Polity von Undine ================================================================================ Kapitel 5: 5 ------------ Stadtrand Schnelle Atemzüge waren zu vernehmen, während der Regen seine dicken Tropfen unaufhörlich auf den Asphalt fallen ließ. Das Plätschern der Pfützen ließ einige Tauben aufschrecken die sich unmittelbar in der Nähe befunden hatten und von den nahenden Menschen flohen. Stoff der auf anderen traf, ein Keuchen, ein erstickter Schrei und Blut dass das Regenwasser zu Füßen Rubinrot färbte, zeugte im Zwielicht der Laterne vom Augenblick. Ein Augenblick der Angst, ein Augenblick der Flucht, Sekunden der Stille und des Todes. Ein letzter Atemzug wurde gehaucht, ein gedämpfter Schuss, bevor der Mann mit den massigen Armen den Jugendlichen auf die Schultern hob und in die riesige Lagerhalle brachte. »Ein weiterer Dieb?«, mehr Feststellung als Frage, gehaucht von sinnlichen roten Lippen. Blonde, lange Haare, großer, trainierter Körper, Augen kalt wie Eis. Ein Lächeln zeichnete ihre Lippen, während sie den Jungen entgegen nahm und ihn auf die stählerne Bank legte. Sie desinfizierte sich lange und ausgiebig die Hände, besonders die Zwischenräume und die Fingernägel bevor sie die Handschuhe überstreifte. Es störte sie in keinster Weise dass ihr Kollege mit den massigen Armen, der auf den Namen Heinz hörte ihr nicht geantwortet hatte. Sie war es gewohnt. Er hing zumeist seinen Gedanken hinterher, antwortete wenn es ihm passend erschien, war jedoch in allen Belangen absolut zuverlässig. »Dr. Sara.« Sara, eben angesprochen nickte leicht, während er ihr half den Jungen zu entgleiden. Er trug keinen Pass bei sich, noch machte er den Eindruck besonders wohlhabend zu sein, der Körper war zwar drahtig, aber unterernährt. Er hatte schmierige Haare, das Regenwasser tropfte auf das kühle Metall. Dann nahm sie eine Spritze und versah den Körper mit einer hellblauen Flüssigkeit, nur wenige Minuten später wurde der Körper eiskalt, dann desinfizierte sie die Stellen an dem sie die Organe entnehmen würde. Später nahm sie sich ihr SmartP zur Hand. »Ich habe hier einen kleinen Dieb. Ja …werde ich machen, schick mir eine Box in einer halben Stunde, bis dann.« »Wir machen heute ein gutes Geschäft, Heinz.« Der bullige Mann lächelte sie wie ein Kind an dass etwas gutes getan hatte. Klub Ignis Grüne Augen starrten Luftlöcher an die Decke während ihre Daumen unermüdlich die feine Haut ihrer Zeigefinger rieb. Dann ertönte endlich das erlösende Klingeln, dass sich jedoch als Niederlage heraus stellte. Er war verschwunden. Vor zwei Stunden hatte sie ihn noch gesehen, dann war er urplötzlich verschwunden, sie hoffte dass er ihren Auftrag rechtzeitig am vereinbarten Ort aufbewahrt hatte. Die zierliche Frau sprang vom Tisch, ihr Blick klarte auf und sie machte sich auf den Weg zum Zimmer ihres Vaters, dicht gefolgt von drei Bodyguards. Sachte öffnete sie dir Tür ohne anzuklopfen, der schlichte Prunk des Zimmers fiel ihr nach den Jahren gar nicht mehr auf. »Papa.« Zwei Männer blickten auf. Am massiven Schreibtisch saß ihr Vater, seine braunen Augen ruhten ruhig auf ihr. Ein weiteres Augenpaar sah auf, erkannte sie, lächelte freundlich, sie waren so silbern wie ein Silberstreifen am Horizont. Sie hatte zwar eine schlechte Nachricht vorzubringen, aber ihren Halbbruder vorzufinden erfreute sie über alle Maßen, sodass die Worte in ihrer Kehle stecken blieben und sie sich in die Arme des Mannes warf. »Es ist schön dich zu sehen Will«, flüsterte sie. Will drückte sie fest an sich und sie atmete seinen angenehmen Duft ein. Einen kurzen Moment gehörte der Augenblick ihr, denn es war selten dass Will zu Besuch war. Einerseits war es unangemessen sollte man ihn mit ihrem Vater sehen, schließlich ging ihr Vater mehr unüblichen Dingen nach, die jedoch sehr erfolgreich in seinem kleinen Reich war, außerdem sorgte ihre Familiengeschichte für Spannung. Schließlich zerstörte Will jedoch ihre traute Zweisamkeit. »Verdammt, er hat lediglich ein kleines Anliegen an dich, hör ihm doch einfach mal zu.« Sie konnte die Spannung zwischen den beiden Männern förmlich spüren. »Melissa, geh raus.« »Nein.« Melissa Harrt war achtzehn Jahre alt, die Tochter des hiesigen Mafiabosses und Halbschwester eines adligen Bruders. Sie war es gewöhnt von allen Seiten herum geschickt zu werden, mit den Jahren hatte sie jedoch ein dickes Fell bekommen und ignorierte die Aussage ihres Vaters. Unangenehm war es dennoch, besonders da sich die beiden jeden Moment an die Gurgel zu gehen drohten und so ihr Unbehagen provozierten, doch was einen nicht tötete machte einen stärker. »Wen soll er denn treffen?«, erkundigte sie sich beiläufig. Sie schlug den linken Ärmel ihrer Bluse zurück. »Ach Melli, es geht um politische Dinge, ich weiß nicht ob dich das so interessiert.« Währenddessen setzte sich auch Will und nahm eine möglichst friedliche Haltung ein. »Ein Politiker möchte mein Vater treffen? So selten ist dass doch nicht.« Dann grinste sie und drückte auf die Haut ihres Unterarmes. Ein kleiner Mechanismus erklang, dann öffneten sich metallene Scharniere und sie konnte die Kabel ihres Cyberarmes erkennen. Ihr Unterarm war quasi wie eine Art Schatulle aufgegangen. Sie nahm einen Chip heraus, schloss es wieder ging dann zum Computer ihres Vaters. Die Männer verfolgten ihr tun, es war selten das sie so etwas öffentlich zelebrierte. »Jonni antwortet mir nicht mehr, ich glaub ich brauch Ersatz.« Kein Zucken, Jonni war nur ein Botenjunge gewesen. Sie legte den Chip in den Rechner und zeigte ihm die bisher aufgenommenen Fotos. Dann zog sie ein Kabel hervor und verband es an ihrem Hinterkopf. »Ich wollte eure Diskussion ja nicht stören, um welchen Politiker es auch immer ging, aber ich möchte euch etwas zeigen. Guck mich nicht so an Papa, ich musste selber etwas nachgehen.« Sie nahm sich einen Stuhl heran, setzte sich und verband sich mit dem Netz. Sie folgte der Spur die Jonni hinterlassen hatte und fand schließlich seine Signatur. Es war alles etwas verzehrt, seine Nachricht wurde von Minute zu Minute schwächer. »Melissa, ich bin deinem miesen Gefühl nachgegangen nachdem du diese Politikschmonzette gesehen hattest. Ich bin auf etwas interessantes gestoßen nachdem ich mich an ihn geheftet hatte. Eigentlich ist es nicht er, sondern sein Assistent.« Er überreichte ihre die virtuellen Daten. »Danke, dass ich für dich arbeiten durfte.« Als Melissa die Augen öffnete waren sie allein, ihr Vater wirkte gelangweilt, doch sie kannte ihn besser, so wirkte er immer wenn ihn etwas besonders interessierte, Will hingegen zeigte seine Neugierde ganz offen. »Ist das der Politiker?«, fragte sie und tippte auf dem Holo einen der Männer an. Will nickte. »Das ist sein Assistent, richtig?« Niemand antwortete. »Wo hast du das Video her?« Melissa zuckte mit den Schultern ob der Frage. Obwohl sie die Aufnahme kannte, verfolgte sie das kurze Video gebannt. Besagter Politiker, sein Assistent und ein verurteilter und unzurechnungsfähig erklärter Staatsverbrecher unterhielten sich angeregt. »Es war nicht so einfach gewesen daran zu kommen, aber weil unsere Körper vom gleichen Hersteller sind, konnte ich ihn umgehen und, na ja ich war einfach neugierig wen die beiden besuchen gehen.« »Du konntest dich in ihn hacken?«, fragte Will ungläubig. »Na ja, Papa wollte wissen mit wem er es zu tun hat wenn er auf ihn treffen soll.« Will starrte Duncan an. »Ich wusste nicht was Georg vor hat«, warf er ein. »Wissen wir auch nicht«, meinte Melissa und grinste. »Aber es ist interessant, sein System ist zwar älter, aber anscheinend ..« Melissa stockte. Ihr bisher heiteres Lächeln verschwand und sie beugte sich näher an die Aufnahme heran. Es war nur ein kurzer Moment, aber es ließ ihr das restlich vorhandene Blut in den Adern gefrieren. »Melissa?« »Da!« Sie spulte die Aufnahme zurück und zeigte darauf. Ihr Atem wurde zittrig. »Er hat mich bemerkt, aber ich dachte es wäre der Assistent.« Es zeigte Georg wie er einen kurzen Moment die Kamera anstarrte und dann lächelte. Das war kurz bevor sie das Zimmer verließen. Melissa wurde etwas mulmig zumute, sie war leichtsinnig mit ihrem Körper, dem Netz und dem Hacken umgegangen und noch immer befand sich eine Signatur bei ihm, neugierig wie sie war hatte sie einen kleinen Trojaner bei ihm eingeschleust. Das war nicht gut. Melissa schloss die Aufnahme und vergaß dabei das Material von Jonni. »Muss mal eben etwas erledigen«, flüsterte sie. Erneut suchte sie nach dieser Verbindung und stellte mit großer Erleichterung fest das ihr kleiner Trojaner unangetastet war. Als sie ihn jedoch greifen wollte, zuckte sie in der virtuellen Welt zusammen, es fühlte sich wie ein Stromschlag an. Will keuchte unterdessen als ihr Körper in sich zusammen sackte und sie Bewusstlos zurück blieb. Nachdem Melissa wie ein Puppe im Bett lag und Duncan einen speziellen Arzt bestellt hatte, entschied er sich dem Treffen einzuwilligen. Duncans Büro Es ist falsch die Welt in schwarz und weiß einzuteilen. Alles ist eine Grauzone, krankheitsbedingt herausgenommen, ist jeder Mensch fähig gute und böse Handlungen zu vollziehen, es ist jedoch ein Prozess aus Erziehung, Erfahrung, Denken und Wahrnehmung, kurz der persönlichen Präferenzen ob wir etwas als gut oder böse einschätzen. Ich Grüble schon seid mehreren Tagen was dieses eigentliche gute und schlechte an uns und unserer Welt ausmacht, ob es sinnvoll ist für Gerechtigkeit zu kämpfen oder es hinzunehmen. Wir Menschen nehmen uns wahrscheinlich zu ernst, wahrscheinlich sind oder waren wir nur ein Prozess biologischer Natur. Waren wahrscheinlich. Viel Zeit zum grübeln habe ich nicht, besonders nicht seid mich dieser Quacksalber so streng anblickt. Ich weiß nicht was er hat, aber anscheinend etwas gegen mich, aber davon werde ich mich nicht beirren lassen. Melissas rechte Hand ist kalt, nicht blau, aber es ist Besorgnis erregend. Georgs Virus hat bestens funktioniert. Eigentlich ist es unglaublich dass er selbst ein ähnliches Modell wie ich ist. Seine Vitalfunktionen sind perfekt, durch seine Adern fließt warmes Blut, seine peripheren Nerven bestehen aus synthetischen Nervengewebe das horrende Preise erzielt auf dem Markt, aber es ist das beste Material was es momentan gibt. Ich hatte es beinahe vergessen, dass er auch einer ist. Eine Überraschung fürwahr, denn nachdem er mich damals am Nacken berührt hatte und ich mich ertappt fühlte, war meine Hand kurzerhand geschnappt worden und ich konnte es bei ihm fühlen. Noch immer wusste ich nicht was er bezweckt, weshalb er mich nimmt, aber er wirkt so sicher, so entschlossen und fit. Wenn ich ehrlich bin genieße ich es, die Aufmerksamkeit. »Tun sie schon etwas«, schnalzt er. Ich ignoriere ihn. Dann nehme ich mir einen Adapter, er wird mich mit ihr verbinden und schließe ihn erst an mir, dann an Melissa an. Ihr Schutz ist deaktiviert, ich kann problemlos die erste Hülle betreten. Alles was ich sehe ist graue leere, ein Programm das gelöscht wurde. Er muss ihre äußeren Schutzschilde schwer beschädigt haben, so leicht fällt es mir immer weiter in ihr Bewusstsein einzudringen. Dabei tue ich dies nicht in Wirklichkeit, sondern dringe mit meinem eigenen Bewusstsein vor. Unsere Gehirne sind intakt. Wenn man sich entschließt sich künstliche Hilfen zu nehmen, geschieht dies meist aus dem Wunsch wieder zu funktionieren. Wie bei mir und anscheinend auch Melissa. Ich kann ihre Erinnerung sehen. Ich kann nicht weg blicken, wie ein kaputter Film spult es sich weiter ab. Die Schläge, sexuelle Gewalt und anschließend das langsame Brechen ihrer Knochen. Ich sehe sie auf ihrem rosa Himmelbett, bald sind die Augen nur noch glasig und er verlässt das Zimmer. Armes, kleines Mädchen, auf dem Weg zur Kindfrau. Viel Zeit vergeht, bevor sie entdeckt wird. »Ist es interessant?« Ich spüre sie hinter mir, kein taktiles Gefühl, mehr ein streichen, ein Tasten an meinen Barrieren, aber sie sind stabil. »Ja.« »Wills Vater war das.« »Mein Beileid.« »Nachdem er heraus fand das ich ein Bastard war.« Ich schweige und wende mich dann ab. Vor mir steht sie, ihre Augen leuchten grün, alles andere verblasst daneben. »Wieso bist du hier?«, fragt sie. Ich lächle. Ich hoffe es visualisiert sich stark genug damit sie es sehen kann. »Ah, ich weiß. Papa.« Ich erkenne ihr schelmisches Grinsen, kurz darauf wandelt sich ihr Ausdruck und sie sieht beschämt zur Seite. »Niemand will mich. Alle wollen nur meinen Vater und benutzen mich.« Ich bleibe still. »Aber du hast meine Frage nicht beantwortet: Wieso bist du hier?« »Damit ich dich beschützen kann«, antworte ich wahrheitsgemäß. Sie lacht, es perlt regelrecht durch ihre Sphäre. Ich spüre Trauer und Wut. »Er hatte schon erwähnt dass es da einen Politiker gäbe der würde alle Register ziehen um sein Ziel zu erreichen. Sehr ehrgeizig und berechnend.« Ich spüre sie erneut an meinen Barrieren, aber sie ist zu schwach, sie wird niemals in mich eindringen können. »Du wirst mir wohl nie direkt antworten, mmh? Na gut, sei's drum.« Irgendwie war sie süß, auf eine Art die ich nicht genau definieren konnte. »Ich bin deine Lebensversicherung. Tötet man mich, wirst du sterben, solltet ihr Georg töten, werde ich mich umbringen.« »Zu allem wohl fähig, nah?« »Wir brauchen deinen Vater.« »Wohl eher seine Macht.« Langsam schwinde ich und ziehe mich zurück. »Hey wo willst du hin?« »Folg mir.« »Hey, das ist einfacher gesagt als getan«, keucht sie. »Tu es einfach«, sage ich. Ich strecke meine Hand aus, wir gleiten ineinander und ich ziehe sie mit mir. Als ich die Augen öffne, blickt sie mich an. Ihre grünen Augen sind noch immer präsent, aber ich erkenne ihre Konturen besser. Wir verharren, blicken uns an, dann laufen Tränen. Sie krallt sich die Hände ins Gesicht und weint fürchterlich. Ich kann nichts tun als sie in den Arm zu nehmen. »Warum tust du das?«, schluchzt sie. Jetzt weiß ich warum ich sie süß finde. Meine Schwester war ihr sehr ähnlich. Hätte ich Geld gehabt wäre Gretchen vielleicht auch gerettet worden … Wenn ich bedenke das Vater dies alles erfunden hat und ich mit seiner Technologie nicht einmal Gretchen retten konnte. Georg »Du hattest Recht«, sagt Georg. Er kann es kaum fassen, starrt seinen Freund an. Wahrscheinlich auch weil Wilhelm leidige Gefühle für Duncan hat, vielleicht eine Art Hassliebe? »Ich sage es doch«, meint dieser nur und zündet sich eine Zigarette an. Sie stehen draußen, warten in der kalten Nacht, flackerndes Laternenlicht erschafft unbändige Schatten. Dann endlich erscheint Sebastian, seine dunklen Haare sind etwas zerzaust, seine Nasenspitze leicht gerötet und er wirkt sehr ernst. »Ich danke dir«, sagt Georg. Er stellt Wilhelm vor und verabschiedet sich dann, viel Arbeit wartet. Etwas irritiert bleibt Sebastian zurück und gibt Wilhelm die Hand. Kalte Hände, ein sehr ansehnliches Gesicht und sofort spürt Sebastian die Anziehungskraft, auch lässt Wilhelm die Hand länger als nötig in der anderen. »Ich hoffe meine Schwester hat dir keine Probleme bereitet.« Sebastian verneint. »Ganz im Gegenteil, sie ist ...« »Lass dich nicht von ihrer weichen Schale verzaubern, sie kann sehr gefährlich werden. Seid froh das ihr es getan habt.« Sebastian lächelt. »Ohne deine Tipps hätten wir die beiden nicht ...« Erneut wird er unterbrochen. »Lass uns Essen gehen und etwas höfliche Konversation führen.« Dass er auch ganz andere Dinge im Sinn hatte, wollte er natürlich nicht preis geben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)