Let's live von Rix (Eine OneShot-Sammlung zu Haikyuu-Pairs) ================================================================================ Kapitel 11: Versteckspiel ------------------------- XI. Versteckspiel “I'm thinking of you a lot, in the mornings, in the afternoons, in the evenings, at night, in the periods in between and just before and after - and also during.” - Daniel Glattauer, Love Virtually Iwaizumi spielte Verstecken, ohne wirklich zu ahnen, wonach er überhaupt suchte. Eigentlich war Iwaizumi immer überzeugt davon gewesen, dass eine seiner persönlichen Stärke jene war, die sich damit beschäftigte, was er von seinem Leben wollte. Es war ihm nie besonders schwer gefallen Entscheidungen zu treffen. Dies konnten triviale Sachen sein, wie was er am Morgen anziehen oder frühstücken würde oder substanziellere Dinge, wie an Oikawas Seite bleiben oder was er für einen Beruf ausüben wollte. Sie mochten ihn zwar ins Grübeln bringen, aber keineswegs ins Stolpern. Daher verunsicherte ihm der Fakt umso mehr, dass es ihm zum ersten Mal schwer fiel einen Schritt in eine Richtung zu setzen. Zurückdenkend an seine Kindheit, war er nie wirklich gut im Verstecken spielen gewesen. Zwar hatte er andauernd Oikawa in den unmöglichsten Verstecken gefunden, aber meistens eher dank dessen Ungeduld. Die meisten Menschen nahmen an, es lag daran, dass Iwaizumi ein guter Menschenkenner war, wogegen die Wahrheit ganz anders aussah. In Wirklichkeit war Iwaizumi der schlechteste Menschenversteher auf Erden und womöglich der stümperhafteste Sucher in der gesamten Galaxis. Weshalb nach Ushijima suchen einer Sisyphusarbeit gleichkam. Iwaizumi suchte ihn nicht wirklich in dem Sinne. Er wusste ganz genau, wie dessen Tagesplan aussah, was entweder die Uni, gemeinsame belegte Kurse, das gemeinsame Volleyballtraining, den Park in der Nachbarschaft fürs Joggen oder Starbucks und ab und zu den Tierpark beinhaltete. Wenn es ihm danach verlangte, könnte er sogar den geschenkten Zweitschlüssel benutzen und in dessen Wohnung auf ihn warten. Iwaizumi brauchte Ushijima zur keiner Stunde des Tages körperlich suchen, was in sich schon verrückt war. Absonderlicher war es, dass er den Anderen auf einer psychischen Ebene suchte. So richtig im Klarem darüber, ob es überhaupt die richtige Bezeichnung zu seiner momentanen Lage war oder ob es dazu eigentlich eine gab, war er sich nicht. Auch Oikawa war dabei keine große Hilfe mit seinen ominösen Bemerkungen, er müsse dieses Spiel schon alleine gewinnen oder verlieren. Also suchte er, ohne Plan und ohne Anhaltspunkt. Ohne einen Anfang und ohne Garantie eines Endes. Nur mit dem zunehmenden Verlangen zu suchen und schließlich zu finden. Anfangs beschränkte Iwaizumi sich auf ein distanziertes Beobachten, welches ihn zuerst nicht sonderlich weiterbrachte. Lange schon hatten sich Ushijimas Bewegungen, kraftvoll und stolz auf dem Volleyballfeld, ungeschickt und steif im realen Leben, hinter seine Augenlider eingebrannt. Nach einer Weile verstand er, um zu Finden, musste er beim Suchen näher heran. Dennoch fand er auch dort nichts wirklich, was für ihm neu war oder Licht ins Dunkle brachte. Ihm war schon längst aufgefallen, dass wenn der Größere nervös war, er mit seinem rechten Bein rhythmisch wippte oder er beim Nachdenken sich den Nacken kratzte. Ebenso wenn er lächelte ein Grübchen bekam und wenn er frustriert oder wütend wurde, zuallererst sein linkes Augenlid zuckte. Iwaizumi suchte, allerdings nicht an den richtigen Stellen wie er feststellen musste. Daher versuchte er einen anderen Weg. Er fing an, auf Ushijimas Worte zu achten, auf dessen Stimme. Ruhig und gefasst, wann immer er sich mit seinen Mitmenschen unterhielt. Tiefer und knapp am frühen Morgen, wenn er gerade aufgestanden war und noch nicht seinen ersten Kaffee getrunken hatte. Und einmal, da war sie auch leise und zärtlich gewesen, als Iwaizumi sich betrunken und wütend auf Oikawa, nachts vor seiner Wohnungstür wiedergefunden hatte. Kurzum, auch dort fand er keine unerklärlichen Antworten. Logischerweise blieb ihm nur übrig, auf andere Eigenarten zu achten. Weswegen er sich auf Ushijimas Verhalten konzentrierte. Fair und fordernd zugleich zu seinen Mitmenschen und sich selbst. Von Zeit zu Zeit einer gewissen naiven Ignoranz unterliegend, die über die Jahre abgeflacht war. Ungewöhnlich aufmerksam und gütig, wenn es um Menschen ging, die ihm etwas zu bedeuten schienen. Trotzdem oftmals unleserlich und in sich verschlossen, was zumindest für Iwaizumi frustrierend war, da es sich anfühlte, als würde er Dornen gespickte Mauern erklimmen wollen. Iwaizumi suchte abermals an den falschen Stellen und war damit mit seinem Latein am Ende. Somit stand er auf verlorenen Posten mit sich selbst und seinem Verlangen nach etwas zu suchen, von dem er nicht einmal wusste, ob es überhaupt auffindbar war. Unfähig eine Entscheidung über sich selbst zu fällen, blieb ihm nur eine einzige Tür offen. Eine, bei der er sich unschlüssig war, ob sie ihm beim Suchen helfen oder seine Mühen endgültig ertränken würde. Anstatt im Stillen nach Ushijima zu suchen, entschloss er sich, diesen offen und direkt zu begegnen. Der Größere schwieg eine ganze Weile, nachdem er sich Iwaizumis Ausführungen und Beobachtungen angehört hatte. Starrte ihn an, wobei er sich leicht im Nacken kratzte. Dann erschien das bekannte Grübchen und seine Stimme war sanft wie an jenem Abend. „Vielleicht suchst du ja gar nicht.“ Auf diese Antwort hatte Iwaizumi nur die Stirn gerunzelt und ein missmutige Schnauben von sich gegeben. Jedoch schien es Ushijima nicht weiter zu stören, da er jetzt auf ihn zutrat und den Abstand zwischen ihnen auf ein gutes Nichts verringerte. „Schon einmal daran gedacht, dass du derjenige bist, der sich versteckt?“ Iwaizumi erwidert daraufhin nichts, da er realisiert, dass es stimmte. Eine ganze Zeit schon hat er Ushijima längst gefunden gehabt. Gefunden, was tief in ihm schlummert und doch so offensichtlich ist. Und er hat danach in sich selbst gesucht, herausgefunden, dass es perfekt mit dem übereinstimmt, was in dem Größeren wohnt. Doch unfähig es sich einzugestehen, war er weggerannt. „Nun, dann hast du mich wohl jetzt gefunden", sagte er leise, wobei seine Stimme leicht zitterte und damit ihren herausfordernden Klang verlor. Ushijima dagegen belohnte sich auf diese Worte hin selbst, indem er sachte Iwaizumis Kinn anhob und sich vorbeugte. Iwaizumi war ein furchtbarer Sucher und ein exzellenter Verstecker. Zu seinem eigenem Glück war Ushijima dagegen ein furchtbarer Verstecker und ein exzellenter Sucher. Verstecken spielen war noch nie zuvor so verlockend gewesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)