte Malik überrascht und nahm das Geschenk entgegen. „Ich hab’s selbst eingepackt.“ „Man sieht’s.“ „Ich hab mir Mühe gegeben.“ „Das sieht man weniger.“ „Hey!“ Er schlug Malik gegen die Schulter und dieser lachte. „Danke, aber woher weißt du, dass ich Geburtstag habe?“ „Ich hab so meine Quellen“, antwortete Mariku geheimnisvoll. „Heißt, du bist ins Büro eingebrochen und hast meine Akte gelesen?“ Malik löste das Geschenkpapier. „Japp.“ „Du bist krank, weißt du das?“ „Ja.“ Leise lachend schüttelte Malik den Kopf. Eine Tafel Schokolade kam zum Vorschein. „Es ist nichts Besonderes.“ Mariku zuckte mit den Schultern. „Ich hab nie Ideen was Geschenke angeht.“ „Ist okay. Ich mag Schokolade.“ Er löste die Verpackung und brach eine Reihe in zwei Hälften. Eine hielt er Mariku hin. Während sie die Schokolade aßen, sprachen sie nicht viel miteinander. Malik hatte noch nie Marikus Gesellschaft so sehr genossen wie im Moment. Hätte er sich schon zu Beginn so vernünftig verhalten, dann hätten sie richtig gute Freunde werden können. Er war ihm einen verstohlenen Blick zu. Naja, noch war ja nicht alles verloren. Kapitel 7 Grummelnd zog Malik die Decke über sich, weil ihm die Sonne direkt ins Gesicht schien. Er hatte seinen ganzen Geburtstag mit Mariku verbracht. Natürlich waren sie nicht die ganze Zeit draußen geblieben, sondern hatten sich später in den Gemeinschaftsraum zurückgezogen und es sich dort gemütlich gemacht. Irgendwie hatte Mariku es sogar geschafft, Tee und etwas Kuchen herbeizuzaubern. Woher er es hatte, hatte er aber nicht verraten wollen. Er hatte einen schönen Tag gehabt und Mariku ein kleines bisschen besser kennen gelernt. Sie hatten alle unangenehmen Themen vermieden, hauptsächlich eben Bakura und Ryou und Sex. Mariku hatte nicht eine Anspielung gemacht, es war schon fast gruselig gewesen. „Maaaaaaliiiiik.“ „Lass mich schlafen“, grummelte Malik und drehte Bakura den Rücken zu. „Ich ess alle Plätzchen ohne dich.“ Erst jetzt bemerkte Malik den angenehmen Geruch, der sich im Raum verteilt hatte. Er schlug die Decke zurück und setzte sich auf. Verschlafen sah er zu Bakura, der neben seinem Bett stand und einen Teller voll Plätzchen in der Hand hielt. „Fröhliche Weihnachten!“ „Was bist du denn so gut drauf?“, gähnte Malik und griff nach einem Plätzchen. Es war noch warm und schmeckte vorzüglich. Malik fühlte sich gleich besser. „Ich liebe Weihnachten“, erklärte Bakura kauend. Malik nahm sich noch eins. „Woher hast du die?“ Doch Bakura grinste nur verschmitzt. „Geheimnis.“ Scheinbar war Mariku nicht der einzige, der leckere Dinge aus dem Hut zaubern konnte. „Ich freu mich gleich auf das Frühstück und das Mittagessen und heut Abend erst. So gut wirst du hier nie wieder essen.“ „Du liebst nicht Weihnachten, du liebst das Essen.“ „Kann sein.“ Bakura steckte sich gleich zwei Plätzchen auf einmal in den Mund und kaute glücklich. Malik stand auf und schlurfte ins Bad. Er wusch sich das Gesicht um wach zu werden. Sein Magen knurrte. Bakura hatte so viel vom Essen geredet, dass er inzwischen richtig Hunger hatte. Schnell zog er sich etwas an und ging mit Bakura zusammen nach unten. Auf der Treppe trafen sie Mariku. „Frohe Weihnachten“, begrüßte dieser sie. Malik und Bakura erwiderten den Gruß, auch wenn Bakuras etwas kühler klang und weitaus nicht so fröhlich wie zuvor noch bei Malik. „Oh, Ryou noch nicht da?“, fragte Malik als er seinen Blick durch den Saal hatte schweifen lassen. „War schon weg als ich aufgewacht bin“, antwortete Mariku schulterzuckend. Ryou achtete darauf nirgendwo einen Blutfleck zu hinterlassen während er die Haut öffnete. Er wollte nicht, dass die Bücher schmutzig wurden. Im Badezimmer konnte er sich nicht mehr machen, denn Mariku wachte über ihn wie ein Luchs. Es nervte. Ryou war kein Kind mehr, der ständig Belehrungen brauchte. Er wusste genau, wie dumm das war, was er hier tat. Er wusste, es brachte nichts, aber er tat es trotzdem und Mariku würde ihn nicht davon abhalten. Es war seine Sache. Wieso konnte Mariku das nicht verstehen? Außerdem hatte er ja nicht vor sich umzubringen oder so. Das war noch dämlicher als sich selbst zu verletzen. Wegen Bakura würde er bestimmt nicht sein Leben wegwerfen. Er vergoss doch nur ein bisschen Blut. Auch wenn seine Schnitte inzwischen schon tiefer gingen als am Anfang. Es hatte sich immer mehr zur Sucht entwickelt. Vielleicht brauchte er wirklich Hilfe, aber von Mariku wollte er sie keinesfalls. Erst verarschte er ihn jahrelang und jetzt plötzlich machte er sich Sorgen? Ryou lachte kurz auf. Was für ein Witz! „Hast du immer noch nicht damit aufgehört?“ Ryou seufzte genervt. Was machte ER denn hier? Wütend sah er zu Mariku auf. „Was willst du?“ „Dass du das Messer weglegst und dir Hilfe suchst.“ „Kannst du auch noch von was anderem reden?“ „Ich hab versucht mit Bakura zu reden“, erklärte Mariku und kam näher. Er setzte sich Ryou gegenüber, was diesen gar nicht freute. „Und? Habt ihr schön über mich gelacht?“ „Ich hab ihm nicht gesagt, was du tust. Ich will aber, dass er mit dir redet.“ Das Mariku Bakura gegenüber nichts erwähnt hatte, verwunderte ihn, aber es machte Mariku nicht sympathischer. „Ich hab nur kein Bedürfnis mit ihm zu reden. Ich bin fertig mit ihm.“ „Du liebst ihn“, widersprach Mariku. Ryou lachte. „Was weißt du denn schon von Liebe? Fickst Malik während er besoffen ist. Du hast so viel Einfühlvermögen wie ein Stein.“ „Was denkst du, bringt dir das?“ „Nichts.“ „Warum tust du’s dann?“ Ryou zuckte nur mit den Schultern. Mariku atmete tief durch und wählte seine nächsten Worte mit Bedacht. Er hätte nie gedacht, dass er ausgerechnet Ryou einen Teil seiner Geschichte erzählen würde. „Vor drei Jahren hab ich auch das Messer angesetzt.“ Während Ryou ihn erstaunt ansah, krempelte Mariku seinen Ärmel nach oben. Erst jetzt bemerkte Ryou die Narben auf Marikus Arm. Früher waren sie ihm nie aufgefallen. „Am Ende hätte ich mich fast selbst umgebracht.“ Er schob den Ärmel wieder nach unten. „Ich wollte auch keine Hilfe. Ich schaff das allein, hab ich mir gesagt. Ich brauch niemanden, davon war ich überzeugt. Und dann bin ich im Krankenhaus aufgewacht und Bakura hat mich angebrüllt.“ Ryou schwieg daraufhin. Er wusste nicht, ob er Mariku trauen konnte. Die Narben konnten auch von einem Unfall stammen und er erzählte ihm jetzt irgendeine Geschichte, damit er aufhörte. Er würde sich schon nicht umbringen. Er hatte alles unter Kontrolle. Und doch sah er das Messer zweifelnd an. „Du fühlst dich vielleicht für den Moment besser, aber die Schmerzen bleiben und die Narben werden dich auf ewig daran erinnern.“ Mariku war aufgestanden, während er gesprochen hatte. „Ich kann dich nicht zwingen aufzuhören, aber wenn du es nicht tust, dann werde ich zum Direktor gehen.“ „Warum kümmerst du dich plötzlich so um mich?“ „Weil du mein Freund bist.“ Die Worte kamen ohne das Mariku darüber nachgedacht hatte, doch er nahm sie nicht zurück. „Dein Freund?“, wiederholte Ryou ungläubig. Das war wohl das Lächerlichste was Mariku je zu ihm gesagt hatte und doch fühlte er sich irgendwie besser. „Schwer zu glauben, ich weiß, aber irgendwie stimmt es.“ Er legte Ryou die Hand auf den Kopf. „Rutsch nicht noch weiter ab.“ Er strich ihm über den Kopf bevor er ging und Ryou wieder alleine ließ. Ryou zog die Beine an und legte seine Arme darum. Er ließ sich Marikus Worte noch einmal durch den Kopf gehen. Er hatte nicht geahnt, dass hinter Mariku mehr steckte als einfach nur ein Vollidiot. Er war immer davon ausgegangen, dass Mariku ein verwöhnter Bengel war, der es noch nie schwer im Leben gehabt hatte, doch er hatte sich geirrt. Mariku hatte immer so stark und unzerstörbar auf ihn gewirkt. Er hatte gar nicht nachgefragt, warum Mariku es getan hatte. Ryou griff nach dem Messer zu seinen Füßen. Unsicher sah er es an, dann zog er Bücher aus dem Regal, legte das Messer dahinter und stellte sie wieder ordentlich ins Regal. Er zog sich den Ärmel über den verletzten Arm und eilte aus der Bibliothek. Malik rieb sich den Bauch. So viel hatte er schon lange nicht mehr gegessen und vor allem nicht so gut. Bakura hatte recht gehabt; zu Weihnachten gab es das beste Essen. „Hey Malik!“ Er blieb stehen und drehte sich zu Mariku um. „Ich halt’s hier drin nicht mehr aus und will deshalb zum See, kommst du mit?“ „Schlittschuhlaufen?“ „Japp.“ „Aber ich hab keine Schlittschuhe.“ „Kein Problem.“ Mariku hakte sich bei Malik unter und führte ihn Richtung Sporthalle. „Tada!“ Er streckte den Arm aus und zeigte auf einen ganzen Haufen unterschiedlicher Schlittschuhe. „Hier sollte was für dich dabei sein. Ich hab selbst auch keine eigenen.“ Er betrat selbst den Raum in dem nicht nur die Schlittschuhe, sondern auch andere Sportutensilien gelagert wurden. Malik sah alte, ausgelatschte Fußballschuhe und ramponierte Hockeyschläger. Die Schlittschuhe sahen zwar alt, aber noch in Ordnung aus. Malik probierte mehrere an, bevor er ein passendes Paar fand. „Kann’s losgehen?“ Mariku hatte seine schon geschultert. „Ich brauch noch meine Jacke“, sagte Malik. „Sonst erfrier ich da draußen.“ In seinem Zimmer traf er auf Bakura. „Schlittschuhlaufen?“, fragte er überflüssigerweise, als er die Schlittschuhe in Maliks Händen sah. „Ja“, antwortete Malik, während er in seine Jacke schlüpfte, „Mariku hat mich gefragt, ob ich mitkommen will und es ist ne gute Abwechslung.“ Bakura hob seine Augenbrauen. „Mariku, huh? Versteht ihr euch wieder besser oder planst du ihn im See unter dem Eis zu ertränken?“ Malik lachte. „Nein, das nicht. Er scheint ganz vernünftig zu sein, wenn er will.“ „Vernünftig?“, wiederholte Bakura ungläubig. „Ich muss los. Er wartet.“ „Vernünftig“, flüsterte Bakura, nachdem Malik den Raum verlassen hatte. Bakura sah aus dem Fenster; es hatte wieder angefangen zu schneien. Mariku war nicht vernünftig und war es auch noch nie gewesen. Mariku war ein Extrem. Seine Welt war Schwarz-Weiß. Bei ihm hieß es entweder himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt. Ein Mittelding war bei ihm einfach nicht möglich. Sein Verhalten in letzter Zeit war ungewöhnlich und es machte ihm Sorgen. „Kann’s los gehen?“ Mariku hatte unten an der Treppe auf ihn gewartet. Malik zögerte plötzlich. War es wirklich in Ordnung, wenn er mit Mariku alleine wegfuhr? Mariku schien ihm seine Gedanken anzusehen. „Wär’s dir lieber, wenn noch jemand mitkommt?“ Fast hätte Malik „Ja“ gesagt, doch er schüttelte den Kopf. „Schon in Ordnung.“ Er lächelte. „Wie kommen wir zum See?“ „Mit dem Bus.“ Mariku stemmte die Eingangstür auf. „Es fährt hier ein Bus?“, fragte Malik verwundert. „Natürlich“, lachte Mariku. „Wir sind hier ja nicht völlig von der Außenwelt abgeschottet.“ Er sah nach oben. „Wobei man das bei diesem Schnee gern mal glauben kann. So viel Schnee hab ich schon lange nicht mehr gesehen.“ Malik sah ebenfalls nach oben. Er hatte allgemein noch nie so viel Schnee gesehen. In der Stadt war der Schnee nie so viel und er blieb auch kaum liegen. Winter war für ihn immer einfach nur kalt und nass. „Ah, der Bus!“, rief Mariku plötzlich. „Schnell!“ Sie begannen zu laufen und erreichten schwer atmend gerade noch rechtzeitig den Bus. Keuchend ließen sie sich auf die Sitze fallen. „Geschafft.“ Mariku lächelte zufrieden. „Wie lange müssen wir fahren?“, wollte Malik wissen. Bakura hatte ihm zwar schon mal erzählt, wie weit es war, aber er hatte es schon wieder vergessen. „Knapp ne Stunde mit dem Bus und dann noch ein kleiner Fußmarsch, dann sind wir da.“ Malik legte die Schlittschuhe auf den Boden und schob sie leicht unter den Sitz, dann lehnte er sich zurück. Der Bus war klein und die Sitze eng. Marikus Bein drückte sich gegen sein eigenes. „Ich bin schon lange nicht mehr Schlittschuh gelaufen. Mal sehen, ob ich das überhaupt noch kann“, erzählte Malik. Die Wahrheit war, dass er erst einmal vor vielen Jahren auf Schlittschuhen gestanden und sich dabei fürchterlich angestellt hatte, sodass er danach nie wieder fahren wollte. Hoffentlich würde er sich dieses Mal besser anstellen. „Bakura und ich fahren eigentlich jedes Jahr an den See, aber ich bin irgendwie nicht sonderlich gut darin mein Gleichgewicht zu halten. Es endet immer in blauen Flecken und Bakura lacht mich aus.“ „Ich werde nicht lachen, ich bin wahrscheinlich auch nicht besser.“ Mariku klopfte Malik auf die Schulter. „Dann lass uns lieber zusammen über unsere Unfähigkeit lachen.“ Malik grinste. „Gute Idee.“ Die Stunde verging schnell und Malik war immer mehr darüber überrascht, wie gut man sich mit Mariku unterhalten konnte. Plötzlich schien er ein ganz anderer Mensch zu sein. Trotzdem war Malik froh darüber am See nicht allein zu sein. Malik war bisher noch nie an einem See gewesen, kannte dafür aber das Meer. In der Stadt gab es höchstens Teiche. Malik strich sich die Haare zurück und atmete die kalte, frische Luft ein. Er rieb seine Hände aneinander. Er hatte vergessen Handschuhe anzuziehen. Malik hoffte, das Schlittschuhlaufen würde ihn wärmen. Vor allem Familien tummelten sich auf dem Eis. Sie setzten sich auf eine Bank und tauschten ihre Schuhe gegen die Schlittschuhe. Mit zittrigen Beinen stand Malik auf dem Eis. Er fühlte sich alles andere als wohl. Er hielt sich an Mariku fest, doch der wackelte genauso wie er selbst. „Lass los oder wir fallen beide hin.“ Doch Malik klammerte nur noch mehr. Was für eine bescheuerte Idee! „Malik! Lass...“ Doch es war schon zu spät. Sie verloren das Gleichgewicht und landeten auf ihren Hintern. Vorwurfsvoll sah Mariku seinen Klassenkameraden an. „Sorry“, murmelte Malik und rieb sich das Steißbein. Vorsichtig stolperten die beiden Jungen über das Eis, doch langsam bekam Malik ein Gespür dafür. Selbst die Kinder konnten besser fahren als er, da wollte er sich keine Blöße geben. Oft genug landete er jedoch auf dem Eis. Genauso wie Mariku. Sie lachten darüber und zogen sich gegenseitig auf. „Mariku! Mariku!“, rief Malik freudig aus. „Ich fahre, ich fahre!“ „Kannst du auch bremsen?“, fragte Mariku, während Malik auf ihn zukam. „Bremsen?“ Malik fuhr ungebremst in Mariku, der nicht ausweichen konnte, und riss sie beide zu Boden. Mariku stöhnte schmerzerfüllt, als er auf dem harten Eis aufschlug. Malik dagegen hatte, dank Mariku, eine weiche Landung. „Tut mir Leid. Ich dachte, das würd jetzt klappen.“ „Morgen bin ich grün und blau“, murrte Mariku. Malik half ihm wieder auf die Beine, wobei sie dabei fast erneut hinfielen. Diesmal war es Mariku, der sich an Malik festhielt. „Wollen wir eine Pause machen?“ Malik nickte. Sie setzten sich wieder auf die Bank und Malik rieb sich die Hände. Ohne die Bewegung kam die Kälte. „Hast du keine Handschuhe?“ „Vergessen.“ Mariku verdrehte die Augen. „Hier, nimm meine.“ Er hielt Malik seine Handschuhe hin. „Aber dann frierst doch du.“ „Wir ziehen sie einfach abwechselnd an.“ Ohne weitere Gegenworte zog sich Malik die Handschuhe an. Sie waren noch ganz warm. Langsam kam wieder Leben in seine Finger. „Wir hätten was zu trinken mitnehmen sollen. Schlecht vorbereitet.“ „Hey, war doch deine Idee.“ „Und die war sehr spontan.“ „Hast du eigentlich noch mal mit Ryou oder Bakura gesprochen?“, wollte Malik wissen. Er machte sich auch seine Gedanken um seine Freunde und fand es schrecklich, nur untätig rumzusitzen. „Mit Ryou gestern. Er schien endlich mal darüber nachzudenken, aber ob’s wirklich was gebracht hat?“ Mariku zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich hoff’s nur.“ „Sollten wir nicht lieber einen Lehrer einschalten? Das ist doch eine ernste Sache“, schlug Malik vor. „Ich hab Ryou angedroht, dass ich zum Direktor gehe, wenn er weitermacht. Ich hätte es gleich am Anfang tun müssen, aber...“ Er beendete den Satz nicht. Er hatte seine Gründe, wieso er sich nicht sofort an den Direktor gewandt hatte. „Egal jetzt.“ Er lächelte Malik an. „Lass uns noch eine Runde versuchen nicht hinzufallen.“ Sie gingen zurück aufs Eis und unterstützen sich gegenseitig dabei nicht auf ihren Hintern zu landen, was nicht unbedingt von Erfolg gekrönt war, doch Malik war es egal. Er hatte so viel Spaß wie schon lange nicht mehr und es tat gut so viel zu lachen. Er hatte ja sowieso eher wenig zu lachen gehabt, seit er auf das Internat gewechselt war. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet der, der ihm immer die Stimmung verdorben hatte, ihn jetzt zum Lachen brachte? Bisher hatte er auch Mariku noch nie so ausgelassen erlebt. Als es langsam dämmerte, machten sie sich auf den Rückweg. Es war dunkel, als sie im Internat ankamen, doch sie waren genau richtig zum Abendessen zurück. Schnell zog Malik sich um und verschlang mit Heißhunger sein Essen. Er holte sich zweimal einen Nachschlag. „Und, wie war’s?“, wollte Bakura wissen, als Malik frisch geduscht aus dem Bad kam. „Mir tut alles weh. Mich hat’s wirklich die ganze Zeit auf die Fresse gelegt. Zumindest ist Mariku auch nicht besser. Morgen werden wir wahrscheinlich aussehen, als hätten wir uns geprügelt.“ Malik lachte. „Ich hatte echt Spaß und jetzt bin ich todmüde.“ Gähnend schlüpfte er unter seine Decke. „Gute Nacht.“ Bakura antwortete nichts darauf. Er musste zugeben, dass er eifersüchtig war. Mariku war immerhin sein bester Freund und es waren sie beide gewesen, die jedes Jahr zum See fuhren und dort schlittschuhliefen. Das Mariku dieses Mal mit Malik dort war verletzte ihn. Er freute sich für Mariku, immerhin war er in Malik verliebt und Mariku hatte es wirklich verdient, dass es ihm gut ging, aber Bakura fühlte sich plötzlich sehr allein. Er löschte das Licht seiner Nachttischlampe und zog die Decke hoch. Bakura verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Noch dazu, auch wenn Malik sich jetzt gut mit Mariku verstand und nicht mehr aggressiv auf ihn reagierte, so wehrte er sich doch vehement dagegen schwul zu sein. Er hatte Angst, dass Mariku letztendlich doch nur einer Illusion hinterherlief und dadurch verletzt wurde. Unweigerlich wanderten Bakuras Gedanken zu Ryou. Er spürte ein Kribbeln in seiner Magengegend. Bakura drehte sich auf die Seite. Nein, er wollte nicht an ihn denken. Kapitel 8 Nach den Weihnachtstagen stand auch schon wieder Silvester auf dem Programm. Die Weihnachtsdekoration verschwand so plötzlich, wie sie gekommen war und machte Blüten und Kieferzweigen Platz. „Bakura, pass doch auf“, fluchte Malik, nachdem er fast von dem Stuhl gefallen war, auf dem er stand. Bakura und er brachten ihr Zimmer für das neue Jahr auf Vordermann. Zuhause hatte sich Malik immer vor dem Putzen gedrückt, aber hier entkam er nicht. Es war Pflicht für diejenigen, die während der Ferien in der Schule blieben. Bakura schrubbte den Boden, während er sich um den Staub auf und in den Schränken kümmerte. Es war kalt im Zimmer, denn das Fenster stand offen um die abgestandene Luft loszuwerden. „Mecker nicht, beeil dich lieber“, maulte Bakura. Er mochte das Putzen nicht und war damit lieber so schnell wie möglich fertig. Zumindest war er dieses Jahr nicht allein für sein Zimmer verantwortlich. Mariku drückte sich bestimmt wieder und ließ Ryou die ganze Arbeit machen. „Wir wären schon längst fertig, wenn du heute Morgen nicht so lange gebraucht hättest!“, fauchte Malik zurück. „Bin ich jetzt Schuld?“ „Ja!“ Malik warf seinen Lappen nach Bakura, doch dieser wich aus. „Na warte, du!“ Er zog Malik von seinem Stuhl, wobei dieser versuchte sich festzuhalten. Er erwischte aber nur den Griff des Wassereimers. Mit einem lauten Platsch leerte sich dieser über die beiden Jungen aus. Prustend und tropfend saßen Bakura und Malik auf dem Boden. Bakura strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Hast du wirklich super gemacht. Schau dir diese Sauerei an!“ „Das ist doch alles deine schuld!“ Malik zupfte an seinem nassen Pullover. Grummelnd zog er ihn sich über den Kopf. Selbst seine Hose war nass und seine Socken erst recht. Seufzend öffnete Malik den Knopf seiner Hose. Auch Bakura hatte begonnen sich der nassen Kleidung zu entledigen. „Komm ich grad ungelegen?“, wollte Mariku grinsend wissen, als er das Zimmer betrat und Malik und Bakura halbnackt vorfand. „Malik ist ein Idiot“, grummelte Bakura nur und verzog sich ins Badezimmer. „Bakura ein noch viel größerer“, erklärte Malik und warf seinen Pullover in den Wäschekorb. „Sieh dir die Sauerei an. Man! Und wir waren fast fertig, jetzt können wir noch mal durchwischen. Was willst du eigentlich hier?“ „Ryou hat mich rausgeschmissen. Er sagt, ich mache nur mehr Chaos, als das ich ihm helfen würde.“ „Bakura macht auch nur Chaos.“ „Du hast den Eimer ausgeschüttet!“, kam es aus dem Bad. „Du hast mich vom Stuhl gezogen“, erwiderte Malik. Er zog sich einen frischen Pullover über den Kopf. Mit den noch nassen Socken an den Füßen stellte er den Eimer wieder auf und sammelte den Putzlappen ein. „Wenn du mir nicht helfen willst, dann verzieh dich!“, schnauzte er Mariku an und wedelte mit dem Wischmopp. Schmunzelnd ließ Mariku Malik und Bakura wieder allein. Ziellos streifte er durchs Gebäude. Ihm war so langweilig wie schon lange nicht mehr und niemand war bereit ihn zu unterhalten. Ryou putzte, Malik putzte und sein Verhältnis zu Bakura war auch schon mal besser gewesen. Mariku seufzte. Es lastete schwer auf ihm, denn Bakura war der erste Freund gewesen, den er jemals gehabt hatte. Im Gemeinschaftsraum zog er einen der Sessel bis ans Fenster, setzte sich und legte die Füße aufs Fensterbrett. Es schneite mal wieder. Normalerweise dachte er nur selten über die Vergangenheit nach. Er mochte sie nicht. Seine Kindheit war zweifelhaft gewesen. Es war ihm zwar nicht sehr schlecht ergangen, aber es war trotzdem keine Kindheit gewesen, an die man sich gerne erinnerte und die eine Zukunft für ihn bereitgestellt hätte. Erst hier im Internat war es mit seinem Leben bergauf gegangen und man hatte ihm eine Perspektive gegeben. Bakura war ihm immer eine Stütze gewesen. Sie hatten viel gemeinsam durchgemacht und Bakura hatte immer zu ihm gestanden. Dass sich ihre Freundschaft so verschlechtert hatte tat ihm weh. Er wollte seinen besten Freund zurück. Mariku schloss die Augen und erinnerte sich zurück; zurück an den Tag an dem er sich vorgenommen hatte, den schweigsamen Jungen mit den traurigen, braunen Augen zum Sprechen zu bringen: „Mariku! Bleib sofort stehen!“, keuchte Sora O’Kashi. Sie war die Chefköchin im Internat und hatte gerade den elfjährigen Mariku dabei erwischt, wie er einige Tafeln Schokolade aus der Küche hatte mitgehen lassen. Seitdem jagte sie den Jungen über das Gelände um ihm die Schokolade wieder abzunehmen, doch Mariku war flinker und hatte eine bessere Ausdauer als die mollige Köchin. Sie stemmte die Hände in die Seiten und versuchte wieder neuen Atem zu schöpfen. „Ich bin zu alt für so was.“ Mariku streckte ihr die Zunge raus und steckte sich grinsend ein Stück Schokolade in den Mund. „Du kleines Biest!“ Mariku war erst seit wenigen Monaten auf dem Internat und hatte schon mehr Ärger gestiftet, als die älteren Schüler zusammen. Erst letzte Woche hatte er sich eine Schlägerei mit drei Mitschülern geliefert, die fast drei Jahre älter waren als er selbst. Überraschenderweise war Mariku nur mit einem blauen Auge davongekommen, wohingegen die anderen Schüler teilweise sogar genäht werden mussten. Mariku hatte eine unglaubliche Kraft, konnte aber nicht mit ihr umgehen. Er war leicht zu provozieren und nur sehr schwer wieder zu beruhigen. Sora wollte gar nicht daran denken, wie stark er in ein paar Jahren wäre. „Ich kann nicht mehr“, kapitulierte sie schließlich und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Du hast gewonnen. Behalt die Schokolade.“ Mariku lachte und verschwand aus dem Sichtfeld der Köchin. Mariku trottete über das Gelände und genoss den kühlen Wind auf seinem Gesicht. Der Herbst stand vor der Tür und die Blätter der Bäume nahmen schon eine bräunliche Farbe an. Mariku war zufrieden mit sich selbst und seiner Ausbeute. Er summte leise vor sich hin, während er sich die Schokolade auf der Zunge zergehen ließ. Ein großer Ahornbaum türmte sich vor Mariku auf und er sah nach oben. Mit der Hand musste er seine Augen vor der Sonne abschirmen, während er beobachtete wie die goldgefärbten Blätter in Richtung Boden segelten. Zumindest bis seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt wurde. Zwischen dem herbstlichen Braun entdeckte er etwas Schneeweißes. Neugierig näherte sich Mariku der Person, die zwischen den großen Wurzeln an den Baum gelehnt saß, und deren Haarschopf weiß war, wie frisch gefallener Schnee. Der Junge hatte ihn noch nicht bemerkt, sondern starrte einfach geradeaus und schien in einer ganz anderen Welt zu sein. „Hey du!“, sprach Mariku ihn an und setzte sich neben ihn. Der Junge reagierte nicht. „Hallo? Jemand zuhause?“ Wieder keine Reaktion. „Kannst du mich verstehen?“, fragte Mariku sehr langsam und betonte dabei jedes Wort, doch auch das brachte nichts. „Du bist ja nicht sehr gesprächig.“ Mariku folgte seinem Blick, doch er konnte nichts Spannendes entdecken. „Ich heiße Mariku und wer bist du? Bist du neu? Ich hab dich hier vorher noch nie gesehen, aber ich bin auch noch nicht solange hier.“ Der Junge mit den schneeweißen Haaren antwortete auf keine seiner Fragen und deutete auch mit keinerlei Zeichen an, dass er ihn überhaupt gehört hatte. „Bist du vielleicht taub?“ Mariku berührte mit seiner Hand leicht die Schulter des fremden Jungen und es folgte eine Reaktion, die Mariku nicht erwartet hätte: der andere Junge begann wie am Spieß zu schreien und wild um sich zu schlagen. Vor Schreck rutschte Mariku schnell von ihm weg und schürfte sich dabei das Knie auf. Nachdem er aufgehört hatte zu schreien, sah der Junge ihn mit vor Panik geweiteten Augen an. Er zitterte am ganzen Leib und es standen Tränen in seinen Augen. „Sag mal, spinnst du?!“, rief Mariku aufgebracht und wischte sich mit Spucke über das verletzte Knie. Doch statt einer Antwort, drehte sich der andere Junge nur um und rannte davon. Mariku rappelte sich auf und folgte ihm. Sein Knie schmerzte, weshalb er nicht so schnell laufen konnte, aber der andere war auch nicht sonderlich schnell. Außerdem machte es seine Haarfarbe leichter ihn zu entdeckten. Er hatte sich in den Büschen verkrochen und weinte. „Hey, ich tu dir nichts, okay? Komm doch raus.“ Mariku setzte sich auf den Boden, da der Junge scheinbar nicht gewillt war sein Versteck zwischen den Blättern zu verlassen. Inzwischen war Marikus Neugier geweckt. Wer war dieser Junge? Und warum verhielt er sich so seltsam? „Du bist echt ein komischer Kauz und auch ganz schön unfreundlich. Hat dir deine Mama denn nie beigebracht, dass man Fremden gegenüber freundlich sein muss? Zumindest solange sie bezahlen.“ Er lachte über seinen eigenen Satz, doch der Junge schluchzte nur noch mehr. „Was gibt’s denn da zu heulen? Mama hat immer gesagt, Männer dürfen nicht heulen. Oder hast du keine Mama mehr? Weißt du, meine war auch nie wirklich für mich da, aber da waren noch andere Frauen, die waren schon cool und haben mir immer Süßigkeiten gegeben“, plapperte Mariku einfach darauf los. Eigentlich erzählte er nur ungern von der Zeit, die er bei seiner Mutter verbracht hatte. Auch wenn es ihm nie schlecht ergangen war, so würden ihm die Dinge, die er schon im jungen Alter gesehen hatte für immer im Gedächtnis bleiben. Er hatte gehört, dass es nicht gut für ein Kind war so etwas zu sehen, aber verstanden hatte er es nicht. Der fremde Junge schien jedoch etwas Schreckliches durchgemacht zu haben und Mariku versuchte ihn mit seinen Worten zu animieren von sich zu erzählen, doch der Junge sagte weiterhin kein Wort, sondern schluchzte nur. Mariku merkte, dass er so nicht weiterkam und stand wieder auf. Er putzte sich Blätter und Nadeln von der Hose. „Hier“, er legte eine Tafel Schokolade auf den Boden, „die ist für dich, kannst sie ruhig essen. Ist echt lecker.“ Dann drehte er sich um und ließ den Jungen mit den schneeweißen Haaren und traurigen Augen wieder alleine. Summend saß Mariku auf dem Stuhl in der Küche und beobachtete Sora O’Kashi dabei, wie sie das Abendessen zubereitete. Es waren noch zwei weitere Köche anwesend, doch Mariku mochte sie nicht sonderlich. Die Küche war sein Lieblingsort und die Köchin seine einzige Freundin im Internat. Mit seinen Mitschülern hatte er sich nicht anfreunden können; sie mieden den Kontakt zu ihm und schienen richtig Angst zu haben. Mariku hatte sich schnell zum Außenseiter entwickelt und deshalb hatte er Zuflucht in der Küche gefunden. Der Zutritt war den Schülern eigentlich nicht gestattet, doch Köchin O’Kashi machte eine Ausnahme für Mariku. „Mariku, hast du deine Tabletten schon genommen?“ „Ja“, antwortete Mariku abwesend und spielte mit zwei Löffeln. Im Fernsehen hatte er mal gesehen, wie sie ein Mann allein durch Gedankenkraft verbogen hatte, doch bei ihm wollte das irgendwie nicht klappen. „Mariku“, sagte Sora eindringlich, denn sie glaubte ihm nicht. „Ja, schon gut“, seufzte Mariku und legte die Löffel beiseite. „Ich nehm sie ja schon.“ Die Köchin beobachtete wie Mariku einen kleinen Plastikbehälter aus der Hosentasche nahm, öffnete und einen Teil des Inhalts auf dem Tisch ausschüttete. Lustlos sah er die Tabletten an. Er mochte sie nicht und verstand nicht, wieso er sie nehmen musste. Er fühlte sich nie anders. „Na los.“ Sora stellte ihm ein Glas Wasser auf den Tisch und achtete darauf, dass Mariku seine Medikamente schluckte. Sie hielten ihn und seine extremen Stimmungsschwankungen unter Kontrolle. „Frau O’Kashi?“ Er ließ den Tablettenbehälter wieder in seiner Hosentasche verschwinden. „Ja, mein Junge?“ „Wer ist der Neue? Er ist in meine Klasse gekommen, aber er sagt gar nichts und der Direktor hat gesagt, wir dürfen ihn nicht anfassen. Wieso? Ich versteh das nicht.“ „Du meinst Bakura?“ Mariku nickte. Bakura war am nächsten Tag in seine Klasse gekommen und der Direktor hatte eine kleine Ansprache gehalten und ihnen regelrecht verboten Bakura zu nahe zu kommen. Er brauche Zeit um sich an Menschen zu gewöhnen, hatte er gesagt, doch Mariku hatte das nicht verstanden. Seine Mitschüler mieden Bakura, wie sie es auch bei Mariku taten, doch Mariku hatte sich in den Kopf gesetzt, dem schweigsamen Jungen ein Wort zu entlocken. „Weißt du Mariku, das ist wirklich sehr kompliziert mit ihm. Er hat ganz schlimme Sachen erlebt, wirklich ganz, ganz schlimm.“ „Und deshalb sollen wir ihn nicht anfassen?“ Die Köchin nickte. Sie versuchte die richtigen Worte zu finden um Bakuras Situation zu beschreiben, doch es war schwierig. „Das wäre nicht gut für ihn. Er war lange Zeit ganz allein und hat noch Angst bei so vielen Menschen. Er braucht Zeit um sich daran zu gewöhnen.“ Den Schülern gegenüber war natürlich nicht erwähnt worden, was der wahre Grund von Bakuras Angst vor Menschen war, auch wenn sie sich vorstellen konnte, dass zumindest die älteren Schüler etwas ahnten. „Mir ist das egal!“ Mariku hatte die Unterlippe vorgeschoben und die Arme vor der Brust verschränkt. „Jeder behandelt ihn als wäre er krank und sie gehen ihm aus dem Weg. Ich find das nicht in Ordnung! Er bestimmt voll nett. Wenn sonst keiner sein Freund sein will, dann werde ich halt sein Freund!“ Sora lächelte. Marikus Worte waren voller Enthusiasmus, sodass er es vielleicht wirklich schaffte, Bakuras Mauer zu zerbrechen. Im Grunde war Mariku ein lieber Junge, wäre da nicht die Krankheit, die sein Wesen so verändern konnte. „Aber geh es langsam an, okay?“ Mariku nickte und seine Augen glänzten. Voller Tatendrang rannte er aus der Küche. „Weißt du“, fing Mariku an und zerbiss ein Stück Schokolade, „du kannst nicht ewig nichts sagen. Vielleicht rostet dann deine Stimme ein und du kannst gar nicht mehr reden, willst du denn, dass das passiert?“ Mariku sah zur Seite, doch Bakura reagierte nicht. Mariku seufzte. „Du bist echt schwierig.“ Seit einer Woche versuchte er nun Bakura ein Wort oder eine Reaktion zu entlocken, doch er schwieg beharrlich und schien nicht einmal zu bemerken, dass Mariku mit ihm sprach, geschweige denn, dass er überhaupt neben ihm saß. Jeden Tag nach dem Unterricht zog sich Bakura unter die Bäume zurück, außer der Direktor holte ihn ab. Dann fuhren sie zusammen weg und kamen erst am Abend zurück. Mariku hatte versucht herauszufinden wohin sie fuhren, doch niemand wollte es ihm verraten. Bakura lebte in seiner ganz eigenen Welt, in der er sich vor dem versteckte, was ihm in dieser Welt Angst machte. Er war völlig apathisch und Mariku mochte die Traurigkeit in seinen Augen nicht. Er wollte, dass Bakura lachte und glücklich war. Jeder hatte doch irgendeinen Grund um glücklich zu sein. Mariku waren ein paar Gerüchte zu Ohren gekommen, doch er wollte sie nicht hören. Gerüchte entsprachen nie der Wahrheit, doch was er gehörte hatte, hatte ihm die Nackenhaare aufgestellt. Er wollte es nicht glauben. Er hatte Frau O’Kashi gefragt und sie hatte gesagt, er solle den anderen Mitschülern nicht zuhören, es würde nicht stimmen, doch etwas in ihrem Blick hatte ihm deutlich gemacht, dass sie ihn anlog. Mariku biss sich auf die Unterlippe. Plötzlich schmeckte die Schokolade nicht mehr und er spuckte sie aus. Wenn es stimmte, dann war es nicht verwunderlich, das Bakura vor seinen Augen zerbrach. Er zerfiel innerlich, doch Mariku wollte das verhindern. Er wollte Bakuras Freund werden. Sein bester Freund. Er wollte ihn zum Lachen bringen. Schweigend saß Mariku neben Bakura. Seit einem knappen Monat lief es schon so, dass Mariku nicht mehr mit Bakura sprach. Er hatte sich gedacht, wenn Bakura nicht gewillt war mit ihm zu reden, dann würde auch Mariku nicht mit Bakura sprechen. Vielleicht war ja Schweigen der Schlüssel zum Erfolg. Auch wenn es Mariku schwer fiel. Er war es nicht gewohnt, lange Zeit still zu sitzen oder zu schweigen, doch für Bakura gab es sich Mühe. Jedoch schlief er dadurch schlecht und verbachte den Großteil der Nacht damit auf und ab zu gehen um seine aufgestaute Energie loszuwerden. Der wenige Schlaf machte ihn wiederum aggressiv, sodass er schon wieder zwei blaue Augen und eine aufgeplatzte Lippe hatte. Auf das eine blaue Auge war er jedoch sehr stolz. Er hatte sich bei einer Prügelei mit einem Schüler der Abschlussklasse zugezogen, als dieser versucht hatte, sich an Bakura vorbei zu drängeln. Da Bakura bei jeder noch so kleinen Berührung ausflippte, versuchte Mariku mit allen Mitteln dies zu verhindern. Er wollte nicht, dass sich Bakura noch mehr in sich zurückzog. Mariku unterdrückte ein Gähnen und rieb unruhig seine Füße aneinander. Er hätte nie gedacht, dass ruhig sitzen so anstrengend war. Er hatte in der letzten Nacht wieder kaum geschlafen und so fielen ihm jetzt immer wieder die Augen zu. Außerdem hatte er auch erst vor Kurzem seine Tabletten genommen, die ihm zwar anfangs einen kleinen Energieschub gaben, ihn anschließend aber sehr müde machten. Mariku konnte sein Gähnen nicht länger unterdrücken. Als er plötzlich eine Berührung an seiner Schulter spürte, schreckte er auf. Mit aufgerissenen Augen sah er auf Bakura hinunter, dessen Kopf gegen seine Schulter gesunken war. Marikus Herz schlug plötzlich ganz schnell. Es war Bakuras erste freiwillige Berührung. Zuerst dachte Mariku, er wäre eingeschlafen und träumte nur, doch als Bakura auch noch vorsichtig seine Hand berührte, war ihm klar, dass er wach war. „Bakura?“, fragte er leise und der Angesprochene sah zu ihm auf. Er sprach immer noch kein Wort, doch sein Blick wirkte lebendiger und war auf Mariku fokussiert. Dadurch ermutigt drückte er sanft Bakuras Hand. Er war nervös. War er jetzt endlich zu Bakura durchgedrungen? Hatte er es geschafft? „Mariku“, flüsterte Bakura so leise, dass selbst Mariku es kaum verstand. Ein Lächeln der Erleichterung legte sich auf Marikus Lippen. Am liebsten wäre er vor Freude aufgesprungen. „Keine Sorge“, er drückte noch einmal Bakuras Hand, „ich bin jetzt für dich da.“ „Mariku?“ Mariku schreckte hoch und sah sich verwirrt um. „Bakura?“, fragte er verschlafen, doch gleich darauf bemerkte er, dass es Ryou war. „Oh Ryou, du bist es.“ Mariku rieb sich die Augen. „Was gibt’s?“ Ryou setzte sich in den Stuhl, der neben Marikus stand. „Es gibt gleich Abendessen. Hast du geschlafen?“ Mariku sah aus dem Fenster. Inzwischen war es dunkel geworden. „Ein bisschen“, antwortete er gähnend. Er bemerkte, dass Ryou nervös war. „Was ist?“ „Ich... ich werde mit Bakura reden“, antwortete Ryou und rieb unruhig seine Hände. Seit Weihnachten hatte er die Klinge nicht mehr angesetzt. Es war ihm anfangs sehr schwer gefallen und er hatte das Messer oft in der Hand gehabt, doch er hatte es geschafft sich keine neuen Wunden mehr zuzufügen. Wenn er in Gedanken war, tendierte er dazu sich die alten aufzukratzen, weshalb er die letzten Tage Bandagen getragen hatte. Seit heute versuchte er es ohne. Mariku prüfte jeden Tag seine Arme und hatte ihm sogar gesagt, dass er stolz auf ihn war. Noch nie hatte jemand das zu Ryou gesagt. „Das freut mich. Ich hoffe nur, Bakura benimmt sich nicht wieder wie der totale Vollidiot.“ Mariku stand auf und streckte sich. Sein Magen knurrte. „Danke Mariku“, sagte Ryou leise und sah auf seine Knie. Mariku winkte gähnend ab. „Kein Problem. Lass uns essen gehen, ich hab echt Kohldampf.“ Nach dem Abendessen zog Bakura Mariku zur Seite um mit ihm zu reden. „Ich mach mir Sorgen um dich.“ Mariku hob erstaunt die Augenbrauen. „Wieso das?“ „Naja, du gehst mit Malik Schlittschuhlaufen und machst dich dabei nicht einmal an ihn ran. Du verstehst dich mit Ryou, wohingegen wir...“ Bakura sah zur Seite. „Ich hab das Gefühl dich gar nicht mehr zu kennen.“ Erschrocken sah Mariku seinen Freund an. „Sag doch so was nicht. Du bist mein bester Freund.“ „Malik sagt, du bist vernünftig. Du warst noch nie vernünftig! Du kümmerst dich um Ryou, willst, dass er und ich miteinander reden. Du hast dir noch nie Gedanken um andere gemacht.“ „Du warst mir immer wichtig. Damals als wir uns kennen gelernt haben, hab ich alles getan um dich zu unterstützen.“ „Aber es gab immer einen Nebeneffekt. Wie oft hast du dich geprügelt? Wie viele Nächste hast du durchschlafen können?“ Mariku presste die Lippen aufeinander. „Ich hab Angst, dass das nur die Ruhe vor dem Sturm ist.“ „Vielleicht bin ich ja jetzt endlich gesund?“ Doch Mariku hatte selbst nicht viel Hoffnung. Er war unheilbar. Erst jetzt, da Bakura es ansprach, wurden ihm seine Veränderungen wirklich bewusst und es machte ihm selbst Angst. Es brauchte nur einen Funken um seine Krankheit wieder auszulösen. Er umarmte Bakura. „Egal was passiert“, flüsterte er „du bist mein bester Freund.“ Kapitel 9 „Ich aktiviere meine Fallenkarte und reflektiere damit deinen Angriff“, erklärte Mariku und drehte eine der Karten, die vor ihm auf dem Boden lagen, um. „Das wäre dann die dritte Niederlage in Folge für Malik“, grinste Bakura und schrieb eine Null unter Maliks Namen. Malik knallte die Karten in seiner Hand auf den Boden. „Dummes Spiel!“ „Nur weil du immer verlierst.“ „Nein, es ist einfach dumm! Und sowieso nur für kleine Kinder!“ Trotzig verschränkte Malik die Arme vor der Brust und sah zur Seite. Mariku und Bakura lachten. Die drei jungen Männer saßen auf dem Boden in Maliks und Bakuras Zimmer und spielten ein Kartenspiel namens Duel Monsters, das im letzten Jahr eine hohe Popularität unter Jugendlichen erreicht hatte. Es wurden sogar Turniere ausgetragen. Malik hatte sich jedoch nie sonderlich dafür interessiert. Kartenspiele waren für ihn langweilig und er sah wenig Sinn darin, sich damit irgendwelche Duelle zu liefern. Videospiele waren für ihn schon immer unterhaltsamer gewesen. Das Mariku und Bakura jedoch Karten besaßen und auch damit umzugehen wussten, überraschte ihn. „Ich helf dir ein vernünftiges Deck zusammen zu bauen und schon läuft’s das nächste Mal besser. Momentan hast du ja alles durcheinander.“ „Kein Interesse“, erwiderte Malik schnippisch und stand auf. Er ließ sich auf sein Bett fallen und rieb sich seinen eingeschlafenen Fuß. „Du bist jetzt nur beleidigt, weil du verloren hast. Hättest du gewonnen, würdest du nicht aufhören mir das unter die Nase zu reiben.“ Ein Grinsen schlich sich auf Maliks Lippen. „Vielleicht.“ „Wusst ich’s doch“, lachte Mariku. „Also, soll ich dir jetzt helfen?“ „Ein anderes Mal“, antwortete Malik. Er hatte trotzdem keine Lust mehr auf dieses Spiel. Er verstand erst zu wenig davon um es wirklich genießen zu können. Er sah lieber dem Duell zwischen Mariku und Bakura zu. Sie waren beide sehr gut und ihre Duelle dauerten wesentlich länger als die, die Malik zuvor mit Mariku gehabt hatte. Es war sogar spannend ihnen zuzusehen. „Wollen wir dann langsam mal los?“, fragte Malik, als es draußen dunkel wurde. „Es gibt bald Abendessen.“ „So eine Eile plötzlich? Dabei hast du mir doch heute Morgen erst gesagt, dass du das Silvesteressen hasst.“ Bakura schob seine Karten zusammen. „Es wird aber langweilig euch zuzusehen.“ Mariku verstaute seine Karten in einer kleinen Box und kam etwas schwerfällig wieder auf die Beine. Er stolperte zuerst und stützte sich am Tisch ab. Die ganze Zeit auf dem Boden zu sitzen konnte ganz schön anstrengend sein. „Ich bring noch mein Deck weg.“ „Kommt Ryou mit uns mit?“ „Soviel ich weiß, ist er in der Bibliothek und kommt selbst zum Essen. Sofern er’s nicht vergisst. Der driftet ja gerne mal ab, wenn er liest.“ Doch als sie den Speisesaal betraten, war Ryou schon da. Neben ihnen waren noch ungefähr dreißig weitere Schüler über die Ferien in der Schule geblieben. Hauptsächlich ältere, aber auch ein paar aus ihrer Klasse. Ryou saß neben Jonouchi und sah ziemlich genervt aus. Er atmete erleichtert aus, als er Malik sah. „So ein Schwätzer“, murmelte er ihm zu, kaum saß Malik neben ihm. Malik schmunzelte. Jonouchi war ein ziemlicher Prolet, nicht ganz der Schnellste im Kopf und der Klassenclown. Malik mochte ihn trotzdem. Er würde gerne mehr Zeit mit ihm verbringen, um etwas von Mariku wegzukommen, doch irgendwie kam immer wieder etwas dazwischen. Momentan hatte Jonouchi eine Diskussion mit seinem besten Freund Honda über Motorräder. Malik hörte ein bisschen zu, denn er interessierte sich auch für das Thema. Er wünschte sich schon seit er klein war ein Motorrad. Er hoffte, dass er, sobald er endlich mit der Schule fertig war, zumindest schon mal den Führerschein dafür machen konnte. Er sparte auf jeden Fall schon fleißig um sich seinen Traum so bald wie möglich erfüllen zu können. Lustlos rührte Malik in seinen Nudeln. Sie schmeckten ihm nicht. Er hatte Toshikoshisoba noch nie gemocht und für gewöhnlich verzichtete Isis darauf es zu machen, doch jetzt hatte er keine andere Wahl, denn außer den Nudeln gab es sonst nichts. „Schön aufessen.“ Mariku tippte mit seinen Stäbchen auf den Rand von Maliks Schüssel. „Sonst hast du nächstes Jahr kein Glück mit Geld.“ „Ich hab nie Glück mit Geld.“ Malik zwang sich eine Portion Nudeln hinunter. „Weil du nie aufisst“, lachte Mariku und leckte sich über die Lippen. Seine Schüssel war schon leer. Malik schob ihm seine hin. „Hier, du kannst meine auch haben.“ Mariku ließ sich nicht zweimal bitten und verputzte auch Maliks Portion. Malik lehnte sich zurück und beobachtete seine Mitschüler. Die meisten waren noch mit essen beschäftigt, doch einige unterhielten sich schon wieder. Die Atmosphäre war entspannt. Malik dachte an zuhause. Er hätte den Jahreswechsel lieber mit seiner Familie verbracht. Isis und Rishid waren sicher ebenfalls gerade beim Essen, danach würden sie sich ins Wohnzimmer setzen und gemütlich das live übertragene Musikfestival im Fernsehen ansehen. „Jeder, der mit zum Tempel fahren möchte, geht sich jetzt bitte anziehen. Wir treffen uns in einer halben Stunde in der Vorhalle. Bitte zieht euch warm an, es ist sehr kalt draußen.“ Über die Hälfte der Anwesenden standen auf und verließen den Raum. Malik sah ihnen hinterher. „Und was machen wir noch?“, fragte Malik und sah seine Freunde an, doch die zuckten nur mit den Schultern. „Ach, ihr Langweiler.“ „Schlag du doch was vor“, sagte Mariku und wischte sich den Mund ab. „Wir könnten rausgehen und noch eine Schneeballschlacht machen.“ „Es ist dunkel draußen“, merkte Bakura an. „Und? Das macht’s doch noch interessanter.“ „Ohne mich“, winkte Bakura ab. „Ich setz mich lieber noch in den Gemeinschaftsraum und schau mir das Musikfestival an.“ „Ich hab auch keine Lust drauf“, erklärte Ryou, „ich les mein Buch weiter.“ Malik seufzte. „Spaßbremsen“, murrte er. „Ich bin dabei“, sagte Mariku. „Klingt lustig.“ „Aber zu zweit ist das nicht so toll.“ „Ach was! Du kannst dich dafür rächen, dass ich dich bei Duel Monsters fertig gemacht habe... sofern du mich triffst.“ „Alles klar!“ Malik rutschte samt Stuhl zurück. „Wir treffen uns gleich draußen.“ Mariku sah ihm grinsend hinterher und stand dann ebenfalls auf. Gemächlich ging er zurück auf sein Zimmer. Mit Bakura allein zu sein machte Ryou nervös, auch Bakura fühlte sich unwohl. Sie warfen sich einen kurzen Blick zu, dann sprang Ryou auf. „Bis dann“, murmelte er und rannte aus dem Saal. Bakura seufzte. Draußen blieb Ryou stehen und fuhr sich durch die Haare. Eigentlich hatte er vorgehabt heute mit Bakura zu sprechen, doch im Moment fehlte ihm der Mut. Er fasste sich an die Brust. Hoffentlich war Bakura anschließend im Gemeinschaftsraum allein. Als sich die Speisesaaltür öffnete, schreckte Ryou auf und rannte um eine Ecke. Er beobachtete wie Bakura herauskam und die Treppe nach oben ging. Ryou rutschte an der Wand nach unten und atmete hörbar aus. Jetzt musste er nur noch irgendwie den Mut zusammenkratzen um sich dem Gespräch zu stellen. „Oh man, man sieht ja echt kaum was.“ Mariku kniff die Augen zusammen. „Wenigstens schneit es nicht.“ „Ausnahmsweise mal.“ Nur langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit. Der Himmel war bewölkt, deshalb hatten sie auch kein Mondlicht, das zumindest etwas Licht hätte spenden können. „Das wird interessaaaaah!“ Mariku wischte sich den Schnee aus den Haaren. „Das war unfair.“ Um Haaresbreite verfehlte ihn Maliks nächster Schneeball. „Das wirst du büßen!“ Doch Malik rannte, während Mariku sich um den Schnee bückte, und suchte Deckung zwischen den Bäumen. Keuchend ging er dort in die Hocke und formte einen neuen Schneeball. Er hörte Marikus Schritte. „Komm raus, komm raus, wo immer du bist.“ Maliks Schneeball erwischte ihn an der Schulter. „Da steckst du!“ Doch bevor Mariku ihn erreichte, hatte sich Malik längst einen neuen Platz gesucht. Er grinste. Zu Viert wäre das Spiel spannender gewesen, aber mit Mariku war es auch aufregend genug. Er linste hinter dem Baumstamm hervor, gerade in dem Moment, als dieser von einem Schneeball getroffen wurde. Malik setzte sich wieder in Bewegung. Mariku war ihm auf den Fersen. Ryous Hand zitterte, als er sie auf die Türklinke legte und er atmete tief durch. Sein Herz raste vor Aufregung und sein Magen kribbelte. Ryou schloss die Augen, drückte die Klinke nach unten und stieß die Tür auf. Erst dachte er, der Gemeinschaftraum wäre leer, bis Bakura hinter einer Sessellehne hervorblickte. Sie waren allein. „Bakura hey.“ Seine Stimme klang dünn und Ryou räusperte sich. „Hey.“ Bakura ließ sich wieder zurück in den Sessel sinken. Ryou atmete tief durch. „Ist es okay, wenn ich dir Gesellschaft leiste?“ „Klar, setz dich ruhig.“ Ryou zog einen der Sessel neben Bakuras und setzte sich. Er sah zum Fernseher, doch nahm er gar nicht wahr, was auf dem Bildschirm zu sehen war. Das Herz schlug ihm bis zum Hals und er rieb unruhig seine Handflächen gegen seine Oberschenkel, was Bakura nicht entging. „Was ist los?“ Ryou stand auf und ging zu einem der großen Fenster. Er konnte einfach nicht ruhig sitzen bleiben. „Ich würde gerne mit dir reden.“ Ryou lehnte sich gegen das Fensterbrett und wartete auf eine Reaktion von Bakura. Er musste einige Minuten warten, bis dieser den Fernseher ausschaltete und sich seufzend erhob. Bakura sah Ryou nicht an, sondern erst an Ryou vorbei aus dem Fenster und anschließend zu Boden. Nervös strich sich Bakura durch die langen Haare. „Was gibt’s?“ Ryou atmete tief durch und die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus ohne, dass er wirklich darüber nachdachte. Er redete sich einfach alles von der Seele, was ihn in den letzten Wochen belastet hatte. Malik wischte sich über die Stirn und lehnte sich keuchend gegen einen Baum. Ein Schneeball flog an ihm vorbei. „Verdammt!“, murmelte er und begann wieder zu laufen. Seine Beine schmerzten und er schwitzte. Sein Gesicht und seine Finger fühlten sich taub an. Seine Jacke und Handschuhe waren durchnässt, aber er hatte so viel Spaß, wie schon lange nicht mehr. Er wusste nicht mal, wie lange sie sich schon über das Gelände jagten. Er verließ den Schutz der Bäume und rannte über die offene Wiese. Ein Schneeball streifte seinen Arm und er warf einen kurzen Blick über die Schulter. Mariku war ihm näher als erwartet. Plötzlich stolperte er, konnte aber im letzten Moment noch sein Gleichgewicht zurückgewinnen, doch bevor er weiterlaufen konnte, wurde er doch zu Boden gerissen. Mariku rieb ihm Schnee ins Gesicht. „Hab ich dich endlich“, lachte er keuchend. „Ich gebe auf“, prustete Malik und wischte sich den Schnee aus dem Gesicht. „Du hast gewonnen.“ „Sieh’s ein Malik, du hast einfach keine Chance gegen mich.“ Die beiden Jungen lachten. Ryou wusste nicht, wie es passiert war. Wieso schrien sie sich an? Wie war es so weit gekommen? Erst hatten sie sich nur normal unterhalten. Bakura hatte ihm zugehört, sich zu seinen Gefühlen geäußert. Das Gespräch hatte einen guten Verlauf genommen, doch dann hatte Ryous Arm gejuckt und er hatte dem Bedürfnis sich zu kratzen nicht mehr widerstehen können. Dann war es passiert. Bakura hatte die Schnittwunden gesehen und alles war aus dem Ruder gelaufen. Jetzt schrien sie sich an und nicht mal die kühle Luft konnte ihre Gemüter abkühlen. Ryou hatte im Verlauf des Gesprächs eine Seite des Flügelfensters geöffnet, weil ihm durch die Aufregung warm geworden war. „Ich brauch deine Belehrungen nicht“, fauchte Ryou wütend. „Komm erst mal mit deinem eigenen Leben klar, bevor du mich hier so anbrüllst!“ Nein, nein, das war falsch. Er wollte doch nicht mit Bakura streiten. Er liebte ihn, aber gerade ging alles den Bach hinunter. Bakura packte ihn grob an der Schulter. „Du bist so ein dummer Junge! Ich hatte wirklich gedacht, dass du schlauer wärst.“ „Oh, komm mir nicht auf die Tour!“ Ryou musste viel Kraft aufwenden um sich loszureißen, doch dadurch kam er ins Taumeln. Er stolperte zurück und über den kleinen Hocker, den er zuvor noch dafür benutzt hatte um das Fenster öffnen zu können. Es passierte alles so schnell, dass weder Bakura noch Ryou genug Zeit hatten zu reagieren. Ryou stolperte weiter nach hinten und der Fenstersims war nicht hoch genug um ihn zu bremsen. Ryou war zu überrascht um zu schreien, als er durch die geschlossene Fensterseite brach und nach unten stürzte. Er spürte noch wie im das Glas die Haut aufschnitt, wie er es zuvor oft mit dem Messer selbst getan hatte, dann wurde die Welt dunkel für ihn. Wie vom Donner gerührt starrte Bakura das Fenster an. Er hatte immer noch den Arm erhoben. Seine Augen waren weit aufgerissen. Im Moment stand für ihn die Welt still. Das Erklingen von Glocken holte ihn aus seiner Starre. „RYOU!“ Bakura stürzte zum Fenster und sah nach unten. Sein Freund lag im Schnee und rührte sich nicht. „RYOU!“ Bakura ignorierte die Höhe und sprang nach draußen. Er knickte mit den Fuß um, als er im Schnee landete, doch das nahm er gar nicht wahr. „Ryou, oh Gott, Ryou!“ Er streckte die Hände nach ihm aus, doch traute sich nicht ihn anzufassen. „RYOU!“ Mariku drückte Malik immer noch auf den Boden. So nahe waren sie sich schon lange nicht mehr gewesen. Malik konnte Marikus Atem auf seiner Haut spüren. Sein Herz schlug schnell, doch er konnte nicht sagen, ob es immer noch die Nachwirkung ihrer Schlacht war oder ob es an der Nähe zu Mariku lag. Als sich Mariku noch weiter zu ihm hinunter beugte, tat Malik nichts um ihn davon abzuhalten. Ungewollt musste er an ihre gemeinsame Nacht denken und Röte stieg ihm ins Gesicht. Die Art, wie Mariku ihn damals berührt hatte, war neu und ungewohnt für ihn, ja, sogar irgendwie aufregend gewesen. Ihre Lippen berührten sich fast, als ein Krachen die Stille zerriss. Beide setzten sich auf und Malik schob Mariku von sich. „Was war das?“ Kurz darauf begannen in der Ferne die Glocken zu schlagen und das neue Jahr einzuläuten. Ein Schrei folgte. „Schnell!“, rief Mariku und sprang auf. Er lief in die Richtung aus der die Schreie kamen. Malik folgte ihm dicht auf den Fersen. Er prallte gegen Mariku, als dieser abrupt stehen blieb. Malik riss die Augen auf und schlug sich die Hand auf den Mund. Bakura kniete auf dem Boden und schrie Ryous Namen. Ryou schien bewusstlos zu sein. Zwei Glasscherben hatten sich durch sein Bein gebohrt und eine weitere durch seinen Arm. „Bakura“, sagte Mariku langsam und leise. Behutsam ging er auf seinen Freund zu, als würde er sich einem verschreckten Tier nähern. Er kniete sich neben Bakura und strich ihm mit der Hand beruhigend über den Rücken. Mit der anderen fühlte er Ryous Puls. Mariku schloss die Augen und atmete erleichtert aus. Er sah zu Malik auf. „Hol einen Lehrer, schnell!“ Doch Malik rührte sich nicht, sondern starrte immer noch erschrocken auf Ryou hinunter. „Schnell!“, wiederholte Mariku lauter und eindringlicher. Malik drehte sich auf dem Absatz um und begann zu laufen, dabei wäre er fast über seine eigenen Füße gestolpert. Er hetzte über das Gelände und riss die Internatstür auf. Fieberhaft überlegte er, wo er jetzt einen Lehrer finden konnte, doch er kannte nur den Weg zum Büro des Direktors. Ohne weiter darüber nachzudenken, rannte Malik weiter und riss, beim Büro angekommen, die Tür auf, nur um festzustellen, dass niemand da war. Keuchend sah Malik sich um. Was sollte er jetzt tun? Er musste doch Hilfe holen! Er machte kehrt und wäre dabei fast mit dem Direktor zusammengestoßen, der gerade wieder sein Büro betraten wollte. In seiner Hand hielt er eine Tasse, aus der es dampfte. „Malik“, stellte er überrascht fest. „Schnell! Hilfe!“ Maliks Stimme war heiser vor Panik. Herr Minamoto stellte seine Tasse auf dem Schreibtisch ab. „Was ist passiert?“ „Schnell! Ein Arzt! Oh Gott!“ Malik begann zu zittern. „So viel Blut.“ Der Direktor nahm ihn sanft an den Schultern. „Atme tief durch. Ein und aus. Ein und aus. Genau so.“ Er atmete mit Malik zusammen. „Und dann erzähl mir was passiert ist.“ „Ryou braucht einen Arzt. Da ist so viel Blut. Ich glaube, er ist aus dem Fenster gefallen. Schnell, wir müssen uns beeilen! Schnell!“, sprudelte es aus Malik heraus. Herr Minamoto ließ ihn los, öffnete eine Schublade und holte einen Schlüsselbund heraus, den er sich in die Hosentasche schob. „Führ mich hin“, wies er Malik mit ernster Miene an. Als sie an der Unfallstelle ankamen, hatte Bakura aufgehört zu schreien und Mariku redete beruhigend auf ihn ein. Der Direktor zog seinen Schlüsselbund wieder aus der Tasche und drückte ihn Malik in die Hand. „Mariku schnell, hilf mir ihn zu tragen. Nimm seine Beine, aber ganz vorsichtig.“ Mariku stand auf und umfasste Ryous Knöchel. „Malik, du hilfst Bakura auf die Beine.“ Er sah zu Mariku. „Bereit?“ Mariku nickte. „Bei drei. Eins, zwei, drei.“ Sie hoben Ryou an und dieser wimmerte, erwachte jedoch nicht aus seiner Ohnmacht. „Vorsichtig, aber schnell zum Parkplatz.“ Malik ging währenddessen in die Hocke und legte Bakuras Arm über seine Schulter, während er ihm selbst unter die Arme griff. Bakura schrie schmerzerfüllt auf, als er mit seinem verletzten Fuß auftrat. Humpelnd folgten sie den drei Männern in Richtung Parkplatz. Bakura zitterte wie Espenlaub und Tränen rannen über seine Wangen. Malik hörte ihn wiederholt Ryous Namen flüstern. „Malik, schließ die Autotür auf.“ Maliks Hände waren schweißnass und fast wäre im der Schlüsselbund in den Schnee gefallen. Die Lichter des Autos blinkten auf, als Malik auf den Knopf drückte. „Mach die Hintertür auf.“ „Ich lass dich kurz los, okay?“, flüsterte er Bakura zu, doch dieser schien ihn gar nicht zu hören. Als Malik ihn losließ, ließ er sich einfach zu Boden sinken. Hastig öffnete Malik die Autotüren und sie legten Ryou behutsam auf den Rücksitzen ab, dann halfen sie Bakura auf den Beifahrersitz. Inzwischen war Bakura ganz ruhig geworden. Er weinte und zitterte nicht mehr, sondern starrte apathisch auf seine Hände, die auf seinen Knien lagen. Herr Minamoto war am Handy und informierte das nächstgelegene Krankenhaus über Ryous Unfall und das sie auf dem Weg waren. Malik und Mariku sahen dem Auto des Direktors hinterher. „Was ist passiert?“, fragte Malik flüsternd. „Was?“ Mariku schüttelte nur den Kopf. Er hatte keine Antwort für Malik. Malik konnte nicht klar denken. Er fühlte sich wie in einem Albtraum. Er hatte Angst um Ryou. „Komm mit“, sagte Mariku sanft und nahm ihn an der Hand. Malik ließ sich nach drinnen führen. Er war sich nicht mal des Wegs bewusst, den sie gingen, doch plötzlich fand sich Malik in der Küche wieder. Eine mollige Frau mit kurzen, schwarzen Haaren sah sie überrascht an. „Mariku! Was machst du denn hier? Wie siehst du aus? Was ist passiert?“ Besorgt deutete sie auf das Blut an Marikus Jacke. „Ryou hatte einen Unfall. Der Direktor fährt ihn ins Krankenhaus.“ „Oh Gott, setzt euch doch. Wollt ihr einen Tee?“ Mariku nickte, während Malik sich setzte und seine Handschuhe auf den Tisch legte. „Das ist Malik“, stellte Mariku vor, „und das ist Frau O’Kashi.“ „Hallo“, sagte Malik leise. „Ach je, der arme Junge ist ja total verschreckt.“ Sie strich ihm über den Kopf. „Ist es schlimm mit Ryou?“ Mariku nickte nur. Er schob seinen Stuhl näher an Malik und nahm seine Hand. Sanft strich er ihm über den Handrücken. „Hier Junge. Trink den Tee, dann fühlst du dich gleich etwas besser.“ Schweigend tranken sie ihren Tee, doch Malik bekam nicht viel mit von dem, was um ihn herum geschah. Er dachte die ganze Zeit nur an Ryou. Er verkrampfte sich, als er an das Blut dachte. So viel. Und die Scherben, die in seinem Körper steckten. Ihm wurde übel und er stellte seine Tasse auf den Tisch. Blut. Ihm wurde immer schlecht, wenn er welches sah. In seinem Hinterkopf klopfte eine alte Erinnerung an. Sein Vater. Auch bei ihm war viel Blut gewesen. Heiß brannten Tränen in seinen Augen. Er blinzelte schnell. „Ich bin müde“, flüsterte er. Mariku nahm ihn wieder an der Hand und führte ihn in sein Zimmer. „Brauchst du noch irgendwas?“, wollte Mariku wissen und hob überrascht die Augenbrauen, als Malik ihm plötzlich um den Hals fiel. „Bleib hier, bitte.“ Die Hektik im Krankenhaus riss Bakura aus seiner Starre. „Die Blutgruppe ist AB!“ Bakura wandte sich zur Schwester um. „Sobald wir die Scherben entfernen brauchen wir sofort Blut.“ Bakura sah zum Arzt. Eilig ging er neben ihnen her. Herr Minamoto war neben ihm. „Wir haben zu viele Konserven in der letzten Operation verbraucht. Wir haben zu wenig.“ Die Stimme der Schwester wirkte schrill in Bakuras Ohren. Er blieb stehen. „Ich habe AB“, sagte er erst leise. „Ich habe AB!“, wiederholte er lauter. Jemand nahm ihn am Arm. Er antwortete auf die Fragen, die sie ihm stellten, doch in seinem Kopf drehte sich alles nur um Ryou. Was hatte er nur getan? Es war seine Schuld! Hätte er ihn nur nicht an der Schulter gepackt. Wieso hatte er ihn angeschrien? Er hatte doch nur solche Angst um ihn gehabt, weil... weil... weil er ihn liebte. Und davor hatte er noch mehr Angst. Alles rauschte an Bakura vorbei. Er hörte Stimmen, die mit ihm sprachen, doch die Worte konnte er nicht verarbeiten. Er fühlte sich schwach von der Blutabnahme. Jemand hatte seinen Fuß verbunden und ihm etwas zu essen gebracht, doch der Appetit war ihm vergangen. Jemand saß neben ihm, doch er hatte nicht die Kraft den Kopf zu drehen. Er war schuld. Nur wegen ihm war Ryou hier. Nur weil er Angst hatte, Angst vor Gefühlen. Vor allem vor Liebe. Liebe war für ihn immer nur mit Schmerz verbunden gewesen. Ungewollt drängten sich ihm seine Erinnerungen auf: In dem kleinen Zimmer brannte kein Licht und das Fenster war vernagelt worden. Manchmal bildete Bakura sich ein, dass Sonnenstrahlen durch die Ritzen fielen. Sonne hatte er schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen. Jeden Tag verbrachte er in seinem kleinen Zimmerchen in dem nichts weiter stand als ein Tisch, ein Stuhl und ein Bett. Wenn er auf die Toilette musste, dann durfte er raus, aber nicht zu oft. Nie mehr als dreimal am Tag. Jeden Tag musste er duschen. Mehrmals. Um immer sauber zu sein. Lauwarm manchmal, doch meistens kalt. Trotzdem bekam er nicht viel zu sehen. Er wusste nicht, wo er war oder welcher Tag. Wie lange war er schon hier? Seine Haare waren inzwischen ganz schön lang geworden. Die Männer mochten sein Haar. Bakura zitterte und er schlang seine Arme um seine Beine. Es war nicht nur dunkel, sondern auch kalt und er trug nicht mehr als ein viel zu großes T-Shirt. Die Decke, die er hatte, war dünn und schützte kaum vor der Kälte. Er starrte geradeaus an die Wand. Seine Augen brannten. Er bekam zu wenig Schlaf und weinte zu viel. Er versuchte damit aufzuhören, ER mochte es nicht, wenn er verheult aussah, doch Bakura konnte nicht aufhören. Er wollte weg von hier, nicht nach Hause, denn so etwas hatte er nicht, sondern einfach nur weg. Weg von diesem Raum. Weg von den Männern. Weg von IHM. Bakura war müde, doch er bekam kein Auge zu. Immer wieder huschte sein Blick ängstlich zur Tür und erwartete, dass sie sich öffnete. Es war heute viel zu ruhig. Er konnte sich nicht darüber freuen, denn dann hatte ER wieder schlechte Laune und die ließ ER dann an ihm aus. Bakura rollte sich zusammen und schloss seine Augen, doch kaum hatte er sich zumindest etwas entspannt, hörte er das Knarren der Tür. Sofort saß er aufrecht in seinem Bett, die Augen vor Panik geweitet. Sein Körper verkrampfte sich, als er die zwei Männer sah. Einer davon war ER und der andere nur einer von vielen, die er nicht kannte. „Na Bakura, bist du fit?“, fragte ER mit gehässigem Grinsen. Bakura antwortete nicht, doch es wurde von ihm auch nicht erwartet zu reden. Er hatte still zu sein und zu gehorchen. Der fremde Mann gab IHM einige Geldscheine, dann verließ ER den Raum. Bakura starrte den Fremden an. Adrenalin wurde durch seinen Körper gepumpt und er wollte weglaufen, doch er zwang sich ruhig zu bleiben. Weglaufen brachte nur noch mehr Schmerzen und weniger Essen. Vielleicht wäre es sogar besser, wenn er weniger aß oder gar nichts mehr. Der Tod konnte nicht schlimmer sein als das hier. Bakura zog sich in sich zurück. Es gab niemanden, der ihm half. Niemand war für ihn da und jeder, den er einmal geliebt hatte, hatte ihn verraten und im wahrsten Sinne des Wortes verkauft. In seiner kindlichen Naivität hatte er alles geglaubt, was ER ihm erzählt hatte. ER war doch sein Freund. Der erste Freund, den er je in seinem Leben gehabt hatte. Die anderen Kinder hatten ihn immer wegen seiner Haarfarbe aufgezogen und waren gemein zu ihm gewesen, doch ER war nett. ER war auch immerhin schon ein Erwachsener. Bakura hatte alles für IHN getan, ohne es in Frage zu stellen. Er hatte IHN geliebt und IHM vertraut. Bakura war fest davon überzeugt gewesen, dass ER ihn auch liebte, immerhin hatte ER es ihm auch gesagt. Mit leeren Augen starrte er an die Decke. Das war alles nur, weil er sich verliebt hatte. Hätte er sich nur nie verliebt. Er verfluchte die Liebe. Niemals wieder würde er so dumm sein. Bakura schluchzte und jemand legte einen Arm um seine Schulter. Mariku? Nein, das war nicht Mariku! Er entzog sich der Umarmung. Er wollte nicht angefasst werden, nur von Mariku, das war okay. Mariku war der erste, dem er wieder Vertrauen entgegen hatte bringen können nachdem er endlich von seinem Peiniger befreit worden war. Wieso war er nicht hier? Bakura schlang seine Arme um sich selbst. „Wo ist Mariku?“, fragte er leise. Er war doch immer da gewesen. Wieso war er es ausgerechnet jetzt nicht? Er brauchte ihn doch. Es war seine Schuld. Nur wegen ihm war Ryou aus dem Fenster gefallen. Wieso hatte er nicht auf Mariku gehört? Er hatte versucht es ihm zu sagen; er hatte die ganze Zeit von Ryous Selbstverletzung gewusst, dass wusste Bakura jetzt. Doch er hatte nicht zuhören wollen. Aus Angst. Aus Angst vor seinen eigenen Gefühlen. Wie hatte er Ryou das nur antun können? Wusste er nicht selbst am besten, wie es war, wenn die Liebe nicht erwidert wurde? Alles nur, weil er zu feige war, sich seinen Gefühlen zu stellen. Er hatte seine Vergangenheit sein Leben beherrschen lassen. Dabei bedeutete ihm Ryou doch so viel. Er wollte ihn nicht verlieren. Mariku lauschte Maliks ruhigen Atem. Er wünschte sich, dass es für ihn auch so einfach wäre einzuschlafen. Zugegebenermaßen war es inzwischen fast schon wieder Morgen und Malik war auch erst vor kurzem eingeschlafen, doch obwohl sich Mariku mehr als nur erschöpft fühlte, wollte er Schlaf nicht zu ihm kommen. Er machte sich Vorwürfe wegen Ryou und auch Sorgen, sowohl um Ryou als auch um Bakura. Hatte er am Ende doch zu lange gewartet? Hätte er gleich zum Direktor gehen sollen? Hätte er es verhindern können? Er wusste noch nicht mal, was genau passiert war. Er konnte sich nur zusammenreimen, dass Ryou scheinbar aus dem Fenster gefallen war. Doch wie war es dazu gekommen? Was war zwischen ihm und Bakura passiert? Am liebsten hätte er sich auf die andere Seite gedreht, doch er konnte nicht, denn er teilte sich das Bett mit Malik und hatte einen Arm um ihn gelegt. Sein Herz klopfte wieder aufgeregt, als er sich dessen wieder bewusst wurde. Dass er noch mal mit Malik in demselben Bett liegen würde, hätte er nicht für möglich gehalten. Natürlich hatte er es sich oft vorgestellt, aber er wollte Malik zu nichts mehr drängen. Doch jetzt, wo er ihm wieder so nah war, fiel es ihm schwer sich zusammenzureißen. Sie hatten sich fast geküsst! Oder hatte er sich das nur eingebildet? Zumindest hatte er die Absicht gehabt und Malik hatte nichts unternommen, als er sich zu ihm hinunter gebeugt hatte. Trotzdem... vielleicht war es doch nur Einbildung gewesen? Maliks Körper so nah an seinem zu spüren, brachte sein Blut in Wallung. Er wollte ihn so sehr, aber er durfte nicht. Ein weiterer Grund, warum ihm Schlaf gerade nicht vergönnt war. Wie konnte er in so einer Situation nur an so etwas denken? Ryou lag ihm Krankenhaus und Bakura war am Boden zerstört. Er sollte bei ihm sein. Sein Magen zog sich zusammen. Wieso war er nur nicht bei ihm? Er brauchte ihn doch jetzt. Sonst war doch niemand für ihn da! Vorsichtig stand Mariku auf, um Malik nicht zu wecken, und ging unruhig im Zimmer auf und ab. Er sollte bei Bakura sein und ihm Trost spenden, doch stattdessen lag er mit Malik im Bett und dachte an Küsse! Was war er nur für ein schrecklicher Freund? Mariku ging ans Fenster und sah nach draußen. Der Himmel hellte langsam auf, doch einen richtigen Sonnenaufgang würde er nicht sehen, denn der Himmel war bis zum Horizont mit Wolken bedeckt. Mariku seufzte und legte seine Stirn gegen die Scheibe. Er würde den ersten Bus in die Stadt nehmen. Wenn das Jahr schon so begann, was würde dann noch alles auf sie zukommen? „Mariku?“ Der Angesprochene drehte den Kopf zur Seite. Malik saß aufrecht im Bett und rieb sich die Augen. „Hab ich dich geweckt?“ Malik zuckte nur mit den Schultern. „Es ist noch nicht mal richtig hell, schlaf weiter.“ Doch Malik schüttelte nur den Kopf. Mariku ging wieder zu ihm und setzte sich an den Bettrand. „Du hast nicht mal zwei Stunden geschlafen.“ „Du hast noch gar nicht geschlafen“, erwiderte Malik. Man sah ihm an, dass er sich zwang nicht wieder zurück ins Kissen zu sinken. „Wie’s Ryou jetzt wohl geht?“ „Bestimmt schon viel besser“, antwortete Mariku und versuchte dabei optimistisch zu klingen, doch das gelang ihm eher schlecht als recht. Er hatte die großen Scherben gesehen, die sich durch Ryous Bein und Arm gebohrt hatten und er konnte nicht mal abschätzen, wie viele kleine es noch gegeben hatte. „Du solltest dich auch wieder hinlegen.“ „Ich werd‘ nur unruhig.“ „Bitte“, flüsterte Malik und sah dabei auf seine Hände. Mariku wurde bewusst, dass er im Moment zwar nicht Bakura zur Seite stehen konnte, aber es sehr wohl jemanden gab, der seinen Komfort brauchte. Er lächelte kurz. „Okay.“ Mariku schlüpfte wieder unter die Decke und fast sofort war Malik wieder nah bei ihm. Marikus Herz begann wieder schneller zu schlagen. Zögernd legte er wieder einen Arm um Malik, und dieser beschwerte sich nicht. Malik machte sich sicherlich genauso viele Sorgen wie er selbst. Es war ihm leicht gefallen, sich in ihre verrückte, kleine Gruppe einzufügen und sich mit Ryou und Bakura anzufreunden. Ihr eigener Start war nicht so glorreich verlaufen und das war nur seine eigene Schuld gewesen. Er wollte sich bessern, damit er Malik nah sein konnte, auch wenn es besser für ihn wäre, wenn er sich eher von ihm fernhielt. Er musste an das Gespräch denken, dass er erst vor kurzem mit Bakura hatte. Sein verändertes Verhalten war ungewöhnlich und an eine Heilung wollte Mariku nicht glauben. Malik war wieder eingeschlafen und Mariku strich ihm sanft über die Wange. Verlangen stieg in ihm auf. Er wollte Malik küssen, seinen Körper berühren und noch einmal sein Stöhnen hören. Nein, nein, er durfte so nicht denken, er durfte einfach nicht! Malik wollte es nicht und das hatte er zu akzeptieren! Aber wenn er es nicht wollte, warum lag er dann so nah bei ihm? Warum hatte Malik ihn nicht weggestoßen, als er ihn küssen wollte? Er war stärker als Malik, er könnte sich einfach nehmen was er wollte. Erschrocken setzte sich Mariku auf und legte sich die Hände auf den Mund. Wie konnte er nur so etwas denken? Er ließ seine Hände sinken und ballte sie zu Fäusten. War es das, wovor Bakura ihn gewarnt hatte? „Mariku, was ist?“, fragte Malik verschlafen und setzte sich ebenfalls auf. Mariku sah ihn an. Wie schön er war. Er wollte Malik ganz für sich. Wenn er ihn einfach aufs Bett drückte... Mariku schlug die Decke zurück und stand auf. „Tut mir Leid“, murmelte er und eilte aus dem Zimmer. Er musste weg von Malik und seinen bösen Gedanken. Malik wickelte die Decke fester um sich und sah Mariku hinterher. Was war los mit ihm? Sollte er ihm nachlaufen? Hatte er etwas falsch gemacht? Malik legte sich wieder hin und rollte sich zusammen. Er wollte nach Hause. Er konnte das Blut nicht vergessen. Er hasste den Anblick davon. Malik schauderte. Wieso war Mariku gegangen? Er wollte nicht allein sein. Kapitel 10 Bakura saß an Ryous Bett und hielt seine Hand. Es fiel ihm schwer die Augen offen zu halten, doch er wollte wach sein, wenn Ryou aufwachte. Er hatte es geschafft. Er würde überleben. Bakura war so froh, dass er am liebsten geweint hätte, doch er hatte keine Kraft dafür. Sanft streichelte er über Ryous Handrücken. „Ich bin da“, flüsterte er. „Keine Sorge, ich geh nicht weg.“ Es war noch unklar, wann Ryou aufwachen würde, doch Bakura hatte sich geschworen nicht von seiner Seite zu weichen. Er wollte für ihn da sein, wenn er aufwachte und sich entschuldigen, dass er so ein Idiot war. „Wie geht es ihm?“, fragte Malik leise. Er hatte sich nicht davon abhalten lassen mit Mariku ins Krankenhaus zu fahren, auch wenn dies Mariku scheinbar im ersten Moment widerstrebt hatte. Malik konnte sich nicht erklären, was plötzlich in ihn gefahren war und so schob er es einfach auf den Stress und die Schlaflosigkeit. Selbst an Mariku konnte so ein Erlebnis nicht spurlos vorübergehen. Sie hatten schon versucht mit Bakura zu reden, doch dieser war zu sehr auf Ryou fixiert um sie zu realisieren. Er stand immer noch unter Schock und Malik konnte das gut verstehen. „Es besteht keine Lebensgefahr mehr, aber er wird noch eine ganze Weile hierbleiben müssen. Es wurden wichtige Blutgefäße verletzt, das bedarf noch weiterer Beobachtung“, erklärte Herr Minamoto. „Und Bakura?“, wollte Mariku wissen. „Sein Fußgelenk ist angeknackst und ansonsten seht ihr ja selbst.“ Der Schuldirektor seufzte. „Es gibt im Moment nichts was wir tun können. Bakura braucht vor allen Dingen jetzt Schlaf, aber er weigert sich beharrlich. Man hat versucht ihn mit Medikamenten zum Einschlafen zu bringen, aber jedes Mal, wenn ihm jemand zu nahe kommt, dann fängt er an zu schreien.“ Mariku trat nah an Bakura heran und legte ihm die Hand auf die Schulter. Bakura zuckte noch nicht einmal zusammen. „Mariku, du bist da“, sagte er leise ohne seinen Blick von Ryou abzuwenden. „Natürlich, ich lass dich doch nicht allein“, flüsterte er. „Ich warte, dass er aufwacht.“ „Das wird er, ganz bestimmt. Willst du dich nicht ein bisschen hinlegen?“ „Nein“, widersprach Bakura laut und senkte dann wieder die Stimme. „Ich muss bei ihm bleiben.“ „Ich pass auf ihn auf, während zu schläfst.“ Doch Bakura schüttelte den Kopf. „Das ist jetzt meine Aufgabe.“ Sanft strich Mariku seinem Freund über den Kopf. Malik stand abseits und fühlte sich fehl am Platz. Als er sah, wie zärtlich Mariku mit Bakura umging, wusste er, dass er überflüssig war. Er konnte hier nichts tun und niemandem helfen. Malik drehte sich um und ging. Hoffentlich fand er den Weg zurück alleine. Er zog sich die Kapuze über den Kopf, als er nach draußen ging. Die Sonne hatte es geschafft, sich durch die Wolken zu kämpfen und spendete kaltes Licht. Malik zog seine Hände in seine Ärmel zurück. Wieso vergaß er nur ständig seine Handschuhe? Er musste an den Tag denken, als er mit Mariku beim See war und er ihm seine Handschuhe geliehen hatte. Inzwischen kam es ihm vor, als wären Jahre seitdem vergangen. Es war ein schöner Tag gewesen. Er hatte viel Spaß gehabt und dabei eine ganz andere Seite an Mariku kennen gelernt. Zumindest seine Welt war zu diesem Zeitpunkt noch in Ordnung gewesen. Zurück im Internat kam er gerade richtig zum Mittagessen. Obwohl er keinen Hunger hatte, gesellte er sich zu den anderen Schülern, lauschte ihren Gesprächen und zwang sich schnell die Suppe hinunter. Selbst hier fühlte er sich wie ein Fremder. Er wollte nach Hause zu seiner Familie. Die Sehnsucht trieb ihn zum Telefon, doch das Schicksal war grausam und so hörte er nur Rauschen in der Leitung. Er hasste den Schnee und die Kälte. Er hasste diesen Ort. Malik zog sich in sein Zimmer zurück und entschied sich für eine warme Dusche. Er hoffte, dass es ihn irgendwie auf andere Gedanken brachte, doch er blieb melancholisch. Malik vergrub sich unter seiner Decke und schloss die Augen. Vielleicht schaffte er es etwas zu schlafen. Er fühlte sich kraftlos, aber das war kein Wunder. Zumindest fühlte er sich durch die Dusche ein kleines bisschen besser. Schlaf kam überraschend schnell. Anklopfen war etwas, das Mariku für gewöhnlich nicht tat, besonders nicht, wenn er Bakuras Zimmer betrat. Doch diesmal war es nicht sein bester Freund der auf der anderen Seite war, sondern Malik. Es war ihm nicht aufgefallen, dass er das Krankenhaus verlassen hatte und er fühlte sich deswegen unwohl, doch er war nicht sofort zurückgefahren, denn er hatte weiterhin für Bakura da sein müssen. Bakura war am Ende doch eingeschlafen, doch Mariku hatte versprechen müssen auf Ryou aufzupassen, während Bakura schlief und so hatte er an Ryous Bett gewacht und dessen Hand gehalten. Inzwischen war es wieder Abend und das Abendessen längst vorbei. Wahrscheinlich wäre er immer noch im Krankenhaus, hätte der Direktor nicht darauf bestanden, dass er mit ihm zurückfuhr. Als er ein leises „Ja“ hörte, trat Mariku ein. Malik sah ihn verschlafen an. „Hab ich dich geweckt?“ Malik nickte. „Tut mir leid.“ „Seit wann klopfst du an?“, fragte Malik, während er sich den Schlaf aus den Augen rieb. Mariku zuckte nur mit den Schultern. Er wusste keine wirkliche Antwort darauf, außer vielleicht, dass er Angst vor seinen eigenen Gedanken hatte. Er setzte sich auf Bakuras Bett und fühlte sich seit langer Zeit mal wieder nervös. „Warum bist du gegangen?“, fragte Mariku schließlich und sah Malik nur immer wieder kurz an. Malik fuhr sich durch die Haare und strich sie wieder glatt. „Ich mag Krankenhäuser nicht sonderlich“, log er. „Da fühl ich mich immer so unwohl.“ „Kann ich verstehen.“ Eine unangenehme Stille entstand und beide Jungen sahen sich unwohl um. „Ich geh dann wohl wieder und lass dich weiterschlafen. Ich sollte mich auch endlich hinlegen.“ Als Mariku schon fast an der Tür war, rief Malik nach ihm. „Fährst du morgen wieder ins Krankenhaus?“ „Ja, willst du mit?“ „Nein“, Malik schüttelte den Kopf, „schon okay.“ Er hoffte, dass Lächeln auf seinen Lippen würde nicht zu verkrampft aussehen. Als Mariku am nächsten Tag wieder klopfte, stellte Malik sich schlafend und stand erst auf, als er sicher war, dass Mariku gegangen war. Ohne Hektik zog er sich an und wanderte anschließend ziellos durch das Gebäude. Nach einiger Zeit trieb es ihn zum Telefon und hoffnungsvoll nahm er den Hörer ab. Malik atmete hörbar aus, als das Freizeichen erklang. Hastig wählte er die Nummer von zuhause und schloss die Augen während es klingelte. Hoffentlich war jemand zu Hause. „Hallo?“, hörte er seine Schwester sagen. „Isis!“ Es tat gut ihre Stimme zu hören. „Malik, wie schön! Wieso hast du dich denn nicht gemeldet? Ich hatte gehofft, du würdest deine Ferien zuhause verbringen.“ „Die Telefonleitung war tot wegen dem Schnee.“ „Oh, aber ich bin froh endlich wieder von dir zu hören. Wie geht’s dir?“ Malik setzte sich hin. „Ein Freund hatte einen Unfall und liegt jetzt im Krankenhaus“, erzählte Malik seiner Schwester. „Ich mach mir Sorgen um ihn. Es ist hier alles grad nicht so leicht.“ Er seufzte. „Ich vermisse dich und Rishid.“ „Sollen wir dich abholen?“, fragte Isis. „Du kannst deine restlichen freien Tage hier verbringen. Es ist erst Mittag, wir können dich heute Abend abholen.“ Maliks Herz machte einen kleinen Hüpfer. „Ja, geht das? Ich will nach Hause.“ „Natürlich. Ich sag gleich Rishid Bescheid und dann kommen wir.“ „Ich freu mich!“ „Ich mich auch. Bis heute Abend.“ „Bis dann.“ Als Malik auflegte, fühlte er sich viel besser. Nach Hause. Seine Geschwister würden kommen und ihn holen. Er freute sich darauf. Endlich wieder nach Hause, weg von all seinen Sorgen, zumindest für ein paar Tage. Vielleicht war alles wieder in Ordnung, wenn er zurückkam. Ryou wieder zurück, Bakura wieder bei Sinnen und Mariku... er wusste nicht, was er von ihm halten sollte. Die plötzliche Veränderung in seinem Verhalten verwirrte ihn. Malik schob seine Hände in seine Hosentaschen, während er zurück auf sein Zimmer ging um ein paar Sachen zu packen. An Silvester hätten sie sich fast geküsst, als sie beide im Schnee lagen und er hätte es sogar zugelassen. Er fand den Gedanken daran weniger abstoßend als noch vor ein paar Monaten. Hatte er sich zu sehr daran gewöhnt? Hin und wieder dachte er an den Sex, den sie gehabt hatten. Es hatte sich gut für ihn angefühlt. Das Blut schoss Malik in die Wangen. Es war sicher nicht schlecht, wenn er einige Tage Abstand von Mariku hatte, dann konnte er auch in Ruhe darüber nachdenken ohne tagtäglich damit konfrontiert zu werden. Malik saß neben seiner gepackten Tasche und sah ungeduldig auf die Uhr. Alle fünf Minuten stand er auf und ging zum Fenster, in der Hoffnung, ein Auto würde auf den Hof fahren. Erst hatte er darüber nachgedacht gleich draußen zu warten, doch das war ihm zu kalt. Malik seufzte. Wo blieben sie nur? Unruhig wippte er mit seinem Fuß und stand schließlich wieder auf. Er kniff die Augen zusammen, als er aus dem Fenster sah. Inzwischen wurde es schon dunkel, doch weit und breit war noch niemand zu sehen. Als sich plötzlich die Tür öffnete, zuckte Malik zusammen. Es war Mariku, der diesmal ohne zu Klopfen reinkam. „Hey“, begrüßte er Malik mit einem schwachen Lächeln. „Ach, du bist schon wieder da?“ Malik hatte gehofft, er wäre weg bevor Mariku kam. Irgendwie wollte er sich nicht von ihm verabschieden, auch wenn es nur für ein paar Tage war. „Gehst du weg?“ Mariku deutete auf die Reisetasche. „Meine Schwester holt mich gleich ab“, erklärte Malik. „Ich verbring die letzten Ferientage noch zuhause.“ „Oh... das ist schön für dich.“ Doch er klang alles andere als begeistert. „Wie geht’s Ryou?“, wechselte Malik das Thema. „Unverändert.“ „Und Bakura?“ „Er schläft jetzt öfter, zumindest wenn ich da bin um auf Ryou aufzupassen.“ „Ich hoffe, es wird alles wieder gut.“ „Ich auch“, stimmte Mariku zu. Er kam ein bisschen näher und Malik richtete seinen Blick wieder aus dem Fenster. Ein Auto fuhr gerade in den Hof ein. „Ah, da sind sie.“ Er löste sich vom Fenster und griff nach seiner Tasche. „Wir sehen uns dann in ein paar Tagen.“ Doch bevor er gehen konnte, hielt Mariku ihn am Handgelenk fest. „Du kommst doch wieder?“ „Versprochen.“ Als Mariku sein Handgelenk wieder freigab, wandte sich Malik zur Tür, doch er zögerte, drehte sich noch einmal um und gab Mariku einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Dann rannte er aus dem Zimmer. Maliks Herz pochte wie wild. Wieso hatte er das getan? Hatte er jetzt völlig den Verstand verloren? Er hatte Mariku geküsst! Freiwillig! War er denn von allen guten Geistern verlassen? Doch er schob seine Gedanken beiseite, als er seine Schwester sah und sie umarmte. Er hatte sich noch nie so gefreut sie zu sehen. „Wir sind leider etwas spät. Der Schnee ist ja fürchterlich.“ „Schon okay.“ Er umarmte Rishid. „Ich bin so froh, dass ihr da seid.“ Er warf seine Tasche in den Kofferraum. „Und ich freu mich auf zuhause. Mein eigenes Bett!“ Malik seufzte. „Nichts ist schöner als das eigene Bett!“ Sie lachten und stiegen in das Auto ein. Als sie losfuhren warf Malik einen Blick zurück. Hoffentlich kam Mariku auch ohne ihn klar. Mariku saß auf Maliks Bett, die Finger an die Lippen gehoben. Er hatte ihn geküsst. Malik hatte ihn wirklich geküsst! Nur kurz, aber es war passiert. Er konnte es immer noch nicht fassen. Wie war denn das passiert? Oder träumte er nur? Nein, wäre es ein Traum, dann wäre es nicht nur bei diesem kurzen Kuss geblieben. Also war es wirklich passiert. Mariku begann erst zu grinsen und dann zu lachen. Er ließ sich rückwärts aufs Bett sinken und streckte die Arme von sich weg. Also hatte er es sich nicht nur eingebildet, dass sie sich vor zwei Tagen fast geküsst hätten. Wäre Ryou nicht aus dem Fenster gestürzt, dann wäre es passiert. „Malik.“ Er ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. Malik und er. Zusammen. Als Paar. Nein, nein, er ging schon zu weit. Bisher war es nur ein kleiner Kuss gewesen. Er würde die Dinge sachte angehen und nicht dieselben Fehler machen wie früher. Mariku rollte sich hin und her und schwelgte in seinem Glück. Grinsend sah er an die Decke. Endlich etwas Positives in seinem Leben. Zuhause war es einfach am Schönsten. Zufrieden seufzend ließ sich Malik auf sein Bett fallen. Und das eigene Bett war das bequemste. Seit er zuhause angekommen war, fühlte er sich viel besser, als wäre ihm eine schwere Last abgenommen worden. „Hast du noch Hunger?“ Sein Magen knurrte als Antwort. Isis lachte. „Ich mach dir noch schnell was.“ Malik sah sich in seinem Zimmer um. Er hatte es so sehr vermisst zuhause zu sein. Auch wenn er früher häufig gesagt hatte, wie sehr er es hasste hier zu sein, so wollte er jetzt gar nicht mehr gehen. Glücklich umarmte er sein Kissen. Am liebsten würde er gar nicht mehr zurück ins Internat. Er musste an Mariku denken und ihm wurde mulmig zumute. Er hatte Mariku versprochen, dass er wieder kam. Und er hatte ihn geküsst! Das war einfach zu verrückt! Malik konnte immer noch nicht fassen, dass er das wirklich getan hatte. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Wahrscheinlich hatte er gar nicht nachgedacht. Er musste unbedingt wieder in die Gesellschaft von ein paar Mädchen. Mit Heißhunger verspeiste er das, was seine Schwester ihm zubereitet hatte. Selbst das Essen schmeckte viel besser und es war angenehm mit seiner Schwester und seinem Bruder zusammen zu sitzen. „Wie geht es deinem Freund?“, wollte Isis wissen. „Er ist immer noch im Krankenhaus und in so eine Art Koma. Zumindest wacht er nicht auf.“ „Was ist passiert?“ „Er ist aus dem Fenster gefallen“, erzählte Malik, ließ jedoch das Blut bewusst weg. Er wollte nicht von Blut reden und schon gar nicht daran denken. „Und wie kommst du mit den Lehrern zurecht?“ „Ganz gut. Die sind alle recht cool drauf und meine Noten sind ganz gut, denk ich.“ „Zumindest besser als früher.“ Überrascht sah Malik Isis an. „Woher weißt du das denn?“ „Wir kriegen natürlich mitgeteilt, wie dein Leistungsstand ist.“ „Oh, dass wusst ich gar nicht.“ Malik ließ die Gabel sinken und lehnte sich zurück. „Das war gut.“ „Du hast gegessen, als hättest du seit Tagen nichts mehr gehabt“, lachte Rishid und räumte Maliks Teller vom Tisch. „Zuhause schmeckt’s halt am besten.“ Malik grinste, doch musste er gleich darauf gähnen. Es war inzwischen schon spät und auch die lange Autofahrt hatte ihn müde gemacht. „Ich leg mich hin. Gute Nacht.“ Die nächsten zwei Tage verbrachte Malik mit seinen Geschwistern. Sie gingen zusammen durch die Stadt, ein bisschen Shoppen und essen. Malik fühlte sich wohl und ihm graute schon wieder vor seiner Abreise. Am späten Nachmittag kontaktiere er seine ehemaligen Schulkameraden. Die waren begeistert, dass Malik wieder da war und so verabredeten sie sich für eine Party. Malik freute sich darauf seine alten Freunde wieder zu sehen und natürlich auch die Mädels. Mariku war in letzter Zeit einfach zu häufig in seinen Gedanken gewesen. Isis war nicht begeistert, dass er ausging, doch Malik ließ sich nicht aufhalten. „Schaut euch an, wer da ist!“, begrüßte ihn sein Freund Atemu grinsend. Malik traf sich mit seiner ehemaligen Clique in ihrem Stammclub. „Haben sie dich auch endlich mal rausgelassen aus deinem Gefängnis? Hast du uns vermisst?“ „Deine Fresse ganz sicher nicht“, erwiderte Malik und ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen. Nur Kisara und Atemu waren bisher da „Wo sind die anderen?“ „Seto arbeitet und Mai wollte später kommen“, antwortete Atemu. „Und Anzu und Yuugi?“ Kisara lachte. „Pass auf, das wirst du nicht glauben...“ „Halt‘s Maul“, unterbrach sie Atemu bevor Kisara überhaupt richtig angefangen hatte. Kisara warf ihm einen kalten Blick zu. „Setz dich erst mal zu mir.“ Sie klopfte neben sich und Malik kam der Einladung gerne nach. Kisara war schön und für Malik keine, die er von der Bettkante stoßen würde. Leider war er bisher gerade mal bis an ihre Brüste gekommen. „Also, unsere liebe Anzu hat einen Braten in der Röhre.“ Kisara grinste voller Genugtuung. Sie und Anzu hatten schon immer ihre Probleme miteinander gehabt. Malik war über die Neuigkeit eher wenig überrascht. Anzu und Yuugi waren schon lange zusammen und immer so ein kleines Traumpaar gewesen. „Aber das Beste kommt er noch: Yuugi ist nicht der Vater.“ Malik klappte er Mund auf. „Wa-was?“, stammelte er. Kisara schien die Situation zu genießen. „Unser lieber Atemu wird jetzt Papa.“ Atemu funkelte sie nur böse an und leerte sein Glas mit einem Zug. Malik starrte seinen Freund entgeistert an. „DU?!“ „Ja, ICH“, murrte Atemu und stellte sein Glas hörbar ab. „Ist das sicher?“ „100%!“ Kisara war bester Laune. „Sie hat’s ihm gestanden, wollte es aber Yuugi unterschieben, aber der hat durch Zufall alles mitgekriegt.“ Malik trank einen Schluck von seinem Drink. Es hatte sich viel getan seit er weg war. „Lass uns lieber das Thema wechseln“, knurrte Atemu. „Wie ist dein Gefängnis so?“ „Eigentlich ganz cool“, antwortete Malik schulterzuckend. „Auch ein paar coole Typen?“ Malik nickte. „Aber lass uns nicht von der Schule reden. Ich bin hier zum Feiern!“ Er wollte nicht über das Internat reden, auch nicht über Bakura und Ryou und erst recht nicht über Mariku. „Wie wahr, wie wahr“, sagte Kisara und drückte sich gegen Malik. Er konnte ihre Brüste an seinem Arm spüren und linste in ihren Ausschnitt. Ihre Brüste waren äußerst üppig und nur zu gern wollte Malik an ihnen rumspielen, doch er war sich unsicher, ob ihm das gefiel. War sie nicht mit Seto zusammen? Als hätte Atemu seine Gedanken gelesen sagte dieser: „Kannst du froh sein, dass Seto arbeitet.“ Kisara warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. „Der arbeitet doch ständig und denkt, er kann sich meine Zuneigung mit teuren Geschenken erkaufen.“ Sie kicherte. „Ein bisschen stimmt’s“, sie spielte mit der Kette um ihren Hals, „aber ich brauch auch jemanden, der nicht nur mit seinen Computer spielt, sondern auch mit denen hier.“ Sie umfasste ihre Brüste und hob sie an. Malik schluckte, doch fühlte er sich weniger davon angeturnt als früher. „Außerdem wachs ich unten rum sonst noch zu“, flüsterte sie Malik zu und Atemu verdrehte die Augen. „Ich brauch mehr zu trinken.“ Kaum war Atemu außer Sicht, küsste Malik Kisara begierig. Er musste endlich aufhören an Mariku zu denken. Er war ein Kerl, er durfte einfach nicht mehr an ihn denken und auch erst recht nicht an das, was passiert war. Doch so sehr Malik es versuchte, er konnte Mariku nicht vergessen. Die Küsse mit Mariku waren anders. Rauer. Aufregender. Es war Mariku, der die Führung übernahm. Hier war er es selbst, der den Kuss dominierte. Kisaras Finger waren kühl. Marikus Finger warm. Malik umfasste eine ihrer Brüste und knete sie sanft. Mit dem Daumen strich er über den harten Nippel. Marikus Körper war muskulös. Er war stärker als Malik. Malik ließ seine Hand in die Bluse gleiten und schob den BH nach oben. Mit der zweiten Hand strich er durch ihre langen Haare. Mariku hatte auch lange Haare, doch bei ihm standen sie wild ab. Er ließ die zweite Hand in die Bluse wandern, doch Kisara schob ihn leicht von sich. Ihre Augen waren tiefblau. Mariku hatte lavendelfarbene Augen. „Du kannst ja echt nicht mehr warten“, sagte sie vergnügt. Warten. Mariku wartete auf ihn. Er hatte ihm versprochen zurückzukommen. Kisara wollte ihn wieder küssen, doch diesmal blockte er sie ab. Er fühlte nichts. Es erregte ihn nicht sie anzufassen. Malik zog seine Hände zurück. „Sorry“, murmelte er und ging. Kisara rief ihm irgendwas hinterher, doch Malik achtete nicht weiter darauf. Er verabschiedete sich von Atemu, der ihn verwirrt ansah, dann ging er nach Hause. Als Malik später in seinem Bett lag, dachte er darüber nach was zuvor passiert war. Vor ein paar Monaten hätte er schon einen Ständer gehabt, wenn er nur eine von Kisaras Brüsten angefasst hätte, doch diesmal hatte sich nichts gerührt. Er hatte sie die ganze Zeit mit Mariku verglichen. Was war nur los mit ihm? Wieso konnte er nur nicht damit aufhören an ihn zu denken? Wie Mariku ihn berührt hatte... Plötzlich bekam Malik eine Gänsehaut. Nein, er durfte nicht daran denken. Doch er konnte seine Gedanken nicht aufhalten. Er konnte nicht vergessen, wie Mariku ihn geküsst hatte. Er hatte Marikus Namen gestöhnt. Malik kroch die Röte über die Wangen. Er hatte Marikus Namen gestöhnt und es genossen, von ihm gefickt zu werden. Malik vergrub sein Gesicht im Kissen. „Nein“, flüsterte er. Sein Schwanz war hart. Kapitel 11 Schnell rannte Bakura den langen Gang entlang. Nirgends war ein Fenster oder eine Tür. Grelles Licht wurde von den Deckenstrahlern auf ihn geworfen und der Flur schien kein Ende zu nehmen. Trotzdem rannte er, so schnell ihn seine kleinen Beine trugen. Er durfte nicht aufhören zu laufen. Niemals! Das Lachen seines Peinigers hallte in den Gängen wider. Er schien überall zu sein. „Nein, nein“, keuchte Bakura panisch und rannte um sein Leben. Er spürte SEINEN Blick in seinem Nacken. Der Junge schauderte. „Lass mich in Ruhe“, schrie er. „Lass mich frei!“ Tränen trübten sein Blickfeld. Seine Brust stach vor Schmerz. „Bakura.“ Eine sanfte Stimme ließ ihn innehalten. Keuchend sah er sich um. Der Flur hatte sich aufgelöst und er stand an einer Klippe. Ryou stand vor ihm und lächelte ihn an. Er war erleichtert ihn zu sehen. „Es geht dir gut“, sagte er glücklich und streckte seine Hand nach Ryou aus. Dessen Gesicht verzerrte sich vor Wut. Er begann zu schreien, doch Bakura konnte die Worte nicht verstehen. „Es tut mir leid, es tut mir leid“, flüsterte er, doch Ryou schrie weiter. Dabei ging er rückwärts, immer weiter auf den Rand der Klippe zu. Bakura wollte zu ihm laufen, doch er konnte sich nicht bewegen. Das Schreien erstarb und Ryou sah Bakura traurig an. „Ich kann nicht ewig auf dich warten.“ „RYOU!“ Und Ryou fiel. Jemand schlang seine Arme um Bakura. ER! Es war ER! Bakura spürte SEINEN Atem in seinem Nacken. SEINE Hände strichen gierig über Bakuras Körper, dieser wollte ihn wegstoßen, doch er war zu schwach. Er war doch nur ein kleines Kind. Leises Lachen drang an seine Ohren und Bakura begann zu zittern. Tränen liefen über seine Wangen. „Nicht weinen!“, sagte SEINE kalte Stimme. Schmerz jagte durch Bakuras Körper. Er schrie Ryous Namen aus vollen Lungen, doch Ryou war weg und es gab niemanden mehr, der ihm helfen konnte. Er war allein. Bakura fand sich in seinem kleinen Kämmerchen wieder. Der Schmerz war unerträglich, doch er weinte nicht mehr. Nicht weinen, er durfte nicht weinen. Niemand würde kommen und ihn retten. Schreiend erwachte Bakura aus dem Schlaf und schlug um sich. Nur langsam realisierte er, dass alles nur ein Traum gewesen war. Er atmete tief durch und sah sich um. Er war wieder im Internat und bald schon waren die Ferien vorüber. Er wollte lieber bei Ryou sein, doch Herr Minamoto hatte ihn einfach wieder zurückgebracht. Es war falsch, dass er hier war und doch konnte er nichts dagegen tun. Mariku konnte ihm keinen Trost spenden und Malik war weg. Nach Hause gefahren, wie Mariku ihm erzählt hatte. Es kam ihm alles so unwirklich vor. Bakura ließ sich zurück auf die Matratze sinken. Wieso lief alles in seinem Leben nur so verkehrt? Ungeduldig trommelte Mariku auf den Tisch und sah immer wieder zur Uhr. „Hör auf, du machst mich nervös“, fuhr Bakura ihn an. Seit er zurück war, war er gereizt. Er konnte nicht akzeptieren, dass er im Internat bleiben musste und nicht zu Ryou konnte. Zumindest hatte sein Schockzustand inzwischen nachgelassen und er war wieder normal ansprechbar. „Sorry“, nuschelte Mariku und verschränkte die Arme vor der Brust. Stattdessen fing er damit an mit dem Fuß zu wippen. „Er kommt sicher bald.“ Es war schon das fünfte Mal, dass Bakura das sagte. Selbst ihn machte es unruhig, das Malik noch nicht wieder da war. Es dämmerte schon und am nächsten Tag würde der Unterricht wieder anfangen. Je mehr Treppenstufen er hinter sich ließ, desto nervöser wurde Malik. Er freute sich darauf Mariku wieder zu sehen und verfluchte sich gleichzeitig dafür. Seit er das erste Mal einen Schritt über die Schwelle dieses Internats getan hatte, war sein Leben ein einziges Chaos. Am liebsten wäre er gar nicht aus dem Auto ausgestiegen. Als er die Zimmertür öffnete, war er überrascht Bakura zu sehen, doch es war Mariku, auf den sofort sein Blick fiel. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. „Bin wieder da“, erklärte Malik das Offensichtliche und legte seine Tasche auf seinem Bett ab. „Wie geht’s Ryou?“ „Unverändert“, antwortete Bakura traurig. „Er wacht einfach nicht auf.“ „Zumindest geht’s dir wieder etwas besser.“ „Ja.“ Bakura lächelte schwach. „Wie war’s zuhause?“ Malik zuckte mit den Schultern. „Ganz angenehm. Hab wieder ein paar alte Schulkameraden und Freunde getroffen, war ganz nett.“ Er warf Mariku einen kurzen Seitenblick zu. „Hab ich sonst irgendetwas verpasst?“ „Nein.“ Diesmal war es Mariku, der antwortete. „Nichts passiert während du weg warst.“ Er hatte nicht einmal seinen Blick von ihm abgewandt. „Schön, dass du wieder da bist.“ „Ja, oder dachtest du, ich bleib zuhause?“ Er grinste Mariku an und versuchte damit seine Nervosität zu überspielen. „Bei dir weiß man das nicht so genau.“ Sie lachten beide. Bakura sah von einem zum anderen und zog die Stirn kraus. „Wieso hab ich das Gefühl, irgendwas verpasst zu haben?“ Bakuras Aufmerksamkeit galt weder dem Lehrer, noch dem Ahornbaum vor dem Fenster, den er schon die ganze Zeit anstarrte. Wie sooft dachte er nur an Ryou. Der Unterricht hatte vor einer Woche wieder angefangen und noch immer war Ryous Zustand unverändert. Er konnte ihn noch nicht einmal jeden Tag besuchen, da ihn der Schulstoff zu sehr einspannte und der Direktor hatte ebenfalls ein Auge auf ihn. Herr Minamoto hatte gesagt, dass Bakura ein wenig Abstand bräuchte um auf andere Gedanken zu kommen, doch er lag falsch. Alles was Bakura brauchte war Ryou. Trotzdem konnte er zumindest am Wochenende ins Krankenhaus fahren, dort saß er dann stundenlang neben Ryous Bett und hielt dessen Hand. Er sprach mit ihm und erzählte vom Schulalltag. Natürlich war es nicht unbemerkt geblieben, dass Ryou fehlte und Ryous Unfall hatte sich schnell herumgesprochen, auch wenn niemand die genauen Umstände kannte. Bakura hatte es noch nicht einmal geschafft Mariku alles zu erzählen. Es nervte ihn, wenn er gefragt wurde, was passiert war und er wurde schnell wütend und aggressiv. Inzwischen hatten sich seine Klassenkameraden ihre eigenen Versionen ausgedacht und eine war schlimmer als die andere. Es machte Bakura krank seinen Mitschülern zuzuhören, weshalb er sich immer sofort zurückzog, sobald er konnte. Die einzige Gesellschaft, die er ertrug waren Mariku und Malik. Auch wenn sich die beiden irgendwie seltsam benahmen. Bakura merkte es an der Art, wie sie miteinander umgingen, irgendwie peinlich berührt. Bakura hatte bisher aber auch noch nicht weiter nachgefragt, denn Ryou war wichtiger. Bakura war froh, als endlich die Stunde beendet wurde. Er hatte sowieso wieder nichts mitbekommen. Ryou hätte sich sicher wieder mehrmals gemeldet. Er hatte sich scheinbar immer für den Unterrichtsstoff interessiert. Jemand rief nach ihm, doch Bakura ging einfach weiter. Da es nicht Mariku oder Malik waren hatte er keinen Grund sich umzudrehen. „Bakura, warte doch mal bitte.“ Jemand berührte ihn am Arm und Bakura schlug zu bevor er überhaupt darüber nachgedacht hatte. Er war wütend, verdammt wütend sogar, und er hatte die ganzen Heuchler satt. Sie hatten sich doch sonst auch nie für Ryou interessiert. Er schlug noch einmal zu. Auch, wenn er selbst nicht besser war. Er hatte ihm doch auch nur Ärger gemacht. Er trat auf den am Boden liegenden Jungen. Und jetzt hatte er ihn sogar fast umgebracht. Er selbst war doch der größte Heuchler von allen. Jemand legte ihm den Arm um den Hals und zog ihn zurück. „Reiß dich zusammen!“ Es war Marikus Stimme und Malik tauchte kurz darauf auf und stellte sich zwischen ihn und sein „Opfer“. Bakura ließ die Arme schlaff nach unten hängen und Mariku ließ ihn los, nur um ihn kurz darauf energisch am Arm zu packen und nach draußen zu ziehen. „Das macht’s nicht besser.“ „Ich weiß“, fauchte Bakura seinen Freund an. „Ich weiß.“ Er vergrub sein Gesicht in den Händen und atmete einige Male tief durch. „Ich halt das einfach nicht mehr aus.“ „Ich kann mir vorstellen, dass es schwer für dich ist, aber Ryou wird sicher bald aufwachen und dann redet ihr noch mal in Ruhe.“ Mariku strich ihm über den Rücken, während er sprach. „Es wird alles gut.“ Doch Bakura ging von ihm weg. „Ich kann’s nicht mehr hören“, murrte er. „Alles wird gut, sagt immer jeder, aber es ändert sich NICHTS! Es ist meine Schuld was mit Ryou passiert ist. MEINE! Er wollte nur mit mir reden, aber ich hab den Streit angefangen und ich hab ihn auch gestoßen. Es ist meine Schuld.“ „Es ist nicht…“, fing Mariku an, doch Bakura unterbrach ihn. „Doch ist es. Hätte ich mich Ryou von Anfang an vernünftig behandelt, dann wäre das alles nicht passiert.“ Mariku öffnete wieder den Mund um etwas zu sagen, doch Malik war schneller: „Das stimmt.“ Überrascht sah Mariku ihn an und auch Bakura war verblüfft darüber, dass ihm jemand zustimmte. „Ich kenn Ryou noch nicht lange, aber ich bin mir sicher, dass er früher noch nicht so verbittert war.“ Bakura sah zu Boden. Malik hatte Recht. Ryou war früher zurückhaltender gewesen, ein lieber Junge, deshalb hatte er ein leichtes Opfer für Mariku und ihn abgegeben, doch mit der Zeit war er härter geworden und nie um einen Spruch verlegen. „Es ist schon scheiße genug, wenn die Person, die man sehr gerne hat einen nicht sonderlich mag, aber wenn die Person einen dann auch noch fickt und anschließend wie Luft behandelt, dann ist das richtig beschissen. Du solltest dich echt schämen!“ „Malik, bitte“, presste Mariku zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Sei still.“ „Nein“, widersprach Malik. „Das gehört ihm einfach mal gesagt. Und du bist sowieso auch nicht besser, also lass mich in Ruhe oder du kriegst auch noch was ab.“ Er sah wieder zu Bakura. „Ich glaube fest daran, dass Ryou aufwachen wird, denn er ist stark. Er hat jahrelang euer Mobbing durchgestanden, da haut ihn so ein Fenstersturz nicht aus den Latschen. Und sobald er aufwacht“, er tippte Bakura energisch gegen die Brust, „will ich dich auf den Knien um Vergebung betteln sehen.“ Malik verschränkte die Arme vor der Brust und es kehrte Stille ein. „Danke Malik“, sagte Bakura und Mariku sah nur erstaunt zwischen ihm und Malik hin und her. „Genau das hab ich gebraucht.“ Bakura ballte die Hände zu Fäusten und sah nach oben. „Ich weiß nicht, ob ich je wieder gutmachen kann was ich getan habe, aber ich werd nichts unversucht lassen.“ „Richtig so!“ Malik nickte zustimmend und sah dann zu Mariku. „Ich bin beeindruckt“, sagte er kaum hörbar. Malik zuckte nur grinsend mit den Schultern. „Was hättest du denn zu mir gesagt?“, wollte Mariku wissen, als er sich mit Malik allein auf den Rückweg machte. Bakura wollte noch etwas für sich alleine sein. „Es hätte was mit Alkohol zu tun gehabt“, antwortete Malik schmunzelnd. „Hey, wie lange willst du mir das noch vorwerfen?“ „Ewig.“ „Ich hab’s befürchtet“, seufzte Mariku. „Ich hab mich doch entschuldigt.“ „Mit einem ‚aber bereuen tu ich’s nicht‘-Unterton.“ „Aber“, Mariku drückte Malik gegen das Treppengeländer, „ich will dich nur daran erinnern, dass du mich geküsst hast.“ Malik sah zur Seite. Irgendwann musste ja dieses Thema aufkommen. Er konnte auch nicht widersprechen, es war nun mal passiert. „Was ist jetzt zwischen uns?“ „Nichts“, antwortete Malik leise. „Das ist keine Antwort mit der ich mich zufrieden gebe.“ Malik seufzte. „Ich weiß es nicht, okay?“ Er schob Mariku von sich und ging weiter die Treppe nach oben. „Ich weiß es einfach nicht.“ Die Wahrheit war, dass er viel mehr Angst hatte. Er wollte sich nicht zu Mariku hingezogen fühlen. Er wollte nicht „unnormal“ sein. Das Kisara ihn nicht erregt hatte, belastete ihn mehr als er sich eingestehen wollte. Malik blieb stehen und warf einen Blick zurück. Mariku sah zu ihm hoch. Warum brachte Mariku ihn nur so durcheinander? „Bakura, wenn du jetzt nicht gleich still hältst, dann hau ich dir eine rein“, murrte Mariku und rieb sich die Schläfen. Er hatte Kopfschmerzen, trotzdem war er mit Malik und Bakura auf den Weg ins Krankenhaus und Bakura konnte einfach nicht still sitzen. „Ich hab ihn schon lange nicht mehr gesehen.“ „Drei Tage sind keine Ewigkeit.“ „Für mich schon.“ „Können wir die Plätze tauschen?“, fragte Mariku. Er saß zwischen Malik und Bakura ganz hinten im Bus. „Nein“, antwortete Malik und wischte über die beschlagene Scheibe um nach draußen sehen zu können. Der Schnee fiel ruhig zur Erde und der Winter schien gar kein Ende nehmen zu wollen. Alles war mit einer weißen Schicht bedeckt. Er lehnte seinen Kopf gegen die kühle Scheibe und gähnte. Mariku drängte sich in der Zwischenzeit an Bakura vorbei und ließ sich ein paar Plätze weiter vorne auf einen Sitz fallen. Es war keine so gute Idee gewesen, dass er mitgekommen war. Seine Laune war schlecht und die Kopfschmerzen sorgten nicht für Besserung. Malik machte ihm zu schaffen. Er wusste nicht, was er von all dem halten sollte. Er wusste nur, dass er mit Malik mehr als nur befreundet sein wollte. Er wollte ihn küssen, mit ihm zusammen sein, mit ihm schlafen und es machte ihn schon fast wahnsinnig, dass er es nicht konnte. Mariku bemerkte, wie seine Hand anfing zu zittern und ballte sie schnell zu einer Faust um es zu unterdrücken. Er hatte die Spielchen langsam echt satt. Als sie im Krankenhaus angekommen waren, hielt sich Mariku zurück während Bakura regelrecht zum Bett stürmte. „Hallo Ryou, ich bin wieder da“, flüsterte er und strich ihm sanft über die Wange. Dann nahm er seine Hand und küsste sie. „Mariku und Malik sind auch da.“ Eine Schwester betrat das Zimmer. „Oh hallo Bakura, wusst ich’s doch, dass ich dich vorbeiflitzen hab sehen.“ „Ist irgendwas passiert?“, fragte Bakura sofort. „Nein, es ist alles in Ordnung. Seine Werte steigen sogar. Der Doktor denkt, dass es nicht mehr lange dauern wird.“ Bakura atmete erleichtert aus. „Oh, wusstest du schon, dass man endlich Ryous Vater erreicht hat?“ „Was? Nein, das hat mir keiner gesagt!“ „Er kommt hierher soviel ich weiß, aber einer der Ärzte kann dir da sicher eine bessere Auskunft geben.“ Das ließ sich Bakura nicht zweimal sagen und eilte sofort los. Die Schwester sah ihm hinterher. „Der arme Junge. Er macht sich noch ganz kaputt.“ „Wir passen schon auf, dass das nicht passiert“, sagte Malik. Er stand neben dem Bett und traute sich nicht Ryou zu berühren. „Ich bin froh, dass er so gute Freunde hat.“ Sie prüfte die Werte und den Injektionsbeutel, dann ging sie wieder. Malik sah zu Mariku, doch der mied seinen Blick. Seit ihrem kurzen Gespräch auf der Treppe war Marikus Laune deutlich schlechter geworden. Malik seufzte. Ihm gefiel die ganze Sache ja auch nicht, aber er hatte keine Lösung. Am liebsten wollte er weglaufen, das hatte schon früher funktioniert. Seine Geschwister und er waren doch auch weggelaufen, indem sie ihre Heimat und den Schrecken dort hinter sich gelassen hatten. Ein kurzer Schauder durchlief ihn, als die Erinnerungen hochkamen, doch er wurde schnell wieder abgelenkt als Bakura zurückkam. „Sein Vater wird übermorgen hier sein“, erklärte er atemlos und ließ sich auf den Stuhl neben dem Bett fallen. „Ist das nicht toll, Ryou? Dein Vater kommt bald.“ Er nahm wieder Ryous Hand und streichelte seine Finger. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als das Ryou aufwachte, doch er hatte auch Angst davor. Ein Gespräch war dann unausweichlich. Außerdem konnte er Ryou nicht erneut abweisen. Damit würde er seine eigenen Gefühle verleugnen, doch die Angst saß so tief in seinen Knochen. Er würde Ryou alles erzählen müssen, damit er seine Situation verstand. Zusammen würden sie sicher eine Lösung finden. Bakura warf einen Blick über die Schulter. Notfalls war auch noch Mariku da, auch wenn ihm sein Verhalten in den letzten Tagen sehr beunruhigte. Seine Stimmungsschwankungen waren besorgniserregend. Bakura biss sich auf die Unterlippe. Er musste für Ryou da sein, auch wenn er im Moment nichts ausrichten konnte, aber auch ein Auge auf Mariku haben, damit er sich nicht zum nächsten Problemfall entwickelte. Auf Malik konnte er nicht vertrauen, immerhin war er der Auslöser und schien dazu selbst mit der Situation überfordert. Manchmal wünschte er sich die alte Zeit zurück, als es nur Mariku und ihn gab. Damals hatten sie zwar auch einen Haufen Probleme gehabt, doch sie konnten sich sicher sein, dass sie immer füreinander da waren. Jetzt kam es sogar zwischen Spannungen zwischen ihnen. Bakura hatte das ungute Gefühl, dass sich die ganze Geschichte gerade erst zuspitzte und Ryous Sturz erst der Anfang war. Diese Gedanken beunruhigten ihn noch mehr. Er drückte Ryous Hand. Konnten sie das alle durchstehen? „Hey Bakura, wollen wir fahren?“, fragte Mariku nach einigen Stunden. Noch war es hell draußen, doch die Sonne begann sich schon stark gen Westen zu neigen. Bakura schüttelte den Kopf. „Ich bleib noch ein bisschen. Fahrt ruhig schon ohne mich.“ „Aber verpass bloß nicht den Bus“, warnte ihn Mariku und Bakura winkte ab. „Ich trau’s dir zu“, murmelte Mariku beim Hinausgehen. Schweigend verließen sie das Krankenhaus und auch wenn die Stille Malik unangenehm war, so wusste er doch kein Thema mit dem er eine Unterhaltung anfangen konnte. Im Bus saßen sie nebeneinander, doch Mariku sah in die andere Richtung. Unruhig nestelte Malik am Saum seiner Jacke herum. Wieso nur lief es zwischen ihnen immer wieder so falsch? Er legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Er wollte nicht mit Mariku streiten. Sie hatten schon so viel gestritten und er war dessen müde. Wenn Mariku vernünftig war, verstanden sie sich super. Er verlieh Malik dann das Gefühl, als könnte er sich immer auf ihn verlassen. Malik ließ seinen Kopf wieder sinken und öffnete die Augen. Verstohlen sah er zu Mariku und sah gerade noch wie dieser seinen Blick wieder von ihm abwandte. „Sorry“, flüsterte Malik. Er suchte die Fehler immer bei Mariku, aber vielleicht lag es auch an ihm? Für Mariku war es sicher auch nicht leicht mit ihm klarzukommen. „Für was?“, fragte Mariku leise nach. „Für…“ Wofür hatte er sich jetzt eigentlich entschuldigt? „Weil… weil… ich echt schwierig bin.“ Mariku prustete. „Ja, damit hast du sogar mal recht“, lachte er und grinste Malik an. „Was soll das heißen, ich hab mal recht?“ Doch Mariku lachte nur weiter. Malik verschränkte murrend die Arme vor der Brust. Zumindest hatte er es geschafft Marikus Laune zu heben. Mit guter Laune stiegen sie beide aus dem Bus aus. „Ich frag mich, ob der Winter je wieder aufhört.“ Malik rieb seine Hände. „Du könntest dir auch einfach mal Handschuhe zulegen“, schmunzelte Mariku. Malik zuckte mit den Schultern. Er bückte sich und hob etwas Schnee auf. Mariku war schon vorgegangen. Während er Mariku folgte, formte er den Schnee zu einem Ball, anschließend sah er erst auf den Schneeball in seiner Hand und dann zu Mariku. Malik begann zu grinsen. Erschrocken zuckte Mariku zusammen, als ihn der Schneeball am Hinterkopf traf. Er drehte sich auf dem Absatz um. „DU!“, rief er aufgebracht und bewaffnete sich selbst mit Schnee, doch Malik war schneller und ihm flog erneut ein Schneeball entgegen. Er streifte Marikus Schulter. „Ich lass dich Schnee fressen, Junge!“ Mariku jagte Malik über das Schulgelände, wie sie es schon zu Silvester getan hatten. „Ich krieg dich!“ Doch Malik lachte nur. Malik hielt sich die Seite und lehnte sich keuchend gegen einen Baumstamm. Vorsichtig spähte er hinter dem Baum hervor um zu sehen wo Mariku war, doch er konnte ihn nirgends entdecken. Hatte er ihn abgeschüttelt? Der Eingang zur Schule war nicht weit weg, wenn er bis nach drinnen schaffte, dann war er vor Mariku sicher. Er schloss kurz die Augen und drehte sich wieder nach vorne. Im nächsten Moment hatte er Schnee im Gesicht. „Hab ich dich“, keuchte Mariku. Malik prustete und wischte den Schnee aus seinem Gesicht. „Verdammt.“ Sie grinsten sich an. „Mir tut alles weh.“ „Mir ist kalt.“ „Da nutzen auch die Handschuhe nichts mehr.“ „Du bist ganz schön vorlaut.“ „Das gefällt dir doch.“ „Richtig“, stimmte Mariku grinsend zu. „Das macht’s erst interessant.“ Er strich ihm die Schneereste aus dem Gesicht. „Und das tut mir jetzt auch fast leid.“ Bevor Malik reagieren konnte, spürte er Marikus Lippen auf seinen eigenen. Maliks Körper versteifte sich für einen Moment, dann hob er die Arme und legte seine Hände auf Marikus Schultern. Sein erster Impuls war, Mariku von sich zu stoßen, aber er brachte seinen Körper nicht dazu diesen Befehl auszuführen. Er schloss die Augen. Marikus Lippen waren rau und kalt. Zu dem Zeitpunkt als sich Mariku von Malik löste, raste dessen Herz wie nach einem Sprint. „Schlag bitte nicht so fest zu“, murmelte Mariku und machte sich darauf gefasst von Malik geschlagen zu werden, doch Malik wandte sich von Mariku ab und sah zur Schule. „Lass uns lieber reingehen, sonst werden wir noch krank.“ Überrascht sah Mariku auf, doch Malik vermied jeglichen Blickkontakt. Schweigend gingen sie zur Schule zurück. Malik schwirrte der Kopf und er presste die Lippen aufeinander. Während Kisara ihn geküsst hatte, hatte er sie die ganze Zeit mit Mariku verglichen, er hatte nicht aufhören können an ihn zu denken. Und jetzt? Er hatte nur am Anfang kurz gedacht Mariku wegzuschubsen, doch er hatte sich selbst nicht dazu bringen können es zu tun. Danach hatte er nichts mehr gedacht, nur noch dagestanden und Mariku geküsst. Seine Gefühle fuhren Achterbahn und er konnte noch nicht mal entscheiden, ob er den Kuss jetzt schön oder eklig fand. „Ich geh duschen“, murmelte Malik und schloss die Zimmertür hinter sich bevor Mariku noch etwas sagen konnte. Er eilte ins Badezimmer, schloss ab und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür. Leicht schlug er mit seinem Hinterkopf gegen das Holz. Mariku starrte die Zimmertür an und wusste nicht so recht, was er von allem halten sollte. Er konnte wohl schon froh sein, dass Malik nicht ausgeflippt war. Ob er es als Zeichen werten durfte? Er machte sich jetzt schon zu viele Hoffnungen was Malik anging. Mariku wandte sich ab und zog sich in sein eigenes Zimmer zurück. Eine Dusche würde ihm sicher auch nicht schaden. Malik schlug mit seiner flachen Hand gegen die Fliesen. Er war wütend. Wütend auf sich selbst, auf seine Situation, auf seine Schwester, auf Mariku, auf einfach alles. „Ich bin so ein Idiot“, sagte er laut. Es fiel ihm schwer sich einzugestehen, dass ihm der Kuss gefallen hatte. Er war nicht schwul. Er wollte es nicht sein. Die Leute würden über ihn reden und seine Freunde würden ihn auslachen. Er hasste es, wenn man über ihn tratschte. Er konnte nicht schwul sein. Er konnte einfach nicht. Egal, wie sehr ihm der Kuss gefallen hatte. Seine Freunde sollten ihn nicht komisch anschauen. Malik drehte das Wasser heißer. Aber er war nicht in seinem gewöhnlichen Umfeld. Er war in diesem Internat und er hatte noch nie gesehen, dass jemand Mariku oder Bakura komisch ansah oder deswegen über sie redete. Hier war das normal. Niemand würde über ihn urteilen. Malik lehnte sich gegen die Wand. Es könnte sein Geheimnis sein. Sobald er die Schule beendet hatte, würde er sowieso alles hinter sich lassen. Er würde in sein normales Leben zurückkehren und seine Freunde würden nie erfahren, was hier passiert war. Er stellte das Wasser ab und griff nach einem Handtuch. Aber konnte er das wirklich? Würde er am Ende in der Lage sein einfach alles hinter sich zu lassen? Aber vielleicht würde er auch schon nach kurzer Zeit feststellen, dass das alles nichts für ihn war. War es fair gegenüber Mariku? Malik schnaubte. Es war ja nicht so als ob Mariku ein Unschuldslamm war. Er hatte ja schon seinen Spaß mit ihm gehabt. Inzwischen war das aber irgendwie auch nicht mehr schlimm. Auch wenn es schwer fiel, so konnte er sich langsam eingestehen, dass es ihm gefallen hatte, zumindest der Teil an den er sich erinnerte. Außerdem hatte er wirklich Mariku angemacht. Er hatte ihn nur necken wollen, aber am Ende ohne Widerspruch zugelassen, dass sie miteinander schliefen. Malik ließ den Kamm sinken und atmete tief durch. Er würde es Mariku einfach sagen. Er würde ihm sagen, dass er es versuchen wollte, denn nur so konnte er sich ganz sicher sein. Dann sollte Mariku entscheiden, ob er das wollte oder nicht. Als er zu Mariku ins Zimmer kam, war dieser nicht anwesend. Malik ging zur Badezimmertür und horchte. Da er Wasser rauschen hörte, setzte er sich aufs Bett und wartete. Er strich über das Bettlaken. Hier, auf diesem Bett, hatten sie miteinander geschlafen. Er lehnte sich zurück. Es schien eine Ewigkeit her zu sein. Malik schloss die Augen. Das hatte für ihn den Stein ins Rollen gebracht. Ob alles anders gekommen wäre, wenn er nie mit Mariku getrunken hätte? Zumindest zwischen ihnen wäre vieles anders. Gähnend rollte sich Malik zusammen. In den ganzen Monaten im Internat hatte er mehr erlebt, als in seiner ganzen Zeit in Japan zusammen. Er gähnte noch mal. Langsam wurde er müde. Die Schneeballschlacht gegen Mariku war anstrengender gewesen, als er gedacht hatte. „Malik! Malik!“ Malik schreckte aus dem Schlaf hoch und blinzelte gegen das Licht. Mariku stand über ihm gebeugt und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Warum bist du nackt?“, fragte Malik verschlafen. „Man duscht für gewöhnlich nicht angezogen, außerdem trage ich ein Handtuch.“ Sich die Augen reibend setzte Malik sich auf. „Hab ich lang geschlafen?“ „Kommt drauf an, wie lange du hier schon liegst. Dabei hab ich mir schon oft gewünscht, du würdest hier liegen, aber in meiner Vorstellung hattest du so viel an wie ich im Moment anhabe, nur ohne das Handtuch.“ „Idiot“, murrte Malik und schlug ihm gegen die Brust. Mariku lachte und setzte sich zu ihm aufs Bett. „Was führt dich zu mir?“ „Ist langweilig ganz allein.“ „Ich wüsste was um uns die Zeit zu vertreiben.“ Grinsend beugte sich Mariku zu Malik, doch dieser legte ihm die Hand auf die Brust und hielt ihn auf Abstand. „Ganz schön frech heute.“ Mariku zuckte nur mit den Schultern. „Und zieh dir endlich was an!“ „Jaja, schon gut.“ Seufzend stand Mariku auf und zog sich das Handtuch von der Hüfte. „Verdammt“, Malik bedeckte seine Augen mit seinen Händen, „kannst du mich nächstes Mal bitte vorwarnen?“ Hatte Mariku denn gar keine Scham? „Okay, wenn ich mich das nächste Mal vor dir ausziehe, sag ich dir Bescheid“, erwiderte Mariku schmunzelnd. „Du tust so, als hättest du noch nie einen nackten Mann gesehen.“ Malik ließ seine Hände sinken. Kurz warf einen Blick auf Marikus nackte Rückseite, dann sah er zur Seite und wartete bis Mariku wieder zu ihm kam, bevor er ihn ansah. „Dabei hast du mich schon mal nackt gesehen.“ „Da war ich betrunken.“ „Und auch nackt.“ Malik schlug erneut nach Mariku, doch dieser wich aus. „Jetzt schlägst du mich, aber als ich dich geküsst hab, hast du’s nicht getan.“ „Das war… weil… weil du mich überrascht hast!“ „Wirklich? Ich kann das nicht wirklich glauben.“ Er kam wieder näher, doch Malik schob ihn erneut von sich. „Ich wollte sowieso mit dir darüber reden.“ Er setzte sich anders hin, sodass er direkt neben Mariku saß und seine Beine vom Bett baumelten. „Der Kuss… und auch alles andere… das ist sehr verwirrend für mich. Ich war immer nur mit Frauen zusammen und dann kommst du und stellst alles auf den Kopf.“ „Ich würd mich ja entschuldigen, aber es tut mir nicht leid.“ Malik lächelte leicht. Ja, das war der Mariku, den er kennen gelernt hatte. „Ich weiß nur nicht, was du von mir erwartest.“ „Du könntest weniger verwirrt sein.“ Malik wollte etwas erwidert, doch Mariku drehte seinen Kopf zu ihm und küsste ihn kurz. „Immer noch verwirrt?“ Malik nickte. Der nächste Kuss dauerte länger. „Und jetzt?“ „Immer noch“, antwortete Malik leise. Sein Herz klopfte aufgeregt. Mariku drückte ihn aufs Bett und küsste ihn wieder. Seine Zunge schlüpfte in Maliks Mund und dieser legte langsam seine Arme um Mariku. Sein Herz raste inzwischen. Der Kuss war schön. Und wirklich verdammt gut. Er strich Mariku durch die Haare. Es war gar nicht so schlimm einen anderen Mann zu küssen. Es war nicht anders als mit einer Frau. In seinem Bauch spürte er ein angenehmes Ziehen. Als sich Mariku von ihm löste, fühlte sich Malik atemlos. „Und jetzt?“, fragte Mariku flüsternd und strich Malik eine Strähne zurück. „Ich weiß nicht, ob ich das kann“, erwiderte Malik und setzte sich auf. „Das ist für mich nicht leicht. Und ich kann ja nicht einfach sagen ‚Lass es uns ausprobieren und wenn ich keinen Bock drauf hab, dann lass die Finger von mir‘.“ Wobei das genau das war, was er sich noch vor kurzer Zeit selbst überlegt hatte. Inzwischen kam ihm das nur ziemlich dumm vor. „Das ist okay für mich“, sagte Mariku überraschenderweise. „Nein Mariku, das ist falsch. Am Ende machst du dir nur Hoffnungen, wo keine sind. Das ist einfach nur falsch.“ „Ich komm damit klar“, widersprach Mariku. „Aber ich nicht!“ Malik stand auf, doch Mariku packte ihn am Handgelenk bevor er weggehen konnte. Mariku sah zu ihm hoch. „Du magst es doch, wenn ich dich küsse.“ „Aber es würde nicht nur dabei bleiben! Oder wär dir das genug?“ „Nein.“ „Siehst du, und mehr geht für mich einfach nicht.“ „Wir haben schon miteinander geschlafen“, widersprach Mariku erneut. „Soll ich mir jedes Mal einen hinter die Binde kippen, wenn du Bock auf Sex hast?“ Als Mariku nur mit den Schultern zuckte, seufzte Malik. „Ich bin nicht so wie du. Sex mit einem Kerl ist für mich… abstoßend.“ „Dafür hast du ziemlich gestöhnt.“ Malik ließ sich zurück aufs Bett fallen. „Was willst du hören? Das ich’s echt geil fand? Ja, ich fand’s geil, zumindest als ich sturzbesoffen war. Du hast doch meine Reaktion danach erlebt, sah das aus als hätt ich’s toll gefunden?“ Mariku sah nach unten auf seine Finger und antwortete nichts. Er sah deprimiert aus und Malik hatte ihn so noch nie zuvor gesehen. Er fühlte sich schlecht deswegen. Er kam einfach nicht mit der Situation klar. Malik legte Mariku die Hand auf die Wange und drehte seinen Kopf zu ihm. „Ich mag dich, auch wenn ich dich anfangs echt zum Kotzen fand und ich mag’s wenn du mich küsst.“ Malik ließ seine Hand sinken. „Und wenn wir’s langsam angehen? Erst nur küssen bis du mehr willst?“, schlug Mariku vor. Er wollte nicht aufgeben, denn noch hatte Malik ihm keinen Grund dafür gegeben. „Und wenn ich nie mehr will?“ „Dann ist das eben so.“ Er zuckte mit den Schultern. „Hast du nicht vorhin noch gesagt, dass dir das nicht reicht?“ „Ja, und ich würd’s am liebsten jetzt sofort mit dir tun, aber wenn ich mich zusammenreißen muss, dann tu ich das.“ Mariku sah Malik ernst an. Inzwischen war ihm alles recht um mit Malik zusammen sein zu können und wenn das bedeutete, dass er eine Weile auf Sex verzichten musste, dann war das für ihn kein Problem. Seit er zum ersten Mal mit Malik geschlafen hatte, hatte er sowieso keinen mehr gehabt. Und sobald Malik endlich mit sich im Reinen war, würde es auch zwischen ihnen laufen. Mariku würde ihm schon zeigen, wie schön es mit ihm sein konnte. Malik seufzte. „Du willst das wirklich?“ Mariku nickte. Sollte er sich allen Ernstes auf Mariku einlassen? Niemand würde es erfahren. Und es waren nur Küsse. Da war doch nichts dabei. Und wenn es zuhause niemand erfuhr, würde niemand über ihn reden und keiner würde lachen. „Okay.“ Er schluckte. „Wir machen’s.“ „Sex?“ Malik verdrehte die Augen. „Mariku!“ „Sorry.“ Mariku grinste. „Ich konnte nicht widerstehen.“ Mariku konnte nicht beschreiben, wie erleichtert er war. „Aber ich hab dir gleich am Anfang gesagt, dass du scharf auf mich bist.“ Malik wollte ihn schlagen, doch Mariku fing seine Hand ab und drückte ihn zurück aufs Bett. „Du bist immer noch ein Arsch.“ „Ein Arsch, den du gerne küsst.“ „Na, da hab ich mir ja was eingebrockt“, murrte Malik bevor Mariku ihn küsste. Kapitel 12 Bakura schlug das Herz bis zum Hals. Er war allein auf dem Weg zu Ryou, doch im Krankenhaus würde er nicht mit Ryou allein sein, sondern dessen Vater treffen. Er wusste nicht, ob Ryou von ihm erzählt hatte und was. Bakura hatte Angst vor dem Treffen. Er hatte Ryous Vater bisher erst einmal kurz gesehen, doch er konnte sich kaum erinnern, wie er aussah. Wie würde er auf ihn reagieren? Was sollte er ihm sagen, wenn er fragte, was passiert war? Es war das erste Mal, dass er sich nicht beeilte. Er hätte nicht kommen müssen, doch sein Inneres zwang ihn sich Ryous Vater zu stellen. Nervös öffnete er die Tür zum Krankenzimmer und blieb im Türrahmen stehen. Ein Mann saß auf dem Stuhl, auf dem Bakura für gewöhnlich saß, und hielt Ryous Hand in beiden Händen. Er hatte den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen. Ryous Vater trug eine Brille und hatte seine blauen Haare zu einem Zopf zusammengebunden. Als Bakura die Tür schloss sah er auf. Die braunen Augen erinnerten Bakura sofort an Ryou. „Oh hallo.“ Er klang müde. „Bist du ein Freund von Ryou?“ „Ich bin Bakura“, wich Bakura der Frage aus. Ryous Vater lächelte ihn an. „Ryou hat mir von dir erzählt und die Schwester hat mir gesagt, dass du fast täglich hier bist. Ich freue mich, dich kennenzulernen.“ Bakura konnte seine Überraschung nicht verbergen. „Ryou hat von mir erzählt?“ „Natürlich, er hat immer sehr bewundernd von dir gesprochen.“ Er sah seinen Sohn an. „Ryou war schon als Kind sehr zurückhaltend gewesen, aber seit er dich kennt, ist er so selbstbewusst geworden.“ Bakura konnte nicht glauben, was er hörte. Er sah zu Ryou. Trotz allem was Mariku und er ihm angetan hatten, hatte er trotzdem nur gut über sie gesprochen? Bakura fühlte sich noch schlechter als zuvor. Er zuckte zusammen, als Ryous Vater seine Hand nahm. „Ich danke dir, Bakura, dass du für meinen Ryou da bist.“ Bakura starrte ihn einfach nur an. Er wusste nicht, was er erwidern sollte. Seine Kehle war wie zugeschnürt. „Ich bin froh“, er ließ Bakuras Hand los, „dass er so gute Freunde gefunden hat.“ Ryous Vater seufzte und strich seinem Sohn über die Wange. „Ich war nie ein guter Vater. Nicht, seit seine Mutter gestorben ist.“ Überrascht öffnete Bakura den Mund. Er hatte nicht gewusst, dass Ryous Mutter tot war. Jetzt machte es ihn traurig, dass er so wenig über Ryou wusste. „Ich war immer nur unterwegs und bin vor all der Trauer davongelaufen und dabei hab ich nicht an Ryou gedacht. Ich will nicht wissen, was er durchgemacht hat.“ Er zog Ryous Ärmel leicht nach oben und strich über die, inzwischen verheilten, Schnittwunden. „Ich war blind für seine Gefühle. Es würde mich nicht wundern, wenn Ryou mich verachten würde. Es ist alles meine Schuld.“ „Nein“, widersprach Bakura. Es klang krächzend und er räusperte sich. „Er… er liebt Sie sicher sehr. Ryou ist nicht so.“ Ryous Vater lächelte traurig. „Ich wünschte, ich könnte davon auch so überzeugt sein wie du.“ Er strich Ryou über den Kopf. „Er ist alles was ich noch habe, aber manchmal fällt es mir schwer ihn überhaupt anzusehen. Er sieht seiner Mutter so ähnlich.“ Er holte seine Brieftasche hervor und zog ein Bild heraus. „Hier, das ist meine kleine Wüstenblume.“ Er zeigte Bakura das Foto einer jungen Frau, die ein himmelblaues Kleid trug, welches ihre blauen Augen perfekt betonte. Ihr weißes Haar reichte ihr bis in die Kniekehlen. Ryou war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. „Sie ist immer noch die schönste Frau, die ich je gesehen habe.“ „Sie ist wirklich wunderschön“, stimmte Bakura zu, konnte in ihr aber nur Ryou sehen. Ryous Vater lächelte das Bild an und steckte es dann seufzend weg. „Kannst du mir sagen, wie es passiert ist? Der Arzt hat mir gesagt es sei ein Fenstersturz gewesen.“ Bakura schluckte. Das war die Frage, vor der er die ganze Zeit Angst gehabt hatte. Er wich dem Blick des Mannes aus. Bakura schaffte es nicht zu antworten. „War es ein Unfall, oder…?“ „Nein!“, erwiderte Bakura und schüttelte den Kopf. Er ahnte, wie der Satz weitergegangen wäre. „Es war ein Unfall. Ich… ich wollte das nicht. Es ist alles meine Schuld.“ Die Worte sprudelten aus ihm heraus und er sank auf die Knie. Seine Stirn berührte seine Handrücken, als er seinen Oberkörper nach vorne beugte. „Er ist wegen mir gefallen. Wir haben gestritten und ich hab ihn gepackt und er wollte sich losreißen und dann ist er gestolpert und aus dem Fenster gefallen. Es ist meine Schuld. Alles ist meine Schuld.“ Er konnte die Tränen nicht zurückhalten. „Steh auf, mein Junge. Ich geb dir keine Schuld und Ryou wird das sicher auch nicht tun.“ Bakura wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und setzte sich wieder. Seinen Blick hielt er gesenkt. „Er hätte sterben können, nur wegen mir“, flüsterte Bakura. „Aber das ist er nicht und das ist alles was zählt. Du warst immer ein guter Freund für ihn.“ „Nein!“ Bakura stand wieder auf und begann auf und ab zu gehen. „Nein, das war ich nicht. Ich war nie sein Freund. Ich hab ihn gemobbt, jedes Mal. Ich war ein Arschloch, ein richtiger Dreckskerl.“ Er weinte wieder. Diesmal aus Wut über sich selbst. „Und trotzdem…“ Er wurde leiser und blieb stehen. „…trotzdem…“ Doch Bakura konnte weder zu Ende sprechen, noch konnte Ryous Vater etwas dazu sagen, denn Ryou rührte sich. Bakura wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und rannte zum Bett. Er und Ryous Vater starrten abwartend und mit angehaltenem Atem aufs Bett. Ryou stöhnte leise und seine Finger zuckten. Er öffnete den Mund und atmete rasselnd ein. Für einen Moment dachte Bakura Ryou würde keine Luft bekommen, doch gleich darauf normalisierte sich seine Atmung wieder. Langsam öffnete er die Augen. „Ryou.“ Sein Vater stand auf und beugte sich über ihn. Ryou blinzelte einige Male und brauchte eine Weile um zu sich zu kommen. „Papa?“, fragte er leise. Seine Stimme war dünn und krächzend. „Ich bin hier, mein Junge.“ Er nahm seine Hand. „Papa.“ Tränen sammeln sich in seinen Augen. „Papa.“ „Ich bin so froh.“ Er streichelte seinem Sohn über die Wange. Ryou wollte sich aufsetzen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Er geriet in Panik. „Ganz ruhig, du bist im Krankenhaus. Beruhig dich. Es ist alles gut.“ „Warum?“ „Du bist aus dem Fenster gestürzt.“ Ryou starrte an die Decke. „Ich kann mich nicht erinnern“, flüsterte er und schloss seine Augen. Bakura hielt sich zurück. Er hatte einen Kloß im Hals. Ein ganzer Felsbrocken fiel ihm vom Herzen, aber es war noch ein ganzer Berg, der ihn belastete. „Ich hol einen Arzt, okay? Ich bin gleich wieder da.“ Er sprach leise mit seinem Sohn. „Nein“, wimmerte Ryou. „Lass mich nicht allein.“ „Du bist nicht allein. Bakura ist hier.“ Er nahm Bakura am Arm und zog ihn in Ryous Blickfeld. Bakura war immer noch nicht in der Lage etwas zu sagen. „Bakura.“ Das Lächeln, das Ryou ihm schenkte, zerriss ihm fast das Herz. Vorsichtig nahm er Ryous Hand, während sein Vater das Zimmer verließ. „Es tut mir so leid“, flüsterte Bakura und sank auf die Knie. „Ich weiß nicht, wie ich das wieder gut machen soll.“ „Bakura, ich weiß nicht wovon du redest.“ Er drückte leicht seine Hand. „Ich weiß nicht, warum ich hier bin.“ „An was erinnerst du dich noch?“ Doch bevor Ryou antworten konnte, kamen der Arzt und eine Schwester. Bakura trat zurück. Nervös spielte er mit dem Saum seines Pullovers. Als Ryous Vater ihn nach draußen winkte, zögerte Bakura kurz, er warf einen Blick zu Ryou, atmete tief durch und ging dann zu Ryous Vater. Dieser sah ihn ernst an. „Was du mir erzählt hast, hat mich sehr überrascht. Ryou wirkte immer so glücklich, wenn er von dir gesprochen hat.“ Bakura senkte den Blick. „Und es fällt mir immer noch schwer, dass zu glauben, was du mir erzählt hast, besonders nachdem ich sein Lächeln gesehen habe, nachdem ich dich erwähnt habe.“ Er legte Bakura die Hand auf die Schulter. „Ich weiß nicht, was zwischen euch wirklich vorgefallen ist, aber ich weiß, dass mein Sohn in dir einen Freund sieht und damit recht hat. Wärst du wirklich so ein… schlechter Mensch, dann wärst du nicht bei ihm gewesen in dieser schweren Zeit.“ „Ich… ich will mich ändern. Ich will sein Freund sein… wenn er das noch will.“ Ryous Vater klopfte ihm auf die Schulter und lächelte ihn aufmunternd an. In diesem Moment trat der Arzt zu ihnen. „Seine motorischen Fähigkeiten sind noch eingeschränkt, aber das war zu erwarten nach seinen Verletzungen. Es wird noch einige Zeit dauern bis er sein Bein wieder normal belasten kann. Er hat noch ein großes Stück Arbeit vor sich, aber das Schlimmste ist überstanden. Seine Erinnerungen beschränken sich nur auf die Zeit vor dem Unfall, aber es wird nicht lange dauern bis er sich wieder an alles erinnert. Ansonsten geht’s ihm gut.“ „Vielen Dank.“ Sie schüttelten sich die Hände und Ryous Vater und Bakura kehrten zu Ryou zurück. Dieser saß inzwischen aufrecht und hatte wieder an Farbe im Gesicht gewonnen. „Wie fühlst du dich?“, fragte sein Vater und setzte sich wieder neben das Bett. „An sich ganz gut, aber meine Beine fühlen sich echt seltsam an. Ganz kribbelig.“ Er sah zu Bakura. „Erzählst du mir was passiert ist?“ „Ähm…“ Bakura kratzte sich an der Wange. „An was erinnerst du dich denn noch?“ „Wir haben uns unterhalten und dann“, er zuckte mit den Schultern, „danach ist alles ganz verschwommen.“ Und Bakura erzählte. Es war das erste Mal seit dem Vorfall, dass er alles ganz genau erzählte und dabei nichts ausließ. „Es ist meine Schuld. Wenn ich dich nur nicht festgehalten hätte.“ Er ließ den Kopf hängen. „Ach was“, widersprach Ryou. „Das war nur… eine Verkettung unglücklicher Umstände.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wenn du Schuld hast, dann ich auch.“ Ryou sah zu seinem Vater. „Ich freu mich dich zu sehen.“ „Die Umstände hätten besser sein können.“ Er strich Ryou über den Kopf. „Ich bin jetzt auf jeden Fall für dich da solange du mich brauchst.“ „Und die Arbeit?“ Sein Vater schüttelte den Kopf. „Unwichtig. Brauchst du irgendwas?“ „Was zu essen wär toll.“ Vater und Sohn lachten. „Ich hol dir was.“ Als Ryous Vater weg war, rückte Bakura etwas näher. „Es tut mir leid.“ „Ich geb dir keine Schuld“, widersprach Ryou sofort. „Es ist nicht nur das. Es geht um das, was ich dir angetan habe. Alles. Die Gemeinheiten, das Mobbing und die letzten Wochen. Ich hab dich behandelt wie Dreck. Ich weiß nicht, ob ich das je wieder gut machen kann. Ich muss dir viel erklären, aber ein anderes Mal. Es ist eine lange Geschichte und du bist erst aufgewacht.“ Ryou nickte. „Wie machen sich Malik und Mariku? Kratzen sie sich immer noch die Augen aus?“ „Ich glaub, sie haben was miteinander“, äußerte Bakura eine Vermutung, die er schon länger hatte. „Das überrascht mich nicht. Bei den Schlagabtauschen, die sie sich liefern und dem dadurch angestauten Frust geht’s bei ihnen sicher ganz schön ab.“ „So genau will ich’s gar nicht wissen.“ Sie lachten. Als Ryous Vater zurückkam, betrachtete Ryou seine Mahlzeit eher skeptisch, aber sein Hunger war groß genau, dass er sie doch ohne zu murren verschlang. „Lass das, Mariku.“ Malik schob Mariku von sich. „Gefällt’s dir nicht?“ Malik antwortete nichts, weshalb Mariku ihn erneut von hinten umarmte und platzierte erst einen Kuss auf Maliks Ohrläppchen, bevor er sich seinen Hals hinunter arbeitete. „Ich mach weiter, bis du mich aufhältst“, murmelte Mariku und saugte leicht an der Haut. „Mach mir bloß keinen Knutschfleck!“ Malik entwand sich aus der Umarmung und strich sich über den Hals. „Wollen wir rausgehen?“, fragte Mariku und sah zum Fenster. Der Himmel war klar und es war sonnig. „Zu kalt“, antwortete Malik. „Außerdem artet das nur wieder zu einer Schneeballschlacht aus.“ „Und was machen wir stattdessen?“ Mariku legte einen Arm um Maliks Hüfte und zog ihn zu sich. „Zurück ins Bett?“ „Ich muss noch Hausaufgaben machen.“ Mariku verdrehte die Augen. „Hausaufgaben? Ist das dein ernst?“ Er legte seine Stirn auf Maliks. „Da weiß ich was Schöneres.“ „Wir müssen das morgen abgeben.“ „Aber der Tag ist noch lang. Wir haben später noch Zeit.“ „Wir? Du willst doch nur wieder bei mir abschreiben.“ „Ein bisschen vielleicht.“ Mariku grinste. „Also, was ist jetzt?“ „Wir können auch später noch rumknutschen.“ „Aber dann ist Bakura wieder da oder ist es dir egal, wenn er uns sieht?“ Malik hatte Mariku davon überzeugen können, dass ihre Irgendwie-Beziehung erst einmal ein Geheimnis zwischen ihnen blieb. Er wollte nicht, dass jeder sofort wusste, das etwas zwischen ihnen lief, denn so wie er Mariku kannte würde dieser keinen Hehl daraus machen. Malik seufzte. „Du lässt nicht locker, hm?“ „Niemals.“ „Na gut.“ Er setzte sich aufs Bett. „Aber nur ein bisschen.“ Zufrieden gesellte sich Mariku zu ihm. Er war glücklich, dass er Malik jetzt immer küssen konnte, wenn er wollte, zumindest dann, wenn niemand in der Nähe war. Und er tat es oft. Auch wenn sich Malik anfangs immer zierte genoss er es letztendlich doch und ließ sogar zu, dass Mariku ihn streichelte. Zumindest am Bauch und an den Seiten. Doch Mariku fiel es immer schwerer sich zu zügeln. Er wollte mehr. Er krallte seine Finger ins Bettlaken um das Zittern seiner Hände zu unterdrücken. Mariku wusste, was es bedeutete, wenn das Zittern begann und sein Körper und Verstand sich gegen ihn stellten. Er sollte sich von Malik fernhalten, zu Maliks und seinem eigenen Schutz, aber er konnte es nicht. „Was ist los?“ Malik war nicht entgangen, dass Mariku nicht bei der Sache war. „Was soll sein?“ „Du wirkst… abwesend.“ „Ich glaube nicht, dass du den Grund dafür wissen willst.“ Mariku grinste und Malik verdrehte die Augen. „Ich kann’s mir schon denken.“ Er setzte sich auf. „Jetzt Hausaufgaben.“ „Nein.“ Mariku drückte ihn wieder zurück auf die Matratze. „Nur noch ein bisschen.“ Malik seufzte. Auch wenn er die Küsse genoss, war es ihm lieber, wenn sie nicht so lange dauerten, denn dann fingen sie an ihn anzumachen. Sobald er auch nur den Anflug einer Erregung bemerkte, hörte er meistens auf. Das Letzte was er gebrauchen konnte war, dass Mariku mitbekam, dass er einen Ständer hatte. Trotzdem erwiderte er Marikus Kuss und legte die Arme um ihn. Er spürte das Kribbeln in seinem Bauch, als Mariku über sein Shirt strich und anschließend seine Hand unter den Stoff schob. Federleicht streichelten die Finger über Maliks Haut und lösten eine Gänsehaut aus. Marikus Hand wanderte höher, nur langsam damit Malik genug Zeit hatte ihn aufzuhalten, doch er tat es nicht. Neugierde hatte Malik gepackt. Er fand es immer noch aufregend, wenn Mariku ihn berührte. Malik keuchte in den Kuss, als Mariku begann seine Brustwarzen zu reizen. Ihre Lippen trennten sich voneinander und Mariku hielt inne. „Macht dich das an?“ Malik erwiderte nichts, sondern drehte den Kopf zur Seite. Mariku ließ seinen Blick über Maliks Körper gleiten und legte anschließend seine Hand auf seinen Oberschenkel. Langsam strich er daran entlang. Natürlich entging ihm der gespannte Stoff von Maliks Hose nicht. Es ließ sein Herz schneller schlagen. Seine Hand wanderte höher, doch Malik packte ihn am Handgelenk und zog die Hand weg. „Lass das!“ Er zog sein Shirt wieder nach unten und setzte sich an den Bettrand. „Ich mach jetzt meine Hausaufgaben.“ „Malik, komm schon. Du bist hart, sag mir nicht, dass du nicht weitermachen willst.“ „Wir sehen uns später“, murmelte Malik nur als Antwort und verließ das Zimmer. „Malik!“ Seufzend sank Mariku aufs Bett zurück. Er starrte an die Decke. Wieso war es nur so schwierig mit Malik? Es machte ihn an, wenn sie sich küssten, wenn er ihn anfasste und trotzdem wehrte er sich vehement gegen den nächsten Schritt. Er wollte ihm doch nicht wehtun. Selbst wenn Malik es geheim halten wollte, wäre es für ihn in Ordnung. Es war doch für ihn auch nicht leicht. Malik fuhr sich mit den Fingern in die Haare. Er konnte das nicht. Er konnte einfach nicht. Auch wenn sein Körper kribbelte und sein Herz raste jedes Mal, wenn er an Mariku dachte, so konnte er einfach nicht mit ihm zusammen sein. Es ging nicht. Sein Verstand sträubte sich gegen Mariku und sagte ihm, dass es falsch war, auch wenn sein Körper ihn längst betrogen hatte. Einmal mehr wünschte sich Malik zu Hause zu sein. Als Bakura abends zurück ins Internat kam, umarmte er Mariku überschwänglich. „Hey, hey, was ist denn los?“, fragte Mariku verwundert. „Er ist wach“, erzählte Bakura freudestrahlend. „Ryou ist endlich aufgewacht.“ „Das ist ja fantastisch! Wie fühlt er sich? Ist alles in Ordnung?“ „Ja, er kann sich nicht mehr an den Vorfall erinnern, aber der Arzt meint die Erinnerung wird zurückkommen. Und er braucht Krankengymnastik für sein Bein, aber es wird alles wieder gut. Ich bin so froh.“ Er setzte sich auf Marikus Bett. „Und zwischen euch? Ist da auch alles in Ordnung?“ „Ich hab noch nicht mit ihm geredet. Sein Vater ist da und ich wollte ihn nicht gleich überfordern. Außerdem“, Bakura senkte den Blick und die Stimme, „ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll.“ Mariku setzte sich neben ihn. „Erzähl ihm alles. Erzähl ihm deine Geschichte.“ „Alles, hm?“ „Erst dann wird er dich verstehen können. Er hat’s verdient es zu erfahren.“ „Ja, du hast recht.“ Er lächelte Mariku an und umarmte ihn erneut. „Ich bin so froh, dass du mein Freund bist.“ „Immer.“ „Oh, ich muss es Malik auch noch sagen.“ Er sprang auf und eilte aus dem Zimmer. Malik erschrak, als Bakura die Tür regelrecht aufriss. „Er ist wach!“, sagte Bakura, als er noch gar nicht richtig im Zimmer war. „Was?“ „Ryou ist heute aufgewacht!“ „Das ist toll.“ Doch Malik konnte sich nicht so freuen, wie er wollte. Die Sache mit Mariku lag ihm immer noch schwer im Magen. Er hatte noch immer keine Lösung gefunden. „Wann kommt er wieder?“ „Oh, das weiß ich nicht, aber es wird sicher noch eine Weile dauern. Er ist ja noch nicht fit.“ „Aber er wird wieder ganz gesund?“ Bakura nickte. „Dann sollten wir ihn bald besuchen.“ „Ja, er hat sowieso nach dir und Mariku gefragt.“ Malik zog die Augenbrauen nach oben. „Hat er?“ Bakura fing an zu grinsen. „Er wollte wissen, ob ihr euch immer noch die Augen auskratzt.“ Malik lachte, auch wenn ihm nicht danach zumute war. Es wäre einfacher, wenn sie sich immer noch streiten würden. Viel einfacher. Doch Bakura bemerkte es nicht, dass Malik nicht so ausgelassen war, wie er tat. Er dachte nur an Ryou und wer konnte ihm das schon verübeln? Es vergingen einige Tage bis Bakura bereit dazu war mit Ryou zu sprechen. Es hatte sich auch zuvor keine Gelegenheit ergeben. Ryous Vater war immer da gewesen und dann auch noch Malik und Mariku. Sie hatten keine Minute für sich gehabt. „Wo ist dein Vater?“, fragte Bakura, als er Ryous Krankzimmer betrat. Krücken lehnten an der Wand neben dem Bett. Ryou hatte bereits mit seiner Krankengymnastik begonnen, denn er wollte keine Zeit verlieren und so schnell wie möglich ins Internat zurück. Auch seine Erinnerung war schon wieder fast vollständig zurückgekehrt. „Ach, ich hab ihn weggeschickt. Es ist echt anstrengend ihn jeden Tag hierzuhaben.“ „Ich bin auch jeden Tag hier.“ „Ja, deine Fresse geht mir inzwischen auch schon auf die Nerven“, erklärte Ryou grinsend. „Ah, das trifft mich.“ Bakura fasste sich lachend an die Brust. „Aber wenn du mir einen Kuss gibt’s, dann seh ich dich gleich viel lieber.“ Bakura beugte sich über Ryou und gab ihm einen kurzen Kuss. „Ja, der war ganz okay.“ Er strich Bakura über die Wange. Inzwischen konnte er sich wieder an ihren Streit erinnern. „Ryou“, Bakura nahm die Hand seines Freundes und sah ihn ernst an, „es gibt etwas, worüber ich mit dir sprechen will oder besser, etwas dass ich dir erzählen möchte. Es ist wichtig, dass du alles erfährst.“ Ryou drückte seine Hand. „Bitte unterbrich mich nicht. Ich denke nicht, dass ich in der Lage bin, es ein zweites Mal zu erzählen.“ Bakura atmete noch einmal tief durch bevor er begann seine dunkle Vergangenheit offen zu legen: Zitternd lag der junge Bakura auf dem Bett. Seine Wangen waren feucht von den Tränen, die er vor kurzem noch vergossen hatte. Sein Unterleib schmerzte immer noch, aber es wurde langsam leichter. Wieder war ein Freier gegangen und Bakura hoffte, dass es der Letzte für heute war. Mehr würde er heute einfach nicht durchstehen, aber darauf wurde sowieso keine Rücksicht genommen. Selbst nach dieser langen Zeit, er wusste nicht einmal wie lange er jetzt schon bei IHM war, konnte er immer noch nicht verstehen, was mit ihm passierte. Wieso tat ER ihm das an? Er war doch immer brav gewesen und hatte getan was ER von ihm verlangt hatte. Wieso nur? Womit hatte er all das verdient? Er war doch nur ein kleiner Junge. An seine Eltern konnte er sich nicht erinnern, er war fast noch ein Baby gewesen als sie gestorben waren. In der Verwandtschaft war er nur herumgereicht worden. Niemand wollte ihn haben, sodass er am Ende in einem Waisenhaus gelandet war. Selbst dort hatte er nirgends Anschluss gefunden. Er war immer allein gewesen. Bis ER kam. ER gab ihm ein Zuhause und die Liebe, die er sonst nirgends bekommen hatte. Zumindest hatte er damals noch geglaubt, dass es Liebe sei. Es war schön bei IHM. Endlich schenkte ihm jemand Aufmerksamkeit, kümmerte sich um ihn und spiele mit ihm, doch nach wenigen Monaten schon begann ER sich seltsam zu verhalten. Die sanften kleinen Küsse, die Bakura so gemocht hatte, wurden brutal und grob. ER wollte immer mehr und ER nahm sich einfach was ER wollte. Bakura konnte sich nicht wehren. Es gab niemanden, der sich für ihn interessierte. Niemand kümmerte sich um seine Gefühle. Bakura konnte die Situation in der er sich befand nicht begreifen. Konnte denn niemand sehen, dass er litt? Empfand denn niemand auch nur einen Funken Mitleid? Er war doch noch schwach und klein, er hatte keine Chance sich zu wehren. Er musste alles stumm ertragen. Bakura hatte auf Hilfe gehofft. Irgendwann musste es doch jemandem auffallen, dass er nicht mehr zur Schule kam, doch niemand kam um ihn zu retten. Wie früher kümmerte sich niemand um ihn. Als sich die Tür öffnete zuckte Bakura zusammen und begann leicht zu zittern, weil er Angst hatte, dass es schon wieder ein Freier war, doch es war nur ER. „Heute gibt es etwas ganz Besonderes, weil du die ganze Woche so brav warst.“ Bakura sagte nichts dazu. ER stellte den Teller auf den Tisch und ging dann zu Bakura. ER streichelte ihm über den Kopf. „Du bist mein ganzer Stolz“, flüsterte ER. „Iss auf, ich hole es später wieder ab.“ ER tätschelte seinen Kopf und verließ dann das kleine Zimmer. Bakura war nicht hungrig. Seit Wochen zwang er das Essen hinunter und teilweise fiel es ihm schwer, das Essen bei sich zu behalten. Er hatte darüber nachgedacht einfach nichts mehr zu essen und zu sterben, aber das machte IHN wütend. Bakura wollte nicht wieder geschlagen werden. Schwankend stand Bakura vom Bett auf. Seine Knie waren weich wie Pudding und es war nicht leicht für ihn das Gleichgewicht zu halten. Der Geruch von gebratenem Fleisch ließ ihm das Wasser im Mund zusammen laufen. Oh ja, ER war wirklich zufrieden mit ihm diese Woche. Es passierte nur selten, dass er so feines Essen bekam. Meist waren seine Mahlzeiten sehr trocken und nur noch lauwarm, wenn nicht schon ganz kalt. Fleisch war seine Belohnung, wenn er IHM besonders viel Geld gebracht hatte. Mit plötzlichem Heißhunger machte er sich über das Fleisch her. Als Bakura fertig war, fühlte er sich so gut wie schon lange nicht mehr. Es war lecker gewesen. Als er das Besteck zurücklegen wollte hielt er inne. Er starrte auf das Messer in seiner Hand und schluckte. Es war ein richtiges Messer und es war scharf. Normalerweise bekam er höchstens Plastikmesser. Bakuras Griff wurde fester und sein Herz begann zu rasen. Ein Messer. Ein scharfes Messer. Seine Hand begann zu zittern. Minutenlang starrte er es an, dann ließ er die Hand, in der er das Messer hielt, sinken und wartete. Das Herz schlug ihm bis zum Hals und mit jeder Minuten, die verstrich wurde es schlimmer. Tausend Gedanken jagten ihm durch den Kopf. Tausendmal benutzte er das Messer gegen IHN. Als die Tür sich erneut öffnete, begann er fast zu weinen. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. „Hat es dir geschmeckt?“ ER beugte sich zu Bakura um ihn zu küssen, doch darauf hatte dieser nur gewartet. Die Verzweiflung gab ihm Kraft, als er das Messer in den Hals seines Peinigers rammte. Erschrocken weiteten sich SEINE Augen. ER öffnete den Mund, doch kein Laut kam heraus. ER stolperte zurück, dabei wurde das Messer, welches Bakura immer noch krampfhaft umklammert hielt, aus der Haut gezogen. Blut sprudelte aus der Wunde. ER fiel zu Boden und blieb dort zuckend liegend. Weinend fiel Bakura auf die Knie. Er schrie, während er das Messer immer wieder in SEINEN Körper stach. Wie oft er am Ende zugestochen hatte, konnte niemand mehr sagen. Nur langsam erwachte Bakura aus seinem Wahn. Kraftlos ließ er das Messer fallen. Ungläubig starrte er auf den toten Körper neben ihm. Aus unzähligen Wunden rann das Blut, sodass Bakura schon in einer Pfütze saß. Sein weißes Haar und seine Haut waren mit Blut verschmiert. Plötzlich begann er zu zittern. Was hatte er getan? Er hatte IHN umgebracht! Er legte die Arme um sich selbst. Was sollte er jetzt tun? Er hatte doch sonst niemanden. Langsam kam Bakura auf die Beine. Jetzt war er doch wieder ganz allein. Was sollte er nur tun? Er hinterließ blutige Fußspuren, als er auf die Tür zuging. Zögernd öffnete er sie. Wie sollte er es denn alleine schaffen? Als er das Zimmer verlassen hatte, begann Bakura zu laufen. Er wusste nicht wohin er laufen sollte, doch er musste weg. Weg von diesem Ort. Weg von dem Messer Weg von dem Blut. Weg von dem Toten. „Irgendwann hat mich die Polizei aufgegabelt. Ich weiß nicht mehr viel von dem was danach passiert ist. Es ist alles ziemlich verschwommen. Später hab ich dann erfahren, dass ich nicht der einzige Junge war. Es gab noch ein paar, denen es wie mir ergangen ist. Die meisten sind jetzt tot. Selbstmord. Haben es nicht mehr ausgehalten. Die ganzen Erinnerungen. Diese panische Angst, wenn dich jemand anfasst. Hat sie innerlich aufgefressen. Da helfen auch diese ganzen Psychologen nichts. Die glauben, sie verstehen den Schmerz, dieses Gefühl, wenn deine Seele, dein ICH, Stück für Stück zerstört wird, wenn man nicht mehr ist als nur ein Stück Fleisch. Ware, die zum Verkauf angeboten wird.“ Bakura schnaubte. „Die wissen gar nichts. Ich hab’s am Ende nur geschafft, weil Mariku für mich da war. Er hat mir gezeigt, dass es sich lohnt zu leben. Ohne ihn wär ich jetzt genauso tot wie die anderen.“ Ryous Tränen tropften auf die Decke. Die Gleichgültigkeit, mit der Bakura seine Geschichte erzählt hatte, erschreckte ihn, doch der Inhalt war noch viel schlimmer. Nicht einmal in seinen schlimmsten Albträumen hätte er gedacht, dass Bakura so eine grausame Kindheit gehabt hatte. Kein Wunder, dass es ihm so schwer fiel seine Gefühle zu zeigen. Bakura wischte ihm die Tränen weg. „Ich hoffe, es ist okay für dich, dass dich ein Mörder liebt.“ Ryou warf sich Bakura in die Arme und vergrub schluchzend sein Gesicht in dessen Pullover. Er ignorierte es, dass sein Körper schmerzhaft protestierte. Er wollte Bakura nah sein und ihn festhalten. „Du bist kein Mörder! Du bist Bakura! Du bist mein Freund!“ „Ryou“, flüsterte Bakura und legte ihm die Hand auf den Hinterkopf. „Es tut mir leid, dass du es so schwer mit mir hast.“ Doch Ryou schüttelte heftig den Kopf. „Nein, mir tut es leid.“ Er setzte sich wieder vernünftig hin und rieb sich die Augen. „Ich hab dich doch regelrecht gedrängt, dabei…“ Er fing wieder an zu weinen. „Ryou bitte, beruhig dich.“ Er beugte sich nach vorne und umarmte Ryou. „Es ist lange her.“ „Es ist so schrecklich.“ „Ja, das ist es, aber danach ist alles besser geworden. Ich hab Mariku kennen gelernt und dann dich, auch wenn ich echt scheiße zu dir war.“ „Schon okay“, murmelte Ryou. Wieder wischte er sich die Tränen aus den Augen. „Nein, ich mach das wieder gut.“ Er nahm Ryous Hand und küsste erst seine Handfläche und anschließend die Haut über der Pulsschlagader. „Zumindest sind wir jetzt für immer verbunden.“ Ryou sah ihn verwirrt an. „Mein Blut fließt durch deine Venen.“ Er küsste Ryous Lippen sanft. „Du hast mir dein Blut gespendet?“, fragte Ryou leise nach dem Kuss. Bakura nickte nur und küsste ihn erneut. Als sich plötzlich die Tür öffnete, ließ sich Bakura so schnell auf seinen Stuhl zurückfallen, dass er fast umgekippt wäre. Gerade noch so konnte er das Gleichgewicht halten. „Daaaaad“, murrte Ryou. „Du bist schon wieder da?“ „Bin ich zu früh? Das tut mir leid.“ Er zog einen Stuhl ans Bett. „Ich hab deine Lieblingsgummibärchen mitgebracht.“ „Ich bin keine fünf mehr!“ „Also willst du sie nicht?“ „Doch!“ Er nahm seinem Vater die Tüte ab und öffnete sie sogleich. Er bot Bakura welche an, doch dieser schüttelte den Kopf. „Es muss langsam wieder zurück.“ „Oh schon?“ Ryou sah ihn traurig an. „Ich komm ja wieder.“ „Das will ich auch hoffen. Ich weiß, wo du schläfst!“ Lachend verabschiedeten sie sich voneinander. Bakura fühlte sich erleichtert. Er war froh, dass Ryou endlich seine ganze Geschichte kannte. Er hatte Angst gehabt, dass Ryou ihn abstoßend finden würde. Noch dazu hatte er einen Menschen getötet. Bakura hielt inne. Mensch. Bakura ließ sich die Bezeichnung durch den Kopf gehen, während er in den Bus einstieg. War ER überhaupt noch ein Mensch gewesen? Verdienten Personen wie ER die Bezeichnung Mensch überhaupt? Personen, die Mädchen und Jungen zu so etwas zwangen, waren diese noch menschlich? Oder waren es Monster? Was bedeutete es Mensch zu sein? Und ab wann verlor man seine Menschlichkeit? Kapitel 13 Malik stand am Fenster als Mariku ihn von hinten umarmte. „Gehst du mir aus dem Weg?“ Mariku schmiegte sich an ihn. „Nein“, antwortete Malik, doch es war gelogen. Er versuchte es zu vermeiden mit Mariku allein zu sein, denn er wollte nicht mehr, dass dieser ihm nahe kam. Sagen konnte er es ihm jedoch nicht. Er brachte es einfach nicht über die Lippen. „Was ist dann? Fühlst du dich nicht gut?“ Mariku klang besorgt und Malik fühlte sich immer schlechter. Außer seiner Familie hatte sich noch nie jemand Gedanken um ihn gemacht. Er hatte zwar Freundinnen gehabt und war hin und wieder auch etwas verliebt gewesen, aber letztendlich war doch alles nur körperlich gewesen. Diese Irgendwie-Beziehung mit Mariku war ganz anders. Sie war jetzt schon intensiver als alles, was er davor hatte, selbst ohne Sex. Und das nagte an ihm. Er konnte Mariku nicht dasselbe geben was dieser ihm gab. Stattdessen wollte er weg von ihm und wünschte sich eher ihm nie begegnet zu sein. Doch trotzdem sagte er nichts, wenn Mariku ihn berührte, denn es fühlte sich gut an so umsorgt zu werden. „Der Schnee schmilzt langsam“, sagte Malik ohne auf Marikus Frage einzugehen. „Ja, ich find’s toll. Ich freu mich auf den Frühling.“ Malik nickte nur. „Und Ryou kommt auch bald wieder.“ Darüber war Malik mehr als erleichtert. Mit Bakura und Ryou um sie herum, würden sie nicht mehr so viele Gelegenheiten haben allein zu sein. Ryou hätte sich genervt an die Stirn gefasst, hätte er eine Hand frei gehabt. Im Moment konnte er sich nicht entscheiden, wen er nerviger fand: seinen Vater oder Bakura. „Willst du dich nicht noch ein paar Tage ausruhen?“, fragte sein Vater, während er Ryous Tasche aus dem Kofferraum des Mietwagens hob. „Nein“, erwiderte Ryou zum bestimmt fünften Mal. So gern er seinen Vater auch hatte, er war froh, wenn er endlich wieder weg war. „Dein Vater hat re… au!“ Ryou hatte Bakura mit einer Krücke leicht gegen dessen Schienbein geschlagen. „Brauchst du noch irgendwas?“ Es fiel Ryous Vater sichtlich schwer seinen Sohn zu verlassen. „Nein, wirklich, es ist alles in Ordnung und wenn was sein sollte, dann ist immer noch Bakura da.“ Sein Vater seufzte resignierend. „Pass auf dich auf.“ Er umarmte Ryou und küsste seine Stirn. „Wir sehen uns dann im Sommer.“ „Ja, tun wir. Bis dann.“ Ryou atmete erleichtert aus, als sein Vater endlich in das Auto stieg und wegfuhr. „Lass uns endlich reingehen. Ich erfrier hier sonst noch.“ „Sei vorsichtig.“ Er hob Ryous Tasche hoch. „Es könnte glatt sein.“ „Jaja.“ Er war zwar geschmeichelt von Bakuras Fürsorge, aber auch genervt. Er war schon jetzt froh, wenn er endlich die Krücken wieder los war. Bakura hielt ihm die Tür auf und Ryou musste drinnen kurz verschnaufen. Gehen war für ihn momentan sehr anstrengend, da er nur ein Bein belasten konnte und dieses auch nicht zu stark. „Soll ich dich hochtragen?“ „Nein, es geht schon.“ „Wirklich?“ „Jaaa“, sagte Ryou genervt. Der Weg die Treppe nach oben war beschwerlich und Ryou wünschte sich schon nach wenigen Stufen, das er doch zugelassen hätte, das Bakura ihn trug. Er war erleichtert, als er endlich oben war. Der Anblick, der sich ihm in seinem und Marikus Zimmer darbot, ließ ihn sich sofort heimisch fühlen: Malik, der mit einer Hand Mariku auf Abstand hielt. „Tut etwas, oder ich tu ihm wirklich weh.“ Ryou lachte. Ja, jetzt war er wieder am richtigen Ort. „Ryou, wie geht’s dir?“ Vorsichtig ließ sich Ryou auf sein Bett sinken. „Ich wünschte, man würde mich das nicht die ganze Zeit fragen.“ „Sorry. Ich kann verstehen, dass das nervt.“ Er ließ Mariku los und stand auf. „Aber du siehst schon viel besser aus.“ „Danke.“ Er lächelte. Er war so froh, wieder aus dem Krankenhaus draußen zu sein, auch wenn er sich unwohl bei dem Gedanken fühlte, dass er morgen auf seine Klassenkameraden treffen würde. Er hatte jetzt schon die Schnauze voll von ihren Fragen. „Könntet ihr vielleicht gehen? Ryou braucht Ruhe!“ „Boah Bakura. Ich schlag dich gleich!“ „Ich mein’s doch nur gut. Außerdem finde ich, dass Mariku und ich das Zimmer tauschen sollten, damit ich die ganze Zeit für dich da sein kann.“ In Malik zog sich alles zusammen. Er versuchte keine Miene zu verziehen, aber der Gedanke sich mit Mariku auch noch ein Zimmer zu teilen verunsicherte ihn. Nicht, dass er Mariku zutraute, dass er irgendwas gegen seinen Willen tat (von ihrer gemeinsamen Nacht im betrunkenen Zustand mal abgesehen), aber manchmal ließ ihn das Gefühl nicht los, das Mariku mit sich zu kämpfen hatte. Ihm entging das Zittern nicht, wenn sie sich küssten und die Art, wie Mariku ihn manchmal ansah, jagte kalte Schauer über seinen Rücken. Ryou entging es nicht, das Malik von dieser Idee nicht begeistert war. „Ich bin nicht dafür“, sagte er schließlich und sah wie Malik fast unmerklich erleichtert ausatmete. „Warum nicht?“ „Weil, wenn ich dich 24 Stunden am Tag ertragen muss, ich diese Krücken nehme und dich damit zusammenschlage. Außerdem“, er hob eine Krücke und verhinderte damit eine Unterbrechung seitens Bakura, „schlagen sich mit hundertprozentiger Sicherheit die beiden“, er deutete auf Malik und Mariku, „die Köpfe ein.“ „Aber…“ „Kein Aber, alles bleibt wie es ist und jetzt hab ich echt Hunger.“ Ryou stellte seinen Wecker ab und starrte an die Decke. Er war nervös, weil er nicht wusste, wie seine Mitschüler auf ihn reagieren würden. Deswegen fehlte ihm die Motivation aufzustehen. Er hatte sogar ein bisschen Angst, auch wenn er wusste, dass Bakura sowieso die ganze Zeit an seiner Seite sein würde. „Muss ich dir mit irgendwas helfen?“, murmelte Mariku verschlafen. Er ließ nur kurz sein Gesicht sehen und vergrub sich wieder unter der Decke als Ryou verneinte. Ryou hatte sich den Wecker etwas früher gestellt als sonst, da er nicht genau wusste, wie lange er im Bad brauchen würde. Seine Motorik war immer noch eingeschränkt. Er setzte sich an den Rand des Bettes und griff nach den Krücken. Etwas mühselig hievte er sich hoch und ging ins Badezimmer. Als er noch im Krankenhaus gewesen war, hatte er den Blick in den Spiegel immer so gut es ging vermieden, doch jetzt stellte er sich seinem gespiegelten Abbild. Sein Gesicht war schmäler geworden, er hatte viel Gewicht verloren. Wenn Bakura ihn berührte spürte er selbst wie dünn er geworden war. Er musste noch viel essen um sein Normalgewicht wieder zu erreichen. Er setzte sich auf den Toilettendeckel und zog sich sein Shirt über den Kopf. Die Rippen zeichneten sich deutlich ab und Ryou fühlte sich alles andere als wohl in seinem Körper. Er vermied den Blick nach unten und auf die Narben, die seine Arme zierten. Mariku hatte recht gehabt; sie würden ihn auf ewig daran erinnern, was für ein Idiot er gewesen war. An seinem Oberschenkel sah man deutlich die Stelle, an der sich das Glas durchgebohrt hatte, das Gewebe war noch nicht vollständig vernarbt. Er hatte Glück gehabt, nur wenige Millimeter weiter rechts und die Scherbe hätte die Hauptader durchstochen. Während er sich die Haare kämmte, überlegte er sich, sie abzuschneiden. Ob Bakura meckern würde? Oder würde es ihm sogar gefallen? Er hatte schon lange keine kurzen Haare mehr gehabt. Vielleicht sollte er sie abschneiden als Zeichen für einen Neuanfang? Er hielt inne. Zumindest hoffte er, dass es ein Neuanfang war. „Ryou!“ Mariku hämmerte gegen die Tür. „Lass mich rein, ich muss pissen.“ „Ich bin noch nicht angezogen“, erwiderte Ryou und zog sich einen Pullover an. Die Hose war immer das Schwierigste. „Beeil dich!“ „Jaja!“ Vorsichtig zog er ein Hosenbein über sein weniger kaputtes Bein. Er traute sich kaum das andere zu berühren oder gar abzubiegen, auch wenn der Arzt gesagt hatte, dass es völlig in Ordnung sei, so machte er sich Sorgen es schlimmer zu machen, wenn er nicht aufpasste. „Ryou!“ Wieder hämmerte Mariku gegen die Tür. „Ja!“ Er schloss den Knopf und stand wieder auf. Kaum hatte er die Tür geöffnet, drängte sich Mariku grummelnd an ihm vorbei. Seufzend setzte sich Ryou wieder auf sein Bett. Es würde sicher nicht mehr lange dauern bis Bakura kam. Allein wollte er jedenfalls nicht zum Frühstück gehen. „Wartest du auf deinen Ritter?“, fragte Mariku als er wieder aus dem Bad kam. „Nein, ich ruh mich aus“, erwiderte Ryou. Er würde Mariku ganz sicher nicht unter die Nase reiben, dass er etwas Angst davor hatte, alleine nach unten zu gehen. „Du hast nur Schiss.“ Oh, wie er ihn hasste. „Und jetzt wartest du auf deinen geliebten Bakura, damit er dir zur Seite steht.“ „Was wärst du nur ohne deine dummen Sprüche?“ „Ein netter Kerl“, antwortete Mariku grinsend. Ryou verdrehte die Augen. Er konnte den Spieß jedoch auch umdrehen. „Was läuft zwischen dir und Malik?“ Mariku, der gerade dabei war sich Kleidung aus seinem Schrank zusammen zu suchen, hielt inne. Er zögerte lange mit der Antwort. „Was soll laufen? Nichts.“ Allein die Tatsache, dass er keinen Spruch dazu abgelassen, sondern normal geantwortet hatte, machte ihn verdächtig. Dazu musste Ryou nicht mal sein Gesicht sehen. „Das macht auf mich aber nicht den Eindruck. Sag bloß, du und Malik…“ „Das geht dich nichts an, okay?“, fuhr Mariku ihn an und schlug die Badezimmertür hörbar hinter sich zu. Ryou grinste. Also lief was zwischen den Beiden. Mal sehen, ob er aus Malik mehr herausbekam. Mariku ließ sich nicht mehr sehen bis Bakura kam um mit Ryou zum Frühstück zu gehen. „Hast du gut geschlafen?“ Bakura gab Ryou einen Kuss auf die Stirn. „Ja.“ Er lächelte Bakura an und ließ sich von ihm hochhelfen. Er war zwar nervös, aber Bakura gab ihm Kraft. „Morgen Malik.“ Malik war an der Tür stehen geblieben. Sein Blick, der zuvor noch suchend durch den Raum gewandert war, richtete sich auf Ryou. „Morgen.“ „Mariku, kommst du? Oder soll ich dir alles wegessen?“ Missmutig dreinblickend kam Mariku aus dem Bad und sein Gesichtsausdruck änderte sich erst als er Malik sah. Sie schenkten sich nur einen kurzen Blick, doch für Ryou reichte es, um zu sehen, dass definitiv was zwischen ihnen lief. Ein bisschen überraschte es ihn schon. Was hauptsächlich daran lag, dass er nicht verstehen konnte, was irgendwer an Mariku fand. Malik würde schon wissen, was er tat. Zumindest hoffte Ryou das. Sie waren auf der Treppe, als Ryou vor lauter Grübeln eine Stufe übersah und das Gleichgewicht verlor. Bakura reagierte blitzschnell und bewahrte seinen Freund vor dem Sturz. „Danke“, murmelte Ryou und drückte sich mit schnell klopfendem Herzen gegen Bakura. Das hatte ihm vielleicht einen Schrecken eingejagt. Eigentlich rechnete er mit einem Spruch von Mariku, doch sowohl er als auch Malik starrten einfach vor sich auf den Boden. Als sie dem Speisesaal nahe kamen, hatte Ryou das Bedürfnis wieder umzudrehen. Ihnen waren auf dem Weg schon einige Mitschüler begegnet, die ihn neugierig angesehen hatten. Ryou hatte versucht, ihre Blicke zu ignorieren und Bakuras Anwesenheit schien sie davon abgehalten zu haben, ihn anzusprechen. Ryou hatte schon gehört, dass Bakura schon jemanden geschlagen hatte, der zu viele Fragen gestellt hatte. „Alles okay?“, fragte Bakura. Ryou atmete tief durch. „Augen zu und durch.“ Aller Augen richteten sich auf Ryou kaum als sie durch die Tür waren. Ryou hielt den Kopf aufrecht, vermied es jedoch irgendwen anzusehen. Sie setzten sich etwas abseits und Bakura warf den am nächsten sitzenden Jungen einen bösen Blick zu, sodass sich diese schnell wieder ihrem Frühstück widmeten. Trotzdem spürte Ryou die Blicke der Anderen in seinem Nacken. Er freute sich schon jetzt auf den Tag, an dem sich alles wieder normalisieren würde, und er sich nicht mehr wie ein seltenes Tier im Zoo fühlen musste. Als Bakura ihm das Essen brachte, sah Ryou ihn skeptisch an. „Wer soll das denn bitte alles essen?“ „Der Arzt hat gesagt, du musst viele Kohlenhydrate und Vitamine zu dir nehmen, also iss.“ „Du spinnst doch.“ Ryou nahm ein Brötchen von dem Berg, den Bakura gebracht hatte, schnitt es auseinander und bestrich es großzügig mit Marmelade. Während der aß beobachtete er Malik und Mariku. Die beiden vermieden es sich anzusehen oder gar anzufassen. Gerade so als wollten sie verbergen, dass sie einander nahstanden, doch damit machten sie es nur noch offensichtlicher. Ryou war neugierig und er hoffte, dass er Bakura einmal für eine Weile abschütteln konnte, damit er mit Malik sprechen konnte. Lustlos zerfledderte Malik sein Brötchen. Er hatte keinen Hunger und er war müde. Er hatte die ganze Nacht kaum geschlafen, weil er an Mariku hatte denken müssen. Er musste ihm sagen, dass ihre Irgendwie-Beziehung vorbei war, doch er wusste nicht wie. Er machte sich Sorgen, dass Mariku es nicht verstehen würde. Er hatte Mariku damals gesagt, dass es nur ein Test sei und Mariku hatte eingewilligt. Malik warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. Trotzdem hatte er Angst es zu beenden. Er fühlte sich auf eine gewisse Art wohl bei Mariku. Es kribbelte, wenn sie sich küssten, weshalb es ihm auch so schwer fiel, doch er konnte es einfach nicht mit sich selbst vereinbaren. Mariku war ein Mann. Und er war auch einer. Das ging einfach nicht. Er konnte nicht mehr. Innerlich war er ein einziger Zwiespalt. Malik war froh, als der Unterricht begann und er etwas Ablenkung bekam, doch seine Gedanken wanderten immer wieder zu Mariku. Je früher er es beendete, desto besser. Am besten gleich heute. Er kratzte seinen Mut zusammen; er würde jedes Quäntchen davon brauchen. Was war nur mit seinem Selbstbewusstsein geschehen? Früher hätte er Mariku einfach klipp und klar seine Meinung gesagt ohne sich etwas dabei zu denken. Mariku brachte ihn total durcheinander. Wenn dieses Schuljahr doch nur endlich vorbei wäre und er wieder nach Hause könnte. Er wollte zu seinen Freunden, auch wenn er sich vor Kisara nicht mehr blicken lassen konnte. Das war wirklich peinlich gewesen. Er sah auf seine Hände, mit denen er sie berührt hatte. Ihre Haut war ganz weich gewesen. Er hätte sie in dieser Nacht ficken können und er Idiot haute einfach ab. Aber er hatte nichts gespürt, selbst jetzt fühlte er immer noch nichts. Malik schreckte aus seinen Gedanken hoch als Ryou seinen Namen rief. Der Unterricht war an ihm vorbeigerauscht ohne das Malik etwas mitbekommen hatte. „Geh schon mal vor Bakura, ich komm gleich nach. Jetzt geh schon.“ Er scheuchte seinen Freund weg, damit er und Malik alleine waren. „Kommst du heute nach dem Unterricht kurz vorbei? Ich würd gern mit dir reden.“ „Über was?“ Ryou grinste schief. „Das erfährst du dann schon.“ Nachdenklich sah Malik dem Jungen hinterher. Über was wollte Ryou mit ihm sprechen? Eigentlich passte ihm das nicht so gut, immerhin wollte er Mariku sagen, dass das zwischen ihnen nichts war. Aber vielleicht konnte er auch im Gespräch mit Ryou etwas Mut gewinnen. Ob er ihm von seiner Situation erzählen sollte? Lieber nicht. Er wollte nicht, dass irgendwer davon erfuhr. Malik ließ sich aufs Bett fallen. Den ganzen Tag hatte er entweder an Mariku gedacht oder sich gefragt, was Ryou von ihm wollte. Er rollte sich zusammen. Ob Ryou schon in seinem Zimmer war? Er hatte vorher noch mit Bakura gesprochen, auch Mariku war unten geblieben. Seufzend setzte sich Malik wieder auf. Es hatte keinen Sinn, sich noch weiter den Kopf zu zerbrechen. Er würde erst mit Ryou reden, dann mit Mariku und dann hatte er hoffentlich alles erledigt und bekam den Kopf wieder etwas frei. Er klopfte an der Tür bevor er eintrat, doch es war nicht Ryou, sondern Mariku, der im Zimmer war. Das Herz schlug ihm plötzlich bis zum Hals. „Ist Ryou da?“, fragte er und vermied es Mariku anzusehen. „Nein, noch nicht.“ Mariku zog die Stirn kraus. Was wollte Malik von Ryou? „Oh.“ Malik wusste nicht, was er tun sollte. Er schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. Sollte er zuerst mit Mariku reden? Oder doch lieber wieder gehen? „Alles in Ordnung?“ Mariku ging zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. Malik wusste nicht, was er sagen sollte. Seine Kehle war wie zugeschnürt. „Malik? Was ist?“ Er klang so besorgt und Malik verlor all den Mut, den er den Tag über gesammelt hatte. Er hatte sich die Worte zuvor zurechtgelegt und es im Kopf immer wieder durchgespielt, doch jetzt fiel ihm nichts mehr ein. Mariku legte seine Hand auf seine Wange und hob seinen Kopf leicht an, doch Malik konnte ihm nicht in die Augen sehen. Er entzog sich seiner Berührung und ging Richtung Fenster. Eigentlich hatte er den Raum verlassen wollen, aber Mariku wäre ihm sowieso nachgekommen. „Bitte… mach das nicht mehr.“ Er hatte das Gefühl jeden Moment seine Stimme zu verlieren. „Was?“ Mariku sah ihn verständnislos an. „Mich so anzufassen. Ich will das nicht mehr.“ Es entstand ein unangenehmes Schweigen zwischen ihnen und Malik wollte nur noch gehen. „Warum?“ „Ich kann das einfach nicht. Wir haben das besprochen und du hast gesagt, es sei in Ordnung, dass wir das nur ausprobieren. Ich hab’s ausprobiert, ich hab der ganzen Sache eine Chance gegeben, aber ich kann das nicht weiter machen.“ Wieso fühlte er sich so schlecht? Mariku fühlte sich als hätte Malik ihn geschlagen. Er überbrückte die Distanz und packte Malik an den Schultern. In seinem Inneren tobte es. Die Gefühle überschlugen sich und seine Hände begannen zu zittern. „Aber es hat dir doch gefallen? Es hat dir gefallen, wenn ich dich geküsst habe!“ Als Malik nicht antwortete presste er seine Lippen auf die Maliks, doch dieser schubste ihn von sich und ging einige Schritte von ihm weg. „Lass das! Hör auf!“ Mariku ballte seine Hände zu Fäusten und versuchte sich zu beherrschen, auch wenn es ihm immer schwerer fiel. Er konnte Malik nicht verstehen. Er hatte die ganze Zeit gedacht, dass es gut lief zwischen ihnen und jetzt sagte Malik ihm einfach, dass es Aus war? Er konnte es nicht akzeptieren. „Nein!“ Seine Stimme bebte. Sein ganzer Körper war im Aufruhr und Mariku atmete tief durch um sich zu beruhigen, doch dafür war es zu spät. „Mariku…“ Malik wollte weiter zurückweichen als Mariku ihm nahe kam, doch das Bett stand im Weg und Malik landete darauf. Sofort war Mariku über ihm und drückte ihn auf die Matratze. „Lass mich los!“ „Nein“, wiederholte Mariku. Inzwischen zitterte sein ganzer Körper. Wieso konnte Malik nicht verstehen, dass er ihn liebte? Er wollte keinen anderen außer ihn. Er hatte doch alles getan was er wollte! „Mariku!“ Panik schwang in Maliks Stimme mit. Der Ausdruck in Marikus Gesicht jagte ihm Angst hat. „Lass mich gehen. Bitte!“ Plötzlich zwang ihm Mariku einen Kuss auf. Malik strampelte mit den Beinen und versuchte sein Gesicht wegzudrehen. „Bist du irre?“, rief er aufgebracht als Mariku von ihm abließ. „Lass mich gefälligst los, du kranker Perversling!“ Er stemmte sich gegen Mariku, doch war ihm kräftetechnisch unterlegen. „Ich zeig dir wie krank und pervers ich bin“, zischte Mariku. Er hatte die Beherrschung über sich verloren und war unfähig noch klar zu denken. Er umfasste Maliks Hanglenke mit einer Hand und schob mit der rechten sein Shirt nach oben. „Lass das!“ Malik wehrte sich vehement. „Hör sofort auf!“ Sein Kopf flog zur Seite als Mariku ihn schlug. Geschockt riss Malik die Augen auf. Tränen sammelten sich und liefen über seine Wangen. Er hatte seit Jahren nicht mehr geweint. Erinnerungen aus seiner Kindheit kehrten zurück und er schluchzte unterdrückt. Malik spürte Marikus Zunge an seinem Hals und schloss die Augen. Was passierte hier nur? Er erkannte Mariku gar nicht wieder. „Hör auf“, flehte er leise. „Bitte, hör auf.“ Doch Mariku legte nur die Hand in seinen Schritt. Er wollte nicht, dass das passierte. Was sollte er tun? „Mariku…“ Doch dieser schien ihn gar nicht zu hören. „Verdammt Bakura, kannst du nicht…“ Ryou blieb wie angewurzelt an der Tür stehen als sein Blick auf Marikus Bett fiel. „Wieso bleibst du…“ Bakura brauchte einige Sekunden um zu realisieren was passierte. „MARIKU!“ Er drängte sich an Ryou vorbei und rannte regelrecht zum Bett. Grob packte er Mariku an der Schulter und zog ihn zurück. Mariku knurrte. „Fass mich nicht an“, grollte er und schlug Bakuras Hände beiseite. Malik bedeckte sein Gesicht mit seinen Händen und wischte die Tränen weg. Er wollte sich nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn Bakura und Ryou nicht gekommen wären. Was hätte Mariku getan? Er selbst hatte sich wie gelähmt gefühlt. Unfähig sich Mariku zu widersetzen. Malik schluchzte. „Beruhig dich Mariku.“ „Drohst du mir?“ Mariku schnaubte verächtlich. „Verpiss dich mit deinem kleinen Freund und stör mich nie wieder!“ „Du lässt deine Finger von Malik!“ „NEIN!“ Mariku sprang auf und ging auf seinen besten Freund los. Er riss ihn zu Boden und schlug auf Bakura ein. „BAKURA!“, schrie Ryou aufgeregt. Er hatte noch nie erlebt, dass sich Mariku und Bakura gestritten hatten. Sie waren immer unzertrennlich gewesen. „Bleib weg!“, befahl Bakura als Ryou auf sie zu humpelte. Er bekam Marikus Haare zu fassen, zerrte an ihnen und riss seinen Kopf nach unten. Mariku keuchte schmerzerfüllt. Bakura wischte sich mit der freien Hand über die blutende Nase. Er zog sich unter Mariku hervor und nahm diesen in den Schwitzkasten. Mariku brüllte vor Wut, während Bakura ihn aus dem Zimmer zerrte. Sie hörten wie Bakura ihn draußen gegen die Wand schubste und einen Schmerzenslaut von Mariku. Dann knallte eine Tür und es wurde still. Ryou setzte sich zu Malik aufs Bett. Dieser hatte sich nicht bewegt. Sein Shirt war immer noch hochgezogen und die Hose stand offen, doch er hatte aufgehört zu weinen. „Malik?“, fragte Ryou vorsichtig. Damit hatte Ryou nicht gerechnet. War etwa das ihr Geheimnis gewesen? War so etwas schon öfter vorgefallen? In ihm zog es sich zusammen. Würde Mariku so etwas wirklich tun, obwohl er Bakuras Vergangenheit kannte? „Ich weiß nicht“, fing Malik an. Seine Stimme war leise, aber ruhig. Er nahm die Hände vom Gesicht und setzte sich auf. „Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Wieso er das gemacht hat…“ Ryou war erleichtert als er hörte, dass es scheinbar erst zum ersten Mal passiert war. „Ich wollte das nicht.“ Malik fuhr sich in die Haare. „Eigentlich mag ich ihn, aber…“, er machte eine kurze Pause, „…ich kann nicht mit ihm zusammen sein.“ Er ließ die Arme sinken. „Ich hätte nie zustimmen, es zumindest mit ihm zu versuchen. Das war so dumm.“ Ryou wusste nicht, was er sagen sollte. Er konnte sich ungefähr zusammen reimen, was in den letzten Wochen zwischen Malik und Mariku passiert war und er musste Malik zustimmen; es war wirklich dumm gewesen. „BIST DU EIGENTLICH NOCH GANZ DICHT?!“, schrie Bakura seinen Freund an und schubste ihn zu Boden. Er deutete sich gegen die Stirn. „DU BIST WOHL IRRE!“ Mariku sah Bakura verächtlich an und spuckte ihm vor die Füße. Im nächsten Moment flog sein Kopf durch die Wucht eines Schlags auf die Seite. Blut tropfte jetzt auch aus Marikus Nase und er leckte es weg, als es über die Lippen rann. „Er gehört mir, Bakura.“ Mariku grinste. „Und du kannst mich nicht von ihm fernhalten.“ „Er gehört dir weder jetzt, noch sonst irgendwann“, widersprach Bakura und wischte sich das Blut weg. „Und ganz sicher nicht nach dieser Aktion.“ „Er will mich verlassen!“, bellte Mariku. „Er hat gesagt, er gibt mir eine Chance und hat sich’s gutgehen lassen bei mir und jetzt sagt er mir einfach, dass ich ihn nicht mehr anfassen soll.“ Er leckte sich erneut über die blutigen Lippen. „Was glaubt er, wer er ist? Er denkt wohl, er kann sich alles erlauben!“ Bakura presste die Lippen aufeinander. Er sah die Tränen in Marikus Augen und wusste, wie verletzt er war. Er konnte nicht wütend auf ihn sein und ihn auch nicht verurteilen für das, was er fast getan hätte. Es war nicht seine Schuld. Er hatte gleich gewusst, das Malik nicht gut für ihn war. Eine Träne rann über Marikus Wange und er wischte sie schnell weg. Bakura fühlte einen unsäglichen Schmerz in seiner Brust. Immer, wenn Mariku weinte, dann geriet seine Welt ins Wanken. Mariku war immer der Starke von ihnen gewesen. Er hatte sich nichts gefallen lassen und war nicht auf den Mund gefallen. Er hatte Mariku immer bewundert, denn obwohl er es selbst nie leicht gehabt hatte, hatte er dieses unglaubliche Selbstbewusstsein um das ihn Bakura so beneidete. Mariku jetzt so gebrochen zu sehen, zerriss ihn innerlich. Das war alles Maliks schuld! „Warum tut er mir das an?“, flüsterte Mariku. Bakura setzte sich neben ihn auf den Boden und strich ihm über den Kopf. „Er wird dich nie verstehen.“ „Ich hab doch alles getan, was er wollte. Ich bin nie zu weit gegangen. Ich hab aufgehört, wenn er es gesagt hat. Warum nur?“ „Er ist nicht gut für dich, Mariku.“ „Aber ich liebe ihn!“ Mariku sah seinen Freund verzweifelt an. „Ich liebe ihn doch.“ Er umarmte Bakura. „So sehr.“ Mariku schloss die Augen. Bakura strich ihm über den Rücken. Inzwischen hatte sein Nasenbluten aufgehört. Er wollte Mariku nicht mehr loslassen. Diesmal war er es, der Mariku beschützen musste. „Ich muss gehen“, flüsterte Mariku plötzlich und Bakura schloss die Augen. Tränen stiegen in ihm hoch. Nein, nicht schon wieder. „Mariku…“ „Ich muss.“ Er löste sich aus Bakuras Umarmung und stand auf. Auch sein Nasenbluten hatte aufgehört. Er sah Bakura an und grinste schief. „Wir sehen echt scheiße aus.“ Doch Bakura konnte das Grinsen nicht erwidern. Er wollte nicht das Mariku ging. Er wollte ihn festhalten. Was sollte er denn ohne ihn machen? Er brauchte ihn doch. Doch er konnte weder etwas sagen, noch Mariku aufhalten. Er musste gehen und Bakura wusste das. Doch plötzlich sprang Bakura auf und rannte seinem Freund hinterher. Auf der Treppe holte er ihn ein. „Mariku!“ Mariku blieb stehen und sah zu ihm hoch. „Ich bin immer für dich da, egal was passiert.“ Mariku lächelte. Es war eins dieser seltenen Lächeln, die er nur wenigen Menschen schenkte. „Das weiß ich doch.“ Mit hängenden Schultern sah Bakura ihm hinterher. Ryou hatte er zwar gewonnen, doch Mariku vorerst verloren. Herr Minamoto, der Schulleiter, war noch in seinem Büro, sodass Mariku ihn nicht erst suchen musste. Mit gesenktem Blick trat er ein. Seine Hände, die er zu Fäusten geballt hatte, zitterten. Als er aufsah, sah er die Sorge in den Augen des Schulleiters. Mariku brachte keinen Ton heraus, doch er musste auch nichts sagen. Herr Minamoto wusste was los war. Seufzend griff er zum Telefon. Nur leise war das Tuten aus dem Hörer zu hören, doch für Mariku war es so laut wie Paukenschläge. Er wusste, was ihm jetzt bevorstand und er fürchtete sich. Er hasste es schon jetzt, doch er hatte keine Wahl. Ansonsten würde er jedes Mal die Kontrolle verlieren, wenn Malik in seiner Nähe war. Kapitel 14 Malik bedeckte sein Gesicht mit seinen Händen und nahm mehrere tiefe Atemzüge. Nur langsam legte sich die Panik in seinem Inneren und sein Herzschlag beruhigte sich. Er ließ die Hände wieder sinken und starrte an die Wand. Er spürte Ryous Hand auf seinem Rücken, doch noch viel mehr spürte er Marikus Berührungen. Malik schauderte. Es kam ihm vor, als würde Mariku immer noch über seine Haut streichen. Es war ein seltsames Gefühl. Sein Kopf mischte die schönen Erinnerungen mit dieser schrecklichen. Malik fasste sich an den Kopf. Er wollte nicht mehr daran denken. Nie wieder. Er schämte sich für das, was passiert war. „Alles in Ordnung?“ Ryou strich ihm über den Rücken und Malik nickte zögernd, auch wenn es nicht stimmte. Nichts war in Ordnung. Er wusste nicht, was er tun sollte oder was passieren würde, wenn er Mariku erneut über den Weg lief. Malik atmete hörbar ein und wieder stieg Panik in ihm hoch. Er hatte noch gar nicht daran gedacht, dass er Mariku wieder sehen würde. Er musste weg hier. Er musste irgendjemandem sagen, was Mariku versucht hatte zu tun, damit man ihn von ihm fernhielt. Bestimmt konnte er wieder nach Hause, wenn die Schule davon erfuhr. Malik ballte die Hände zu Fäusten. Doch er schämte sich. Er wollte nicht, dass noch mehr Menschen von Mariku und ihm erfuhren. Vor allem seine Familie. Er wollte sich den Ausdruck auf Isis‘ Gesicht gar nicht vorstellen. Sie würde sich auch die Schuld dafür geben. Malik presste die Lippen aufeinander. Er schimpfte zwar oft über seine Schwester, aber das konnte er ihr nicht antun. Er hielt es nicht mehr aus noch länger auf Marikus Bett zu sitzen und sprang auf. Er rieb sich über die Arme. Er musste endlich das Gefühl von Marikus Berührungen loswerden. Er musste duschen. Lange. Sehr lange. Bevor er das Zimmer jedoch verlassen konnte, kam Bakura zurück. Er sah niedergeschlagen aus, doch als sein Blick auf Malik fiel, verzog sich sein Gesicht vor Wut. Mit schnellen Schritten kam er näher und packte Malik am Kragen. „Das ist alles deine schuld!“, fauchte er ihn an. Maliks Augen weiteten sich vor Schreck. Er fühlte sich wie paralysiert. Nicht mal gegen Bakura konnte er sich wehren. Malik hatte sich noch nie so machtlos gefühlt. „Bakura!“ Ryou sah seinen Freund entgeistert an. Er konnte nicht fassen, dass Bakura Malik die Schuld gab. War er denn von allen guten Geistern verlassen? „Spinnst du? Lass ihn los!“ „Halt dich da raus!“ Bakura richtete seinen Blick wieder auf Malik, nachdem er Ryou einen kurzen Blick zugeworfen hatte. „Bist du jetzt zufrieden? War das dein kleines Spielchen wert?“ Malik öffnete den Mund, doch er wusste nicht, was er erwidern sollte. Er starrte Bakura einfach an; unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. „Jetzt reicht’s aber!“ Ryou packte seine Krücke und schlug Bakura in die Kniekehle. Bakura keuchte schmerzerfüllt und ließ Malik los. Malik stolperte zurück und sank wieder aufs Bett zurück. Er fasste sich an die Stelle, an der Bakura ihn gerade noch festgehalten hatte. „Du hast sie wohl nicht mehr alle!“ Ryou tippte sich gegen die Stirn. „Gerade du solltest Mariku jetzt nicht verteidigen.“ Bakura ballte seine Hände zu Fäusten. „Sei still!“ Seine Stimme war leise und zitterte. „Ihr habt doch keine Ahnung!“ Bakura drehte sich auf dem Absatz um und stürmte aus dem Raum. Die Tür knallte hinter ihm zu. Ryou starrte die geschlossene Tür mit aufeinander gepressten Lippen an. Er fühlte sich hilflos. Am liebsten wäre er Bakura hinterher gelaufen, andererseits wollte er ihn aber auch verprügeln. Was war nur in ihn gefahren? Malik stand wieder auf. Er hatte seine Hand immer noch gegen seine Brust gedrückt und sein Blick war abwesend. „Malik? Hör nicht auf das, was Bakura gesagt hat.“ Malik schloss die Augen. „Aber er hat recht.“ „Nein“, widersprach Ryou und schüttelte den Kopf. „Es ist Marikus Schuld. Du kannst nichts dafür.“ Malik erwiderte nichts. Er wusste, dass Ryou ihm helfen wollte, doch Bakura hatte trotzdem recht. Er hatte mit Marikus Gefühlen gespielt und ihn ausgenutzt. Malik verließ das Zimmer. Er brauchte Zeit für sich um sich zu sammeln. Er war noch nie in einer Situation wie dieser gewesen. Er hatte noch nicht einmal in Erwägung gezogen, dass er je in so einer Situation sein würde. Ihm wurde schlecht, als er das Blut auf dem Boden sah und er wandte schnell den Blick ab. Es war verrückt, wie sehr alles eskaliert war, aber das war wohl sein Schicksal. Irgendwann kam immer der Punkt an dem alles bergab ging. Malik schloss die Badezimmertür hinter sich. Er vermied es einen Blick in den Spiegel zu werfen. Er hatte nicht das Gefühl, als könnte er seinen Anblick jetzt ertragen. Langsam zog er sich aus und brachte Mariku nicht aus seinen Gedanken. Malik schloss die Augen. Er sah Marikus lächelndes Gesicht vor sich, das sich in eine irre Maske verwandelte. Mariku hatte so glücklich ausgesehen in den letzten Tagen. Richtig glücklich, nicht mit diesem Grinsen auf dem Lippen, sondern mit einem echten Lächeln. Malik drehte das Wasser auf. Und er war der Grund dafür gewesen. Mariku war glücklich gewesen, weil er mit ihm zusammen sein konnte. Malik hob den Kopf und ließ das Wasser auf sein Gesicht prasseln. Er fühlte sich schlecht. Trotz allem was Mariku heute getan hatte, sah er die Schuld auch bei sich selbst. Malik schlug mit der Faust gegen die Wand. Trotzdem gab es Mariku nicht das Recht mit ihm zu tun was er wollte. Malik senkte den Blick. Ihm wurde ganz anders zumute, als er daran dachte, was passiert wäre, wenn Bakura und Ryou nicht gekommen wären. Malik bedeckte seinen Mund mit seinen Händen. Hätte Mariku es wirklich getan? Malik schauderte, als er an den Ausdruck in Marikus Augen dachte. Er schien nicht er selbst gewesen zu sein. Malik seufzte und drehte das Wasser ab. Er wusste weder was er denken, noch was er fühlen sollte. Er hatte Angst davor Mariku wieder zu sehen. Er fühlte sich hilflos, wie damals, als sein Vater gestorben war, doch diesmal waren seine Geschwister nicht da um ihm zu helfen. Bakura brüllte, weil er nicht wusste, wie er seine Wut sonst loswerden sollte. Er war sich bewusst, dass es falsch gewesen war auf Malik loszugehen, aber er konnte ihm auch nicht verzeihen für das, was er Mariku angetan hatte. Niemand durfte seinen Freund verletzten. Niemand. „Du verschreckst die Vögel, wenn du so rumbrüllst.“ Bakura zuckte zusammen. In seiner Wut hatte er Mariku nicht bemerkt, der auf einer Bank saß und auf den gefrorenen Teich starrte. „Es ist Winter. Es sind keine Vögel da.“ Er setzte sich neben Mariku. „Was machst du hier?“ „Warten.“ Mariku beugte sich leicht vor und stützte seine Unterarme auf seinen Oberschenkeln ab. „Herr Minamoto bereitet alles vor. Ich sollte packen, aber ich wusste nicht, ob...“ Er brach ab und schluckte. Er konnte Malik nie wieder unter die Augen treten. „Gibt es keine andere Möglichkeit?“ Mariku schüttelte den Kopf. „Allein an ihn zu denken...“ Er richtete sich wieder auf und ballte seine Hände zu Fäusten um das Zittern zu unterdrücken. „Du hattest recht.“ Er sah Bakura kurz an, bevor er seinen Blick wieder nach vorne richtete. „Ich hätte mich von ihm fernhalten sollen.“ Es war schmerzhaft für Bakura seinen besten Freund so zu sehen. Schon wieder. Es war nicht das erste Mal, dass sie in dieser Situation waren. Zumindest war diesmal nicht alles eskaliert. Bakura nahm ihn in die Arme und drückte ihn an sich. Überrascht weiteten sich Marikus Augen. „Ich hätte für dich da sein sollen“, flüsterte Bakura. Mariku löste sich von Bakura und lächelte ihn an. „Es ist okay. Es gab wichtigere Dinge...“ „Nichts sollte wichtiger sein als du!“, unterbrach Bakura ihn harsch. Doch Mariku schüttelte den Kopf. „In diesem Fall schon.“ Er beugte sich vor und küsste seinen Freund lange. Als Mariku den Kuss wieder löste, grinste er. „Ich bin stolz auf dich.“ „Du bist ein Idiot“, murmelte Bakura. „Ich weiß.“ Mariku lehnte sich zurück und legte seine Arme auf die Rückenlehne der Bank. Er war froh, dass Bakura seine Vergangenheit überwinden hatte können. Er und Ryou würden sehr glücklich werden. Mariku lächelte traurig. Er beneidete sie. Er wäre auch gerne glücklich, aber sein Kopf stellte sich gegen ihn. „Wie lange wirst du diesmal weg sein?“ Bakura widerstrebte es das Thema anzusprechen, aber er konnte nicht anders. Er musste es einfach wissen. Mariku zuckte mit den Schultern. „Ich hab Angst davor zurückzukommen.“ Bakura hob überrascht die Augenbrauen. Marikus Worte verunsicherten ihn. Deutete Mariku irgendetwas an? „Es ist nicht so wie beim letzten Mal.“ Mariku legte den Kopf in den Nacken und sah nach oben. Es hatte wieder zu schneien begonnen. „Ich würde ihn jeden Tag sehen. Ich weiß nicht, ob ich das ertrage.“ „Du bist stark, du schaffst das“, versuchte Bakura ihm Mut zuzusprechen. Mariku ließ seine Arme sinken. „Zu schwach für mich selbst.“ Bakura wollte widersprechen, doch er kam nicht dazu, denn Mariku stand auf. „Ich muss packen.“ „Soll ich dir helfen?“ „Willst du mich so sehr loswerden?“, scherzte Mariku schmunzelnd, doch Bakura verzog nur das Gesicht. Ihm war nicht nach Scherzen zumute und er wusste, dass Mariku litt und krampfhaft versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. „Geh zu deinem Freund. Er braucht dich.“ „Du brauchst mich!“ Bakura stand ebenfalls auf. „Geh“, wiederholte Mariku. „Ich muss packen und brauch dabei keine Gesellschaft.“ Bakura zögerte. Er wollte Mariku noch mal in die Arme nehmen, doch dieser hatte die Arme vor der Brust verschränkt und den Blick abgewandt. Bakura wollte sich nicht verabschieden, deshalb drehte er sich ohne ein Wort um und ging zum Internatsgebäude zurück. Doch Ryou war nicht in seinem Zimmer, weshalb Bakura in sein eigenes ging, doch auch da war Ryou nicht. Er hörte Wasser rauschen, doch kümmerte sich nicht weiter darum. Er wusste noch nicht, wie er in Zukunft mit Malik umgehen sollte. Er gab ihm die Schuld für Marikus Situation, doch Malik wusste auch nicht, was mit Mariku los war. Am besten war es wohl, wenn er erst mal auf Abstand ging. Er fand Ryou schließlich in der Bibliothek. „Du sollst dich doch nicht so viel bewegen. Erst recht nicht ohne Begleitung.“ Ryou sah genervt auf. „Bist du sauer?“ „Ein bisschen.“ Bakura setzte sich neben ihn. „Es tut mir Leid. Es ist nur...“ Er machte eine Pause. „Es ist schwierig.“ „Schwierig?“, hakte Ryou nach. „Du bist auf Malik losgegangen.“ „Er hat Mariku das angetan“, murmelte Bakura. „Was, Bakura? Was hat er ihm angetan?“ Bakura antwortete nicht. Er hatte Mariku damals versprochen es nie jemandem zu erzählen. Er wusste, wie sehr sich Mariku für seine Krankheit schämte. „Bakura! Was ist es?“ Doch Bakura wandte den Blick zur Seite. „Ich bin’s ja gewohnt, dass Mariku ständig übertreibt und neben der Spur ist, aber heute? Das toppt alles. Also, sag mir was los ist!“ Bakura war zweigespalten. Er wollte es Ryou erzählen, aber auch sein Versprechen nicht brechen. Ryou knirschte mit den Zähnen. „Zwing mich nicht dich nochmal zu schlagen.“ „Das tat weh.“ „Das sollte es auch!“ Sie sahen sich an und begannen schließlich zu lachen. Bakura nahm Ryou in die Arme und küsste seine Schläfe. „Ich hab’s ihm versprochen“, flüsterte Bakura. „Ich weiß, dass er sich mal selbst verletzt hat. Was ist los mit ihm? Bitte Bakura.“ Bakura drückte Ryou an sich. Er schloss die Augen und atmete seinen Geruch ein. Bei Ryou zu sein beruhigte ihn. Ryou merkte, wie sich Bakuras Griff festigte. Er drückte sich gegen ihn. „Bakura“, flüsterte er. „Mariku ist krank“, antwortete Bakura schließlich. „Sehr krank.“ Er strich Ryou durch die Haare. „Es ist nicht heilbar.“ Ryou richtete sich so schnell auf, dass er mit dem Kopf fast gegen Bakuras Kinn stieß. „Wird er sterben?“ Bakura schüttelte den Kopf. „Es ist psychisch.“ Er strich Ryou über die Wange. „Es ging ihm gut in den letzten Jahre, aber Malik...“ Bakura presste die Lippen aufeinander. Er konnte nicht weiter reden und Ryou fragte auch nicht weiter. Er lehnte sich gegen Bakura und ließ sich alles durch den Kopf gehen. Plötzlich bewertete er Marikus Handeln ganz anders, trotzdem gab ihm das kein Recht etwas gegen Maliks Willen zu tun. Sie wussten beide nicht, was zwischen Mariku und Malik vorgefallen war, trotzdem war es für Ryou klar, dass Malik das Opfer war, auch, wenn Bakura das nicht sehen wollte. Mariku hätte wissen müssen, was passieren könnte. Ryou behielt seine Gedanken jedoch für sich. Er wollte nicht schon wieder mit Bakura streiten. Malik saß in seine Decke gewickelt auf dem Bett und starrte an die Wand. Je mehr er versuchte nicht an Mariku zu denken, desto mehr drängten sich ihm die Gedanken an ihn auf. Obwohl er geduscht und seine Haut geschrubbt hatte bis sie rot geworden war, spürte er immer noch Marikus Hände auf seinem Körper. Malik zuckte zusammen, als die Tür aufging. Ängstlich drehte er den Kopf. Selbst Bakuras Anwesenheit machte ihn nervös. Er gab ihm die Schuld für Marikus Ausraster. Bakura starrte ihn an. Sein Blick war kalt und wütend. Malik drehte den Kopf zur Seite. Er hätte niemals hierherkommen sollen. Seine Hände zitterten und er zuckte erneut zusammen, als Bakura ging und die Tür hinter sich zuschlug. Malik wartete einige Minuten ab, dann stieg er aus dem Bett und warf die Decke zur Seite. Er rannte schon regelrecht aus dem Zimmer und die Treppe hinunter. Seine Finger zitterten, als er nach dem Telefonhörer griff und die Nummer von zuhause eintippte. Mittendrin jedoch hörte er auf und hängte den Hörer auf die Gabel. Er starrte Mariku an, der mit einer Tasche in der Hand die Treppe hinunterging. Der Schuldirektor war neben ihm. Mariku hatte den Blick gesenkt, während Herr Minamoto mit ihm sprach. Malik drückte sich gegen die Wand, damit die beiden ihn nicht sahen. „... noch irgendwas?“ Sie kamen in Maliks Hörreichweite. Mariku schüttelte den Kopf. „Hab alles.“ „Und du willst mir wirklich nicht sagen, was der Auslöser war?“ Wieder schüttelte Mariku den Kopf. Herr Minamoto seufzte. „Mariku, ich denke, es wäre wirklich besser, wenn...“ „Nein“, unterbrach Mariku ihn. „Es würde sowieso nichts ändern.“ Maliks Herzschlag beschleunigte sich, als ihm bewusst wurde, dass Mariku ihn schützte. Sie verließen das Gebäude und Malik sank auf den Boden. Wohin gingen sie? Verließ Mariku die Schule? Würde er wiederkommen? Er dachte daran, als er nach Hause gefahren war und Mariku ihn gefragt hatte, ob er wiederkommen würde. Es kam ihm vor, als wären Monate vergangen seit das passiert war. Er hatte Mariku zum Abschied geküsst. Allein das war schon dumm gewesen, aber in diesem Moment war es einfach das gewesen, was Malik hatte tun wollen. Also hatte er es getan. Er hatte Mariku geküsst, weil er es hatte tun wollen. Malik sprang auf und rannte zu einem Fenster, doch er konnte Mariku nirgends sehen. Er öffnete die Eingangstür und trat nach draußen. Malik legte die Arme um sich. Er trug keine Jacke und fror. Suchend ließ er seinen Blick über den Hof schweifen. Wo waren sie hin? Und warum lief er ihnen hinterher? Er hörte Autoreifen auf Kies und wandte den Kopf. Das Auto des Direktors fuhr ein Stück von Malik entfernt die Einfahrt hinunter. Er rannte die Stufen hinunter, doch rutschte auf einer vereisten Fläche aus und fiel nach vorne. „Autsch.“ Er schrammte sich die Handflächen auf bei dem Versuch sich abzustützen. Seufzend drehte sich Malik auf den Rücken. Schneeflocken fielen ihm aufs Gesicht und der Schnee durchnässte seinen Pullover. Malik starrte in den Himmel und fragte sich zum wiederholten Mal, ab welchem Punkt es angefangen hatte, dass sein Leben so schief lief. Als er die Schule betreten hatte? Oder schon in seiner Kindheit? Seit dem Tag an dem sein Vater gestorben war und sie Hals über Kopf das Land verlassen hatten? Malik schauderte und das nicht nur wegen der Kälte. „Jo Malik.“ Jonouchi tauchte über ihm auf. „Wenn du versuchst so krank zu werden, das funktioniert nicht so gut. Ich versuch’s auch immer wieder.“ Er grinste schief und Malik setzte sich auf. Jonouchi half ihm auf die Beine. „Was machst du hier draußen?“ „Ich... ähm...“ Malik zuckte mit den Schultern. Er wusste selbst nicht, was er hier draußen eigentlich machte. Jonouchi hob die Augenbrauen. „Geht dir aber gut, oder?“ Malik nickte. „Bin nur ausgerutscht.“ Er fuhr sich durch die Haare und klopfte sich den Schnee von der Kleidung. Jonouchi und er betraten gemeinsam das Schulgebäude. Es war eine Weile her, seit er das letzte Mal mit Jonouchi gesprochen hatte, aber Malik sehnte sich nach einem belanglosen Gespräch. „Ich hab gehört Honda hat jetzt ein Motorrad.“ „Oh ja!“ Jonouchi sprang sofort auf das Thema an. „Seine Eltern haben ihm eins gekauft, kannst du dir das vorstellen? Mein Vater würd mir nicht mal ne Flasche Wasser kaufen.“ Er fuchtelte mit den Händen. „Aber wenn er denkt, dass er deswegen ne Chance bei meiner Schwester hat, dann hat er sich aber geschnitten.“ „Du hast eine Schwester?“ „Ja, Shizuka, sie ist ein Engel. Ich hab auch ein Bild.“ Er zog seine Brieftasche aus der Hosentasche und klappte sie auf. Jonouchis Schwester lächelte ihm von einem Foto entgegen. „Das Bild ist aber schon etwas älter.“ Jonouchi betrachtete es mit einem Lächeln. Malik konnte ihm ansehen, wie sehr er seine Schwester liebte. Er verspürte einen Stich, denn er vermisste Isis und Rishid. „Aber wenn Honda jetzt denkt, nur weil er jetzt ein Motorrad hat kann er was mit meiner Schwester anfangen, dann dreh ich ihm den Hals um.“ Malik lachte. Es war angenehm mit Jonouchi zu reden. Seit er hier war, war er so von Mariku eingenommen gewesen, dass er sich kaum mit seinen anderen Klassenkameraden hatte anfreunden können. Selbst jetzt dachte er schon wieder an Mariku. Was wäre passiert, wenn er damals mit Jonouchi und Honda getrunken hätte und nicht mit Mariku? Wäre dann alles anders gekommen? Er hätte auf alle Fälle nicht mit ihm geschlafen. Das war letztendlich der Auslöser für alles gewesen. Malik seufzte kaum merklich und versuchte sich auf das Gespräch mit Jonouchi zu konzentrieren. In seinem Kopf jedoch ging er alle möglichen „Was wäre wenn“-Situationen durch. In dieser Nacht kam Bakura nicht in ihr gemeinsames Zimmer zurück, doch damit hatte Malik schon gerechnet. Einerseits genoss er es allein zu sein, doch andererseits hätte er lieber Gesellschaft. So hatte er einfach zu viel Zeit um nachzudenken. Er hatte den Nachmittag mit Jonouchi und später auch Honda verbracht. Honda hatte ihm Bilder von seinem neuen Motorrad gezeigt und für Malik hatte es sich angefühlt, als wäre er wieder ein bisschen in seinem normalen Leben. Auch wenn sich Mariku immer wieder in seine Gedanken geschlichen hatte. Malik drehte sich auf den Bauch und schob seine Arme unter das Kissen. Er verspürte einen Anflug von Panik jedes Mal, wenn er an ihn dachte. Wenn er an den Ausdruck in seinen Augen dachte, dann jagte ihm das kalte Schauer über den Rücken. Gleichzeitig konterte ein anderer Teil seines Gehirns mit den schönen Erinnerungen. Das Schlittschuhlaufen, die Küsse. Malik drückte sein Gesicht ins Kissen. Er hatte diese Küsse wirklich genossen. Marikus Lippen waren immer etwas rau gewesen. „Raus aus meinem Kopf“, murrte Malik und es war fast so, als hörte er Marikus Lachen. „Hey Malik!“ Malik schreckte hoch und rieb sich die Augen. Er hatte kaum ein Auge zugemacht letzte Nacht und wenn doch, dann hatte er schlecht geträumt und war kurz darauf wieder aufgewacht. In seinen Albträumen war niemand gekommen um ihn vor Mariku zu retten. „Wie geht’s dir heute?“ Ryou sah ihn besorgt an. Malik sah Ryou vorbei zu Bakura, der die Arme vor der Brust verschränkt und demonstrativ den Kopf zur Seite gewandt hatte. „Hab nur schlecht geschlafen.“ Er versuchte zu lächeln, aber scheiterte. „Und sonst?“ „Es ist in Ordnung. Ist ja nichts passiert... zumindest mir.“ Er sah wieder zu Bakura. Er wusste bestimmt, wo Mariku war, aber er traute sich nicht ihn zu fragen. „Du solltest die Sache nicht so runterspielen.“ Ryou machte ein ernstes Gesicht. „Das ist ernst.“ Malik zuckte mit den Schultern. „Es lässt sich sowieso nicht ändern.“ Ob Bakura Ryou erzählt hatte, wo Mariku hingegangen war? Sollte er ihn fragen? Ryou würde es ihm bestimmt sagen. Aber er wollte auch nicht, dass Bakura etwas mitbekam. „Willst du heute Nachmittag was unternehmen?“ Malik schüttelte den Kopf. „Lieber ein bisschen hinlegen.“ Ryou schien nicht glücklich mit seiner Antwort, doch bohrte auch nicht weiter nach. „Wenn du deine Meinung änderst, dann kannst du jederzeit kommen.“ Er lächelte und diesmal schaffte es Malik das Lächeln zu erwidern. „Klar.“ Er sah Ryou hinterher, als sich dieser wieder Bakura anschloss. Malik seufzte. Er sollte auch mit Bakura reden, aber er machte sich Sorgen, dass er wieder auf ihn losging. Malik stolperte nach vorne, als ihm plötzlich jemand auf den Rücken schlug. Er fuhr herum und blickte in Jonouchis grinsendes Gesicht. „Wo ist dein Anhang?“ „Wer?“ „Na Mariku.“ „Oh, der.“ Malik wusste nicht, was er Jonouchi antworten sollte. Er wusste ja selbst nicht, wo Mariku war. „Hab ihn seit gestern nicht mehr gesehen.“ „Ist er nicht vor ein paar Jahren schon mal spurlos verschwunden?“ Honda hatte sich ihnen angeschlossen. „Ah ja, als dings ähm“, Jonouchi schnipste mit den Fingern, „Ren gestorben ist.“ Malik hob überrascht die Augenbrauen. „Wir haben alle gedacht Mariku hätte ihn umgebracht.“ „Was?“ Maliks Stimme klang dünn. Plötzlich dachte er wieder an das Grab, das Mariku besucht hatte. Lag dort wirklich ein toter Mensch? Er hatte danach nicht mehr darüber nachgedacht. „Ach Ren, der war schon cool, hatte auch was mit Mariku.“ „Er war komplett verrückt nach ihm.“ „Jupp, aber Mariku gar nicht so, zumindest wenn man‘s damit vergleicht, was für einen Narren er sich an dir gefressen hat.“ Jonouchi grinste ihn wieder an und Malik kroch die Röte ins Gesicht. „Was ist passiert?“, fragte er um wieder auf das eigentliche Thema umzuschwenken. Jonouchi zuckte mit den Schultern. „Er hat sich umgebracht.“ Malik blieb stehen. Sein Inneres zog sich zusammen. „Wieso?“ Jonouchi und Honda drehten sich zu ihm um und Jonouchi zuckte wieder mit den Schultern. „Das müsstest du Mariku fragen oder Bakura, der dürfte es auch wissen. Jedenfalls war Mariku kurz darauf für Wochen weg und wir wussten ja erst nicht, was passiert war, also dachten wir, Mariku ist im Knast.“ Je mehr Jonouchi ihm erzählte, desto unwohler fühlte sich Malik. „Nach ein paar Wochen ist er wieder aufgetaucht, als wär nix gewesen“, fügte Honda hinzu. Malik versuchte die neuen Informationen zu verarbeiten und verabschiedete sich von Jonouchi und Honda. Jetzt hatte er noch etwas, worüber er sich den Kopf zerbrechen konnte. Als wenn sein Kopf nicht schon voll genug wäre. Malik fuhr sich mit beiden Händen in die Haare und strich sie zurück. Hatte die Sache von damals etwas mit ihm zu tun? Aber wieso sollte es? Das war Jahre her. Malik raufte sich die Haare. Warum beschäftigte die Sache ihn nur so? Als er um eine Ecke bog, stieß er mit Bakura zusammen. Malik stützte sich an der Wand ab um nicht hinzufallen. Sie starrten sich an und Malik sah die Abneigung in Bakuras Blick. Bakura presste die Lippen aufeinander und atmete tief durch. Er richtete seinen Finger auf Malik und dieser drückte sich gegen die Wand. „Wenn Mariku zurückkommt, dann halt dich von ihm fern oder du wirst es bereuen“, bedrohte Bakura ihn und Malik nickte langsam. Bakura verengte die Augen und atmete noch einmal hörbar durch. Er hatte den Kiefer angespannt und schien mit sich zu kämpfen. „Ich weiß, es ist nicht alles deine Schuld“, sagte er langsam, „aber auch nicht Marikus.“ Er ballte eine Hand zu einer Faust. „Wo ist er?“, wagte es Malik zu fragen. Hätte er nicht schon die Wand im Rücken gehabt, wäre Malik noch einen Schritt zurückgegangen. Bakuras Blick durchbohrte ihn regelrecht. „Was kümmert es dich?“ „Ich... ich...“ Malik räusperte sich und straffte seine Schultern. Er hatte genug von Bakuras Verhalten. „Jetzt hör mal zu“, er trat einen Schritt auf Bakura zu, „es war dein Freund, der sich nicht zusammenreißen hat können. Ich hab ihm von Anfang an gesagt, dass er sich nicht so viele Hoffnungen machen soll. Er wusste es und es ist nicht meine Schuld, dass er total ausflippt.“ Er drehte seinen Zeigefinger neben seinem Kopf. „Du hast keinen Grund mich so saudumm anzufahren. Ich hab die Schnauze voll davon! Ich bin so schon gestresst genug wegen all der Scheiße, ich brauch nicht auch noch dich, der mir noch mehr Schuldgefühle einredet.“ Maliks Stimme war gegen Ende hin immer lauter geworden und sein Körper hatte zu zittern begonnen. „Also entweder sagst du mir jetzt was los ist oder lässt es bleiben, mir egal!“ Bakura starrte ihn an. Er hatte den Mund geöffnet, als wollte er etwas sagen, doch kein Laut kam über seine Lippen. Er schien überrascht über Maliks Ausbruch und wusste jetzt nicht, wie er darauf reagieren sollte. Malik schnaubte und stampfte davon. Er schlug die Tür hinter sich zu und warf sich auf sein Bett. Es hatte gut getan etwas Frust abzulassen. Ryou sah auf, als Bakura das Zimmer betrat. Er sah ihm sofort an, dass etwas nicht stimmte. „Was ist los?“ Seufzend setzte sich Bakura aufs Bett neben Ryou. „Malik hat mich angeschrien.“ Er klang schon fast, als würde er schmollen. Ryou lachte leise und küsste Bakuras Wange. „Hast du auch verdient.“ „Solltest du als mein Freund nicht auf meiner Seite sein?“ „Ich bin nicht auf der Seite von Idioten.“ Bakura sah seinen Freund an. „Du warst mal so süß.“ Ryou grinste nur. Kapitel 15 „Du hast Bakura ganz schön die Meinung gegeigt.“ Ryou ließ sich neben Malik auf einen der Sessel fallen. Malik wandte den Blick vom Fenster ab, wo er den Schneefall beobachtete hatte. „Er hat’s verdient“, sagte er mit einem Schulterzucken. „Ja, das hab ich ihm auch gesagt.“ Ryou sah Malik an. „Gehst du uns aus dem Weg?“ „Ich hab nicht den Eindruck, als würde Bakura noch mein Freund sein wollen.“ „Ach“, Ryou strich sich durch den Nacken, „nimm ihn nicht so ernst. Er spinnt zurzeit ein bisschen.“ „Naja, das mit Mariku...“ Malik richtete seinen Blick wieder nach draußen. „Ich kann ihn schon verstehen.“ Ryous Schultern sanken herab. „Bakura hat’s mir erzählt, weißt du, was mit Mariku los ist.“ Schnell sah Malik auf. Er hatte die Lippen aufeinander gepresst und sich unterbewusst in die Armlehnen gekrallt. Wollte er es wissen? Und wie! Doch er brachte kein Wort heraus, sondern starrte Ryou einfach nur an. Ryou verstand ihn jedoch auch so und erzählte ihm alles, was Bakura ihm gesagt hatte. „Ich hab nicht viel aus Bakura rausbekommen, er wollte nicht ins Detail gehen, aber ich hab ein paar Recherchen angestellt. Die Bibliothek ist überraschend ergiebig, was medizinische Literatur angeht.“ Ryou lehnte sich zurück und streckte die Beine aus. „Ich vermute, es ist eine Persönlichkeitsstörung.“ Malik lachte trocken. „Das glaub ich dir aufs Wort.“ Obwohl das Thema ernst war, schmunzelte Ryou. „Er war schon immer ein bisschen gestört. Trotzdem, ich bin kein Fachmann und es könnten bestimmt auch zig andere Sachen sein.“ Doch Ryou bezweifelte es. Das Buch über die Persönlichkeitsstörungen war abgewetzt gewesen und hatte handschriftliche Notizen an den Seitenrändern stehen gehabt. Die Handschrift war Bakuras sehr ähnlich. Ryou vermutete, dass er nicht der erste gewesen war, der über Marikus Krankheit recherchiert hatte. Malik beobachtete wieder den Schneefall. Wann würde es nur endlich damit aufhören? „Ja“, stimmte er leise zu. „Also ist es nicht seine Schuld?“ „Naja, es gibt Medikamente, aber ich wüsste nicht, dass Mariku welche genommen hätte. Er weiß was mit ihm los ist, er hätte was machen sollen, als er’s gemerkt hat.“ Malik richtete seinen Blick wieder auf Ryou. „Oder es ging ihm gut, bis ich gekommen bin.“ Man sah Malik regelrecht an, wie schuldig er sich fühlte. „Es ist nicht deine Schuld“, versuchte Ryou ihm einzureden, doch seine Worte fielen nicht auf fruchtbaren Boden. „Wirklich nicht?“ Er schüttelte leicht den Kopf. „Schon verrückt, oder? Mariku greift mich an und ich fühl mich verantwortlich.“ Plötzlich lachte er. „Das ist doch so dumm.“ Ryou wusste nicht so recht, was er erwidern sollte. Er wagte einen vorsichtigen Ansatz; „Wie stehst du denn zu Mariku?“ Malik zuckte mit den Schultern. „Was weiß ich.“ Er lehnte sich vor und stützte sich mit seinen Unterarmen auf seinen Oberschenkeln ab. „Weißt du, ich hab die letzten Ferientage zuhause verbracht und bevor ich gegangen bin, hab ich ihn geküsst.“ Ryou hob überrascht die Augenbrauen. Er hätte nicht erwartet, dass die Initiative von Malik ausgegangen war. „Und zuhause war diese echt scharfe Braut und wir haben rumgemacht, aber...“ Malik atmete tief durch. „Naja, egal.“ Malik stand auf. Er bereute es, überhaupt auf Ryous Frage geantwortet zu haben. „Aber wenn du Mariku magst...“ „Ich will nicht darüber reden“, unterbrach Malik ihn scharf. Er wollte nichts mehr davon hören. „Ich will ihm nicht nah sein. Ich will nicht von ihm angefasst werden. Ich will nicht...“ Malik nahm einen tiefen Atemzug, sprach aber nicht weiter, sondern beschloss das Gespräch zu beenden. „Wir sehen uns später.“ Ryou sah ihm hinterher. „Lügner“, flüsterte er und presste anschließend die Lippen aufeinander. Es war jedoch nicht so, dass er sich nicht in Malik hineinversetzen konnte. Er hatte sich auch lange für unnormal gehalten und erst, als er aufs Internat gekommen war, hatte er gelernt sich selbst zu akzeptieren. Ryou legte den Kopf zurück und schloss die Augen. Hier lief aber auch alles schief. Draußen lehnte sich Malik gegen die Wand. Mariku war also krank. Das erklärte zumindest endlich sein seltsames Verhalten. Eigentlich hatte er auch vorgehabt Ryou wegen Ren zu fragen, doch daran hatte er nicht mehr gedacht. Malik seufzte. Er hielt das hier nicht mehr aus. Er wollte wieder nach Hause in sein normales Leben zurück. „Hey Malik!“ Malik sah auf. Jonouchi und Honda standen ein Stück von ihm entfernt und waren bis zu den Ohren dick in ihre Winterklamotten eingepackt. „Wir und noch’n paar andere machen eine Schneeballschlacht, hast du Lust?“ Malik stieß sich von der Wand ab. „Ja.“ Er lächelte. „Gern.“ Mariku hatte seine Arme um seine Knie gelegt und starrte an die weiße Wand. Er hasste diesen Ort. Es kotzte ihn an hier zu sein und er wollte sofort wieder zurück, doch er wusste selbst, dass das nicht ging. Er war nicht zum ersten Mal hier. „Aller guten Dinge sind Drei“, murmelte Mariku und schlug leicht mit seinem Hinterkopf gegen die Wand. Nachdem man ihn von seiner Mutter weggeholt hatte, war er das erste Mal hier gelandet. Er war zehn gewesen, hatte immer wieder versucht abzuhauen und sich jede Menge Ärger eingehandelt. Mariku grinste leicht. Seine Krankheit war zu diesem Zeitpunkt am Schlimmsten gewesen. Damals hatte er aber noch nicht verstanden, was nicht an ihm stimmte. Er war ein Jahr hier gewesen, bis sich Herr Minamoto sich seiner angenommen hatte. Er hatte Bakura kennen gelernt und sein Leben war bergauf gegangen. Zumindest bis zu dem Moment als Ren sich umgebracht hatte. Mariku ließ den Kopf hängen und biss sich auf die Unterlippe. Hätte er Ren damals die Aufmerksamkeit gegeben, die er verdient hatte, dann wäre er jetzt noch am Leben. War das der Grund, warum er sich so an Malik klammerte? Dabei konnte dieser das nicht ausstehen. Wie er es auch machte, es war einfach immer falsch. Wie lange würde er diesmal hierbleiben müssen? Konnten sie ihn nicht mit Medikamenten vollpumpen und wieder zurück zur Schule schicken? Mariku raufte sich die Haare. Es war seine eigene Entscheidung gewesen zurückzukommen und es war besser für ihn und für Malik, wenn er hier war und sich behandeln ließ. Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass er die Klinik hasste. Er vermisste Bakura und Ryou. Er vermisste sogar die ganzen Idioten aus seiner Klasse, die er nicht ausstehen konnte. Doch am meisten vermisste er Malik. Er konnte nichts dafür, dass er ausgerastet war. Mariku ballte eine Hand zu einer Faust um das Zittern zu unterdrücken. Er hatte von Anfang an gewusst, dass es so enden würde. Malik und er – das war eben doch nur ein Traumgespinst. Das Klopfen an der Tür riss Mariku aus seinen Gedanken. Er sagte nichts. Er wollte niemanden sehen, doch die Krankenschwester betrat das Zimmer trotzdem. Mariku lächelte, als er sie erkannte. Wenigstens ein bekanntes Gesicht. „Val“, sagte Mariku leise. Er hatte Valentine früher immer auf Trapp gehalten, aber sie hatte sich auch zu einer Art Freundin entwickelt. Die junge Frau stemmte die Hände in die Hüften und sah Mariku ernst an. „Ich hab gehofft, ich muss dich nie wieder sehen.“ „Ich hab’s auch gehofft.“ Er seufzte. „Aber irgendwie komm ich immer wieder zurück.“ Er senkte den Blick und Valentine setzte sich zu ihm aufs Bett. Sie legte ihm die Hand auf den Arm. „Wie fühlst du dich?“ „Beschissen“, antwortete Mariku wahrheitsgemäß. Valentine legte ihm ein Blutdruckmessgerät an. „Du hast dich selbst einliefern lassen. Warum?“ Mariku wandte den Blick ab und antwortete nicht. Er wusste, dass er mit Valentine darüber sprechen könnte, aber es war noch zu früh. „Wie geht’s Bakura?“, wechselte Valentine das Thema und notierte Marikus Blutdruckwerte auf seinem Patientenblatt. Mariku lächelte wieder. „Gut, er hat jetzt nen Freund.“ „Das ist doch schön.“ Valentine lächelte ebenfalls. „Und du?“ Mariku presste die Lippen aufeinander. Natürlich wusste Valentine auch über Ren Bescheid. Es schien nicht so, als könnte er das Thema hinausschieben. „Deshalb bin ich hier“, antwortete er leise. „Ich dachte echt, zumindest für eine Weile, dass das was mit ihm wird.“ Er legte den Kopf zurück und sah an die Decke. Er hatte ein trauriges Lächeln auf den Lippen. „Er wollt’s echt mit mir versuchen, dabei hat er die ganze Zeit behauptet, dass er gar nicht auf Kerle steht. Man“, er lachte leise, „du hättest sehen sollen, wie er immer ausgeflippt ist, wenn ich ihn angemacht hab. Er ist echt süß.“ „Du magst ihn gerne, nicht wahr?“ Valentine hatte noch nie so ein Lächeln auf Marikus Gesicht gesehen. Es machte sie glücklich ihn so zu sehen, aber auch traurig, weil Mariku deswegen jetzt hier war. „Ja, ich bin total verrückt nach ihm... verrückt.“ Mariku strich sich durch den Nacken. „Am Ende hab ich’s eben doch wieder versaut.“ „Es ist nicht deine Schuld.“ „Ich hätt’s ihm sagen können, oder auf Bakura hören. Bakura hat gleich gemerkt, dass was nicht stimmt, aber ich wollt’s nicht sehen. Ich wollt nur Malik.“ „Was ist passiert?“ Schließlich erzählte Mariku doch die ganze Geschichte. Es sprudelte aus ihm heraus und Valentine unterbrach ihn nicht. Irgendwie tat es doch gut alles zu erzählen. „...jetzt bin ich wieder hier und kann ihm nie wieder unter die Augen treten“, schloss Mariku seine Erzählung. „Denk nicht so negativ.“ Sie legte ihm wieder ihre Hand auf den Arm. „Ich bin sicher, das wird wieder.“ Sie drückte Marikus Arm leicht. „Wie denn?“ Mariku gab einen abfälligen Laut von sich. „Ich hätte ihn fast...“ Mariku biss sich auf die Unterlippe. Er wollte gar nicht weiterdenken. Hätte er es wirklich getan? „Aber von dem was du mir über Malik erzählst hast, denke ich, dass er dich wirklich mag. Er wollt’s mit dir versuchen und ich glaube, er hat nur Angst bekommen. Nicht vor dir“, fügte sie schnell hinzu, „sondern eher vor seinen eigenen Gefühlen.“ Mariku zuckte nur mit den Schultern. Es war unmöglich für ihn Valentines Worte zu glauben. Er hatte es versaut, mal wieder. Valentine stand auf. „Ich muss weiter, aber ich komm später noch mal vorbei.“ Mariku nickte nur leicht und beobachtete, wie die Krankenschwester sein Zimmer verließ. Mariku wünschte sich, er könnte es so positiv wie Valentine sehen. Mochte Malik ihn wirklich? Immerhin hatte er ihn geküsst und er hatte ihm auch wirklich eine Chance gegeben. Trotzdem... Malik hatte auch gesagt, dass er nicht mit ihm zusammen sein konnte. Mariku schlug gegen die Wand. Er wollte nicht mehr darüber nachdenken. Er konnte ja sowieso keine Lösung finden. Er war stolz auf Bakura, der es geschafft hatte, seine Ängste zu überwinden, doch er würde seine Krankheit niemals loswerden. Sie würde immer ein Teil seines Lebens bleiben und es ihm versauen. Mariku schlug noch mal gegen die Wand und noch mal und noch mal. Er spürte den Schmerz nicht, er war zu wütend dafür. Seine Schläge jedoch blieben nicht ungehört und als ein Pfleger hereinkam um nach ihm zu sehen, trat Mariku ihm mit den Füßen in den Bauch. Die Wut hatte wieder Überhand genommen, wie zuvor schon bei Malik, und er verlor die Kontrolle über sein Handeln. „Fasst mich nicht an!“, fauchte Mariku und es waren zwei weitere Pfleger nötig um ihn festzuhalten. Erst eine Spritze stellte Mariku ruhig. Mit zittrigen Fingern zog Malik das Buch, dass Ryou ihm empfohlen hatte, aus dem Regal. Ryou hatte noch einmal bei Bakura nachgebohrt und schließlich die Bestätigung von ihm bekommen: Mariku litt unter einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung. Anstatt sich jedoch von Ryou alles erklären zu lassen, wollte Malik es selbst nachlesen. Er trug das Buch zu einem nahen Tisch und setzte sich. Psychiatrie und Psychotherapie hieß es auf dem Umschlag. Malik fühlte sich unwohl. Es kam ihm vor, als würde er unerlaubt in Marikus Leben herumschnüffeln. Malik schlug das Buch auf und ließ seinen Finger über das Inhaltsverzeichnis gleiten. Seine Augenbrauen hoben sich vor Überraschung. Er hätte nie gedacht, dass es so viele Arten von Persönlichkeitsstörungen gab. Sein Finger blieb an der hängen, die Ryou ihm genannt hatte. Er zögerte und starrte den Namen an. Emotional instabil, dass klang doch gar nicht so schlimm, eher wie Stimmungsschwankungen. Malik schlug das Buch wieder zu und legte seine Hände auf den Einband, sodass der Titel verdeckt wurde. Was brachte es ihm, über Marikus Krankheit zu lesen? Was interessierte es ihn überhaupt? Er nahm die Hände vom Buch und sah es an. Aber vielleicht half es ihm Mariku etwas besser zu verstehen. Malik schlug das Buch wieder auf und blätterte zur entsprechenden Seite. Handgeschriebene Notizen standen am Rand, doch Malik schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit. Sein Blick fiel jedoch sofort, auf die unterstrichenen Textstellen. Leise begann er zu lesen: „Die emotional instabile Persönlichkeitsstörung umfasst zwei Unterformen: den impulsiven und den Borderline-Typus.“ Borderline. Davon hatte er schon mal etwas gehört. Er erinnerte sich an ein Mädchen aus seiner alten Schule, das sich umgebracht hatte. Sie hatte unter Borderline gelitten. Malik hatte sie nicht gekannt, aber im Unterricht hatten sie daraufhin dieses Thema kurz durchgenommen. Er kaute auf seiner Lippe und versuchte sich zu erinnern, doch er hatte damals nicht aufgepasst. Er las weiter: „Merkmale des impulsiven Typus: 1. Deutliche Neigung, unerwartet und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen zu handeln. 2. Deutliche Tendenz zu streitsüchtigem Verhalten und mit anderen in Konflikt zu geraten, vor allem, wenn impulsive Handlungen verhindert oder kritisiert werden. 3. Anfälligkeit für Ärger- und Gewaltausbrüche mit der Unfähigkeit, das daraus resultierende Verhalten im Wutausbruch zu kontrollieren. 4. Instabile und unberechenbare Stimmung.“ Malik schluckte und klappte das Buch zu. Das war eine sehr treffende Beschreibung von Marikus Verhalten. Maliks Augen glitten an den Bücherregalen entlang, ohne sie wirklich zu sehen. Mariku war machtlos gegen sich selbst. Bestimmt hatte er das, was passiert war, noch nicht einmal gewollt. Der Knoten in Maliks Brust zog sich noch fester zusammen. Kein Wunder, dass Bakura so wütend auf ihn war. Die ganze Zeit hatte Mariku Kontrolle über sich gehabt, doch er... Malik schüttelte den Kopf. Nein, das stimmte nicht. Mariku hatte schon vorher gewusst, dass nicht alles in Ordnung war. Marikus Hände hatten gezittert, wenn er ihn berührt hatte. Er hatte sich da schon mehr zusammenreißen müssen als sonst. Spätestens dann hätte er sich Hilfe suchen müssen, aber er hatte es nicht getan. Mariku war das Risiko eingegangen und hatte verloren. Malik bedeckte sein Gesicht mit den Händen. In ihm herrschte ein Zweispalt. Er wusste einfach nicht, was er noch denken sollte. Als Mariku aufwachte, fühlte er sich immer noch erschöpft. Das Beruhigungsmittel war immer noch in seinem Blut und vernebelte seine Sinne. Vielleicht war das auch besser so, denn so konnte er wenigstens nicht die ganze Zeit an Malik denken. Er wollte sich aufsetzen, doch sein Körper gehorchte ihm noch nicht richtig. Murrend sank Mariku auf die Matratze zurück und schloss die Augen. Es klopfte an der Tür und Mariku hörte, wie sie sich öffnete. „Mariku?“ Es war Valentines Stimme. „Bist du wach?“ „Vielleicht“, antwortete Mariku ohne die Augen zu öffnen. Valentine schloss die Tür hinter sich und zog einen Stuhl an Marikus Bett. „Du hast ganz schön Ärger gemacht.“ „Das kann ich eben gut.“ Selbst Sprechen fiel ihm schwer, aber er erwähnte es Valentine gegenüber nicht. Er genoss ihre Anwesenheit. „Du hast dir übrigens zwei Finger angeknackst.“ „Nicht das erste Mal.“ Ihre kühlen Finger strichen ihm über die Stirn. „Du bist ganz heiß.“ „Ich weiß.“ Mariku schaffte es zu grinsen. „Immer noch so frech wie damals.“ Sie zog ihre Finger zurück und betrachtete Mariku mit einem sanften Lächeln. „Du bist erwachsen geworden.“ „Nur körperlich“, widersprach Mariku. „Das glaub ich nicht.“ Valentine schüttelte den Kopf. „Wenn ich ein paar Jährchen jünger wäre, dann würde ich mein Glück bei dir versuchen.“ „Val, du weißt, dass ich nicht auf Frauen stehe.“ Valentine schnalzte mit der Zunge. „Wirklich schade.“ Sie lachte und auch Mariku brachte ein leises Lachen zustande. Wieder waren ihre Finger auf seiner Stirn. „Aber ich mach mir wirklich Sorgen. Ich hol lieber ein Fieberthermometer.“ Mariku hörte sie das Zimmer verlassen. Als sie zurückkam, stellte er sich schlafen. „Mariku.“ Sie rüttelte an seiner Schulter. „Mariku! Ich weiß, du bist wach.“ Sie tätschelte seine Wange. „Ich steck’s dir in den Hintern, wenn du nicht aufwachst.“ Mariku konnte das Grinsen nicht unterdrücken. „Wer sagt, dass mir das nicht gefallen würde?“ „Du bist wirklich schlimm.“ „Das war noch harmlos.“ Er öffnete die Augen. Zwar fühlte er sich immer noch erschöpft, doch es wurde langsam besser. Draußen war es schon dunkel. Er war den ganzen Tag außer Gefecht gewesen. Auch sah er erst jetzt, dass Valentine nicht ihre Dienstkleidung trug. „Hast du nicht Feierabend?“ „Ich muss mich doch um dich kümmern.“ Sie lächelte. „Geh nach Hause, Val.“ „Mach lieber Aaah.“ Mariku öffnete den Mund und schloss ihn wieder um das Thermometer mit den Lippen festzuhalten. „Ich hoffe, diesmal hab ich nicht wieder schlaflose Nächte wegen dir.“ Mariku zuckte mit den Schultern. „Beim ersten Mal hab ich bestimmt fünf Kilo abgenommen.“ Das Thermometer piepste und Valentine zog es aus Marikus Mund. „37,8° - etwas erhöht, aber noch kein Fieber.“ „So schlimm war ich übrigens auch wieder nicht.“ „Du wurdest als Härtefall behandelt.“ „Reine Übertreibung.“ „Du hast einem Pfleger ein Stück aus der Hand gebissen und ihm fast das Auge ausgekratzt!“ Mariku kratzte sich verlegen an der Wange. „Ah ja, da war mal was. Ist er noch hier? Wie geht’s ihm?“ „Er ist noch hier und er hat sich gleich geweigert für dich eingeteilt zu werden.“ Valentine drehte das Thermometer zwischen ihren Fingern. „Er hat eine Narbe an der Hand, aber sein Auge ist wieder in Ordnung.“ „Klingt ja gar nicht so schlimm.“ Mariku sank wieder ins Kissen zurück und gähnte. Valentine stand auf. „Schlaf jetzt. Morgen ist deine Temperatur hoffentlich nach unten gegangen. Gute Nacht, Mariku.“ „Bye“, murmelte Mariku und zog die Decke hoch. Als Valentine weg war, drehte er sich auf die Seite und öffnete die Augen wieder. Was Malik jetzt wohl gerade machte? Malik ging Ryou und Bakura nicht bewusst aus dem Weg, er fühlte sich nur momentan wohler von Jonouchi und Honda umgeben zu sein. Ryou und besonders Bakura brachten nur immer die Gedanken an Mariku in ihm hoch, und von denen hatte er schon genug, wenn er dann abends im Bett lag. Außerdem gab es ihm die Normalität zurück, die er so vermisst hatte. Mit Jonouchi und Honda drehte sich alles um Sport, Motorräder und Mädchen. Themen über die er gerne redete. Malik wünschte sich, er hätte sich von Anfang an richtig mit Jonouchi angefreundet, dann wäre seine Zeit am Internat sicher besser verlaufen. Malik seufzte und starrte auf den Test in seiner Hand. Seine Noten waren überraschend gut gewesen das Jahr über, besser als in seiner alten Schule, doch diesmal hatte er richtig danebengegriffen. Er seufzte nochmal und schob den Test von sich. Trotz allem was zwischen ihm und Mariku vorgefallen war, hatte er sich doch immer auf die Schule konzentrieren können, doch jetzt wo Mariku weg war, starrte er mehr aus dem Fenster als aufzupassen. Es war schon wirklich verrückt. Malik schulterte seinen Rucksack und packte den Test. Beim Hinausgehen legte er ihn auf dem Lehrerpult ab. Isis würde schon nicht ausflippen wegen einer schlechten Note. „Lass mich dir helfen.“ „Nein, ich muss das alleine machen.“ „Aber...“ „Kein Aber, der Arzt sagt, ich soll das machen.“ Malik blieb stehen und beobachtete Ryou und Bakura. Bakura hielt Ryous Krücken, während Ryou eine Hand aufs Treppengeländer gelegt hatte. Sie stritten zwar, doch es war kein ernstgemeinter Streit. Ein seltsames Gefühl stieg in Malik hoch. Er beneidete die Beiden. Er beneidete sie um ihre Beziehung zueinander. Sie hatten auch viel durchgemacht, doch keiner von beiden hatte wirklich aufgegeben. Malik biss sich auf die Unterlippe und wandte den Blick ab. Nicht so wie er. Er konnte den Anblick von Ryou und Bakura nicht länger ertragen. Malik rannte aus dem Gebäude und durch den Schnee bis seine Lungen brannten. Er ließ seinen Rucksack in den Schnee fallen und stützte sich an einem Baum ab. Was war er nur für ein Idiot? Er fuhr sich durch die Haare und krallte anschließend seine Finger hinein. War es wirklich so schlimm mit Mariku gewesen? Hätte er nicht solche Angst vor der Meinung Anderer, hätte er dann dasselbe was Ryou und Bakura jetzt hatten? „Verdammte Scheiße!“, fluchte Malik und trat in den Schnee. Plötzlich wurde ihm die Kälte bewusst und er zitterte. Er umarmte sich selbst und rieb seine Oberarme. Malik sah sich um. Wohin war er eigentlich gelaufen? Er wollte gerade seinen Rucksack aufheben, als ihm etwas ins Auge fiel: ein Kreuz. Malik schluckte. Plötzlich wusste er, wo er war. Er ließ seinen Rucksack liegen und ging näher auf das Kreuz zu. Er zog seine Hand in seinen Ärmel und wischte den Schnee ab. Es sah verwittert aus und war schief. Ren war ins Holz geritzt worden. Malik trat wieder einige Schritte davon weg. Er sollte nicht hier sein. Wieder fühlte er sich, als würde er unerlaubt in Marikus Leben eindringen. „Was ist zwischen euch passiert?“, fragte Malik leise. Kapitel 16 Mariku betrachtete das Foto von sich und Bakura und seufzte. Aufgenommen während eines Sommers in dem zu heiß gewesen war Kleidung zu tragen. Sie hatten so viel Spaß gehabt und es kam Mariku vor, als wäre eine Ewigkeit seitdem vergangen. Die Sommerferien waren die einzige Zeit, die sie nicht an der Schule verbringen konnten. Sie waren immer in Pflegefamilien untergekommen und sehr zu ihrem Missfallen auch noch getrennt voneinander. In diesem heißen Sommer jedoch waren sie gemeinsam campen gefahren und hatten die Zeit ihres Lebens gehabt. Mariku grinste. Die Nächte waren heißer als die Tage gewesen. In den nächsten Sommerferien würden sie jedoch nicht mehr zu Pflegefamilien kommen. Sie waren dann beide 18 und wollten sich gemeinsam eine Wohnung mieten. Mariku steckte das Bild wieder weg. Wobei Wohnung zu viel gesagt war, es sollte nur ein Zimmer während der Ferien sein, bevor sie zur Schule zurückkehrten, ihren Abschluss machten und sich dann eine richtige Wohnung suchten. Mariku wollte arbeiten gehen und Bakura auf die Universität, das war ihr gemeinsamer Traum. Zumindest hoffte Mariku, dass das noch ihr Traum war. Es klopfte an der Tür und Valentine steckte ihren Kopf ins Zimmer. „Telefon für dich.“ Mariku stand auf. Er musste nicht fragen, wer für ihn anrief. Es konnte nur einer sein. „Hey“, tönte Bakuras Stimme aus dem Hörer. „Wie fühlst du dich?“ „Ich bin vollgedröhnt mit Lithium-Präparaten“, Mariku lehnte sich gegen die Wand, „wie denkst du, wie’s mir geht?“ „Sehr ausgeglichen und ruhig.“ Mariku sah Bakuras grinsendes Gesicht vor sich. „Was gibt’s Neues? Welche wilden Partys verpasse ich?“ „Nur die üblichen Schweinereien und Perversionen.“ „Und dass ohne mich, ich bin entsetzt.“ „Ich vertrete dich würdig, keine Sorge.“ Mariku lachte und strich sich eine Strähne zurück. Bakuras Stimme zu hören tat gut. „Wie läuft’s mit Ryou?“ „Gut, sehr gut, es geht ihm auch schon viel besser. Er braucht nur noch eine Krücke zum gehen und sein Arzt sagt, dass er bald wieder richtig fit sein wird. Er macht gute Fortschritte und naja, du kennst ihn ja, er ist nicht auf den Mund gefallen und wäscht mir oft den Kopf, wenn ich Mist baue.“ Mariku lächelte. Es fiel ihm schwer, nicht eifersüchtig auf Bakuras und Ryous Beziehung zu sein. Er wollte das auch. „Und wie geht’s Malik?“ Bakura antwortete nicht sofort und schwieg solange, dass Mariku dachte, er würde gar nicht mehr antworten. „Mariku“, fing Bakura an und seine Stimmlage hatte sich verändert. Mariku unterbrach ihn, bevor er weiterreden konnte: „Ich weiß, ich weiß, aber ich muss es wissen. Bitte Bakura, sag’s mir.“ Er hörte Bakura tief durchatmen. „Scheint ihm ganz gut zu gehen. Ryou redet hin und wieder mit ihm, aber er scheint uns aus dem Weg zu gehen. Mir zumindest. Er hängt viel mit Jonouchi und Honda rum.“ Mariku schloss die Augen. „Du hast was zu ihm gesagt, nicht wahr?“ „Natürlich hab ich was gesagt! Denkst du, ich tu so, als wäre alles in Ordnung, nachdem er dir das angetan hat?“ „Er hat mir gar nichts angetan“, widersprach Mariku. „Es ist alles meine Schuld.“ „Nein, ist es nicht.“ „Doch ist es und du weißt das. Du hast die Anzeichen schon vor Wochen gesehen.“ Bakura schwieg. „Gib ihm nicht die Schuld.“ „Ich weiß nicht, ob ich das kann. Er ist nicht gut für dich.“ „Hab ich schon jemals das getan, was gut für mich ist?“ „Mariku...“ „Aber ich halt mich sowieso von ihm fern.“ Er legte den Kopf in den Nacken und sah an die Decke. Einzig die Medikamente sorgten dafür, dass seine Stimme nicht zitterte während er sprach. „Er will mich nicht und ich hab das zu akzeptieren.“ „Komm lieber schnell wieder zurück. Ich vermiss dich.“ „Ich dich auch.“ Und Malik noch mehr. Sie beendeten ihr Telefonat. Nach Marikus Therapiesitzung ging dieser nach draußen. Er wollte nicht weiter den ganzen Tag in seinem Zimmer sitzen, damit hatte er in den letzten Tagen schon zu oft seine Zeit verbracht. Er schauderte, als er nach draußen trat, und vergrub seine Hände in den Jackentaschen. Die Sonne schien und es war eisig kalt, doch es hatte schon seit ein paar Tagen nicht mehr geschneit. Mariku hoffte, dass der Frühling nicht mehr allzu lange auf sich warten ließ. Er mochte die Kälte einfach nicht. Mariku schirmte seine Augen mit der Hand vor der Sonne ab. Es war ein angenehmes Gefühl die Sonnenstrahlen auf seiner Haut zu spüren. Er ließ das Therapiegespräch noch einmal Revue passieren: es war hauptsächlich um das Telefonat mit Bakura gegangen. Seine Ärztin war der Überzeugung, dass es ein großer Schritt war, dass er bereit war, trotz seiner Gefühle, auf Malik zu verzichten und ihm den Abstand geben wollte, den er brauchte. Mariku ballte seine Hände zu Fäusten. Er selbst war sich darüber nicht so sicher. Jetzt konnte er viel sagen, doch wie würde es sein, wenn er Malik wieder gegenüberstand? Was, wenn seine Gefühle ihn erneut übermannten? Er traute sich nicht und er konnte seine Gefühle auch nicht einfach abschalten. Er hatte noch nie für jemanden so empfunden wie für Malik. Nicht für Ren und auch nicht für Bakura. Unterbewusst strich er sich über den linken Unterarm. Die Narben würden ihn immer daran erinnern, dass man nicht leichtfertig mit den Gefühlen anderer umgehen sollte. War er jetzt in Rens Situation? Er hatte ihn weggestoßen, wie Malik ihn jetzt weggestoßen hatte, aber für ihn gab es Hilfe. Ren hatte niemanden gehabt. Mariku biss sich auf die Unterlippe. Die Schuldgefühle würden ihn nie loslassen. Schon damals hatte Bakura versucht ihm einzureden, dass es nicht seine Schuld war. Mariku lächelte. Bakura wollte immer alles Übel von ihm abwenden, dabei war Mariku es gewesen, der geschworen hatte Bakura zu beschützen: „Geh nicht weg“, sagte Bakura und krallte seine Finger in Marikus Pullover. „Niemals. Ich bin immer da, versprochen.“ Er legte seine Arme um Bakura und drückte ihn an sich. Bakuras Körper zitterte und er vergrub sein Gesicht in Marikus Pullover. „Ich hab Angst“, flüsterte er. „Ich beschütz dich“, erwiderte Mariku leise und strich ihm über den Kopf. „Außerdem ist hier gar nichts vor dem du Angst haben musst. Du bist in Sicherheit.“ Seit sich Bakura Mariku etwas geöffnet hatte, verbrachten sie jede freie Minute miteinander. Sie sprachen nicht viel miteinander bzw. Bakura sprach nicht viel, sondern hörte zu, wenn Mariku ihm Geschichten erzählte. Es war auch nicht so, als hätte Bakura etwas zu erzählen. Er wollte nie wieder über das reden, was passiert war. Deshalb hörte er lieber zu, wenn Mariku von seinem Leben vor dem Internat erzählte oder sich eine wilde Geschichte ausdachte. Es hatte ihm noch nie jemand Geschichten erzählt, deshalb war es für ihn etwas Besonderes, wenn Mariku es tat. Bakura drückte sich gegen Mariku und entspannte sich etwas. Allein Marikus Nähe half seine Panikattacken zu unterdrücken. Manchmal jedoch war Mariku auch der Auslöser. Bakura begann sich wohl bei ihm zu fühlen und das machte ihm Angst. Er hatte Angst Mariku zu vertrauen und gleichzeitig hatte er auch Angst, dass Mariku plötzlich wieder verschwand. Er war der Einzige, den er hatte. Mariku küsste Bakuras Stirn und Bakura stieß Mariku mit aller Kraft von sich. Mariku gab einen überraschten Laut von sich und fiel rückwärts von der Bank. „Au!“ Er rieb sich das Steißbein. Bakura drückte seine Hände auf die Stelle, wo Mariku ihn geküsst hatte. Er starrte ihn mit großen Augen an. „Warum hast du das getan?“, fragte er atemlos. „Ich wollt dich nur beruhigen.“ Mariku rappelte sich hoch. „War das falsch?“ „Mach das nie wieder.“ „Schon okay, tut mir Leid“, murmelte Mariku und senkte den Blick. Er hatte Bakura nicht erschrecken wollen. Er presste die Lippen aufeinander und spannte seinen Körper an. Warum machte er nur immer alles falsch? „Hasst du mich jetzt?“ Bakura rutschte vorsichtig näher und legte seine Hände auf Marikus. Er wollte nicht, dass er sich wegen ihm schlecht fühlte. „Nein, ich mag dich.“ Bakura schluckte. Er hatte diese Worte schon lange nicht mehr ausgesprochen und sie ernst gemeint. „Ich wollt dir keine Angst machen.“ Mariku drehte sich weg und zog die Beine an. „Ich mach immer alles falsch.“ Bakura sah Mariku unsicher an. Er hatte ihn bisher noch nie niedergeschlagen erlebt und wusste nicht, wie er sich zu verhalten hatte. Sonst war es immer Mariku gewesen, der sich um ihn gekümmert hatte. Er schlang seine Arme um Mariku, weil das immer das war, das Mariku tat, wenn seine Panikattacken kamen. „Es ist nur“, er zögerte, „wenn man mich küsst, dann bekomm ich Angst.“ Mariku hob überrascht die Augenbrauen. „Wieso?“ Bakura zuckte zusammen. Eine Antwort gab er nicht. Er wollte nicht, dass Mariku erfuhr, was mit ihm passiert war. Was, wenn er ihn dann abstoßend fand? Was, wenn er dann nicht mehr sein Freund sein wollte? „Ist okay.“ Mariku legte seine Hände auf Bakuras und strich mit seinen Daumen darüber. „Du musst es mir nicht sagen.“ Er löste sich aus Bakuras Umarmung und drehte sich wieder zu ihm um. Er lächelte. „Ist nicht schlimm.“ „Wirklich?“, fragte Bakura unsicher nach. „Klar, ich muss auch nicht alles wissen.“ Das Lächeln wandelte sich in ein Grinsen. „Denk nicht mehr drüber nach. Wollen wir essen gehen?“ Er stand auf und hielt Bakura seine Hand hin. Es war für Mariku zur Gewohnheit geworden, das er die Hälfte der Nacht wach lag und aufpasste, dass Bakura ruhig schlief. Es hatte keine Probleme damit wachzubleiben. Es gab nur selten eine Nacht, die er auch wirklich durchschlief. Lieber saß er bei Bakura auf dem Bett und passte auf, dass er nicht zu schlecht träumte. Er wollte nicht, dass er wieder schreiend aufwachte. „Du solltest schlafen“, murmelte Bakura und tastete mit seiner Hand über die Matratze. Mariku ergriff sie. „Du bist wach? Hab ich dich geweckt?“ Bakura schüttelte nur den Kopf. „Ich hab noch gar nicht wirklich geschlafen.“ „Böse Erinnerungen?“ Bakura nickte und rutschte näher an Mariku. Er legte seinen Kopf neben seinen Schenkel. „Willst du dich nicht hinlegen?“ „Ist das okay für dich?“ Seit Bakura auf ihn losgegangen war, fragte er immer vorher um Erlaubnis. Er wollte kein Grund für eine von Bakuras Panikattacken sein. Es hatte ihm Angst gemacht, weil er immer fürchtete Bakura wieder zu verlieren. Er wollte sein Freund sein. Für immer. Zu Marikus Erleichterung nickte Bakura und Mariku legte sich auf die Matratze. Zögernd nahm er Bakura in die Arme. „Ich bin froh, dass du da bist“, flüsterte Bakura. „Du musst mir nicht danken“, erwiderte Mariku und strich seinem Freund über den Rücken. „Du bist mir wichtig.“ „Wichtig?“ Bakura sah auf, doch in der Dunkelheit konnte er Marikus Gesicht nicht sehen. Es kribbelte in seinem Bauch und sein Herz schlug etwas schneller, doch es war kein Gefühl der Panik. „Natürlich! Du bist wie meine Familie“, erklärte Mariku mit energischer Stimme. „Nur besser.“ Bakura spannte unruhig seinen Körper an. Es hatte ihn noch nie jemand als seine Familie bezeichnet. „Familie“, murmelte Bakura. Er legte seine Hände auf Marikus Brust und krallte seine Finger leicht in den Stoff des Shirts. Er hatte nie verstehen können, wie Mariku immer so optimistisch sein konnte, doch gerade keimte etwas in Bakura auf, dass er schon lange nicht mehr gespürt hatte: Glück. Er war glücklich bei Mariku zu sein und von Tag zu Tag gewann er mehr Vertrauen zu ihm. Mariku würde ihm nicht wehtun. Niemals. Für Mariku war er wertvoll, ein Freund... Familie. Sein ganzes Leben war er nur Abschaum gewesen, ein ungewolltes Kind, von einem zum anderen geschoben und schließlich allein gelassen und vergessen. Er bewunderte Mariku. Er war immer stark und schien sich von nichts unterkriegen zu lassen, obwohl er selbst keine angenehme Kindheit gehabt hatte. Wenn Mariku davon erzählte, dann lachte er immer, doch Bakura hatte den Schatten, der sich dann über sein Gesicht legte, sehr wohl bemerkt. Das Lächeln erreichte nie seine Augen. Trotz allem wünschte sich Bakura wie Mariku zu sein. Genauso stark. Er wollte nicht mehr schreien, wenn Menschen ihn anfassten. Er wollte nicht mehr zusammenzucken, wenn man ihn ansprach. Unbewusst fing er an zu zittern. „Alles in Ordnung?“, fragte Mariku leise. Bakura beruhigte sich etwas. Mariku war immer besorgt um ihn. Er wollte nicht, dass das so weiterging. Mariku sollte sich keine Sorgen mehr um ihn machen müssen. „Es geht mir gut“, antwortete Bakura. „Du bist bei mir, deshalb geht’s mir gut.“ Nur ganz leicht hoben sich seine Mundwinkel. Es war eine ungewohnte Bewegung. Wann hatte er das letzte Mal wirklich gelächelt? Bakura atmete tief durch. Plötzlich war es, als wäre ein Stück der Anspannung von ihm abgefallen. Bakura rutschte nach oben, sodass er mit Mariku auf Augenhöhe war. Er streckte sich leicht und gab Mariku einen Kuss auf die Stirn, wie Mariku es zuvor schon bei ihm getan hatte. Marikus Augen weiteten sich vor Überraschung und er berührte seine Stirn, nachdem Bakura seinen Kopf wieder zurück gezogen hatte. Mariku lächelte breit. Er drückte Bakura an sich und Bakura erwiderte die Umarmung. Noch nie hatte Mariku etwas glücklicher gemacht als diese kleine Geste. „Lächeln steht dir echt gut.“ Bakura hob überrascht die Augenbrauen und legte sich eine Hand auf den Mund. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er gelächelt hatte. Inzwischen erwischte er sich jedoch immer öfter dabei. Das letzte Jahr war das Schönste seines bisherigen Lebens gewesen. Mariku hatte ihm gezeigt, wie großartig die Welt sein konnte. Er reagierte nicht mehr so empfindlich auf andere Menschen, doch fühlte sich in ihrer Gegenwart immer noch unwohl. Nur bei Mariku konnte er ganz er selbst sein. „Du bist viel hübscher, wenn du das machst.“ Bakura hatte schon oft gehört, dass er hübsch sei, aber aus den Mündern der Männer hatte es nie einen Wert für ihn gehabt. Er hatte sich dadurch viel eher hässlich gefühlt. Doch wenn Mariku ihn hübsch nannte und ihn dabei breit anlächelte, dann fühlte er sich auch so. Verlegen strich sich Bakura eine Strähne zurück. Mariku nahm seine Hand und küsste sie. Selbst Marikus Küsse störten ihn nicht mehr. Er genoss sie sogar. Er selbst hatte Mariku nicht mehr geküsst seit der einen Nacht, aber dadurch schien sich eine Blockade in ihm gelöst zu haben. Seine Vergangenheit wurde langsam zu dem, was sie war: Vergangenheit. Er hatte jetzt eine Zukunft und er hatte Mariku. Mariku hatte sogar schon Pläne geschmiedet, dass sie nach der Schule eine gemeinsame Wohnung hatten. Bakura gefiel der Gedanke. Er konnte sich nicht vorstellen je wieder von Mariku getrennt zu sein. Und er bemerkte auch, wie Marikus Art sein ganzes Wesen beeinflusste. Er wurde mutiger, stärker und stotterte schon fast gar nicht mehr. Doch trotz seiner Fortschritte und dem Wissen, dass seine Vergangenheit vergangen war, schwebte sie wie ein dunkler Schatten über ihm. Bakura sah Mariku an. Er lag im Gras und hatte die Arme von sich gestreckt. Ob er es Mariku erzählen sollte? Seine Kehle schnürte sich zu. Was, wenn Mariku ihn dann wirklich nicht mehr mochte? Er wollte es ihm sagen, denn er kannte auch Marikus Geschichte. Er wollte nicht, dass ein Geheimnis zwischen ihnen stand. Bakura senkte den Blick und Mariku setzte sich auf. „Was ist los?“ „Ich hab Angst“, flüsterte Bakura. Mariku berührte sanft sein Gesicht und zwang Bakura ihn anzusehen. Sein Daumen streichelte über die weiche Haut. Es fiel Bakura schwer zu glauben, dass Mariku an einer Krankheit litt, die ihn aggressiv und unbeherrscht machte. Auch, wenn er es selbst schon erlebt hatte, wie Mariku ausgeflippt war. Damals hatte er Angst vor Mariku gehabt und war vor ihm weggelaufen, auch wenn nicht er es gewesen war, den Mariku angegriffen hatte. „Was ist denn?“ Die Besorgnis in Marikus Blick machte es Bakura schwer weiterzureden. „Aber vielleicht hasst du mich dann.“ Bakuras Stimme war nicht mehr als ein Wispern. Selbst Mariku hatte Probleme ihn zu verstehen. „Ich würd dich nie hassen. Nie!“ Unsicher sah Bakura Mariku. „Versprichst du es?“ „Ja, natürlich.“ Mariku lächelte und strich mit den Fingerrücken über Bakuras Wange. „Meine Vergangenheit.“ Überraschung zeichnete sich deutlich auf Marikus Gesicht ab. Bakura hatte noch nie davon gesprochen. Etwas Schlimmes war mit ihm passiert, dass wusste Mariku, und er hatte nie nachgefragt. Bakura legte seine Hand auf Marikus und zog sie von seiner Wange. Er hielt sie mit beiden Händen fest und drückte sie. „Sie war...“, er fand kein Wort um es zu beschreiben. Jedes Wort war zu schwach für die Gräuel, die er erlebt hatte. Er räusperte sich und suchte einen anderen Anfang. „Sie haben mich angefasst.“ Seine Stimme brach. Er konnte es nicht erzählen. Die Erinnerungen fluteten sein Gehirn. „Sie haben mich angefasst“, wiederholte er. Schon jetzt fühlte er sich, als müsste er sich übergeben. Mariku machte den Ansatz etwas zu sagen. Er wollte nicht, dass sich Bakura so quälte, doch Bakura legte sich die Finger an die Lippen und brachte Mariku damit wieder zum Schweigen. „Ich bin doch nur ein Kind.“ Die Dämme brachen und unter Weinen und Schluchzen erzählte er Mariku alles. Er ließ nicht zu, dass Mariku ihn umarmte. Allein durch das Erzählen fühlte er sich wieder schmutzig und wertlos. „Ich dachte, er liebt mich.“ Bakura bedeckte sein Gesicht mit seinen Händen. Er sagte nichts mehr, schluchzte nur noch. Mariku starrte ihn wortlos an und versuchte zu verarbeiten, was er gerade gehört hatte. Er spürte eine unsägliche Wut in sich aufsteigen und ballte seine Hände zu Fäusten. Er wollte diesen Männern wehtun, wie sie Bakura wehgetan hatten. In Marikus Ohren klangen Schreie wider. Er hörte Flehen und Betteln und unterdrückte den Impuls sich die Ohren zuzuhalten. Was Bakura ihm erzählt hatte, war ihm nicht fremd. Er hatte das schon selbst gesehen, aber noch viel öfter gehört. Dort, wo er gelebt hatte, war das fast schon normal gewesen. Er hatte lange nicht verstanden, was es bedeutete. Das Bakura das durchgemacht hatte, machte ihn rasend. Mariku schlug mit seinen Fäusten auf die Erde und Bakura zuckte zusammen. Er sah Mariku an, dessen Gesicht vor Zorn verzerrt war, und fürchtete sich vor ihm. Wie immer, wenn Mariku wütend wurde. „Das ist unverzeihlich.“ Marikus Stimme war ganz leise und bebte vor Wut. „Ich werd sie alle finden und umbringen!“ „Sag das nicht.“ „Warum nicht?“ Mariku sah Bakura an und dieser rutschte unbewusst etwas von ihm weg. „Sie haben’s verdient! Sie haben noch viel Schlimmeres verdient.“ Diesmal war seine Stimme laut. „Ich werd sie alle umbringen.“ Mariku stand auf, als wollte er gleich zur Tat schreiten. „Die sind das nicht wert.“ „Aber du bist es wert.“ Bakura griff nach Marikus Fäusten und hielt sie fest. „Lass gut sein, es ist vorbei. Er ist tot und ich bin jetzt hier, alles andere ist nicht mehr wichtig.“ Marikus Fäuste öffneten sich und Bakura verschränkte ihre Finger miteinander. Mariku sah auf seine Hände. Selbst heute überkam ihn manchmal immer noch der Wunsch diese Männer zu finden. Er wollte solange auf sie einschlagen bis ihre Gesichter nur noch Matsch waren. Mariku spannte seine Arme an und Wut kochte in ihm hoch. „Mariku!“ Mariku sah auf und sein Körper entspannte sich etwas. Valentine stand an der Tür und hatte die Arme um sich gelegt. „Komm rein, du erkältest dich noch.“ „Ich komm gleich.“ Die Freundschaft zu Bakura hatte nicht nur diesem geholfen, auch Mariku hatte sich Dank ihr anders entwickelt. Bakura hatte ihn oft zurückgehalten oder beruhigt, wenn er wieder kurz vor einem Wutanfall gestanden hatte. Er hatte gelernt sich zu kontrollieren und das Wut nicht die Lösung war. Mariku klopfte sich den Schnee von den Schuhen und zog den Reißverschluss seiner Jacke auf. Sie Beide hatten Stärke durch den jeweils anderen gewonnen. Mariku lächelte, als er an Bakuras Entwicklung dachte. In knapp zwei Jahren hatte er sich von einem verschreckten Kind zu einem selbstbewussten Jugendlichen entwickelt, der sich von niemandem mehr einschüchtern ließ. Er warf seine Jacke über den Stuhl und legte sich aufs Bett. Mariku verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte an die Decke. Es war sogar Bakura gewesen, der schließlich den ersten Schritt getan hatte. „Hattest du schon mal Sex?“ Die Frage kam so überraschend, dass Mariku der Stift aus der Hand fiel. Er starrte Bakura an, unsicher was er antworten sollte. Er hatte im letzten Sommer, dem ersten, den sie in unterschiedlichen Pflegefamilien verbracht hatten, Gefallen an Sex gefunden, doch Bakura aufgrund von dessen Vergangenheit nichts davon erzählt. Mariku schluckte und nickte schließlich zögernd. „Mit wem?“ Bakura klang mehr neugierig als schockiert. Unruhig rutschte Mariku auf seinem Stuhl vor und zurück. „Einem Jungen aus der Pflegefamilie.“ Irgendwie war es ihm unangenehm mit Bakura darüber zu reden und das lag nicht nur an dessen Vergangenheit. Vielleicht, weil er sich seitdem immer öfter vorgestellt hatte mit Bakura zu schlafen? „Wie war’s?“ Mariku zuckte mit den Schultern. „Ganz gut.“ „Hat’s wehgetan?“ „Mir nicht.“ Mariku sah aufs eine Füße und wackelte mit den Zehen. „Dem anderen anfangs ein bisschen, denk ich.“ Bakura stellte keine weiteren Fragen mehr, sondern streckte ich auf seinem Bett aus und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Mit einem mulmigen Gefühl hob Mariku den Stift wieder auf. Er hatte Angst, das Bakura jetzt Schlechtes über ihn dachte. Er starrte seine Hausaufgaben an, sah sie jedoch gar nicht richtig. „Magst du ihn?“ Klappernd fiel der Stift erneut auf den Boden und Mariku drehte sich um. Bakura lag immer noch auf dem Bett und sah an die Decke. Er hatte ein Bein aufgestellt, das andere über sein Knie gelegt und wippte mit dem Fuß. „Ein bisschen.“ Wieder Schweigen, doch Mariku ließ Bakura nicht aus den Augen. Er war nervös und das Herz schlug ihm bis zum Hals. „Mehr als mich?“ „Nein.“ Die Antwort kam ohne zu zögern. Er würde nie jemanden mehr mögen als Bakura. Bakura ließ sein Bein von seinem Knie rutschen und richtete seinen Oberkörper leicht auf. Er stützte sich auf seinen Unterarmen ab. Seine Wangen waren gerötet und er sah Mariku an, doch als er zu sprechen begann, wandte er den Blick ab: „Würdest du mit mir auch... du weißt schon...“ Er presste für einen Moment die Lippen aufeinander. „... Sex haben?“ Mariku öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder. Er starrte Bakura einfach nur an und wusste nicht, was er ihm antworten sollte. Es passierte selten, dass ihm die Worte fehlten. „Ach, vergiss es einfach.“ Bakura ließ sich wieder auf die Matratze sinken und legte einen Arm über seine Augen. „Das war dämlich.“ „Ja, nein... ich meine, ja... nein, nein.“ Mariku schüttelte den Kopf als Versuch seine Gedanken zu ordnen. „Es war nicht dämlich.“ Bakura drehte den Kopf und hob seinen Arm leicht an, damit er Mariku ansehen konnte. „Und ich würd’s mit dir machen, also, wenn du das willst.“ „Willst du denn auch?“ Mariku nickte und Bakura setzte sich auf. Er lächelte verlegen. „Okay. Jetzt?“ „Jetzt?“ „Ist das zu früh?“ „Nein, denk nicht, es ist nur sehr... überraschend.“ Bakura senkte den Blick und rieb seine Hände aneinander. „Ich weiß, aber ich hab in letzter Zeit öfter drüber nachgedacht und du bist der einzige, dem ich vertraue.“ Mariku stand auf und setzte sich zu Bakura aufs Bett. „Ich bin nur ziemlich nervös.“ „Ich auch“, gestand Mariku. Er streichelte Bakura über die Wange und beugte sich vor um ihn zu küssen. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich küssten, doch diesmal war es anders. Bakura legte seine Arme um Mariku und ließ sich wieder auf die Matratze sinken. Mariku zog er dabei mit sich. Er streichelte ihm durch die Haare und rieb seine Zunge gegen Marikus. Er kannte das Gefühl, aber diesmal genoss er es und hatte auch keine Angst. Es kribbelte sogar in seinem Bauch. Marikus Hand strich an seinem Shirt nach unten und fuhr unter den Stoff. Als Bakura daraufhin zusammenzuckte, unterbrach Mariku den Kuss. „Wenn’s dir zu viel wird, dann sag Bescheid, ja?“ Bakura nickte. „Es ist nur so lange her, seit mich jemand so angefasst hat.“ „Es hat dich noch nie jemand so angefasst.“ Mariku strich ihm die Haare zurück. „Nicht so, wie ich es tue.“ Er küsste Bakura wieder und ließ langsam seine Hand nach oben wandern. Er streichelte Bakuras Brust und berührte seine Brustwarzen nur mit den Fingerspitzen. Bakura schauderte. Mariku wusste selbst nicht so genau, ob er es richtig machte. Er wiederholte nur, was er gesehen und mit dem anderen Jungen ausprobiert hatte. Er schob Bakuras Shirt höher und ihr Kuss löste sich nur für einen kurzen Moment, damit Mariku ihm das Oberteil ausziehen konnte. Bakuras Hände wanderten zögernd über Marikus Rücken und zogen an dessen Shirt. Leicht keuchend sahen sich die Freunde an, bis Mariku seinen Blick senkte um Bakuras Körper zu mustern. Er küsste Bakura Stirn und richtete sich auf um sich sein eigenes Shirt auszuziehen. Mariku strich über Bakuras Bauch bis hinauf zu seiner Brust, dann langsam wieder nach unten. Bakura bekam eine Gänsehaut und Mariku zog seine Hand wieder zurück. „Wär’s dir lieber, wenn du oben wärst?“ Doch Bakura schüttelte den Kopf. Er wusste nicht, wie es richtig ging und wollte sich vor Mariku nicht blamieren. Als Mariku seine Hose aufknöpfte, atmete er tief durch um die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Er musste keine Angst haben, Mariku würde ihm nicht wehtun. Mariku zog seine Hose aus und fuhr am Bund seiner Shorts entlang. „Bist du wirklich sicher?“ Bakura nickte schnell, bevor er es sich anders überlegen konnte. Er wollte es und wenn es nicht mit Mariku passierte, dann würde es nie passieren. Bakura zuckte zusammen, als Marikus Finger in seine Shorts fuhren. Sein Körper verkrampfte sich und Mariku zog die Hand zurück. Er setzte sich auf. „Lass uns lieber noch warten.“ „Nein“, widersprach Bakura und schüttelte heftig den Kopf. Er setzte sich ebenfalls auf und legte seine Hände auf Marikus. „Bitte Mariku.“ Er küsste ihn kurz. „Hör nicht auf.“ Wieder ein Kuss. „Bitte.“ Er strich ihm durch die Haare, dann zog er sich ganz aus. Es war ein seltsames Gefühl sich wieder jemandem nackt zu zeigen und sein Körper hatte sich verändert, er war jetzt kein Kind mehr, doch trotzdem schämte er sich nicht vor Mariku. Mit geweiteten Augen betrachtete Mariku Bakuras Körper kurz, dann senkte er den Blick. Seine Wangen brannten und sein Herz raste. Bakura gefiel ihm viel besser als der Junge aus den Sommerferien. Trotzdem konnte er sich nicht rühren, geschweige denn Bakura anfassen. Er krallte seine Finger in den Stoff seiner Hose. „Mariku.“ Bakura strich ihm über die Wange und küsste sanft seine Lippen. „Willst du mich denn nicht?“ „Doch“, erwiderte Mariku leise. „Es ist nur... ich bin so aufgeregt.“ Bakura lächelte und ließ seine Finger über Marikus Brust nach unten wandern. Er öffnete seine Hose und berührte das harte Glied durch den Stoff seiner Shorts. Mariku keuchte und schloss die Augen. Ihm lief es heiß und kalt den Rücken hinunter, während Bakura weiter seine Erregung rieb. Bakura wusste genau, was er zu tun hatte. „Warte“, keuchte Mariku schließlich und hielt Bakuras Hand fest. Er zog sich seine eigene Hose aus und drückte Bakura auf die Matratze zurück. „Ich will, dass du dich auch gut fühlst.“ Sie küssten sich und Mariku umfasste Bakuras Glied. Langsam glitt seine Hand daran entlang. Bakura fühlte sich seltsam. Ein Teil von ihm wollte die Schenkel zusammenpressen und Mariku von sich stoßen, doch diese Stimme wurde immer leiser und leiser, je länger Mariku ihn streichelte. Es kribbelte in seinem Unterleib und ihm wurde heiß. Sein Körper reagierte auf Marikus Berührungen und sein Glied richtete sich auf. Bakura keuchte unterdrückt. Mit zittrigen Fingern strich er an Marikus Körper hinunter bis er seine Erektion erreichte und es ihm nachtat. Stöhnend löste Mariku den Kuss und sah nach unten um Bakuras Berührungen zu beobachten. Ihm gefiel es, wie sich Bakuras helle Haut von seiner dunklen abhob. Doch Mariku ließ von Bakuras Erektion ab und auch Bakura stoppte. Unsicher sah er Mariku an. „Was ist? Hab ich was falsch gemacht?“ „Nein, nicht doch, aber ich will jetzt, du weißt schon... richtig... ähm...“ Er schluckte und wusste nicht, wie er weiterreden sollte. „Oh, okay.“ „Gut, ich hol schnell was.“ Er ging zum Schrank und holte seine Tasche hervor. Darin lag das Gel, dass er und der andere Junge verwendet hatten. Er kam ans Bett zurück und schraubte die Tube auf. „Was ist das?“, fragte Bakura. „Gleitgel“, erklärte Mariku. „Damit tut’s nicht so weh.“ „Oh, das ist gut.“ Mariku kniete sich mit einem Bein zwischen Bakuras Beine und trug das Gel auf seine Finger auf. Bakura zuckte zusammen, als Mariku einen Finger gegen seinen Eingang drückte. Das Gel war kühl und er war nervös. Langsam glitt Marikus Finger in ihn und Mariku ließ dabei Bakuras Gesicht nicht aus den Augen. Er würde sofort aufhören, wenn er musste. „Wie ist es?“, fragte Mariku, als sein Finger in Bakura versunken war. „Ganz okay.“ Bakura war überrascht, dass es nur ein wenig ziepte. Er war Schmerzen gewohnt, die ihm das Gefühl gaben, er wurde auseinandergerissen. Marikus Finger war nichts im Vergleich dazu. Behutsam begann Mariku seinen Finger zu bewegen, und als er merkte, wie entspannt Bakura war, nahm er noch einen zweiten hinzu. Bakura schloss die Augen. Er hätte nie gedacht, dass er das einmal genießen würde. Leise stöhnend krallte er seine Finger ins Laken. „Ist das schön?“ Bakura nickte schnell. „Es tut gar nicht weh“, flüsterte er. Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber die leichten Schmerzen kamen kaum gegen die angenehmen Gefühle an, die seinen Körper fluteten. Mariku lächelte. Es freute ihn das zu hören und es gab ihm Mut. Er griff erneut nach dem Gel und rieb sein Glied damit ein, anschließend zog er seine Finger zurück. Bakura hob seine Beine und winkelte seine Knie an. Er war so aufgeregt, dass er fast nicht atmen konnte. Mit großen Augen beobachtete er, wie sich Mariku an seinem Hintern positionierte. In seinem ganzen Körper kribbelte es und es wunderte ihn, dass er nicht zitterte wie Espenlaub. Mariku sah ihn an und Bakura bedeckte sein Gesicht mit seinen Händen. Irgendwie schämte er sich jetzt doch. Er schnappte überrascht nach Luft, als Mariku Stück für Stück in ihn eindrang. Mariku nahm Bakuras Hände und zog sie von seinem Gesicht. Mariku lächelte seinen Freund an und beugte sich dann hinunter um ihn zu küssen. Bisher war er nur mit der Spitze in Bakura eingedrungen, doch es fühlte sich jetzt schon wundervoll an. Mariku bewegte die Hüfte in kurzen Stoßbewegungen und mit jedem Stoß drang er tiefer in Bakura ein. Dabei legte er stöhnend den Kopf in den Nacken. Mariku stützte sich auf der Matratze ab. „So gut“, stöhnte Mariku und presste seine Lippen auf Bakuras. Seine Zunge drang in seinen Mund ein und Bakura legte seine Arme um Mariku. Marikus Stöße wurden schneller und auch härter. Bakuras Finger fuhren in Marikus Haare und krallten sich in ihnen fest. So viele unterschiedliche Gefühle tobten in seinen Körper, dass er nicht beschreiben konnte, wie er sich fühlte. „Mehr“, keuchte er und stöhnte zufrieden. Es war so gut mit Mariku. Er hatte nie erwartet, dass Sex so schön sein konnte. Mariku fasste zwischen ihre Körper und begann Bakuras Erregung zu reiben. Ihm schwirrte der Kopf und all seine Sinne waren auf Bakura konzentriert. Er liebte Sex und er liebte Sex mit Bakura. Mariku biss sich auf die Unterlippe um sein Stöhnen zu dämpfen. Er legte den Kopf zurück und wartete bis sich sein Atem wieder beruhigt hatte. Hatte er sich wirklich gerade zu dieser alten Erinnerung einen runtergeholt? Er sah nach unten und grinste. Er hatte lange nicht mehr daran gedacht und konnte kaum fassen, dass das erst ein paar Jahre her war. Es kam ihm vor wie ein halbes Leben. Sie waren beide noch so unerfahren und ängstlich gewesen. Es war unglaublich, wie sie sich verändert hatten. Seitdem hatten Bakura und er oft Sex gehabt. Sie waren schnell experimentierfreudig geworden und Bakura hatte gelernt, den Sex so zu genießen wie Mariku es tat. Nur war Mariku der einzige, mit dem Bakura Sex gehabt hatte, während sich Mariku auch gerne mit anderen amüsiert hatte. Damals war es irgendwie einfacher gewesen. Und dann kam Ren. Das Grinsen verschwand von Marikus Gesicht. Dann Ryou und schließlich Malik. Er wischte sich die Hand sauber und versuchte die Flecken aus der Bettdecke zu reiben. Er wünschte sich die alte Zeit zurück, als nur Bakura und er wichtig gewesen waren. Mariku legte sich auf den Bauch und vergrub sein Gesicht im Kissen. Würde er je wieder so glücklich sein wie damals? Kapitel 17 Unruhig wippte Mariku mit dem Fuß. Er war einerseits froh, dass er wieder zurück ins Internat kam, doch andererseits machte er sich Sorgen. War er wirklich bereit Malik wieder gegenüber zu treten? Er spürte Bakuras Blick auf sich ruhen, doch er sah seinen Freund nicht an. Er hätte sich gewünscht, Bakura wäre nicht mitgekommen um ihn abzuholen. Mariku beobachtete die vorbeiziehende Landschaft. Es hatte endlich angefangen wärmer zu werden, doch der Schnee war immer noch überall. Als das Schulgebäude in Sicht kam, war Mariku so nervös wie schon lange nicht mehr. Obwohl es im Auto angenehm warm war, fror er. Wie würde Malik auf ihn reagieren? Wie würde er auf Malik reagieren? Er hatte sich vorgenommen, sich bei ihm zu entschuldigen. Er würde sich entschuldigen und dann würde er ihn in Ruhe lassen. Auch wenn ihm allein schon der Gedanke daran schwerfiel. Malik konnte kaum ruhig sitzen. Er war so aufgeregt, dass ihm schlecht war. Von Ryou hatte er erfahren, dass Mariku zurückkommen würde. Malik hatte keine Ahnung, wie er sich ihm gegenüber verhalten sollte. Ob Mariku ihm auch die Schuld gab? Malik biss sich auf die Unterlippe. Am besten wäre es, wenn er Mariku einfach aus dem Weg ging. Alles wäre besser, wenn sie nichts mehr miteinander zu tun hatten. Er konnte seine Zeit mit Jonouchi und Honda verbringen und ganz normal sein. Mit den beiden war es fast wie mit seinen alten Freunden. Malik hob die Augenbrauen, als ihm einfiel, dass momentan Bakura in Marikus Bett schlief. Würde er zurückkommen? Er konnte nicht glauben, dass Bakura sich wieder ein Zimmer mit ihm teilen würde. Würde stattdessen Ryou zu ihm kommen? Malik fuhr sich durch die Haare. Die Warterei machte ihn wahnsinnig. Er wollte es endlich hinter sich bringen. „Malik?“ Malik sah zu Ryou auf. „Sie sind da. Willst du mitkommen?“ Malik schüttelte den Kopf. Mit einem Mal fühlte sich seine Kehle wie zugeschnürt an. „Sicher?“ „Es ist noch zu früh“, erwiderte Malik leise. Er wollte Mariku sehen, aber jetzt wo es so weit war, hatte er Angst. „Soll ich ihm was von dir sagen?“ Malik öffnete den Mund, doch dann senkte er den Blick und schüttelte den Kopf. Es gab viele Dinge, die er Mariku sagen wollte und alle widersprachen sich. Er musste erst den Kopf freikriegen. Malik ballte seine rechte Hand zu einer Faust. Und sich über seine eigenen Gefühle im Klaren werden. Ryou verzog den Mund, doch sagte nichts mehr. Er wusste, dass Malik Mariku sehen wollte, doch er konnte ihn nicht zwingen mitzukommen. Früher oder später würden sie sowieso aufeinander treffen. Doch als Ryou gegangen war, folgte Malik ihm. Auch wenn er noch nicht bereit war Mariku direkt gegenüber zu treten, wollte er ihn zumindest sehen. Lächelnd stützte sich Ryou auf seine Krücke. Er hätte nie gedacht, dass er sich einmal freuen würde Mariku zu sehen, geschweige denn ihn als Freund zu bezeichnen. Sie hatten sich beide verändert. „Hey“, Mariku legte ihm eine Hand auf den Kopf, „bist du geschrumpft?“ „Du bist ein Idiot.“ Ryou schob seinen Arm weg. „Das macht mich so sympathisch.“ Mariku ließ seinen Blick durch die Halle schweifen. „Er wollte nicht kommen“, erklärte Ryou und Mariku richtete seinen Blick wieder auf ihn. Ein trauriges Lächeln lag auf seinen Lippen. „Schon gut.“ Er schulterte seine Tasche und das Lächeln wandelte sich in ein breites Grinsen. „Lasst uns hier nicht rumstehen. Ich hab Kohldampf.“ Malik hatte sie von der Treppe aus beobachtet und machte sich jetzt auf den Weg in sein Zimmer um nicht entdeckt zu werden. Mariku zu sehen hatte ihm irgendwie gut getan, auch wenn sein Herz ihm jetzt bis zum Hals schlug. Malik ließ sich auf sein Bett fallen und hämmerte mit seinen Handballen gegen seine Stirn. Wenn er sich nicht bald darüber klar wurde, wie er jetzt wirklich für Mariku fühlte, dann würde das kein gutes Ende nehmen. Malik atmete tief durch und ließ die Hände sinken. Wieso war es ihm nur so wichtig, was andere von ihm dachten? Malik setzte sich auf. Er musste mit jemandem darüber reden. Jemand Neutralem. „Kaum ist man mal zwei Wochen nicht da, machst du dich hier breit, das kann ja wohl nicht wahr sein.“ Mariku stellte seine Tasche auf sein Bett und sah Bakura an. „Husch, husch, das ist nicht dein Zimmer.“ Bakura verschränkte die Arme vor der Brust. Im Gegensatz zu Mariku fiel es ihm schwer die Situation so locker zu sehen. „Ich geh zu Malik“, erklärte Ryou, weil er sah, wie unwohl Bakura sich fühlte. Mariku legte einen Arm um seine Schulter. „Nein, tust du nicht.“ Der Ausdruck in seinem Gesicht war ernst geworden. „Bakura geht.“ Bakura seufzte und fuhr sich durch die Haare. „Ja, du hast recht.“ „Natürlich hab ich das.“ Mariku ließ den Arm sinken und setzte sich schwungvoll aufs Bett. „Ich mach Malik keine Vorwürfe und du solltest ihm erst recht keine machen.“ Er sah Ryou an. „Hat’s Bakura dir erzählt?“ „Er wollte erst nicht, aber ich hab ihn gezwungen.“ Mariku sah kurz zu Bakura und dann wieder zu Ryou. „Und Malik?“ „Ich hab ihm natürlich erzählt, was los ist. Du hättest es ihm von Anfang an sagen sollen.“ Vorwurf lag in Ryous Stimme. Mariku strich sich durch den Nacken. „Ja, das hätte ich.“ Er hob überrascht die Augenbrauen, als Ryou sich neben ihn setzte und seine Hände nahm. „Das ist nichts für das du dich schämen musst.“ Mariku zog seine Hände zurück und zuckte mit den Schultern. Er hasste es über dieses Thema zu reden, auch wenn Ryou ihm nur helfen wollte. „Egal jetzt. Ich hab Hunger.“ Malik hatte eine Hand über seine Augen gelegt, während er mit aufgeregt klopfendem Herzen darauf wartete, dass am anderen Ende der Leitung jemand abhob. Unruhig rieb er seine Zunge an seinem Gaumen und zuckte schließlich zusammen, als er Isis‘ Stimme hörte. „Hallo Isis.“ „Malik! Wie schön, dass du anrufst. Geht’s dir gut? Ist alles in Ordnung?“ Malik ließ seine Hand sinken und lächelte. Isis war einfach immer besorgt um ihn. „Es geht mir gut.“ „Lüg mich nicht an.“ Selbst durch’s Telefon konnte er seiner Schwester nichts vormachen. „Tut mir Leid. Es geht mir wirklich nicht gut“, gab er zu und lehnte sich zurück. „Ich brauch deine Hilfe.“ „Natürlich, was ist los?“ Malik biss sich kurz auf die Unterlippe. „Hast du schon jemals irgendwas getan wegen dem dich die Leute schräg angeschaut haben?“ Isis schwieg eine Weile, bevor sie mit gesenkter Stimme weitersprach: „Das erzählst du aber auf keinem Fall deinem Bruder, versprochen?“ „Versprochen.“ „Einmal war ich so betrunken, das ich äußerst peinlich auf einem Tisch getanzt habe. Danach konnte ich niemandem mehr unter die Augen treten.“ Malik lachte, während Isis ihm sagte, dass er damit aufhören sollte. Ihm kamen die Tränen. Es fiel ihm schwer sich das vorzustellen. „Ich war auch mal jung“, sagte Isis schnippisch. „Isis, du bist 22, du bist immer noch jung.“ „Ja...“ Ihre Stimme klang traurig und Malik verging das Lachen. „Manchmal vergess ich das.“ Isis hatte schon früh erwachsen werden müssen. Sie hatte es nie einfach gehabt, hatte aber alles dafür getan, dass zumindest er eine normale Kindheit haben konnte. Malik war ihr sehr dankbar dafür, auch wenn er es nicht oft genug zeigte. „Sowas hab ich aber eigentlich nicht gemeint.“ Er strich sich die Haare zurück. „Eher etwas wofür man dich verurteilen würde.“ „Du hast doch nichts angestellt?“ „Nein, es ist nichts schlimmes, denk ich.“ „Was ist los, Malik?“ Malik atmete tief durch. „Es gibt diesen Jungen, Mariku, ich hab ihn schon mal erwähnt.“ „Ja, als du hier warst. Ich erinnere mich.“ „Er“, Malik zögerte. Er machte sich Sorgen, wie seine Schwester reagieren würde. „Er mag mich.“ Malik machte wieder eine Pause und wartete auf eine Reaktion, doch Isis schwieg. „Und ich mag ihn auch... irgendwie, eigentlich weiß ich gar nicht, wie ich fühlen soll. Ich hab Angst, Isis.“ Er hörte Isis tief durchatmen. „Wieso hast du davor Angst?“ „Ich will nicht, dass die Leute über mich reden oder meine Freunde über mich lachen.“ „Deine Freunde sind sowieso nur ein nichtsnutziger Haufen, ich konnte sie noch nie leiden.“ Malik lächelte. Ja, das war seine Schwester. „Rishid und ich lieben dich, egal was ist. Wir werden dich immer unterstützen.“ Malik verspürte große Erleichterung, als er Isis‘ Worte hörte. Er hätte viel, viel früher mit ihr reden sollen. „Danke.“ „Es ist vielleicht schwer am Anfang, aber du musst es ja auch nicht gleich an die große Glocke hängen und wer wirklich dein Freund ist, wird auch nicht über dich lachen. Tu was dich glücklich macht und kümmere dich nicht darum was Fremde über dich denken.“ „Es ist nur so schwierig und ich weiß nicht, ob ich damit umgehen kann.“ „Hast du jemanden an der Schule mit dem du reden kannst? Vielleicht hat jemand so etwas ähnliches durchgemacht oder jemandem, dem es auch gerade so geht?“ Malik dachte sofort an Ryou. Er war der einzige, mit dem er darüber reden könnte. „Vielleicht gibt es da jemanden.“ „Rede einfach mal mit ihm, es schadet nicht.“ Malik nickte, obwohl Isis das nicht sehen konnte. „Magst du mir von ihm erzählen? Mariku heißt er, ja?“ „Er ist etwas gewöhnungsbedürftig.“ Malik lächelte breit, während er Isis von Mariku erzählte. Manches ließ er jedoch lieber weg. Isis musste nicht wissen, dass sie schon miteinander geschlafen hatten und auch nicht, dass Mariku krank war. Auch, dass er dafür gesorgt hatte, das Mariku ausflippte, verschwieg er lieber. Er erzählte jedoch vom Schlittschuhlaufen und dass sie sich geküsst hatten. Als Malik geendet hatte, wurde ihm bewusst, wie sehr er es wirklich vermisste bei Mariku zu sein und dass er es einfach komplett versaut hatte. Wieso hatte er nicht schon zuhause mit Isis darüber gesprochen? Malik war überrascht Bakura zu sehen, als er in sein Zimmer zurückkam. „Hey“, begrüßte Bakura ihn, vermied es aber Malik anzusehen. „Hey.“ Es war eine seltsame Situation. Sie hatten seit Tagen nicht mehr miteinander gesprochen und beide fühlten sich sichtlich unwohl. Bakura seufzte und sah Malik diesmal an. „Hör zu, ich wollte mich entschuldigen. Ich hätte dir nicht die Schuld geben sollen.“ „Es ist okay. Ich kann dich ja verstehen und es ist teilweise auch meine Schuld. Ich hätte mich anders verhalten sollen.“ Malik strich sich durch den Nacken. „Ich war scheiße zu Mariku und das streit ich auch gar nicht ab.“ „Und ich hab übertrieben. Ich hätte Mariku dazu drängen sollen, dass er dir sagt, was los ist.“ „Also ist es zwischen uns wieder in Ordnung?“ „So irgendwie.“ Bakura spielte mit einer Haarsträhne, während er sprach. „Auch, wenn ich dich lieber nicht in seiner Nähe sehen will.“ Malik erwiderte nichts. Er würde Bakura ganz sicher nichts versprechen. Es war seine Sache. Und natürlich auch Marikus. Mariku war der einzige, der ihm sagen konnte, dass er sich von ihm fernhalten sollte. Malik spürte Marikus Blick auf sich, doch er wusste, wenn er sich umdrehte, dann würde Mariku zur Seite sehen. Allein zu wissen, dass er ihn ansah, machte Malik nervös und es fiel ihm selbst schwer Mariku nicht anzustarren. Er hatte immer noch nicht mit Ryou gesprochen, weil er darauf wartete ihm allein zu begegnen, doch Mariku und Bakura waren ständig in seiner Nähe. Er war eifersüchtig, wenn er die Drei zusammen sah. Er wollte wieder dazu gehören. Als die Schulglocke ertönte, sprang Malik auf. „Ryou!“ Ryou sah Malik an. Seit Mariku zurück war, hatte sie keine Gelegenheit mehr gehabt miteinander zu sprechen. „Was gibt’s?“ „Hast du vielleicht nach dem Abendessen kurz Zeit?“ Malik rieb unruhig seine Hände aneinander. „Es gibt da was, über das ich gern reden würde.“ „Klar“, antwortete Ryou lächelnd. „Wir können uns in der Bibliothek treffen, wenn du willst.“ „Klingt gut, bis später dann.“ „Ich weiß echt nicht, was er an denen findet“, sagte Mariku mürrisch und warf Jonouchi und Honda einen bösen Blick zu. Malik saß mit dem Rücken zu ihm. „Das sind Idioten.“ „Beruhig dich.“ „Ich bin ruhig“, murrte Mariku und wandte seine Aufmerksamkeit wieder auf sein Essen. „Hast du deine Medikamente schon genommen?“ „Nein, Mama.“ Bakura verdrehte die Augen. „Dann mach.“ „Nach dem Essen“, erwiderte Mariku. Er wollte nicht, dass irgendjemand sah, dass er Pillen schluckte. „Ich versteh nicht, wie er mit denen rumhängen kann.“ „Mariku...“ „Er sollte hier sein.“ „Hör endlich auf. Vergiss ihn einfach!“ Mariku schlug mit der Faust auf den Tisch und stieß dabei sein Glas um. Die Augen aller Anwesenden richteten sich auf ihn. „Leck mich, Bakura!“ Für einen Moment kreuzten sich Marikus und Maliks Blicke, dann wandte erst Malik und dann Mariku den Blick wieder ab. Mariku stampfte aus der Halle, während Bakura sich die Haare zurückstrich. „Du solltest aufhören ihm das zu sagen.“ Ryou versuchte die Sauerei auf dem Tisch zu bändigen. „Aber es stimmt.“ Ryou schüttelte den Kopf. „Find ich nicht.“ „Kannst du nicht einmal mit mir einer Meinung sein?“ Ryou beugte sich vor und küsste Bakura. „Nein.“ Malik wartete bereits auf Ryou vor der Bibliothek. „Sorry, Bakura hat mich aufgehalten.“ „Schon okay.“ Gemeinsam betraten sie die Bibliothek und setzten sich an einen Tisch in der Ecke. Sie waren allein. Malik wollte nicht lange um den heißen Brei herumreden, deshalb kam er gleich auf den Punkt: „Woher wusstest du, dass du schwul bist?“ Ryou hob überrascht die Augenbrauen. Im ersten Moment war er von der Frage überrumpelt. Er zog die Stirn kraus. „Naja, ich hab mich in einen Jungen verliebt, da war die Sache dann recht klar.“ „Und wie bist du damit umgegangen?“ „Oh“, Ryou kratzte sich an der Wange, „anfangs war ich echt verwirrt. Es ist nicht so als würde man darüber aufgeklärt werden und Teenager sein ist so schon hart genug.“ Er lachte. „Ich hab lange versucht, es einfach zu ignorieren, aber das ist ein bisschen schwer, wenn der Junge, in den man verliebt ist, direkt vor einem sitzt.“ Ryou senkte den Blick. „Anfangs dachte ich, ich wäre nicht normal. Es gab da dieses Mädchen, Miho, sie war in mich verliebt und jeder dachte, ich spinn, weil ich Nein zu ihr gesagt hab. Und ich dacht’s auch.“ Er sah Malik wieder an. „Papa hat irgendwann gemerkt, dass was nicht stimmt. Erst konnt ich’s ihm nicht sagen, weil ich solche Angst hatte, aber dann hab ich’s nicht mehr ausgehalten. Er hat mir alles erklärt, aber ich hab mich danach nicht besser gefühlt.“ Ryou hielt seine Krücke fest, die auf den Boden zu rutschen drohte. „Ich weiß also ziemlich genau, wie du dich grad fühlst“, fügte er hinzu. Es überraschte ihn schon etwas, das Malik ihn danach fragte, das musste er zugeben, aber es bedeutete auch, dass sich Malik wirklich Gedanken darüber machte. Er kannte die Selbstzweifel, die ihn im Moment plagten, nur zu gut. „Und wann ist es dann besser geworden?“ Ryou lächelte. „Als ich hierher kam. Gut, das erste Jahr war echt hart mit Bakura und Mariku, aber die zwei haben mir auch gezeigt, dass ich doch nicht krank bin.“ „Macht du dir keine Gedanken darüber, was andere über dich denken?“ Ryou zuckte mit den Schultern. „Manchmal, aber im Grunde ist es mir egal. Papa ist für mich da und ich hab jetzt Bakura. Mehr brauch ich gar nicht.“ Er grinste. Nachdenklich lehnte Malik sich zurück. Es war also für Ryou auch anfangs nicht leicht gewesen. Trotzdem half ihm das nicht wirklich weiter. Das war einfach eine Entscheidung, die er für sich selbst treffen musste. Wobei Entscheidung hier das falsche Wort war. Im Grunde war es keine Entscheidung, er fühlte, was er fühlte. Natürlich konnte er sich die nächsten Monate einreden, dass er nichts für Mariku empfand und anschließend versuchen in sein normales Leben zurückzugehen, oder aber... Malik biss sich auf die Unterlippe. Was, wenn es außerhalb des Internats noch mal passierte? „Ich hab’s versaut, oder?“ Ryou sah ihn überrascht an. Er zögerte mit seiner Antwort. „Ich... ich denke nicht unbedingt. Mariku mag dich noch, aber du solltest dir erst mal darüber klar werden, was du willst. Ansonsten nimmt das nämlich kein gutes Ende.“ Malik seufzte. Als ob er das nicht selbst wusste. „Es ist nur so schwierig.“ „Ich weiß sehr gut, wie du dich fühlst. Das war damals für mich ne echt schlimme Zeit und ich hatte niemanden mit dem ich reden konnte.“ Ryou griff nach seiner Krücke und stand auf. „Denk lange und gut über alles nach, aber hör nicht zu sehr auf deinen Kopf.“ Er tippte sich gegen die Schläfe. „Sondern mehr auf das hier.“ Er tippte sich auf die Brust. Malik nickte nur und blieb noch eine Weile sitzen, nachdem Ryou gegangen war. Er genoss die Stille der Bibliothek. Wenn Mariku etwas an seinen Präparaten hasste, dann war es das Kotzen. Es passierte nicht häufig, aber selbst einmal war für Mariku zu viel. Er spülte sich den Mund aus und betrachtete sich anschließend im Spiegel. Er hatte auch schon mal bessere Tage gehabt. Mariku spritzte sich Wasser ins Gesicht und seufzte. Er hasste diese dummen Medikamente. „Willst du das Bad den ganzen Abend blockieren?“ „Hör auf zu meckern, du bist doch grad erst zurückgekommen“, schnauzte er Ryou an und machte keine Anstalten das Bad freizugeben. Er versuchte immer noch den widerlichen Geschmack aus dem Mund zu bekommen. „Du solltest es mit Zähneputzen versuchen.“ „Jaja.“ Mariku griff nach seiner Zahnbürste. „Wo warst du überhaupt?“ „In der Bibliothek.“ „Warum?“ „Was macht man wohl in einer Bibliothek?“ Ryou verdrehte die Augen. Auch wenn er diesmal nicht gelesen hatte. Er wartete bis Mariku sich die Zähne putzte, bevor er weitersprach: „Ich hab mit Malik geredet.“ Marikus Blick richtete sich sofort auf Ryou und hielt in der Bewegung inne. Er wartete darauf, dass Ryou weitersprach, doch das passierte nicht. Mariku spuckte die Zahnpasta aus. „Und?“, hakte er nach. Ryou zuckte mit den Schultern. „Du hast damit angefangen, also rede jetzt oder du brauchst gleich wieder ne zweite Krücke.“ Ryou grinste. „Ich hab keine Angst mehr vor dir.“ „Jetzt sag schon!“ Ryou wusste nicht, ob es wirklich in Ordnung war sich einzumischen, doch es hatte ihm geholfen, als sich Mariku in seine Angelegenheiten gemischt hatte. „Er stellt seine Sexualität in Frage.“ „Die stell ich schon in Frage seit er hier ist.“ Mariku streckte sich auf seinem Bett aus. „Kein Hetero-Kerl küsst so einen anderen Kerl. Niemals.“ Der Gedanke an die Küsse mit Malik sorgte für ein angenehmes Kribbeln in seinem Bauch. Er vermisste sie wirklich. „Ich denke, er bereut, was er getan hat.“ „Was? Sich auf mich einzulassen?“ „Nein.“ Ryou verdrehte die Augen. „Du weißt, dass ich nicht das meine.“ „Und? Was soll ich jetzt machen?“ „Nichts, bedräng ihn nicht, sondern lass ihn zu dir kommen.“ Mariku seufzte. „Denkst du, er mag mich wirklich?“ „Ja.“ „Und warum will er dann nicht mit mir zusammen sein?“ „Für ihn ist das eben nicht so normal wie für dich.“ Mariku sah Ryou kurz an und drehte sich dann auf die Seite. Es stimmte, er hatte sich nie Gedanken über seine Sexualität gemacht. Er hatte sich immer schon zu Männern hingezogen gefühlt und das auch nie in Frage gestellt. War es für Malik wirklich so abwegig gewesen? „Bakura sagt, ich soll mich lieber von ihm fernhalten.“ „Bakura ist ein Idiot.“ Mariku drehte sich zu Ryou um und schmunzelte. „Er macht sich nur Sorgen um mich.“ „Hör trotzdem nicht auf ihn. Du magst Malik, Malik mag dich. Momentan klappt’s zwar noch nicht, aber das wird schon noch.“ „Du hast dich echt verändert.“ „Sagst ausgerechnet du.“ „Du hast mit Ryou geredet, nicht wahr?“ Malik ließ den Kamm sinken. Seine Haare waren noch leicht feucht von seiner Dusche. Obwohl sich Bakura und er wieder einigermaßen zusammen gerauft hatten, war die Stimmung zwischen ihnen immer noch seltsam. Sie redeten nur das Nötigste miteinander. „Ja.“ „Über Mariku?“ „Nicht direkt.“ Er sah wie Bakura für einen Moment missbilligend die Lippen aufeinander presste. „Halt dich von ihm fern.“ Schon wieder dieses Thema. Malik hatte die Schnauze voll. „Ich halt mich von ihm fern, wenn Mariku das will und nicht, wenn du mir das sagst.“ „Aber er liebt dich und das macht ihn kaputt.“ Malik senkte den Blick. „Als ob ich das nicht weiß.“ Er legte den Kamm zur Seite. „Ich will doch auch nicht, dass er... wegen mir...“ Er sprach den Satz nicht zu Ende. „Ich weiß auch, dass ich scheiße zu ihm war. Ich weiß, dass es falsch war.“ Er hatte unbewusst die Stimme gehoben. „Wenn ich könnte, dann würd ich’s ungeschehen machen, aber ich kann nicht.“ Malik sah Bakura an. Konnte er denn nicht verstehen, wie schwer das auch auf ihm lastete? „Es ist für mich auch nicht einfach, okay? Also sei einfach endlich still, weil deine Vorwürfe helfen weder mir noch Mariku.“ Sie starrten sich eine Weile an, bevor Bakura den Blick abwandte. „Tut mir Leid“, flüsterte er. „Mariku ist meine Familie. Ich will nur nicht, dass ihm was passiert.“ „Es ist nicht so, dass ich dich nicht verstehe, aber“, er seufzte. Was sollte er Bakura sagen? „Das überfordert mich einfach alles.“ Ja genau, das war es. Er war überfordert. Von seinen Gefühlen. Von Marikus Gefühlen. Einfach von allem. „Ich weiß nur, dass ich Mariku ganz sicher nicht nochmal wehtun werde und ich werd auch erst wieder mit ihm reden, wenn ich weiß, was ich will.“ Malik zog die Decke über sich. „Gut“, murmelte Bakura und schaltete das Licht aus. Malik drehte sich auf die Seite und schloss die Augen. An Schlafen war jedoch noch nicht zu denken. Er hatte viel zu viel über das er nachdenken musste. Mariku aus dem Weg zu gehen, gestaltete sich jedoch schwieriger als angenommen, denn schon zwei Tage später rannten sie regelrecht ineinander. Sie starrten sich an, unsicher ob sie miteinander sprechen sollten. „Hi“, sagte Malik schließlich. Für mehr reichte seine Stimme nicht. „Hallo.“ Auch Marikus Stimme war dünn und er räusperte sich. Wieder kehrte Stille zwischen ihnen ein und Malik trat von einem Bein auf das andere. Er schaffte es sich, sich zum Weggehen zu bewegen. Es war Mariku, der erneut das Wort ergriff: „Es tut mir leid, was passiert ist. Ich hätte nicht...“ Wieder versagte ihm die Stimme. Malik senkte den Blick. „Mir auch“, sagte er leise. „Ich hab mich falsch verhalten.“ „Ich geb dir keine Schuld.“ Mariku streckte die Hand nach Malik aus, zog sie aber im letzten Moment wieder zurück. Sein Herz raste und Malik wieder so nah zu sein, war schon fast berauschend. Mariku leckte sich über die Lippen. Malik sah Mariku wieder an und lächelte. „Aber es ist trotzdem auch meine Schuld.“ Er war angespannt, doch gleichzeitig war es auch ein gutes Gefühl mit Mariku zu reden. „Ich hätt’s dir sagen sollen.“ Es geschah schon fast reflexartig, dass Malik nach Marikus Hand griff. „Schon gut.“ Er strich mit dem Daumen über Marikus Haut und bemerkte erst dadurch, was er tat. Schnell zog er die Hand zurück. Sein Herz schlug so schnell, dass es in den Ohren pulsierte. „Ich muss gehen“, murmelte er und rannte an Mariku vorbei. Mariku tat nichts um ihn aufzuhalten, doch drehte sich um, um ihm nachzusehen. Ihre Blicke trafen sich nochmal, dann drehte Malik den Kopf wieder nach vorne. Mariku sah seine Hand an und strich dann mit seinen Fingern über die Stelle, die Malik gestreichelt hatte. Es kribbelte in seinem Körper, doch seine Hände begannen zu zittern. „Nein“, flüsterte er und drehte sich noch einmal um, obwohl Malik schon längst verschwunden war. Er war noch nicht bereit, ihm wieder nah zu sein. Kapitel 18 „Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll“, jammerte Malik, kaum hatte seine Schwester das Gespräch angenommen. „Hast du denn schon mit jemand darüber geredet?“ „Ja.“ „Und?“ „Ryous Rat war: werd dir darüber klar, was du willst und scheiß drauf was die anderen sagen.“ „Und bist du dir schon klar darüber?“ „Nicht wirklich.“ Malik seufzte und richtete seinen Blick nach draußen. Braune Flecken durchzogen die Winterlandschaft, doch es hatte schon wieder zu schneien begonnen. „Ich kann ja noch nicht mal mit ihm reden und sonst starren wir uns auch nur an, wenn wir denken der andere merkt’s nicht.“ Malik stieß einen frustrierten Laut aus. „Das ist alles deine Schuld!“ „Meine?“ Isis klang schon fast amüsiert. „Du musstest mich ja auf dieses dämliche Internat hier stecken. Zuhause wär mir das nicht passiert. Da wär ich nicht mal im Traum auf die Idee gekommen mich in einen Kerl zu vergucken, und jetzt...“ Doch Malik hörte auf zu reden und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Mariku stand nur ein paar Schritte von ihm entfernt und sah genauso überrascht aus wie Malik. „Malik?“, fragte Isis nach, doch Malik ließ den Telefonhörer sinken. Hatte Mariku das gerade gehört? Er biss sich auf die Unterlippe. Das Herz schlug ihm bis zum Hals und seine Hände fühlten sich plötzlich schweißnass an. „Sorry“, murmelte Mariku. „Ich wollt nicht lauschen oder so. Das war nur Zufall.“ Er strich sich durch den Nacken und wich Maliks Blick aus. Malik war immer noch nicht in der Lage etwas zu erwidern. Mariku hatte es gehört. Er hatte gehört, was er gesagt hatte! „Sorry“, wiederholte Mariku noch einmal und ging dann weiter. Malik sah ihm hinter und hob dann wieder den Telefonhörer ans Ohr. „Verdammt.“ „War grad jemand bei dir?“ „Er hat gehört, was ich gesagt hab.“ Malik flüsterte fast. „Wie hat er reagiert?“ „Er hat gar nichts dazu gesagt.“ Malik lehnte sich gegen die Mauer und legte den Kopf in den Nacken. „Wieso kannst du mir sagen, dass du in ihn verliebt bist, aber ihm nicht?“ Malik atmete tief durch. Ja, das war die Frage, nicht wahr? „Hör auf deinen Freund, scheiß drauf was die anderen sagen.“ Malik hob überrascht die Augenbrauen. Es war nicht üblich für Isis so zu reden. Trotzdem hatte sie leicht reden. Er hatte Mariku schon einmal enttäuscht, was, wenn er es nochmal tat? Mariku schluckte seine Tabletten und trommelte unruhig auf der Matratze. Hatte er das wirklich gerade gehört? Er wusste nicht mit wem Malik telefoniert hatte, aber es war bestimmt jemand aus seiner Familie gewesen. Er hatte mit jemandem aus seiner Familie über ihn gesprochen. Er hatte gesagt, dass er in ihn verschossen war. Gut, er hatte nicht seinen Namen erwähnt, aber wen sollte er sonst gemeint haben? Mariku grinste. Konnte das wirklich wahr sein? Er meinte es also doch ernster, als er zugeben wollte, wenn er schon mit seiner Familie darüber sprach. Mariku atmete tief durch. Er musste ruhig bleiben. Ryou hatte Recht, sie mussten es langsam angehen. Ganz langsam. Malik würde zu ihm kommen, wenn er bereit war. Mariku strich sich die Haare im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammen. Und dann war hoffentlich er auch bereit. „Du solltest dir mal wieder die Haare schneiden.“ Mariku zuckte zusammen und drehte sich dann zu Ryou um. „Wie war die Physiotherapie?“ Ryou zuckte mit den Schultern und stellte seinen Rucksack neben dem Bett ab. „So wie immer.“ Die Tür öffnete sich erneut und Bakura trat ein. Er küsste Ryou erst auf die Stirn und dann auf die Lippen. „Wie lief’s?“ „So wie immer“, wiederholte Ryou. „Wird’s schon besser?“ „Etwas.“ Ryou seufzte. Er freute sich schon auf den Tag, wenn er endlich keine Krücke mehr brauchen würde. Er war das Ding leid. „Wird schon wieder.“ Bakura strich Ryou über das Bein und küsste ihn wieder. „Nehmt euch ein Zimmer“, murrte Mariku und Ryou streckte ihm die Zunge raus. Malik ließ sich die Sonne aufs Gesicht scheinen. Es hatte wieder aufgehört zu schneien und er hatte sich gedacht, dass frische Luft ihm sicher beim Nachdenken helfen würde. Doch kaum hatte er sich hingesetzt, rief jemand seinen Namen. Malik drehte sich um. Ryou stand auf der Eingangstür und winkte ihm. Am Griff seiner Krücke hing eine Plastiktüte. Seufzend stand Malik wieder auf. „Was gibt’s?“ „Ich will Schokolade machen und ich wollte fragen, ob du vielleicht auch Lust hast?“ Er lachte verlegen. „Schokolade?“ „Naja, bald ist doch Valentinstag und ich hab noch nie für irgendwen Schokolade gemacht oder welche verschenkt. Ich würd gern Bakura welche schenken.“ „Und für was brauchst du mich?“ „Ich hab nur etwas zu viel gekauft und will’s nicht wegschmeißen.“ Er zuckte beiläufig mit den Schultern. Malik verengte die Augen zu Schlitzen. So ganz traute er der Sache nicht. „Du musst natürlich nicht, aber ich würd mich wirklich über Gesellschaft freuen.“ Malik seufzte. „Na gut.“ Etwas anderes zu tun, würde ihm sicher auch nicht schaden, außerdem war der Gedanke an Schokolade wirklich äußerst verlockend. Die letzte hatte er an seinem Geburtstag gegessen. Zusammen mit Mariku. Malik presste die Lippen aufeinander. Es kam ihm vor, als wäre das schon eine Ewigkeit her. Er nahm Ryou die Tüte ab und sie gingen gemeinsam in die Küche. „Ah, schön euch Zwei zu sehen“, begrüßte sie Frau O’Kashi. „Vielen Dank, das wir die Küche benutzen dürfen.“ „Aber das ist doch selbstverständlich. Ich hab früher auch viel Schokolade gemacht, aber sie dann doch allein gegessen.“ Lachend strich sie sich über ihren Bauch. Malik sah sich um. Er erinnerte sich wage daran schon einmal hier gewesen zu sein. Mariku hatte ihn nach Ryous Sturz hierher gebracht und sie hatten Tee getrunken. „Ich hab euch schon alles bereitgestellt. Tobt euch aus, aber am Ende müsst ihr alles wieder sauber machen.“ Sie hob mahnend einen Finger, dann sah sie Malik an und lächelte. Sie legte ihm die Hände an die Oberarme. „Mariku wird sich sicher freuen.“ Malik war zu überrascht um etwas zu erwidern. Sie ließ ihn wieder los. „Wenn ihr irgendetwas braucht, ich bin rechts den Flur hinunter, die linke Tür.“ Malik sah ihr hinterher. Schokolade für Mariku. Er rieb unruhig die Hände aneinander. Sollte er welche machen? Als Ryou ihn gefragt hatte, hatte er zuerst gar nicht daran gedacht. War das Ryous Plan gewesen? Er sah seinen Freund an, der damit beschäftigt war die Zutaten auf der Arbeitsfläche zu verteilen. Malik zog sich einen Stuhl neben Ryou und setzte sich darauf. Er zog das Rezept, welches vor Ryou lag, zu sich. „Klingt gar nicht so kompliziert.“ „Ja, mal sehen. Ich hoffe, sie schmeckt Bakura dann auch.“ „Selbst wenn nicht, würde er wahrscheinlich alles aufessen um dich glücklich zu machen.“ Maliks Worte zauberten ein Lächeln auf Ryous Lippen. „Meinst du?“ „Bestimmt.“ Malik zog die Beine an und setzte sich im Schneidersitz auf den Stuhl. Er beobachtete, wie Ryou die Zutaten mischte. „Die Beziehung zu Bakura tut dir aber scheinbar ganz gut.“ Ryou hielt in der Bewegung inne und sah Malik überrascht an. „Wie meinst du das?“ „Naja, anfangs warst du ziemlich griesgrämig und abweisend.“ „Oh.“ Ryou kratzte sich an der Wange. „Ich war sexuell frustriert.“ „Das war jetzt mehr als ich wissen wollte“, sagte Malik schmunzelnd. „Obwohl... war Bakura dein erster?“ „Nein.“ Ryou wirkte schon fast beleidigt. „Ich bin nicht so unschuldig, wie ich vielleicht aussehe. Sobald ich wusste, was Sache ist, wollt ich alles ausprobieren.“ Er grinste. „Aber sag das nicht Bakura.“ „Bestimmt nicht.“ „Und was ist mir dir? Warst du beliebt an deiner alten Schule?“ Malik stützte seinen Ellenbogen auf die Arbeitsplatte. „Ja, schon, denk ich.“ „Hattest du ne Freundin?“ „So was in der Art.“ „Fickbeziehung?“ „Schon eher.“ „Vermisst du’s?“ Malik zuckte nur mit den Schultern. Vermisste er es? Nicht wirklich. Mit einem Mal kam ihm das sogar ziemlich dumm vor. Wenn er zurückblickte, dann musste er seiner Schwester doch irgendwie recht geben; sein Umgang war nicht der beste gewesen. War er jetzt besser? Er sah Ryou an und dachte dann an Mariku. Nicht wirklich. Er lächelte. Nein, nicht wirklich. „Wie sind deine anderen Freunde so?“ „Naja, so normale Typen halt. Außer Kaiba, der ist etwas weniger normal.“ „Wieso?“ „Er hat ne Firma, Kaiba Corporation.“ „Oh!“ Ryou sah Malik mit gehobenen Augenbrauen an. „Die Spielefirma?“ „Ja.“ „Du kennst ja voll die berühmten Leute.“ Malik zuckte mit den Schultern. „Klingt cooler, als es ist.“ Er streckte die Beine aus. „Meine Schwester findet, es sind alles Verlierer.“ Ryou schmunzelte, tauchte einen Löffel in die flüssige Schokolade und hielt ihn Malik vor die Nase. „Hier, probier mal.“ „Ist lecker.“ Malik leckte sich über die Lippen. „Nicht zu süß?“ „Für meinen Geschmack nicht.“ Ryou legte den Löffel beiseite und füllte die Schokolade in eine Form. „Aber ich hab viel zu viel gekauft. Hier“, er schob Malik die Zutaten zu, „mach du welche.“ „Ich weiß nicht.“ „Du musst sie ja nicht verschenken. Iss sie einfach selbst.“ Malik seufzte und gab klein bei. Malik goss gerade seine Schokolade in die Form, als Frau O’Kashi wieder in die Küche kam. „Und, wie läuft’s?“ „Wir sind so gut wie fertig“, antwortete Ryou stolz und strahlte bis über beide Ohren. Er hatte sich hingesetzt. Das lange Stehen hatte sein Bein sehr belastet. „Gut, und vergesst nicht sauber zu machen.“ Das Lächeln auf Ryous Lippen erstarb und er sah wenig glücklich darüber aus. Aber wer konnte ihm das schon verübeln? Niemand mochte saubermachen. Malik starrte in der Zwischenzeit seine Schokolade an. Sollte er sie Mariku schenken? Würde es ihn freuen? Oder war es nicht doch noch zu früh dafür? Er wollte keinen falschen Eindruck erwecken. Welchen Eindruck wollte er überhaupt erwecken? Er wusste nicht, ob er den Mut aufbringen konnte, Mariku die Schokolade zu geben. Ryou riss ihn aus seinen Gedanken. „Hörst du mir überhaupt zu?“ „Was?“ „Ich hab gefragt, ob es dir was ausmacht, wenn du abspülst? Ich übernehm das Abtrocknen.“ „Ah, ja, kein Problem. Ich mach das.“ „Danke.“ Malik legte die Schokolade in seine Nachttischschublade. Er betrachtete die bunte Verpackung, die Ryou ihm regelrecht aufgezwungen hatte. Malik seufzte. Was sollte er damit nur machen? Hastig schloss Malik die Schublade, als Bakura eintrat. Er durfte die Schokolade nicht sehen, sonst würde er am Ende nur Ryous Überraschung ruinieren. „Hattet ihr nen schönen Tag?“ Malik nickte nur als Antwort. „Was habt ihr so gemacht?“ „Nichts Besonderes.“ Bakura hob die Augenbrauen. Er war mit Maliks Antwort nicht zufrieden, aber er fragte auch nicht weiter nach. Wenn Malik so auskunftsfreudig war, dann hatten sie bestimmt wieder über Mariku geredet. Valentinstag kam für Maliks Geschmack viel zu schnell. Die Schokolade in seiner Tasche fühlte sich schwer wie ein Stein an. Er hatte sich immer noch nicht entschieden, was er damit machen sollte. Unruhig streifte Malik durch das Gebäude. Er hatte sein Zimmer früh verlassen, damit Ryou und Bakura etwas Zeit alleine miteinander verbringen konnten, doch jetzt wusste er nicht, was er machen sollte. Verloren stand Malik in der Eingangshalle. Sollte er Isis anrufen? Aber er hatte erst vor ein paar Tagen mit ihr geredet. Malik seufzte und sah die Treppe nach oben. Er erstarrte, als er Mariku sah. Mariku hatte ebenfalls in der Bewegung inne gehalten und starrte Malik an. Er hatte seine Jacke an und schien auf dem Weg nach draußen zu sein. Malik biss sich auf die Unterlippe. Warum musste er ausgerechnet ihm über den Weg laufen? Ryou wirkte ungewöhnlich nervös und zurückhaltend auf Bakura. Außerdem überraschte es ihn, dass er schon so früh hier war. Und was war in der Tüte, die er bei sich hatte? „Was ist los?“, fragte Bakura, während er sich anzog. Er war aufgewacht, als Malik aufgestanden war, doch war noch liegen geblieben bis plötzlich Ryou ins Zimmer gekommen war. Ryou hatte seinen Blick auf seine Füße gerichtet und verlagerte sein Gewicht auf seine Krücke. Sein Griff um die Haltegriffe der Tüte festigte sich. Er wusste selbst nicht, warum er so nervös war. Bakura würde sich sicher über die Schokolade freuen. Trotzdem war es das erste Mal, dass er jemandem außer seinem Vater etwas schenkte. „Ich hab was für dich“, murmelte Ryou. Bakura sah auf die Tüte in Ryous Hand, während er sich weiter die Zähne putzte. Ryou sah ihn an und seufzte. „Kannst du dich mal beeilen?“ Bakura wusch sich den Mund aus. „Du hast mich immerhin regelrecht aus dem Bett geworfen. Also“, er trocknete sich die Hände und ging zu Ryou, „was ist es?“ Ryou streckte ihm die Tüte entgegen. „Frohen Valentinstag.“ „Valentinstag?“, wiederholte Bakura langsam und war zu überrascht um die Tüte zu nehmen. Valentinstag war für ihn nie von Bedeutung gewesen und er hatte sich auch nie darum gekümmert. Er starrte die Tüte an, als wäre sie ein fremdes Lebewesen. Ryous Griff verkrampfte sich. Unsicher ließ er die Tüte wieder sinken. „Hab ich was falsch gemacht?“ Seine Worte rissen Bakura aus seiner Starre. „Nein.“ Er strich Ryou über die Wange und nahm ihm mit der anderen Hand die Tüte ab. „Ich bin‘s nur nicht gewohnt, was zum Valentinstag zu kriegen.“ „Oh.“ Ryou lächelte. „Ist auch das erste Mal für mich. Ich hoffe du magst es. Ich hab’s selbst gemacht.“ Noch bevor er wirklich in die Tüte schaute, küsste er Ryou. Ungeachtet davon, dass er etwas in der Hand hielt, umfasste er Ryous Gesicht mit beiden Händen und zog ihn näher. Vor Schreck ließ Ryou seine Krücke los, doch er hielt sich rechtzeitig bei Bakura fest und legte seine Arme um seinen Nacken. Mit so einer Reaktion hatte er nicht gerechnet. „Jetzt pack’s endlich aus“, flüsterte Ryou nach dem Kuss. Er ließ Bakura los, humpelte zum Bett und setzte sich hin. Bakura ließ sich neben ihm auf die Matratze sinken. Die Tüte fiel zu Boden als Bakura die verpackte Schokolade herausholte. Ryou beobachtete ihn mit angehaltenem Atem. Sein Herz raste und er wusste nicht, wann er das letzte Mal so nervös gewesen war. „Du hast sie selbst gemacht?“ Ryou nickte schnell. Er atmete tief ein, als Bakura davon abbiss. „Sie ist doch nicht vergiftet?“, fragte Bakura kauend und mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. Ryou schlug ihm gegen die Schultern. „Nein!“ Bakura leckte sich über die Lippen. „Sie ist wirklich gut.“ „Ja?“ Ryou strahlte übers ganze Gesicht. „Ich bin so froh.“ Bakura beugte sich vor und küsste ihn. „Du kannst so süß sein.“ „Gewöhn dich nicht dran.“ Bakura brach ein Stück Schokolade auseinander und reichte einen Teil Ryou. „Ich hab gar nichts für dich.“ „Das ist nicht wichtig.“ Er schloss die Augen und ließ die Schokolade auf der Zunge zergehen. Ja, er hatte wirklich gute Arbeit geleistet. Bakura wickelte den Rest der Schokolade wieder ein und legte sie auf den Nachttisch. „Hast du denn für heute irgendwas geplant?“ Er legte seine Hand auf Ryous Bein. „Nicht wirklich.“ Ryou lehnte sich gegen seinen Freund. „Ich wollte nur den ganzen Tag mit dir zusammen sein.“ Bakuras Hand strich über Ryous Bein. „Denkst du es wär in Ordnung, wenn wir...“ Er grinste leicht. „...du weißt schon.“ Ryou erwiderte sein Grinsen. „Ich denk schon. So viel sollte mein Bein aushalten.“ Mariku schluckte trocken. Er hatte nicht damit gerechnet Malik über den Weg zu laufen. Unruhig zupfte er am Kragen seiner Jacken und ging langsam die Treppe hinunter. Sie ließen sich nicht aus den Augen. „Hallo.“ „Hallo.“ Malik wandte kurz den Blick ab und sah zur Tür. „Gehst du raus?“ Mariku nickte. „Es ist kalt draußen.“ „Ja, deshalb hab ich eine Jacke an.“ „Ähm ja.“ Malik wollte sich selbst verprügeln. Warum war er nur so ein Idiot? „Wir sehen uns“, murmelte Mariku. Malik nickte nur. Er wagte es nicht nochmal was zu sagen, aus Angst, dass es wieder etwas Dummes wäre. Er sah Mariku hinterher und ließ sich anschließend seufzend auf die Treppenstufe sinken. Mariku atmete tief durch, als sich die Eingangstür hinter ihm schloss. Unwillkürlich hatte sich sein Körper angespannt, während er mit Malik gesprochen hatte, aber es wurde langsam besser. Er zitterte nicht mehr. Mariku zog sich den Reißverschluss höher und vergrub seine Hände in den Jackentaschen. Die letzten Tage hat er oft draußen verbracht. Er hatte sich zurückgezogen und größtenteils einfach nur in die Leere gestarrt. Er wischte den Schnee von dem Kreuz, dass er gemacht hatte. Letzte Nacht hatte es wieder geschneit. Mit aufeinander gepressten Lippen sah Mariku auf das Kreuz hinunter. Es war nur symbolisch. Natürlich lag Ren hier nicht begraben, sondern in seiner Heimatstadt. Mariku hatte es damals noch nicht einmal über sich gebracht auf die Beerdigung zu gehen. Bis heute hatte er sein Grab nicht besucht. Es war immerhin alles seine Schuld. Mariku seufzte und strich sich die Haare zurück. Er war ein Schwächling. Ren hätte sicher über ihn gelacht, wenn er ihn jetzt gesehen hätte. Mariku ließ sich in den Schnee sinken und ignorierte dabei, dass seine Hose durchnässt wurde und sich die Kälte ausbreitete. Er war einfach ein Idiot. Er wollte es so gerne nochmal mit Malik versuchen, aber wenn es wieder schiefging, dann würde er wohl nicht mehr mit ein paar Tabletten ruhig gestellt werden können. Er ließ sich zurückfallen und streckte die Arme von sich. Der Himmel über ihm war grau. Langsam angehen hatte Ryou gesagt. Er musste warten bis Malik auf ihn zukam. Das war schwerer als es sich anhörte. Und dann hatte Malik auch noch gesagt, dass er sich eigentlich in ihn verguckt hatte. Mariku murrte. Warum war das alles nur so schwierig? Malik drehte die verpackte Schokolade in seinen Händen. Er hatte schon einige Versuche hinter sich die Verpackung aufzureißen und sie einfach zu essen, doch immer hatte er es sich im letzten Moment anders überlegt. Er legte die Schokolade neben sich und nahm sie dann wieder zur Hand. Vielleicht sollte er sie einfach wegwerfen... nein, das wäre nur Verschwendung. Als ein Schatten über ihn fiel, sah Malik überrascht auf. Sein Griff festigte sich, die Schokolade brach auseinander und das Papier riss. Mariku stand vor ihm. Jacke und Hose nass. Etwas Schnee war immer noch in seinen Haaren. „Alles in Ordnung?“, fragte Malik leise. Er senkte den Blick und presste die Lippen aufeinander, als er sah, was er mit der Schokolade gemacht hatte. Das war’s mit der schönen Verpackung. „Bin hingefallen“, antwortete Mariku. „Bist du jetzt die ganze Zeit hier gesessen?“ Malik sah wieder auf. „Wieso die ganze Zeit?“ „Ich war mindestens eine Stunde draußen.“ „Oh.“ Es war ihm gar nicht aufgefallen, wie viel Zeit vergangen war. Hatte er wirklich eine Stunde hier gesessen und über Schokolade nachgedacht? Was lief nur falsch in seinem Leben? „Was dagegen wenn ich mich setze?“ Malik schüttelte den Kopf und Mariku setzte sich neben ihn. Malik schauderte. Er spürte die Kälte, die von Marikus Kleidung ausging. Malik warf ihm einen kurzen Seitenblick zu, sah dann auf die Schokolade und seufzte. „Hier.“ Er hielt Mariku die Schokolade hin ohne ihn anzusehen. Sein Herz raste und er atmete nur flach. Überrascht nahm Mariku ihm die Schokolade aus der Hand. „Schokolade?“ „Hab sie selbst gemacht“, murmelte Malik und rieb unruhig seine Schuhe aneinander. Mariku wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Damit hatte er nicht gerechnet. „Hab sie leider etwas zerbrochen.“ Malik hatte den Kopf von ihm abgewandt. Mariku riss die Augen auf, als ihm plötzlich bewusst wurde, was heute für ein Tag war: Valentinstag! Und Malik schenkte ihm Schokolade! Selbstgemachte Schokolade! Mit einem Mal fühlte sich sein Mund ganz trocken an. Er starrte Malik an, unfähig etwas zu sagen oder gar einen zusammenhängenden Gedanken zu Stande zu bringen. Langsam drehte Malik den Kopf. Es machte ihn unruhig, dass Mariku nichts sagte. Er konnte das Lächeln nicht unterdrücken, als er Marikus Gesichtsausdruck sah. So überrascht war er schon fast süß. „Alles okay?“ Seine Worte rissen Mariku aus seiner Starre. „Äh, ja, ja, danke hierfür.“ „Es war Ryous Idee.“ Malik zuckte mit den Schultern. „Trotzdem hast du keinen Grund gehabt mir was zu schenken.“ Wieder zuckte Malik mit den Schultern. „Wenn du sie nicht willst, ess ich sie selbst.“ „Nein.“ Mariku drückte die Schokolade gegen seine Brust und Malik lächelte. „Lass sie dir schmecken.“ Er stand auf und wollte gehen, doch Mariku hielt seine Hand fest. Marikus Finger waren kalt. „Danke dafür. Das bedeutet mir wirklich viel.“ Malik erwiderte nichts darauf, sondern drückte nur kurz Marikus Hand bevor er sich aus seinem Griff befreite und die Treppe nach oben stieg. Er musste sich nicht umdrehen um zu wissen, dass Mariku ihm nachsah. Er hatte es getan! Er hatte Mariku die Schokolade gegeben. Malik stieß hörbar Luft aus und lächelte breit. Es war leichter gewesen als erwartet und Mariku hatte sich auch gefreut. Malik die Hand auf den Griff seiner Zimmertür und zog sie sofort wieder zurück, als hätte er sich daran verbrannt. Er hatte Ryou und Bakura ganz vergessen. Es war besser, sie nicht zu stören. Seufzend drehte Malik sich um und ging den Weg zurück, den er eben gekommen war. Dumm kam er sich schon vor, aber es war auch bald Zeit fürs Mittagessen. Mariku saß immer noch auf der Treppe und schob sich gerade ein Stück Schokolade in den Mund. Malik sah wie er die Augen schloss und ein kleines Lächeln seine Lippen umspielte. Malik verspürte ein angenehmes Kribbeln in seinem Bauch. Langsam ging er die Stufen nach unten und setzte sich wieder neben Mariku. „Hast du mich so sehr vermisst?“ Mariku grinste und Malik musste zugeben, dass er dieses Grinsen vermisst hatte. „Ein bisschen“, gab Malik zu. „Aber ich wollte auch Ryou und Bakura nicht stören.“ „Ah ja, die zwei Turteltauben.“ Mariku biss direkt von der Schokolade ab, dann hielt er Malik die restliche hin. „Auch ein Stück? Sie ist gut.“ Malik brach sich selbst ein Stück ab und Schweigen kehrte zwischen ihnen ein. Jeder hing seinen eigenen Gedanken hinterher. „Ist es zu spät für uns?“, fragte Malik schließlich leise. „Nein“, antwortete Mariku fast sofort. „Nur noch zu früh.“ Kapitel 19 „Es war so gut.“ Ryou grinste breit. Er stützte sein Gesicht auf seine Hände und summte vergnügt. Er spürte immer noch Bakuras Hände auf seinem Körper und seine Lippen fühlten sich noch etwas wund an. Es war viel besser gewesen als das erste Mal, auch wenn ihm Bakura etwas zu vorsichtig gewesen war. Sein Bein war schon fast wieder gesund und er war nicht aus Glas. Trotzdem... „So gut“, wiederholte Ryou und seufzte zufrieden. Am liebsten hätte er das Bett gar nicht verlassen und noch ein paar Stunden so weiter gemacht, aber Bakura war eingeschlafen. „Mhm“, war Maliks einzige Reaktion. Er rührte schon seit Minuten seine Suppe um, ohne auch nur einen Löffel davon gegessen zu haben. Ryou war natürlich nicht entgangen, das Malik ihm schon die ganze Zeit nicht zuhörte. Was ihn aber auch nicht davon abgehalten hatte ihm trotzdem alles zu erzählen. Er hatte einfach darüber reden müssen und Malik wollte ja etwas mehr involviert werden. Da er jedoch mit dem Erzählen fertig war, lenkte er das Gespräch auf ein Thema bei dem Malik sicher eine Reaktion zeigen würde: „Hast du Mariku die Schokolade gegeben?“ „Mhm“, machte Malik erneut, bis die Worte wirklich zu ihm vordrangen und er aufhörte zu rühren. „Und?“ Malik zuckte nur mit den Schultern und begann wieder in der Suppe zu rühren. „Wir haben sie gegessen.“ „Und weiter?“ Wieder hörte Malik mit dem Rühren auf und sah Ryou diesmal an. Er zuckte erneut mit den Schultern, doch gleichzeitig huschte ein schwaches Lächeln über seine Lippen. „Habt ihr euch geküsst?“ Malik schüttelte den Kopf. „Nur geredet.“ Sie hatten für Stunden auf der Treppenstufe gesessen und sich unterhalten. Es war das erste wirkliche Gespräch, das sie geführt hatten, indem kein Alkohol verwickelt gewesen war. Nicht mal in ihrer Pseudo-Beziehungen hatten sie wirklich miteinander geredet, was wahrscheinlich auch eins ihrer Probleme gewesen war. Diesmal hatte er eine ganz andere Seite von Mariku kennen gelernt. Es hatte gut getan mit Mariku zu reden und es war befreiender gewesen, als jedes Gespräch mit seiner Schwester. Er hätte von Anfang an einfach mit ihm reden sollen, aber so einfach wäre es dann wohl doch nicht gewesen. Er hatte noch nie viel über seine Gefühle gesprochen, hatte sie immer für sich behalten, um seine Schwester nicht noch mehr zu belasten. Selbst diesmal hatte er sich schwer getan alles in Worte zu fassen. Mariku schien ihn aber trotzdem verstanden zu haben. Zumindest hoffte Malik das. Er wusste immer noch nicht, ob er bereit war für das was er fühlte, aber Mariku hatte recht; Malik lehnte sich zurück und ließ den Löffel in die inzwischen kalte Suppe fallen; nach allem was passiert war, war es einfach noch zu früh für sie. Mariku ging unruhig in seinem Zimmer auf und ab, bis er schließlich vor dem Fenster stehen blieb und seine Stirn gegen die kalte Scheibe lehnte. Er spannte seine Arme an und ballte die Hände zu Fäusten. Es lief gut zwischen Malik und ihm, oder? Mariku schloss die Augen. Es fiel ihm schwer die Situation richtig einzuschätzen. Gab es überhaupt eine richtige Einschätzung? Er konnte Maliks Standpunkt verstehen, wenn auch nicht ganz nachvollziehen. Trotzdem gab er sich Mühe. Er wollte diese Beziehung mit Malik und er wusste, dass Malik ihm nicht abgeneigt war. Er mochte ihn, das hatte er selbst gesagt. Mariku klopfte mit der Stirn leicht gegen die Scheibe. Er hatte noch nie so viel über eine Beziehung nachgedacht. Er hatte bisher aber auch noch nie wirklich eine Beziehung gewollt. Mariku öffnete die Augen und starrte gedankenverloren nach draußen. Anfangs war er wirklich nur auf Sex aus gewesen, so wie immer. Emotionale Beziehungen waren anstrengend und er hatte auch immer seine Krankheit im Hinterkopf gehabt. Inzwischen jedoch waren seine Gefühle zu Malik so viel mehr geworden. Sein Herz raste, wenn er nur an ihn dachte. Seufzend trat er einen Schritt vom Fenster weg. Er war die Sache von Anfang an falsch angegangen. Wie bei Bakura musste er sich Malik langsam annähern. Er hatte das schon einmal geschafft, er würde es auch ein zweites Mal schaffen. „Ja“, flüsterte Mariku. „Ich kann das.“ „Was kannst du?“ Mariku zuckte nicht zusammen, obwohl er nicht mitbekommen hatte, wie Ryou ins Zimmer gekommen war. „Atmen.“ Ryou hob die Hände und klatschte langsam. „Ich bin stolz auf dich.“ „Danke, das bedeutet mir wirklich viel.“ Sie lachten beide. „Hattet ihr Spaß?“ Ryou streckte sich grinsend auf seinem Bett aus. Er musste nicht erst nachfragen, was Mariku meinte. Die Krücke, die er gegen das Bett gelehnt hatte, rutschte weg und landete klappernd auf dem Boden. Er ignorierte es. Bald würde er sie nicht mehr brauchen. „Unendlich viel Spaß.“ Bei Mariku würde er sicher nicht so sehr ins Detail gehen wie bei Malik. „Er hatte auch einen ausgezeichneten Lehrer.“ Mit gehobenen Augenbrauen und zweifelnden Blick sah Ryou Mariku an. „Er ist der Padawan und ich bin der Jedi-Meister, was er kann, kann ich besser.“ „Ist das ein Angebot?“, fragte Ryou schmunzelnd. Mariku hielt einen Moment inne. „Nein!“, antwortete er schon fast entsetzt. „Gut, würde Malik wahrscheinlich gar nicht freuen, wenn ich ihm erzählen müsste, dass du mir ein Sexangebot gemacht hast.“ Bei diesen Worten entgleisten Mariku die Gesichtszüge vollständig. Ryou lachte. Er hatte Mariku noch nie so geschockt gesehen. „Reg dich ab, das war nur ein Scherz.“ „Habt ihr geredet... über mich?“ „Ein bisschen.“ Mit einem Mal stand Mariku an seinem Bett. „Was hat er gesagt?“ Er stützte sich auf der Matratze ab. Ryou legte seine Hand an Marikus Stirn und stieß ihn weg. „Rück mir nicht auf die Pelle.“ Mariku ließ sich auf sein eigenes Bett fallen. „Also?“ „Er hat nur gesagt, dass ihr euch unterhalten habt.“ „Das ist alles?“ „Er hat’s mit einem Lächeln gesagt.“ Er hatte Mariku auch noch nie so lächeln sehen. Es war schon fast süß, aber auch nur fast, denn Mariku fiel nicht unbedingt in die „Süß“-Kategorie. Schmunzelnd drehte sich Ryou auf den Bauch und umarmte das Kissen. Er war froh, wie sich alles entwickelt hatte und wie sie sich in den letzten Monaten verändert hatten. Sie waren durch viel Scheiße gewatet, aber es hatte ihnen doch irgendwie gut getan. Ryou drehte den Kopf leicht, damit er Mariku sehen konnte. Mariku hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und sah nach oben. Er hatte ein Bein angewinkelt und das andere über sein Knie gelegt. Er wippte mit dem Fuß, der in der Luft war. Auch wenn noch nicht alle am Ziel waren. Ryou verspürte ein kleines Ziehen in der Brust und mit einem Mal vermisste er Bakura, obwohl er ihn vor einer Stunde erst noch gesehen hatte. Ryou hievte sich hoch und hob seine Krücke auf. „Wo gehst du hin?“ „Kurz nochmal raus, hab was vergessen.“ Mariku würde nur über ihn lachen, wenn er ihm sagte, dass er zu Bakura ging. Bakura lag bäuchlings auf dem Bett, einen Stift in der Hand und einen Block vor sich. Daneben lag ein aufgeschlagenes Buch. Er sah auf als Ryou eintrat. „Noch Hausaufgaben?“ Bakura zuckte mit den Schultern. „Lässt du mich abschreiben?“, fragte er mit einem Grinsen. Er setzte sich auf, streckte sich und rieb sich den Nacken. „Nein.“ „Gemein.“ Bakura zog Ryou in seine Arme und küsste seine Schläfe. „Was machst du noch hier?“ Ryou streckte sich und gab Bakura einen Kuss. „Ich wollt dich nochmal sehen“, flüsterte er gegen Bakuras Lippen. „Wir haben uns doch vorhin erst gesehen.“ Er strich Ryous Pony zurück und platzierte Küsse auf seiner Stirn. Er war so erleichtert, ihm endlich nah sein zu können und keine Angst mehr zu haben. Niemand würde ihm mehr wehtun. Ryou zuckte nur kurz mit den Schultern. „Wo ist Malik?“ Bakura nickte zur geschlossenen Badezimmertür. Ryou küsste Bakura erneut, doch so stürmisch, dass Bakura das Gleichgewicht verlor und zurück auf die Matratze sank, jedoch hing sein Kopf über die Bettkante. Lachend löste Ryou den Kuss. „Was ist los?“ Bakura spielte mit einer von Ryous Haarsträhnen. Ryou legte seinen Kopf auf Bakuras Brust. Er wusste nicht, was er antworten sollte. Er war einfach nur glücklich bei Bakura zu sein. Er schloss die Augen und genoss es, wie Bakura durch seine Haare streichelte. „Hast du Lust in den Ferien zu mir zu kommen?“ Er strich Bakura übers Shirt. Bakura hob den Kopf. Er lag unbequem, wollte aber auch nichts sagen, weil er Ryous Gewicht auf sich genoss. Als Bakura jedoch nicht antwortete, richtete Ryou sich auf. „Ich dachte daran nach Hause zu fahren. Papa ist ausnahmsweise mal da und wenn du willst, dann kannst du gerne mitkommen.“ Bakura war sprachlos und unsicher. Außer für die Sommerferien hatte er das Internat noch nie verlassen und jetzt lud Ryou ihn zu sich nach Hause ein. Er würde sehen wie er lebte, sein Zimmer sehen und die Gegend in der er wohnte. Ob er Freunde außerhalb des Internats hatte? Bakura schluckte. Sie würden die Ferien miteinander verbringen, nur sie zwei (und Ryous Vaters). „Du musst natürlich nicht“, sagte Ryou schnell. „Doch!“ Bakura setzte sich so schnell auf, dass ihre Köpfe aneinanderstießen. Sie rieben sich die Stirn. „Doch, ich würd gern zu dir kommen.“ Ryou lächelte, doch bevor er etwas antworten konnte, öffnete sich die Badezimmertür. Malik blieb ihm Türrahmen stehen als er Ryou sah. „Braucht ihr noch einen Moment?“ „Ah nein, schon gut.“ Ryou stieg von Bakura und setzte sich an den Rand des Bettes. „Ich sollte ins Bett.“ Er griff nach der Krücke. „Gute Nacht“, verabschiedete Ryou sich und gab Bakura noch einen letzten Kuss. „Ich hätt Bock auf Schlittschuhlaufen.“ Mariku hielt sich an der Tischkante fest, während er den Stuhl auf den hinteren Beinen balancierte. „Es ist inzwischen viel zu warm“, erwiderte Ryou ohne aufzusehen. „Das Eis trägt nicht mehr, falls überhaupt noch welches da ist.“ Er presste nachdenklich die Lippen aufeinander, schüttelte schließlich kurz den Kopf und griff dann nach dem Radiergummi. Sie saßen in einem der großen Gemeinschaftsräume und erledigten ihre Hausaufgaben. Zumindest Ryou und Malik machten das. Bakura hatte immerhin sein Buch aufgeschlagen, zeichnete aber nur Strichmännchen auf sein Papier. Mariku hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, seine Sachen überhaupt mitzubringen. Nach dem Valentinstag hatte sich Malik wieder der kleinen Gruppe angeschlossen und fühlte sich in ihrer Umgebung auch wohler, als die letzten Tage mit Jonouchi und Honda. Malik war froh, wieder mit ihnen zusammen sein zu können. „Aber ich war diesen Winter nur einmal.“ Malik hielt im Schreiben inne, griff jedoch den Stift fester. Mariku und er hatten viel Spaß beim Schlittschuhlaufen gehabt. Es war auch das erste Mal gewesen, dass er Marikus Anwesenheit wirklich genossen hatte und die Zeit, in der er angefangen hatte wirklich bewusst anders für Mariku zu fühlen. Malik leckte sich über die Lippen und ließ seine Augen über das eben geschriebene wandern ohne es wirklich zu lesen. „Wir könnten höchstens in die Eishalle.“ Mariku verzog das Gesicht. „Die ist scheiße.“ Eigentlich war die Halle großartig. Trotz vieler Besucher gab es ausreichend Platz für jeden. Es gab unterschiedliche Eisflächen und es gab auch immer irgendwelche Eislaufkünstler, die eine kleine Show aufführten. Das Problem war: Mariku hatte dort Hausverbot seit er sich mit dem Sohn des Besitzers angelegt hatte. Bakura war der einzige, der es wusste und er schwieg darüber. Es war kein schöner Tag gewesen. „In zwei Wochen ist das Festival, da könnten wir hinfahren“, schlug Bakura vor, doch auch die Idee schien Mariku nicht zu gefallen. „Das ist auch scheiße.“ Bakura verdrehte die Augen. „Ich musste dich letztes Jahr regelrecht nach Hause schleifen.“ Während er sprach zeigte er mit seinem Stift auf Mariku. „Aber dieses Jahr ist es so kalt. Letztes Jahr war’s immerhin etwas warm und trocken.“ Mariku ließ sich samt Stuhl nach vorne fallen. „Wenn’s nass ist, dann ist es scheiße.“ „Ich würd gern auf das Festival gehen“, sagte Malik, der sich bisher aus dem Gespräch rausgehalten hatte. Er liebte die Atmosphäre auf Festivals, die Stimmung und die Gerüche. Er hatte schon befürchtet, er würde dieses Jahr auf kein Festival kommen, da er im Internat feststeckte. Die Gelegenheit würde er sich nicht entgehen lassen. „Es wird auch langsam wärmer draußen.“ Mariku seufzte und hob hilflos die Arme. „Okay, okay, wir gehen auf’s Festival.“ Ryou grinste sein Blatt an. Malik hatte Mariku jetzt schon komplett in der Hand. Ryou streckte das Bein ein paar Mal aus, bevor er aufstand und es vorsichtig belastete. Es war ein ungewohntes Gefühl plötzlich keine Krücke mehr an der Seite zu haben. Wie schnell man sich doch an so etwas gewöhnte. „Wie fühlt es sich an?“ „Gut“, antwortete Ryou und ging langsam auf und ab. Er lächelte. Endlich war er das verdammte Ding los. „Sehr schön. Sollten irgendwelche Schmerzen auftreten oder sich Blutergüsse bilden, dann melde dich bitte sofort bei uns.“ Ryou nickte. Mit jedem Schritt, den er machte, wurde er sicherer. Er konnte es kaum erwarten, wieder zu Bakura zu kommen und mit ihm etwas zu „feiern“. Ryou unterdrückte das Grinsen und griff nach seiner Jacke. Herr Minamoto wartete vor dem Arztzimmer auf ihn. Ryou warf sich regelrecht in Bakuras Arme. „Ich bin wieder voll gesund“, trällerte er und küsste Bakura kurz. „Ich seh’s.“ Lächelnd strich Bakura Ryou die Haare zurück und küsste seine Stirn. „Jetzt musst du auch nicht mehr vorsichtig mit mir sein.“ Ryous Finger wanderten über Bakuras Brust und verschwanden unter dem Saum seines Pullovers. Bakuras Lächeln wandelte sich in ein Grinsen. „Klingt gut.“ Küssend sanken sie auf Bakuras Bett. Ryou schob den Stoff nach oben, während Bakura seine Hose öffnete. „Ich bin übrigens noch im Raum“, murrte Malik. Er saß auf seinem Bett mit diversen Papieren auf dem Schoß, einen Leuchtmarker in der Hand. „Hey!“ Doch die beiden Weißhaarigen ignorierten ihn vollständig. Malik verdrehte die Augen, packte seine Unterlagen und stapfte aus dem Zimmer. Draußen stand er unschlüssig auf dem Flur. Ob es okay war, wenn er zu Mariku ging? Oder würde ihn dieser nur ablenken? Er würde sein Glück einfach mal versuchen. Mariku hatte die Füße auf den Tisch gelegt und blätterte in einer Zeitschrift. Der Unterrichtsstoff, den sie zu lernen hatten, lag unberührt neben seinen Füßen. „Hey Ryou“, begrüßte er Malik ohne aufzusehen. „Nicht ganz.“ Vor Überraschung wäre Mariku fast mit dem Stuhl umgefallen. „Malik!“ „Ryou und Bakura sind etwas... beschäftigt. Kann ich hier lernen?“ „Klar.“ Mariku wedelte mit der Hand in der Luft. „Mach’s dir bequem.“ Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Zeitschrift, auch wenn er weniger entspannt war als zuvor. Ihr Umgang miteinander hatte sich deutlich gebessert, doch in den letzten Tagen waren sie nie allein in einem Raum gewesen. In der Gruppe war es für Mariku leichter seine Gedanken nicht auf Malik zu fokussieren und er war weniger nervös in seiner Gegenwart. Doch jetzt hatte sich sein Herzschlag merklich beschleunigt und es kostete ihn Kraft sich weiter auf den Text zu konzentrieren. Er wollte nur seine Krankheit wieder unter Kontrolle bringen, damit Malik sich keine Sorgen darüber machen muss, dass er wieder ausflippte. Sein Arzt hatte ihm versichert, dass es sich wieder beruhigte, aber Mariku selbst zweifelte noch. Malik zögerte kurz, dann setzte er sich auf Marikus Bett. Er winkelte die Beine an und lehnte die Blätter gegen seine Oberschenkel. Seine Augen flogen über den Text und hin und wieder setzte er den Stift an um eine wichtige Stelle zu markieren. Geschichte war nicht gerade seine Stärke und er hatte Probleme sich alles zu merken. Es war schon schwer genug herauszufinden, was von den ganzen Daten wirklich wichtig war. Malik gähnte und rieb sich den Nacken. Er sah auf. Mariku war immer noch in seine Zeitschrift vertieft. Maliks Blick blieb an seinen wilden Haaren hängen. Er war Atemus und Yuugis punkige Frisuren gewohnt, aber Marikus Haare waren wieder eine ganz andere Sache. Er wusste, dass sie weich und geschmeidig waren und Malik fragte sich, wie er das hinkriegte. Mariku merkte schnell, dass etwas nicht stimmte. Er vermisste das Rascheln der Blätter und das Geräusch, dass der Stift machte. Er legte die Zeitschrift auf den Tisch und drehte sich zu Malik um, der ihn anstarrte. Mariku zog seine Beine vom Tisch. „Was ist?“ „Ich frag mich nur, wie lang deine Haare wären, wenn sie glatt wären.“ „Ein bisschen länger als deine.“ „Hattest du sie schon mal glatt?“ „Nur wenn ich dusche.“ Mariku strich sich durch die Haare. „Meine Frisur ist angeboren.“ Malik lachte. „Ernsthaft?“ „Japp, die machen das von ganz allein.“ „Ich würd dich trotzdem gern mal mit glatten Haaren sehen.“ Diesmal war es Mariku der lachte. „Glaub nicht, dass ich alles für dich mache, nur weil ich verrückt nach dir bin. Nicht mal Bakura hat mich je so gesehen.“ Malik legte seine Blätter zur Seite und legte sich auf den Bauch. Mariku beobachtete jede seiner Bewegungen und leckte sich unwillkürlich über die Lippen. In seinem Bauch kribbelte es, aber es war ein gutes Kribbeln, ausgelöst von dem, was er für Malik fühlte und nicht von seiner Störung. „Ach komm schon, Mariku.“ „Dazu müsstest du mit mir duschen gehen.“ Mariku biss sich auf die Unterlippe, kaum hatte er die Worte ausgesprochen. War er zu weit gegangen? Er hätte das nicht sagen sollen. Er war bestimmt zu weit gegangen. Wieso war er nur so ein Idiot? Malik hasste es, wenn er solche Sachen sagte. Er hatte bestimmt wieder alles verdorben. Malik antwortete nicht sofort, was Mariku noch unruhiger werden ließ. Schließlich zuckte Malik mit einem leichten Grinsen auf den Lippen mit den Schultern. „Vielleicht.“ Mit offenem Mund starrte Mariku Malik an. Seine Fantasie spielte verrückt. Er spürte Maliks Finger in seinen nassen Haaren und seine Beine um seine Hüfte. Er drückte ihn gegen die Fliesen, währen das warme Wasser auf sie niederprasselte. Mariku schluckte und ballte die Hände zu Fäusten. Das Malik auf seinem Bett lag, war nicht gerade hilfreich. Mariku wandte den Blick ab. „Das werd ich nicht vergessen.“ Er sprach schnell, damit seine Stimme nicht zitterte. Er war so aufgeregt, dass er nicht mehr unterscheiden konnte, ob es eine gute oder eine schlechte Aufregung war. „Hab ich mir gedacht.“ Malik setzte sich wieder auf und schob seine Blätter zusammen. „Blöde Geschichte, ich kann mir den Scheiß nicht merken.“ Malik wechselte das Thema, damit die Sache nicht irgendwie ausartete. Er sah wieder auf als Mariku aufstand. „Alles klar mit dir?“ „Ja, sicher.“ Mariku öffnete seine Nachttischschublade und holte seine Medikamente heraus. Seine Symptome waren längst schwächer geworden und im Moment hatte er auch nicht das Gefühl die Kontrolle zu verlieren, doch sein Körper sandte widersprüchliche Signale aus und er wollte auf Nummer sicher gehen. „Sicher? Soll ich gehen?“ Malik war etwas nervös. Er wollte nicht wieder der Auslöser für irgendwas sein. Vielleicht war es falsch gewesen mit Mariku zu flirten. Konnte man es überhaupt noch flirten nennen? Es war ja doch ziemlich eindeutig gewesen. Verdammt, was hatte er sich dabei nur wieder gedacht? Er wusste immer noch nicht wirklich, wie er sich Mariku gegenüber verhalten sollte. Es war noch zu früh für sie einen neuen Versuch zu starten, darauf hatten sie sich geeinigt, aber war flirten denn okay? Er beobachtete wie Mariku eine Pille schluckte. „Nein, bleib.“ Mariku lächelte ihn, ließ die Packung zurück in die Schublade fallen und schloss sie mit dem Fuß. „Ich muss die Dinger ja noch ne Weile nehmen.“ Malik senkte den Blick. „Tut mir leid.“ „Ach“, Mariku legte eine Hand auf Marikus Kopf und brachte seine Haare durcheinander, „halt’s Maul.“ Kapitel 20 „Hey Malik!“ Jonouchi winkte ihm, als Malik aufsah. Er hob die Hand zum Gruß, doch Jonouchi kam sowieso näher. „Was gibt’s?“ Sie hatten seit einer Weile nicht mehr miteinander gesprochen und Malik fühlte sich etwas schlecht deswegen. Er wollte nicht, dass es den Eindruck machte, er habe Jonouchi und Honda nur ausgenutzt. „Honda und ich gehen am Wochenende aufs Festival in der Stadt. Willst du mitkommen?“ „Oh, sorry, aber ich geh schon mit Ryou und so.“ „Ah, ach so.“ Jonouchi sah nicht aus, als würde es ihm viel ausmachen. „Du und Mariku habt euch also wieder vertragen?“ „Kann man so sagen.“ „Naja, aber man sieht sich dann ja trotzdem auf dem Festival.“ „Ja klar.“ Jonouchi schenkte ihm ein breites Grinsen. „Cool!“ Er gab ihm ein „Daumen hoch“ und verschwand dann wieder. Malik schüttelte den Kopf. Jonouchi war schon wirklich ein komischer Vogel, aber Malik hatte ihn gern. Er war erleichtert, dass Jonouchi es ihm nicht übel nahm, dass er jetzt wieder mehr Zeit mit den anderen verbrachte. * Ryou ließ den Stift fallen, als die Schulglocke ertönte und streckte sich. „Endlich“, seufzte er. „Ich dachte schon, der Tag geht gar nicht mehr vorbei.“ „Ich auch“, murmelte Malik. Er hatte sich über seinen Tisch gestreckt und gähnte. „Ich will schlafen.“ Ryou lachte und räumte seine Sachen in die Schultasche. „Dafür würd ich dir aber nicht den Tisch empfehlen.“ Malik ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen und begann ebenfalls langsam seine Stifte wieder einzuräumen. „Gut, das wir erst morgen aufs Festival gehen, sonst würd ich währenddessen echt wegpennen.“ „Aber es sieht so aus, als würden wir echt gutes Wetter kriegen.“ Beide Jungen sahen aus dem Fenster. Die Sonne schien schon die ganze Woche über und der meiste Schnee war längst geschmolzen. Nur an manchen Stellen hielt er sich hartnäckig, doch der Frühling kam inzwischen mit großen Schritten und war nicht mehr aufzuhalten. Es war immer noch kühl draußen, doch Malik hatte die dicke Jacke inzwischen gegen eine dünnere getauscht. Er konnte es kaum erwarten bis er die Jacken ganz weglassen konnte. „Was braucht ihr eigentlich so lange?“ Bakura und Mariku standen an der Tür und Bakura tippte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. „Ich bin am Verhungern!“ „Ich vermiss die Krücke, da hat er mich nie so gehetzt“, flüsterte Ryou und schulterte seinen Rucksack. Malik lachte und nutzte den Tisch um sich hochzuhieven. Er hatte keinen großen Hunger und wäre am liebsten sofort ins Bett gefallen. Noch drei Wochen bis zu den Ferien und er konnte es kaum erwarten. Diesmal würde er beide Wochen zuhause verbringen und Nichts und Niemand würden ihn davon abhalten. Er vermisste sein eigenes Bett, die weiche Matratze und die kuschelige Decke. Langsam trottete Malik den anderen hinterher. Er wusste auch noch gar nicht, wie es nach diesem Schuljahr weitergehen sollte. Isis hatte gesagt, er müsse nur ein Jahr hier verbringen, wenn sich seine Noten verbesserten und das hatten sie. Ryou lachte über etwas, das Bakura gesagt hatte. Wollte er überhaupt noch zurück an seine alte Schule um dort das letzte Schuljahr zu machen? Würde er dann nicht wieder in den alten Trott verfallen? Vielleicht wäre es wirklich besser, wenn er hier blieb. Isis hätte sicher nichts dagegen. „Bist du in Ordnung?“ Mariku ging plötzlich neben ihm und Malik war nicht mal aufgefallen, dass er zurückgefallen war. Er sah Mariku an. „Ja, nur ziemlich müde.“ „Du wirst aber nicht krank, oder?“ Malik schüttelte den Kopf und lächelte. „Nein, nur müde.“ „Willst du dich dann nicht lieber hinlegen?“ Da war sie wieder; die Besorgnis in Marikus Stimme. Es war so ungewohnt und Malik fühlte sich etwas schlecht, dass sich ausgerechnet Mariku Sorgen um ihn machte. „Nach dem Essen.“ „Gut, morgen musst du fit sein. Es wird großartig.“ „Hast du nicht erst noch gesagt, das Festival wär scheiße?“, fragte Malik mit einem Schmunzeln. „Ich hab das Gefühl dieses Jahr wird’s richtig gut.“ Mariku zwinkerte ihm zu und holte dann rasch zu Bakura und Ryou auf. Malik dagegen blieb kurz stehen. In letzter Zeit verspürte er das Kribbeln häufiger und es war inzwischen viel leichter es zu akzeptieren. War er in Mariku verliebt? Es fiel ihm schwer es abzustreiten. * Malik ließ sich aufs Bett fallen kaum war er nah genug dran. Er kroch unter die Decke und machte sich gar nicht die Mühe sich umzuziehen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so erschöpft gewesen war. Und er wusste noch nicht einmal warum. Er war einfach nur müde und schlapp. Malik hoffte wirklich, dass er nicht doch noch krank werden würde. „Ich geh noch zu Ryou“, sagte Bakura und warf seine Tasche einfach aufs Bett. Malik reagierte nur mit einem kurzen Winken darauf. Er wartete bis Bakura aus dem Zimmer war um sich aufzusetzen und auszuziehen. Die Klamotten waren doch zu unbequem um darin zu schlafen. Seufzend ließ er sich wieder ins Kissen sinken und zog die Decke hoch. Aber würde er noch ein Jahr auf dieser harten Matratze aushalten? Malik rollte sich zur Seite. Noch drei Wochen bevor er sich in sein eigenes Bett fallen lassen konnte. Er gähnte. Er hatte Isis noch gar nicht Bescheid gegeben. Er würde sie am Sonntag anrufen. Seit er hier war, hatte sich auch das Verhältnis zu Isis erheblich verbessert. Lag wohl daran, dass sie sich nicht jeden Tag sahen. Malik lächelte leicht. Er gähnte noch einmal. Obwohl er so müde war, gingen ihm trotzdem tausend Gedanken durch den Kopf, die ihn nicht einschlafen ließen. Die Zimmertür öffnete und schloss sich leise. Malik hörte Schritte. Er drehte den Kopf und öffnete die Augen. „Mariku?“ „Oh hey, sorry.“ Mariku fasste sich verlegen an den Hinterkopf und setzte sich auf Bakuras Bett. „Ich will dich nicht stören, aber Bakura und Ryou sind mit rummachen beschäftigt und ich weiß nicht wirklich, wo ich hingehen soll. Wenn’s dich nicht stört, würd ich hierbleiben. Ich stör dich auch nicht beim Schlafen. Außer es ist dir unangenehm, dann geh ich wieder.“ Die Worte sprudelten regelrecht aus Mariku heraus. Malik drehte sich in Marikus Richtung. „Ist okay, ich kann irgendwie eh nicht einschlafen.“ „Soll ich dir ne Gute-Nacht-Geschichte erzählen?“ „Weißt du denn eine?“ „Nicht wirklich, aber ich kann mir eine ausdenken.“ „Ah ja? Ich bin ganz Ohr.“ „Okay“, Mariku räusperte sich, „es war einmal... ähm... ein Prinz und der hatte gläserne Schuhe und einen Wolf als Haustier. Er lebte in einem großen Palast, immerhin war er ja ein Prinz und sein Vater der König und Herrscher und so, aber der Prinz langweilte sich, weil seine Freunde waren alle Spießer.“ Malik lächelte. Er war wirklich gespannt in welche Richtung Marikus Geschichte gehen würde. „Deshalb ignorierte er den Befehl seines Vaters im Palast zu bleiben und schlich nach draußen. Sein Wolf war dabei um ihn zu beschützen. Er versteckte aber seine gläsernen Schuhe unter einer Hecke und ging barfuß durch die Stadt. Er trug natürlich einen Mantel mit Kapuze, damit ihn niemand erkennt, aber ich glaub sein Wolf ist ziemlich auffällig.“ Mariku legte nachdenklich die Stirn in Falten. „Darüber muss ich noch mal nachdenken... vergiss den Wolf, der ist im Palast geblieben. Also, der Prinz geht also durch die Stadt und ist ganz erstaunt von allem was er sieht, weil er ja sonst im Palast eingesperrt ist. Aber der Prinz hat Angst vor den Menschen, denn sie waren laut und mit weniger Manieren, also läuft der Prinz weg, aber er verläuft sich und obwohl er den Palast sehen kann, immerhin ist der ziemlich groß, findet er keinen Weg zurück.“ Mariku sah Malik an. „Schläfst du schon?“ „Nein, ich hör zu“, murmelte Malik. „Plötzlich tauchen diese Typen auf. Finstere Kerle und sie wollen den Prinzen ausrauben. Der Prinz hat Panik und schreit um Hilfe. Die Typen lachen, aber es kommt wirklich Hilfe. Ein Junge taucht auf, vertreibt die Typen mit seiner ähm magischen Axt und rettet damit den Prinzen. Der Prinz fällt dem Jungen überglücklich und dankbar um den Hals, dabei rutscht seine Kapuze vom Kopf und der Junge ist sofort überwältigt von der Schönheit des Prinzen. Er nimmt den Prinzen mit nach Hause zu seiner Großmutter und gibt ihm was zu essen. Der Prinz sagt, er muss zurück in den Palast, auch wenn sein Vater sehr wütend auf ihn sein wird. Der Junge schlägt ihm vor, dass er für immer bei ihm bleiben kann und ähm...“ Mariku hielt inne und überlegte, wie es weitergehen könnte. Er sah Malik an, der die Augen geschlossen hatte und gleichmäßig atmete. „Malik?“ Malik gab keine Antwort. Er war eingeschlafen. Mariku lächelte. „Und der Prinz verliebte sich in den Jungen und sie liefen zusammen weg und wenn sie nicht gestorben sind, dann lieben sie sich noch immer“, flüsterte Mariku. * „Jetzt hab ich das Ende deiner Geschichte gar nicht mitgekriegt“, sagte Malik leise. Sie standen in der Eingangshalle und warteten auf Ryou und Bakura. „Gab ein Happy End.“ „Ich will sie irgendwann nochmal hören.“ „Bis dahin hab ich mir was Besseres ausgedacht.“ Malik lächelte. „Bin gespannt.“ Er wandte den Blick von Mariku ab, als Ryou und Bakura endlich die Treppe runterkamen. „Ihr seid wie die Karnickel, wisst ihr das?“ Bakura hielt inne. „So nen Spruch hätt ich von Mariku erwartet, nicht von dir.“ Mariku legte einen Arm um Maliks Schulter. „Er ist ein guter Schüler.“ „Als ob ich für so was nen Lehrer bräuchte.“ Er boxte Mariku leicht in die Seite und Mariku ließ den Arm sinken. „Können wir dann endlich gehen?“ Malik zog seine Jacke an. „Wegen euch haben wir schon den ersten Bus verpasst“, maulte Mariku. Er hatte seine Jacke über den Arm gelegt. Bakura öffnete die Tür. „Wärst du an meiner Stelle, könnten wir den ganzen Abend vergessen.“ Mariku grinste. „Ich hab eben mehr Ausdauer als du.“ Malik schob seine Hände in die Jackentaschen. Er ging hinter Mariku und hörte mit schnell klopfendem Herzen zu. Das Thema machte ihn nervös. „Du kriegst nur den Hals nicht voll genug.“ „Und das ist schlecht weil?“ „Das ist anstrengend.“ „Womit wir wieder bei der Ausdauer wären.“ Sie waren nicht die einzigen Internatsschüler, die in den Bus einstiegen. Mariku ließ sich auf den erstbesten Sitz fallen und war etwas überrascht, dass sich Malik neben ihn setzte. Es freute ihn, aber er hatte nicht damit gerechnet. „Ich hoffe dieses Jahr gibt’s was Spannendes.“ Mariku legte den Arm auf die Rückenlehne und drehte sich halb zu Bakura um. „Es werden dieselben alten Fressstände sein und derselbe abgefuckte Autoscooter.“ „Du bist so negativ.“ „Ich nenne es realistisch.“ Malik lächelte, während er Marikus und Bakuras kleinem Streitgespräch lauschte. Er war ein bisschen neidisch. Obwohl er immer viele Freunde gehabt hatte, hatte er nie einen besten Freund gehabt. Als Kind war er zu oft umgezogen und in den letzten Jahren hatte er auch keine wirklich tiefgehenden Freundschaften entwickelt. Er mochte die Freunde, die er zuhause hatte, aber die Freundschaften waren alle nur oberflächlich. Er war sich sicher, keiner von ihnen vermisste ihn wirklich. Er seufzte leise. „Alles klar?“ Mariku veränderte seine Sitzposition, sodass er wieder nach vorne schaute. Dabei streifte seine Hand die von Malik. Malik sah auf ihre Hände und anschließend Mariku an. „Ja, alles gut.“ * „Wir müssen den Bus um halb elf zurücknehmen“, sagte Ryou, als sie ausstiegen. „Das ist der letzte, sonst sitzen wir hier bis morgen früh fest und wir kriegen sicher Ärger.“ „Ach Ryou“, Mariku legte einen Arm um seine Schulter, „du machst dir zu viele Gedanken darüber.“ Ryou schob Mariku von sich. „Bakura hat mir schon erzählt, dass ihr vor zwei Jahren den Bus verpasst und dann Megaanschiss gekriegt habt.“ „Ihr solltet mehr Sex haben und weniger reden.“ Mariku lachte, als Bakura nach ihm trat. Es waren viele Menschen auf dem Festival unterwegs, die es nutzten, dass das Wetter endlich besser geworden war. Sie hatten Schwierigkeiten durch die Menge zu kommen, doch auch Mariku machte es ihnen nicht einfach, denn er schien an jedem zweiten Stand etwas essen zu wollen. „Ah, ich wünschte, ich hätte meinen Kimono an“, seufzte Ryou und betrachtete mit glänzenden Augen eine Gruppe traditionell gekleideter Frauen. „Sähe sicher süß aus.“ „Ziemlich süß sogar.“ Ryou streckte das Kinn in die Höhe. Schließlich lachte er. „Habt ihr auch welche?“ Mariku und Bakura schüttelten den Kopf. „Meine Schwester hat mir mal einen Yukata gekauft, aber ich hatte ihn noch nie an.“ Mariku ließ das Takoyaki-Bällchen sinken, dass er gerade essen wollte und starrte Malik an. Malik entging der Blick nicht. „Was ist?“ Mariku schüttelte nur den Kopf und stocherte mit dem Piekser in dem Bällchen herum. „Sag’s mir.“ Mariku grinste leicht. „Besser nicht.“ „Seit wann so schüchtern?“ „Seit wann willst du meine dummen Sprüche hören?“ „Seit jetzt!“ Mariku winkte Malik näher zu sich und beugte sich schließlich nach vorne zu seinem Ohr. „Ich stell’s mir nur ziemlich heiß vor, wenn du nichts trägst außer einem Yukata, am besten so einen kurzen.“ Malik stieg die Hitze ins Gesicht. Er trat einen Schritt von Mariku weg und drehte ihm den Rücken zu. Er wusste genau, dass Marikus Fantasie noch weiter ging. Er schluckte. Vielleicht wäre es wirklich besser gewesen, Mariku hätte es ihm nicht gesagt, aber wenn er wirklich mit Mariku zusammen sein wollte, dann musste er auch wissen, welche Fantasien er hatte. „Hätt ich nur nichts gesagt“, murmelte Mariku und schob sich das Takoyaki-Bällchen in den Mund. Leicht grinsend drehte Malik sich um. „Nein, war in Ordnung.“ „Was hat er dir gesagt?“, wollte Ryou wissen. Er hatte versucht zu lauschen, doch es war zu laut um sie gewesen. Malik sah ihn an. „Geheimnis.“ Der Autoscooter machte keinen vertrauenserweckenden Eindruck auf Malik. Bakura hatte ihn „abgefuckt“ genannt und hatte damit mehr als nur Recht. Mariku schien das aber nicht zu stören. Er rutschte unruhig auf dem Sitz hin und her, die Plastikmünze zwischen den Finger drehend. Malik war nervös. Er wusste nicht, ob er Mariku wirklich traute, was die Steuerung des Scooters anging. Der Zweifel schien ihm ins Gesicht geschrieben zu sehen, denn Mariku sagte: „Keine Sorge, ich bin ein Profi.“ Malik hielt sich trotzdem an der Seite fest. Bakura und Ryou saßen in einem Scooter auf der anderen Seite und man musste nicht Hellsehen können um zu wissen, dass sich Mariku und Bakura über die ganze Fahrfläche jagen würden. Mariku drückte die Plastikmünze in den Schlitz, als das Startsignal erklang und trat das Pedal voll durch. Der Fronttalzusammenstoß mit Bakura ließ nicht lange auf sich warten. Die beiden Freunde lachten, während Ryou nur schmunzelnd die Augen verdrehte. Mariku und Bakura waren komplett aufeinander fixiert, während Malik den Blick kaum von Mariku abwandte. Er hatte ihn noch nie so ausgelassen erlebt und auch noch nie so herzhaft lachen sehen. Der Anblick ließ sein Herz ein bisschen schneller schlagen. Plötzlich wurde Malik gegen Mariku gedrückt, als sie ein anderes Auto von der Seite rammte. Sie wandten beide den Kopf. Zwei Jugendliche grinsten sie dumm an. Einer von ihnen zeigte ihnen den Mittelfinger, während der andere rückwärts lenkte. Mariku knurrte. Die gute Stimmung von zuvor war verflogen und Marikus Aufmerksamkeit schwankte von Bakura zu den Beiden, die sie angefahren hatte. Energisch riss Mariku das Steuer herum. „Diese Bastarde!“ „Mariku, beruhig dich.“ Malik legte ihm die Hand auf den Arm, doch Mariku schüttelte sie ab. Er steuerte auf die jungen Männer zu, doch bevor er sie erreichte, kam das Auto zum Erliegen. Wütend schlug Mariku gegen das Lenkrad. Die zwei Jungen lachten und deuteten mit dem Finger auf sie. Mariku sprang regelrecht aus dem Wagen. „Mariku!“ Malik folgte ihm sofort und warf einen hilfesuchenden Blick zu Bakura, der ihn alarmiert erwiderte. Die Zwei hatten sich einer Gruppe Jugendlicher angeschlossen und Malik wurde immer unwohler zumute. Das gab nur Ärger, doch seine Versuche auf Mariku einzureden brachten nichts. Bakura hatte zu ihnen aufgeholt, tat jedoch noch nichts, sondern wartete ab. Mariku blieb vor der Gruppe stehen. „Hey! Was sollte das?“ Einer der Jungen trat vor. Es war der Fahrer des Scooters. „Das ist Autoscooter, Mann, da rammt man andere, das gehört dazu.“ Malik wunderte sich ebenfalls schon die ganze Zeit darüber, warum Mariku so wütend war. Sie waren ständig von anderen gerammt worden, also warum flippte er bei ihnen so aus? „Oder bist du so ne Pussy, dass du jetzt gleich heulend zu Mama rennst, weil wir dich ein bisschen geschubst haben?“ Die Gruppe lachte und Mariku ballte die Hände zu Fäusten. Malik stellte sich vor Mariku und legte ihm die Hände auf die Brust. „Beruhig dich bitte“, murmelte er. Der Abend hatte bisher so viel Spaß gemacht, Malik wollte nicht, dass er durch eine Schlägerei versaut wurde. „Ja Kumpel, hör auf deinen Freund.“ Der Sprecher spuckte auf den Boden. „Ey, sind die nicht vom Internat?“ Malik blickte über die Schulter. Es war der größte der Gruppe, der gesprochen hatte. „Bestimmt Schwuchteln.“ Wieder lachte die Gruppe. Malik erstarrte. Das war der Moment, vor dem er die ganze Zeit Angst gehabt hatte. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals und ihn überkam das Bedürfnis wegzulaufen, doch seine Beine verweigerten ihm den Dienst. Wie angewurzelt stand er da, die Finger leicht in Marikus Sweater gekrümmt. „Ey, voll abartig, aber kein Wunder, dass er so ne Pussy ist, lässt sich bestimmt von allem möglichen durchficken.“ Malik wollte etwas sagen und diesen Typen so richtig Konter geben, doch seine Kehle war wie zugeschnürt. Er starrte auf seine Hände und schaffte es nicht mal Mariku anzusehen. Die Beleidigungen, die sie ihnen zuwarfen, widerhallten in seinem Kopf und am liebsten hätte er alles abgestritten. Er war nicht so. Er war nicht so. Er war nicht so. Plötzlich war Mädchengekicher zu hören und Malik hob doch den Blick. Nicht weit von ihnen standen drei Mädchen, die die ganze Szene beobachteten, lachend und kichernd und mit dem Finger auf sie zeigend. Malik presste die Lippen aufeinander und senkte den Blick erneut. Er fühlte sich wie im Zoo. Die ganze Welt schien ihn anzustarren und mit dem Finger auf ihn zu zeigen. „Verpisst euch“, schnauzte Mariku die Mädchen an, welche überrascht fiepten und schnell weitergingen. Mariku legte seine Hände an Maliks Oberarme und drückte sie leicht. Malik sah auf, doch Mariku starrte die Jugendlichen an. Er schob Malik zur Seite und packte den erstbesten von ihnen am Kragen. „Ich zeig dir gleich, wie ich Schwuchtel dir die Fresse poliere, sodass dich deine Mama nicht mehr erkennt.“ Das war der Moment, in dem Bakura eingriff. Er legte Mariku den Arm um den Hals und zog ihn von der Gruppe weg. „Wir gehen!“ „Lass mich los! Ich schlag ihnen die Zähne aus!“, maulte Mariku und wollte Bakuras Arm wegziehen, doch plötzlich war auch noch Ryou da, der seinen Arm packte und gemeinsam zogen sie ihn von den Jugendlichen weg. Diese machten keine Anstalten ihnen zu folgen, doch ließen es sich nicht nehmen ihnen Beleidigungen hinterher zu rufen. Malik ging ihnen langsam hinterher, doch beschleunigte dann seine Schritte um den Anschluss nicht zu verlieren. Erst als sie ausreichend Abstand zwischen sich und die anderen Jungen gebracht hatten, ließ Bakura den, immer noch schimpfenden, Mariku los. „Ich hätt’s diesen Bastarden gezeigt!“ „Ich denke, du hast jetzt jemand anderen um den du dich kümmern solltest“, erwiderte Bakura leise und nickte in Maliks Richtung. Das Nicken wäre jedoch nicht notwendig gewesen. Mariku hatte zuvor schon gemerkt, dass die Worte Malik sehr getroffen hatten. Letztendlich war er froh, dass es zu keiner wirklichen Auseinandersetzung gekommen war. Bakura nahm Ryou an der Hand und führte ihn weg, während Mariku die kurze Distanz zwischen sich und Malik überbrückte. „Ist alles in Ordnung?“, fragte Mariku mit ruhiger Stimme. Seine Wut war verflogen, er musste sich auf Malik konzentrieren. „Klar“, sagte Malik sofort, doch seine Stimme war dünn und zitternd und das Lächeln gequält. „Sorry“, flüsterte Mariku und legte ihm seine Hand erst auf die Schulter, bevor er ihm in den Nacken strich. „Ich hätt nicht so ausflippen sollen.“ Malik zuckte nur mit den Schultern. Er sehnte sich ins Internat zurück. Er wusste nicht, wie er mit der vorhergehenden Situation umgehen sollte oder ob er überhaupt damit umgehen konnte. Er konnte das nicht... „Ich bin immer da.“ Plötzlich fand er sich in Marikus Umarmung wieder. „Vergiss diese Idioten.“ Er spürte Marikus Atem an seinem Ohr. „Ist doch egal, was die sagen.“ Ja, das hatte Isis auch gesagt. Für sie war es in Ordnung, wenn er mit Mariku zusammen wäre. Für Rishid auch. Für Bakura und Ryou ebenfalls. Es war alles in Ordnung... oder? Wieder hörte er das Lachen und sah die Mädchen mit dem Finger auf ihn zeigen. Malik presste die Augen fest zusammen und erwiderte Marikus Umarmung. „Ich bin da“, flüsterte Mariku und legte eine Hand auf Maliks Hinterkopf. „Soll ich dir was Süßes zur Beruhigung kaufen?“ Malik sah ihn an und schmunzelte. „Musst du dich nicht auch beruhigen?“ Mariku grinste. „Okay, ich kauf uns beiden was, warte hier.“ Malik atmete tief durch, nachdem Mariku ihn allein gelassen hatte. Er musste wirklich lernen, sich weniger um die Meinungen anderer zu kümmern. Er ließ den Blick schweifen bis sein Blick den von Ryou traf. Er sah besorgt aus, weshalb Malik lächelte und ihm ein „Daumen hoch“ gab. Ryou erwiderte die Geste. „Ich hab gar nicht gefragt, was du magst.“ Mariku hielt ihm einen kandierten Apfel hin. „Passt schon.“ Malik nahm ihm die Süßigkeit ab. „Geht’s dir etwas besser?“ Malik nickte schwach. „Muss mich nur dran gewöhnen.“ „Nein, musst du nicht. Du musst solchen Typen auf die Fresse hauen, dann vergehen denen die dummen Sprüche!“ Malik lachte. „Die sind den Ärger doch gar nicht wert.“ „Das ist auch ne gute Einstellung. Lass uns mal wieder zu den anderen beiden gehen.“ Malik zögerte kurz, doch dann griff er nach Marikus Hand. Verlegen sah er zur Seite und sein Herz klopfte aufgeregt. Mariku hob überrascht die Augenbrauen, sagte jedoch nichts. Er drückte Maliks Hand und lächelte. * „Nur noch fünf Minuten“, jammerte Mariku, als Ryou sie schon zum zweiten Mal darauf aufmerksam machte, dass sie zur Bushaltestelle gehen mussten. Doch Ryou blieb unnachgiebig. „Dann fahren halt nur Malik und ich zurück und ihr könnte hier in der Kälte schlafen.“ Malik stimmte ihm nickend zu. „Dein Freund ist echt knallhart.“ „Wem sagst du das“, sagte Bakura seufzend. „Ich dachte auch, er wäre süß.“ Ryou zog eine Grimasse. „Nix da mit süß! Und jetzt kommt endlich.“ Ryou drehte sich auf dem Absatz um, Malik folgte ihm. Bakura und Mariku sahen sich kurz an, zuckten mit den Schultern und gingen ihnen schließlich hinterher. Der Gedanke in der Kälte zu schlafen war wirklich nicht sehr ansprechend. Malik rutschte tiefer in den Sitz und lehnte den Kopf gegen die Scheibe. Trotz des anfänglichen Ärgers war es doch noch ein schöner Abend geworden. Sie hatten Lose gezogen, doch außer Taschentüchern und Kugelschreibern nichts gewonnen. Mariku war ständig mit einer anderen Süßigkeit angekommen, weshalb Malik jetzt etwas schlecht war. Das war genug Zucker für die nächsten Wochen gewesen. Sie hatten mehrere Mitschüler getroffen, darunter auch Jonouchi und Honda, doch waren nie lange in deren Gesellschaft geblieben. Malik fühlte sich ausgelaugt, nicht nur körperlich, sondern auch emotional. Auch wenn sich die anderen viel Mühe gegeben hatten, ihn abzulenken, waren seine Gedanken doch hin und wieder zu den Bezeichnungen gewandert, die man ihnen an den Kopf geworfen hatte. Er konnte es einfach nicht vergessen und es fiel ihm schwer „drüberzustehen“. Er bewunderte die anderen dafür, dass sie das scheinbar so leicht wegsteckten und es sie gar nicht zu berühren schien. Marikus Hand wanderte in seinen Nacken und strich leicht darüber. Malik schloss die Augen. Mariku hatte das den ganzen Abend über öfter getan und Malik empfand es als angenehm und auch irgendwie entspannend. Malik beteiligte sich nicht am Gespräch der anderen Drei. Er bekam noch nicht einmal mit, über was sie sich überhaupt unterhielten. Er döste vor sich hin und konnte es kaum erwarten sich hinzulegen. Malik schreckte hoch, als Mariku leicht an seiner Schulter rüttelte. „Wir sind da.“ Malik streckte sich und gähnte. Die frische Nachtluft sorgte dafür, dass er sich wieder etwas frischer fühlte, doch er hörte sein Bett schon nach sich rufen. Mariku und Malik gingen mit einem leichten Abstand hinter Bakura und Ryou, bis Malik Mariku am Arm packte und damit zum Stehenbleiben zwang. „Was ist los?“, wollte Mariku wissen. Bakura drehte sich um, doch Malik winkte ihm weiterzugehen. Er wollte kurz mit Mariku allein sein. „Alles in Ordnung?“ „Ja, schon, es ist nur...“ Malik wusste nicht, wie er es ausdrücken sollte. Er war noch nie gut darin gewesen seine Gefühle zu zeigen, besonders nicht die, die er im Moment empfand. Mariku sah ihn abwartend an, drängte ihn aber nicht weiterzureden. „Es war schön heute“, sagte Malik leise, „abgesehen von diesen Idioten.“ Wieso klangen seine Worte in seinen Ohren nur so dumm? „Es war schön heute“, was für ein Mist. „Fand ich auch“, stimmte Mariku zu. Malik atmete tief durch, lehnte sich vor und küsste Mariku. Der Kuss war kurz, doch länger als der, den er ihm in den Ferien gegeben hatte. Sein Herz raste und von der vorherigen Müdigkeit merkte er gar nichts mehr. Er hoffte nur, dass es okay gewesen war Mariku zu küssen. Sie hatten nicht mehr darüber gesprochen, ob sie jetzt so weit waren oder nicht, aber Malik fühlte sich langsam bereit dazu. Obwohl das heutige Erlebnis einen bitteren Beigeschmack für ihn hatte, hatte es seinen Gefühlen keinen Abbruch getan. „Sorry“, murmelte Malik, nachdem Mariku nicht reagierte. Mariku lachte. „Das ist bestimmt das Letzte für das du dich entschuldigen musst.“ Diesmal war er es, der Malik küsste. Es war ebenfalls nur ein kurzer Kuss, doch für den Anfang war das ausreichend. „Aber jetzt lass uns reingehen, weil es ist echt kalt.“ Malik hatte seine Hand in seinen Haaren vergraben und versuchte sich krampfhaft an die Daten großer Schlachten der Vergangenheit zu erinnern. Er wusste noch nicht einmal in welchem Jahrhundert er sie einordnen musste. Malik lehnte sich zurück und ließ seinen Blick schweifen. Jeder saß über seine Klausur gebeugt. Sein Blick wanderte zu Mariku. Selbst Mariku schrieb ohne den Stift einmal abzusetzen sein Blatt voll, dabei hatte Malik ihn nicht einmal lernen sehen. Malik seufzte leise und beugte sich wieder über seine Klausur. Er hasste Geschichte. Malik ließ seinen Kopf auf den Tisch sinken und gab gequälte Geräusche von sich. „Was los?“, fragte Mariku und schob sich eine Krokette in den Mund. „Ich bin so froh, dass die Klausur vorbei ist.“ Malik war nicht sonderlich hungrig, der Test lag ihm noch schwer im Magen. „Meine Schwester bringt mich um.“ „Wieso sollte sie? Selbst wenn du’s vergeigst, sind deine Noten doch echt gut.“ Malik setzte sich auf und zog seinen Teller näher, schob das Essen jedoch nur hin und her. „Aber sie wird mich mit diesem ‚Ich bin so enttäuscht von dir, wie konntest du ausgerechnet in Geschichte versagen‘-Blick ansehen.“ Er stach die Gabel in eine der Kroketten. „Warum?“ „Sie leitet ein Museum und Geschichte ist ihr regelrecht heilig.“ „Oh!“ Ryou wurde hellhörig. „Wirklich? Was für eins?“ „Hauptsächlich ägyptischer Kram.“ „Echt? Cool!“ Ryous Interesse überraschte Malik. Es kam nur selten vor, dass jemand über diese Information so begeistert war wie Ryou im Moment. „Ist nichts Besonderes.“ Was eine Untertreibung war. Das Museum war riesig und deckte einen großen Teil ägyptischer Geschichte ab. „Ich würd gern mal hin.“ Ryou bemerkte, dass seine Freunde ihn anstarrten und schrumpfte etwas auf seinem Platz zusammen. „Naja, Papa arbeitet als Archäologe und ist hauptsächlich in Ägypten unterwegs, deshalb interessiert mich das auch etwas“, sagte er etwas kleinlaut. „Willst du auch mal Archäologe werden?“, fragte Bakura. Ryou zuckte mit den Schultern. „Ich glaub nicht. Ständig unterwegs sein liegt mir nicht so.“ „Hast du dir schon überlegt, was du nach der Schule machen willst?“ Wieder zuckte Ryou mit den Schultern. Er hatte sich schon öfters den Kopf darüber zerbrochen, aber war zu keinem Ergebnis gekommen. „Nicht wirklich. Habt ihr euch schon Gedanken gemacht?“ Malik und Bakura schüttelten den Kopf. „Nie wieder eine Schule betreten“, war Marikus Antwort. „Isst du deine Kroketten noch?“ Malik schob ihm seinen Teller hin. „Du kannst ja zu mir kommen, wenn du möchtest“, sagte er zu Ryou. „Dann kannst du dir das Museum ansehen.“ „Wirklich?“ „Sicher, Isis freut sich, wenn sich mal jemand dafür interessiert.“ „Oh, das wär so toll!“ Ryou strahlte richtig. „In den Sommerferien vielleicht?“ „Klar.“ „Super, ich freu mich.“ Mit plötzlichem Heißhunger stürzte sich Ryou auf sein Mittagessen. Mariku dagegen war dazu übergangen in seinem Essen zu stochern. Er starrte die Kroketten an und hatte die Lippen aufeinander gepresst. Mariku verspürte eine leichte Eifersucht, die wie ein Knoten in seinem Bauch saß. Er wollte Malik auch besuchen. Er warf Malik einen kurzen Seitenblick zu. Ob er auch zu ihm kommen konnte? Doch er traute sich nicht ihn zu fragen. Malik war derjenige, der das Tempo in ihrer Beziehung vorgab und er wollte ihn nicht drängen. Malik stand auf. „Ich bin mal eben telefonieren.“ Über Isis zu reden hatte ihn daran erinnert, dass er schon letzte Woche vorgehabt hatte sie anzurufen, es dann aber vergessen hatte. Er hatte ihr auch noch gar nicht gesagt, dass er über die Ferien nach Hause kommen wollte. „Malik!“ Malik hob die Augenbrauen. Isis klang ungewohnt fröhlich und er sprach sie auch darauf an. „Darf ich mich nicht freuen von meinem kleinen Bruder zu hören?“ Malik verengte die Augen. „Du bist neugierig, was zwischen mir und Mariku ist, nicht wahr?“ „Ja“, gestand Isis. „Sowas hat dich doch noch nie interessiert.“ Malik lehnte sich mit der Schulter gegen die Wand und beobachtete seine Mitschüler, die draußen die Sonne genossen. Und obwohl er Isis‘ Gesicht nicht sah, wusste er, dass sie die Lippen für einen Moment aufeinander presste. „Du hast dir nie viel aus diesen Mädchen gemacht, also hab ich’s auch nicht getan.“ Damit hatte seine Schwester den Nagel auf den Kopf getroffen. „Warum denkst du, dass es diesmal anders ist?“ „Weil du mit mir darüber geredet hast und ich hatte auch den Eindruck, dass es dir sehr wichtig ist.“ Ein kurzes Lächeln huschte über Maliks Lippen. „Ich will übrigens in den Ferien nach Hause.“ „Wechsel nicht das Thema.“ Malik lachte leise. „Du bist wirklich neugierig.“ „Jetzt erzähl’s mir schon.“ Malik schloss die Augen. Es war lange her seit er so locker mit seiner Schwester hatte reden können. Besonders das letzte Jahr hatten sie vor allen Dingen streitend verbracht. „Wir sind zusammen“, sagte er leise und öffnete seine Augen wieder. Er zuckte leicht zusammen, als jemand nah am Fenster vorbeilief. „Und bist du auch glücklich mit dieser Entscheidung?“ Malik wandte seinen Blick vom Fenster ab. „Ja, ich denke schon.“ „Und du willst in den Ferien nach Hause?“ „Jo.“ „Bringst du ihn mit?“ Vor Überraschung hätte Malik fast den Hörer fallen lassen. „Was?“ „Bring ihn doch mit. Ich würd ihn gerne kennen lernen.“ Malik antwortete nicht, sondern sah nur zu Boden. Er hatte nicht einmal darüber nachgedacht, was Mariku überhaupt in den Ferien machen würde. Ryou hatte ihm erzählt, dass er die Ferien zusammen mit Bakura verbringen würde, was bedeuten würde, dass Mariku ganz alleine wäre. Malik presste die Lippen aufeinander. Er war nicht gerade ein guter Freund. „Malik?“ „Hm?“ „Du musst ihn nicht mitbringen. Er will sicher auch Zeit mit seiner Familie verbringen.“ Seine Familie. Erst jetzt wurde Malik klar, wie wenig er wirklich über Mariku wusste. Er wusste noch nicht einmal etwas über seine Eltern oder bei wem er überhaupt lebte. Wann hatte er Geburtstag? Was aß er am liebsten? „Malik, bist du noch dran?“ „Ja, tut mir Leid. Ich frag ihn mal.“ „Gut, dann holen wir dich oder euch am Freitagnachmittag ab.“ Sie verabschiedeten sich. „Alles klar bei dir zuhause?“ Malik nickte. Ihm brannte die Frage, ob Mariku die Ferien bei ihm verbringen wollte, auf der Zunge, doch sie auszusprechen fiel ihm schwerer als erwartet. Sie waren zusammen, er sollte nicht solche Schwierigkeiten haben Mariku etwas zu fragen und doch kamen die Worte nicht über seine Lippen. „Malik?“ Mariku berührte ihn sanft am Arm. „Bei dir alles klar?“ „Ja, sorry.“ Er strich sich eine Strähne zurück. „Jetzt, wo die Klausur vorbei ist, bin ich irgendwie echt müde.“ Er lächelte schwach. „Dann ruh dich aus.“ Mariku ergriff seine Hand und zog ihn mit sich. Malik stolperte im ersten Moment vor Überraschung, doch fing sich schnell wieder und ging neben Mariku. Sein Herz schlug merklich schneller, während er sich auf Marikus Hand konzentrierte. Seit sie zusammen waren, hatten sie nur wenig „Pärchen-Kram“ gemacht. Hier ein Kuss, da ein Kuss und die meisten Berührungen gingen von Mariku aus. Malik hätte sich früher nie als schüchtern bezeichnet, doch er war so nervös und zurückhaltend in dieser Beziehung, dass er sich selbst nicht wiedererkannte. Nicht, dass er das als negativ empfand. Er bereute seine Entscheidung nicht, doch nervös war er trotzdem. Mit Mariku fühlte es sich anders an und er hatte Angst etwas falsch zu machen und sich zu blamieren. Mariku hatte so viel mehr Erfahrung als er. Was, wenn er etwas von ihm erwartete, dass er ihm nicht geben konnte? Der Gedanke verunsicherte ihn nur noch mehr. Sie blieben vor der Zimmertür stehen und Mariku ließ seine Hand los. Malik vermisste die Wärme sofort. „Wenn du willst, kannst du später noch rüberkommen.“ Er küsste Malik und dieser merkte, wie seine trüben Gedanken verflogen. Er brauchte sich keine Sorgen machen. Es war alles gut. Ihr Kuss währte nicht lange und Malik hing das „mehr“ förmlich auf den Lippen, doch er sprach es nicht aus. Mariku hatte erst vor kurzem sein Medikament wieder abgesetzt und Malik wollte nichts riskieren. „Außer sie treiben’s wieder miteinander, dann bin ich geflohen.“ Mariku grinste. „Und sie sagen, ich sei schlimm.“ Malik grinste jetzt ebenfalls. „Bist du auch!“ „Hey, ich arbeite an mir.“ „Ach ja? Etwa für mich?“ „Vielleicht.“ Sie lachten und es war Malik, der diesmal Mariku küsste. Wieder nur kurz, auch wenn es ihm schwer fiel seine Lippen von Marikus zu lösen. „Ruh dich aus“, sagte Mariku leise und Malik nickte. Malik vergrub sein Gesicht im Kissen. Gerade eben hatte er die perfekte Gelegenheit gehabt Mariku zu fragen, aber er hatte wieder andere Dinge im Kopf gehabt und einfach nicht mehr daran gedacht. Er ärgerte sich über sich selbst. Der Gedanke zwei Wochen mit Mariku allein zu sein sorgte für Herzklopfen. Im Internat schien ständig jemand um sie zu sein und selbst wenn sie einmal allein waren, hatte er immer das Gefühl, dass sie im nächsten Augenblick von jemandem gestört werden könnten. Zuhause wäre er auch in vertrauter Umgebung, vielleicht würde das auch dafür sorgen, dass er etwas auflockerte. Malik drehte sich auf den Rücken, das Kissen immer noch in den Armen. Sofern Mariku überhaupt zu ihm kommen wollte. Vielleicht hatte er auch andere Pläne. Obwohl er die Winterferien auch an der Schule verbracht hatte. Malik umarmte das Kissen fester. Er sollte ihn einfach fragen und sich nicht so anstellen. Aber was sollte er dann mit ihm unternehmen? Er war noch nie sonderlich gut darin eine Beschäftigung zu finden, sonst hatte er einfach immer Party gemacht. Und was, wenn er seinen alten Freunden begegnete? Sie würden ihn bestimmt sehen wollen. Wie sollte er ihnen Mariku vorstellen? Er wollte nicht, das Mariku dachte, dass er sich für ihn schämte, aber er hatte auch Angst vor der Reaktion der anderen. Malik drehte sich auf die Seite. Er wusste nicht, ob er sich dem schon stellen konnte. Mit einem Ruck setzte Malik sich auf, machte einen frustrierten Laut und warf das Kissen von sich. Bakura fing es auf. „Was ist denn mit dir los?“ Malik sah ihn kurz an, dann wandte er seinen Blick wieder ab. „Weißt du, was Mariku in den Ferien macht?“ Das Kissen traf ihn am Kopf und fiel dann auf den Boden. „Er ist dein Freund, also solltest du ihn fragen“, erwiderte Bakura mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. Malik streckte sich um das Kissen aufzuheben. „Ja“, sagte er leise. Er legte das Kissen auf seinen Platz zurück und streckte sich auf der Matratze aus. „Willst du ihn einladen?“ „Wie kommst du drauf?“, fragte Malik zögerlich. „Sonst hättest du mich das kaum gefragt.“ Malik seufzte. „Ja, ich will ihn fragen. Denkst du es ist eine gute Idee?“ Als Bakura nicht antwortete, drehte Malik den Kopf um ihn anzusehen. Für einen Moment sah Bakura ernst aus, dann verzogen sich seine Lippen zu einem erneuten Lächeln. „Fraaag ihn.“ Malik stieß hörbar Luft aus. „Jaja!“ Er setzte sich auf. „Du bist keine große Hilfe, weißt du das?“ „Ja“, antwortete Bakura mit einem gewissen Stolz in der Stimme. Malik verdrehte die Augen und stand auf. „Ich mach’s gleich.“ Doch als er vor Marikus Zimmertür stand, verließ ihn der Mut erneut. Wieso machte ihn das so nervös? Und wieso stellte er sich so an? Malik nahm einen tiefen Atemzug und riss mit Schwung die Tür auf. „Mariku!“ Krachen folgte, als Mariku vor Schreck mit dem Stuhl umfiel und auch Ryou, der auf dem Bett saß, zuckte zusammen. „Oh, sorry“, murmelte Malik. Etwas unbeholfen kam Mariku wieder auf die Beine und rieb sich das Steißbein. „Was ist passiert?“ „Ähm“, Malik schluckte, „hast du kurz Zeit?“ „Klar.“ Mariku stellte noch den Stuhl auf und folgte anschließend Malik nach draußen. Malik schlug das Herz bis zum Hals und er spürte die Hitze in seinen Wangen. „Tut mir leid.“ Mit einem leichten Grinsen auf den Lippen winkte Mariku ab. „Ist nicht das erste Mal, dass ich umfalle.“ Sein Grinsen wurde etwas breiter. „Zumindest ist der Stuhl diesmal heil geblieben.“ Sein Blick ruhte auf Malik und sein Gesichtsausdruck wurde wieder ernst. „Also, was ist?“ „Lass uns rausgehen, okay?“ Malik versuchte zu lächeln, doch Marikus Gesichtsausdruck nach zu schließen, gelang ihm das nicht wirklich. Schnell richtete er seinen Blick wieder nach vorne. Mariku war angespannt. Es wusste, dass Malik noch verunsichert war von ihrer Beziehung, auch wenn er sich wirklich Mühe gab. Mariku bedeutete das viel. Trotz seiner Unsicherheit wollte Malik diese Beziehung und auch, wenn sich Mariku dessen sicher war, war ihm jetzt kotzübel vor Aufregung. Über was wollte Malik mit ihm reden? Als Malik draußen nach seiner Hand griff, fiel etwas Anspannung von Mariku ab. Es passierte nicht oft, dass Malik die Initiative ergriff, doch jedes Mal, wenn er es tat, verstärkte dass das Kribbeln, das Mariku ständig in Maliks Nähe verspürte. Obwohl den ganzen Tag die Sonne geschienen hatte, war es kalt, doch die beiden Jungen waren zu aufgeregt um es zu bemerken. Malik räusperte sich und griff Marikus Hand etwas fester. Es war eine ganz einfache Frage; kein Grund nervös zu sein. Er sah kurz zu Mariku, doch wandte den Blick wieder ab, als er sah, dass dieser in ansah. Er räusperte sich noch einmal. Sein Mund fühlte sich trocken an und seine Zunge schwer. Mariku begann mit seinem Daumen über seine Haut zu streichen. Es war ein beruhigendes Gefühl. „Ich hab ja heut mit Isis telefoniert“, fing er an. Mariku blieb still und sah Malik abwartend an. „Und ich hab ihr auch von uns erzählt.“ Mariku hob die Augenbrauen und sein Körper spannte sich wieder an. „Sie fragt, ob du die Ferien vielleicht zu uns kommen willst?“ Maliks Stimme war gegen Ende hin immer leiser geworden. Mariku blieb überrascht stehen und starrte Malik mit großen Augen an. Maliks Herz schlug so schnell, als wollte es ihm gleich aus der Brust springen. Das Warten auf eine Antwort glich der reinsten Qual. Für Malik vergingen gefühlt Stunden, bis Mariku endlich etwas sagte. „Willst du denn auch, dass ich zu dir komme?“ Malik spürte das Brennen in seinen Wangen. Er nickte schnell und sah verlegen zur Seite. „Aber wenn du lieber Zeit mit deiner Fami...“ Doch er hatte das Wort noch gar nicht richtig ausgesprochen, als Mariku ihn schon unterbrach: „Nein! Ich will lieber bei dir sein.“ Malik überkam eine plötzliche Welle der Zuneigung. Er lächelte Mariku an. „Das freut mich.“ Mariku küsste ihn kurz. „Und mich erst“, flüsterte er gegen Maliks Lippen. „Hör auf zu lachen!“ Was hatte er sich dabei nur gedacht? „Hör auf zu lachen, hab ich gesagt!“ Doch Bakura lachte nur noch lauter. Mariku trat nach ihm, doch sein Bein war nicht lang genug. Frustriert ließ er sich in seinen Stuhl zurücksinken. Er hatte zugesagt die Ferien bei Malik zu verbringen ohne wirklich darüber nachgedacht zu haben. Er war glücklich, das Malik ihn gefragt hatte, doch jetzt war er vor allen Dingen eins: nervös. Er würde Maliks Familie kennen lernen. Seine Schwester. Seinen Bruder. Seine... Eltern? Er hatte Malik nie von seinen Eltern sprechen hören und er hatte auch nicht gefragt, weil es für ihn selbst kein leichtes Thema war. Malik schien jedoch nur mit seinen Geschwistern zusammen zu leben. Mariku kaute auf seiner Unterlippe. „Ich hab dich noch nie so nervös gesehen“, sagte Bakura, nachdem er sich beruhigt hatte. „Ich bin nicht nervös“, widersprach Mariku. Seine Stimme hatte eine deutlich höhere Tonlage als sonst. Mariku war nervös. Mehr als das. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, wenn er daran dachte Maliks Familie zu begegnen. Bakura hatte recht: er war noch nie so nervös gewesen. Nicht nur nervös, er hatte regelrecht Angst vor Maliks Familie zu treten. Sie hatten kein Problem mit ihrer Beziehung, das wusste er, doch was, wenn sie ein Problem mit ihm hatten? Er war krank und nicht unbedingt der Vorzeige-Boyfriend. Was, wenn sie ihn über seine Vergangenheit befragten? Über seine Familie? Mariku spürte wie ihm die Farbe aus dem Gesicht wich. Er konnte sich diesen Fragen nicht stellen. Konnte er Malik bitten, dass sie ihn nichts darüber fragten? Aber würde das dann nicht Maliks Neugier wecken? Es wäre ihm lieber, er müsste ihm manche Sachen niemals erzählen, aber es war auch ein Teil von ihm. „Alles in Ordnung?“ Bakura war es nicht entgangen, dass Mariku blass geworden war. Mariku nickte schnell. „Ja“, sagte er heiser und stand auf. Er brauchte frische Luft. Bakura sah ihm besorgt hinterher. Mariku saugte die frische Luft gierig in seine Lungen. Ein Teil von ihm wollte zu Malik gehen und ihm sagen, dass er doch nicht mitkommen konnte. Seine Vergangenheit war nichts für das er sich hätte schämen müssen und doch wollte er nicht, dass Malik oder seine Familie davon erfuhr. Was, wenn sie dann dachten, dass er nicht gut genug für Malik war? Was, wenn sie auf ihn hinabsehen würden? Aber er wollte Zeit allein mit Malik verbringen. Außerhalb der Schule. Er wollte ihn richtig kennenlernen. Mariku ballte seine Hände zu Fäusten. Was sollte er tun? Selbst Malik bemerkte, dass mit Mariku etwas nicht stimmte. Er war weniger entspannt als sonst und mit den Gedanken öfter ganz woanders. Malik legte seine Hand auf Marikus und dieser zuckte zusammen. „Bist du okay?“, fragte er leise. Mariku verschränkte seine Finger mit Maliks. „Ist es wirklich okay, wenn ich mitkomme?“ Malik zog die Augenbrauen zusammen. Darüber machte sich Mariku Gedanken? Das hatte er nicht erwartet. „Natürlich. Isis freut sich schon.“ Er küsste ihn als Versuch ihn zu beruhigen. „Mach dir keine Sorgen.“ „Und wenn sie mich nicht leiden können?“ Überraschung zeigte sich deutlich auf Maliks Gesicht. Er hatte nie erwartet, dass sich Mariku über so etwas Sorgen machen würde. Er hatte immer den Eindruck gehabt, Mariku war die Meinung von anderen egal, aber es schien ihm wirklich wichtig zu sein, dass seine Geschwister ihn mochten. Malik strich mit seinem Daumen über Marikus Handrücken. Ihm würde es wohl auch nicht anders ergehen, wenn er Marikus Eltern kennen lernen müsste. „Sie werden dich schon mögen.“ Er sah den Zweifel in Marikus Blick. „Was hast du ihnen von mir erzählt?“ „Nicht... viel“, antwortete Malik. „Ist ja nicht so als wüsste ich viel“, fügte er leise hinzu. Marikus Zweifel wichen der Überraschung. Allein dadurch, dass Malik von seiner Krankheit wusste, hatte er das Gefühl, er würde alles über ihn wissen, aber ja, Malik hatte recht; sie kannten sich kaum. Er berührte sanft Maliks Wange. „Du lernst mich noch besser kennen, als dir lieb ist.“ Sein Grinsen brachte Malik zum Lachen. Er schob Marikus Hand beiseite. „Idiot.“ „Es wird schon alles gut.“ „Hallo, du warst doch der, der sich Sorgen gemacht hat!“ Mariku zuckte mit den Schultern. „Wird schon schiefgehen.“ So fühlte es sich also an, wenn einem die Knie weich wurden. Mariku hatte das Gefühl, als wären seine Beine nur noch aus Pudding. Ihm war schlecht und er bereute es gefrühstückt zu haben. Je näher das silberfarbene Auto kam, desto unerträglicher wurde seine Nervosität. Es half nichts, das Malik neben ihm auch unruhig sein Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte. Das Auto hielt vor ihnen an und Isis war die erste, die ausstieg. Selbst in Jeans und dem einfachen marineblauem Shirt sah sie elegant aus. Ihr Lächeln beruhigte Mariku etwas, doch nur für einen Moment, dann fiel sein Blick auf Rishid und das Herz rutschte ihm in die Hose. Maliks Bruder hatte einen ernsten Gesichtsausdruck und die Narben, die einen Teil seines Gesichts und Kopfs bedeckten, ließen ihn nicht freundlicher aussehen. Er war groß, mindestens einen Kopf größer als Mariku, und Mariku fühlte sich mehr als nur eingeschüchtert. Isis umarmte ihren Bruder und küsste ihn auf die Wange. Malik verzog das Gesicht. „Lass das“, murmelte er verlegen und rieb sich über die Wange. „Gut siehst du aus.“ Schließlich wandte sie ihre Aufmerksamkeit Mariku zu. „Und du bist also Mariku.“ Obwohl Mariku größer war, fühlte er sich winzig unter ihrem musternden Blick. „Ja, Madam“, sagte er leise. Isis lachte und auch Maliks Mundwinkel zuckten nach oben. „Madam?“ Ihre Augen glitzerten vergnügt und Mariku kam sich vor wie ein Idiot. Er war sich sicher, seine Wangen hatten vor Scham noch nie so gebrannt. „Jetzt fühl ich mich alt. Nenn mich doch einfach Isis.“ Und bevor Mariku sich versah, fand er sich in ihrer Umarmung wieder. Sein Körper verspannte sich kurz vor Überraschung, doch entspannte sich gleich darauf wieder. Er bemerkte Isis‘ Parfüm: blumig, aber sehr dezent. Es war ein angenehmer Geruch. Isis ließ ihn wieder los und lächelte ihn an. „Es freut mich, dich endlich kennen zu lernen.“ „Freut mich auch.“ Er räusperte sich leicht. Fast hätte ihm die Stimme versagt. „Kein Grund nervös zu sein.“ Sie zwinkerte ihm zu, doch Mariku fühlte sich nicht besser. Er spürte Rishids Blick auf sich und straffte unbewusst seine Schultern. „Ich bin Rishid, freut mich.“ Rishid reichte ihm die Hand und Mariku erwartete einen fingerbrechenden Griff. Er war überrascht, als es nicht so war. Rishids Griff war fest, aber keineswegs schmerzhaft. Normales Händeschütteln. Er entspannte sich etwas. Malik ließ sich hinter Rishid auf den Rücksitz sinken, während Mariku hinter Isis Platz nahm. Noch immer klopfte sein Herz aufgeregt, doch er fühlte sich etwas besser, jetzt da er den ersten Schritt geschafft hatte. Er bemerkte, das Malik ihn ansah und schaffte ein schwaches Lächeln. Malik erwiderte es und legte seine Hand auf den freien Sitz zwischen ihnen. Mariku zögerte kurz, dann legte er seine Hand ebenfalls in die Mitte. Seine Finger berührten Maliks und streichelten über sie. Mariku warf einen Blick aus der Heckscheibe. Das Internat wurde immer kleiner. Er griff Maliks Hand. Es würden schon schöne Ferien werden... hoffentlich. Bakura stellte seine Tasche ab und sah sich nervös um. Er hatte nie darüber nachgedacht, wie Ryou wohl eigentlich wohnte. Die Wohnung war hauptsächlich in schwarz-weiß gehalten, doch die Regale waren überfüllt mit antiken Figuren und Fotorahmen. Bakura hatte nur einen kurzen Blick auf die Familienfotos erhaschen können, bevor Ryou ihn in sein Zimmer geschoben hatte. Hektisch hob Ryou einige Kleidungsstücke vom Boden auf und schob Sachen unters Bett. „Sorry, ich hab nicht aufgeräumt.“ Bakura hob die Augenbrauen. Er fand es mehr als nur aufgeräumt. Ryous Zimmer war sehr hell, was es dem großen Fenster zu verdanken hatte. Sein Bett stand genau darunter. Es war kaum größer, als die im Internat. Es würde eng werden, wenn sie es sich teilen würden. Nicht, dass das Bakura störte. Auf dem Schreibtisch lagen mehrere Papiere, die Ryou schnell zusammenschob und sie in einer Schublade verschwinden ließ. Fotos waren an die Wand hinter dem Schreibtisch gepinnt worden. Bakura erkannte Ryou und seinen Vater, sowie seine Mutter und ein Mädchen, dass er zuvor noch nie gesehen hatte, doch die Ähnlichkeit zum Rest der Familie sprach für sich. „Hast du eine Schwester?“ Ryou hatte sie nie erwähnt. Ryou hielt in der Bewegung inne und senkte den Blick. „Hatte.“ „Oh, tut mir leid.“ Er war keine fünf Minuten hier und schon in das erste Fettnäpfchen getreten. Was für ein guter Anfang. Er zuckte zusammen, als Ryou ihn plötzlich umarmte. Zögerlich strich er ihm durch die Haare. Ryou drückte ihn fest und ließ schließlich los. Er lächelte Bakura an. „Willst du was essen?“ „Fühl dich wie zuhause“, sagte Isis, nachdem sie die Wohnung betreten hatten. Mariku nickte, auch wenn er nicht wirklich wusste, wie sich ein Zuhause anfühlte. Er war schon die Fahrt über mehr als nervös gewesen und hatte sehr zurückhaltend auf Isis‘ Fragen geantwortet. Irgendwann hatte Malik angefangen von der Schule erzählen, und ihm damit weitere Fragen erspart. Er wusste nicht, ob es Zufall oder Maliks Absicht gewesen war. „Wollt ihr was essen?“ Malik sah Mariku, der nur mit den Schultern zuckte. „Später“, antwortete Malik. „Magst du Koshari, Mariku?“ „Äh, ich weiß nicht, was das ist.“ Er musste sich räuspern um die Stimme nicht zu verlieren. Noch nie war er gegenüber anderen Menschen so nervös gewesen. „Maliks Lieblingsessen.“ Malik verdrehte die Augen. „Das beantwortet nicht seine Frage.“ „Es ist was ganz einfaches: Linsen, Reis und Nudeln und dazu Tomatensoße.“ „Klingt gut.“ „Dann mach ich das für heute Abend.“ Isis’ Lächeln sorgte dafür, dass Mariku sich etwas weniger nervös fühlte. Malik ließ sich auf sein Bett fallen und seufzte zufrieden. Er hatte seine weiche Matratze so sehr vermisst. Mariku stand eher verloren in dem kleinen Raum. Maliks Bett stand am Fenster, am Fußende stand eine Kommode mit einem kleinen Flachbildschirm darauf. An der Wand hingen Filmplakate. Es gab noch einen Schreibtisch und das war’s. Maliks Zimmer war spärlich eingerichtet, doch es gab auch nicht viel Platz für mehr. Malik setzte sich wieder auf. „Ich hätte nicht gedacht, dass dich irgendwas nervös machen könnte.“ Er schmunzelte. „Wer hat gesagt, dass ich nervös bin?“ „Es steht dir in großen Leuchtbuchstaben quer über’s Gesicht geschrieben.“ Mariku zuckte mit den Schultern. „Ist alles neu für mich. Ich war noch nie bei jemandem... zuhause.“ Malik klopfte auf den Platz neben sich und Mariku setzte sich. „Ich hatte auch noch nie jemanden zuhause.“ Mariku hob überrascht die Augenbrauen. „Aber du hattest doch schon Freundinnen?“ „Ja, aber die waren nie hier, nicht über Nacht zumindest.“ Malik zuckte mit den Schultern. „War immer zu viel Stress mit Isis.“ „Und das war nie was ernstes?“ „Willst du mich jetzt über meine Verflossenen ausfragen?“ „Nein, eigentlich nicht.“ „Gut, gibt schönere Themen.“ Malik grinste. Mariku nickte und beugte sich leicht vor. Als Malik keine Anstalten machte den Kopf wegzudrehen, überbrückte Mariku auch die letzten Zentimeter. Der Kuss dauerte jedoch nicht lange, denn die Tür öffnete sich und Malik und Mariku sprangen regelrecht auseinander. Isis kam herein, ein Tablett in der Hand. Sie schien nicht mal zu merken, dass sie einen ungünstigen Moment erwischt hatte. „Du bist wirklich ein schlechter Gastgeber.“ Sie stellte das Tablett auf den Schreibtisch. Zwei Gläser und eine Flasche Saft standen darauf. „Du hast deinem Gast noch nicht mal was zu trinken angeboten.“ „Er ist alt genug um selbst zu sagen, wenn er was trinken will“, erwiderte Malik leicht gereizt. Konnte seine Schwester nicht wieder verschwinden? Isis entging Maliks gereizter Tonfall oder sie ignorierte ihn, jedenfalls war sie noch nicht fertig: „Was habt ihr vor in den Ferien?“ Malik zuckte mit den Schultern. „Zeig Mariku doch die Stadt.“ „Oh, ja, weil er noch nie eine Stadt gesehen hat.“ Isis verdrehte die Augen. „Du bist immer so negativ.“ „Ja, und jetzt...“ Er winkte seine Schwester nach draußen. Isis presste die Lippen aufeinander und ging. Seufzend ließ sich Malik zurückfallen. „Ist... alles in Ordnung?“, fragte Mariku vorsichtig nach. Mit Schwung setzte sich Malik wieder auf. „Klar, das ist immer so bei uns. Alles gut.“ Er lächelte. „Also, willst du was trinken?“ „Gleich.“ Diesmal küssten sie sich richtig. Malik hob seine Hand und legte sie auf Marikus Schulter. Er strich näher an seinen Hals und streichelte dort über die Haut. Nur langsam lösten sie sich voneinander. „Jetzt hätte ich gern was.“ Mariku war nervös, als er mit Malik, Isis und Rishid am Tisch saß. Den Nachmittag über war er mit Malik ungestört gewesen. Sie hatten geredet, manchmal eine Weile geschwiegen und sich öfters geküsst. Es war ein guter Nachmittag gewesen. In Gegenwart von Maliks Geschwistern war er jedoch nervös. Er wollte einen guten Eindruck hinterlassen. „Schmeckt es?“, fragte Isis, nachdem Mariku ein paar Bissen des Kosharis gegessen hatte. „Ja, ist wirklich lecker.“ „Das freut mich.“ Isis lächelte. „Hast du schon zuhause angerufen?“ „Was?“ „Deine Eltern wollen doch sicher wissen, dass mit dir alles in Ordnung ist?“ „Äh...“ Mariku wusste nicht, was er sagen sollte. Er umfasste die Gabel fester. „Er hat vorhin vom Handy aus angerufen“, antwortete Malik für ihn. Mariku sah ihn überrascht an, nickte dann aber schließlich. „Oh, das ist gut.“ Isis schien für’s erste zufrieden zu sein. Innerlich atmete Mariku erleichtert aus. Er war immer noch überrascht, dass Malik das Wort ergriffen hatte, aber er beschwerte sich nicht. Nach Isis‘ Frage war sein Kopf einfach leer gewesen, ihm wäre nicht einmal eine Ausrede eingefallen. „Gehst du schon lange auf das Internat?“, fragte Isis schließlich, als ihre Teller halb geleert waren. Malik seufzte genervt. „Können wir nicht in Ruhe essen?“ Isis‘ sah ihn missbilligend an. „Entschuldige, dass ich versuche etwas Konversation zu betrieben.“ „Aber er ist mein Gast und mein Freund.“ Marikus Herz schlug etwas schneller, als Malik ihn seinen Freund nannte. Sie waren zwar schon eine Weile zusammen, doch trotzdem war es etwas Besonderes. Manchmal hatte Mariku nämlich immer noch das Gefühl, als wäre sich Malik seiner Entscheidung nicht ganz sicher. Die Situation war trotzdem unangenehm. Malik und seine Schwester stritten und das nur wegen ihm. Das machte sicher keinen guten Eindruck. „Malik, beruhig dich“, mischte sich jetzt auch Rishid ein. „Ich bin ruhig“, erwiderte Malik. „Ich will nur nicht, dass das zu einem Verhör ausartet.“ „Verhör? Ich bitte dich!“ „Ist doch so.“ Malik stand vom Tisch auf und stellte den Teller in die Spüle. Er hatte nicht ganz aufgegessen. „Wir gehen wieder in mein Zimmer.“ Mariku stand schnell auf und reichte Malik seinen leeren Teller. Malik warf sich auf sein Bett, als sie zurück in seinem Zimmer waren. Er seufzte. Wieso artete es zwischen ihm und Isis immer zum Streit aus? Sie schienen nur eine gute Beziehung zu haben, wenn sie mehrere hundert Kilometer trennten. Er konnte es kaum erwarten auszuziehen. Mariku setzte sich an die Bettkante, unsicher, was er jetzt tun sollte. „Sorry, dass du das mitkriegen musstest.“ Malik setzte sich wieder auf. Er strich sich über den Nacken. „So ist das irgendwie immer.“ Mariku nickte nur, ihn interessierte etwas anderes mehr: „Warum hast du vorhin gelogen? Über den Anruf?“ „Weil ich dir angesehen hab, dass dir die Frage irgendwie unangenehm ist.“ „Oh.“ „Ich weiß nicht, was mit deinen Eltern ist und es geht mich auch nichts an, aber ich wollte nicht, dass Isis unnötig nachbohrt.“ „Danke.“ „Dafür nicht.“ „Aber jetzt habt ihr euch deswegen gestritten.“ Malik zuckte nur mit den Schultern. „Sonst hätten wir uns wegen was anderem gestritten. Also, was machen wir?“ Diesmal zuckte Mariku mit den Schultern. „Das ist nicht hilfreich“, sagte Malik schmunzelnd. „Okay, Videospiele?“ „Klingt gut.“ Sie spielten bis spät in die Nacht. Malik gähnte und rieb sich den Nacken. „Müde?“, fragte Mariku. „Oder suchst du nur ne Ausrede, damit ich dich nicht mehr fertig mache?“ „Pff, als ob ich das nötig hätte“, murrte Malik. „Ach, und wer wurde grad fünfmal hintereinander in Grund und Boden gestampft?“ „Halt’s Maul.“ Malik schlug nach Mariku, welcher lachend auswich, das Gleichgewicht verlor und rückwärts vom Bett fiel. „Autsch!“ „Mariku!“ Malik sah über den Bettrand. „Hast du dir wehgetan?“ „Hatte schon schlimmere Stürze.“ Er setzte sich auf. „Tut mir leid.“ Mariku winkte ab, als er sich wieder auf’s Bett setzte. „Jetzt hast du mich auch mal zu Boden geworfen.“ Er streckte Malik die Zunge raus. „Du bist so scheiße.“ „Das ist nichts Neues.“ Malik verdrehte gespielt die Augen und schaltete den Fernseher aus. „Lass uns schlafen gehen.“ Er legte die Controller neben den Fernseher auf die Kommode und schaltete die Konsole aus. Er sah Mariku an, der sich nicht gerührt hatte. „Was ist? Du kannst ruhig zuerst ins Bad.“ „Schlaf ich auch hier?“ „Wo sonst?“ „Ist das okay für dich?“ „Das Bett ist groß genug und wir sind jetzt zusammen, also...“ Er zuckte mit den Schultern. „Natürlich ist es okay für mich.“ Mariku atmete erleichtert aus. „Gut.“ „Machst du dir darüber immer noch Gedanken?“ „Du nicht?“ Malik wandte seinen Blick ab. „Doch, manchmal, etwas, aber“, er sah Mariku wieder an, „ich bereu’s nicht oder so.“ „Das ist das wichtigste. Ich geh dann mal eben ins Bad.“ Mariku betrachtete sich im Spiegel und atmete tief durch. Er konnte immer noch nicht fassen, dass er wirklich hier war. Er war bei Malik zuhause und stand in seinem Badezimmer. Er würde gleich neben ihm in seinem Bett schlafen. Das waren jetzt schon die besten Ferien seit langem. Zwei Wochen allein mit Malik. Was würden sie machen? Mariku wollte gar nicht zu weit denken, aber Malik war merklich lockerer und entspannter als im Internat. Er grinste und klatschte sich leicht gegen die Wangen. Er durfte nicht zu aufgeregt werden. Mariku kuschelte sich unter die Decke, als Malik ins Bad ging. Er roch daran und schloss die Augen. Alles hier roch so gut. Wie Malik. Und das Bett war so weich! Er hatte noch nie in einem so weichen Bett geschlafen. Malik wusch sich das Gesicht. Er war nervös. Warum hatte er gedacht, Mariku mitzubringen wäre eine gute Idee? Was sollte er mit ihm machen? Er konnte sich kaum selbst unterhalten und jetzt musste er auch dafür sorgen, das Mariku irgendwie unterhalten war. Er seufzte. Außerdem würden sie im selben Bett schlafen, das letzte Mal, als sie sich ein Bett die Nacht über geteilt hatten, hatten sie... Malik schluckte. Nein, das würde nicht nochmal passieren. Er war ja nicht betrunken. Sie schliefen nur nebeneinander, da war ja nichts dabei. Maliks Herz klopfte aufgeregt, als er sich neben Mariku legte. „Brauchst du noch irgendwas?“ „Hab alles.“ Mariku lächelte Malik an, der merkte, wie ihm die Röte in die Wangen kroch. Schnell machte Malik das Licht aus. „Gute Nacht.“ „Schlaf gut.“ Malik zuckte zusammen, als er aufwachte und Mariku nah neben sich liegen sah. Er war näher an ihn heran gerutscht, während sie geschlafen hatten. Malik setzte sich auf und Mariku rührte sich, doch er drehte sich nur auf die andere Seite. Malik sah auf die Uhr: kurz nach acht. Er seufzte und rutschte wieder tiefer. Warum war er schon wach? Er sah zu Mariku, der immer noch friedlich schlief und schloss selbst wieder die Augen. Nur um sie kurz darauf wieder zu öffnen. So leise er konnte stand er auf und verließ das Zimmer. Er hörte Geräusche aus der Küche, aber kümmerte sich nicht darum „Guten Morgen“ zu sagen. Er schlüpfte ins Bad. Als Malik zurückkam, schlief Mariku immer noch und hatte sich auch nicht gerührt. Er setzte sich an die Bettkante. Sollte er sich nochmal hinlegen? Aber er fühlte sich nicht wirklich müde. Er war sogar richtig wach. So gut hatte er aber auch schon lange nicht mehr geschlafen. Malik setzte sich an den Schreibtisch und holte seinen Laptop aus der Schublade. Mal sehen, was sich in der Welt getan hatte, während er im Gefängnis gesessen hatte. „Malik?“ Malik sah über die Schulter und klappte nebenbei den Laptop zu. „Na, wach?“ Gähnend setzte Mariku sich auf. „Irgendwie.“ „Kannst ruhig noch schlafen.“ Er räumte den Laptop zurück in die Schublade, kümmerte sich nicht darum, dass er noch eingeschaltet war. Mariku schüttelte den Kopf. „Bist du schon lange wach?“ „Eine Weile.“ Malik zuckte mit den Schultern und stand auf. Er setzte sich wieder zu Mariku ins Bett und zog sich die Decke über seine kalten Füße. Mariku streckte sich und küsste Malik. „Was machen wir heute?“ „Rausgehen und ich zeig dir diese wundervolle Stadt“, antwortete Malik. „Höre ich da leichten Sarkasmus?“ „Vielleicht.“ Malik grinste. „Willst du frühstücken?“ Marikus Hand streifte Maliks während sie nebeneinander durch die Stadt gingen. Es war noch kühl, aber man merkte schon, dass es bald wärmer werden würde. „Wie lange lebst du schon hier?“ „Sechs, nein, sieben Jahre.“ Malik ließ den Blick schweifen. Er hatte das Gefühl, als würde er angestarrt werden, doch niemand achtete auf sie. Er strich sich über den Nacken. „Und davor?“ „Ägypten.“ Mariku hob überrascht die Augenbrauen. „Wirklich?“ „Du nicht?“ Mariku zuckte mit den Schultern. „Glaube nicht.“ Er erinnerte sich nicht an viel aus seiner früheren Kindheit. Vielleicht war er in Ägypten gewesen, vielleicht war er auch dort geboren, aber er wusste es nicht. Seine ersten Erinnerungen spielten in Japan. Malik betrachtete Mariku, der traurige Blick entging ihm nicht. Er wollte nachhaken, aber wusste nicht, welche Frage er stellen sollte. Außerdem war es nicht der richtige Moment. „Malik? Malik, bist das du?“ Malik sah sich überrascht um. Jemand winkte ihm. „Yuugi!“ Er trat unbewusst einen Schritt von Mariku weg. „Du bist es wirklich!“ Yuugi umarmte Malik. Er reichte ihm gerade mal bis zur Brust. „Wir haben uns ewig nicht mehr gesehen.“ „Ich war nach Neujahr mal hier, aber du warst nicht da.“ „Was? Niemand hat mir Bescheid gesagt! Und warum hast du dich nicht gemeldet?“ Er boxte Malik gegen die Schulter. „Ich war nur kurz hier.“ Er wusste nicht, ob er Yuugi auf Anzu und Atemu ansprechen sollte, deshalb vermied er das Thema. Yuugis Blick fiel auf Mariku, der unbehaglich neben Malik stand. „Wer ist dein Freund?“ „Oh, das ist Mariku. Er ist ein Klassenkamerad.“ Es fühlte sich so falsch an Mariku so vorzustellen. Es war die Wahrheit, aber es fühlte sich an wie eine Lüge. „Mariku, das ist Yuugi, wir sind früher auch mal in dieselbe Klasse gegangen.“ „Hey“, begrüßte Mariku ihn. Es fiel ihm schwer zu glauben, dass er einmal Maliks Klassenkamerad gewesen war. Er sah aus wie ein Grundschüler. „Freut mich, Mariku.“ Yuugi lächelte ihn breit an und wandte sich dann wieder an Malik. „Hey, ich weiß was, Otogi gibt übermorgen eine Party und ihr solltet unbedingt kommen!“ Nervös trat Malik von einem Fuß auf den anderen. Er hatte gehofft, er würde seine Freunde nicht treffen. Konnte er mit Mariku auf diese Party gehen? Was, wenn er sich verriet? Oder Mariku? „Ich weiß nicht“, murmelte er. „Ach, komm schon!“ Yuugi sah Mariku an. „Du hast doch sicher auch Lust?“ „Ich richte mich nach Malik“, erwiderte Mariku. Yuugi sah wieder Malik an. „Was los? Früher hättest du keine Sekunde gezögert.“ Malik sah Mariku. „Willst du?“, fragte er leise, auch wenn Yuugi es trotzdem hörte. „Wenn du willst.“ Malik presste kurz die Lippen aufeinander, dann sah er Yuugi an. „Okay, wir schauen mal vorbei.“ „Super, dann haben wir auch etwas mehr Zeit zu quatschen. Ich sag Otogi Bescheid, bis dann.“ „Wir sehen uns.“ Malik und Mariku sahen ihm hinterher. Malik atmete hörbar aus. „Ist das wirklich okay für dich?“, fragte Mariku. „Wird schon schiefgehen.“ Malik starrte die Treppen zu Otogis „Partykeller“ hinunter, als wären sie die Stufen zur Hölle. Als Mariku ihm die Hand auf die Schulter legte, zuckte er zusammen. „Sei ganz entspannt.“ „Ich versuch’s.“ „Ich werd nichts verraten.“ Malik sah ihn an. „Sorry.“ „Für was? „Das ich es niemandem sagen kann.“ Mariku schüttelte den Kopf. „Ist in Ordnung.“ Malik lehnte sich vor und küsste Mariku. Es fühlte sich inzwischen so natürlich an, wenn sie sich küssten. „Nein, ist es nicht“, flüsterte er gegen Marikus Lippen. „Lass uns reingehen.“ Maliks Herz raste, während sie die Treppe hinuntergingen. Er legte die Hand auf die Klinke und atmete noch einmal tief durch bevor er sie öffnete. Rockige Musik spielte, doch nicht so laut, dass man sich nicht unterhalten konnte. Malik begrüßte ein paar Leute bevor er Otogi entdeckte. „Hey Otogi“, rief er. Otogi drehte sich um, ein Grinsen auf den Lippen. „Mal... Mariku?“ „Ryuji?“ „Ihr kennt euch?“ Malik sah überrascht zwischen den beiden hin und her. „Ja“, sagte Mariku und strich sich über den Nacken. Malik zog die Augenbrauen zusammen. Kam es ihm nur so vor, oder war Mariku plötzlich nervös? „Woher?“ Mariku strich sich durch die Haare, er suchte die richtigen Worte. „Wir haben im Sommer einen Motorradtrip zusammen gemacht“, antwortete Otogi fröhlich. „Hätte nicht gedacht, dass wir uns so schnell wiedersehen.“ „Ja, wirklich ne Überraschung, dass du mit Malik befreundet bist.“ „Woher kennt ihr euch?“, wollte Otogi wissen. „Internat“, antwortete Malik knapp. „Oh“, Otogi grinste, „was für ein Zufall. Und ihr verbringt die Ferien...“ Otogi stoppte mitten im Satz, sein Grinsen würde etwas breiter. „Seid ihr et...“ Malik presste ihm die Hand auf den Mund. „Wenn du irgendwem auch nur ein Wort sagst, dann bring ich dich um“, zischte er. Selbst Mariku trat einen Schritt von Malik weg. Otogi nickte schnell und Malik nahm die Hand weg. „Ist okay, ist okay.“ Er sah Malik an. „Wobei ich sehr überrascht bin.“ Malik zuckte nur mit den Schultern. Marikus und Otogis Trip lag ihm immer noch schwer im Magen. Was war zwischen den beiden? Er war überrascht, wie eifersüchtig er plötzlich war. Er ballte die Hände zu Fäusten. Otogi wurde abgelenkt und ließ Malik und Mariku allein. „Was ist?“, fragte Mariku leise. „Hast du mit ihm geschlafen?“ Nein, nein, warum fragte er das? Er wollte es gar nicht wissen. Adrenalin rauschte durch seinen Körper. Er fühlte sich so dumm, dass er eifersüchtig war. „Ist das wichtig?“ Malik schüttelte den Kopf. Das war so lächerlich. Und trotzdem merkte er, wie seine Fäuste zitterten. Er hatte noch nie Eifersucht verspürt, auch nicht auf Bakura, aber hier war sie, und schlug ihm direkt ins Gesicht. „Komm mit.“ Mariku packte ihn am Arm und zog ihn wieder nach draußen, die Stufen hoch und in eine Seitenstraße. Malik lehnte sich gegen die Wand. Erst jetzt merkte er, wie heiß ihm war. Mariku küsste ihn. Reflexartig wollte Malik ihn wegstoßen, doch stattdessen krallte er sich an Mariku fest, zog ihn näher an sich, bis er von seinem Körper gegen die Wand gedrückt wurde. „Ich will nur dich“, flüsterte Mariku ihm ins Ohr. Malik nickte. Es fühlte sich gut an das zu hören. „Nur dich“, wiederholte Mariku. Er küsste Malik erneut, diesmal nur kurz. „Willst du lieber wieder gehen?“ Malik schüttelte den Kopf. Er räusperte sich. „Nein, lass uns wieder reingehen.“ „Sicher? Wir können auch drüber reden.“ Wieder schüttelte Malik den Kopf. Er wollte nicht über seine Dummheit reden. Er wollte sich betrinken. „Malik, wer ist dein gutaussehender Freund?“, war das erste, das ein Mädchen fragte, nachdem sie sich zu Yuugi gesellt hatten. „Das ist Mariku, er geht mit mir zur Schule.“ „Oh! Hi Mariku, ich bin Mai.“ Und schon hatte er ihre ganze ungewollte Aufmerksamkeit. Mariku sah hilfesuchend zu Malik, doch der zuckte nur mit den Schultern. Man sah es Malik nicht an, wie er sich gerade noch gefühlt hatte. Mariku zog die Stirn kraus. Malik war wirklich gut darin seine Gefühle zu überspielen. „Malik!“ Kisara fiel ihm um den Hals. „Es ist so schön dich wieder zu sehen.“ „Wo ist Kaiba?“ Kisara verdrehte die Augen. „Arbeiten, wo sonst?“ Sie seufzte. „Wieso bist du letztes Mal so schnell abgehauen? Wir hatten doch so viel Spaß!“ Sie drückte sich an Malik. Mariku hob die Augenbrauen. Letztes Mal? Etwa als Malik hier gewesen war? Mariku biss sich auf die Unterlippe. „Bin vergeben“, murmelte er Mai zu und entriss seinen Arm aus ihrem Griff. Er legte seine Hand auf Maliks Schulter, doch bevor er etwas sagen konnte, wandte sich Yuugi ihnen zu. „Ihr habt ja noch gar nichts zu trinken! Das müssen wir ändern.“ Wie von Zauberhand hatte er plötzlich zwei Gläser in den Händen und hielt sie ihnen entgegen. „Yuugi, du bist der Beste!“ Malik entwand sich Kisaras Umarmung und nahm Yuugi grinsend das Glas ab. Er nahm einen großen Schluck und schauderte leicht. „Lecker.“ Mariku nippte an seinem nur. Er hatte nicht vor betrunken zu werden. Malik sah ihn an. „Wolltest du vorher was sagen?“ „Schon gut.“ Sie setzten sich, Mariku neben Malik und sehr zu Marikus Missfallen saß Kisara auf Maliks anderer Seite. Es schien ihn nicht zu stören. Mariku nahm noch einen Schluck und fragte sich, ob Malik das extra tat. Wollte er ihm eins auswischen für die Sache mit Otogi? Er hatte das doch auch nicht gewusst! Doch Mariku hatte nicht viel Zeit sich Gedanken zu machen, denn er wurde mehr in die Gespräche mit einbezogen, als er erwartet hatte. Maliks Freunde fragten ihn aus, doch als sich das Gespräch dahin wandte, dass er Otogi kannte, spannte sich Malik neben ihm an und ballte eine Hand zur Faust. Er leerte sein Glas. „Ich hol mir noch was“, murmelte Malik und verschwand. Mariku sah ihm hinterher und seufzte. Es dauerte eine ganze Weile, bis Malik wieder zurückkam. Sein Glas war bis zum Rand gefüllt und er verschüttete fast einen Teil, als er sich setzte. Kisara hatte sich inzwischen verzogen, da Malik ihr schon zuvor nicht besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte. „Alles in Ordnung?“, fragte Mariku leise „Sicher.“ Maliks Atem roch nach Alkohol, was Mariku sagte, dass das Glas aus dem er gerade trank, nicht erst sein zweites war. „Versteht ihr euch gut?“, fragte Malik in die Runde. „Klar! Mariku ist schon so gut wie unser Kumpel!“ Yuugi klopfte ihm etwas umständlich auf die Schulter. Malik grinste und trank sein halbes Glas leer. Mariku ließ sich auf eine Couch in der Ecke fallen und schloss kurz die Augen. Er war inzwischen leicht beschwipst und brauchte eine kurze Auszeit. Als sich jemand neben ihn setzte, machte er die Augen wieder auf und war überrascht Malik zu sehen. Sie hatten den ganzen Abend über nicht viel miteinander geredet, Malik war mehr damit beschäftigt gewesen sich zu betrinken. Und er war damit auch sehr erfolgreich gewesen. „Mariku“, raunte Malik und legte seine Arme um Mariku. „Was ist?“ Malik spitzte die Lippen. „Küss mich.“ „Und wenn uns jemand sieht?“ „Egaaaaal.“ Er küsste Marikus Wange. Schnell sah Mariku zu den anderen, doch niemand schenkte ihnen Aufmerksamkeit. „Warten wir bis wir zuhause sind.“ „Aber ich will jetzt!“, quengelte Malik und versuchte Mariku erneut zu küssen. Er traf nur Marikus Mundwinkel. „Du hast die ganze Zeit nur mit den anderen geredet.“ Mariku hob überrascht die Augenbrauen. Malik hatte sich vernachlässigt gefühlt? Er war doch so kühl zu ihm gewesen oder hatte er das falsch aufgefasst? „Außerdem“, Malik lehnte sich an Marikus Ohr, er kicherte, „bin ich echt total scharf auf dich.“ Er küsste sein Ohr und lachte. „Ich will S-E-X! Sex!“ Er begann zu kichern und brauchte eine Weile, bis er sich wieder einkriegte. „Mit dir!“ Er zeigte auf Mariku. Mariku schluckte. Der Gedanke war wirklich verlockend. Doch als Malik sich auf seinen Schoß setzen wollte, schob Mariku ihn weg und stand auf. „Wir gehen jetzt nach Hause.“ Er zog Malik hoch, der stolperte und von Mariku gestützt werden musste. Er bugsierte Malik Richtung Tür, als ihm einfiel, dass er gar nicht wusste, wie sie zu Malik nach Hause kamen. Mariku blieb stehen. Sie waren ein paar Mal umgestiegen, doch er hatte sich die Stationen nicht gemerkt. Hilfesuchend sah er sich um, doch alle anderen waren genauso betrunken wie Malik. Er wandte sich an Otogi, doch der starrte ihn nur lächelnd an, während er Rauch ausstieß. Mariku seufzte und schleppte Malik die Treppe nach oben. Oben angekommen versuchte Malik sofort Mariku wieder zu küssen, doch Mariku blockte ab. Er musste sie irgendwie zu Malik bekommen. „Bleib hier sitzen“, sagte Mariku, nachdem er Malik auf eine niedrige Gartenmauer gesetzt hatte. Als er ihm das Handy aus der Hosentasche zog, begann Malik wieder zu kichern. Mariku fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken um zwei Uhr morgens Maliks Familie anzurufen, doch er hatte keine andere Wahl. Das Handy war jedoch mit einem Mustercode verschlossen. „Verdammt!“, fluchte Mariku leise. Er hielt das Handy Malik hin. „Mach es bitte auf.“ „S-E-X“, kicherte Malik. „Malik, bitte.“ Doch Malik sah das Handy nur an und zuckte mit den Schultern. Mariku seufzte. Er betrachtete das Display und versuchte das Muster über die Fingerspuren zu erraten. Zu seinem Glück zeichnete sich die Spur deutlich ab. „M? Wirklich?“ Malik grinste ihn nur an. „Ich hätt’s mir denken können.“ Mariku scrollte durch das Telefonbuch bis er den Eintrag „Home“ fand. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er wählte. Er hoffte, jemand würde rangehen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis ein verschlafenes „Malik?“ zu hören war. „Ähm, Isis, tut mir leid, hier ist Mariku.“ „Ist etwas passiert?“ Mit einem Mal klang sie hellwach. „Malik ist betrunken und wir sind bei Ryuji Otogi und ich weiß nicht, wie wir hier wegkommen.“ Isis seufzte. „Rishid wird euch abholen.“ „Okay, danke, tut mir leid.“ „Schon gut.“ Mariku schob das Handy in seine eigene Hosentasche und setzte sich zu Malik auf die Mauer. Er legte einen Arm um ihn. „Du zitterst ja.“ „Ist nicht kalt“, sagte Malik, zitterte aber weiter. Mariku zog seine Jacke aus und legte sie Malik zusätzlich über die Schulter. Er drückte ihn an sich. Zwanzig Minuten später hielt Rishid vor ihnen auf der Straße. Sie verfrachteten Malik ins Auto und Mariku entschuldigte sich noch einmal dafür, dass er die beiden geweckt hatte. „Ist in Ordnung. Das ist nicht das erste Mal und ich bin froh, dass es diesmal nicht die Polizei war.“ Mariku hob überrascht die Augenbrauen, sagte aber nichts dazu. Sein Arm lag immer noch um Malik, obwohl dieser aufgehört hatte zu zittern und auch sonst ruhiger geworden war. Mariku ließ sich erleichtert neben Malik aufs Bett fallen, nachdem er Malik dabei geholfen hatte sich auszuziehen und auch seine eigene Kleidung auf dem Boden lag. Für einen Moment hatte er wirklich Angst gehabt, sie würden nicht nach Hause kommen. Er war müde und freute sich auf den Schlaf. „Mariku“, schnurrte Malik und Mariku setzte sich etwas auf. Malik grinste ihn an. „Wir sind zuhause.“ „Jupp. Ist dir noch kalt?“ Schwerfällig setzte Malik sich auf. „Mir ist heiß.“ Er kicherte. Diesmal hielt Mariku ihn nicht auf, als er sich auf seinen Schoß setzte. „Sehr heiß“, flüsterte er gegen Marikus Lippen. „Du solltest besser schlafen.“ Sie küssten sich kurz. „Ich will mit dir schlafen“, erwiderte Malik grinsend. „Du bist betrunken.“ „Na und? Hat dich letztes Mal auch nicht gestört.“ Da war was Wahres dran, auch wenn er damals auch betrunken gewesen war. Diesmal war er jedoch noch bei Sinnen und wusste genau, das Malik ihn morgen dafür hassen würde. Er erwiderte den Kuss trotzdem. Maliks Finger strichen über Marikus Oberkörper und glitten langsam tiefer. Am Bund seiner Shorts stoppte Mariku ihn. „Das ist weit genug.“ Malik schüttelte den Kopf. „Ich will Sex.“ Er riss eine Hand los und legte sie auf Marikus Schritt. Mariku biss sich auf die Lippe, als Malik die Hand bewegte. „Und du willst auch, ich weiß es.“ „Nicht jetzt.“ Er nahm Maliks Hand aus seinem Schoß. Malik presste die Lippen aufeinander. Wut überkam ihn. „Gut“, zischte er und stieg von Marikus Schoß. „Dann nicht. Was soll’s!“ „Malik, bitte...“ „Nein, ist okay, du willst mich nicht.“ „Das ist doch gar nicht...“ Doch Mariku stockte, als sich Malik auch noch seine Shorts auszog. Er starrte ihn an, während Malik nackt und mit verschränkten Armen neben ihm kniete, und konnte den Blick gar nicht abwenden. „Willst du mich immer noch nicht?“ Mariku schluckte. „Doch, aber...“ „Aber ich bin betrunken, ich weiß, außerdem hab ich keine Erfahrung und bin langweilig.“ Mariku hob die Augenbrauen. Aha, da steckte also noch mehr dahinter. Er blieb ruhig und ließ Malik sich alles von der Seele reden. „Wer will schon so einen unerfahrenen, langweiligen Typen wie mich?!“ Er schlug auf die Matratze. „Aber ich kann das auch alles! Ich kann das alles, was du mit den anderen gemacht hast und das auch noch tausend Mal besser und, und...“ Er presste kurz die Lippen aufeinander, „ich kann noch viel mehr, was auch immer du willst.“ Mariku lächelte. Dieser Idiot! Das war seine Sorge? Dass er ihm zu unerfahren war? Er umarmte Malik und zog ihn zu sich. „Stimmt“, sagte er leise und streichelte Maliks Rücken. „Du kannst das sogar eine Milliarde Mal besser als alle anderen.“ Er küsste Maliks Haare. „Und Otogi?“ „Selbst der betrunkene Sex mit dir, an den ich mich nur noch bruchstückhaft erinnere, war besser als alles mit ihm.“ Malik richtete sich ein Stück auf. „Wirklich?“ Mariku nickte, doch Malik sah nicht überzeugt aus. Mariku strich ihm über die Wange. „Selbst das hier ist besser, weil du hier bist.“ Malik öffnete den Mund, doch schloss ihn gleich wieder. Er sah verlegen zur Seite. „Du bist doof“, murmelte er. „Ich weiß.“ Mariku küsste ihn. „Und jetzt schlaf und mach dir darüber keine Gedanken mehr.“ „Ich versuch’s.“ Mariku zog die Decke über sie und Malik schmiegte sich an ihn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)