Die Trauerweide von Gurgi ================================================================================ Kapitel 12: Verbrannte Flügel... -------------------------------- Verbrannte Flügel... Fest umklammerten ihre Hände den Körper unter ihr...lauschte dem ruhigen Atem welcher auf ihrer Haut brannte wie Feuer. Ryan lächelte schief. Sie konnte es nicht glauben, ihr Geist versuchte diese neuen Empfindungen zu verarbeiten, versuchte einen klaren Gedanken zufassen. Es war ihr nicht möglich, ihr Verstand schien immer noch vernebelt zu sein. Auf ihren Lippen fühlte sie immer noch den sanften Kuß...Gedankenverloren streichelte sie Ayesha über ihre seidiges Haar. War es das gewesen, was sie die ganze Zeit gefühlt hatte? Weil Ayesha ihr viel näher gekommen war, als sie es durfte? Leicht schüttelte Ryan ihren Kopf...was tat sie hier? "Teleri..." dieser Name ließ sie zusammen zucken. "Teleri...es tut mir leid..." Plötzlich verspannten sie sich, ihre Hände schienen steif zu werden. War sie wirklich in der Lage ihr das anzutun? Der einzigen Person die sie, neben Wido, aufrichtig geliebt hatte. "Verzeih mir," dachte sie und blickte hinauf in den Himmel. Sie wußte nicht was sie tun sollte. Teleri war so weit entfernt, schon immer gewesen, und Ayesha war ihr so nahe. "Was hast du?" sie hörte die Stimme Ayeshas, doch sie sah das Mädchen nicht an. "Nichts," sagte Ryan leise. Ayesha richtete sich auf, nahm Ryans Gesicht sanft zwischen ihre Hände und zwang sie in ihre Augen zu blicken. "Du denkst an Teleri, oder?" Ryan versuchte dem forschenden Blick auszuweichen, doch Ayesha hielt ihr Gesicht mit sanfter Gewalt fest. "Bin ich eine so schlechte Lügnerin?" fragte sie und versuchte zu lächeln. "Ja, bist du," sagte Ayesha und ihr Blick wurde traurig. "Ich weiß nicht, ob ich ihr das antun kann," bekannte Ryan und schlug ihren Blick nieder, sie ertrug es nicht Ayesha bei ihren Worten anzublicken. Auf ihrer Haut fühlte sie die Hände Ayeshas welche ihr sanft über ihre Wangen strichen. "Ich verstehe." "Nein," sagte Ryan fest. "Das kannst du nicht...Sie war der erste Mensch den ich geliebt habe, und der mich geliebt hat...ich weiß nicht ob ich so einfach gehen kann. Ich habe Angst, du weißt nicht wie schwer es mit mir ist...du weißt nicht wie verletzend ich sein kann, du weißt nicht.." Schnell zog Ayesha Ryans Gesicht an das ihre, verschloß ihre Lippen. Sie wollte nicht hören was Ryan im Begriff war auszusprechen. Sie wollte es einfach nicht hören. Sie war selbst über ihr Handeln verwundert...war sich nicht sicher, was sie eigentlich tat. War es das, was Menschen vielsagend als Liebe bezeichneten. War es Liebe was sie trieb? Sie kannte diese Form der Liebe nicht, wußte nicht wie man sich in diesem Zustand fühlte...Dieses Gefühl, ein leichtes kribbeln breitete sich in ihrem Körper aus. Sie fühlte sich wie berauscht...Sanfte Hände hielten sie fest, zarte Lippen erwiderten ihren Kuß. "Und leicht machst du es mir auch nicht," flüsterte Ryan und umarmte Ayesha fest. "Das war Sinn der Sache," gab sie als Antwort und grinste frech. Vorsichtig drückte sie ihre Stirn an die Ryans und lächelte. "Sie beobachtet uns," flüsterte Ryan und küßte Ayesha auf ihre Nasenspitze. "Wer?" Ryan grinste und nickte leicht nach Links. Loba saß genau neben ihnen und sah beide aus großen Augen an. Die Wölfin legte ihren Kopf schief, musterte beide, schien noch nicht zu wissen was sie davon halten sollte. Ayesha lachte leise. "Ja, sie scheint uns wirklich zu beobachten. Glaubst du, sie hat etwas dagegen?" "Nein," erwiderte Ryan und lächelte sanft. "Ich glaube, sie ist mit ihrer Arbeit sehr zufrieden." Ryan bedachte die Wölfin mit einem fast dankbaren Blick. Langsam erhob sich Loba und tapste zu ihnen hinüber. Ryan streichelte ihr über ihren Kopf. "Bist du nun zufrieden altes Mädchen?" dachte sie und blickte Loba an. "Bist du zufrieden?" fragten ihre Augen und Ryan wiegte ihren Kopf unschlüssig hin und her. "Ich weiß es noch nicht.." Loba knurrte mißmutig. Diese Menschen, nie wußten sie was sie wollten. Nie waren sie damit zufrieden was sie hatten, oder haben könnten. Sie waren schon rätselhafte Wesen. "Und, was hat sie dir gesagt?" fragte Ayesha und küßte Ryan auf ihre Wange. "Wie kommst du darauf, dass sie etwas gesagt hat?" gab Ryan die Frage zurück. "Sie hat dich so seltsam angeblickt nur deshalb." Ryan lächelte und strich Ayesha eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. "Sie scheint zufrieden zu sein," sagte sie und küßte Ayesha flüchtig. "Und was ist mir dir?" fragte Ryan und hob ihre Augenbrauen leicht an. "Ich weiß nicht," sagte Ayesha und ihre Stimme bekam einen seltsamen Tonfall. "Ich habe immer noch Angst. Angst davor, dass du zu ihm gehen wirst...was ist, wenn ich dich nie wieder sehen werde?" Sanft strich Ryan über Ayeshas Wange. "Ich kann dir nichts versprechen," sagte sie mit bedauern in der Stimme. "Ich wünschte ich könnte dir mit Gewißheit sagen das ich zurück komme. Aber ich muß es tun...bitte versteh das. Ich muß es für Wido tun und für mich auch." Behutsam zog Ryan Ayesha in ihre Arme. Sie wollte das Mädchen solange festhalten wie es ihr möglich war. Sie wußte, dieser Kampf war schon seit Jahren unumgänglich...letztendlich mußte sich alles so fügen wie es gedacht war, auch wenn es womöglich ihren eignen Tod bedeutete. Fest drückte Ayesha ihren Körper an Ryans. Sie fühlte wie sie ihr sanft durch ihr Haar strich. Warum mußte das alles nur geschehen? Warum gerade jetzt? Traurig schloß sie ihre Augen. Plötzlich sah sie ihn. Kalte blaue Augen, Haß so großer Haß lang in ihnen, und auch Schmerz...der vernarbte Mund...in ihren Ohren glaubte sie sein höhnisches Lachen zu vernehmen. Dieser schwarze Schatten, ein Schauder jagte ihren Rücken hinab, und Ayesha öffnete wieder ihre Augen. "Und was ist, wenn ich dich nicht gehen lasse?" Sie hörte wie Ryan leise lachte. "Du weißt so gut wie ich, dass ich trotzdem gehen würde...ich laufe nicht mehr weg, und ich verstecke mich nicht länger." In Ayeshas Augenwinkel begann es zu glitzern. Schnell wischte sie sich über ihre Augen. Warum sollte sie jetzt weinen? Solch eine Antwort hatte sie doch erwartet. "Nicht weinen," raunte ihr Ryan ins Ohr und küßte sie auf ihr Haar. "Glaub einfach an mich, glaub einfach daran, dass ich wiederkomme." "Das werde ich," flüsterte Ayesha und küßte Ryan ein weiteres mal. "Ich glaube an dich..." Ein Lächeln umspielte Ryans Lippen. Sie sog tief den Geruch von Ayeshas Haaren ein, bewahrte ihn in ihrem Gedächtnis auf. Ihr Blick wandte sich wieder dem Himmel zu. "Was Wido wohl zu alledem sagen würde?" fragte sie sich selbst, doch der Gedanke an ihren Freund schmerzte. "Ich werde dich rächen," schwor sie sich. "Glaub mir Wido, ich werde dich rächen...dieses mal ist er zu weit gegangen. Ich werde ihn töten, für uns beide. Du wirst in Frieden ruhen mein Freund...ich werde ihn töten..." Kalt blitzen ihre Augen auf. Ja, dieses mal war er zu weit gegangen. Er hatte ihr erneut jemanden genommen. Sie wußte was der einzige Weg war welcher ihr noch offen stand. Nachdenklich blickte sie auf Ayeshas Haarschopf hinunter. "Ich tue das auch für dich," dachte sie und umfing das Mädchen noch fester. "Ich will nicht das er dich auch noch aufspürt...ich will nicht das du in der gleichen Gefahr bist wie Teleri." Lange standen beide einfach so da, unbewegt wie die Felsen um sie herum. Keine von beiden wagte sich zu bewegen. Jeder Schritt der nun getan wurde entfernte sie von einander...jeder Augenblick der verstrich kündete von ihrem baldigen Abschied. Ryan seufzte laut und löste sich aus der Umarmung. "Wir müssen weiter," sagte sie, doch der Widerwillen war deutlich in ihrer Stimme zu erkennen. "Ich weiß," sagte Ayesha und ließ ihren Kopf hängen. Aus traurigen Augen sah sie Ryan dabei zu wie diese ihr Gepäck schulterte und sich für das letzte Stück ihrer gemeinsamen Weges rüstete. Sie wußte sie hatte nicht das Recht Ryan festzuhalten...man konnte sie auch nicht festhalten, dass hatte Ayesha gelernt. Jedoch tief in ihr sehnte sich ein kleiner Teil nach eben dieser Macht...dieser Macht einen Menschen festzuhalten der für jeden anderen unhaltbar war... "Komm, laß uns weitergehen," hörte sie die Stimme Ryans, und Ayesha schluckte hart. Sie fühlte wie sich eine Hand in die ihre stahl und sanfte Druck ausübte. Ayesha erwiderte diesen Druck mit ihren Fingern, und zwang sich zu einem Lächeln. Ein lauter Pfiff durchzuckte die Stille und Loba sprang auf ihre Pfoten, wedelte mit ihrem Schwanz und bellte laut als Antwort. "Komm altes Mädchen," rief Ryan der Wölfin zu. "Wir gehen weiter." Eilig tapste Loba einige Schritte vorwärts, doch plötzlich hielt sie inne. Hob ihren Kopf...ein Geruch stieg in ihre Nase...sie schnupperte...dieser Geruch, sie kannte ihn. Verwirrt blickte sich die Wölfin um...niemand war zusehen. Kurz schüttelte sie ihren struppigen Kopf und lief ihren Gefährten mit schnellen Schritten nach...doch diesen Geruch nahm sie mit sich... Goldene Sonnenstrahlen ergossen sich in den kleinen Raum, tanzten an den Wänden wie kleine Sterne. Ein kurzes Lächeln huschte über das Antlitz des Mannes welcher hinter einem großen Tisch saß, und diesem Schauspiel schon eine ganze Weile zusah. Nachdenklich schwenkte er einen Kelch mit einem rötlichen Getränk hin und her...er atmete geräuschvoll durch und ließ sich in seinem Stuhl zurücksinken. Dunkle Gedanken rauschten durch seinen Geist, Gedanken welche ihn schon so viele Jahre lang beschäftigten. "Es wird Zeit," sagte er zu sich selbst. "Wir beide wissen das nicht wahr? Es wird Zeit..." Vorsichtig stellte er den Kelch auf den Tisch zurück, griff unter sein schwarzes Hemd. Ein schwaches Geräusch drang an seine Ohren, gequält schloß er seine Augen, als er das kalte Material zwischen seinen Fingern spürte. Sanft strich er über die Oberseite des goldenen Medaillons...Erinnerungen brachen über ihm zusammen. Erinnerungen welche er nur selten zuließ, da sie ihm immer wieder aufs neue Schmerzen bereiteten, da sie immer wieder Wunden aufrissen. Doch er wußte, diese würden niemals wirklich heilen können. "Maris," flüsterte er und schlug seine Augen wieder auf. Betrachtete das Medaillons in seiner Hand. "Unsere Zeit ist bald da. Ich kann es spüren, sie ist gekommen. Die Zeit das ich dich und unseren Sohn endlich rächen kann. Und ich werde mich rächen, glaub mir. Ich werde ihr Leben zerstören, ihr jeden nehmen der ihr nahe steht. Sie soll leiden...so unsagbar leiden... Ich vermisse dich, es ist schon so lange dunkel um mich. Sie hat mir mein Licht genommen..." Ein Klopfen riß ihn aus seinen Gedanken. Schnell führte er das kalte Material an seine Lippen und küßte es flüchtig. Der weiche Ausdruck auf seinem Gesicht verschwand wieder so schnell wie er auch gekommen war. Kalt und unbewegt wurden seine Gesichtszüge. Diese Maske paßte ihm schon seit Jahren perfekt... Mit einer schnellen Handbewegung verschwand das Medaillons wieder unter seinem Hemd. "Ja, herein," reif er und setzte sich gerade auf seinen Stuhl. Zögernd wurde die schwere Tür geöffnet, und ein Mann wurde sichtbar. "Was willst du," knurrte er mißmutig. "Seid ihr mit dem Mädchen schon fertig?" Vorsichtig betrat der Mann den Raum. Seine Nerven waren bis zum zerreißen angespannt. Er fürchtete sich vor der dunklen Gestalt die dort am Tisch saß, und ihn durchdringend musterte. "Ja, sind wir," antwortete er, doch seine Stimme kam ihm eher wie ein Krächzen vor. "Doch sie will einfach nicht reden. Ich wollte euch fragen, was wir nun mit ihr tun sollen. Was ist euer Befehl Katlar?" Er verneigte sich kurz und trat dann nervös von einem Fuß auf den anderen. Kaltar faltete nachdenklich seine Hände und sah mit wachsendem Vergnügen zu, wie es dem Mann vor ihm mit jedem Augenblick mehr unbehaglicher wurde. "So," sagte er monoton. "Sie will also nicht reden. Was tun wir normalerweise in diesen Fällen?" "Wir töten sie," gab der Mann ihm zur Antwort. "Ist das also euer Befehl? Sollen wir das Mädchen töten? Sie ist ohnehin nur unnötiger Ballast." Kaltar lachte leise und schüttelte seinen Kopf. "Sie ist also unnötiger Ballast? Ich dachte ihr hättet euren Spaß mit ihr gehabt?" Der Krieger vor ihm lächelte schief und nickte leicht. "Wie würdest du es finden wenn ich über dich sagen würde du wärst unnötiger Ballast? Wie würde dir das gefallen?" Die Augen seines Gegenübers weiteten sich erschrocken, feine Schweißperlen sammelten sich auf seiner Stirn. Kaltar gefiel es wie der Krieger vor ihm es mit der Angst zutun bekam. Wie leicht war es doch Menschen zu ängstigen? Es war so leicht... Fest stützte Katlar seine Hände auf die Tischplatte und fixierte den Mann vor ihm. Er sah wie es um seine Mundwinkel leicht zuckte, wie die Schweißperlen im Sonnenlicht glitzerten als wären sie kleine Tautropfen am Morgen. Er schüttelte leicht seinen Kopf und ließ sich wieder in seinem Stuhl zurücksinken. "Nein, ihr sollt sie nicht töten...noch nicht," sagte er und faltete seine Hände. "Sie wird noch eine Verwendung finden, ich weiß es." "Was macht euch da so sicher, für was braucht ihr das Mädchen?" fragte der Krieger, doch sein Blick war weiterhin auf den Boden gerichtet. "Findet nicht jeder Mensch seine Verwendung? Glaub mir, ich kann sie noch gut gebrauchen." Nachdenklich hielt Katlar inne, starrte aus dem Fenster. Einige Sonnenstrahlen trafen ihn auf der Haut, und er schloß genüßlich seine Augen. Ja, dieses Mädchen würde ihm noch sehr dienlich sein und sie hatte nicht mal die leiseste Ahnung davon. Sie wußte nicht für was er sie noch so dringend brauchte... er lächelte. "Sind schon Nachrichten von den Spähern eingetroffen?" fragte er leise. "Nein, heute noch nicht. Doch sie scheinen immer noch auf der gleichen Route unterwegs zusein. Sie werden weiterhin beobachtet so wie ihr es befohlen habt." Kaltar nickte leicht, wandte seinen Blick wieder dem Krieger zu. "Du kannst jetzt gehen, benachrichtige mich sobald die neuen Nachrichten eintreffen." Der Krieger verneigte sich leicht, Kaltar hörte wie er geräuschvoll vor Erleichterung die Luft ausblies. "Ach, warte noch," rief er ihm nach, und der Krieger blieb stehen. "Für heute glaube ich hat das Mädchen genug. Laßt also für den Rest des Tages von ihr ab. Wie gesagt, ich brauche sie noch." Der Krieger nickte schweigend, drehte sich auf dem Absatz um und schloß die schwere Tür leise hinter sich. Still war es wieder, gedankenverloren starrte Kaltar die Steindecke an. "Der Katzenstein," dachte er und klopfte sich mit dem Zeigefinger nachdenklich gegen seine Lippen. "Was willst du dort? Das Mädchen? Bringst du sie nach Hause? Wie ehrenvoll von dir. Du bist und bleibst für mich ein Rätsel Ryan..." Katlar atmete tief durch, in seinem Körper stellte sich ein eigenartiges Gefühl ein. Was war das? Er war nervös, und gleichzeitig wußte er, dass er alle Trümpfe in der Hand hielt. Das Spiel konnte auf ein neues beginnen. "Es dauert nicht mehr lange...du weißt es doch auch, oder? Bald sehen wir uns wieder...du wirst kommen...ich weiß es...seltsam das du meine Späher nicht bemerkt hast, was lenkt dich so ab? Das Mädchen? Ist es das Mädchen?" Ein wissendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, seine Augen funkelten. "Komm nur...ich habe lange auf diesen Tag gewartet...du wirst zu mir kommen, doch wohl anders als du es dir vorgestellt hast...du wirst zu mir kommen...bald..." Dämmerlicht hüllte die felsige Landschaft ein, ließ den kalten Stein in einem rötlichen Licht leuchten. Still war es um diese Tageszeit geworden, die wenigen Tiere welche noch zu existieren schienen suchten sich ihr Lager für die Nacht, während andere erst jetzt zum Vorschein kamen. Die Welt schien genauso schweigsam zu sein wie die beiden Menschen die immer noch Hand in Hand den Abhang mit vorsichtigen Schritten hinab liefen. Mit jedem Schritt den sie voran gekommen waren, war ihr Lauftempo gesunken. Mit langsamen, fast schon zaghaften Schritten liefen sie nun das letzte Stück des Weges... Fest umklammerte Ayesha die Hand Ryans. Jetzt hatte sie die Gewißheit, dass es nicht mehr weit sein konnte. Die Landschaft war ihr so vertraut, sie erkannte alles, jeden Stein, jeden Strauch. Es war nur noch ein kurzes Stück des Weges. Diesen Abhang hinunter, dann würden sie bereits die Senke des Berges erreichen und den See erblicken können. In der Ferne hörte sie ein leises Plätschern...der Fluß welcher hier irgendwo aus diesem Berg entsprang. Sie kannte dieses Geräusch nur zu gut. Wie angewurzelt blieb Ayesha plötzlich stehen, sie spürte wie Ryan ebenfalls stehen blieb und sie irritiert anblickte. "Was ist?" fragte sie leise und kam näher. "Warum bleibst du stehen?" Sanft ergriff Ayesha Ryans Hand, schmiegte ihre Wange in deren Handfläche und küßte die Innenseite. "Es ist nicht mehr weit," flüsterte sie und ihre Augen bekamen wieder diesen traurigen Ausdruck. "Ich weiß," sagte Ryan und küßte Ayesha auf ihre Stirn. "Ich will nicht mehr weitergehen. Ich will es nicht..." "Willst du hier bis in alle Ewigkeit stehen bleiben als wärst du ein Baum?" fragte Ryan neckisch und lächelte sie warm an. "Nein, das will ich mit Sicherheit nicht. Aber, ich will nicht weitergehen..." Die gelblichen Augen Ryans suchten die ihren, verbanden sich mit Ayeshas Augen zu einem liebevollen Blick. Zärtlich zog Ryan Ayeshas Gesicht an das ihre und küßte sie. Ein leiser Seufzer entglitt Ayeshas Kehle, und sie schlang fest ihre Arme um Ryans Nacken. "Eben darum will ich nicht weitergehen," wisperte sie und lehnte ihre Stirn gegen Ryans. "Sobald ich wieder zu Hause bin wirst du verschwinden...ich will das nicht." Ryan nickte verständnisvoll und versuchte sie aufmunternd anzulächeln. "Ich werde dir etwas mitgeben, etwas das mir sehr viel bedeutet," flüsterte sie und küßte Ayesha ein weiteres mal. "Lieber wäre es mir wenn du es wärst," entgegnete Ayesha. "Ich weiß, aber ich werde alles was in meiner Macht steht tun, damit ich wieder zurückkomme." Ryan löste sich aus ihrer Umarmung und kniete sich zu Loba hinunter. Sanft streichelte sie der Wölfin über ihr Haupt...das Tier wußte was es zu bedeuten hatte. "Nimm Loba mit dir," sagte Ryan, doch ihre Stimme stockte bei diesen Worten. "Ich weiß sie wird es gut bei dir haben, ich will nicht das ihr etwas passiert. Kümmer dich um mein altes Mädchen, sie wird sich auch um dich kümmern...ihr werdet nicht alleine sein." Ayesha nickte sacht, kniete sich zu Ryan und Loba hinunter und streichelte ebenfalls kurz der Wölfin über ihr schwarzes Fell. Sie war sich sicher, auch dieser Abschied viel Ryan schwer. Sie liebte das Tier aus ganzem Herzen, und Loba brachte ihr die gleiche Zuneigung entgegen. "Ich werde mich gut um sie kümmern," sagte sie und Loba jaulte leise. "Keine Sorge, ich kümmere mich schon um dich." Ayesha lächelte, als Loba ihr zärtlich die Hand ableckte. Doch plötzlich, wie aus heiterem Himmel spannte sich der Körper des Tieres unter ihren Fingern an. Jeder Muskel schien sich zu versteifen. Loba hob ihren Kopf, schnupperte als würde sie etwas wittern... sie knurrte leise und bleckte ihre scharfen Zähne. "Ryan," flüsterte Ayesha erschrocken. "Was hat sie auf einmal?" Irritiert betrachtete Ryan die schwarze Wölfin, sie kannte es wenn Loba Gefahr spürte, doch dieses mal kam es völlig überraschend. "Was hast du Loba?" fragte sie leise und blickte dem Tier tief in die Augen. Loba knurrte ein weiteres mal, doch noch lauter als zuvor. "Was ist mit dir, was spürst du?" Die grünen Augen des Tieres starrten fest und kampflustig in die gelblichen Menschenaugen, und dann verstand Ryan...ihre Augen weiteten sich vor Schreck. "Wölfe," stieß sie hervor und richtete sich augenblicklich auf. "Sie sind hier...ganz in der Nähe...sie sind hier." Alle Farbe wich aus Ayeshas Gesicht, sie wurde fast schon blas, als wäre sie krank. Ihr Körper begann plötzlich zu zittern. "Was?" flüsterte sie so leise das es kaum zu vernehmen war. "Sie sind hier?" Ryan nickte, zog sie nahe an sich heran, und rannte mit ihr den Abhang hinunter. Die scharfen Felsspitzen erschwerten ihr vorankommen. Ayeshas Kehle brannte wie Feuer, ihr Denken wurde durch Angst vernebelt. War er es? Würde er jetzt schon über sie kommen? Würde er sie finden? Sie beide töten? Sie spürte wie ihr Herz schneller schlug, wie ihr Atem stoßweise ihrer Kehle entwich. Sie erhaschte einen kurzen Blick auf Ryans Gesicht. Kalt war es wieder, gehetzt wie ein Tier das in die Enge getrieben wurde... Abrupt blieb Ryan stehen, blickte sich hektisch um, zog Ayesha hinter sich her. Sie mußte ein Versteck finden, doch wo konnte man sich in dieser kargen Landschaft nur verstecken? Es gab hier oben nur wenige Bäume, kein dichtes Unterholz...fast schon panisch lief sie weiter, und blickte sich immer wieder nach allen Seiten um. "Ryan," hörte sie die Stimme Ayeshas in ihrem Rücken. "Dort hinten ist eine kleine Höhle, ich kann mich genau daran erinnern...es ist nicht weit von hier," keuchte sie und lief ebenfalls schneller. Hinter ihnen hörten sie Stimmen. Wie viele Männer es sein mochten war jetzt noch nicht auszumachen, doch Ryan glaubte das es mindestens vier oder fünf Späher waren. "Verdammt, warum habe ich sie nicht schon früher bemerkt," verfluchte sie sich selbst. "Ich habe es ihnen leicht gemacht uns zu folgen." Vor ihnen tauchte ein großer Fels auf, seine Spitzen waren mit Moos bewachsen. "Dort, dort muß die Höhle sein." Entschlossen rannten beide noch schneller. Der Fels gewann immer deutlicher an Konturen, er war relativ groß. Sein Gestein schien durch Wind und Wetter schon fast eine schwärzliche Farbe angenommen zu haben. Mitten in diesem schwarzen Brocken war deutlich ein Loch zuerkennen. "Komm schon," drängte Ryan und kletterte durch den engen Spalt. Ayesha folgte ihr zögernd, und auch Loba zwängte sich noch in den kleinen Raum. Dunkel war es um sie, es roch nach verfaultem Blattwerk und Fäulnis. Ayesha drängte sich dicht an Ryan, sie fühlte wie ihr Herz ihr gegen den Brustkorb schlug, sie atmete unregelmäßig. "Sei jetzt ganz still," wisperte Ryan beruhigend. "Ich bin mir sicher, sie werden uns nicht finden." Ayesha nickte und lauschte angestrengt.... Getrocknetes Laub begann leise zu rascheln, Schritte kamen näher und Stimmen. Tiefe Stimmen...Wölfe, sie waren ganz in ihrer Nähe. Ayesha wagte kaum zu atmen, jeder Atemzug und jede Bewegung erschien ihr zu laut. "Hier sind sie nicht," rief draußen jemand. "Sie müssen irgendwo in der Nähe sein. Wir haben sie doch gesehen." "Laßt uns noch einmal hinauf zur Anhöhe gehen, vielleicht finden wir dort einige Spuren." Ryan schluckte schwer, von den Stimmen her mochten es nur drei Männer sein, doch sie konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob sich nicht noch mehr Ogronier in ihrer Nähe aufhielten. Fest hielt sie Ayesha in ihren Armen. Was sollte sie jetzt nur tun? Sie waren ihrem Ziel doch sie nahe...fieberhaft suchte sie nach Antworten, doch nur eine kam in Betracht...nur eine einzige. "Ayesha," flüsterte Ryan. "Ich glaube sie sind fort..." Ayesha nickte, doch die Anspannung in ihren Gliedern wollte nicht weichen. "Sollen wir dann versuchen zu meinem Dorf zu gelangen, ich glaube wir könnten es schaffen." "Nein," sagte Ryan bestimmt und legte ihr einen Finger auf die Lippen. "Du bleibst mit Loba hier. Ich weiß wen sie wollen...hör mir jetzt gut zu, du kennst den Weg der zu deinem Dorf führt. Es ist nicht mehr weit...Loba und du bleiben solange hier bis die Luft rein ist...ich werde jetzt gehen..." Ayeshas Hand umfaßte fest Ryans Arm und hielt sie zurück. "Was hast du vor?" fragte sie und ihre Stimme zitterte. "Ich gehe sie ablenken, du weißt warum sie hier sind," erwiderte Ryan und umarmte Ayesha noch einmal. "Warum? Warum bleibst du nicht bei uns? Woran soll ich denn erkennen ob die Luft rein ist?" Ryans Gesichtszüge wurden weich und sie nahm Ayeshas Gesicht zwischen ihre Hände. "Loba wird es merken...ich komme wieder, diese Handvoll Männer dürfte kein Problem für mich darstellen." "Bitte geh nicht...bitte..." Erst jetzt bemerkte Ayesha wie sich einige Tränen den Weg ihre Wangen hinunter bahnten...ein schlechtes Gefühl durchflutete ihren Körper...eine dunkle Vorahnung. Ryan lächelte ein weiteres mal, ihre Lippen nährten sich Ayeshas. Zuerst nur kurz, doch dann intensiver. "Ich komme wieder," flüsterte sie ihr ins Ohr und drückte Ayesha fest an sich. Dann löste sie sich aus ihren Armen, drehte sich um und schlich geduckt zum Ausgang der Höhle. Ihr Körper wurde wieder sichtbar, sie drehte ihren Kopf noch einmal in Ayeshas Richtung... "Warte hier, ich komme wieder..." Ein knirschendes Geräusch drang an Ayeshas Ohren, als Ryan ihren Dolch aus der kleinen Scheide an ihrem Gürtel zog. Sie zuckte bei diesem Klang zusammen...ihr Mund fühlte sich ausgetrocknet an, feine Tränenspuren glitzerten auf ihren Wangen. Seufzend rutschte Ayesha an der kalten Wand der Höhle hinunter, schlang die Arme um ihre Knie und starrte auf den Ausgang. Ryan war fort, doch dieses Gefühl war nicht verschwunden... Loba stupste sie sacht in ihre Seite, und legte sich neben sie. Ayesha streckte eine Hand aus und berührte den Körper der Wölfin. "Lebwohl," flüsterte sie und schloß ihre Augen. "Lebwohl..." Lautlos, als wäre sie ein Schatten schlich Ryan vorwärts...ihre Hand umklammerte fest den Dolch...still war es um sie...Waren die Männer vielleicht schon fort? Hatten sie schon aufgegeben? Nein, so schnell ließen sich die Wölfe nicht abschütteln wenn sie bereits Blut geleckt hatte. Sie hatten ihr Opfer erblickt und würden es weiter jagen bis es vor Schwäche oder Angst zusammen brach. Ryan kannte ihre Methoden, sie kannte sie gut. Laub raschelte in ihrer Nähe...sie waren also noch da...geduckt schlich sie weiter, versteckte sich hinter einem Felsen und spähte vorsichtig auf den Abhang hinaus...ihre Gestalt verschmolz mit der Landschaft...nervös hielt Ryan ihren Atem an. Ein junger Krieger bewegte sich auf ihr Versteck zu...sein Schwert blitzte im Dämmerlicht auf...Er schien noch nicht viel Erfahrung zu haben. Seine Schritte verursachten zu viele Geräusche, seine Miene wirkte gelangweilt. Mißmutig stocherte er mit seinem Schwert im spärlichen Laub. Ryan lächelte, so leicht hatte sie es sich nicht vorgestellt. Immer näher kam er, blickte sich nicht einmal um...geschmeidig wie eine Katze schlich Ryan um den Felsen herum...sie war nun hinter ihm, und er schien sie nicht einmal gehört zu haben. Leise schlich sie vorwärts, das Laub unter ihren Füßen verursachte kaum ein Geräusch... Noch fester schlossen sich ihre Finger um den Knauf des Dolches...ihre Augen wurden kalt ebenso wie ihr Lächeln welches auf ihren Lippen lag. Jede Faser in ihr spannte sich an...ihr Körper schnellte in die Luft, umklammerte den Körper des Kriegers von hinten. Sie hörte wie er scharf die Luft ein sog. "Na," raunte sie ihm ins Ohr. "Du hast mich dann wohl als erster gefunden." Leicht, als würde es durch Luft gleiten zerteilte die Klinge des Dolches die Haut...erschrocken riß der Krieger seine Augen auf...er röchelte und schwankte. Heißes Blut ergoß sich über Ryans Hände, schnell sprang sie vom Rücken des Kriegers und blickte ihn verächtlich an. Aus geweiteten, verklärten Augen blickte er sie an. Seine Hände preßten sich auf den breiten Schnitt an seiner Kehle. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor... Langsam kam Ryan näher, musterte ihr Werk...Ihr Gegenüber strauchelte, und fiel rücklings auf den Boden. Er röchelte, starrte entgeistert seine Blutverschmierten Hände an...Seine Augen wurden ausdruckslos bis auch der letzte Hauch von Leben seinen Körper verlassen hatte. "Zu einfach," sagte Ryan und trat dem Krieger in seine Seite, doch er bewegte sich nicht mehr. Schnell blickte sie sich um, niemand war sonst zu sehen, doch irgend etwas bereitet ihr Unbehagen. Sie konnte es nicht deuten, doch dieses Gefühl gewann von Augenblick zu Augenblick an Intensität. Ein Sirren durchschnitte die Stille. Schmerz ließ Ryans Gesichtszüge verhärten... "Bogenschützen," dachte sie und starrte entgeistert auf den Pfeil welcher aus ihrer Taille ragte. Ihre Bewegungen wurde schwerfällig...was war nur los? Hektisch blickte sie sich um...wo waren die anderen. Ihre Hand tastete sich zum Knauf ihres Schwertes und sie zog es aus der Scheide...lauernd stand sie da. Ihr Atem ging schneller, doch ihr Geist begann langsam taub zu werden. Verwirrt schüttelte sie ihren Kopf. Was war das? Die Umgebung um sie herum verlor ihre Konturen, wurde verschwommen als würde sie durch einen Regenschleier blicken... "Gift," schoß es durch den Kopf. "Gift... verdammt.." Ryan taumelte einige Schritte vorwärts...da waren sie...vier Männer kamen auf sie zu. In diesem Zustand konnte sie es nicht mit allen Vieren auf sich nehmen. Ryan ging in Angriffsstellung, was hatte sie auch sonst für eine Wahl. "Was denn Mädchen," die tiefe Stimme drang kaum wirklich in ihren Geist. "Du kannst nicht mehr kämpfen, das Gift ist stärker als du." Ryan keuchte, schluckte schwer. Sie schüttelte ihren Kopf...die Welt um sie herum begann sich zu drehen... "Holt mich doch," schrie sie und spuckte verächtlich auf den Boden. "Kommt schon, holt mich." Fest preßte Ryan ihre Lippen aufeinander, kämpfte gegen das Gift in ihrem Körper welches ihr langsam den Verstand vernebelte...einer der Männer rannte auf sie zu, sie parierte seinen Hieb, Metall klirrte... Schmerz stieg in ihr empor...ein weiterer Pfeil hatte sie getroffen. Ihr Blut wurde mit jedem Augenblick der verstrich mehr und mehr vergiftet...Schwerfällig hob sie ihr Schwer zur Gegenwehr...hart trafen die Schläge der Männer ihr Ziel...Blut floß auf den Felsigen Boden... Ryan keuchte, sank auf ihre Knie nieder. Blut floß ihr in einer feinen Linie die Stirn hinab...getrübt war ihr Blick, sie konnte kaum etwas erkennen, vor ihr tauchte ein bärtiges, dunkles Gesicht auf. "Katlar wird sich freuen," sagte er und grinste dreckig. "Er erwartet dich." Ein Schlag traf Ryan an ihrem Kopf...ihr Geist wurde schwächer...Licht wurde von Dunkelheit verschluckt...sie hörte wie die Männer leise lachten... "Ayesha," dachte sie während die Dunkelheit um sie immer dichter wurde. "Verzeih mir...verzeih mir..." Verklärt starrte sie in den Himmel. Das Licht wurde immer schwächer...ein junger Vogel flog über ihnen, er suchte einen Platz um sich von seinem Flug auszuruhen. Ryan glaubte zu sehen wie er seinen Kopf drehte, sich umblickte. Dann erschien über ihm ein großer Schatten...ein Adler senkte sich aus einer dunklen Wolke auf ihn hinab. Seine scharfen Klauen packten den jungen Vogel, ein Schrei war zu hören...Federn rieselten aus dem Kleid des kleineren Vogels...er kämpfte, doch er war nicht stark genug. Der Adler hakte ein paar mal mit seinem scharfen Schnabel auf den kleinen Körper unter ihm ein, bis die Gegenwehr zusammenbrach...Ausgerissene Federn wurden vom Wind sacht hin und her geweht... "Wir sind zu hoch geflogen," dachte Ryan mit ihrem letzten klaren Gedanken. "Zu hoch, zu weit, wir sind beide besiegt worden...wir haben uns beide die Flügel verbrannt..." Nachwort: Leider hatte sich meine Festplatte wohl gedacht, es macht Spaß sich mal für ein paar Tage zu verabschieden, deshalb bin ich leider erst jetzt mit dem neuen Kapitel da. Ich hoffe, es war soweit in Ordnung. Ich weiß nicht, aber es kommt mir bei einigen Abschnitten so vor, als würde es zu holprig klingen... Nun, ich hoffe es war doch nicht all zu schlimm. Ich bedanke mich fürs lesen. Das nächste Kapitel wird dann wohl ein sehr düsteres werden. Naja, ihr werdet es ja dann sehen. Also, bis bald. Adios seen Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)