Hinter diesen Augen von SarahSunshine ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Eine Decke aus dichten, dunkelgrauen Wolken zog über Konoha, dem Dorf versteckt unter den Blättern, auf, legte sich wie ein Schatten über die Häuser. Sie verdüsterte das mit Sternen überzogene Firmament und versprach einen baldigen starken Regenfall. Sakura Haruno, die gerade in einem lockeren weißen Sweatshirt und einer grauen Jogginghose in der Küche ihrer kleinen Wohnung am Tisch saß und in ein paar Medizinbüchern las, seufzte beim ersten Donnergrollen leise auf. Es dauerte keine fünf Minuten, da entluden sich die Wolken des Wassers und es begann zu schütten wie aus Eimern. Die junge Frau strich sich eine störende, rosafarbene Haarsträhne hinter ihr Ohr, ehe sie aufstand, um das Fenster in dem kleinen Raum zu schließen, das sie geöffnet hatte, damit frische Luft in ihre Küche gelangte. Die Küche war nicht besonders groß, genau genommen war nichts an ihrer Wohnung besonders groß, aber für sie reichte es vollkommen aus. Sakura brauchte nicht viel Platz für ihre Sachen. Zum Kochen hatte sie einen kleinen Herd und eine Arbeitsplatte und da sie sich lediglich selber versorgen musste, betrieb sie nie einen großen Aufwand um ihre Mahlzeiten. Die restlichen Küchenutensilien befanden sich in mehreren Schränken, die an den Wänden hingen oder standen. Von dem quadratischen Holztisch bis zum Fenster waren es nicht einmal zwei Schritte, die sie gehen musste. Noch bevor Sakura den kleinen Spalt, den sie offen gelassen hatte, verschließen konnte, hielt sie inne. Etwas – oder genauer gesagt Jemand – zog in diesem Moment ihre Aufmerksamkeit auf sich. Dort unten auf der Straße vor ihrem Haus, in diesem strömenden Regen stand er, Kakashi Hatake, und fing ihren Blick auf. Sekundenlang sahen die beiden Ninja sich an, ohne ein Wort miteinander auszutauschen. Sie brauchten nicht zu reden, um miteinander zu kommunizieren, denn Kakashi gab ihr wortlos zu verstehen, dass sie ihm in den nächsten Momenten die Tür öffnen sollte. Eben weil die Kunoichi diesen Appell verstand, entfernte sie sich von ihrem Küchenfenster, damit sie zur Wohnungstür gehen und diese öffnen konnte. Der marinefarbene Pullover und die gleichfarbige Hose durchnässt bis auf die Haut und die hellen Haare platt von dem Regen, stand Kakashi vor der Tür seiner früheren Schülerin, die ihn aufmerksam musterte. »Wie lange stehst du da schon? Bei dem Wetter holst du dir noch den Tod«, schimpfte Sakura vorwurfsvoll, aber nicht böswillig, eher besorgt. »Komm rein, ich bring dir ein Handtuch.« Die junge Frau wollte gerade Kehrt machen, um aus ihrem Badezimmer ein Handtuch für ihren Gast zu holen, doch kaum hatte sie sich halb von ihm weggedreht, hatte er schon nach ihrem Oberarm gegriffen. Seine Hand war kalt und sein Handschuh ebenso durchnässt wie jegliche Kleidung, die er trug, was Sakura einen Schauer über den ganzen Körper jagte. Überrascht suchte sie seinen Blick. Sein linkes Auge war, wie fast immer von seinem Konohastirnband abgedeckt, doch das rechte war auf sie fixiert. Obwohl er seine Maske trug – und auch diese durch die Feuchtigkeit in seinem Gesicht kleben musste – erkannte sie die ernsten Gesichtszüge, die seinen Mund umspielten. »Er ist wieder da, Sakura. Sasuke ist wieder in Konoha und er liegt im Krankenhaus.« ____________________________________________________________________________ © Kapitel 1: Kapitel 1 ~ Sakura ----------------------------- ~ Kapitel 1 – Sakura ~ »Er ist wieder da, Sakura. Sasuke ist wieder in Konoha und er liegt im Krankenhaus.« Diese Information ließ Sakura erstarren, ihren Körper stillstehen, doch ihr Herzschlag hatte sich beschleunigt. In ihrem Inneren musste sie das Gesagte erst mal für sich verarbeiten, bevor sie richtig darauf reagieren konnte. Gab es überhaupt eine ›richtige‹ Reaktion darauf? Ihre Gedanken rasten unentwegt durch ihren Kopf, in der Hoffnung eine Antwort auf diese Frage zu finden – erfolglos. Dieser Fluss wurde unterbrochen als Kakashi den Griff um ihren Oberarm langsam wieder lockerte. Er musste der Kunoichi angesehen haben, dass sie völlig verloren in ihren Gedanken gewesen war. Obwohl sie hart daran arbeitete, schaffte sie es in einigen Momenten noch immer nicht, ihre Gefühle hinter einer Maske zu verstecken, damit ihr Gegenüber nicht wie in einem offenen Buch in ihr lesen konnte. Befreit aus seinem Griff machte Sakura einen kleinen Schritt zurück. Wortlos drehte sie ihrem ehemaligen Lehrer den Rücken zu, um im Badezimmer zu verschwinden und mit einem weißen Frotteehandtuch wieder zurückzukehren. Schweigend übergab sie es Kakashi, damit dieser sein Haar wenigstens ein wenig trocknen konnte. Ihr Mund öffnete sich, doch es kam kein Wort heraus, stattdessen presste sie ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Die Kunoichi wandte ihren Blick auf den Boden. »Warum?«, fragte sie leise, mehr an sich selbst als an ihren Gegenüber gerichtet. Die beiden Ninja standen noch immer zwischen Tür und Angel. So wie es aussah, machte der Ältere nicht den Anschein, als würde er eintreten wollen. Sein Blick aber war aufmerksam auf die junge Frau gerichtet. Er nahm jede Bewegung und jede noch so kleine Geste auf, was sie nicht bemerkte. »Naruto hat ihn gefunden, notdürftig versorgt und mit nach Konoha gebracht. Ich kenne die Details nicht«, erklärte Kakashi ruhig. Sakura nickte verstehend bei dieser Ausführung. Etwas Anderes hätte niemand von Naruto erwartet, trotz allem, was vorgefallen war, würde er seinen Freund niemals im Stich lassen, in diesem Punkt hatte er sich wirklich kein Stück verändert. Wie wäre sie vorgegangen, wenn sie an Narutos Stelle gewesen wäre, oder Kakashi? Mittlerweile war so viel Zeit vergangen, dass sie es nicht mehr sagen konnte, so viel war passiert. »Warum sagst du mir das?«, fragte die Kunoichi und hob ihren Blick wieder an. Sie konnte sich selber nicht erklären, warum sie so distanziert reagierte, denn es war nicht der Fall, dass diese Sache sie nicht interessierte. Sasuke hatte eine bedeutende Rolle in ihrem Leben gespielt, auch wenn das früher war. Während Sakura auf eine Antwort wartete, verschränkte sie ihre Arme vor der Brust, eine abwehrende und selbstschützende Haltung. Das konnte Kakashi mit Sicherheit auch deuten, allerdings sprach er es nicht an. »Ich denke, sie könnten deine Hilfe im Krankenhaus gebrauchen«, sagte er aufrichtig, womit er ihr erneut eine Reaktion entlockte. Sie biss sich ganz leicht auf die Unterlippe. Es war kein Geheimnis, dass Sakura mittlerweile dabei war, die Fähigkeiten ihrer Meisterin Tsunade zu übertreffen und dass sie eine wertvolle Unterstützung für das Krankenhaus darstellte. Jedoch fragte sie sich, ob Sasukes Verletzungen so schwerwiegend waren, dass die anderen Ärzte ihn nicht behandeln konnten. Wenn Kakashi ihr das allerdings riet, musste an ihrem Gedanken etwas dran sein. Kommentarlos und in aller Ruhe griff Sakura nach den schwarzen Ninjastiefeln, die neben ihrer Haustür auf einer Matte standen, um sie über ihre Füße zu streifen. Das Geräusch des strömenden Regens drang durch ihre offene Haustür in ihre Wohnung, weshalb sie mit dem Gedanken spielte, einen Regenschirm mitzunehmen. Bis zum Krankenhaus war es zwar nicht weit, aber wenn sie ohne ging, wäre sie binnen weniger Sekunden klitschnass. Deshalb griff sie nach dem großen, roten Regenschirm, der neben ihrer Kommode stand. »Wenn du möchtest, kannst du hier warten, bis der Regen sich gelegt hat«, bot Sakura dem Älteren an und trat dann an ihm vorbei. »Vielleicht sehen wir uns dann noch«, sagte sie zum Abschied, um sich dann auf den Weg zu machen. Kaum war sie in den Regen getreten, hatte sie den Regenschirm über sich aufgespannt. Außer ihr war keine Menschenseele auf der Straße, was bei dem Wetter wahrscheinlich nicht weiter verwunderlich war. Die Kunoichi strahlte eine unheimliche Ruhe aus – jedenfalls so lange bis sie um die erste Ecke gegangen war, denn dann rannte sie los. Der kalte Regen peitschte ihr bei ihrer Geschwindigkeit ins Gesicht. Der Schirm bot ihr nur noch wenig bis gar keinen Schutz mehr, wodurch ihre Kleidung auch schon bald nass war. Ihre Gedanken schweiften unentwegt zu Sasuke. Wann hatte sie ihn das letzte Mal gesehen? Richtig, das war kurz nach dem vorläufigen Ende des Krieges gewesen. Team Sieben hatte wieder vereint gekämpft, hatte ihre Stärke und Entwicklung bewiesen – und endlich hatte auch Sakura Anerkennung von den beiden Jungs in ihrem Team erhalten. Doch trotz der Tatsache, dass sie gemeinsam gekämpft hatten, dass sie sich gemeinsam Madara und Obito gestellt hatte, war für Sasuke nicht genug von Bedeutung gewesen, um wieder nach Konoha zurückzukehren. Es war ein paar Tage, nachdem der Krieg ein jähes Ende gefunden hatte. Obitos Macht war ihm über den Kopf gewachsen. Er konnte den Juubi, den er absorbiert hatte, nicht kontrollieren und verfiel in eine aussichtlose Raserei, die ihn erst Madara und dann sich selbst zerstören ließ. Viele waren gefallen, Dörfer und Felder zerstört. Doch die Nationen feierten ihren Sieg, lebten die Erleichterung aus, dass das Blutvergießen endlich ein Ende hatte. Sie betrauerten die Gefallenen, errichteten Denkmäler und fanden sich langsam wieder in ihren Dörfern ein, um so schnell wie es ihnen möglich war, wieder Normalität in ihr Leben einkehren zu lassen. Die Verletzten wurden soweit wiederhergestellt, dass sie genug Energie hatten, in ihre Heimat zurück zu kehren. Doch da war jemand, der glaubte, keine richtige Zugehörigkeit mehr zu haben – oder sie möglicherweise nicht haben wollte –, Sasuke Uchiha. Naruto und ich hatten neue Hoffnungen, denn die Tatsache, dass wir diesen Kampf gemeinsam bestritten hatten, hatte uns unser Teamgefühl zurückgegeben, jedenfalls glaubten wir das – oder wir wollten es einfach glauben. Sasuke jedoch konnte und wollte diese Erwartungen allem Anschein nach nicht erfüllen. Er schien nicht bereit, das Vergangene ruhen zu lassen, um in eine neue Zukunft zu blicken. Viel zu prägend waren die Erinnerungen, viel zu schmerzhaft die Erfahrungen. Sie rannte und rannte. Ihre Wangen waren bereits gerötet von der Kälte, rosa Haarsträhnen klebten in ihrem Gesicht, die Kleidung haftete fest an ihrer blassen Haut. Keine dieser Tatsachen ließ sie langsamer werden oder inne halten. Das Krankenhaus war nicht mehr weit entfernt, noch ein paar Straßen weiter und sie wäre dort. Es herrschte aber noch ein viel zu großes Chaos in ihrem Kopf. Sie erinnerte sich genau an den letzten Augenblick, den sie mit Sasuke Uchiha geteilt hatte. Wir, das wiedervereinte Team Sieben, standen alleine auf einer Klippe außerhalb des Dorfes, Sasuke an der Spitze, Naruto und ich hinter ihm. Wir betrachteten die feuerrote Sonne, die mehr und mehr hinter den Bergen versank und das ganze Land in einem warmen Farbton erstrahlen ließ. Sasuke stand mit dem Rücken zu uns, seinen ehemaligen Teammitgliedern und Freunden. Ich hatte meine Hände gefaltet an meine Brust gedrückt. Nicht ein Wort, das ich hätte sagen wollen, hätte etwas an der Situation ändern können, kein Argument hätte ihn noch überzeugen können. Das hatte ich damals schon zu spüren bekommen, als mein erster Versuch kläglich gescheitert war. Mein Blick war auf den Boden gerichtet, denn im Inneren bereitete ich mich darauf vor, Lebwohl zu sagen – so schwer es mir auch fallen würde. Ich versuchte mir tröstend einzureden, dass er mich dieses Mal wenigstens nicht K.O. schlagen musste. Wir schwiegen alle. Ich für meinen Teil wollte Sasuke den Vortritt lassen und nahm einfach an, dass es bei Naruto ebenfalls so war. Wir hatten beide versucht, auf ihn einzureden, aber es hatte nicht geholfen. Mein Blick wanderte zu meinem blonden Freund neben mir. Er betrachtete anscheinend Gedankenverloren den Rücken unseres gemeinsamen Teamkameraden. Seine ganze Körperhaltung wirkte auf mich angespannt, seine Hände waren zu Fäusten geballt. Als er allerdings bemerkte, dass ich ihn ansah, löste sich diese Anspannung und er schenkte mir ein Lächeln. Es sah so aus, als wollte er mir sagen: ›Mach dir keine Sorgen, Sakura-chan. Alles wird sich wieder zum Guten wenden‹. So und nicht anders kannte ich Naruto, den ewigen Optimisten. Trotzdem änderte es die Situation nicht, denn Sasuke machte uns seine Entscheidung schon wenige Augenblicke später klar. »Ich werde nicht mit euch nach Konoha zurückkehren.« Im Gegensatz zu Naruto, der wahrscheinlich immer noch auf eine gute Entwicklung gehofft hatte, war ich mir sicher, dass seine Entscheidung so ausfallen würde. Es war egal, was wir uns wünschten oder was wir für das Beste hielten, denn Sasuke war ein eigenständiger Mensch, der seine eigenen Entscheidungen traf – ob diese nun richtig oder falsch waren, stand weder zur Debatte, noch hatten wir das Recht das zu beurteilen. Sasuke teilte uns mit, dass er auf Reisen gehen wolle, dass er zu sich selbst finden müsse, dass er einen neuen, seinen eigenen Weg suchen würde. Ich konnte spüren, wie Naruto etwas auf der Zunge lag, das er unbedingt einwerfen wollte. Er konnte sich nicht zurückhalten und es sprudelte wie immer aus ihm heraus. Sein Vorschlag, dass sie das alles gemeinsam machen könnten, er ihm seine Unterstützung unterbreiten würde, wenn er blieb, ließ Sasuke seine Meinung aber nicht ändern. Wie schon früher, wollte er sich lieber alleine um seine Angelegenheiten kümmern. Eine Diskussion blieb aus, was mich ein wenig wunderte. Obwohl wir alle etwas erwachsener geworden waren, hätte ich nicht einmal von mir erwartet, dass ich Sasuke so einfach gehen lassen würde, aber vielleicht hatte ich in diesem Moment angefangen zu akzeptieren und einen neuen Weg einzuschlagen. »Du kannst immer zu uns kommen, Sasuke«, versprach Naruto seinem Freund und legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter, »Sakura-chan und ich, wir werden immer für dich da sein.« Ich erinnere mich noch an den Ausdruck in Sasukes Augen. Vielleicht war es Gerührtheit über die Güte, die wir ihm nach all der Zeit noch immer entgegen brachten, aber was ich auf jeden Fall entdecken konnte, war Glück, wenn auch nur für einen winzigen Moment. Wir zwangen ihn zu nichts und schrieben ihm nichts vor, ließen ihm seine Freiheit und ihn schlussendlich ziehen. Das alles lag nun drei Jahre zurück. Drei Jahre, in denen weder Sakura noch sonst jemand aus dem ehemaligen Team Sieben etwas von Sasuke gehört hatte. Er war wie von der Bildfläche verschwunden. Möglicherweise lag es daran, dass er nicht mehr exzessiv gesucht wurde, aber vielleicht lag es auch daran, dass er einfach nicht gefunden werden wollte. Wenn er sich bewusst versteckt hatte, war dieses Spiel anscheinend zu Ende – möglicherweise aber auch nur vorübergehend. Niemand konnte ihn dazu zwingen, von nun an in Konoha zu bleiben, nur weil er hier medizinisch versorgt wurde. Dafür, sich noch mehr den Kopf über die Zukunft zu zerbrechen, hatte Sakura keine Zeit als sie das Krankenhaus erreichte. Ihre Gedanken von vorhin, als sie die Mitteilung erhalten hatte, weiteten sich aus. Mittlerweile wurde sie nicht mehr vom Krankenhaus angefordert, wenn es sich um eine kleine Lappalie handelte. Es musste also etwas Schlimmeres mit Sasuke passiert sein. Kakashi hatte ihr konkret nichts sagen können, aber wenn sie ehrlich war, hatte sie auch nicht gefragt. Mit der flachen Hand strich sie das rosafarbene Haar, das in ihrem Gesicht klebte nach hinten. »Sakura-san!«, rief eine der Schwestern aufgeregt und kam kurz darauf mit einem Kittel auf die junge Frau zu. Ohne ein Wort zu sagen und sich den Kittel in diesem Moment überziehend, ließ die Kunoichi sich zu dem Operationssaal führen, in dem Sasuke lag. Der Flur war weiß gestrichen, wie es eigentlich üblich in Krankenhäusern war, und auch die Fliesen auf dem Boden waren weiß. Alles war steril, wirkte jedoch irgendwie einengend. Die Schuhe der Krankenschwester klackerten unangenehm laut in Sakuras Ohren. Sie wusste nicht, woher diese plötzliche Nervosität kam, aber sie wusste, dass sie sich sachgerecht verhalten musste. Vor dem OP stand eine – ironischerweise – weiße Bank, vor der jemand aufgeregt auf und ab ging. Schon von Weitem konnte Sakura das zottelige, blonde Haar und die orange-schwarze Kleidung erkennen und zuordnen. Naruto, der vollkommen aufgewühlt wirkte, hob seinen Blick und entdeckte seine Freundin. Er kam für einen kurzen Augenaufschlag zum Stillstand. Sie sah es in seinen Augen, diese Verzweiflung, die ihr förmlich entgegen schrie: ›Hilf ihm, Sakura-chan!‹. Obwohl sie nicht ahnte, was genau sie erwarten würde, nickte sie ihm ermutigend zu. Ihm gegenüber wusste sie ihre ärztlichen Qualitäten einhundert Prozent rüberzubringen. Mit kurzen, geschickten Bewegungen war das feuchte, rosafarbene Haar zu einem hohen Pferdeschwanz fest zusammengebunden und Sakura stieß die Türen in Richtung Operationssaal auf, in dem sie verschwand. Ihre Schritte waren fest, ihr Blick entschlossen. Egal, was sie gleich zu sehen bekommen sollte, sie wäre darauf vorbereitet – dafür hatte sie mittlerweile schon genug gesehen. Auf dem Tisch lag er, Sasuke Uchiha, mit einer klaffenden Wunde auf dem Oberkörper, noch immer blutüberströmt und bereits an diverse medizinische Geräte angeschlossen. Seine Atmung war sehr flach. Ohne den Anwesenden Einblick in ihr Inneres zu geben, musste sie diesen Anblick erst einmal verarbeiten – es war einfach zu persönlich, als dass sie diskret bleiben konnte. Sie erinnerte sich an die Treffen mit ihm, damals als sie ihn noch gesucht hatten. Jedes Mal, wenn es zu einem Zusammentreffen kam, war ich erleichtert, zu sehen, dass es Sasuke gut geht – jedenfalls vom körperlichen Aspekt, seine Psyche ist schon lange zerstört gewesen. Wir fanden ihn erst in Orochimarus Versteck. Dort sah ich ihn nach fast drei Jahren zum ersten Mal wieder und er hatte sich verändert. Er war älter und stärker geworden, so wie wir alle aus dem alten Team 7. Doch die Kluft zwischen ihm und uns war ebenfalls größer geworden. Sasuke war noch immer davon überzeugt, das Band zu uns zu kappen, endgültig. Ich war am Boden zerstört, als er verschwand, aber ich habe die Hoffnung auch damals noch nicht aufgegeben, ebenso wenig wie Naruto. Das nächste Mal traf ich ihn auf der Samurai Brücke, mit der Hoffnung, ich könnte es schaffen, ihn außer Gefecht zu setzen. Sein psychischer Zustand hatte sich ziemlich verschlechtert, aber auch sein Körper schien viel mitgemacht zu haben. Er hatte geschwächelt, war schlussendlich als er Naruto gegenüberstand dem Zusammenbruch nahe und ich machte mir Sorgen. Als er uns im Krieg schließlich zur Hilfe kam, hatte er neue Energie getankt. Wir haben zusammen gekämpft und ich habe das Ausmaß seiner Kraft wahrhaftig mit ansehen können. Niemals hätte ich gedachte, dass ich mir ansehen müsste, wie Sasuke vor mir liegt und mit dem Überleben kämpft. Das geschulte Auge der jungen Frau erkannte die Schwere der Verletzung und sie wusste, dass sie viel Energie und Zeit für die Behandlung benötigen würde. Pflichtbewusst trat sie auf den Shinobi zu, ließ sich von den anwesenden Ärzten über seinen aktuellen Zustand informieren, um ihr weiteres Vorgehen zu planen. Zu aller erst würde Sakura seinen Körper nach inneren Verletzungen absuchen, während die anderen die offene Wunde weiterhin verarzten würden und ein Auge auf seine Vitalzeichen hatten. Nachdem sie tief durchgeatmet und sich zur Professionalität ermahnt hatte, leuchtete das grüne Chakra der jungen Ärztin auf. Konzentriert aber möglichst schnell fuhren ihre schlanken Hände über den lädierten Körper vor sich. Sie machte ein paar Knochenbrüche aus, die behandelt werden mussten und durchleuchtete die inneren Organe genau, damit sie nicht die kleinste Wunde übersehen konnte. Zu ihrer Verwunderung schienen diese jedoch keinen großen Schaden genommen zu haben. Das Herz schlug nicht allzu kräftig, was sie dem immensen Blutverlust zuschrieb. »Wir brauchen ein paar Blutpillen«, befahl Sakura. Kurz darauf eilte eine der Schwestern aus dem Raum, um besagte Pillen für den Patienten zu holen. Durch die Einnahme der Blutpille wird die Blutproduktion im Körper erhöht und dient als temporäre Aufstockung bei hohem Blutverlust. Die Wunde war groß, erstreckte sich beinahe über dem gesamten Oberkörper. Bei genauerem Hinsehen, bemerkte die Ärztin, dass die Schnittränder nicht glatt waren, sondern uneben und zerrissen. Die Haut war ungleichmäßig zerfetzt worden. Diese Verletzung konnte unmöglich von einer Waffe stammen, jedenfalls keine der Waffen, die ihr bekannt war, viel eher kam in ihr die Vermutung auf, dass er von einem Tier attackiert worden war, das ihn mit seinen Krallen so zugerichtet hatte. Trotz ihrer Sorge schien es jedoch nur eine sehr tiefe Fleischwunde zu sein, was bedeutete, dass Sasuke viel Glück gehabt hatte. Was auch immer ihn angegriffen hatte, hätte einen Schaden in noch viel größerem Ausmaß anrichten können. Sakura begann ihr Chakra über die Verletzung zu führen, damit die aufgeschlitzten Hautzellen sich nach und nach regenerierten und wieder miteinander verbinden konnten. Ihre Augen musterten die blasse Haut von ihrem ehemaligen Teamgefährten, die an mehreren Stellen vernarbte Haut aufwies. Manchmal waren es kreisförmige Narben, manchmal feine oder auch breite Streifen. Die Kunoichi wusste, dass ihr früherer Freund keine Medizinjutsus beherrschte und allem Anschein nach hatte er auch keine der Medizin befähigte Begleitung gehabt, sonst würde er anders aussehen. Das grüne Chakra schloss die aufgerissene Haut nur langsam, es erforderte viel Konzentration so eine große Wunde ordentlich zu schließen. Eine erste dünne Hautschicht bildete sich langsam unter Sakuras Händen. Am Wichtigstes war es, dass die Wunde oberflächlich geschlossen war, damit die Gefahr vor Infektionen eingedämmt war. Weiterhin würden sie die Verletzung mit Salben behandeln, da die Kunoichi jedoch nicht so einfach von ihrem Patienten weg konnte, beauftragte sie eine der Schwestern ihr bestimmte Kräuter zu bringen, aus denen sie eine Salbe fertigen würde. Für die weitere Prozedur verbrachte Sakura noch drei Stunden im Operationssaal, um den Zustand von Sasuke soweit es ging zu stabilisieren. Die Wunde war mit der selbstgemachten Salbe versorgt und verbunden und die junge Frau so gut wie am Ende ihrer Kräfte. Sie stieß erschöpft die Türen in den Flur auf, wo Naruto noch immer saß und ungeduldig wartete. Er sprang direkt auf, als er seine Freundin entdeckte. Bevor er allerdings damit anfangen konnte, ihr Löcher in den Bauch zu fragen, hob sie mahnend und müde ihren Finger. »Er ist soweit stabil, aber du weißt, dass die nächsten 48 Stunden ausschlaggebend sind.« Mit einem Nicken bestätigte er, dass er verstanden hatte. Die Sorge um Sasuke war ihm jedoch klar anzusehen, was nicht weiter verwunderlich war. Sie wusste, dass er ihn nie aufgegeben hatte, dass er noch immer wie ein Bruder für ihn war. Selbst wenn sie nicht mehr in einem Dorf lebten, konnte Naruto seinen Freund nicht einfach sterben lassen. »Soll ich dich nach Hause bringen? Du siehst ziemlich müde aus«, schlug der Shinobi vor, da Sakura Immerhin eine ganze Weile im OP verbracht und viel Chakra verbraucht hatte. Sie sollte nicht alleine nach Hause gehen, was für sie durchaus nachvollziehbar war, trotzdem lehnte sie dankend ab. »Ich werde mich hier ein bisschen ausruhen«, antwortete sie und brachte noch ein kleines Lächeln zustande. Die Müdigkeit zog sie immer mehr in ihren Bann, sie hatte einfach nicht die Kraft, sich noch viel zu rechtfertigen. Deswegen führte sie ihren Weg fort, ohne sich noch einmal zu Naruto umzudrehen. Im Krankenhaus gab es in jeder Etage einen Ruheraum für die Ärzte, welchen Sakura direkt aufsuchte. In dem kleinen Zimmer standen lediglich zwei Betten an den gegenüberliegenden Wänden, mit schlichter Bettwäsche und einem kleinen Schränkchen daneben. Ähnlich leer war es momentan in ihrem Kopf. Sie war viel zu ausgepowert, um sich jetzt noch viele Gedanken um Sasuke oder Naruto oder Kakashi zu machen. Kaum hatte die Kunoichi sich auf die Matratze fallen gelassen, war sie auch schon eingeschlafen. Kapitel 2: Kapitel 2 ~ Naruto ----------------------------- ~ Kapitel 2 – Naruto ~ »Soll ich dich nach Hause bringen? Du siehst ziemlich müde aus.« Die Erschöpfung stand Sakura praktisch ins Gesicht geschrieben, was auch nicht sonderlich überraschend war, immerhin hatte sie etliche Stunden im OP verbracht und dabei eine Menge Chakra verbraucht. Deswegen war Ruhe jetzt das, was sie am nötigsten brauchte. Naruto wollte seine Freundin nicht alleine gehen lassen, denn wenn er sie sicher in ihrer Wohnung, in ihrem Bett wusste, würde er sich besser fühlen. Er machte sich immerhin schon etliche Sorgen um seinen Freund, da wollte er nicht auch noch besorgt um Sakura sein müssen. »Ich werde mich hier ein bisschen ausruhen«, erwiderte sie und schenkte ihm noch ein kleines Lächeln, das er nicht deuten konnte. Sie kannte ihren Körper am besten, also würde sie schon wissen, was sie tat. Trotzdem wüsste der junge Mann gerne, was in dem Kopf seiner Freundin vorging. Was hatte sie gedacht, als sie Sasuke so gesehen hatte? War sie genauso geschockt? Ihr Auftreten war souverän und professionell gewesen, aber was war wirklich in ihrem Kopf vorgegangen? Während die junge Ärztin weiter den Flur entlang ging, sah er ihr hinterher, selbst als sie schon lange um die Ecke war. Sein Blick war auf die kahle, weiße Wand gerichtet, hinter der Sakura verschwunden war. Die Lippen zu einem schmalen Strich gepresst, dachte der Shinobi an die Veränderung, die seine Freundin in den letzten Jahren durchlebt hatte. Sie wollte unabhängig sein und stark, ließ sich von niemandem reinreden und hatte ohne Ende für Anerkennung gearbeitet - sowohl als Ärztin wie auch als Kunoichi. Naruto kannte dieses Gefühl, oder ein ähnliches, schließlich war es ihm als Kind nicht anders gegangen. Zudem wusste er, wie schön dieses Gefühl der Bewunderung war. Der Unterschied zwischen ihnen bestand nur darin, dass niemand Sakura für etwas verachtete, das sie war oder nicht war. Die meisten mochten und respektierten sie und ihre Fähigkeiten, doch das schien ihr nicht genug gewesen zu sein. Er erinnerte sich an die Zeit kurz nach dem Krieg, kurz nachdem Sasuke gegangen war und kurz nachdem die restlichen Schäden durch den Kampf beseitigt worden waren – als ein neuer Abschnitt in ihrer aller Leben begann. Es war spät am Abend in Konohagakure. Die Sterne funkelten am Firmament. Ich schlenderte durch die Straßen, die von den Laternen in einem warmen Licht erleuchtet waren. Seit Konoha zum Großteil zerstört und neu aufgebaut worden war, hatten sich einige Straßen und Häuser verändert, aber so eine Veränderung war nun mal unvermeidbar. Die Menschen auf den Straßen lächelten mir zu, grüßten mich und riefen mir nach. Die Anerkennung aus den vorangegangen Kämpfen noch immer genießend, grüßte ich jeden einzelnen zurück. Mein Weg führte mich weiter durch meine Heimat, bis ich vor dem Krankenhaus zum Stehen kam und das große Gebäude musterte, durch dessen gläsernen Eingang ich ein paar schemenhafte Personen erkennen konnte. ›Ob Sakura gerade arbeitet?‹, fragte ich mich in Gedanken. Als ich vor ihrer Wohnung gestanden hatte, wurde mir jedenfalls nicht geöffnet. Die Türen schoben sich von alleine nach rechts und links auf als ich auf sie zutrat. Am Empfang schien nicht besonders viel los zu sein, jedenfalls war es in der Halle relativ ruhig. Ich stellte mich vor den Empfangstresen und grinste die brünette Schwester an. Ihre Augen hatten dieselbe Farbe wie ihre Haare, die zu einem Dutt gebunden waren. »Hallo. Arbeitet Sakura Haruno heute zufällig?« »Naruto!« Die Schwester hatte gar keine Chance, mir zu antworten, da kam ihr bereits jemand zuvor – Ino Yamanaka. Sie hatte anscheinend gerade Schicht im Krankenhaus. Mit eiligen Schritten trat sie auf mich zu. Dabei wehte der weiße Kittel, den sie über ihrem lilafarbenen Sweatshirt und der schwarzen Hose trug um ihre Beine. »Hallo, Ino«, grüßte ich lächelnd. Ihr Auftreten kam mir ganz gelegen. »Sag mal, weißt du, ob Sakura heute arbeitet oder wo ich sie finden kann?« Kaum hatte ich den Namen unserer gemeinsamen Freundin erwähnt, entdeckte ich in Inos Gesicht einen besorgten Ausdruck. »Ja sie ist hier«, murmelte sie leise, schaute dabei auf ihre Füße. Ich sah sie verwirrt an. Ino war kein Mensch der herumdruckste, eher im Gegenteil: Sie war direkt und sagte, was sie dachte. »Sie schiebt mal wieder eine Doppelschicht.« Das war etwas, das uns beiden in den letzten Wochen mehrfach aufgefallen war. Entweder arbeitete Sakura viel mehr im Krankenhaus als sie eigentlich musste, oder sie wälzte Bücher in der Bücherei oder sie trainierte wie eine Verrückte. Das erweckte den Anschein, als ob sie möglichst immer etwas machen musste, um bloß nicht zum Stillstand zu kommen. Ich setzte mich in die Eingangshalle, um dort auf Sakura zu warten, denn ich hatte beschlossen, sie auf ihr Verhalten anzusprechen. Mit ein paar Akten unter dem Arm kam sie nach einer guten Stunde den Gang entlang, woraufhin ich aufsprang. »Sakura-chan!«, rief ich, um auf mich aufmerksam zu machen. Zu meinem Glück blieb sie daraufhin stehen. Überrascht pustete sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Naruto? Was machst du denn hier? Ist alles in Ordnung?«, fragte sie anscheinend verwirrt. Ich trat langsam auf sie zu, hatte mein typisches Grinsen aufgesetzt. »Alles gut. Ich war bei dir zu Hause, aber da hat keiner aufgemacht, deswegen bin ich hergekommen, um nach dir zu fragen. Ich dachte wir können zusammen was trinken gehen.« »Das ist lieb von dir«, antwortete sie, »aber ich wollte noch ein paar Patientenakten durchgehen.« Dass ein aber kommen wurde, hatte ich bereits erwartet. Allerdings würde ich – Naruto Uzumaki – mich nicht so leicht abwimmeln lassen. »Tja, deine Schicht ist aber…«, ich warf einen Seitenblick auf die Uhr, »genau jetzt vorbei und es gibt noch genügend andere Leute hier, die sich die Akten ansehen können.« Ohne ihre Proteste zu beachten, legte ich die Akten einfach auf den Tresen, warf mir Sakura über die Schultern und trug sie, während sie mich lauthals verfluchte, aus dem Krankenhaus. Die Türen zum OP wurden erneut aufgedrückt und die anderen Ärzte kamen ebenso erschöpft wie Sakura in den Flur. Zwei von ihnen schoben das Krankenbett, in dem Sasuke lag und schlief. Sowohl unter der Decke als auch um seinen Kopf herum erkannte man die ganzen Verbände, in die sein Körper eingewickelt war. Bei den Erinnerungen an das ganze Blut und den aufgerissenen Wunden war das mehr als nötig gewesen. Er selber hatte nur notdürftig ein paar Druckverbände mit dem Material, das er dabei gehabt hatte, anlegen können. Seine sanitäterischen Fähigkeiten waren leider nicht so stark ausgeprägt. Obwohl es nicht viel gewesen war, hatte es gereicht, um seinen Freund bis nach Konoha ins Krankenhaus zu bringen, ohne dass er verblutet ist und das war das Wichtigste. Schweigend folgte Naruto der kleinen Gruppe aus Ärzten und Schwestern durch die leeren Krankenhausflure. Sasuke wurde in ein Einzelzimmer gebracht, in dem er seinen weiteren Aufenthalt vorerst verbringen würde. Vom Türrahmen aus beobachtete der Ninja, wie sein Freund an diverse Geräte angeschlossen wurde, dessen Funktionen oder Aufgaben er nicht kannte. Solange diese jedoch halfen, musste er es ertragen. Trotzdem war das kein schöner Anblick und es schien noch ein bisschen Zeit in Anspruch zu nehmen, bis alles fertig sein würde. Deswegen beschloss Naruto, sich etwas zu Trinken zu besorgen, während die Schwestern noch um Sasuke herumwuselten, schließlich wollte er niemandem im Weg stehen. In der Cafeteria war er erst ein bisschen unschlüssig, was er sich holen sollte. Wollte er sich einfach nur erfrischen oder entspannen? Wollte er wachbleiben, um zu warten, dass Sasuke aufwachte? Aber wie groß waren die Chancen, dass er schon bald aufwachen würde? Nach solchen Verletzungen schliefen die meisten Shinobi mehrere Tage durch, das kannte er von sich selber. Seufzend entschied Naruto sich für einen Becher Tee. Er beobachtete den Automaten, wie er einen Becher auswarf und den mit dampfendem Wasser füllte. In das Fach daneben fiel ein Teebeutel herunter, den er an sich nahm und auspackte, um ihn in das heiße Wasser zu tunken, das sich langsam rötlich verfärbte. Unwillkürlich kam ihm das Gespräch mit Sakura vor ein paar Jahren wieder in den Sinn. »Was soll der Mist?!«, brüllte Sakura als sie wieder festen Boden unter den Füßen spürte. Kurz darauf musste ich einem Schlag von ihr ausweichen, der ein großes Loch in der Felswand bei den Hokageköpfen hinterließ. Was der Angriff mit mir angerichtet hätte, wollte ich gar nicht wissen, aber es brachte mich zum Schlucken. Alleine die Tatsache, dass sie mich angriff, war besorgniserregend. »Beruhig dich«, sagte ich und hob beschwichtigend meine Hände. Das war vielleicht nicht die beste Art, damit sie runterkam, aber einen Versuch war es wert. »Was ist los mit dir? Du greifst mich grundlos an?«, sprach ich ihr ins Gewissen. »Grundlos?«, keifte sie zurück, »Du hast mich gerade einfach aus dem Krankenhaus geschleppt!« Der ernsten Situation entsprechend nahm ich einen ernsten Gesichtsausdruck an. »Und das ist Grund genug, mich mit volle Wucht anzugreifen? Schau dir das Loch in der Wand an. Was wäre, wenn du mich getroffen hättest?« Sakura biss sich auf die Unterlippe und wandte ihren Blick ab, trotzdem zitterten ihre Fäuste noch immer, das konnte ich sehen. Seufzend stellte ich mich direkt vor sie und legte meine Hände auf ihre Schultern. Ich nahm an, dass keine Gefahr mehr von ihr ausging. »Du arbeitest zu viel, Sakura-chan. Gönn dir mal eine Pause.« Das meinte ich wirklich nur gut, doch ihr darauf folgendes Schnauben verunsicherte mich ein bisschen. Sie schob meine Hände leicht, aber bestimmt von ihren Schultern und funkelte mich sauer an. »Das ist meine Sache, Naruto. Außerdem wüsste ich nicht, warum ihr bis zum Umfallen trainieren dürft und ich nicht! Also halt dich da raus!« »Sakura…« Doch nach dieser Ansage war sie bereits in der dunklen Nacht verschwunden. Ich wusste nicht genau, wovon sie sprach, aber es schien sehr an ihr zu nagen. Das war kein gutes Zeichen. Mittlerweile wusste Naruto natürlich, was Sakura damals gemeint hatte. Sie wollte einfach mehr als einhundert Prozent geben und es war ihr schlichtweg egal, ob sie sich dabei übernehmen würde oder nicht. Was er selber und auch Sasuke mehr als einmal getan hatten – nur dass dabei immer jemand ein wachendes Auge über die beiden hatte. Sie wollte einfach mit ihnen auf einer Stufe stehen. Einerseits zeigte sie damit Durchhaltevermögen, andererseits aber auch Risikobereitschaft, sich selbst zu schaden. So wie Sasuke im Augenblick aussah, schien auch er sehr risikobereit gewesen zu sein, wenn er so lädiert war, denn eigentlich konnte er Gefahren sehr gut abschätzen. Allerdings wusste noch niemand, was ihm zugestoßen oder wieso er so schrecklich zugerichtet war. Das würden sie erst dann erfahren, wenn er aufwachte und es ihnen erzählte – falls er es ihnen erzählte. Mit seinem Becher in der Hand schlenderte Naruto noch immer nachdenklich zurück zu dem Zimmer, in dem sein Freund lag. Mittlerweile war er alleine, an diverse Geräte angeschlossen und schien seelenruhig zu schlafen. Ob er etwas träumte? Etwas Schönes vielleicht? Oder war alles nur schwarz? Wie lange hatten die beiden sich nicht mehr gesehen? Seit dem Ende des Krieges und das war schon eine Weile her. Was hatte Sasuke in all der Zeit erlebt? Wo lebte er? Was hatte er erlebt. Naruto hatte so viele Frage an ihn. Er wünschte sich seit jeher ein Wiedersehen mit seinem besten Freund. Das hätte jedoch ein schönes Wiedersehen hätte werden sollen. Dass sie so wieder zueinander finden würden, hatte er sich weder gewünscht noch vorstellen können. Es war vielmehr ein Schock als eine Freude, wenn man den Zustand des jungen Mannes berücksichtigte. Alles war viel zu turbulent und aufbrausend gewesen. Das fahle Mondlicht fiel durch das Fenster auf Sasukes blasses Gesicht, das vollkommen entspannt aussah. »Was ist nur mit dir passiert?« Ich war gerade auf dem Heimweg einer D-Rank-Mission mit drei Genin. Wir waren die Eskorte für einen Händler nach Kumogakure. Da es schon recht spät war, hatte ich beschlossen, vorerst ein Langer aufzuschlagen und zu nächtigen. Wir hatten einen Großteil der Reise hinter uns und die Kleinen sollten sich ein bisschen ausruhen, damit sie wieder zu Kräften kommen konnten. Als ich am nächsten Morgen meinen Rucksack packte, versetzte mich das Kreischen einer meiner Schützlinge in Alarmbereitschaft. Sogar die Vögel in den Bäumen wurden von dem Schrei aufgeschreckt und flogen davon. Blitzschnell sprintete ich zu dem Genin, der sich an einem kleinen Bach in unmittelbarer Nähe frisch machen wollte. »Was ist passiert?«, fragte ich eilig, als ich direkt vor ihr stand. Doch sie zeigte nur verschreckt von sich. Als ich mich umdrehte, entdeckte ich einen reglosen Körper, der halb im Wasser und halb auf dem Boden lag. »Du bleibst hier, okay? Ich schau mir das mal an.« Vorsichtige pirschte ich mich an die Person heran. Ich musste auf alles gefasst sein, schließlich konnte das auch eine Falle von irgendwelchen Banditen sein. Je näher ich kam, desto mehr konnte ich erkennen. Wer auch immer da lag, war männlich, schien schwer verletzt zu sein. Dank meines Senin-Modus spürte ich, dass sein Chakra nur noch ganz schwach war. In der naheliegenden Umgebung konnte ich allerdings keine anderen Chakren wahrnehmen, also schien es keine Falle zu sein. Neben dem Fremden ging ich in die Hocke. Seine Atmung war sehr flach, was ein ziemlich schlechtes Zeichen war. Vorsichtig drehte ich ihn auf den Rücken und betrachtete sein Gesicht. Erschrocken riss ich meine Augen auf. Es war als würde in diesem Moment ein elektrischer Stoß durch meinen Körper gejagt werden. »Sasuke…«, hauchte ich atemlos. Meine Kehle war plötzlich ganz trocken geworden. »Oh Gott…« Sasukes Zustand war so verheerend gewesen, dass Naruto wie eingefroren war. Er musste diesen Augenblick erst mal verarbeiten, bevor er es schaffte zu reagieren. Die Verletzungen waren sehr schlimm, das hatte er sofort erkennen können. Leider wusste der Shinobi sich nicht zu helfen, weil er keinerlei Heiljutsus beherrschte. Deswegen hatte er ihn notdürftig mit dem medizinischen Paket, das seit Neustem jeder Shinobi mit sich tragen sollte, versorgt und war dann sofort mit ihm auf dem Rücken losgesprintet. Dabei hatte er seine Schützlinge beinahe hinter sich zurück gelassen. Für ihn zählte das Wohl seines besten Freundes, seines Bruders mehr als alles andere in diesem Moment. Je näher sie an Konoha dran waren, umso weiter ließ er die Genin zurückfallen. Sobald für sie keine Gefahr bestand, konnte er sie mit gutem Gewissen den restlichen Weg alleine zurücklegen lassen. Der bewusstlose Sasuke auf seinem Rücken hatte ihm einen viel zu großen Schrecken eingejagt und er war mit ihm so schnell er konnte ins Krankenhaus gelaufen, damit erfahrene Ärzte ihm helfen konnten. Er durfte auf gar keinen Fall sterben. Und dann war Sakura gekommen. Der Tee in der Hand des jungen Mannes wurde bereits kalt, weil er schlichtweg vergaß, ihn zu trinken. Seine Gedanken waren ganz wo anders. Er dachte über so vieles nach, was er selten tat. Dinge, die schon lange geschehen waren. Entscheidungen, die schon lange getroffen wurden. Veränderungen, die sie alle durchlebt hatten. Und irgendwann schlief er einfach auf dem Stuhl neben Sasukes Bett ein. Die Nacht verging und die Sonne erklomm langsam ihren Weg an den Himmel. Sie erhob sich über die Baumwipfel des Waldes und beleuchtete die Dächer des Dorfes. Ein Lichtstrahl fiel durch das Fenster auf das Körper von Sasuke, neben dem Naruto leise schnarchte. Die Tür zu dem Krankenzimmer wurde aufgeschoben, jemand trat langsam ein. Die Hände in den Hosentaschen vergraben und das Gesicht im Schatten verborgen. Keine Worte wurden gesagt, nur ein flüchtiger Blick auf den Verletzten geworden. Als die Tür erneut aufgeschoben wurde, löste die Person sich in Luft auf. Niemand hatte sie bemerkt, niemand hatte sie gesehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)