Alles aus Liebe von abgemeldet (Tendershipping) ================================================================================ Kapitel 1: Erwachen ------------------- Sanfte, warme Lippen legten sich auf die seinen, striffen sich jedoch nur kaum merklich. Es war kein Kuss, viel mehr war es ein Hauch. Dennoch reichte dies schon aus eine wohlige Gänsehaut auf dem Körper Ryous auszubreiten. Seine Tasthärchen stellten sich auf, reckten sich seinem Liebsten entgegen, wollten noch viel mehr von dieser Wärme spüren und durch einige Signale an sein Gehirn, welches dann auch dafür sorgen würde, dass sein Herz noch viel schneller in seiner Brust schlug als es dies eh schon tat. Leicht legte er seine Hand an den entblößten Rücken, fühlte die warme Haut, die er so sehr liebte. Sein Griff verstärkte sich und drückte ihn so mehr zu sich. Erneut wollte er sie schmecken, diese weichen, sanften Lippen, die nur die seinen berühren durften. Noch nie hatte er genug von ihnen bekommen können, oder gar von diesem Gefühl, welches sie auslösten, wenn sie ihn berührten. Ryou liebte es, vielleicht sogar noch mehr als er ihn liebte. Er war einfach süchtig nach diesem Gefühl, verlor sich viel zu leicht in diesem Gefühl und war dann in einer Welt gefangen, aus der er sich nicht befreien konnte, selbst wenn er es gewollt hätte. Plötzlich drang ein schrilles Klingeln in das Ohr des Weißhaarigen. Verwirrt öffnete er seine haselnussbraunen Augen und ließ seinen Blick umher schweifen. War all dies nur ein Traum gewesen? Als sein Blick auf die Gestalt fiel, die schlafend neben ihm lag, trat für einen Augenblick der Ausdruck der Enttäuschung in diesen. Er gab Dinge Preis, die Ryou verdrängte. Diese Person, die neben ihm lag, sollte nicht der junge Ägypter Marik Ishtar sein, sondern eine Person, die er bereits seit drei Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ryou hob einen seiner blassen Finger und strich mit einer sanften Bewegung über das helle Haar des Dunkelhäutigen, welches sich über dem Kissen ausgebreitet hatte. Es fühlte sich gewiss nicht wie jenes an, welches er vermisste. Es roch nicht einmal im Entferntesten danach. Obwohl er all diese Dinge wusste, musste er sie verdrängen. Er hatte schon vor einiger Zeit mit sich selbst ausgemacht, dass er der Vergangenheit nicht nach hängen durfte. Er musste im Hier und Jetzt leben, auch wenn er sich im Bezug auf seine Gefühle selbst verleugnete. Um sich endgültig von diesem Thema abzuwenden und auch die wunderschönen Traumbilder aus seinem Kopf zu verdrängen, drückte er auf den Knopf seines Weckers, damit der schrille Ton nicht mehr den Raum durchflutete. Gähnend erhob sich der junge Mann und ging seinen morgendlichen Tätigkeiten nach. Hoch konzentriert auf das, was er tat, ließ er seinem Kopf keine Chance mehr, diesen verführerischen Gedanken zu verfallen. Im Grunde wusste er ja, dass es eh nichts brachte über IHN nachzudenken. Dieses Kapitel in seinem Leben war abgeschlossen und auch nie wieder würde es auch nur den Hauch einer Chance geben, dass er wieder bei ihm war. Das war einfach völlig ausgeschlossen, und das wusste Ryou besser als jeder andere. Gedankenverloren sah der kleine Albino aus dem Fenster, während er gerade sein Frühstück aß. In diesem Moment schlangen sich dunkelhäutige Arme um seinen Körper. Ein gehauchtes „Guten Morgen“ drang in sein Ohr. Ryou brauchte sich gar nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Marik hinter ihm stand. Er hatte sich zu sehr an seine Stimme und ja, auch sogar an seine Nähe gewöhnt. „Morgen“, nuschelte er nur zurück. „Warum bist du schon aufgestanden?“ „Ich muss doch gleich los.“ „Wohin?“ „Uni, ich studiere Archäologie, schon vergessen?“ Ein leises, raues Lachen entfuhr den Lippen seines Freundes. „Nein, natürlich nicht“, antwortete dieser und löste dann langsam seine Umarmung. Ryou erhob sich und warf die Reste seines Frühstücks weg. Er hatte nicht mehr wirklich Lust sich den pappigen Cornflakes hinzugeben. Diese erinnerten ihn irgendwie an Pferdefutter, nicht, dass er dies schon einmal probiert hätte, aber in seinem Kopf schmeckte es einfach so. „Ryou?“, begann dann Marik plötzlich von Neuem. Der Weißhaarige drehte sich zu dem Ägypter um und taxierte ihn. Immer, wenn Marik so begann, wusste er, welche Frage nur wenige Sekunden später folgen würde. „Du hast doch heute Abend noch nichts vor, oder?“ Und siehe da – es ging wieder los. Ryou schüttelte nur kurz den Kopf. „Ich dachte, wir machen vielleicht etwas.“ „Ja, daran hatte ich auch gedacht. Du weißt doch noch von diesem super Schuppen von dem ich dir mal erzählt habe, oder?“ Innerlich entglitt ihm ein Seufzen. Schon kurz nachdem er Marik kennengelernt hatte, versuchte dieser ihn immer wieder in eine kleine Disko zu ziehen, die den Namen „Luna“ trug. Ryou wusste nichts von diesem Laden, er hatte nur einige Gerüchte gehört, dass sich dort einige Menschen aufhielten, die auf die schiefe Bahn geraten waren. Er konnte einfach nicht verstehen, warum Marik ihn dort immer wieder unbedingt mit hin schleifen wollte. Was war an so einer kleinen, dreckigen Disko denn so besonderes? Nichts, wie Ryou fand. Dennoch wusste er auch, dass Marik so schnell nicht aufgeben würde. Er würde immer wieder fragen, ob er nicht mitkommen wollen würde. Wenn der Kleine ehrlich war, nervte ihn das. „Ja, ich erinnere mich, Marik“, antwortete Ryou mit einer nun doch leicht gereizten Stimme, „Und lass mich raten, ich soll dich dort hin begleiten, nicht wahr?“ Mariks Blick war beschwichtigend als er auf den Albino zu trat und ihm einen Kuss auf die Wange hauchte. „Ach komm schon, Süßer“, säuselte er seinem Freund zu, „Nur dieses eine Mal.“ Ein genervtes Seufzen glitt Ryou von den Lippen. Marik würde nicht aufgeben, dass wusste er, dafür kannte er den Ägypter einfach schon zu gut. „Na gut“, gab er dann nach – mit der Hoffnung darauf, dass er ihn in Zukunft damit verschonen würde, „Ich komme mit, aber wirklich nur dieses eine Mal!“ Marik nickte dann nur knapp, und sah mehr als zufrieden aus. Er hob dann leicht das Kinn seines Freundes an und legte seine Lippen auf die seinen. Mehr mechanisch als auch nur von irgendeinem tieferen Gefühl geleitet, schloss der Albino seine Lider und erwiderte den Kuss. Die Küsse zwischen ihn und dem Ägypter waren nichts besonderes. Kein Feuerwerk, nicht einmal der Ansatz eines Knisterns. Sofort schoss ihm wieder sein Traum von heute Nacht in den Kopf, der doch viel mehr eine Erinnerung als alles andere gewesen war. Ryou versuchte sich mehr auf den Kuss Mariks zu konzentrieren, musste diese Bilder einfach aus seinem Kopf verdrängen. Er durfte nicht daran denken. Irgendwie schien der Hellhaarige wohl zu spüren, dass der Kleine nicht ganz bei der Sache war, da er den Kuss relativ schnell wieder löste. Für Ryou war dies nun auch nur das Zeichen zu Verschwinden. Er nahm seinen Rucksack, welcher direkt neben ihm auf dem Boden lag. Als er sich wieder erhoben hatte, schenkte er Marik nur ein kurzes „Bis heute Abend“ und war dann auch schon zur Tür hinaus. Draußen begrüßte ihn ein kalter, herbstlicher Windstoß, der mit leicht spielerischen Bewegungen sein Haar gen Westen trieb. Der Blick seiner haselnussbraunen Augen war gen Himmel gerichtet, jener wolkenverhangen war und so richtig trist und langweilig wirkte. Die meisten Menschen machte dieses Wetter depressiv, Ryou jedoch nicht. Er konnte nicht genau erklären, warum, aber solch ein Wetter hatte er am liebsten. Vielleicht war es so, weil ihm dann nicht die viel zu grelle Sonne ins Gesicht strahlte, oder vielleicht auch einfach nur, weil seine weißen Haare dann mit dem Himmel eins zu werden schienen. Im Grunde war es auch egal. Es würde ihn nie jemand danach fragen, warum er dieses Wetter so sehr schätzte, nicht einmal er sich selbst. Er ließ seinen Blick wieder sinken, und setzte langsam seinen Weg Richtung Uni fort. Ryou studierte an der Domino City Universität, welche allerdings auch die Einzige in der ganzen Stadt war und auch direkt an die High School anschloss. Diese war sehr renommiert und besaß ein hohes Ansehen. Zu seinem Glück bot sie auch einen Archäologie-Kurs an, für welchen Ryou sich natürlich direkt eingeschrieben hatte. Er wollte wie sein Vater nach Ägypten reisen und dort alte Schätze ausgraben, Entdeckungen machen, die die Welt verblüffen würde. Niemand sonst in seinem Kurs schienen diese Träume zu teilen, die meisten hatten es nur als Nebenfach gewählt, da es eigentlich nicht als besonders schwer galt. Wer hätte denn auch schon ahnen können, dass sie einen neuen Archäologie-Professor bekommen würden? Sein Name war Salomon Muto, ein Meister seines Fachs. In seinen jungen Jahren war er bereits wie Ryous Vater auf verschiedenen Reisen gewesen. Der kleine Albino war somit wohl ziemlich der Einzige in seinem Kurs, der diesen Mann mit einer Menge Respekt betrachtete und ihm gleichzeitig mit tiefer Faszination bei seinen Geschichten zu hörte. Eine weitere Ausnahme bildete wohl auch der Enkel Salomons, Yugi Muto. Dieser war ebenfalls in dem Kurs und zählte zu Ryous Freunden, auch wenn diese Freundschaft nicht sehr tief war. „Guten Morgen, Ryou!“, begrüßte der kleine Japaner seinen Freund, ehe sich beide auf den Weg zu ihrem Seminar machten. Yugi war eine kleine Quasselstrippe und erzählte Ryou den lieben, langen Tag, was er immer tat. Wenn Ryou ehrlich war, interessierte ihn all dies nicht besonders. Nur aus reiner Höflichkeit hörte er zu, doch heute gelang ihm dies irgendwie nicht. Immer wieder gelangen seine Gedanken zurück zu seinem Traum. Auch Yugi blieb dies nicht verborgen. „Ryou? Ist alles in Ordnung mit dir?“, begann der Kleinere der Beiden vorsichtig. Ryou, der allerdings nicht zugehört hatte, sah nur mit leerem Blick auf sein Pult. Yugi stupste seinen Freund vorsichtig an und flüsterte leise seinen Namen, um auf sich aufmerksam zu machen. Jener reagierte endlich und sah ihn mit entschuldigenden Blick an. „Tut mir Leid, Yugi, hast du etwas gesagt?“, hakte dieser dann nach, und versuchte nicht mehr ganz so abgelenkt zu wirken. Ryou wusste doch von seiner Erziehung her, wie unhöflich so etwas war. „Ja, ich wollte nur wissen, ob mit dir alles okay ist. Du bist heute schon den ganzen Tag so abwesend. Was ist los mit dir?“ „Gar nichts, es ist alles in Ordnung.“ „Lüg mich bitte nicht an, Ryou. Wir sind doch Freunde, oder nicht?“ „Natürlich sind wir Freunde.“ „Warum kannst du dann nicht mit mir reden, wenn du Sorgen hast?“ Auf diese Frage konnte Ryou nichts erwidern. Yugi und er waren Freunde, das stand außer Frage. Allerdings wusste sowohl der Kleine mit der Stachelfrisur als auch er, dass ihre Freundschaft nur oberflächlich war. Er konnte doch nicht einfach mit ihm über jene Sache reden, worin sein Traum seinen Ursprung fand. Das ging einfach nicht. Es war beinahe schier unmöglich. Ryou hatte noch nie wirklich mit jemanden darüber gesprochen, nur höchstens mit IHM selbst. Nicht einmal seine Eltern wussten, was damals gewesen war, geschweige denn Marik heute. Ryou schloss diesen Teil seiner Vergangenheit in seinem Herzen ein, unerreichbar für jeden, sogar für sich selbst. Niemand sollte wissen, was gewesen war. Am liebsten wollte er es auch selbst vergessen, doch er wusste, dass er das nicht konnte. Dazu würde er nie in der Lage sein. Nach einer gefühlten Ewigkeit, wie er nur nachdenklich in die Leere gestarrt hatte, wandte Ryou seinem Blick wieder seinem kleinen Freund zu. „Ich kann darüber mit niemandem reden“, antwortete er dann nur schlicht, nahm seine Tasche auf und ging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)