Die Trauerweide von Gurgi ================================================================================ Kapitel 28: Verloschene Träume ------------------------------ Verloschene Träume Jung war der Morgen, graue Nebelschwaden zogen über die eisige Oberfläche des Sees. Leise ächzten die Äste der Trauerweiden auf, bogen sich sacht im Wind wie zu einer leisen Melodie. Für einen kurzen Moment sah Ayesha zu Ryan hinüber. Unbewegt wie diese Weiden stand sie da, hinter den Kriegern, etwas im Abseits in dem sie wohl immer stehen würde. Loba hatte sich zu ihren Füßen niedergelassen und Ryan kraulte die schwarze Wölfin angespannt hinter den struppigen Ohren. Sie hatte darauf bestanden dabei zu sein, wenn die Fremden das Dorf erreichen würden. Selbst Arlon hatte ihrer Beharrlichkeit nachgeben müssen, so sehr hatte sie darauf bestanden. Leise seufzte Ayesha, als sie Ryan verloren dort stehen sah. Seit jener Nacht hatte Ryan nur wenig gesprochen, es war eine Stille die Ayesha in einem Maßen ängstigte, dass sie glaubte, ihr Herz müsse aufhören zuschlagen. "Stumm bist du wieder geworden", dachte sie bitter und die Erinnerungen an die dunkle Gestalt, als welche Ryan ihr zu Beginn erschienen war, stiegen in ihrem Geist auf. Ihr war, als würde Ryan ihr durch die Finger gleiten, wie Luft, die man versucht festzuhalten. Sie war im begriff zu fallen und Ayesha konnte sie nicht festhalten. Sie war einfach zu schwach um diese dunklen Schatten zu vertreiben, sie war nie stark genug dazu gewesen. Diese Erkenntnis marterte Ayeshas Herz, sie war nicht in der Lage den Menschen den sie liebte vor sich selbst zu retten. Gedanken verloren starrte sie in die Nebel, sanft schwangen sie im Wind und leuchteten im fahlen Licht auf. Plötzlich schien sich etwas in ihnen zu bewegen, Konturen wurden sichtbar, dunkle Umrisse in einer unwirklichen Szenerie. Ayesha vernahm das knirschende Geräusch, als ein Krieger langsam sein Schwert aus der Scheide zog und sie zuckte zusammen. Ihr Vater hob die Hand, gebot dem Krieger Einhalt und trat einen Schritt vor. Die Gestalten wurden nun klarer, drei Männer kamen auf sie zu. Ayesha sah, wie der mittlere seine Hand hob, als wolle er jemanden grüßen. "Seid gegrüßt Arlon, Sohn des Tellos", sagte der mittlere und neigte leicht seinen Kopf zum Gruß und seine Gefährten taten es ihm gleich. Sacht nickte Arlon ihnen zu und erhob seine Stimme: "Seid gegrüßt, Herr. Wer seid ihr und was führt euch mit euren Gefährten hier her?" Ein warmes Lächeln umspielte den Mund des Mannes, er strich sich einige seiner braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht und lächelte. "Mein Name ist Markos und dies sind Ragan und Bal. Mich führen wichtige Angelegenheiten in euer Dorf, aber ich bitte euch erst euren Kriegern zu befehlen die Waffen fort zu nehmen, wir führen nichts böses im Schilde." Arlon furchte seine Stirn, dieser Mann war ihm unheimlich, dennoch gebot er seinen Kriegern ihre Waffen zu senken. "Und wer garantiert mir, dass ihr uns nicht doch aus dem Hinterhalt niedermachen wollt? Immerhin seid ihr mir unbekannt." Das Lächeln auf Markos Lippen erstarb, seine Miene verfinsterte sich, er verschränkte die Arme vor seiner Brust und sah in die Runde. "Ich bin ein Mann, der sein Wort hält. Ein Krieger und kein Meuchelmörder, Herr. Außerdem würde ich gewiss nicht das Dorf angreifen in dem sich meine Nichte befindet." Bei diesen Worten glitt alle Farbe aus Ayeshas Gesicht, dieser Mann. Ihr war schon seine ungewöhnliche Augenfarbe aufgefallen, doch es war nicht nur das, was sie an Ryan erinnerte. Seine ganze Haltung und Art entsprach der ihren. "Sie kommen wegen mir", in ihrem Geist hallte Ryans wimmernde Stimme wider. Dieser Mann war ihr Onkel, ihre Familie. "Eure Nichte?" fragte Arlon und blickte Ayesha fragend an. Der Blick Markos folgte dem Arlons und blieb auf Ayesha haften. Unruhe befiel ihre Glieder während der Fremde sie lange musterte. Markos begann erneut zu lächeln, während er dieses Mädchen ansah. "Nun verstehe ich dich endlich, Ryan", dachte er. "Sie ist wunderschön". Sacht streckte er seine Hand aus und ergriff die Ayeshas. "Es freut mich euch endlich kennen zulernen, ich habe schon sehr viel von euch gehört." Sprachlos nickte Ayesha, sie suchte in ihrem Kopf nach den passenden Worten, doch sie fand sie nicht. Markos nickte ihr stattdessen zu und ließ ihre Hand los. Suchend glitt sein Blick durch die Reihen, bis er fand wonach er gesucht hatte. Langsam glitt Ryan durch die Reihen der Männer und Markos Blick wurde weich. Sanft zog er seine Nichte in seine Arme und drückte sie fest an sich. "Es tut gut dich zusehen, Ryan", flüsterte er ihr zu. "Es freut mich auch dich wieder zusehen, Markos", sagte Ryan, doch ihre Stimme klang erstickt. Sie löste sich aus der Umarmung ihres Onkels, reichte Ragan die Hand und nickte Bal leicht zu. Aus sicherer Entfernung hatte sie alles beobachtet, sie wusste, dass sie sich nicht vor Markos verstecken konnte, es war sinnlos sich zu verstecken. Sanft suchte ihre Hand nach der Ayeshas und hielt sich letztendlich sacht in der ihren. Markos beobachtet diese Geste und senkte sein Haupt. Schuld lag bereits jetzt auf seinen Schultern, schwer war sie, doch er musste sie bis ans Ende tragen. "Mein Herr", ergriff nun wieder Arlon das Wort und fixierte Markos mit seinen Augen. "Dürfte ich euch fragen, was ihr mit mir zu besprechen habt?" "Natürlich dürft ihr, Arlon", antwortet Markos. "Aber wenn es möglich ist, möchte ich zu erst mir meiner Nichte alleine sprechen, es gibt sehr viel, was ich ihr mitteilen möchte." Ryan nickte leicht, zog Ayesha etwas weiter fort und schloss sie kurz in ihre Arme. "Ich werde mit ihm gehen, Ayesha." "Ryan", wisperte Ayesha und klammerte sich fest an sie. Irgendetwas ängstigte sie, doch Ayesha konnte nicht deuten, was es genau war. Einfach nur ein Gefühl oder bereits eine Tatsache? Sie wusste es nicht. "Sorge dich nicht", erwiderte Ryan und küsste Ayeshas Haar. "Ich komme bald wieder, was ich ihm zu sagen habe wird nicht lange Zeit in Anspruch nehmen." Aufmunternd lächelte sie Ayesha zu und diese gab ihr das Lächeln zurück. Es war ein ehrliches Lächeln und Ryan hatte es lange nicht mehr Ayeshas Lippen schmücken gesehen. Sie wusste, dass sie der Grund für Ayeshas Sorgen war. Doch sie hatte diese Zeit und Stille gebraucht um Klarheit zu gewinnen. So viele Vorahnungen hatten sie gefangen gehalten, dunkle und grausamen Träume ihr den Schlaf geraubt, doch sie wusste nun, was sie zutun hatte. "Ich bin bald zurück", versicherte sie erneut und löste sich aus der Umarmung. Tief atmete Ryan durch und trat zwischen Ragan und Markos. Sacht nickte Markos ihr zu und wandte sich dann an Arlon. "Ich werde mit euch morgen sprechen. So fern es euch möglich ist." "Jederzeit", antworte Arlon und neigte leicht den Kopf. Stumm erwiderte Markos den Gruß. Bestimmt legte er Ryan eine Hand auf die Schulter und zog sie mit sich, die Nebel schlossen sich um sie, bis die vier Gestalten völlig in den dunklen Schwaden verschwunden waren. Aus trüben Augen betrachtete Gerin seinen Bruder. Stumm lauschte er dessen Worten, befehlend sprach er, als wüsste Katlar genau was zu tun war. Generäle und Soldaten scharrten sich um die schwarze Gestalt, saugten jedes seiner Worte begierig auf, sie schienen ihnen Zuversicht und Kraft zu geben. Katlar strahlte, trotz seiner schwärze etwas aus, dass die Männer ihm vertrauten und gehorchten. "Ganz der Krieger, welcher er immer war", dachte Gerin und löste sich aus der Erstarrung. Immer noch nicht wusste er warum er Katlars Angebot angenommen hatte. Vielleicht aus Hoffnung, vielleicht aus Verzweifelung. Er fand keine Erklärung. Nie war es Gerin in den Sinn gekommen, dass er eines Tages die Hilfe seines Bruders brauchen würde. Von jeher hatten sie niemals etwas gemeinsam durchgeführt, waren immer in Abstand zueinander geblieben. Brüderliche Nähe, wie sie doch bei den meisten der Fall war, hatten sie nie besessen. In respektvollem Abstand blickte Gerin auf die große Karte des Landes, sah zu, wie sein Bruder Strategien festlegte. Das Hehr in Divisionen unterteilte. Zum Schluss seiner Ansprache hatte jeder seinen festen Platz, und wusste was zu tun war. Gerin lächelte in sich hinein, gemeinsam hatten sie in der letzten Nacht die einzelnen Strategien besprochen und optimiert. "Ich hätte nicht gedacht, dass du doch zu etwas nütze bist, Gerin", hatte Katlar gesprochen. Doch in seiner Stimme hatte sich etwas verändert. Sie war nicht wie sonst angefüllt mit Missachtung und Hohn. Dieses Mal waren seine Worte ehrlich und anerkennend gewesen. Gerin erinnerte sich, dass sein Bruder sogar gelächelt hatte. Ja, Katlar hatte gelächelt und Gerin fragte sich insgeheim, was aus seinem Bruder hätte werden können, wenn das Schicksal ihm nicht all diese grauenvollen Dinge angetan hätte. Ihm war wohl bewusst, dass Katlar kein Unschuldiger war. Ein Krieger von Geburt her zu sein entschuldigte nichts, jedoch hatte Katlar nie etwas entschuldigt noch es von jemandem erwartet ihm zu verzeihen. All diese Dinge gingen Gerin durch den Kopf und letztendlich fand er heraus, dass er seinen Bruder nie gekannt hatte. Er war ein Fremder für ihn, wie jemand, dem man zum ersten Mal in seinem Leben begegnet und ihn genauso schnell auch wieder vergaß. Doch da war noch etwas anderes tief in ihm, es nagte unaufhörlich an seinen Nerven und ängstigte ihn. "Nur durch mich bist überhaupt noch am Leben..." Kristallklar hallte die Stimme Katlars in Gerins Geist wider. Er brachte einfach nicht den Mut auf, seinen Bruder nach Antworten zu fragen. Antworten, wollte er sie überhaupt wissen, oder waren sie zu schrecklich? Ein leichter Druck auf seiner Schulter riss Gerin aus seiner Gedankewelt zurück in die Realität. Verwirrt blickte er in die eisblauen Augen Katlars und zuckte kurz zusammen. Die plötzliche Vertrautheit in ihnen erschreckte ihn. "Was hast du, Gerin?" fragte Katlar und ließ sich müde in einen der Sessel am Feuer sinken. "Die Sitzung ist vorbei, nur für den Fall, dass dir das entgangen sein sollte." "Ja, dass ist es mir in der Tat", bekannte Gerin und setzte sich seinem Bruder gegenüber. Das sanfte Licht des Feuers beschien Katlars Gesicht, ließ die geschundene Haut jünger wirken. Beinahe so, als hätte weder Zeit noch Stahl sie je berührt. Erst jetzt bemerkte Gerin, wie sehr Katlar in diesem Moment ihrer Mutter ähnlich sah. Langsam faltete Gerin seine zitternden Hände, jede Faser in seinem Körper war zum zerreißen gespannt. Katlar betrachtete Gerin stumm, ihm war nicht entgangen, dass etwas mit seinem Bruder nicht stimmte. Irgendetwas beschäftigte den jüngeren und Katlar wusste, zu seinem eigenen Verdruss, sehr genau was es ihm auf dem Herzen lag. Auch für ihn war diese Situation völlig neu. All die vielen Jahren hatte er zwar einen Bruder gehabt, doch nie hatte es da etwas zwischen ihnen gegeben, das über die Bezeichnung hinausgegangen wäre. Und nun? Plötzlich hatte er wieder einen Bruder und zum ersten Mal seit langer Zeit wollte Katlar ihn beschützen. Genauso, wie er es vor so vielen, vielen Jahren schon einmal getan hatte. Welch hohen Preis er gezahlt hatte, wusste nur er selbst. Kaum, das dieser Gedanke durch seinen Geist gerauscht war, verzog sich Katlars Gesicht vor Bitterkeit. Erschöpft sank er gegen die Lehne des Sessels, genoss die Ruhe vor dem Sturm. Oh ja, einen gigantischen Sturm würde er entfesseln, schrecklicher und dunkler als alles was je geschehen war. Ängstlich verschloss er seinen Geist vor den forschenden Blicken seines Bruders, mit jedem Augenblick mehr wurde er unruhig, versuchte sich zu verstecken, doch er wusste, die Zeit des Versteckens war worüber. "Katlar", undeutlich vernahm Katlar die Stimme seines Bruders. Tief drang sie in seine Gedankenwelt ein. "Was willst du?" fragte Katlar unwirsch und sah wie Gerin zusammen zuckte, als wäre er ein junger Hund, den man geschlagen hatte. "Ich muss wissen, was du in jener Nacht gemeint hast", erklärte der jüngere bestimmt und hielt dem kalten Blick seines Bruders stand. "Was hast du getan, ohne dass ich nicht mehr am Leben wäre." Seufzend beugte sich Katlar vor, blickte Gerin lange schweigend an. Er erkannte in dem Gesicht seines Bruders den Durst nach Wahrheit. Doch dieser Junge wusste nicht, nach welchem Trank er dürstete, er hatte keine Ahnung wie schrecklich die Wahrheit sein konnte. Er wusste nicht wie schrecklich und boshaft die Vergangenheit sein würde. "Du willst die Wahrheit nicht wissen, Gerin", raunte Katlar und schlug seinen Blick nieder. "Es wäre besser für dich, wenn es so bleibt wie es jetzt ist." "Woher willst du wissen, was besser für mich ist", schrie Gerin und in seinen Augen blitzte es gefährlich auf. Zorn rötete seine Wangen und seine Finger verkrampften sich zu Fäusten. "Mein ganzes Leben lang bin ich nur belogen worden. Von Nerom, dir und allen anderen auch. Ich habe ein Recht darauf endlich einmal die Wahrheit zu hören. Hörst du Katlar, ich habe in Recht auf die Wahrheit." "Es ist nicht die Frage des Rechts, Gerin", erwiderte Katlar und blickte Gerin aus gequälten Augen an. "Es ist eine Frage der Stärke und ich glaube nicht, dass du stark genug für sie bist." Sprachlos starrte Gerin seinen Bruder an, er sah plötzlich etwas in Katlars Augen, was er nie für möglich gehalten hatte. In den Augen Katlars lag Sorge, Sorge um ihn. Sorge darum, ob er verkraften könnte, was er ihm vielleicht erzählen würde. Vorsichtig streckte Gerin seine Hand aus und legte sie auf die seines Bruders. Zu seiner eigenen Überraschung schlug Katlar diese Hand nicht fort, er ließ es einfach geschehen. "Katlar, bitte. Erzähl mir, was das alles zu bedeuten hat. Erzähl es mir, damit ich endlich verstehen kann." Schweigend sah Katlar seinen Bruder an, er seufzte leise und spürte, wie alte Schuld sich von neuem auf seine Schultern legte. Eine Schuld die nicht die seine war. Tief atmete er durch, nickte leicht Gerin zu. "Wie du willst, Gerin. Ich werde es dir erzählen, alles werde ich dir erzählen, aber sage niemals ich hätte dich nicht gewarnt..." "Es tut gut dich zusehen, Ryan." Markos lächelte seine Nichte an. Ehrlichkeit lag in seinen Worten und ließen in gleichem Maß sein Herz schwer werden. Ihm war nicht entgangen, mit welchem Blick Ryan das Mädchen angesehen hatte. Tief atmete er die kalte Luft in seine Lunge, bis er ein schmerzendes Stechen wahrnahm. Seine Hände begannen zu zittern, er verbarg sie vor Ryans Augen tief in seinen Taschen. Jetzt war nicht die Zeit für Schwäche. Für einen kurzen Moment furchte Ryan ihre Stirn, sie spürte Empfindungen, und sie wusste, das Markos innerlich fast zerriss. Hin und her wurde er gezogen, wie ein Blatt im Wind ohne jeglichen halt tanzte er im Sturm seiner eigenen Gefühle. Fest hüllte sich Ryan in ihren Umhang, doch die bittere Kälte hielt sie immer noch in ihren Klauen. Schwer würde dieses Gespräch werden, vielleicht schwerer als alles, was sie bis her erduldet hatte. "Was führt dich hier her, Markos?" Ryan hatte versucht ihre Stimme selbstsicher und stark klingen zu lassen, doch alles was sie zustande brachte war kaum mehr als ein Hauchen. Das Lächeln um Markos Lippen wurde eisig, so eisig wie der Wind, welcher durch die knorrigen Äste der Weiden fuhr. "Dunkle Zeiten treiben mich hier her, Ryan. Womöglich werden sie noch dunkler und schrecklicher werden, als alles was dieses Land bereits erduldet hat." In seinem Geiste erblickte Markos erneut die schrecklich Bilder, roch das Blut und hörte die Schreie der sterbenden. "Ryan, es wird Krieg geben. Ich weiß sehr genau, dass du es schon länger ahnst. All diese schrecklich Träume und Gefühle gründen sich nur in dieser Tatsache. Im Frühling wird es nicht Tau sein, welcher die Wiesen benetzt sondern Blut." "Ja, du hast Recht", bekannte Ryan, blickte Markos jedoch nicht an sondern ließ ihren Blick über die Hügel schweifen. "Ich weiß es schon lange, und dennoch verstehe ich nicht warum du gekommen bist." "Oh doch, du weißt es. Du weißt es sehr wohl, Ryan. Ich brauche deine Hilfe, ohne dich kann ich das nicht schaffen. Nur aus diesem Grund störe ich deinen Frieden und bin den weiten Weg hier her gekommen." Schweigend stand Ryan da, ihr Atem bildete hektische Wolken. Sie hatte geahnt, warum Markos hier war, aber die Gewissheit zu besitzen, dass er wirklich nur aus diesem Grund zu ihr gekommen war, verwandelte sich von Trauer in Zorn. Kaum merklich schüttelte sie ihren Kopf, schloss gequält ihre Augen. "Dann bist du den weiten Weg umsonst gekommen, Onkel", rau und erstickt klang ihr ihre Stimme in den Ohren, sie vernahm, wie Markos scharf die Luft einsog und wagte sich nicht umzudrehen. Seinen Zorn verspürte sie bereits, sie wollte nicht auch noch die Enttäuschung in seinen Augen sehen. "Es ist deinen Pflicht", entgegnete Markos und seine Stimme verlor alle Freundlichkeit. "Ich bin nicht als dein Freund hier, Ryan. Sondern als Oberhaupt deiner Familie und als solcher musst du mir gehorchen." Wütend wandte sich Ryan Markos zu, blickte ihm direkt in die Augen. Sie erschrak, als sie sah was sich in ihnen offenbarte. Sie blickte nicht mehr in die Augen des Mannes, welcher der Schlüssel zu allem war was sie je gesucht hatte. Er hatte sich verändert, die Liebe und Sorge in seinen Augen war verschwunden. "Meine Pflicht?" wiederholte sie entsetzt, als wolle sie Markos vor Augen führen, wie grotesk alles war was er bis jetzt gesprochen hatte. "Ich stehe in keiner Pflicht und noch weniger habe ich dir zu gehorchen. Markos, höre dich doch sprechen. Das kann nicht dein ernst sein." "Es ist mein ernst, du bist die Tochter meiner Schwester. Nach mir bist du die einzige welche meinen Platz einnehmen kann, wenn mir etwas zu stoßen sollte. Du wirst mit mir kommen, ob du willst oder nicht." Hilflos hob Ryan ihre Hände, Tränen glitzerten in ihren Augen auf. "Nein", wisperte sie und wich einige Schritte von Markos zurück. "Ich komme nicht mir dir. Ich habe einen Schwur geleistet und ich werde ihn nicht brechen. Ich werde ihn nicht brechen..." Niedergeschlagen lief Ryan einige Schritte vorwärts, nur das leise stöhne des Schnees unter ihren Stiefeln zerriss die drückende Stille. "Warum", schrieen ihre Gedanken. "Warum tust du mir das an?" Mit einer schnellen Handbewegung wischte sie sich die Tränen aus den Augen, zurück blieben nur ihre nassen Bahnen, die sich über Ryans Wagen zogen. Schwer atmend stand Markos da, der Stein über seinem Herzen glühte heiß auf, er wollte seinen Schmerz hinaus schreien, doch seine Lippen blieben stumm. "Vergib mir", dachte er bitter und schluckte hart. "Vergib mir, Ryan." Starr richtete er seinen Blick hinauf in den grauen Himmel, als würde er dort Kraft für das nun folgende finden, dann drehte er leicht sein Gesicht zu der sich davon schleppenden Gestalt. "Ryan, sie wird sterben wenn du hier bleibst." Jede Bewegung in Ryans Körper erstarb, wie angewurzelt blieb sie stehen. In ihren Ohren hallten die Worte ihres Onkels wider. Sie spürte, wie sich eine Hand auf ihre Schulter legte, mit einer heftigen Bewegung schlug Ryan sie fort. "Niemals hätte ich gedacht, dass du so grausam sein kannst", schrie sie Markos ins Gesicht. Zorn rötete ihre Wangen, fest ballten sich die kalten Hände zu Fäusten. "Du bist ein Lügner, Markos. Ein billiger Lügner. Du weißt ganz genau, dass ich sie mit meinem Leben schützen würde. Nichts wird ihr passieren, solange ich an ihrer Seite bin. Nichts." "Du irrst", erwiderte Markos kalt und teilnahmslos. "Er wird dich hier finden und alles dem Erdboden gleich machen. Ayesha wird sterben, du wirst sie nicht beschützen können..." "Du lügst", schrie Ryan mit tränenerstickter Stimme und sank auf ihre Knie hinab. Schmerz und Angst befielen ihre Glieder, lähmten sie, machten sie wehrlos für alles folgende. "Das ist nicht die Wahrheit, nur eine deiner Narreteien. Du lügst, du lügst." Langsam kniete sich Markos vor sie, umfasste ihre kalte Hand mit eisernem Griff. "Du willst Beweise?" fragte er, kämpfte darum seine Tränen zurück zuhalten. "Die kann ich dir gerne geben." Angespannt schloss er seine Augen, hielt die sich windende Hand Ryans mit der seinen fest. Lautlos formten seine Lippen alte, längst vergessene Worte. Rot begann sein Stein zu glühen, versengte seine Haut mit der Hitze seiner Schuld. "Verzeih mir", dachte er und schmeckte Salz auf seinen Lippen. Er hörte, wie Ryan schrie, zog und zerrte, doch es war vergebens. Der Schein des Steins wurde größer, heißer, Zeit rauschte wie ein Bach durch ihre Adern. Markos keuchte, sackte nach vorne, hielt Ryans Hand jedoch immer noch fest in der seinen. Dann senkte sich Dunkelheit über beide. Dunkelheit und Stille... Sanft beschien das Licht des Feuers das verschlossene Gesicht Katlars. Trüb waren seine Augen, gerichtet auf etwas, was schon so viele Jahre zurück lag und dennoch in diesem Moment in einem Maße präsent war, dass es schmerzte. Ein leises Seufzen stahl sich über die zusammen gebissenen Lippen, kurz musterte Katlar Gerin, versuchte abzuschätzen, ob sein Bruder ihm überhaupt glauben würde, was er im Begriff war ihm zu erzählen. Sacht faltet Katlar seine Hände, nahm seinen Blick von Gerin und richtete ihn erneut in die kleinen Flammen. "Weißt du Gerin", begann er zu erzählen. "Es ist nicht von Bedeutung, was dir je jemand erzählt hat. Als du damals geboren wurdest, war ich im höchsten Maße erfreut einen Bruder zu haben. Nicht nur aus dem Grund heraus einen Bruder zu haben, sondern auch, weil es jetzt plötzlich jemanden gab mit dem ich die Bürde der Sohn Evanus zu sein teilen konnte. Doch es war niemals so, wie ich es damals hoffte. Ich war der erstgeborne, ich hatte Pflichten und hohe Erwartungen lagen auf meinen Schultern", tief atmete Katlar durch, blickte Gerin jedoch nicht an, würde er es tun, so würde der Mut des Erzählens so schnell versiegen wie ein Rinnsal in der Wüste. Er schluckte hart, Erinnerungen stiegen in seinem Geist auf, verdunkelten seine Augen wie ein mächtiger Wintersturm. Er hörte die antreibenden, stets unzufriedenen Rufe seines Vaters. Sah dessen Gesicht mit den kalten Augen, Katlar schauderte es bei diesen Bildern. "Ich kann nicht leugnen, dass alles was ich in der Kunst des Krieges gelernt habe von unserem Vater vermittelt bekam, jedoch strengte ich mich immer mehr an, um dir dieses Schicksal zu ersparen. Ich wollte nie, dass du durch mein Versagen das durchstehen müsstest, was der Großteil meiner Jugend war..." "War das so?" fragte Gerin und schüttelte ungläubig seinen Kopf. "Warst du nicht immer sein Liebling? Hat Vater nicht mit dir seine Zeit verbracht und mich nicht wahrgenommen? Du solltest dich reden hören, Bruder. Einfach köstlich." "War ich sein Liebling oder war ich einfach ersetzbar?" entgegnete Katlar leise. "Unser Vater war immer sehr stolz darauf zwei Söhne zu haben, zwei Menschen die er nach seinem Bilde formen konnte. Erinnerst du dich noch an den Tag, als Vater und ich aufbrachen zur Schlacht in diesem verdammten Land?" "Ja", Gerins Miene wurde bei dieser Erinnerung traurig. Er erinnerte sich an das traurige Gesicht seiner Mutter, an seinen stolzen Bruder und wie sehr er dieses Trugbild verehrt hatte. "Ich erinnre mich sehr gut, Katlar. Es war kurz vor der Wende von Winter und Frühling." "Ich habe kaum noch Erinnerungen an diesen Tag, an dich oder unsere Mutter. Alles, an was ich mich erinnere ist der eigentliche Tag der Schlacht. Es war ein wunderschöner Frühlingsmorgen, die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen, rotes Licht überflutete die Hügel. Tau bedeckte die Wiesen, nur das Knarren der Waffen und das Dröhnen der Kriegshörner zerrissen diese Idylle. Ich weiß es noch genau, mein Herz schlug so laut, dass ich fürchtete jemand könne es hören, meine Angst riechen. Meine Reiter und ich bildeten die Vorhut, hunderte gegen zehntausende. Ein Witz, sieht wenn ich es heute betrachte." "Warum hast du dich dann bitte darauf eingelassen?" fragte Gerin und lehnte seinen Oberkörper leicht vor. Er versuchte einen kurzen Blick in die Augen seines Bruders zu erhaschen, doch sie schienen nicht im hier und jetzt zu weilen. Es war, als wäre Katlar völlig in der Vergangenheit versunken. "Weil mir Evanus zugesichert hatte, wir würden nicht all zu lange alleine kämpfen. Wir sollten die Aufmerksamkeit auf uns lenken, dann würden die zwei Flanken des Heeres unseren Feinden in die Seiten fallen. Ich hatte Angst, meine erste große Schlacht, meine Bewährungsprobe wenn du es so sehen willst. Unser Vater sah es gewiss auf diese Weise..." gequält schloss Katlar seine Augen, die Stimme versagte ihm plötzlich. Sacht legte Gerin seine rechte auf die seines Bruders. "Was ist geschehen?" fragte er und Katlar wandte Gerin das Gesicht zu. "Wir ritten los, prallten auf das feindliche Heer. Ich...ich musste mit ansehen, wie einer nachdem anderen niedergemacht wurde. Ich schrie so laut ich konnte, doch niemand kam. Keiner half uns, sie standen einfach nur da und guckten zu wie wir starben. Niemand half uns...niemand... Als ich wieder zu mir kam roch es nach Blut, diesen Gestank bemerke ich selbst heute noch. Niemals konnte ich ihn völlig von mir abwaschen. Meine Finger fuhren über das Gras, ich weiß noch dass es ganz nass war. Nass und rot. Die Sonne leuchtete über mir und ich hörte die Schreie der sterbenden Menschen. Doch das war es nicht, was mich diesen Tag niemals vergessen lässt." Fest blickte Katlar seinem Bruder in die Augen, dieser wich zurück, als er den Schmerz in den eisblauen Augen seines Gegenübers bemerkte. "Die Sonne verdunkelte sich", erzählte Katlar weiter und lächelte bitter. "Jemand beugte sich über mich. Ich erkannte unseren Vater sofort, der Schmuck an seinem Helm war unverwechselbar. Ich streckte meine Hand aus, doch er schlug sie fort, dann legte er seine linke auf meine Wange und flüsterte mir nur ein Wort zu. Versager, Versager. Ich konnte nicht antworten, ich war zu schwer verwundet, dem Tod näher als dem Leben. Noch genau sehe ich seine kalten Augen und fühle, wie er mir seinen Dolch in die Seite stößt. Noch heute Gerin spüre ich es. Noch heute." Erstarrt saß Gerin da, versuchte das gesagt zu arbeiten. Ihm eine Empfindung zu geben, doch Verwirrung hielt seinen Geist gefangen. Kaum merklich schüttelte er seinen Kopf. Nahm seine Hand fort und seine Finger verkrampften sich zu Fäusten. Heftig pochte das Blut gegen seine Schläfen, tief in sich schrie eine ängstige Stimme immer wieder und wieder laut auf. "Das ist nicht wahr", wisperte er und starrte Katlar angewidert an. "Du lügst, du musst lügen. Wie kannst du dann heute noch am Leben sein? Lügner, elender Lügner!" "Ich bin nur noch am Leben, weil einige Menschen auf dieser Welt keinen Unterschied zwischen Freund oder Feind machten. Eine wunderschöne Chiya(*) rette mir mein unwürdiges Leben und ich nahm sie zu meiner Frau..." "Maris", fiel ihm Gerin aufgebracht ins Wort. "Maris ist keine von uns, sie gehört du diesen Barbaren?" "Hüte deine Zunge wenn du über sie sprichst", erwiderte Katlar ungerührt, lächelte versonnen als das Bildnis seiner Frau sein Herz berührte. "Sie war das einzige Wesen in meinem Leben, das mir jemals etwas gab ohne mit der Absicht dafür im Gegenzug etwas zu erhalten." Stille legte sich über die Brüder, während Katlar in den Erinnerungen an die glücklichen Stunden mit seiner Frau schwelgte, versuchte Gerin immer noch zu begreifen. Er begann an seinem Verstand zu zweifeln, als der Samen der Erkenntnis in ihm aufkeimte. Wie ein Blitz traf ihn die schmerzliche Wahrheit, welche Katlar gesprochen hatte. Sein Bruder hatte ihn dieses Mal nicht belogen... Beharrlich sträubte sich Gerin, er wollte nicht glauben was seine Ohren berührt hatte und was sein Herz akzeptieren zu schien. Das strahlende Bildnis seines Vaters zerbarst vor seinen Augen in tausende von kleinen Scherben. Sein Atem entwich stockend seiner Kehle, vorsichtig berührte er Katlar an dessen Unterarm. "Sag mir", sprach Gerin mit brüchiger Stimme. "Hast du ihn deshalb getötet?" "Nein, aus diesem Grund tötete ich Evanus gewiss nicht. Auch wenn es wohl für dich der Grund ist, welchen du verstehen könntest. Maris und ich lebten zusammen in Kalmas, ich diente der Garde als Befehlshaber. Eines Tages rief mich ein Mitglied des Hohen Rates zu sich um mir etwas von großer Wichtigkeit mitzuteilen." "Nerom." "Ja", Katlars Miene wurde bei der Erwähnung des Namens finster. "Es war Nerom. Merkwürdig, soviel verblasst im Strudel der Zeit, aber an seine Worte erinnere ich mich ganz deutlich. Er sprach über unseren Vater als wäre er die größte Bedrohung für unser neues Reich und ich in meiner Naivität schenkte im Glauben. Alles was er sagte hörte sich so plausibel, so richtig an. Nicht einen Augenblick wollte ich ihm widersprechen." Ein resigniertes Schnaufen entfuhr Katlar, dann wurden seine Gesichtszüge weich. Er nahm Gerins Hand in die seine und drückte sie kurz. "Gerin, ich wollte dich davor bewahren, dass man dich zu meinem Abbild erzieht, das du genauso wirst wie ich es bin. Doch auch hier habe ich versagt, denn ich glaubte Nerom würde sein Versprechen einhalten das er mir gab, doch auch er hat mich betrogen." "Warum, du hast doch bekommen was du wolltest." Argwöhnisch runzelte Katlar seine Stirn. "Ja und Nein. Er bot mir den Posten als Berater des Hohen Rates an, doch diesen lehnte ich gleich ab. Ich wollte für meine Tat, dass man von dir die Finger lässt und dich nicht zum Krieger ausbildet. Jedoch hat dich Nerom unter seine Fittiche genommen, dich erzogen, dir Privilegien und einen hohen Posten zuteil werden lassen. Als er das tat, brach er sein Versprechen denn er machte etwas weit schlimmeres aus dir, als es unsere Vater aus mir machte." Schweigend starrte Katlar auf die Hand Gerins in der seinen, Tränen glitzerten in seinen Augen und er senkte schuldbewusst sein Haupt. "Ich rettete dein Leben vor dem einem Dämon und stieß dich in die Arme eines noch schlimmeren. Ich habe versagt. Unser Vater hatte recht, ich bin ein Versager..." Gerin blickte die zusammen gesunkene Gestalt an, wie merkwürdig war es, dass diese gebrochene Person sein Bruder war vor dem er sich all die vielen Jahren gefürchtet hatte. Jetzt begriff er, jetzt da schon soviel Zeit mit Hass vergeudet war. Nun verstand er Katlars Zorn gegenüber dem Hohen Rat und sogar die Art von Wut, welche Gerin immer in der Gegenwart seines Bruder verspürt hatte. Wie die Stücke eines zerrissenen Bildes setze sich alles vor seinen Augen zusammen, ein bitteres Lächeln huschte über sein Antlitz. Ungewohnt sanft strich Gerin seinem Bruder über das Haar. Der Berührte blickte auf. Die Wangen des großen Kriegers aschfahl und seine Augen bettelten nach Vergebung. Abrupt sprang Gerin auf, zog Katlar in seine Arme und hielt seinen bebenden Bruder fest an die Brust gedrückt. "Du bist kein Versager", raunte er ihm zu und fühlte wie Katlar die brüderliche Umarmung erwiderte. "Denn jetzt werden wir Seite an Seite kämpfen, nicht länger gegeneinander sondern miteinander. Lange genug waren wir Spielbälle von anderen, wir werden über dieses Land herrschen. Als Brüder." Starr lag Katlar in den Armen Gerins und schloss vor Gram die Augen. "Du hast keines meiner Worte verstanden wie ich sie meinte, kleiner Welpe. Wir werden beide in diesem Krieg sterben. Ein Krieg den du hättest verhindern können. So fügt sich alles, wie es begonnen hat. Ich habe wahrlich versagt." Gewaltige Mächte zerrten Ryans Geist hin und her. Schon lange trieb sie alleine in dieser tiefen Schwärze aus Nichts. Die Verbindung mit Markos hatte sie schon seit geraumer Zeit eingebüßt, er war verschwunden. Leer fühlte sich Ryans Geist, leer wie ein ausgetrockneter See. Warum tat ihr Markos das an? Warum? Jede Faser ihres Körpers schrie nach einer Antwort auf diese Frage. Hatte sie nicht geglaubt, Markos wäre ihr Freund ihre Familie? Schmerzend war die Erkenntnis, dass ihr Onkel sie nun benutzte. Für welche Zwecke wusste sie nicht, und sie würde sie auch nie erfahren. "Ayesha", schrieen Ryans Gedanken laut auf. "Hilf mir, wo bin ich? Zurück, ich muss zurück." Plötzliche Kälte umhüllte Ryans Körper, sie fröstelte und Schrecken lähmte ihre Glieder. Sie kannte diese Art von Kälte nur zu gut. Doch wie lange hatte sie sich ihrer nicht mehr bemächtigt. Panisch blickte sie sich um, doch nichts war zu sehen, nur schwarzer Nebel und Stille. "Er hat mich in Dunkelheit gestoßen", dachte Ryan zornig und versuchte sich auf die reale Welt zu konzentrieren, doch der weiße Stein über ihrem Herzen blieb kalt. Je durchzuckte die Stille ein gehässiges Lachen. Aus geweiteten Augen erspähte Ryan, wie sich etwas aus dem schwarzen Nebel schälte, eine Gestalt. Für den Bruchteil eines Augenblicks setzte Ryans Herzschlag aus, sie kannte diese Augen, diese Gestalt mit dem schlaff herabhängenden Arm. "Nein", schrie sie laut und gequält. "Das, kann nicht sein, das darf nicht sein." Mit kalten Klauen griff die Gestalt nach ihr, starr vor Schreck war Ryan nicht in der Lage auch nur ein Glied zu ihrer Verteidigung zu heben. Hilflos sah sie zu, wie die Gestalt kichernd um sie herum schlich. "Du bist nicht echt", wisperte Ryan und schloss ihre Augen, sie konnte nicht ertragen, was sie ihrem Blick bot. "Oh, ich bin echt, kleines Waldkind", kicherte Resa und strich Ryan über ihr Haar. "Wie ich sehe hast du es dir gut gehen lassen. Du warst doch nicht etwas glücklich? Nein wie schade aber auch, lasse ich dich nur für eine kurze Zeit aus den Augen und das Waldkind glaubt, alles wäre Gut. Nein wie töricht von dir. Dumm und Naiv wie eh und je." "Nur ein Trugbild", keuchte Ryan und presste ihre Augen noch fester zusammen. "Du entspringst nur meiner Phantasie, du bist seit Jahren tot." "Ja, tot mag ich sein", pflichtete Resa ihr bei, griff mit der intakten Hand in Ryans Kinn und hob es an. "Aber das heißt ja nicht, dass ich verschwinde. Du hast doch nicht geglaubt ich würde dich so einfach ziehen lassen, oder? Ryan, Ryan, es heißt doch mit den Jahren kommt die Weisheit, bei dir scheint diese auf sich warten zu lassen. Wenn ich nur deiner Phantasie entspringe, dann sieh mich doch an. Ich bin nur gekommen um dir etwas zu zeigen..." "Ayesha", flüsterte Ryan mit tränenerstickter Stimme. "Ein Alptraum." "Das Mädchen", kicherte Resa boshaft und küsste Ryan auf die Stirn, angewidert drehte diese das Gesicht fort. "Sie ist wirklich hübsch, zu schade, dass der Tod auch vor Schönheit und Güte kein Erbarmen kennt. Wirklich schade." "Schweig", schrie Ryan, blind vor Wut öffnete sie ihre Augen. Zwei kalte, schwarze Augen blickten sie an, das Gesicht Resas war zu einer Fratze verzerrt und das Lächeln auf ihren Lippen war von einer Bösartigkeit, dass es Ryan schwindelte. Furcht schnürte ihre Kehle zu, alles was Ryan noch zustande brachte war ein ersticktes Krächzen. Ein leises Heulen drang an ihre Ohren und sie blickte sich verwirrt um. Der schwarze Nebel teile sich an einer Stelle, gab den Blick auf eine sommerliche Landschaft frei. Blumenduft stieg ihr in die Nase, sie glaubte selbst die warmen Sonnenstrahlen auf der Haut zu spüren. "Ja, komm, komm", lockte Resa und zog Ryan mit sich. "Dich wird interessieren, was es zu sehen gibt." Die Sonne blendete Ryans Augen, der Blumenduft wurde plötzlich schwächer. Der Geruch von verbrannter Erde lag wie ein lautloses Gift über allem. Mit festem Griff zog Resa Ryan weiter, so sehr sie sich auch zur wehr setzte, es half nichts. Unermüdlich ließ sie sich von dem Trugbild weiterführen. Je stockte Ryan der Atem, der See, die Weiden. Sie befand sich immer noch am Katzenstein, in Ayeshas Dorf, doch es wirkte wie ausgestorben. Niemand lief wie sonst geschäftig hin und her, kein Vieh war weit und breit zu sehen und auch das Gefühl der Zuflucht, welches Ryan seit dem Tag ihrer Ankunft begleitet hatte, war verschwunden. "Ja, alle weg, alle ausgestorben. Alle weg", erklärte Resa in einem merkwürdigen Singsang. Sie waren mittlerweile am Seeufer angekommen. Ryan erinnerte sich wie oft sie an diesem Ufer gestanden hatte um nachzudenken, und sie entschied, dass es in den letzten Wochen zu oft vorgekommen war. Plötzlich hielt Resa an, schupste Ryan einige Schritte vorwärts zu den Wurzeln der mächtigen Trauerweide, die dicht am Ufer bei den großen Steinen ihre Heimat gefunden hatte. Langsam ging Ryan auf die Steine zu, blickte sich kurz um, doch Resa blieb stehen, das Lächeln auf ihren Lippen schien nur noch boshafter geworden zu sein und in den schwarzen Augen glühte es merkwürdig auf. Vorsichtig lugte Ryan über den Rand eines großen Steins hinweg. Keuchend entstieg im nächsten Moment ihr heißer Atem ihrer Kehle, ihre Hände verkrampften sich zu Fäusten und sie sank hinter dem Stein auf die Knie. Der Stoff ihrer Hose sog begierig das noch warme rote Wasser auf, flüssiger Schmerz floss klagend Ryans Wangen hinab. Sie stieß einen gellenden, gequälten Laut aus, ihr ganzer Körper zitterte vor Schmerz. Innerlich zerriss die Quäl ihren Körper in zwei Hälften und das Bild vor ihren Augen verschwamm hinter einem Schleier aus Tränen. Mit starren Augen schaute Ayesha hinauf in den blauen Sommerhimmel. Der ausdruckslose Schleier auf ihrem Gesicht unterschied den kalten grausamen Tod von dem des einfachen Schlafes. Das schwarze Haar klebte ihr blutverschmiert an der Stirn und ihr ehemals weißes Gewand starrte vor Schmutz und Blut. In ihrer Seite steckte der Rest einer abgebrochenen dunklen Klinge. Wie ein erlegtes Tier lag sie da, vor Schmerz krümmte sich Ryan, nahm Ayeshas Gesicht zwischen die zitternden Hände und küsste sie auf die kalten Lippen. Der fahle Geschmack von Qual und Tod berührte ihre Zunge und der letzte Rest ihrer Kraft entschwand. "Der schwarze Schatten hat sie gefunden", erklärte Resa und musterte den toten Körper Ayeshas mit einem beiläufigen Blick. "Nun ist sie auch dahin. Eigentlich schade um sie, ein schönes Geschöpf. Der Schatten hat sich viel Zeit für sie genommen. Oh ja, sehr viel Zeit." Stumm sank Ryan neben den Körper Ayeshas, betete deren Kopf in ihren Schoß und streichelte das geschundene Gesicht. "Das reicht mir, Onkel", sie spie das letzte Wort aus, als wäre es Gift. "Bring mich zurück. Hast du mich gehört, Markos? Bei Onones Macht, hol mich zurück..." Kaum das sie diese Worte ausgesprochen hatte, bekam die Traumwelt rissen. Wie ein Spiegel, in den ein Stein geworfen wurde zerbarst das Trugbild. Keuchend lag Ryan im kalten Schnee, heiße Tränen liefen ihr die Wangen hinab. Sie keuchte, versuchte aufzustehen, doch ihre Beine wollte sie nicht tragen. Immer noch roch sie das alte Blut, schmeckte auf ihrer Zunge den kalten Tod. Ihr Herz war schwer vor Schmerz und Schuld. Aus trüben Augen erspähte sie ihren Onkel. Hass wärmte ihre erstarrten Glieder. Mit der Kraft des Zorn kämpfte sie sich auf die Füße, schleppte sich einige Schritte vorwärts und schlug mit ganzer Kraft dem sich umdrehenden ins Gesicht. Die Kraft des Schlags riss Markos von den Füßen, über sich sah er seine zitternde Nichte stehen. "Warum", schrie diese und weinte immer noch Tränen des Verlustes. "Warum hast du mir das angetan. Warum? Sprich endlich!" Mit dem Ärmel seines Gewandes wischte sich Markos das Blut aus dem Mundwinkel. "Du wolltest mir ja nicht glauben. Du wolltest Beweise", erklärte er und schaute hinauf in den dunklen Himmel. Er konnte Ryan nicht ansehen, zu deutlich fühlte er ihre Wut und ihren Schmerz. Er hatte ihn bereits bei ihrem Wiedereintritt beinahe übermannt. "Das ist nicht die Zukunft", erklärte Ryan und taumelte einige Schritte rückwärts. "Es wird die Zukunft sein, wenn du hier bleibst, Ryan", erwiderte Markos und stand auf. "Ich glaube dir nicht", schrie sie so laut, dass sich ihre Stimme beinahe überschlug. "Ich werde sie nicht verlassen, nur weil du mir ein weiteres Mal einen Alptraum beschert hast, Onkel." Mit diesen Worten schleppte sich Ryan fort, die bitteren Tränen wollten nicht versiegen, ebenso wenig wie der Schmerz in ihrem Körper. "Ich werde dich in zwei Tagen erneut aufsuchen, Ryan. Dann wirst du mit mir kommen." Die Angesprochene blickte sich nicht mehr um, immer kleiner wurde Ryan, bis sie von dem grauen Nebel verschluckt wurde. Markos fiel auf die Knie, keuchend blickte er hinauf in den Himmel. Tränen sammelten sich in seinen Augen. Laut heulte der Wind auf, ließ eisige Kristalle auf ihn herabfallen. "Ich habe deinen Zorn verdient, Schwester", flüsterte er und seine Stimme versagte ihm beinahe. "Es war nicht meine Absicht sie zu quälen. Ich wünschte es gäbe einen anderen Weg. Ich werde nur nicht mehr lange genug auf dieser Welt wandeln um alles beenden zu können. Sie muss meinen Platz einnehmen bevor ich zu dir komme, Kara. Sie ist die letzte unserer Familie. Sie weiß es nicht, aber sie wird noch großes vollbringen. Ich hoffe sie wird mir irgendwann verzeihen...Irgendwann..." Sanft wiegte sich Ayesha selbst hin und her, sie hatte ihre Arme um den Oberkörper geschlungen und starrte Gedanken verloren in den sich langsam schwärzenden Himmel. Die Nacht breitete sich in diesen Tagen schnell über das Land aus, wie ein gigantischer schwarzer Schleier legte sie sich über alles existierende. Nervös blies sich Ayesha eine Haarsträhne aus der Stirn, faltet - als wolle sie beten- ihre feingliedrigen Hände. "Wo bist du nur?" fragte sie sich selbst, jedoch verließ kaum mehr als ein zartes Hauchen ihre Lippen. Der Wind heulte außerhalb ihres Zimmers gequält auf, kleine Schneeverwehungen trübten den Blick hinaus in die Dämmerung. Seufzend erhob sich Ayesha, legte ihre Hände an den Rahmen des Fensters und blickte schweigend hinaus. Nebel stieg vom Seeufer zu den Häusern hinauf. Deutlich bemerkte Ayesha die graue Luft, welche den Blick noch mehr trübte. Eines der weiteren Anzeichen, dass der Winter langsam ausklang und bald der Frühling die düsteren Stunden erhellen sollte. "Krieg", erinnerte sie eine mahnende Stimme in ihrem Kopf, das diesen Frühling kein Sonnenstrahl, keine gute Ernte noch diese sonderbare Beschwingtheit irgendeinem Menschen in diesem Land Freude bringen konnte. Sollten sich all diese bösen Omen bewahrheiten so stand ihnen allen ein dunkler und harter Frühling bevor. Augenblicklich fühlte sich Ayesha an ihre Kindheit erinnert. Die ständige Angst, der immer wiederkehrende Abschied von ihrem Vater, die vielen Tränen der Menschen, die jemanden an die Göttin des Krieges verloren hatten. Angst lähmte ihre Glieder, sie war für solche Zeiten nicht gerüstet, sie besaß nicht die Stärke ihres Vaters, wie sollte sie diese Menschen nur schützen? Sie wusste es nicht, und wie sooft in ihrem Leben wünschte sich Ayesha in diesem Moment einfach zu verschwinden, mit Ryan fort zugehen und nicht mehr zurück zu blicken. Bitter war der Gedanke daran, dass sie auch hier an diesem Ort sterben würde, wenn ihre Zeit gekommen war. Ihr Kopf begann bei diesen Gedanken leicht zu schmerzen, soviel lag bereits auf ihren jungen Schultern, dass sie oftmals glaubte es alleine nicht tragen zu können. Es schnürte ihr die Luft ab, vernichtete ihren letzten Funken Freiheit mit einem einzigen Hauch. Das Lächeln auf Ayeshas Lippen war traurig, sie verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich leicht gegen die Wand. "Niemand hat mich je gefragt, was ich möchte", dachte sie und schüttelte sacht ihren Kopf. "Was würde ich darum geben nicht die Tochter Arsons zu sein, sondern ein einfacher Jemand..." Erschrocken hielt Ayesha inne, noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie auf solche eine Art und Weise gedacht. Es war ihr, als bestrafte sie ihren Vater für etwas, worauf auch er nie einen Einfluss gehabt hatte. "Man kann sich nicht aussuchen was man ist", hörte sie die freundliche Stimme Widos in ihren Ohren. "Wir sind nun einmal, wie es die Götter vor langer Zeit entschieden haben. Und auch wenn es uns zuwider ist, so werden wir irgendwann den Grund vor unser Dasein erfahren. Vielleicht an einem Tag, an dem wir nicht damit rechnen. Wer weiß schon, was die Götter vorhaben?" Missmutig strich sich Ayesha ihr schwarzes Haar nach hinten, sie entschied, dass sie es lieber jetzt wüsste, als auf den Tag der Enthüllung zu warten. Doch der alte Mann hatte Recht gehabt, man konnte nicht ändern was man war. Selbst wenn man es versuchte blieb man im inneren das, was schon immer an diesem Ort weilte. Ein kalter Wind streifte Ayeshas Rücken, sie fröstelte und wandte sich um. Ihre Augen weiteten sich, als sie Ryan anblickte. Deren Gesicht war so weiß wie der Schnee, welcher immer noch auf den Baumkronen lag, sie zitterte am ganzen Leib und in ihren Augen lag eine merkwürdige Trübheit. "Ryan?" fragte sie leise und umfasste die kalte zur Faust verkrampfte Hand. "Was ist mit dir?" Sie erhielt keine Antwort, anstelle zog Ryan sie in ihre Arme, hielt sie fest. Eine eigenartige Kälte ging von dem anderen Körper aus, Ayesha nahm das verstörte Gesicht zwischen ihre Hände und blickte Ryan schweigend an. Fest drückte Ryan Ayesha an sich. Versuchte die aufsteigenden Tränen krampfhaft zu unterdrücken, sie zitterte immer noch am ganzen Leib, ob vor der Kälte, die sie mit eisigen Fingern gefangen hielt oder dem, was sie vor nur wenigen Augenblicken mit ansehen hatte müssen, wusste sie nicht mehr. Abrupt wich sie vor Ayesha einen Schritt zurück, ließ ihre Hände sinken, während ihre Nase den Gestank von totem Fleisch einsog. Sie schloss ihre Augen, hörte die besorgte Stimme Ayeshas in ihren Ohren und wimmerte leise. Verstört öffnete sie ihre Augen und taumelte einige Schritte zur Seite. Rotes Blut verschmierte das Gesicht ihrer Liebe, das schwarze Haar hing ihr strähnig und nass ins Gesicht. Die trüben, leblosen Augen verfolgten jede ihrer Bewegungen. "Geh weg", stammelte Ryan und schüttelte ihren Kopf, blickte erneut auf und erkannte, dass alles was sie zu sehen geglaubt hatte ein Trugbild war. Markos hatte ganze Arbeit geleistet. Selbst jetzt, da sie in Sicherheit vor ihm war, konnte er seine Macht demonstrieren. "Ryan?" fragte Ayesha mit vor Angst bebender Stimme, sanft berührte sie Ryan an der Schulter. "Was hast du?" "Es geht schon wieder", versicherte Ryan und zwang sich zu einem Lächeln, doch in diesem Moment wusste sie, dass es mehr als unglaubwürdig wirken musste. "Es war anstrengend mit meinem Onkel zu sprechen und er hat das, was ich ihm zu sagen hatte nicht gerne gehört." Besorgt kniete sich Ayesha zu Ryan hinunter, schlag ihre Arme um den zitternden Körper und hielt sie fest. Wie eine Mutter, die ihr verängstigtes Kind tröstete, das einen schrecklichen Traum gehabt hatte. Behutsam streichelte sie über Ryans Rücken und fühlte, wie sich ihr Gegenüber beruhigte, das Zittern verebbte langsam und auch die Verwirrtheit in den wunderschönen Augen lichtete sich. Nur einmal hatte Ayesha Ryan in solch einem Zustand gesehen, damals, als Wido starb und während der Nacht in der Ryan ihr alles erzählt hatte. Diese Erinnerungen ließen die Glieder Ayeshas erstarren. Jedes Mal waren es schreckliche Vorboten gewesen und jedes Mal war einem von beidem großes Leid zuteil geworden. "Was ist denn passiert?" Vorsichtig lockerte Ayesha ihre Umarmung und blickte Ryan forschend in die Augen, doch wie schon seit Tagen war dieser Ort ein verbotener Platz für sie, schmerzlich erinnerte sie sich, dass das einst anders gewesen war. Nun sperrte Ryan selbst sie aus, niemand durfte mehr hinter ihre Fassade sehen. Keiner konnte erahnen, was sich hinter diesen traurigen Augen verbarg. "Das ist unwichtig", erklärte Ryan und wich dem fragenden Blick Ayeshas aus. Sie wollte nicht mehr darüber sprechen, sie wollte diese Bilder und diesen Mann vergessen. Trauer stieg in ihr auf, verließ ihren Körper als flüssiger Schmerz. Warum hatte er das nur getan? Warum? Niemals zuvor hatte sie sich auf eine solch schäbige Art betrogen gefühlt. Nicht einmal an jenem Tag, an welchem Resa ihr mit boshafter Freude erzählt hatte, dass ihre Mutter nie ihre wahre gewesen war. Zärtliche Hände umfingen Ryans Schultern, brachen die Gegenwehr des Körpers mit sanfter Gewalt. Widerstrebend ließ es Ryan geschehen, schlang ihre Arme fest um Ayesha und vergrub ihr Gesicht in deren Gewand. Feinfühlig strich Ayesha Ryan durchs Haar, summte leise eine Melodie. Sie erinnerte sich, dass ihr Vater ihr des Nachts oft dieses Lied gesungen hatte, wenn Onone ihr einen bösen Träum beschert hatte. Innerlich hoffte, dass diese Melodie Ryan nun genauso viel Trost spenden mochte, wie ihr, als sie noch ein Kind gewesen war. "Möchtest du mir wirklich nicht erzählen, was geschehen ist?" fragte sie erneut und zwang Ryan ihr ins Gesicht zu blicken. "Ich kann es dir nicht erzählen", wisperte Ryan leise und strich Ayesha entschuldigend über die Wange. "Ich wünschte, ich könnte es. Verzeih..." "Ich wüsste nicht, was es zu verzeihen gäbe", flüchtig streiften Ayeshas Lippen die Ryans. Sehnsüchtig erwiderten Ryan den Kuss, verbannte all die schrecklichen Eindrücke aus ihrem Geist, überließ sich völlig den liebevollen Berührungen Ayeshas. Ihre geschundene Seele verzehrte sich nach Erlösung, und Ryan wusste, dass sie diese Art Erlösung, wenn auch nur für die Dauer jener Berührungen in den Armen Ayeshas finden würde. Fröstelnd hüllte sich Ragan tief in den schweren Umhang ein. Selbst das prasselnde Feuer war nicht in der Lage die zehrende Kälte aus seinen Gliedern zu vertreiben. Seufzend verschränkte er die Arme vor der Brust, nachdenklich suchten seine Augen in den Flammen nach Antworten. Sorge hielt in wach, deutlich hatte er gespürt, dass etwas geschehen war. Ein Missbrauch ihrer Magie, jemand hatte das Verbot gebrochen und etwas offenbart, zu was niemand außer den Göttern berufen war. Und zu seinem eigenen Bedauern wusste Ragan sehr wohl, wer der Schuldige zu sein schien. "Markos", dachte er und blickte hinauf in den gestirnten Himmel. "Was hast du nur getan?" Wie unbeherrscht sein Freund werden konnte, darum wusste Ragan, jedoch hatte er niemals geglaubt, dass Markos so weit gehen würde. Er begab sich auf Pfade, auf welche ihm niemand zur Seite stehen konnte. Schon oft hatte sich Ragan gefragt, wie wohl ihr beider Leben verlaufen wäre, wenn Markos vor so vielen Jahren nicht das Erbe seiner Schwester an sich genommen hätte. Was wäre aus ihnen geworden? Vielleicht wäre so vieles einfacher gewesen. Ein Leben ohne Entbehrungen und ohne Kampf... Leise knirschte der Schnee hinter Ragans Rücken, augenblicklich sprang er mit gezücktem Schwert auf. "Du bist einfach zu schreckhaft", seufzte Markos und trat aus der Dunkelheit in den Schein des Feuers. Argwöhnisch furchte Ragan die Stirn, steckte sein Schwert weg und besah Markos kritisch. Müde wirkte sein Gesicht, müde und abgekämpft. "Wo warst du so lange", richtete Ragan das Wort an sein Gegenüber und setzte sich. "Ich habe mir Sorgen gemacht." Ein Schnaufen entfuhr Markos und er wischte sich einige Haarsträhnen aus den Augen. "Ich wollte noch einen Augenblick alleine sein", erklärte er und wich dem forschenden Blick seines Freundes aus. "Du hättest dir keine Sorgen machen müssen. Ich bin doch immer wieder aufgetaucht." Schweigend nickte Ragan, doch er wurde das Gefühl nicht los, dass irgendetwas nicht stimmte. Sanft beschien das Feuer Markos Gesicht, eine dunkle Färbung der Haut an Markos Wange zog die Aufmerksamkeit Ragans auf sich. "Was ist das? Bist du gegen einen Baum gelaufen?" Vorsichtig legte Markos seine Hand auf die schmerzende Stelle und lächelte bitter. "Nein, gegen einen Baum nicht. Das war Ryan." "Euer Gespräch lief also so ausgezeichnet, dass sie dich geschlagen hat?" Ragan lachte leise, doch er wurde sogleich wieder ernst, als er die Trauer in Markos Augen bemerkte. "Was hast du ihr gesagt, Markos?" Beschämte schlug Markos seinen Blick nieder, jeder Muskel in seinem Körper verspannte sich. Schuld ließ seine Seele schwer werden. Er wusste, für das, was er getan hatte würde er weder entschuldigende Worte noch Verständnis finden. "Ich habe ihr gesagt, dass ich ihre Hilfe brauche. Das sie mit mir kommen muss, doch Ryan ist ein Sturkopf wie ihre Mutter. Sie weigerte sich, ich habe versucht sie umzustimmen, doch sie ließ nicht mit sich reden. Ragan, ich habe meine Macht missbraucht. Ich, ich zeigte ihr eine mögliche Zukunft, was geschehen könnte, wenn sie nicht mit uns kommen würde. Allerdings sagte ich ihr nicht, dass es nur eine der vielen Möglichkeiten der Zukunft war..." "Bist du wahnsinnig geworden", zischte Ragan und Zorn rötete seine Wangen. "Markos, was ist in dich gefahren? Du weißt genau, dass es uns verboten ist solche Dinge zu tun. Die Zukunft darf niemals einer anderen Person enthüllt werden, du kannst die Konsequenzen für dein leichtfertiges Handeln nicht einmal absehen. Ich wünschte Ryan hätte dich richtig verprügelt, womöglich wärst du dann wieder bei Sinnen." "Ich hatte doch keine andere Wahl", verteidigte sich Markos, doch der Blick mit welchem Ragan ihn bedachte, ließ ihn seine Worte sogleich wieder bereuen. "Man hat immer eine Wahl. Ich kann es einfach nicht glauben, der allwissende Markos begeht solch eine Dummheit. Ist dir klar, was du deiner Nicht damit angetan hast?" Niedergeschlagen nickte Markos. Ryan hasste ihn, und sie hatte wahrlich jedes Recht zu solchen Gefühlen. "Ich weiß was ich verloren habe, Ragan", flüsterte er leise und voller Schuld. "Ryan wird mir das niemals verzeihen. Aber ich musste es tun. Versteh mich doch, sie ist dazu bestimmt alles zu beenden. Schon bei ihrer Geburt wurde es vorhergesehen. Sie kann sich nicht gegen ihr Schicksal stehlen, ebenso wenig wie wir es konnten. Was ich getan habe entschuldigt nichts, aber sie hätte auch ohne mich nicht hier bleiben können. Ich habe ihr nur einen Grund gegeben." Urplötzlich erhob sich Ragan, schlug die dunkle Kapuze über sein Haupt und sah Markos lange schweigend an. "Du solltest dich reden hören", sagte er und seine Stimme schwoll an vor Zorn und Unverständnis. "Was würde Kara oder Nima nur dazu sagen? Wenn du solche Gedanken hegst, dann hast du deine Nichte zu Recht verloren." "Irgendwann wirst du mich verstehen." Müde erhob sich Markos, doch er war immer noch nicht in der Lage Ragan in die Augen zu blicken. Nur er selbst wusste, warum er in der Lage gewesen war Ryan zu belügen. Und selbst wenn Ragan ihn jetzt noch dafür verdammte, so würde er bald verstehen, sehr bald. Langsam entfernte sich Ragan, sein Blut pochte heftig gegen seine Schläfen und Wut loderte in seinen Augen. Kurz blieb er stehen, wandte Markos halb sein Gesicht zu. "In deinem Zelt wartet der Vater des Mädchens, du wolltest ihn wohl sprechen. Halte dich aber dieses Mal an die Spielregeln." "Wo gehst du hin?" fragte Markos leise. "Nun bin ich es der nachdenken muss", erwiderte Ragan und verschwand mit eiligen Schritten in der Dunkelheit. Schweißgebadet schrak Ryan aus ihrem Schlaf. Zitternd strich sie sich ihre nassen Haare aus der Stirn, vorsichtig streckte sie ihre Hand aus, doch als sie die warme Haut neben sich spürte beruhigte sie sich etwas. "Nur ein Traum", dachte sie und zog die Hand wieder fort. "Nur ein Traum." Ein leises Murmeln drang an ihre Ohren, sanft strich sie über Ayeshas Haar, spürte die Wärme des anderen Körpers, doch sie fand keinen Frieden. Zu präsent waren die Bilder in ihrem Geist und marterten ihren Verstand. Vorsichtig, darauf bedacht Ayesha nicht zu wecken, setzte sie sich auf, griff nach ihren Kleidern und zog sich in der Dunkelheit an. Sorgsam deckte sie Ayesha zu, küsste sie auf die Stirn und kam sich im gleichen Moment unsagbar schäbig vor, dass sie sich einfach wie ein Schatten leise davon stahl. Doch sie konnte die Nähe Ayeshas nicht ertragen, nicht wenn so viele Zweifel und Ängste ihren Geist gefangen hielten. Ein leises Knurren ließ Ryan zusammenfahren, die glühenden Augen Lobas beobachteten jede ihrer Bewegungen. "Ich muss nachdenken, altes Mädchen", flüsterte Ryan dem Tier zu und kniete sich zu ihr auf den Boden. "Wachst du bitte über sie, bis ich wieder da bin?" Gähnend erhob sich die schwarze Wölfin, leckte Ryan die Hand, als wolle sie auf diese Weise ihrer Zustimmung geben und tapste neben das Bett, rollte sich zusammen und schlief friedlich weiter. Auf leisen Sohlen schlich sich Ryan aus dem Zimmer, als sie die Tür des Hauses öffnete, schlug ihr bittere Kälte entgegen. Tief atmete Ryan die kalte Luft in ihre Lungen ein, merkwürdiger Weise fühlt sie sich plötzlich befreit. Als wäre eine gigantische Last von ihren Schultern genommen worden. Über ihr glitzerten Sterne am schwarzen Firmament, ein trauriges Lächeln huschte über Ryans Gesicht. Wie schrecklich und doch so wunderschön diese Nacht doch war, sanft wehte ihr der Wind durchs Haar. Es war beinahe wie eine tröstliche Umarmung, jedoch trieb er Ryan immer weiter fort. Schon längst kannte sie ihr Ziel, ihre Schritte führte sie direkt zum See. Zu der mächtigen Trauerweide und zu dem Ort, an welchem sie all die schrecklichen Bilder hatte erblicken müssen. Leise rauschte die Äste der Weide im Wind. "Was soll ich nur tun?" fragte sie sich selbst und Tränen stiegen in ihren Augen auf, glitten lautlos ihre Wangen entlang. "Was soll ich nur tun?" In ihren Ohren hallte das boshafte Lachen Resas wider, sie hörte ihre Stimme und sank kraftlos zu Boden. Wimmernd saß sie im kalten Schnee, doch in diesem Augenblick fühlte Ryan keine Kälte. Sie fühlte nichts, nichts außer ihrer eigenen Hilflosigkeit. "Wido", flüsterte Ryan leise und wischte sich die Tränen fort. "Wenn du nur hier wärst, du wüsstest bestimmt einen Rat. Ich weiß nicht was ich tun soll. Warum bist du nicht hier? Ich brauche dich, ich brauche dich so sehr..." Ein schwaches Geräusch riss Ryan aus ihren Gedanken, sie versuchte in der Dunkelheit auszumachen, aus welcher Richtung das Geräusch herrührte, doch die Dunkelheit trübte ihren Blick bis auf wenige Meter. "Heda", rief eine Stimme und Ryan setzte sich auf. "Wer ist da?" fragte sie ihrerseits und aus der Dunkelheit schälte sich eine hoch gewachsene Gestalt. "Ryan? Bist du das?" fragte die vertraute Stimme Ragans leise und kam auf sie zu. "Ragan, was machst du hier draußen?" "Das gleiche könnte ich dich fragen", entgegnete Ragan und schlug die dunkle Kapuze zurück. "Ich kann nicht schlafen", wisperte Ryan und wandte ihr Gesicht von Ragan ab. Das letzte nachdem sie gesucht hatte, war die rechte Hand ihres Onkels. "Nun, ich möchte meinen, da sind wir zu zweit." Ragan lächelte und rieb sich seine kalten Hände. Ziellos war er umher gelaufen, immer weiter fort von ihrem Lager. Mit der Zeit hatte sich sein Zorn gelegt, doch er schrieb diesen Umstand eher der Kälte als einer Spur des Verstehens zu. Schweigend musterte er die zusammen gesunkene Gestalt. Selbst wenn er nicht viel sehen konnte, so erkannte er sofort die Hilflosigkeit an Ryans ganzer Körperhaltung. Er erinnerte sich, wie sie ihm damals gegenüber gestanden hatte. Unverwüstlich, unbeugsam. "Was hast du nur getan, Markos?" dachte er und die verrauchte Wut loderte erneut in ihm auf. "Hat dich mein Onkel geschickt?" fragte Ryan ohne Ragan bei ihren Worte anzusehen. "Nein", erwiderte der Angesprochene und lächelte bitter. "Nein, Markos hat mich gewiss nicht geschickt. Es muss wohl eine Fügung der Götter sein, dass wir uns treffen, Kleine." "Erspar mir das, Ragan", zischte Ryan böse und blickte ihn an. "Ich habe für heute genug von den Fügungen der Götter und auch von euch allen." "Du hast ein Recht auf deine Wut, und dennoch bin ich die falsche Person, an der du sie auslassen solltest", erklärte Ragan und zog den schweren Umhang fester um sich. "Ich weiß nicht, was Markos dir gezeigt hat, ich will es auch nicht wissen. Aber ich möchte dir eine Sache erklären..." "Was gibt es da zu erklären?" unterbrach ihn Ryan aufgebracht. Ihre Stimme zitterte vor Wut. "Er hatte kein Recht dazu. Erst schickt er mich weg, dann soll ich wieder zurückkommen, ich bin nicht sein Spielzeug. So kann er doch nicht mit mir umgehen, ich dachte ich würde ihm etwas bedeuten." Schluchzend vergrub Ryan ihr Gesicht in den kalten Händen. Unschlüssig hob Ragan eine Hand, atmete tief durch und zog das weinende Mädchen in seine Arme. Er spürte, wie warme Tränen seinen Umhang durchweichten. "Ryan, er liebt dich, ich weiß es sehr genau. Es ist gleich was er dir zeigte, die Zukunft bietet immer mehrere Möglichkeiten. Warum er das getan hat, darauf kann ich dir keine Antwort geben. Ich weiß nur, dass Markos etwas weiß, was er niemanden anvertrauen kann. Wenn er dich gebeten hat mit ihm zukommen, dann weil es ihm wirklich wichtig und von großer Bedeutung ist." "Aber er hat doch recht", schluchzte Ryan und barg ihr Gesicht an Ragans Schulter. "Ich bringe allen Menschen die ich liebe nur Unglück und Schmerz. Ich dachte es hätte sich etwas in mir verändert, doch ich werde mich nie ändern. Dabei habe ich es versucht, ich liebe sie, ich liebe sie so sehr." Beschützend hielt Ragan Ryan fest in seinen Armen, strich ihr beruhigend übers Haar. Plötzlich verspürte er einen Wunsch diesem zerrissenen Wesen alle Antworten auf ihre Fragen zu geben, jedoch wusste er sie nicht. Er wollte sie beschütze, doch es war nicht seine Aufgabe. Vorsichtig umfasste er Ryans Kinn und sah sie lange schweigend an. "Du wirst dich entscheiden müssen, Ryan", sagte er und lächelte sie aufmunternd an. "Es gibt Dinge, die wir nicht ändern können. Dinge, die unser ganzes Wesen ausmachen und uns zu dem machen, was wir nun einmal sind. Glaubst du etwas Markos oder ich verlassen unsere Familien mit Freuden? Wir tun es, weil wir uns vor langer Zeit für einen Weg entschieden haben, und du musst dich nun ebenso entscheiden. Entweder glaubst du sie beschützen zu können in dem du bleibst oder gehst, aber du musst eine Entscheidung treffen. Du kannst nicht ändern was du bist. Du bist die Tochter Karas, Ryan. Als solche wirst du irgendwann den Platz von Markos einnehmen und dazu musst du noch sehr viel lernen. Es nützt nichts vordem, was in dir existiert wegzulaufen, du musst dich dem stellen. Womöglich findest du nur auf diesem Wege frieden." "Ich weiß nur nicht was ich tun soll", benommen wischte sie Ryan über die Augen, sah das lächelnde Gesicht Ragans dankbar an. "Ich habe so sehr darum gekämpft nicht mehr wie früher zu sein." "Wer sagt, dass du wie früher bist? Menschen verändern sich, dass ist der Lauf der Dinge. Rede mit dem Mädchen und triff dann deine Entscheidung. Ich schätze, wir werden noch zwei Tage hier lagern, dann brechen wir mit unseren Männern und den Kriegern dieses Dorfes auf." Schweigend nickte Ryan, löste sich aus Ragans Armen und brachte für ihn ein winziges Lächeln zustande. "Danke", sagte sie und es klang ehrlich in Ragans Ohren. "Gern geschehen, aber geh jetzt lieber wieder hinein, der Morgen graut schon und ich denke, du brauchst eine Menge Kraft für das, was noch auf dich zukommt." Sacht drückte Ryan die mächtige Hand Ragans, lächelte ihm noch einmal zu und wandte sich zu gehen. Befreit atmete Ryan durch, sie wüsste, ein ehrliches Gespräch mit Ayesha war richtig. Und doch verspürte sie einen Hauch von Angst. Jedoch wusste sie ebenso, dass Ayesha Aufrichtigkeit verdient hatte. Sie hatte ein Recht auf die Wahrheit. Kurz blickte Ryan über ihre Schulter, wollte Ragan noch einmal zu winken, derweil hatte die Dunkelheit den Freund ihres Onkels so schnell wieder in sich aufgenommen, wie sie ihn freigegeben hatte. "Ich muss mich entscheiden", flüsterte Ryan leise, als könne Ragan es hören. "Ich muss es für sie tun..." Stimmengewirr schwängerte die Luft, nervös schlugen Pferde aus, blähten verwirrt ihre Nüstern, als wüssten sie genau was auf sie mit stetiger Geschwindigkeit zukam. Schwerter wurden geschmiedet, das Ächzen des Stahls schmerzte in Ayeshas Ohren. Sorgenvoll betrachtete sie das Treiben, ihr gefiel nicht was sie sah. Immer noch hieß sie die Entscheidung ihres Vater nicht gut und während sie den Männern zu sah, wie sie Proviant heranschafften und Waffen schärften, wer womöglich von ihnen niemals wieder zurückkehren mochte. Einige Meter von ihr weg jagte Loba hin und her, immer noch auf der Suche nach der Fährte eines Schneehasen, die sie vor einigen Tagen aufgespürt hatte. "Loba", rief Ayesha und die Wölfin hob ihren Kopf. "Den findest du nicht mehr wieder, komme her." "Bist du dir sicher?" fragte Ryan und legte ihr das Kinn auf die Schulter. "Loba findet alles was sie möchte." Laut kläffte die Wölfin und vergrub die Schnauze tief im dünnen Schnee. "Du untergräbst meine Autorität bei dem Tier", scherzte Ayesha und spielte Gedanken verloren mit Ryans Umhang. Sacht lehnte sie sich gegen Ryans Oberkörper und blickte zu ihr hinauf. Irgendetwas hatte sich in Ryans Augen verändert, jedoch war Ayesha nicht in der Lage es zu deuten. Sie beobachtete die Aufbruchsstimmung teilnahmslos, beinahe als würden sie Dinge von größerer Wichtigkeit beschäftigen. "Ayesha", flüsterte Ryan ihr ins Ohr. "Hättest du einen Augenblick Zeit? Ich muss dringend mit dir reden, aber nicht hier, könnten wir vielleicht hinein gehen?" "Natürlich, ich glaube, Loba wird uns nicht sonderlich vermissen", sanft nahm Ayesha Ryans Hand in die ihre und öffnete die Tür. Still war es in dem kleinen Haus und das Herz Ryans schlug so laut und wild, dass sie fürchtete Ayesha könne es hören. Erst als Ayesha die Tür zu ihrem Zimmer schloss, beruhigte sich Ryan etwas. "Nun, was gibt es denn so wichtiges und geheimnisvolles, dass du es mir nur hier erzählen willst?" Nervös fuhr sich Ryan durchs Haar, lief getrieben langsam auf und ab, wie ein wildes Tier im Käfig. "Ich, ich weiß nicht wie ich anfangen soll", flüsterte sie und atmete tief durch. "Als du mich gefragt hast, was mein Onkel von mir wollte und ich sagte, es sei unwichtig. So ist es ganz und gar nicht." "Wie meinst du das?" fragte Ayesha und setzte sich auf die Kante des Bettes. Sie spürte deutlich, dass etwas in der Luft lag, sie konnte es förmlich festhalten. "Er wird morgen zusammen mit deinem Vater aufbrechen. Ayesha, er hat, er will, dass ich mit ihm komme. Ich weiß nicht was ich tun soll, ich weiß es nicht." Drückende Stille legte sich über sie, ängstlich blickte Ryan in das Gesicht Ayeshas, versuchte krampfhaft irgendeine Regung in der versteinerten Miene zu erkennen, doch Ayeshas Gesicht blieb verschlossen. Steif saß sie da, entwand Ryan ihre Hand, welche sie vor wenigen Augenblicken noch gehalten hatte. "Du weißt nicht was du tun sollst?" wiederholte sie die Frage und lachte leise. Doch es war ein enttäuschtes Lachen. Deutlich begannen ihr Lippen zu zittern und Ayesha schluckte schwer, rang fieberhaft um ihre Fassung. "Du erwartest nun nicht ernstlich eine Antwort auf diese Frage, oder?" "Verstehst du mich nicht? Ich muss mich entscheiden, aber ich, ich will mich nicht entscheiden." Hilflos hob Ryan ihre Hände und ließ sie sofort wieder sinken. Noch nie zuvor hatte sie Ayesha so gesehen. Wie eine Statur saß sie da, blickte starr geradeaus, als würde sie durch Glas blicken. "Ayesha", flüsterte Ryan und ihre Stimme zitterte. "Bitte, sag doch was, bitte..." "Du weißt es also nicht", bemerkte Ayesha und erhob sich. "Warum hast du dich dann schon längst entschieden?" flüsterte sie als spräche sie mit sich selbst und wandte Ryan den Rücken zu. Unerträglich erschien ihr je der Anblick Ryans, dabei hatte sie sich Monate lang nach ihm verzehrt, nun ertrug sie ihn nicht mehr. Tränen bannten sich unaufhaltsam ihren Weg durch Ayeshas geschlossene Augenlider, brannten auf ihren Lippen. Fest verschränkte sie die Arme vor der Brust, ihr sonst so weiches, liebevolles Gesicht versteinerte sich. Eine kalte Maske ohne Gefühl legte sich über ihr Antlitz. Ihr Herz kämpfte verzweifelt darum die gesagten Worte zu ignorieren, doch ihr Verstand sträubte sich. All zu deutlich hallten sie immer wieder und wieder durch ihren Geist, und Ayesha war nicht in der Lage dieses Echo zum schweigen zu bringen. "War denn alles, was du oder ich jemals sagten eine Lüge, Ryan?" Eine ungewohnte Härte durchzog Ayeshas Worte und Ryan sank schwach auf die Kante des Bettes. Beschämt vergrub sie ihr Gesicht in den Händen, doch ihre Lippen waren wie versiegelt. Die schneidende Klinge der Schuld hieb ihren Körper in zwei Teile, versengte ihr innerstes. Ihr Geist war leer, und so sehr sie auch nach den erlösenden Worten suchte, sie fand nichts außer dem Gefühl, dass sich Ayesha immer weiter von ihr entfernte. Mit jedem Augenblick der schweigend verging strafte sie ihrer eigenen oft gesagten Worte lügen. Hatte sie gelogen? War sie vielleicht niemals mehr gewesen, als sie es gehofft hatte? "Ayesha", wisperte Ryan und ihre eigene Stimme klang in ihren Ohren verbraucht und rau. "Ich will dich nicht verlieren..." Ein erstickter Laut entrann Ayeshas Kehle, gequält verzehrten sich ihre Gesichtszüge. Sie fühlte sich, als wäre ihr der Boden unter den Füßen fortgezogen worden. Sie fiel, doch dieses Mal fand sie keinen Halt. "So oft hast du mir versprochen, dass du nicht gehen würdest. Ich wollte dich gewiss niemals an diesen Ort ketten, doch du hast es von dir selbst aus immer wieder und wieder zu mir gesagt. Aus welchem Grund habe ich dann das Gefühl, dass du schon lange fort bist?" Kurz flackerte die Erinnerung an den toten Körper Ayeshas in Ryan auf, sie wollte Ayesha erklären warum sie ihre Frage formuliert hatte, wie sie Ayesha vernommen hatte. Doch sie konnte es nicht, wie sollte sie Ayesha erklären, dass sie in die Zukunft geblickt hatte, welche grausamen Bilder sie seit jener Stunde verfolgten. Sobald sie Ayesha berührte glaubte sie totes Fleisch zu berühren, roch das alte Blut, hörte die klagende Melodie in den rauschenden Weidenzweigen... "Ich kann dir nicht sagen was es ist. Es geht nicht, es würde dir zu vieles offenbaren, was noch nicht geschrieben ist. Warum verstehst du das nicht?" Plötzliche Wut loderte in Ayeshas Adern, schwungvoll drehte sie sich Ryan zu, die Umrisse der zusammen gesunkenen Gestalt verschwanden hinter einem dichten Schleier aus Tränen. "Es gibt immer Dinge die du mir nicht erzählen kannst oder willst. Deine Augen sind schon seit Tagen so leer und verschlossen, nicht einmal mehr mich lässt du in dich hinein sehen. Ich kann und will nicht mehr verstehen. Ich kann nicht mehr." Unsicher erhob sich Ryan, vorsichtig streckte sie eine Hand nach Ayesha aus, umfasste die sich heftig währende Frau mit festem Griff und zog sie an sich. Mit ihren kleinen Fäusten trommelte Ayesha gegen Ryans Brustkorb, währte sich gegen die Geborgenheit der Umarmung und schluchzte abermals: "Warum, tust du das? Warum?" Eisern hielt Ryan Ayesha in ihren Armen, nun stiegen auch in ihr Tränen auf. Kleine glitzernde Perlen rannen ihren Wangen hinab, tropften lautlos auf Ayeshas Haar hinab. Immer dumpfer wurden die Schläge Ayeshas, bis sie schließlich verebbten. Wimmernd, wie ein verwundetes Tier, lag Ayesha in ihren Armen. Ryan fühlte, wie Tränen ihr Hemd durchweichten. Das Gefühl von Schuld schlug so heftig in ihr, dass es sie schwindelte. Beruhigend strich sie über das schwarze Haar ihrer Liebe, flüsterte liebevolle Worte und doch schämte sie sich ihrer selbst. "Ayesha", raunte sie ihr schließlich zu. "Du kannst mich auf ewig hassen, doch ich werde dieses Mal nicht fortlaufen können. Ich muss tun was meine Familie von mir verlangt, wie auch du tun wirst, was dein Vater dich bat. Ich kann niemals der Mensch sein, den du verdienst, wenn ich hier bleibe und dich in Gefahr bringe." "Ich habe niemals etwas in dir begehrt, was du nicht bist", erwiderte Ayesha, konnte bei ihren Worten jedoch nicht aufblicken. Sie schluckte und barg ihr Gesicht an Ryans Hals. "Ich muss gehen." Wie ein blankes Schwert stellte sich diese Erklärung zwischen sie, erschrocken umklammerte Ayesha Ryan umso fester. Für den Bruchteil eines Augenblickes glaubte sie zu fühlen, wie etwas zwischen ihnen verlosch. Ein Band? Eine Verbindung? Ein Traum? Sie war nicht in der Lage es genau zu deuten, dieser Empfindung einen passenden Rahmen zu geben, zu grotesk war es für sie. Kaum merklich nickte sie, sah zu Ryan hinauf und lockerte ihre Umarmung. "Ich werde aber zurückkommen", setzte Ryan nach, versuchte Ayesha erneut in ihre Arme zu ziehen, doch nun wich sie einen Schritt von ihr zurück. "Ich könnte es aber nicht ertragen, wenn du es irgendwann einmal nicht mehr tust", erklärte Ayesha und holte zitternd Luft. "Wenn du gehen willst, dann tue es. Aber ich bin nicht Teleri, Ryan." "Ja", flüsterte Ryan und schlug ihren Blick gen Boden. "Ich weiß..." Erneut legte sich Schweigen wie ein gigantischer Mantel über sie. Stille um schloss sie auf eine merkwürdige tröstliche Art. Es war jene Art von Stille, welche nur dann eintritt, wenn alle Worte verbraucht und sie langsam aber stetig ihr Gewicht verloren. "Ryan, lass mich bitte alleine." Klar und deutlich waren diese Worte, ohne es zu wollen ließ Ryan die Hand Ayeshas los, schob sich an ihr vorbei aus dem Zimmer. Während sie die schwere Tür hinter sich schloss, hörte sie, wie Ayesha laut wimmernd auf die Knie fiel und jämmerliche Laute ausstieß. Entkräftet rutschte Ryan an der kalten Steinwand hinunter, ballte ihre erstarrten Hände zu Fäusten und hieb immer wieder und wieder auf den steinernen Boden. Heiße Tränen flossen unkontrolliert über ihr Gesicht, wirr hing ihr das Haar in die Stirn. Sie hatte die Worte Ayeshas nur zu gut verstanden, ein Abschied würde womöglich für immer sein. "Ich werde sie verlieren", dachte sie und japste nach Luft. "Auf die eine oder andere Weise werde ich sie verlieren." Immer schneller trommelten ihre Fäuste auf den Boden, sie hielt erst inne, als sie bemerkte, dass ihre Hände bluteten. Rötlich ergoss sich die Dämmerung über das Land, ließ die dünnen Schneespuren blutrot aufleuchten. Die trügerische Schönheit dieses Momentes ließ den gigantischen Schwarzen Schatten der über die Ebene Schritt nicht inne halten. Mit jedem Schritt mehr zog das gewaltige Heer einem bestimmten Augenblick entgegen. Das Klirren der Waffen und ein merkwürdiger Singsang aus tausenden von Kehlen durchschnitten die abendliche Stille. Still und in sich gekehrt ritt Katlar an der Spitze des Heeres, seine weiße Stute ächzte unter der Last seiner schweren schwarzen Rüstung und dem Gewicht des Proviants. Sanft tätschelte Katlar den Hals des Tieres, er wusste wie nervös das Pferd war. Tief in ihm tobte selbst dieser Sturm aus Ungewissheit und Vorfreude. In diesen verwirrenden Gedanken erinnerte er sich plötzlich an einen alten Spruch aus seiner Heimat: "Das der Mensch sich steigert; Schritt für Schritt. Sein totes Selbst schleppt er wandelt mit..." Ein bitteres Lächeln schmückte das ausdruckslose Gesicht, wie froh war er, dass Gerin in Kalmas geblieben war. Zusammen mit all seinen Instruktionen und Plänen. Vielleicht würde dieser Junge irgendwann bemerken, was er zu tun hatte. Ja, vielleicht eines fernen Tages, wenn ihm sonst nichts mehr geblieben war, würde er erkennen. Tief atmete Katlar durch, ein eigentümlicher Geschmack berührte seine Zunge und das Lächeln auf seinen Lippen verwandelte sich in Zufriedenheit. "Frühling", dachte er und blickte kurz über die Schulter. All die tausend Krieger, nur ein Bruchteil würde zurückkehren, einige noch nicht einmal alt genug um überhaupt als Mann betitelt zu werden. Kaum merklich schüttelte Katlar seinen Kopf, löste vorsichtig eine Hand von den Zügeln und zog das Medaillon hervor. Sanft berührten seine Lippen die Oberseite. "Du wirst da sein", rauschte es durch Katlars Geist und Genugtuung befreite seine Seele. "Wir werden uns gegenüber stehen und mir wird auf die eine oder andere Art Erlösung zu teil werden. Ich freue mich auf dich Ryan...Bald...Bald..." Verstört scharrte der schwarze Hengst mit seinen Hufen im dünnen Schnee. Er blähte leicht die Nüstern und tänzelte nervös auf der Stelle. Bestimmt zog Ryan das Tier wieder an ihre Seite, zärtlich berührte sie die weiße Blässe und lehnte ihre Stirn gegen den Hals des Hengstes. Immer noch schmerzten ihre Hände, jedoch sah Ryan diese Schmerzen als natürliche Strafe für alles Leid, was sie Ayesha vor Stunden zugefügt hatte. Ayesha, kummervolle Erinnerungen verband sie nun mit diesem Namen. Die Liebe in ihr war ebenso stark wie sie es immer gewesen war, und dennoch erschienen Ryan all die wunderschönen Erinnerungen an sie als verhöhnendes Urteil für ihre ureigensten Schwächen. "Was bin ich nur für ein Monster?" fragte sie den schwarzen Hengst, doch dieser sah sie nur aus trüben Augen an. Geistesabwesend blies Ryan die Luft aus den Lungen und begann den kärglichen Proviant in der Satteltasche zu verstauen. Mit geübten Griffen zog sie die Riemen und Schnüre fest. Kaum merklich tastete sich Ryans Rechte zu der Stelle, an welcher sonst immer der weiße Stein geruht hatte. Nun lag er neben Ayesha auf der leeren Seite des Bettes. Wie ein Schatten hatte Ryan lautlos einige Stunden neben Ayeshas Bett gesessen, sie betrachtet und merkwürdiger Weise war Ayesha in diesem Moment reiner und schöner gewesen, als es Ryan je für möglich gehalten hätte. Hart schluckte sie, kämpfte die Tränen die seit dem gestrigen Tag nie gänzlich versiegt waren nieder. Aus diesem Grund, und um Ayesha nicht noch mehr Leid zu zufügen, hatte sich Ryan entschlossen mit in der Nacht aufzubrechen. Sie wollte zu dem Lager ihres Onkels, versuchte auf diese Weise Ayesha die Schmach zu ersparen sie mit ihrem Vater fort reiten zu sehen. Keuchend lehnte sie sich gegen das Tier, der eigentümliche Geruch der Haare stieg ihr in die Nase und Ryan wischte sich einige nasse Spuren aus dem Gesicht. "Wolltest du einfach so verschwinden, ohne ein Wort?" fragte eine feine Stimme hinter ihrem Rücken. Abrupt drehte sich Ryan um, sah in die von Tränen geröteten Augen Ayeshas. Zitternd hüllte sie sich in einen schweren Umhang ein und beobachtete Ryan lange schweigend. "Wolltest du wirklich so gehen?" "Nein, ich, ich wollte. Ach, ich weiß überhaupt nicht was ich eigentlich wollte", stotterte Ryan und ließ unglücklich ihre Hände sinken. Langsam ging Ayesha auf Ryan zu, nahm ihre Hand in die ihre und sah stumm auf ihre ineinander verflochtenen Finger hinab. "Ryan, du musst nicht fort", sprach sie schließlich das aus, was ihr schon so lange durch den Kopf ging. "Wir würden eine Lösung finden. Bitte, du musst nicht gehen." Im nächsten Moment fand sich Ryan in einer wärmenden und beschützenden Umarmung wieder. Kurz presste sie den anderen Körper an den ihren, sog den Geruch von Ayeshas Haaren tief ein. Bewahrte ihn in sich, bis sie ihn womöglich in ferner Zukunft wieder wahrnehmen durfte. "Ich muss", flüsterte Ryan. "Du magst mich jetzt nicht verstehen, irgendwann wirst du es. Ich fühle das, und dann werden wir auch einen Weg finden. Ich liebe dich..." Leise schluchzte Ayesha, doch sie hatte alle Tränen bereits vergossen. Sie spürte nichts in sich, nichts außer einen gigantischen Leere. Eine sanfte Hand hob ihr Kinn und dann sah sie wieder diese wunderschönen Augen und fragte sich: "Noch nie habe ich solche Augen gesehen. Augen, welche die Farbe von Bernstein besitzen." Zärtliche Lippen legten sich über ihre, verbanden beide Menschen für den Bruchteil eines Momentes miteinander, und offenbarte, dass ein Band nie völlig zertrennt werden konnte. "Ich kann dich nicht gehen lassen." Behutsam lehnte Ayesha ihre Stirn gegen die Ryans und umfasste das kalte Gesicht mit ihren Händen. "Ich will auch nicht, dass du mich gehen lässt", erwiderte Ryan und küsste erneut flüchtig Ayeshas Lippen. Widerstrebend löste Ayesha die Umarmung, dann griff sie in die Tasche ihres Gewandes. Hell glühend ruhte der weiße Stein mitten in ihrer Handfläche. "Warum hast du ihn bei mir gelassen?" fragte Ayesha und hielt ihn Ryan auffordernd entgegen. Diese lächelte, faltete die Finger Ayeshas über die Kette. "Er gehört jetzt dir, solange, bis ich zurückkomme und ihn wieder abhole. Durch ihn werde ich immer wissen, wie es dir geht und ob du etwas brauchst. Auf diese Art werde ich über dich wachen und immer bei dir sein." Tränen glitzerten im fahlen Licht des grauenden Morgens, Nebel stieg langsam vom Seeufer empor zu der kleinen Anhöhe und hüllte die Weide am Ufer des Sees völlig ein. Stürmisch zog Ryan Ayesha erneut in ihre Arme, bedeckte das tränennasse Gesicht mit küssen. "Ich liebe dich", hörte sie Ayesha wispern und hielt sie fest umschlossen. Nur dieser Moment war für sie noch von Bedeutung, es war ihr gleich was folgen mochte. Sie wusste, dass sie liebte und es jemanden gab der auf die gleiche Art und Weise empfand. Tief atmete Ryan die feuchte Luft ein und aus, dann löste sie sich aus der Umarmung und bestieg den schwarzen Hengst. "Ich werde zurückkommen", erklärte sie, beugte sich zu Ayesha hinunter und küsste sie sacht. "Ich schwöre es dir, ich werde zurückkommen." "Versprich nichts, was du nicht halten kannst", erwiderte Ayesha und umfing die Hand Ryans mit der ihren. "Nein", sacht führte Ryan die Fingerspitzen Ayeshas an ihre Lippen und küsste sie. "Ich komme zurück ehe der Sommer völlig Einzug gehalten hat..." Langsam trabte der Hengst an, für eine kurze Weile lief Ayesha neben dem Tier her, bis sie den Schritt nicht mehr halten konnte und still stehen blieb. Heftig hob und senkte sich ihr Brustkorb, bestimmt wischte sie sich die Tränen aus den Augen, verknotete das Band der Kette in ihrem Nacken und ließ den weißen Stein in ihrem Gewand verschwinden. Noch einmal hielt Ryan das Tier an, blickte über ihre Schultern hinweg auf die langsam im Nebel verschwindende Gestalt Ayeshas. "Mögen dich die Götter schützen, ich liebe dich..." Warm glühte der Stein über Ayeshas Herzen auf, sie spürte wie jede Faser ihres Körpers von dieser besonderen Wärme durchzogen wurde. Sie wusste, dass es Ryan war. " Auf bald...im Sommer", flüsterte sie und sah ihrer Liebe nach, bis sie im Nebel völlig verschwunden war... (*)Chiya: Es gibt zwei Bedeutungen für dieses Wort. Im Eismeer ist es die Bezeichnung für die Winterfee. Im Lande Barolon bedeutet dieser Ausdruck "die Botin Onones". Nachwort: Ok, wer hasst mich jetzt für dieses "Ende"? Es tut mir wirklich leid, aber ich konnte die Geschichte nicht anders an diesem Punkt enden lassen. Es wäre sowohl für Ryan als auch für Ayesha unglaubwürdig gewesen, wenn sie gänzlich in eine andere Richtung ausgeschwenkt wären. Ich muss dazu sagen, dieses Kapitel zu schreiben war verdammt schwer. Ich hatte noch soviel zu erzählen und wollte nicht, dass es endet, was sich auch in der Anzahl der Seiten widerspiegelt. Ach, wegen Fehlern im Text. Habt Nachsicht mit mir, jetzt gerade ist es genau 4:20 Uhr Morgens. Noch dazu hoffe ich, dass es nicht zu kitschig geworden ist. Ich habe mich sehr darum bemüht das einzuschränken. Ich befürchte, total in die Hose gegangen. In gleicher Weise hoffe ich, dass ich bei einigen Figuren auch andere Seiten noch einmal zeigen konnte und es dabei auch glaubwürdig geblieben ist. Tja, es gibt ja noch einige offene Fragen. Deshalb werde ich noch einen Epilog schreiben, keine Panik, der wird nicht so lang wie das da ^^. Ich bedanke mich an dieser Stelle wie so oft bei Igel für ihr Durchhaltevermögen und die tollen Tipps und auch bei Biggi für die wöchentliche Ermahnung, wann das nächste Kapitel kommt. Vielen Dank fürs lesen. ©2006 by seen/Lena Petri Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)