Wo die Liebe hinfällt (Arbeitstitel, wird noch geändert) von BittersweetNightmare ================================================================================ Kapitel 3: Erster Schultag -------------------------- Ich kann einfach nicht anders, als weiterhin fassungslos auf den Helm zu blicken. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass ich genau diesen Helm gesehen habe, nachdem ich beinah angefahren worden wäre. Am Liebsten hätte ich den Typen angeschnauzt, allerdings ist dies wohl keine gute Idee. Denn sollte ich mich tatsächlich irren, wäre ich danach garantiert bei diesem unten durch und das wäre ziemlich schade. Immerhin ist es durchaus angenehm, in dem zickigen Hühnerhaufen, der sich Klasse schimpft, nicht das einzige männliche Wesen zu sein. Und wenn man sich mit dem anderen Individuum einigermaßen gut versteht, um so besser. Zudem zerreißen sich meine werten Klassenkameradinnen sicherlich ohnehin wieder das Maul, wenn ich mich mit einem Kerl unterhalte. Denn nicht nur der Umstand, dass ich mich schminke, schwarz kleide und mit Leib und Seele Goth bin, ist ein Grund für sie, mich zu schikanieren... Zum Einen wäre nämlich noch zu erwähnen, dass ich mit meinen 20 Jahren der Älteste bin und mir diesbezüglich permanent dumme Sprüche anhören darf. Doch warum ich noch die Schulbank drücke, interessiert sie nicht und wenn ich ehrlich bin, bin ich auch ganz froh darüber. Denn dieses Thema vermeide ich gern. Aber die eigentliche Ursache für den Umstand ,dass ich fast täglich Spott und Anfeindungen ausgesetzt bin, ist die Tatsache, dass mich einige meiner Mitschülerinnen letztes Jahr nach Schulschluss mit einem Kerl knutschend erwischt hatten. Ich bin schwul und steh dazu, auch wenn sich leider bisher noch nichts Festes ergeben hat. Ab und an mal einen One-Night-Stand oder was für ein paar Tage, doch länger als einen Monat hats noch nie einer mit mir ausgehalten. Doch da ich ein meist positiv eingestellter Mensch bin, versuche ich mich in Geduld zu üben, bis ich den für mich Richtigen gefunden habe. "Hallo? Hey, ich rede mit dir!", reißt mich eine energische männliche Stimme aus meinen Grübeleien, wobei ich peinlich berührt feststelle, dass ich die ganze Zeit über den Helm wie hypnotisiert angestarrt habe. Aber nicht nur deswegen wende ich den Blick von dem Neuen ab, denn wenn ich ihn weiter angesehen hätte, wäre ich unter Garantie errötet und hätte ihn permanent angestarrt. Diese Augen... Eine solche Färbung der Iris habe ich noch nie gesehen und ich dachte bisher immer, ich hätte schon eine außergewöhnliche Augenfarbe. Diese hat mir schon des Öfteren das ein oder andere Kompliment oder gar bewundernde Blicke eingebracht, weshalb ich ziemlich stolz auf sie bin. Aber die Augenfarbe des Neuen mit ihrem dunkelbraunen Grundton und den orangefarbenen Facetten haben sicher schon Einige aus der Fassung gebracht. Ich bin mir sicher, dass mein Tischnachbar ein richtiger Mädchenschwarm ist. Immerhin werfen meine Klassenkameradinnen ihm oft schmachtende Blicke zu oder senken schnell den Blick, wenn er sie ansieht. So schnell kommt man also zu Verehrerinnen... Und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, bin auch bereits angetan von dem hochgewachsenen Punk mit dem blauen Haar und den ungewöhnlichen Augen. Dennoch ist mir durchaus bewusst, dass ich mir keine Hoffnungen machen darf, kenne ich ihn doch noch gar nicht. Doch dass er nicht schwul ist, ist in meinen Augen klar ersichtlich, weshalb ich mich lieber auf meinen Gesprächspartner konzentriere, bevor er noch sauer wird. Wobei ich ja eigentlich mehr Grund dazu hätte, angesäuert zu sein... So hole ich schon Luft, um all meinen Ärger eine Stimme zu verleihen, jedoch bringt er mich mit einer knappen Geste zum Schweigen. "Bevor du mich rund machst... Es tut mir Leid, dass ich dich vorhin beinah zusammengefahren hätte... Ich war zu schnell dran, weil ich nicht zu spät kommen wollte an meinem ersten Tag hier", versucht er, sich zu rechtfertigen, doch so leicht will ich es ihm nicht machen. "Es mag ja sein, dass nichts passiert ist, aber ist dir klar, dass du mir eine Scheißangst eingejagt hast, als du auf mich zugerast bist?", sprudelt mein Unmut nur so aus mir heraus, wobei alle Blicke auf mich gerichtet zu sein scheinen. Na super, jetzt wird mir sicher wieder der Stempel des überempfindlichen Mimöschens aufgedrückt, doch vor ihnen zu kuschen kommt mir so gar nicht in den Sinn. Aber noch bevor ich weitersprechen kann öffnet sich die Zimmertür und unsere Klassenleitung betritt den Raum, ehe sie mit uns den Stundenplan für dieses Jahr durchgeht und uns den Neuen als Nicholas Zeiss vorstellt. Diesem werfe ich während des Unterrichts ziemlich giftige Blicke zu, welche ihre Wirkung auch nicht zu verfehlen scheinen, da der Punk immer wieder schuldbewusst zusammen zu zucken scheint. Das Getuschel vor mir ignoriere ich gekonnt, war doch klar, dass eine solche Situation für die "Damen" wieder ein gefundenes Fressen ist... Außerdem habe ich mir fest vorgenommen, diese Ausbildung so gut wie möglich abzuschließen und mich von nichts und niemandem davon ablenken zu lassen. Wenngleich dies alles Andere als leicht fällt bei dem gutaussehenden Punk neben mir... Aber meine Gedanken schweifen schon wieder ab, das ist nicht gut... Dementsprechend erleichtert bin ich, als die Klingel nach einer gefühlten Ewigkeit schließlich das Unterrichtsende für heute verkündet und ich eilig das Klassenzimmer verlassen kann. Zwar versucht der Neue wie schon in der Pause, mich zurück zu halten und sich nochmals für den morgendlichen Vorfall zu entschuldigen, doch ich ignoriere ihn gekonnt. Wenn er meint, dass das Ganze mit einer Entschuldigung getan sie, hat er sich geschnitten. Ja, in diesem Punkt bin ich stur, wie ich ehrlich zugeben muss. Noch bevor Nicholas ein weiteres Mal versuchen kann, mich zurückzuhalten schwinge ich mich abermals auf meinen klapprigen Drahtesel und mache mich eilig auf den Weg in meine Wohnung in einem Regensburger Vorort, welche ich schließlich nach einer gut halbstündigen Fahrt und dem Gang in den vierten Stock eines Mehrfamilienhauses erreiche. Auch wenn der Tag an sich eigentlich nicht so anstrengend gewesen ist, fühle ich mich dennoch furchtbar müde und erschöpft. Wahrscheinlich ist das dem Schock des vereitelten Unfalls geschuldet. Aus diesem Grund begebe ich mich erst einmal in die kleine Küche, um mir Tee zu machen, ehe ich an meinen Laptop gehe, um diesen hochzufahren und und mich im Internet in eine Chat-Community einzuloggen, wobei ich dabei sehr aufgeregt bin wie immer, wenn ich diese Website besuche. Aufmerksame huscht mein Blick über meine virtuelle Freundesliste, suchen einen bestimmten Nicknamen und als ich sehe, dass "er" online ist, schlägt mein Herz bis zum Hals. Und das, obwohl ich "ihn" nur virtuell kenne, ihn noch nie getroffen und auch noch nie ein Bild von ihm gesehen habe. Er hat auch noch nie ein Foto von mir ein Foto gesehen, da ich Vorurteile und blöde Kommentare vermeiden wollte bisher. Und die Chat-Dialoge mit ihm zu verlieren wäre wirklich sehr schade, teilen wir doch einige Ansichten diskutieren oft bis spät in die Nacht hinein oder stehen einander mit gutem Rat zur Seite. Und das schon seit vier Monaten, obwohl wir einander völlig fremd sind. Jedoch kommt es mir so vor, als würden wir einander schon ewig kennen und ich habe mir fest vorgenommen "One Winged Angel", wie er sich nennt, wenigstens einmal persönlich zu treffen. Doch noch bevor ich mich dazu durchringen kann, ihn anzuschreiben, höre ich, dass das Teewasser fertig gekocht ist, weshalb ich mich raschen Schrittes in die kleine dunkelrot lackierte Küche begebe, um mir dort eine Tasse Lycheetee aufzubrühen. Ich besitze einfach ein enormes Faible für außergewöhnliche Teesorten und auch wenn mein Nebenjob in einer Bibliothek nicht allzu viel abwirft, kaufe ich mir trotzdem ausschließlich losen Tee aus dem Teeladen meines Vertrauens. In manchen Belangen bin ich eben ein recht eigenwilliger Mensch. Rasch bereite ich mir noch ein Käsebrot zu, habe ich doch gerade festgestellt, dass ich den ganzen Tag lang noch nichts zu mir genommen habe außer des Kaffees am Morgen. So kehre ich schließlich wenig später mit meinem Brot, sowie einer Tasse dampfenden Tees "bewaffnet" in mein owhnzimmer zurück, um auf dem Couchtisch Beides abzustellen und es mir anschließend auf dem Sofa mit dem Laptop gemütlich zu machen. Ob ich One Winged Angel anschreiben soll? oder gehe ich ihm damit nur auf die Nerven? Immerhin haben wir fast täglich Kontakt miteinander, da kann es durchaus sein, dass er mal eine Weile seine Ruhe vor mir haben will. Denn leider besitze ich die leicht nervig werdende Angewohnheit, mir wichtige Personen alles anzuvertrauen, was mir auf dem Herzen liegt, ob sie wollen oder nicht. Ich bin so in meine Grübeleien vertieft, dass ich gar nicht bemerkt hab, das ich angeschrieben wurde. Doch als mein Blick schließlich doch zum Monitor abdriftet, auf welchem die Nachricht One Winged Angel hat dich angesprochen erscheitn kann ich einfach nicht anders, als zu grinsen, während sich eine angenehme Aufregung in mir breitmacht. One Winged Angel: hi süßer, wie gehts dir? hast du den ersten schultag gut überstanden? Auch wenn wir einander noch nicht allzu lange "kennen", hab ich ihn bereits unheimlich lieb gewonnen. Zu meiner Schande muss ich sogar gestehen, dass ich mich ziemlich in ihn verguckt hab. Oder vielmehr in seinen Charakter, immerhin weiß ich weder wie er aussieht, noch wie er heißt. Und dennoch kann ich nicht umhin, mir wieder einmal einzugestehen, dass ich ihn unheimlich gern mag. Auch die Tatsache, dass wir einander mit "Süßer" ansprechen zeigt, dass wir ein sehr gutes Verhältnis zueinander besitzen und ich freu mich immer wieder ungemein auf schöne Gespräche mit ihm, seien es tiefgründige Diskussionen oder kleine, kindische Albereien. Und auch heute ist mir dies ganz Recht, hoffe ich doch, auf diese Weise genug Ablenkung zu bekommen, um nicht permanent an die umwerfenden Augen eines gewissen Punks denken zu müssen... Außerdem sollte ich meinem Chatpartner nun auch langsam mal antworten, nicht, dass dieser am Ende noch eingeschnappt ist, weil keine Erwiderung meinerseits kommt. Also ran an die Tastatur, wobei das Lächeln gar nicht mehr aus meinem Gesicht weichen will. Zum Glück kann mein Gesprächspartner nicht sehen, wie ich gerade dämlich grinsend wie ein schwärmerischer Teenager vor meinem Laptop hocke und aufgeregt eine Antwort verfasse. Shadowdancer: hi süßer! schön, dich zu lesen! mir gehts gut und dir? wie war denn dein erster schultag? One Winged Angel: der war ganz okay, ich komm mit meinen neuen klassenkameraden gut aus, denk ich mal. man kann ja am ersten tag noch nicht all zu viel sagen. auch wenn mich der erste klassenkamerad schon nicht sonderlich leiden kann, aber... that`s life :) kennst ja wohl selber, dass wir "paradiesvögel" eben nicht immer gut ankommen xD Unweigerlich drängt sich mir während des Lesens wieder die Szenerie vom Morgen auf, wobei ich ein leicht genervtes Seufzen nicht vermeiden kann. Denn die Tatsache, diesen Kerl morgen wiederzusehen und neben mir sitzen zu haben erfreut mich nicht gerade. Oder bin ich etwas zu ungerecht und hart ihm gegenüber? Immerhin hat er doch versucht, sich zu entschuldigen... Aber ich bin eben nun mal ein sturer Mensch, weshalb ich mir auch felsenfest vornehme, diesen Nick auch erstmal in den nächsten Tagen weiterhin zu ignorieren. Das mag vielleicht etwas kindisch anmuten, aber ich bin nun einmal so. Ob ich meinem Chatpartner von dem Vorfall erzählen soll? Nach einigem Überlegen entscheide ich mich doch dagegen, will ich diesem mit meinen läppischen Problemen nicht auf den Nerv fallen. So will ich ihn gerade nach seinem sonstigen Befinden fragen, als ich merke, dass ich in meiner rechten Hand kein Gefühl mehr besitze. Panik macht sich in mir breit, denn meine Hand ist nicht einfach wegen der monotonen Haltung der Selbigen durch das Stifthalten in der Schule oder Ähnlichem eingeschlafen. Nein, das hat ganz andere Ursachen... Denn seit 5 Jahren leide ich an Multipler Sklerose, einer Erkrankung des Zentralen Nervensystems, welche sich bei jedem Erkrankten anders äußert. Das kann sich wie bei mir anhand vom Taubheit an manchen Körperstellen oder auch extremer Müdigkeit bemerkbar machen. Aber es kann auch so weit gehen, dass Lähmungserscheinungen auftreten oder man komplett im Rollstuhl landet. Und Letzteres ist meine größte Angst. Es ist zwar nicht gesagt, dass die Krankheit bei mir auch so verlaufen muss, aber dennoch kann ich nicht verhindern, dass dieser Gedanke mich einfach nicht mehr loslässt. Auch wenn es meinem Chatpartner gegenüber nicht wirklich gerecht ist, so ist mir die Lust auf ein Gespräch gerade gehörig vergangen und da ich mit einer Hand nur schwerlich tippen kann, verabschiede ich mich nicht einmal von ihm, auch wenn dies wirklich nicht gerade die feine englische Art ist. Aber ich habe gerade irgendwie das Gefühl, es in meiner Wohnung nicht mehr auszuhalten. Aus diesem Grund streife ich mir abermals meinen langen Bondagemantel über, schnappe mir meine Kampftasche mit Schlüssel und Geldbeutel, um mich zu einem Spaziergang aufzumachen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)