Dämonenblut von Mangamoon (Verirre dich nicht in der Nacht) ================================================================================ Prolog: -------- Wir schreiben das Jahr 2498 Die Bewohner aller Städte haben viel Komfort und die Technik ist unglaublich fortgeschritten. Doch allen Leuten ist es bei höchster Strafe untersagt, bei Nacht die Gebäude zu verlassen. Niemand weiß warum. Niemand fragt warum. Niemand wagt zu fragen warum. Hier beginnt die Geschichte der 18- jährigen Sera. Denn sie verirrt sich in der Dunkelheit. Und schon strecken unbekannte, furchterregende Mächte die Hände nach ihr aus. (PS: da es hier nicht möglich ist Bilder mit einzufügen: die Welt wurde in lauter gleich große Abschnitte aufgeteilt, die alle andere Namen haben. Sprich "Afrika", "Europa" gibt es nicht mehr. Sera lebt im Abschnitt "Namada" ein Teil des heutigen/jetzigen Europas. Ihre Stadt heißt Mooncity. Die Regierungssitze befinden sich an den Nord-und Südpolen. Als Word-Dokument sieht das ganze sowieso viel schöner aus... Kapitel 1: Aussgesperrt ----------------------- Es war einer dieser nasskalten, verregneten Morgen, die Serafina nicht ausstehen konnte. Der Regen schlug hart gegen die Fensterscheiben und das düstere Licht des wolkenbedeckten Himmels tauchte ihre kleine Wohnung in eine unwirkliche Stimmung. Müde schlurfte Sera durch ihre Wohnung. Sie hasste es, vor acht Uhr aufstehen zu müssen, aber das Leben fragte ja nun mal nicht nach irgendwelchen Verbesserungsvorschlägen des Tagesablaufes. Sera jedenfalls hätte da einige Vorschläge. Gähnend machte sich die achtzehnjährige junge Frau einen Kaffee, um dann müde und zerschlagen daran herumzuschlürfen. Sie hasste ihren Job, ihren Chef und überhaupt alles. Vor allem fehlte in ihrem Leben irgendwie die action. Dass sie davon bald mehr als genug bekommen sollte, wusste Sera zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Als sie sich kurz darauf in einem schweren schwarzen Mantel in die klamme Kühle des Morgens aufmachte, ahnte sie noch nicht im Geringsten was auf sie zukam: denn die dunklen Gestalten der Unterwelt streckten bereits ihre Klauen nach ihr aus. Langsam lief Sera die Straße entlang. Eigentlich müsste sie ja mit ihrem Leben zufrieden sein. Sie hatte alles was sie brauchte: ein Haus, einen Job, genug zu Essen und man wurde rundum von diversen Geräten und Luxus-Computern versorgt. Dennoch störte sie etwas, und das war nicht nur der nervtötende, langweilige Tagesablauf. Sie konnte nicht sagen was es war, aber irgendetwas musste ihr Unterbewusstsein wahrgenommen haben. Missmutig bog Sera in die Straße ein in der sie arbeitete: in einer großen Digitalithek. Hier wurden sämtliche digitale Nachweise vergangener und gegenwärtiger Zivilisationen aufbewahrt. An sich war es ja kein schlechter Job Kunden zu beraten die etwas Bestimmtes suchten (natürlich wurden nur Kopien verliehen), mal kurz über die elektronischen Regale zu fegen und den hauseigenen Supercomputer neu zu justieren. Wäre da nur nicht ihr nerviger Vorgesetzter. Gerade mal 23 Jahre alt und schon das Gehabe eines erfolgreichen, arroganten Firmenchefs. Dabei führte er “gerade mal“ eine große Digitalithek. Okay, es war die größte und bestsortierteste in Namada, aber deshalb brauchte man sich nicht so herablassend zu benehmen! Sera stapfte die großen Treppen zu ihrer Arbeitsstelle hinauf. Oben, an der ebenfalls großen Tür angekommen, registrierte sie sich und die großen Türflügel öffneten sich geräuschlos. Ihr Chef – Chace Almond heißt er übrigens – saß bereits am Computer und sortierte Daten. Er sah verdammt gut aus – dichte, leicht lockige schwarze Haare, eisblau leuchtende Augen und eine schlanke, trainierte Figur. Doch leider war Chace Almond die Sorte Mann die das sehr genau wusste und mit einer entsprechenden Menge an Arroganz, Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein auftrat. Sera hasste ihn dafür. „ Ah – die Sonne geht auf!“, raspelte Chace als er Sera erblickte. Sie murmelte eine unhörbare Ant-wort die ich hier jetzt nicht wiedergeben werde und knallte ihre Tasche in die Garderobe. Wenig später herrschte in der großen Digitalithek Hochbetrieb. Verschiedene Leute kamen und gingen, jeder suchte etwas anderes und Sera hatte beim Stöbern durch das vielfältige Material der Vergangenheit die Möglichkeit verschlafene Geschichtsstunden aufzufrischen. Sie erfuhr zum Beispiel, dass Menschen nicht immer nur in Wolkenkratzern lebten, sondern früher überwiegend andere Behausungen hatten, die sie “Wohnhäuser“ nannten und die oft nur zwei, drei Stockwerke besaßen und spitze Dächer hatten. Und dass Tiere früher in ziemlich hoher Zahl frei herumliefen und nicht nur im Zoo zu besichtigen waren. Es war einfach unglaublich, welche Mengen an Wissen die riesige Digitalithek beherbergte. Den gesamten Arbeitstag strömte vielfältiges Wissen unsortiert auf Sera ein. Dementsprechend zerschlagen fühlte sie sich als der Arbeitstag vorüber war und sie zusammen mit Chace die Spuren der wissbegierigen Kunden vertilgte. „Wohin soll ich die Unterlagen über die Renaissance räumen?“, fragte Sera und hob einen Digi-Träger oder auch kurz DT genannt hoch. „In das Regal 143“, gab der Gefragte Auskunft. So vergingen die nächsten Stunden. „Okay, ich geh dann mal, Herr Almond“, meinte Sera als alles sicher verstaut war. „Wie oft muss ich dir eigentlich noch sagen, dass das “Chace“ heißt?“, säuselte ihr Chef. Sera war kurz davor in die Luft zu gehen. Den ganzen Arbeitstag lang hatte sie schon Schmeicheleien und Süßholzgeraspel über sich ergehen lassen müssen. Offenbar nagte es sehr Chace´ Selbstbewusstsein, dass es eine Frau gab die seinem Charme wiederstand. „Wie, du willst jetzt noch gehen?“, fragte Chace und blickte auf seine Uhr. „Es ist bereits 21: 55 Uhr! In fünf Minuten ist Ausgangssperre, wenn man dich da erwischen würde! Zudem gibt es da Gerüchte, dass…“ „Ach, scheiß auf die blöde Ausgangssperre, ich wohne nur ein paar Straßen von hier entfernt, das schaff ich noch“, knurrte Sera, schnappte ihre Tasche und rannte auf die Tür zu. „Nein!“ Chace versuchte sie am Arm zu packen, doch Sera riss ihn mit, öffnete die Türflügel und stolperte in die Nacht hinaus. So kam es, dass sie beide, Sera und Chace unsanft auf der anderen Seite der Türe aufschlugen. Sera hatte das Pech das Chace auf ihr landete. Sie biss die Zähne zusammen, doch endlich rappelte sich ein schweres Gewicht auf und gab ihre Beine frei. „Ich hätte nie gedacht, dass du so viel wiegst“, keuchte Sera und rieb ihre Beine. „Alles Muskeln“, gab Chace an und – erstarrte. Ein volltönender Gong hallte über die Hochhäuser der Stadt, und vor ihren Augen fiel die Tür der Digitalithek wie von Geisterhand ins Schloss. „Verdammt…“, fluchte Chace. „…die Ausgangssperre“, vollendete Sera tonlos. Durch die automatische “Aussgangsperrenfunktion“ an jeder Tür ließ sich auch die der Digitalithek nun weder von innen noch von außen öffnen. „Warum hast du so etwas Hirnloses gemacht?!“, schimpfte Chace und der übliche Möchtegern-Gentleman war wie weggepustet. „Ich konnte eben den Gedanken nicht ertragen die Nacht mit dir allein in einem Gebäude verbringen zu müssen. Da ziehe ich es sogar vor das Gesetz zu brechen.“, konterte Sera schnippisch. „Außerdem hat dich nie-mand gezwungen mit nach Draußen zu kommen.“ „Du hast doch überhaupt keine Ahnung was…“. „Aber du, oder wie?!“, zeterte Sera die allmählich die Geduld verlor. Sie wollte gerade zu einer Standpauke ansetzen die sich gewaschen hatte, als sich ihr alle Nackenhaare aufstellten. Irgendwer – oder Irgendetwas kam. „Scheiße“, fluchte Chace und seine blauen Augen funkelten eigentümlich. „Sie kommen. Du hast sie mit deinem Gekeife angelockt“. Und dann sah Sera es: rote Lichter glommen in der Dunkelheit auf und es dauerte eine Weile bis sie begriff was es war. „Rotglühende Augen“, flüsterte sie tonlos und wich zitternd zu Chace zurück. „Was…“. „Okay. Ich sollte das in Anwesenheit eines normalen Menschen nicht tun, aber es geht wohl nicht anders.“, meinte Chace ruhig und mit einem ausdrucklosen Gesicht. „Er benimmt sich so, als wäre das eine normale Alltagssituation die sich immer wieder wiederholt“, dachte Sera die vor Angst ganz weiche Knie hatte, schockiert. „Wer ist Chace eigentlich wirklich?“ Dann schälten sich aus der undurchdringbaren Dunkelheit der Straße bedrohliche, riesige Gestalten. Während Sera fassungslos auf die riesigen, schwarzen Wesen starrte, hatte Chace einen blau leuch-tenden Stein an einer Kette hervorgeholt und hielt ihn fest in der Hand. „Sera, mach die Augen zu“, sagte er in einem seltsamen Ton den sie noch nie bei ihm gehört hatte. Dann schoss aus dem blauen Stein in seiner Hand ein helles, gleißendes Licht hervor, so dass Sera mit einem Aufschrei zurück taumelte. Vor ihren Augen blitzten und glänzten leuchtende Punkte und sie konnte nichts mehr sehen. Warum, warum nur hatte sie ihre Augen nicht geschlossen! Als sie wieder einigermaßen klar sehen konnte bemerkte Sera als erstes das leuchtend blaue Schwert in seiner Hand. Es hatte ein wenig Ähnlichkeit mit einem japanischen Kendo Schwert, nur dass es blau leuchtete und schimmerte als wäre es durchsichtig. „Lehn dich zurück und genieß die Show“, grinste Chace. „Ich erklär` dir später alles“. Damit stürmte er auf die fremdartigen Monster zu. Diese waren ihnen mittlerweile beängstigend nahe gekommen. Sie sahen aus wie die Schatten furchterregender Monster aus schlechten Horrorfilmen, die anstatt wie es jeder andere Schatten normalerweise brav zu tun pflegte, nicht auf dem Boden lagen, sondern aufrecht gingen. Der kleinste war vielleicht vier Meter groß und Chace ging mit einem Schwert dass im Verhältnis zu den Schatten etwa die Größe eines Zahnstochers hatte auf sie los. Das war verrückt! Chace hatte keine Chance! „Halt ein Verräter“, sprach der größte Schatten – ja, er sprach! – zu Chace. Die Stimme klang tief und unwirklich und schien nur aus reinem Bass zu bestehen. Dazu funkelten seine rötlichen Augen furchterregend. „Halt die Schnauze du niederer Schattendämon“, zischte Chace und warf sein Schwert. Dieses schien sich im Flug in einen blauen, tödlichen Blitz zu verwandeln. Der riesige Schatten der gesprochen hatte wich in einer fließenden Bewegung aus, so dass das Schwert den Hintermann traf, der einen abscheulichen Laut ausstieß und zu Boden ging. Chace rief etwas und bewegte seine Hand. Daraufhin kam das Schwert zurück zu ihm geflogen, der es mit einer sicheren Bewegung aus der Luft griff. Der tödlich getroffene Schatten aber löste sich auf! Sera stand wie erstarrt. Schließlich blieb nichts mehr übrig von ihm außer einer Fledermaus, die dem Himmel entschwebte. Seine Kameraden waren alles andere als erfreut – im Gegenteil: sie gingen alle gleichzeitig auf Chace los. Dieser sprang mit schier übermenschlicher Kraft in die Luft – gut zehn Meter hoch um genau zu sein. Er richtete sein Schwertspitze Richtung Boden und ließ sich zusammen mit seinem Schwert auf den Nächstbesten Schattendämon niedersausen. Dieser jaulte so laut auf, dass der Ton in Seras Ohren nachhallte. Sie hatte keine Zeit nachzusehen ob er sich auch in eine Fledermaus verwandeln würde, da um sie herum eine so etwas wie eine kleine Schlacht herrschte: gut fünfzig der Schattenwesen die wütend um sich schlugen und dazwischen ein hellleuchtender Blitz der einen nach dem anderen enthauptete. Ja, Chace bewegte sich so schnell, dass Sera ihn nie wirklich erkennen konnte. Und sie fragte sich nun schon zum zweiten Mal an diesem Abend wer dieser Mann wirklich war. War er nun ein normaler, flirtender Chef einer Digitalithek oder so etwas wie ein Dämonentöter mit einem Schwert aus Licht? Sehr verwirrend und beängstigend das Ganze. Ehe sie mit ihren Überlegungen fortfahren konnte schloss sich eine klauenartige, schwarze Hand um ihr Fußgelenk. Der Anführer der Schattendämonen! Langsam hob er sie hoch und hielt sie auf seine Kopfhöhe. Da baumelte sie nun kopfüber und würgte. Denn das Schattenwesen dünstete einen widerlichen Geruch aus, der nach Essensresten, rohes Fleisch und Blut stank. „Sieht so aus als käme ich doch noch zu meinem wohlverdienten Abendgenuss“, sagte das Ungeheuer zufrieden. Verdammt, wo war Chace wenn man ihn brauchte!? Nun, dieser war mit einer nicht geringen Überzahl an Dämonen beschäftigt. Sera würde sich wohl selber helfen müssen. Der riesige Dämon riss seinen Mund auf der einem schwarzen Loch glich. Eine widerliche Woge fauligen Atems fegte über Sera hinweg wie ein Herbststurm. Nervös tastet sie nach ihrer Handtasche. Die war ihre einzige Chance. Das schwarze Monster hält sie nun auf gleicher Höhe mit seinem Mund. Endlich bekommt Sera den Reißverschluss ihrer Tasche zu fassen und öffnet sie. Der Schattendämon hält sie langsam auf seinen Mund zu und weidet sich sichtlich an ihrer Panik. Der jungen Frau stehen die Schweißperlen auf der Stirn, während sie verzweifelt in ihrer Handtasche wühlt. Das Monstrum hält sein Opfer nun so nahe an sich heran, dass es seine schwarze, ledrige Zunge erkennen kann. Endlich hat Sera gefunden was sie gesucht hat. Mit einem Aufschrei reist sie ihre Taschenlampe aus der Tasche und lässt den gleißenden Lichtkegel direkt auf das dunkle Wesen das sie gefangen hält fallen. Der Aufschrei des Schattendämons gellte durch die Nacht. „LICHT!“, brüllte er und taumelte rückwärts. Der Griff um ihren Fuß lockerte sich und Sera stürzte in die Tiefe. Sie prallte unsanft auf dem Boden auf, doch aus ihrem mehrjährigen Kampfsporttraining wusste sie, wie man sich am besten abrollte. So kam es, dass sie unversehrt blieb, doch das Monster hatte nicht so viel Glück. Es löste sich, von Seras Lichtstrahl getroffen auf und eine riesenhafte, schwarze Fledermaus flog gen Himmel. Als die anderen Dämonen dies sahen, erstarrten sie und flohen dann unter wildem Geheul in die Dunkelheit. Chace sah sie verwirrt an. „Warst du das?“, fragte er ungläubig. „Yep, das war’s dann wohl mit dem “wohlverdienten Abendgenuss“ meinte Sera zufrieden. „Aber kann mir mal jemand sagen was hier eigentlich abgeht?“ Dann wurde ihr schwarz vor Augen und die Knie sackten unter ihr weg. Das Letzte, das sie noch mitbekam war wie Chace sie auffing. Als Sera wenig Später erwachte sah sie zuerst eine heruntergekommene, grobe Backsteinwand mit Fenstern ohne Gläser und einem Türrahmen, durch den die kalte Nachtluft pfiff. Sie selbst lag auf einer groben Pritsche. Das einzig weitere Möbelstück in dem kleinen Raum war ein einfacher Holz-stuhl. Auf diesem saß Chace und untersuchte sein Schwert, welches den gesamten Raum in ein bläuliches Licht tauchte. „Ah, du bist endlich wach, du warst ganze zehn Minuten weg“, sagte Chace, als er sah, dass Serafina aufrecht im Bett saß. „Ich hoffe doch, es ist alles in Ordnung mit dir“. „Nun abgesehen davon, dass sich mein Vorgesetzter als einen Dämonentöter mit Lichtschwert entpuppt hat, ich auf der Straße von Dämonen angegriffen wurde und beinahe gefressen worden bin, ist alles in Ordnung, glaube ich“, antwortete Sera schnippisch. Das war doch wohl eine selten dämliche Frage gewesen. Aber naja, dumme Frage, dumme Antwort. „Ich liebe deinen Humor“, erwiederte Chace. Wenn Sera sich nicht so mies gefühlt hätte, dann sie hätte ihm eine gescheuert. „Wo sind wir hier eigentlich?“, fragte sie stattdessen. „Im Erdgeschoss eines verfallenen Wolkenkratzers der bald abgerissen wird. Aber hier können wir nicht bleiben, die Dämonen sind auf Rache aus. Sie können es nicht fassen, dass ein einfacher Mensch Dion umgebracht hat.“, gab Chace Auskunft. „Dion?“, fragte Sera, „Hieß so der Schattendä-mon den ich getötet habe? Du hast zu mir gesagt, dass du mir alles erklären würdest! Also, ich höre“. „Gut, wo soll ich anfangen. „Also… es existieren Dämonen und es gibt drei verschiedene Arten von ihnen“, begann Chace. „Das Einzige, das diese gemeinsam haben ist ihre Furcht vor dem Licht. Deshalb können sie nur bei Nacht aus ihren Grotten unter der Stadt hervorkommen. Die schwächste Art unter ihnen sind die Schattendämonen, mit denen du bereits Freundschaft geschlossen hast. („Lass die Witzchen!“, knurrte Sera erbost.) Sie sind die Einzigen für die zum Vernichten eine starke Taschenlampe reicht. Die anderen müssten sich schon in die Sonne stellen. Die nächststärkere Gattung sind die “Facettendämonen“. Das Einzige was diese miteinander gemein haben, ist ihre starke Ähnlichkeit mit Insekten und dass sie ausschließlich riesige Facettenaugen haben. Daher der Name. Diese Viecher können bis zu zehn Meter lang und fünf Meter hoch werden. Das Einzige das ihre feste Panzerung durchdringen kann, sind spitze Stahlklingen, die mit entspre-chenden Stärkezaubern und Dämonenfeuer geschmiedet worden sind. Die allerstärksten Dämonen sind die Nachtdämonen. Sie sind von Menschen kaum zu unterscheiden und besitzen übermenschliche Fähigkeiten wie fliegen, unsichtbar werden und andere magische Kinkerlitzchen. Nur ein Nachtdämon hat eine Chance gegen einen anderen Nachtdämon.“ Sera fragte gespannt und erschreckt zugleich: „Und was spielst du für eine Rolle in dem ganzen?“ „Ich?“, sagte Chace grinsend. „Ich bin ein Nachtdämon.“ „Wie bitte!? Du verarschst mich doch bloß! Verdammt, wer bist du eigentlich?“ Serafina war kurz davor durchzudrehen. „Doch, doch ich bin ein Nachtdämon. Aber da ich einer bin, der kein Men-schenfleisch verspeist und keinen Spaß daran hat Menschen zu töten, werden solche wie ich eigentlich Lichtdämonen genannt. Denn durch das Abschwören des herkömmlichen Dämonenlebens habe ich die Fähigkeit, Licht ohne weiteres ertragen zu können. Es gibt nicht viele von meiner Sorte, und wir leben deshalb unerkannt unter den Menschen weil die normalen Dämonen uns als miese Verräter sehen, die es auszulöschen gilt.“ „Das verstehe ich nicht. Wie kommt es, dass ein normaler Dämon auf einmal den Wunsch verspürt wie sein “Essen“ zu leben. Das ist doch völlig abwegig“, meinte Sera skeptisch. „Nicht unbedingt. Man könnte in deiner Welt die Lichtdämonen mit Vegetariern vergleichen. Der fängt dann ja auch an wie ein Reh oder so nur Grünzeug zu essen. Nur haben die Dämonen noch nie etwas von Toleranz gegenüber dem Anderssein gehört“, gab Chace zurück. Nun, dies klang einleuchtend. Im selben Augenblick fühlte Sera das Aufkommen einer düsteren Bedrohung. Es stellten sich ihr alle Nackenhaare auf und eine Gänsehaut überzog ihre Arme und Beine. Der Schweiß brach ihr aus und in ihrem Gehirn existierte mit einem Mal nur der Gedanke, schleunigst die Beine in die Hand zu nehmen. Sie hatte dieses Gefühl schon einmal gespürt. Und zwar kurz bevor Dämonen aufgetaucht waren. „Chace…“, sagte sie zaghaft. „Ich weiß. Ich nehme es auch wahr. Lass uns schleunigst von hier verschwinden. Ich kenne ein Versteck, wo die Dämonen deine menschliche Aura nicht fühlen können. Komm.“ Zusammen verließen sie im Laufschritt das verfallene Gebäude. Sie waren noch gar nicht weit gekommen, als hinter ihnen ein lauter Schlag ertönte. Sera drehte sich um, gerade noch rechtzeitig um zu sehen wie das alte Hochhaus sich in eine Wolke aus Staub und Glassplitter verwandelte. „Verdammt, Facettendämonen. Gegen die habe ich mit meinem Dämonenschwert keine Chance. Ich bräuchte eine dämonische Eisenklinge“, zischte Chace mit zusammengebissenen Zähnen. So konnten sie nichts anderes tun, als so schnell sie konnten um ihr Leben zu rennen. Hinter ihnen ertönte bald ein wütendes zischen und surren. „Runter!“, brüllte Chace und riss sich und Sera zu Boden. Gerade noch rechtzeitig. Denn über ihnen flog eine gewaltige Gestalt vorbei, genau da wo eben noch ihre Köpfe gewesen waren. Schließlich landete das Geschöpf nicht weit entfernt von ihnen auf dem Dach eines kleineren Hochhauses. So hatte Sera die Möglichkeit es genauer zu betrachten: an sich sah der Dämon wie eine riesenhafte, mindestens sechs Meter lange schwarze Hornisse mit unglaublich großen Facettenaugen die sie boshaft und freudig zugleich anzufunkeln schienen, aus. Das Tier bewegte sich, sodass Sera die riesigen, gebogenen Fangzähne im Mondlicht aufblitzen sah und sich die sechs mit spitzen, knochigen Auswüchsen versehenen Beine gespenstisch gegen das Licht abzeichneten. „Verdammt, bist du festgewachsen, oder was?!“, brüllte Chace gehetzt und riss sie mit sich mit. Er zerrte sie in eine enge Gasse. Schließlich schupste er Sera, die nicht mehr richtig klar denken konnte vor sich her. Das mit der engen Gasse war ein kluger Schachzug gewesen. Dem furchterregenden Insekt blieb nichts anderes übrig als die Flügel einzufalten und sie zu Fuß zu verfolgen. Dabei stieß es abscheuliche Zischlaute aus und grünlicher Geifer troff ihm von den langen Giftzähnen. Endlich konnte Sera wieder denken und in panischer Angst stolperte sie vor Chace her. Weg, nur weg von dieser dunklen Bedrohung. Dennoch wurde das widerliche Trippeln der Insektenfüße immer lauter und kam erschreckend schnell erschreckend nahe. „Lauf! Ich gebe dir Rückendeckung!“, schrie Chace. „Lauf weiter geradeaus und dann nach rechts. Dort befindet sich eine steinerne Bodenklappe! Öffne sie und bring dich unter der Erde in Sicherheit!“ So schnell wie sie konnte raste Sera das Gässchen entlang. Hinter sich hörte sie einen grauenhaften, menschlichen Schrei und ein triumphierendendes, lautes Zischeln. Chace! Sie wiederstand der Versuchung sich umzudrehen und ihm zu Hilfe zu eilen. Sie könnte ihm ja doch nicht helfen. Stattdessen bog sie an der nächsten Ecke nach rechts ab. Und dort, im milden schein des Mondes erblickte sie eine viereckige Steinplatte mit einem Ring daran. Schnell stolperte Serafina dorthin und riss verzweifelt an dem rostigen Ring. Hinter sich hörte sie das wütende Insekt zischeln. Wie schaffte Chace es nur das Riesending so lange aufzuhalten? Und warum tat er das alles für sie? Sera nahm alle Kraft zusammen und riss so stark sie konnte an dem Ring der Steinplatte, die sich dennoch keinen Zentimeter bewegte. Plötzlich tauchte eine Gestalt neben ihr auf und Sera erschrak so sehr, dass sie laut schrie. „Ganz ruhig“, hörte sie eine weibliche, volltönende Stimme neben sich. Dann griff die Unbekannte nach dem Ring und öffnete die Tür im Boden so mühelos als würde sie ein Blatt aufheben. „Aber Chace, er…“, wollte Sera protestieren als ihre Retterin begann sie die die Stufen die nach unten in die schwärze des Schachtes führten, hinab zu zerren. „Ach, dem hilft Niko. Wahrscheinlich haben sie den Dämon schon längst erledigt“, winkte die junge Frau ab. Und tatsächlich: das insektenhafte Zischeln war verstummt. „Na also“, meinte ihre Retterin zufrieden und Sera folgte ihr die dunklen Stufen hinab. Sie stiegen eine Art Wendeltreppe hinab, die so lang war, dass Sera fast schwindlig war als sie und ihre Führerin vor einer schweren, dicken Holztür angelangten. Die unbekannte Frau holte einen schweren Schlüssel hervor und öffnete die Tür. Dahinter befand sich ein von Fackeln erleuchteter Raum, dessen Wände mit jeder Menge Waffen gesäumt waren. Das helle Licht der Fackeln ermög-lichte Sera, die andere Frau genauer zu begutachten. Sie war höchst attraktiv, mit langen schwarzen Haaren, violetten Augen und ihrer schlanken, leicht muskulösen Figur. Ihre Kleidung war für Seras Geschmack ein wenig zu aufreizend: sie trug nur einen schwarzen, enganliegenden Bustier mit tiefen Ausschnitt und hatte einen so kurzen Rock an, so dass dieser, wenn er ein wenig kürzer gewesen wäre, glatt als breiter Gürtel durchgegangen wäre. Zudem schien sie eine ganze Waffenkammer mit sich herumzutragen: um ihre Schulter baumelte an einem Lederriemen lässig ein Maschinengewehr, auf dem Rücken hatte sie Pfeil und Bogen geschnallt und am Gürtel ihres Rockes befanden sich diverse Messer und Revolver. Aus dem Schaft ihres schwarzen Stiefels lugte ein Messergriff und in ihrer Hand hielt sie dasselbe Schwert wie Chace es hatte, ihres jedoch war violett. „Sie sieht aus als wäre sie aus einem Manga entsprungen“, dachte Sera. „Is´ was?“, fragte die junge Frau. „N –nein“, stotterte Sera ertappt. Anscheinend hatte sie sie zu auffällig angestarrt. „Ich heiße übrigens Noriko“, sagte die Fremde und hielt Sera eine Hand hin. Diese ergriff sie und stellte sich ihrerseits vor. Noriko. Das war doch ein japanischer Name. Also war Noriko vielleicht doch eine real gewordene Mangafigur … Bei diesem Gedanken musste Sera leise lächeln. Doch im selben Augenblick kam jemand zur Türe hineingestürzt. Es war ein junger Mann der fast genauso abgedreht aussah wie Noriko. Er trug einen schwarzen Anzug unter dem ein Stück weises Hemd hervorblitzte und hatte einen schwarzen Umhang. Seine blonden Haare waren lang und glatt und reichten bis zu seinen Schultern. Seine Augen funkelten in einem eigentümlichen grün und auf seinem Kopf thronte ein Zylinder. Bestimmt waren er und Noriko Geschwister. Mindestens. Doch als Serafina sah was der junge Mann in seinen Händen hielt wurde sie leichenblass. „Darf ich vorstellen, dies ist mein Bruder Niko, er …“, begann Noriko, um dann mit einem spitzen leisen Auf-schrei zu verstummen. Auch sie hatte das große Bündel in Nikos Armen entdeckt. „Ja, es hat ihn ziemlich übel erwischt“, meinte Niko und legte Chace vorsichtig auf dem nackten Steinboden des Raumes ab. Chace hatte die Augen geschlossen und sein Arm lag in einem unnatürlichen Winkel da. Er war gebrochen. Von einer Platzwunde auf seiner Stirn floss Blut, und auf seinem Hemd hatte sich bei der Schulter ein dunkler Fleck ausgebreitet. „Wenn ich nur eine Sekunde später gekommen wäre, würde es jetzt eine Fledermaus mehr geben“, meinte Niko. „ Der Dämon ist ziemlich brutal auf ihn losgegangen“. Fassungslos starrte Serafina auf Chace. „Er… er blutet wie ein Mensch. Ich dachte Dämonen tun so was nicht“, sagte sie mit stockender Stimme. „Er mag aussehen wie ein Mensch und bluten wie ein Mensch, aber er ist dennoch ein Dämon. Er wird morgen Abend wieder auf den Beinen sein“, beru-higte Niko sie. „Es ist nur halb so schlimm wie es aussieht“. Sera hatte da ihre Zweifel. Jemand der so schlimm verletzt war, konnte nie und nimmer in vierundzwanzig Stunden wieder gesund sein. Doch sie hielt den Mund. „Ihr seid also auch Lichtdämonen?“, fragte sie Niko und Noriko. „Streng genommen nicht. Wir leben nicht in der Welt der Menschen. Wir hassen andere, bösartige Dämonen einfach und haben es uns zum Ziel gemacht diese Stadt von ihnen zu befreien. Damit ziehen wir den Zorn der Dämonen und der Regierung auf uns.“ „Ihr jagt eure eigenen Leute? Und was hat die Existenz der Dämonen mit der Regierung zu tun?“ „Die Regierung war anfangs gegen Dämonen“, antwortete Noriko. „Die Dämonen kamen eines Tages aus den finsteren Höhlen tief unter der Erde gekrochen und begannen des Nachts wahllos Menschen anzufallen. Doch nicht alle Dämonen waren abgrundtief böse und begannen sich gegen die riesige Übermacht der anderen zu wehren. Sie arbeiteten mit der Regierung, die diese Sache bereitwillig unterstützte, zusammen. Als schließlich nur noch wenige Dämonen übrig waren und ein letzter Todesstoß der Existenz der blutliebenden Dämonen ein für alle Mal ein Ende gesetzt hätte, schloss die Regierung ohne unser Wissen einen dämonischen, unbrechbaren Packt mit ihnen: Sie würden die restlichen Dämonen verschonen, wenn diese für immer und bis in alle Zukunft den Befehlen der Regierung gehorchen würden. Im Gegenzug dazu dürfen sie jeden Menschen, der bei Nacht unerlaubt vor die Tür geht, verspeisen. Seit dem braucht sich die Regierung bei dem Beseitigen unliebsamer Rebellen und anderer Feinde nicht mehr die Finger schmutzig zu machen. Denn die Dämonen haben die Fähigkeit bei ihren Opfern eine natürliche Todesursache vorzutäuschen. Und jeder Dämon der sich den Entscheidungen der Regierung wiedersetzt, und zum Beispiel uner-laubt eine Menschenwohnung betritt, wird dank des Dämonischen Paktes augenblicklich verbrennen.“ Als Noriko geendet hatte blieb es lange Zeit still, während Serafina die schockierende Neuigkeit, dass die Regierung mit Dämonen gemeinsame Sache machte verdaute. Die Fackeln gaben laute Knistergeräusche von sich und Noriko unterhielt sich leise und gedämpft mit Niko, während sie Chace´ Wunden verarztete. „Ich kann nicht mehr nach Hause zurück“, meinte Sera schließlich. „An jeder Tür sind Kameras installiert die registrieren wer aus und eingeht. Ich dachte das wäre dazu da um den Gesetzesbrechern eine Geldstrafe oder so aufbürden zu können. Allerdings bin ich vermutlich bereits für tot erklärt worden und wenn man erfährt das ich noch lebe werden wahrscheinlich Killer oder so auf mich gehetzt, da ich etwas weiß das ich nicht wissen sollte. Ich hab keine Ahnung wohin ich gehen könnte.“ „Erst mal bleibst du hier und wartest zusammen mit uns, dass Chace erwacht. Dank der starken, antidämonischen Aura der Waffen trauen sich die Dämonen nicht hierher.“ „Ja“, zwitscherte Noriko vergnügt und sah ihr Maschinengewehr fast verliebt an. „Es gibt nichts Besseres als ein Maschinengewehr mit dem man auf Facettendämonen umbringen kann. Oder Pfeil und Bogen aus Licht mit welchen man Nachtdämonen davonpusten kann“. Mit einem liebevollen Glanz in den Augen begann Noriko mit einem Tüchlein den Lauf ihres Gewehres zu polieren. Sera schluckte. Was war denn das für eine? Niko zwinkerte ihr zu, als hätte er ihre Gedanken gelesen und machte eine Geste die wohl so viel wie „ich weiß, die ist völlig abgedreht“, heißen sollte in Norikos Richtung. Im selben Augenblick öffnete Chace die Augen und setzte sich verwirrt auf. „Wie, ich lebe noch?“, fragte er erstaunt und erleichtert zugleich. Serafina wollte sich gerade nach seinem Wohlbefinden erkunden, als Chace Noriko sah. „Wow, echt scharfe Braut!“, sagte er aner-kennend. „Mit der würde ich gerne die eine oder andere Nacht verbringen“. Dann sagte er nichts mehr, denn Sera hatte ihm eine schallende Ohrfeige verpasst. Selig lächelnd sank Chace zurück und schlief ein, während Serafina ihre brennende Hand rieb. Irgendwie war er immer noch derselbe Chace wie immer. Noriko lachte und beglückwünschte sie zu ihrem kräftigen Schlag. Anschließend legte Sera sich ebenfalls zum Schlafen auf den Boden. Das war zwar nicht sehr bequem, aber besser als jetzt draußen in der Nacht von Dämonen gefressen zu werden. Es dauerte eine Weile, doch dann glitt sie in einen tiefen Schlaf, dessen Träume mit lauter Spukgestalten gefüllt waren. Kapitel 2: Gefangen! -------------------- „Wach auf!“, flüsterte Sera eine eindringliche Stimme ins Ohr. „Wir müssen von hier verschwinden!“ Mit einem Murren setzte Serafina sich genervt auf und streckte sich. Die Nacht auf dem harten Boden ihres Versteckes hatte ihr ziemlich zugesetzt und sie fühlte sich wie ein einziger blauer Fleck. Neben ihr kniete Noriko und versuchte Chace zu wecken. Vergeblich. „Er schläft wie ein Stein“, beklagte sie sich bei ihrem Bruder. Während Niko nun Seinerseits an Chace` Schultern rüttelte, fragte Sera was denn eigentlich überhaupt los war. „Die Regierung sucht dich. Ihre Späher sind bereits auf dem Weg hierher. Wenn sie die Luftbahn* benutzen, sind sie in circa fünfzehn Minuten hier.“ „Woher wissen die denn dass ich noch lebe?“, erkundigte Serafina erstaunt. „Die Schattendämonen werden dich verpetzt haben“, meinte Niko während er ein feuchtes Tuch über Chace auswrang. Dieser fuhr mit einem Laut des Erschreckens senkrecht in die Höhe und Sera bemerkte erstaunt, dass er anscheinend schon fast wieder völlig hergestellt war. Nur seinen gebro-chenen Arm hielt er noch ein wenig hilflos vom Körper weg. Doch von dem verletzten, erschreckend zerbrechlich wirkenden Chace von letzter Nacht war nichts mehr zu erkennen. Im Gegenteil: er schien vor Energie förmlich zu strotzen. „Wir müssen abhauen. Die Regierung hat ihre fähigsten Späher ausgeschickt: fünf ihnen gehorchende Lichtdämonen. Sie sind auf dem Weg hierher“. „Woher willst du das wissen und wer seid ihr überhaupt?“, fragte Chace herausfordernd. „Nun ich habe meine Informationsquellen. Und Noriko und ich sind die, die dich und das Menschenmädchen gestern gerettet haben. Und jetzt komm endlich!“, gab Niko zur Antwort und verließ den Raum, um die Wendeltreppe zu erklimmen. Kurz darauf kletterten sie alle aus der Bodenklappe und sahen sich um. Nein, kein feindlicher Dämon weit und breit. Zusammen rannten sie los, weg von der Linie der Luftbahn und stark befahrenen Straßen, in dunkle, menschenleere Gassen. Es war noch früh am Morgen und der feuchte Nebeldunst hing wie ein grauer Schleier über den Straßen. „Ohne Sera wären wir schon längst aus dem Bezirk, aber sie ist wie ein Klotz am Bein. So kommt man ja kaum von der Stelle“, maulte Chace. „Wieso lassen wir sie nicht einfach stehen und machen uns auf und davon?“ Serafina biss die Zähne zusammen. Was sollte nun das schon wieder? Am liebsten wäre sie einfach stehen geblieben und hätte verschnauft, denn der Atem brannte in ihren Lungen und ihre Füße schmerzten. Und das nach nur fünfzehn Minuten. Das war so fies. Die anderen drei waren Dämonen und kaum außer Atem. Sie wirkten so wie Sera bei einem entspannenden, gemächlichen Abendspaziergang. „Sie werden uns bald eingeholt haben“, meinte Niko nervös ohne auf die Bemerkung von Chace einzugehen. Noriko nickte beipflichtend. „Die Lichtdämonen werden uns bereits dicht auf den Fersen sein“. Chace, der den Ernst der Lage allmählich zu begreifen schien drehte sich erschrocken um. Wie auf Kommando erscheinen hinter ihm zwei schwarze, menschliche Gestalten mit erhobenen Schwertern. Mit einem wütenden Zischen kommen sie näher. Fluchend geben die vier Verfolgten noch einmal Fersengeld, als vor ihnen in der Straße zwei weitere Gestalten auftauchen. Aus einem kleinen Ne-bengässchen kommt ein weiterer Lichtdämon geschritten, mit einem zynischen Lächeln auf dem Gesicht. „Das ist ein guter Tag“, dachte er bei sich. Er ist der Jäger und hat die unterlegene Beute mit seinen Untergeben eingekesselt. Langsam kommt er auf Sera zu während die anderen Dämonen drohend ihre Waffen auf Noriko, Niko und Chace richten. Vorsichtig weicht Sera zurück, denn der Lichtdämon vor ihr sieht alles andere als vertrauenserweckend aus: seine Augen leuchten rötlich, das dunkle Haar ist leicht fettig und hängt ihm bis auf seinen Mantelkragen hinab. Sein Gesicht ist von Narben durchzogen und die schmutzigen Fingernägel sind unnatürlich lang. Mit einem Aufschrei stolpert Sera erschrocken zurück, als der unheimliche Dämon seine Finger nach ihr ausstreckt, doch er schnellt nach vorne, packt sie am Kragen und lässt sie lachend in der Luft baumeln. Sein Gesicht ist ihrem so nahe, dass sie seinen widerlichen Mundgeruch riechen kann. „Dir ist sicher bewusst, dass du etwas weißt, das du nicht wissen sollst“, flüstert er bedrohlich. „Deshalb werde ich dich wohl leider töten müssen!“ Lachend reist er sein Messer hoch und lässt es auf ihren Rücken zu sausen. Doch Sera hat nicht um-sonst jahrelang Kampfsport trainiert. Mit einem Aufschrei tritt sie ihm so fest sie kann zwischen die Beine, um dafür zu sorgen, dass der fiese Dämon ein anderes Problem als ihre sofortige Ermordung bekommt. Der Griff an ihrem Kragen lockert sich und der tödliche Messerstoß bleibt tatsächlich aus. Sie ergreift eiskalt die Gelegenheit um dem Lichtdämon ihre Faust mit aller Kraft in das Gesicht krachen zu lassen. Er schreit und Blut spritzt, doch der feste Griff an ihrem Kragen lockert sich nicht weiter. Fluchend schlägt Sera noch fester zu, so dass Niko mitfühlend die Augen zusammenkneift. Doch das Einzige, dass Serafina erntet, ist das wilde Lachen ihres Gegners. „Siehst du diese Narben da?“, zischt er aus seinen zusammengebissenen Zähnen hervor und hält Sera noch näher an sein Gesicht. „Da hat mir ein Facettendämon beinahe das Gesicht zerstört. Meinst du nach so einer Erfahrung spüre ich die Faustschläge einer einfachen Menschenfrau noch?“, brüllt er aufgebracht und wirft Sera grob in den Staub. „Aber jetzt bin ich wütend und werde deine Freunde vor deinen Augen abschlachten“, lacht er voller Genugtun und packt Sera von hinten, so dass sie sich nicht mehr bewegen kann. „Bringt die drei um“, befiehlt er seinen Lakaien und seine Stimme scheint auf einmal aus reinem Stahl zu bestehen. Zufrieden, dass sie nun endlich zur Sache kamen, heben die vermummten Dämonen ihre Schwerter. Niko und Noriko haben keine Zeit mehr zu reagieren, doch Chace schafft es. In einer einzigen, fließenden Drehung schlägt er seinen Gegnern die Schwerter aus der Hand. Da es ihm leider bei dieser Attacke schmerzhaft das Handgelenk verdreht hat, fällt ihm Seines ebenfalls aus der Hand. Lachend holt der ihm nächststehende Dämon mit einem langen, glänzenden Messer aus und lässt es auf Chace´ Kopf niedersausen. Aber Noriko ist schneller. So kommt es, dass Messerklinge auf Maschinengewehrlauf trifft. Doch es sind zu viele. Chace´ Wunde an der Schulter scheint wieder zu bluten begonnen zu haben und Nikos Arm ist mit einem hässlichen, klaffenden Riss verunziert. Einzig und allein Noriko ist unverletzt und wirbelt wie ein geschmeidiges Raubtier um ihre Gegner herum. Einer ihrer bedauernswerten Feinde liegt bereits tot auf der Straße und regt sich nicht mehr. Auch Chace und Niko kämpfen wie Löwen. Es ist tatsächlich nicht vorauszusehen wer siegen wird, dachte Serafina erstaunt und erschreckt zugleich. Sie kann sich immer noch nicht regen, da sie weiterhin fest im Arm gehalten wird. Und dann geschieht es: ein einzelner Mensch kommt um die Ecke gelaufen - sieht die Kämpfenden - und rast mit einem wilden Aufschrei des Entsetzens davon. „Verdammt!“, flucht der Anführer der Auftragskillerdämonen, hebt die Hand, ruft etwas und auf einmal werden die Glieder von Sera und ihren Freunden schwerer und schwerer. Schließlich fallen ihnen ihre Augen zu, und sie gleiten in eine tiefe Ohnmacht. Es war kalt und dunkel. Stöhnend setzte Sera sich auf und sah sich um. Sie lag in einem dunklen, kellerartigen Raum und etwas pochte laut in ihrem Kopf. Benommen langte Sera sich an den Hinterkopf und zog ihre Hand erschrocken zurück – ihr Kopf schien eine einzige, große Beule zu sein. Neben ihr im Dunkel regte sich etwas. Es war Noriko. „Mist, diese verdammte Schlafmagie hat uns wohl voll erwischt!“, fluchte sie wütend und rieb sich ihren nicht minder schmerzenden Kopf. „Ich fühle mich wie durch die Mangel gedreht“. Da entdeckte sie Sera. „Schlafmagie beherrschen nur besonders starke Lichtdämonen. So was wird vererbt. Der Nachteil davon ist nur, dass der Weggetretene ein unbewusstes, undurchdringbares Schutzschild aufbaut. Sonst wären wir wohl kaum noch am Leben“; erklärte sie ihr. Sera brachte nur ein müdes Nicken zustande. Eigentlich war ihr egal, was genau sie erwischt hatte, wenn nur dieses schmerzhafte, dumpfe Pochen in ihrem Kopf aufhören würde. Da hörte sie einen lauten, verzweifelten Schrei. Erschrocken fuhr Sera zu Noriko herum. Diese wuselte wie ein aufgescheuchtes Huhn zur Tür und schlug hart gegen diese. Dabei zeterte und jammerte sie unverständliches Zeug. „E –ehm – Noriko? Was ist?“, fragte Sera besorgt und belustigt zugleich. „Meine Waffen! Mein MG! Meine Revolver! Mein Dämonenschwert! Meine lieben kleinen Kinderchen! Gebt sie mir zurück!“, heulte Noriko und schien die Stahltür niederreißen zu wollen. „Anscheinend habe ich gerade eine neue Seite an Noriko kennengelernt“, dachte Sera trotz ihrer misslichen Lage amüsiert, während Noriko auf die Tür einhämmerte. Wenig später hatte Noriko sich wieder beruhigt. Mit übereinander geschlagenen Beinen saß sie auf dem kalten Steinboden und mampfte an einem Apfel. Diesen hatten die Dämonen wohl als ungefährlich eingestuft und nicht konfisziert. Irgendwo schlug eine Turmuhr. „Wie kannst du in so einer verfahrenen Situation nur so ruhig dasitzen und an einem Apfel kauen?“, fragte Sera neidisch. Ihr zitterten nämlich bei dem Gedanken an die ihr bevorstehenden Zukunft die Knie. „Oh, ich habe schon schlimmeres durchgestanden“, meinte Noriko mit ungebrochenem Frohsinn. „Damals zum Beispiel, in Kallyphos, als Niko und ich…“. So durfte sich Sera eine gefühlte Stunde lang haarsträubende, gefährliche und spannende Reiseberichte anhören. Sie wusste auch nicht wieso, aber ihr schwebte die ganze Zeit das Wort “Seemannsgarn“ im malträtierten Kopf herum. Bald darauf, Sera war schon am Einschlafen, hörten sie Stimmen vor ihrer Tür. Es waren aufgeregte, diskutierende Stimmen. Dann wurde die Eisentür aufgerissen, und ein Nachtdämon – anscheinend der Wächter vor ihrem Gefängnis – stieß ein junges verschrecktes Mädchen herein. Ihm folgte eine hochgewachsene, schlanke Frau. „Aber nur fünf Minuten!“ knurrte der Wächter und schlug die Tür wieder zu. „Ernesta mit ihrer Tochter Tilla – ich wusste ihr würdet kommen!“, flüsterte Noriko er-leichtert. „Wir Rebellen haben unsere Spione und Saboteure nun mal überall!“, erklärte sie der verdutzten Serafina. „So“, sagte Ernesta, „das ist der offizielle Grund meines Kommens“. Damit stellte sie einen Krug mit Wasser und ein wenig Brot vor die beiden Gefangenen. „Und das der inoffizielle“, quietschte Tilla vergnügt - und zog Norikos Dämonenschwert unter ihrem weiten Kleid hervor. Ernesta brachte daraufhin auch noch Norikos Maschinengewehr zum Vorschein. Sie legten die Waffen so hinter die Tür, dass sie vom Eingang her nicht sichtbar waren. Dann verließen sie kichernd und am wütenden Wächter vorbeirauschend den Raum. Natürlich nicht, ohne vorher Noriko ein „wenn die Turmuhr drei Uhr schlägt ist Wachablösung“, ins Ohr zu flüstern. Dann schlug die Tür zu und ließ eine erleichterte Sera und eine grinsende Noriko zurück. Schweigend machten sich die beiden über das Brot her, während die Turmuhr zwei Uhr verkündete. „Ich frage mich, warum Ernesta meinte, wir sollen mit dem Abhauen bis zur Wachablösung warten“, fragte Sera nach einer Weile nachdenklich. „Keine Ahnung, ich denke wir werden es noch herausfinden“, antwortete Noriko. Es dauerte eine Weile, aber als die Turmuhr drei Uhr schlug, wurden Schritte und Stimmen vor ihrer Zellentür laut. Noriko legte ihr Ohr an die Tür. „Der erste Wächter ist weg. Wir warten noch kurz.“ Schließlich holte Noriko ihr lilafarben leuchtendes Schwert hervor und schnitt damit das Schloss wie Butter in zwei Teile. Das ganze passierte ohne ein Geräusch. Serafina war höchst beeindruckt. Als sie schließlich aus ihrem Gefängnis heraustraten, wussten sie wieso es besser gewesen war bis zur Wachablösung zu warten: in dem niedrigen, von Fackeln! Erleuchteten Gang saß an einem heruntergekommenen Holztisch ein noch heruntergekommener Nachtdämon und ratzte was das Zeug hielt. Mehrere hochprozentige Getränke standen um ihn herum und es roch nach Alkohol und Zigaretten. Er trug schmuddelige Kleidung und ein rostiger Schlüsselring war an seinem Gürtel befestigt. Noriko kicherte. „Die Festung Linna ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Anscheinend haben Ernesta und Tilla ganze Arbeit geleistet“. „Warst du denn schon mal hier?“, fragte Serafina interessiert und erstaunt zugleich. „Ja, ich war hier mal Spionin in ihren Reihen. Daher weiß ich, dass es nicht allzu viele benutzte Verließe gibt. Wir werden Niko und Chace bald gefunden haben“, antwortete Noriko stolz. Tja, nix war’s. Nachdem die beiden schon eine halbe Ewigkeit durch die finsteren Gänge geeilt und sämtliche Türschlösser zerstört hatten, waren die anderen zwei immer noch nicht gefunden. Wenigstens wussten sie, dass diese Flasche von einem Wächter ihr Verschwinden aus dem Verließ wohl nicht so bald bemerken würde. Plötzlich blieb Noriko stehen, murmelte etwas und rannte davon. So schnell, dass Sera kaum mitzuhalten vermochte. So ging es treppauf, treppab, einen Gang entlang um tausend Ecken – ohne dass sie einer Menschen- oder Dämonenseele begegneten. Schließlich blieb Noriko stehen und spähte um eine Ecke. „Da, das ist eine Art Verhör- und Folterkammer“, flüsterte sie Sera zu. „Hä? Verhören und Foltern? Was wird man denn von denen wollen?“, fragte Serafina verdutzt, doch Noriko antwortete nicht. Die Kammer befand sich hinter einer schweren Eichenholztür und zwei Wächter standen davor. Ehe sich Sera versah, wischte Noriko um die Ecke - auf die Wächter zu. Sie schien auf das Überra-schungsmoment zu setzten. Serafina kam nicht umhin, Noriko zu bewundern: drei, vier gut geführte Attacken, und die Wächter lagen tot am Boden. Kurz darauf rauschten zwei Fledermäuse an Seras Kopf vorbei. „So viel zum Thema “Wächter“, meinte Noriko zufrieden. Dann hieb sie mit ihrem Dämonenschwert auf das schwere Türschloss ein. Es rührte sich nicht. Noriko begutachtete erstaunt das Schloss näher. „Och nö, es ist aus dämonischem Eisen! Das ist nicht kaputt zu kriegen. Und Eichenholz ist aus unerklärlichen Gründen Dämonenmagie resistent“, ärgerte sie sich. Was nun? „Ich habe eine Idee“, überlegte Sera. „Hatte unser Wärter nicht einen großen Schlüsselring am Gür-tel?“ „Du bist genial! Ich hole den Schlüssel und du besorgst uns am besten Waffen. Die Waffen-kammer ist weiter geradeaus und dann zweimal rechts. Du wirst es leicht finden. Versuche am bes-ten, die Schwerter von Chace und Niko zu finden. Schneide das Schloss mit diesem Messer auf“. Sie reichte sie Sera ein kleines Messer. „Viel Glück!“ Damit war Noriko auf und davon. Zögernd und um alle Ecken spähend schlich Serafina in die von Noriko angegebene Richtung. Eine Waffenkammer finden…was war, wenn ihr auf einmal jemand entgegen kam? Ein Dämon zum Beispiel? Sie wäre in null Komma nix Dämonenfutter. Ein beklemmendes Gefühl der Angst überkam sie. Doch sie erreichte die angegebene Stelle ohne Zwischenfälle. Die Tür war schwarz, und ein silberfarbenes, aufgemaltes Schwert zierte sie. Schon von weitem spürte Sera die Aura unzähliger Dämonenschwerter. Jedenfalls erfüllte sie ein seltsames Gefühl von Macht und Dunkelheit bis in die Fußspitzen. Vorsichtig, damit sie sich nicht verletzen würde, holte sie Norikos Messer hervor und bearbeitete das Türschloss. Sie quetschte das Messer in eine kleine Lücke zwischen Tür und Schloss. Doch wie sehr sie auch drückte und rüttelte, das Schloss rührte sich keinen Zentimeter. Zudem meldete sich der Schmerz in ihrem Kopf und machte ihr mit einem wütenden Pochen klar, dass sie das lassen sollte. Doch bald hatte sie eine bessere Idee: statt des Türschlosses bearbeitete sie nun die Scharniere der Tür. Knack! – hatte sie das erste Türscharnier herausgebrochen. Bald darauf folgte das Nächste. Mit einem zufriedenstellenden Krachen flog die Türe nach innen und bot Serafina einen unglaubli-chen Anblick: der Raum war mit in verschiedenfarbig leuchtenden Dämonenschwertern gefüllt, die alle an der Wand hingen. Begeistert von dem unglaublichen Anblick betrat Sera den Raum. Da mel-dete sich ihr Kopf stärker denn je: sie spürte das Pochen nun bis in die Fingerspitzten und verstörende Bilder blitzten in ihrem Hinterkopf auf. Stöhnend knickten Seras Knie ein und sie stürzte zu Boden. Vor ihrem inneren Auge blitzte das Bild eines Sonnenuntergangs auf. Dann das Gefühl - die Erinnerung an einen stechenden, plötzlich auftretenden Schmerz. Dunkle Kellerräume, Angst und Verzweiflung. Schmerz. Eine schmutzige, mit Unrat übersäte Straße, das gütige Lächeln einer alten Frau…Dunkelheit. „Sera! Wach auf!“ Es war Chace. Erst verschwommen, dann immer klarer, nahm Serafina ihre Umgebung wahr. Sie lag nun vor der Waffenkammer, und um sie herum knieten Chace, Niko und Noriko mit besorgten Gesichtern. Als Sera die Augen ganz öffnete, verwandelte sich die Sorge in Chace´ Gesicht in den gewohnten, herablassenden Blick. „Was ist denn passiert?“, fragte Niko und half Sera auf die Beine. „I - ich weiß nicht…es scheinen Erinnerungen an eine vergangene Zeit gewesen zu sein. Meine Vergangenheit. Ich habe an die Zeit vor meinem zwölften Lebensjahr keine Erinnerungen. Alles ist so dunkel und leer.“ „Seltsam, dass du diesen Erinnerungsschub gerade dann bekommst, wenn du dich in der Nähe von so vielen Dämonenschwertern befindest.“ Noriko war nun wieder bis an die Zähne bewaffnet. Sie schien die Waffenkammer bereits ausgiebig geplündert zu haben, und hatte sich dabei wohl nicht entscheiden können, was wirklich wichtig war. „Wir müssen schnellstmöglich verschwinden! Höchstwahrscheinlich hat man unsere Flucht bemerkt. Hört doch!“, zischte Chace. Und tatsächlich! In der Ferne war das Trappeln vieler Stiefel, lautes Rufen und das Dröhnen hochtechnischer Maschinen zu hören. Zeit, sich aus dem Staub zu machen. Noriko, mit ihrem Maschinengewehr im Anschlag, bildete die Vorhut. Den Schluss bildete Chace mit Niko, und in der Mitte tappte Sera, welche sich verletzlich und hilflos fühlte. Wieso konnte nicht auch sie “Superkräfte“ besitzen? Es gefiel ihr nicht, auf den Schutz anderer Leute so angewiesen zu sein. Sie wollte sich selbst wehren können. Da erscholl hinter ihnen ein wütender Ausruf: „Da sind sie! Hierher!!!“. Bald war die Luft hinter ihnen von den Schritten einer großen Menschenmenge erfüllt. „Lauft, lauft so schnell ihr könnt! Wir geben euch Deckung!“, brüllte Niko Sera und Noriko zu, ganz Gentlemen-like. Doch auch vor Noriko war ein Trupp Lichtdämonen aufgetaucht. Sie hatten im Gegenzug zu den Anderen High-Tech Kampfanzüge an, und riesenhafte, Panzerfaust ähnliche Waffen. Und schon war die Luft voller Geschosse, die wenn sie auf Wiederstand trafen, explodierten. Man zielte seltsamerweise nur auf Noriko. Serafina, die voll in der Schusslinie stand, wurde nicht getrof-fen. Es wurde sorgfältig an ihr vorbei gezielt. „Sie wollen mich lebend!“, wurde Sera klar. „Aber wa-rum?“ Noriko war schier unglaublich. Geschmeidig wie eine Schlange und ebenso wendig wich sie den Geschossen aus und warf sich in atemberaubende Schlachten. Die Welt der Dämonen war eine Welt voller Adrenalin. Bis auf die Zeit im Verließ hatte Sera keine ruhige Minute verbracht. Immer zu tauchte ein neuer Feind auf, den es zu vernichten galt. Auf einmal sehnte Serafina sich nach ihrer ruhigen Wohnung, ihrem langweiligen Job und nach den widerlichen Instantnudeln. Nach sterbend langweiliger Normalität. Aber dort war ihre Lebenserwartung wenigstens höher. Und da geschah es: ein lautes Krachen ertönte, und Niko flog wie im Comic gegen die Wand. Ein riesenhafter, silberfarbener Roboter schob sich durch den Gang. Im folgten fünf grimmig und stark aussehende Lichtdämonen. Rasselnd fuhr der Roboter seine Art Wurfstern an einer Kette wieder ein. Er hatte Niko damit heftig erwischt. Chace wich rückwärts auf Sera zu und zog Niko mit sich. Gegen das riesen Ding hatten sie nicht mal zu dritt eine Chance. Auch Noriko schien das begriffen zu haben, denn sie stellte sich neben sie. Der Roboter holte erneut mit dem Wurfstern aus. Die Fünf Lichtdämonen schrien erschrocken auf. „Nicht! Sonst wird auch das Zielobjekt getroffen!“ Doch es war zu spät: Der Wurfstern raste bereits rasselnd auf die vier Gefährten zu. „NEIN! So darf das nicht enden!“, dachte Sera panisch. Ein Wunder musste her. Dies ließ nicht lange auf sich warten: ein seltsames, warmes Gefühl durchströmte Sera, und plötzlich war der Gang von einem gleisenden, grellen Licht erfüllt. Als Sera schließlich irgendwann vorsichtig ihre Augen öffnete, erblickte sie um sich herum das totale Chaos: schwelende Nachtdämonen lagen am Boden, die Überreste des seltsamen Roboters klebten an den Wänden und ihre Freunde starrten sie mit heruntergeklappten Kinnladen an. Noriko fand als erstes die Sprache wieder: „Was zum Teufel ist das gewesen?“ „Das ist jetzt egal, wir müssen schnellstmöglich hier heraus!“ So trieb Niko sie alle zur Eile an. Keuchend stolperten sie durch die dunklen Gänge der Burg und suchten einen Ausgang. Noriko hatte die Führung übernommen. „So geht das nicht weiter!“, stellte Chace fest, nachdem sie schon fünf Umwege genommen hatten, um keinen Wachen in die Arme zu laufen. Die gesamte Burg war in hellem Aufruhr, alles rannte und schrie umeinander. Ohne Umschweife hatte Chace inzwischen die nächstbesten Nachtdämonen zur Strecke gebracht und zog sich die Wächterkluft von einem der fünfen über. Niko, Noriko und Sera taten es ihm gleich. Serafina schauderte, als sie in die schwere, leicht verschwitzte, schwere Uniform kletterte. Sie fühlte sich unbequem an und behinderte sie bei ihren Bewegungen. Aber sie hatten keine Wahl. So schlichen sie verkleidet durch die Reihen ihrer Feinde und suchten einen Ausgang. Sera hätte nur zu gerne gewusst, wer der Kopf dieser chaotischen Anlage war. Irgendwie schien es keine richtige Struktur zu geben, und Dämonen in mittelalterlich anmutenden Rüstungen und Uniformen wuselten zwischen technisch ausgerüsteten Kampfrobotern herum. Niemand warf ihnen auch nur einen Blick zu als sie sich durch die Massen quetschten. Bald ging der mittelalterlich anmutende Teil der Burg mit seinen kahlen Steinwänden und seine Fackeln in futuristisch wirkende Flure über. Alles um sie herum war silbern, perfekt und hochtechnisch. Inzwischen wichen die mittelalterlich angezogenen Dämonen langsam aber sicher Robotern und Dämonen in silbernen Anzügen die Maschinengewehre und anderes modernes Mordwerkzeug lässig über ihren Schultern trugen. Irgendwann fielen Sera und die anderen auf wie eine Giraffe zwischen Hamstern. Aber es ergab sich keine Gelegenheit das Outfit zu wechseln, da um sie herum ein ständiges Kommen und Gehen herrschte. Auch waren die Dämonen hier viel wachsamer. So trottelige Schlafmützen wie ihren Gefängniswächter gab es hier nicht. „Verdammt, dieser Teil der Burg ist völlig neu! Seit wann gibt es hier so viel modernen Schabernack? Ich hab keine Ahnung wo wir hier sind!“; zischte Noriko schließlich bald nervös. Auch Sera hatte Schwierigkeiten, sich auf einmal an das moderne anzupassen. Es war wie ein Zeitschock. So standen sie nun völlig verloren in der Menge. Und es kam wie es kommen musste: ein Lichtdämon der seine langen schwarzen Haare zu einem seiner Meinung nach unglaublich modischen Pferdeschwanz zusammengefasst hatte und eine der silbrigen futuristischen Rüstungen trug, sprach Noriko an: „Na, du hübsche? Was machst ‘n hier mit deinen Kameraden? Statisten für euer nächstes Ritterspektakel anheuern?“ Er lachte laut und ausgiebig über seinen gelungenen Witz. „Ja, und Sie würden wir gerne als Narren unter Vertrag nehmen!“, erwiderte Noriko spitz. „Ihre Witze sind wirklich unglaublich sensationell.“ „Noriko…!“, flüsterte Niko warnend. Mit einem zuvorkommenden Lächeln wollte er sich mit Noriko an dem Lichtdämonen vorbeischie-ben. Doch Leutnant Carell war nicht der Typ Mann, der sich solche Unverschämtheiten bieten ließ. Und schon gar nicht von einer Frau. Drohend baute er sich vor den Vieren auf und wurde dabei glatt fünf Zentimeter größer. Er schob sein Kinn vor und funkelte Noriko wütend an. „Das lasse ich mir nicht bieten. Niemand nennt mich ungestraft einen Narren!“, polterte er wütend. Noriko machte alles nur noch schlimmer. Sie betrachtete scheinbar gelangweilt ihre Fingernägel und pfiff dazu eine hübsche Melodie. „Lass den Unsinn Noriko!“, warnte Niko. Chace stand ungerührt neben Sera und betrachtete das Geschehen. Doch es entging Sera nicht, dass er die Hand an seinem Schwertgriff hatte. Leutnant Carell verlor inzwischen die Geduld. Wütend zog er sein durchsichtiges, scharfes Schwert und schnitt Noriko in einer einzigen, fließenden Bewegung eine Strähne ihres wunderschönen, langen Haares ab. Mit einem triumphierenden „Ha!“, steckte er sein Schwert wieder ein und erwartete gespannt die Reaktion seines scheinbar schwächeren Opfers. Doch Noriko war nicht der Typ Frau, der sich solche Unverschämtheiten bieten ließ. Und schon gar nicht von einem Mann. Niko sog scharf die Luft ein und ging ein paar Schritte rückwärts. Er wusste, auf Norikos Prioritätenliste kam nach den Waffen ihre sorgsam gepflegte Haarpracht. Mittlerweile hatte sich um die beiden Streithähne ein Ring aus anderen Lichtdämonen gebildet, die das Geschehen aufmerksam verfolgten. Niko, Chace und Sera wurden langsam nervös. Mit einem Knurren riss Noriko ihr Schwert heraus und richtete es auf Carells Hals. Dieser war auch nicht langsam und zog sein Maschinengewehr. Er blockte den Schwertstreich mit dem Gewehrlauf und schoss noch Noriko. Diese wich aus und stürmte scheinbar in Lichtgeschwindigkeit auf den Leutnant zu. „Niemand zerstört“ - sie kürzte Carells adretten Pferdeschwanz ebenfalls um einige Zentimeter – „ungestraft meine“ – Noriko schlug dem völlig perplexen Leutnant seine Waffe aus der Hand – „Haare!“ Mit einem Fauchen zerkratzte Noriko nun genüsslich die silbrige, hochtechnische Rüstung ihres Gegners. Natürlich nicht ohne dabei so viel Schaden wie möglich anzurichten. An Carell selber kam sie nicht heran, da das Schwert nicht durch die Rüstung kam. So lag der bedauernswerte Leutnant Carell auf dem Boden und harrte aus, bis Noriko sich wieder beruhigt hatte. Nach einer Weile ließ diese tatsächlich wieder von ihrem Opfer ab. Die Dämonen um sie herum applaudierten zufrieden. Endlich hatte jemand dem überheblichen, geradezu schleimigen Carell die Hörner gestutzt. Mit einem zufriedenen Lächelnd stolzierte Noriko hoch erhobenen Hauptes durch den Kreis der Lichtdämonen, die ihr respektvoll Platz machten. Die anderen folgten ihr, und Sera hörte wie Carell wütend „Verdammte Furie!“ zischte. Auch Noriko hatte es gehört. Mit einem wütenden, furchtein-flößenden Funkeln in den Augen drehte sich auf dem Absatz herum und sah dem Leutnant in die Augen. Dieser suchte mit einem erschrockenen Aufschrei das Weite. Die anderen Dämonen amüsierten sich prächtig, während Serafina und ihre Freunde um die Ecke verschwanden. Doch dort wartete Jemand bekanntes auf sie. „Beeindruckende Leistung, Gratulation!“, sagte der ungepflegte Lichtdämon und strich sich das fettige Haar zurück, sodass alle sein mit Narben überzogenes Gesicht sehen konnten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)